URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)
17. Dezember 2025(* )
„ Unionsmarke – Verfallsverfahren – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Bildmarke Schöffel Ich bin raus. – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 – Rechtsmissbrauch “
In der Rechtssache T‑536/24,
Schöffel Sportbekleidung GmbH mit Sitz in Schwabmünchen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt P. Klein und Rechtsanwältin S. Schäfer,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Markakis und D. Hanf als Bevollmächtigte,
Beklagter,
anderer Beteiligter im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:
BV,
erlässt
DAS GERICHT (Achte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Richters G. De Baere (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Richters D. Petrlík und der Richterin S. Kingston,
Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2025
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Schöffel Sportbekleidung GmbH, die Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 15. August 2024 (Sache R 237/2023‑1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Am 5. Juni 2012 wurde für die Klägerin beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) unter der Nr. 1125107 eine internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union für folgende Bildmarke vorgenommen:
3 Die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, gehören nach der während des Verfahrens vor dem EUIPO vorgenommenen Einschränkung zu den Klassen 18 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung.
4 Am 6. Juni 2021 stellte der Beteiligte, BV, gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke in Bezug auf alle Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden war, da die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union nicht ernsthaft benutzt worden sei.
5 Mit ihrer Entscheidung vom 28. Januar 2023 wies die Nichtigkeitsabteilung den Verfallsantrag in vollem Umfang zurück, weil er verfahrensmissbräuchlich gestellt worden sei.
6 Am 30. Januar 2023 legte der Beteiligte beim EUIPO gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.
7 Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer der Beschwerde statt; sie stellte fest, dass der Antrag auf Verfallserklärung nicht rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei, und verwies die Sache zur weiteren Prüfung an die Nichtigkeitsabteilung zurück.
Anträge der Parteien
8 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben und abzuändern;
– BV und, hilfsweise, dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
9 Das EUIPO beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, falls eine mündliche Verhandlung anberaumt wird.
Rechtliche Würdigung
10 Mit ihrem einzigen Klagegrund rügt die Klägerin im Wesentlichen eine falsche Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Rechtsmissbrauchs.
11 Sie macht geltend, die Beschwerdekammer sei anders als die Nichtigkeitsabteilung zu dem unzutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Antrag auf Erklärung des Verfalls der angegriffenen Marke als „rechtmäßiges Verteidigungsmittel und im öffentlichen Interesse“ vorgenommen worden sei.
12 Die Beschwerdekammer habe einen Fehler begangen, indem sie im vorliegenden Fall die in der Entscheidung der Großen Kammer des EUIPO vom 11. Februar 2020 (Sache R 2445/2017‑G, im Folgenden: Sache Sandra Pabst) aufgestellten Voraussetzungen angewandt habe, um zu bestimmen, ob der Verfallsantrag rechtsmissbräuchlich gestellt wurde. Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer hätte, um einen etwaigen Rechtsmissbrauch zu beurteilen, alle subjektiven und objektiven Sachverhaltsaspekte berücksichtigen müssen. Bei einer zutreffenden Würdigung der verschiedenen tatsächlichen Aspekte des Falles hätte die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis kommen müssen, dass der Verfallsantrag rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei.
13 In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer den von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt geprüft und festgestellt, dass dieser erheblich von dem abweiche, der der Rechtssache zugrunde lag, in der das Urteil vom 28. Juli 2016, Kratzer (C‑423/15, EU:C:2016:604), erging, sowie von dem in der Sache Sandra Pabst, die daher beide nicht als Präzedenzfälle dienen könnten. Außerdem sei keine der in der Sache Sandra Pabst aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, so dass sich die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsmissbrauch nur bewiesen werden könne, wenn eine der in dieser Sache genannten Voraussetzungen erfüllt sei, erübrige.
14 Die Beschwerdekammer stellte fest, dass angesichts der Umstände des vorliegenden Falles der Verfallsantrag nicht rechtsmissbräuchlich, sondern als rechtmäßiges Verteidigungsmittel und im öffentlichen Interesse im Sinne des 24. Erwägungsgrundes der Verordnung 2017/1001 gestellt worden sei.
15 Weiter führte die Beschwerdekammer aus, dass nicht geprüft zu werden brauche, ob die in der Sache Sandra Pabst getroffenen Feststellungen immer noch gälten oder ob diese bereits durch die Feststellungen des Gerichts in Rn. 75 des Urteils vom 10. Juni 2020, Leinfelder Uhren München/EUIPO – Schafft (Leinfelder) (T‑577/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:259), wonach „es bei der Prüfung der Zulässigkeit eines … Verfallsantrags irrelevant ist, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt“, hinfällig geworden seien.
16 Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 ein auf einen absoluten Nichtigkeitsgrund bzw. einen Verfallsgrund gestützter Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit oder des Verfalls von jeder natürlichen oder juristischen Person oder jedem Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmen, Händlern oder Verbrauchern, der prozessfähig ist, gestellt werden kann. Dagegen beschränkt Art. 63 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung 2017/1001, der auf relative Nichtigkeitsgründe gestützte Anträge auf Nichtigerklärung betrifft, das Recht, einen solchen Antrag zu stellen, auf bestimmte Personen, die ein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen können. Aus der Systematik dieses Artikels ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber zwar den Kreis der Personen, die einen auf einen relativen Nichtigkeitsgrund gestützten Antrag auf Nichtigerklärung stellen können, beschränken wollte, nicht aber den Kreis der Personen, die einen auf einen absoluten Nichtigkeitsgrund gestützten Antrag auf Nichtigerklärung oder einen Antrag auf Erklärung des Verfalls stellen können (vgl. Urteil vom 16. November 2017, Carrera Brands/EUIPO – Autec [Carrera], T‑419/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:812, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil vom 7. Juni 2023, Cherusci/EUIPO – LexDellmeier [RIALTO], T‑239/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:319, Rn. 38).
17 Indem der Unionsgesetzgeber in Art. 18 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 eine Regel für den Verfall der Unionsmarke wegen fünfjähriger Nichtbenutzung geschaffen hat, beabsichtigte er, wie insbesondere aus dem 24. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht, die Aufrechterhaltung der an die Unionsmarke anknüpfenden Rechte davon abhängig zu machen, dass die Marke tatsächlich benutzt wird. Grund für diese Voraussetzung ist die Überlegung, dass es nicht gerechtfertigt wäre, dass eine Marke, die nicht benutzt wird, den Wettbewerb dadurch behindert, dass das Spektrum der Zeichen, die andere Marktteilnehmer als Marke eintragen lassen können, beschränkt und den Mitbewerbern die Möglichkeit zur Verwendung eines mit dieser Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens genommen wird, wenn sie im Binnenmarkt Waren oder Dienstleistungen anbieten, die mit den durch die fragliche Marke geschützten identisch oder ihnen ähnlich sind (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Länsförsäkringar, C‑654/15, EU:C:2016:998, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
18 Somit ist in Art. 58 der Verordnung 2017/1001 in Gestalt der Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke ein Mechanismus vorgesehen, der den nach der Anmeldung einer Marke eingetretenen Verlust ihrer Eintragungsfähigkeit mit einer Sanktion versieht und dadurch das Allgemeininteresse wahrt (Beschluss vom 23. April 2010, HABM/Frosch Touristik, C‑332/09 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:225, Rn. 50).
19 Insoweit schützen die relativen Eintragungshindernisse die Interessen von Inhabern bestimmter älterer Rechte, während die absoluten Eintragungshindernisse und die Verfallsgründe den Schutz des ihnen zugrunde liegenden Allgemeininteresses zum Ziel haben, was erklärt, dass Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 nicht verlangt, dass der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis nachweist (vgl. Urteile vom 7. Juni 2023, RIALTO, T‑239/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:319, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Mai 2025, RTL Group Markenverwaltung/EUIPO – Örtl [RTL], T‑1088/23, EU:T:2025:446, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
20 Hierfür spricht auch der 24. Erwägungsgrund der Verordnung 2017/1001, dem zufolge der Schutz der Unionsmarke nur insoweit besteht, als diese tatsächlich benutzt wird. Im Licht einer solchen Erwägung zeigt sich nämlich der Zweck von Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001, der darin besteht, einem möglichst breiten Personenkreis ohne Nachweis eines Rechtsschutzbedürfnisses die Möglichkeit zu bieten, eine Unionsmarke anzufechten, die während einer bestimmten Zeit nicht ernsthaft benutzt wurde (vgl. Urteil vom 7. Mai 2025, RTL, T‑1088/23, EU:T:2025:446, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Was die Frage angeht, ob ein möglicher Rechtsmissbrauch für die Prüfung der Zulässigkeit eines gemäß Art. 63 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 gestellten Antrags auf Erklärung des Verfalls beachtlich ist, so darf sich nach der Rechtsprechung niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Union berufen (vgl. Urteil vom 7. Mai 2025, RTL, T‑1088/23, EU:T:2025:446, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Unabhängig von der Frage, ob die Rechtsfigur des Rechtsmissbrauchs oder das angeblich missbräuchliche Verhalten des Beteiligten im Rahmen eines Verfallsverfahrens relevant sein kann, kann jedenfalls das Vorbringen der Klägerin keinen Erfolg haben, wonach die Beschwerdekammer mit der Feststellung, dass sich aus dem vorliegenden Sachverhalt kein Rechtsmissbrauch ergebe, einen Rechtsfehler begangen habe.
23 Erstens trägt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer habe das persönliche Verhalten des Beteiligten nicht hinreichend berücksichtigt. Zwischen dessen beleidigenden und bedrohenden Äußerungen und seinen rechtswidrigen Absichten bestehe ein Zusammenhang.
24 Nach Auffassung der Beschwerdekammer genügen die unangemessenen Äußerungen des Beteiligten nicht für die Annahme eines Verfahrensmissbrauchs. Sie wies darauf hin, dass ihr keine solche beleidigende Sprache gegenüber der Klägerin oder eine vom Beteiligten vor der Antragstellung begangene Straftat bekannt sei.
25 Die Klägerin stützt sich insoweit auf neue Tatsachen betreffend das Verhalten des Beteiligten, die entweder von der Beschwerdekammer als verspätet zurückgewiesen wurden oder die Zeit nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung betreffen und die daher vom Gericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht berücksichtigt werden können. Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat die Beschwerdekammer zudem zutreffend festgestellt, dass die vom Beteiligten in den Monaten nach der Antragstellung und vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung verwendete beleidigende Sprache und möglicherweise begangenen Straftaten keinen Rechtsmissbrauch zum Zeitpunkt der Antragstellung beweisen.
26 Zweitens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe vernachlässigt, dass der Versuch des Beteiligten, die Ware „Hosen“ aus seinem Antrag herauszunehmen, ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch darstelle. Der Beteiligte habe damit lediglich dem Vorbringen der Klägerin ausweichen wollen, dass er wider besseres Wissen einen Verfallsantrag gegen eine Marke gestellt habe, die für Hosen und damit für die Kategorie „Bekleidungsstücke“ benutzt werde.
27 Die Beschwerdekammer hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass es sich bei Hosen nicht um eine eigenständige Unterkategorie von „Bekleidungsstücken“ handele, und hat die Einschränkung des Umfangs des Verfallsantrags als unzulässig zurückgewiesen. Sie hielt die Absicht des Antragstellers, den Umfang des Verfallsverfahrens einzuschränken, bei der Bestimmung, ob der Verfallsantrag rechtsmissbräuchlich gestellt wurde, für irrelevant. In den Akten deute nichts darauf hin, dass diese Absicht zum Zeitpunkt der Antragstellung bestanden habe, und der Antragsteller habe nicht vorhersehen können, ob die Klägerin auf einen Teil der von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen verzichten werde oder ob sie die ernsthafte Benutzung der Marke würde beweisen können.
28 Diese Einschätzung der Beschwerdekammer wird nicht in Frage gestellt durch das Vorbringen der Klägerin, die sich darauf beschränkt, dem Beteiligten – ohne Anführung konkreter Beweise – Absichten in Bezug auf die Beschränkung des Umfangs des Verfallsantrags zu unterstellen.
29 Im Übrigen ist mit der Beschwerdekammer darauf hinzuweisen, dass es für den Nachweis einer ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke für Hosen nicht ausreicht, dass die Akte ein Beweisstück enthält, wonach die Klägerin mindestens eine Hose, mit der die angegriffene Marke verbunden war, verkauft hat, und dass die Verpflichtung zum Nachweis der ernsthaften Benutzung weiterhin bei der Klägerin liegt.
30 Drittens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe Anzahl und Umfang der vom Beteiligten gegen andere Marken gestellten Verfallsanträge falsch bewertet. Zunächst habe die Beschwerdekammer die Tatsache, dass der Beteiligte nicht gegen jede der 30 Marken der Klägerin, sondern nur gegen elf davon Verfallsanträge gestellt habe, nicht zu dessen Gunsten auslegen dürfen. Vielmehr hätte sie nach Auffassung der Klägerin feststellen müssen, dass der Beteiligte die Marken und die Waren und Dienstleistungen ausgewählt habe, für die der Aufwand zum Nachweis der rechtserhaltenden Benutzung groß sei, um den Kostendruck auf die Klägerin zu erhöhen und Geld von ihr zu erpressen. Die Anzahl der Verfallsanträge sei nur deshalb beschränkt worden, weil jeder dieser Anträge Gebühren koste. Die Auslegung der Beschwerdekammer bedeute, dass ein Verfahrensmissbrauch nur dann angenommen werden könne, wenn das gesamte Markenportfolio der Klägerin angegriffen würde, obwohl schon ein einziger Verfallsantrag einen Rechtsmissbrauch darstellen könne. Schließlich zeige die Anzahl der Verfallsanträge, dass der Beteiligte diese gestellt habe, um sich persönlich zu bereichern.
31 In der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass der Beteiligte sieben Verfallsanträge gegen verbundene Marken beim EUIPO oder dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) und zwei Verfallsanträge gegen nicht verbundene Marken beim EUIPO gestellt habe. Sie stellte fest, dass diese Verfallsanträge nicht alle Marken der Klägerin betrafen und es darin nur um bestimmte Waren und Dienstleistungen ging. Sie schloss daraus, dass der Antragsteller nur in Bezug auf Waren und Dienstleistungen, für die er offenbar keine ernsthafte Benutzung der betreffenden Marken habe erkennen können, Anträge gestellt habe. In Bezug auf den Ausgang dieser verschiedenen Verfahren wies die Beschwerdekammer auch darauf hin, dass ein Verfallsantrag zurückgewiesen worden sei und dass bei fünf anderen entweder die Klägerin zumindest teilweise auf ihre Marke verzichtet habe oder der Verfallsantrag zumindest teilweise erfolgreich gewesen sei. Im vorliegenden Verfahren habe die Klägerin dadurch, dass sie teilweise auf die angegriffene Marke verzichtet habe, indirekt eingeräumt, dass die ernsthafte Benutzung der Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen nicht bewiesen werden könne. Daher verfolge der Verfallsantrag ein berechtigtes Interesse, so dass ein Rechtsmissbrauch ausgeschlossen sei.
32 Die Klägerin führt in Bezug auf die Feststellung der Beschwerdekammer, wonach bestimmte vom Beteiligten erfolgreich betriebene Verfahren einem allgemeinen Interesse entsprächen, nämlich dem Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke, die nicht ernsthaft benutzt werde, kein konkretes Gegenargument an.
33 Da mehrere dieser Verfallsanträge zumindest teilweise begründet waren, kann die Klägerin sich nicht auf das Vorliegen einer Vielzahl von Verfallsanträgen berufen, um geltend zu machen, dass der vorliegende Verfallsantrag rechtsmissbräuchlich sei.
34 Viertens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe den teilweisen Verzicht auf einige ihrer Marken unzutreffend als Eingeständnis aufgefasst, dass die vom Beteiligten geführten Verfahren rechtmäßig gewesen seien. Sie habe sich nur aus finanziellen Gründen wegen der mit den Verfahren zum Benutzungsnachweis sowie dem Vortrag des Rechtsmissbrauchs verbundenen Kosten zum jeweiligen Verzicht entschieden.
35 Insoweit ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass die Markeninhaberschaft mit Pflichten verbunden ist, zu denen gegebenenfalls der Nachweis der rechtserhaltenden ernsthaften Benutzung der Marke gehört. Der Umstand, dass die Beschaffung der erforderlichen Beweise für die ernsthafte Benutzung einer Marke der Klägerin Kosten und erheblichen Aufwand verursacht, um die Rechte an der Marke zu erhalten, ist für die Beurteilung der Absichten des Beteiligten irrelevant.
36 Wie die Klägerin einräumt, hat sie sich dazu entschieden, für bestimmte von den Verfallsanträgen betroffene Marken keinen Benutzungsnachweis zu erbringen und damit auf die mit diesen Marken verbundenen Rechte zu verzichten. Die Beschwerdekammer durfte aus dem teilweisen Verzicht auf die angegriffene Marke zu Recht ableiten, dass damit indirekt eingeräumt wird, dass ein Nachweis der ernsthaften Benutzung für bestimmte Waren und Dienstleistungen nicht erbracht werden konnte.
37 Fünftens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe den seit vielen Jahren anhängigen Rechtsstreit zwischen ihr und dem Beteiligten betreffend eine deutsche Marke, deren Inhaber der Beteiligte war, falsch beurteilt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) habe mit Entscheidung vom 3. Mai 2021 festgestellt, dass jene Marke bösgläubig eingetragen worden sei. Diese Bösgläubigkeit hätte die Beschwerdekammer berücksichtigen und somit feststellen müssen, dass der Verfallsantrag eine Vergeltungsmaßnahme des Beteiligten sei und einen Rechtsmissbrauch darstelle.
38 Die Beschwerdekammer stellte zum einen fest, Ausgangspunkt des zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens geführten Rechtsstreits betreffend die deutsche Marke, deren Inhaber der Beteiligte war, sei die Mitteilung des Beteiligten von Anfang 2021 gewesen, dass die Klägerin einen Produktnamen für Hosen benutze, der diese Marke verletze. Infolgedessen beantragte die Klägerin die Erklärung des Verfalls der Marke. Der Beteiligte erhob daraufhin wegen Verletzung seiner deutschen Marke Klage gegen einen Einzelhändler der Klägerin. Diese Klage des Beteiligten wurde mit der Begründung abgewiesen, dass seine Marke bösgläubig eingetragen worden sei, und die Marke wurde gelöscht.
39 Die Klägerin bestreitet diesen Sachverhalt nicht.
40 Anders als von der Klägerin vorgetragen, ging die Beschwerdekammer zutreffend davon aus, dass sowohl die Klägerin als auch der Beteiligte annehmen konnten, dass die jeweils andere Partei ursächlich für die Reihe von Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen sei, da beide Parteien aus ihrer Sicht berechtigte Ansprüche erhoben hatten und den Verfallsantrag der anderen Partei als Vergeltungsmaßnahme empfanden.
41 Diese Feststellung der Beschwerdekammer wird durch die Ausführungen der Klägerin, die auf einen Sachverhalt nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung sowie auf Strafanzeigen abstellen, die sie ohne Bezug zum vorliegenden Verfahren gegen den Beteiligten gestellt hat, nicht in Frage gestellt.
42 Zum anderen stellte die Beschwerdekammer unter Bezugnahme auf die Entscheidung des DPMA vom 25. August 2022 fest, dass, selbst wenn eine deutsche Marke, deren Inhaber der Beteiligte war, bösgläubig zur Eintragung angemeldet worden wäre, dies keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfallsverfahren habe. Die Bösgläubigkeit des Markenanmelders einerseits und die Geltendmachung eines Rechtsmissbrauchs als Verteidigungsmittel im Rahmen eines Verfahrens, mit dem die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke überprüft werden soll, andererseits seien voneinander unabhängige Fragen, da beide Verfahren unterschiedliche Ziele verfolgten. Auch dürfe von der Bösgläubigkeit einer Partei in einer Sache nicht darauf geschlossen werden, dass sie in einer anderen Sache kein rechtmäßiges Ziel verfolge, selbst wenn diese Sachen untereinander einen entfernten Bezug aufwiesen.
43 Hierzu ist festzustellen, dass diese Einschätzung der Beschwerdekammer nicht durch die bloße Behauptung der Klägerin in Frage gestellt wird, dass die Bösgläubigkeit des Beteiligten im Rahmen des eine seiner deutschen Marken betreffenden Verfahrens einen Anhaltspunkt darstelle, der einen Rechtsmissbrauch im vorliegenden Verfallsverfahren belegen könne.
44 Sechstens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt habe. Zum einen habe der Beteiligte versucht, seine bösgläubigen Handlungen dadurch zu vertuschen, dass er zwei seiner deutschen Marken auf den Namen von Scheinpersonen angemeldet oder auf diese übertragen habe. Zum anderen habe der Beteiligte finanziell kalkuliert, welches Investment in Löschungsantragsgebühren sich lohne, um an sein Ziel, nämlich die Zahlung eines hohen Betrags durch die Klägerin, zu gelangen.
45 In der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass der Beteiligte im eigenen Namen Verfahren – darunter auch das vorliegende Verfallsverfahren – betrieben habe, dass er dabei das finanzielle Risiko trage und dass es somit keinen Vertuschungsversuch gebe.
46 Diese Beurteilung der Beschwerdekammer wird nicht durch die durch keinen konkreten Beweis belegten Ausführungen der Klägerin in Frage gestellt, die auf reinen Spekulationen dazu beruhen, dass es sich bei den Personen, an die der Beteiligte seine Marken übertragen habe, um Scheinpersonen handele und dass der Beteiligte eine bestimmte finanzielle Kalkulation angestellt habe.
47 Siebtens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer irre mit ihrer Annahme, dass der Ausgang der durch den Beteiligten angestrengten Verfallsverfahren ein Indiz für sein redliches Verhalten sei. Außerdem sei die Zahl der vom Beteiligten angestrengten Verfahren (mehr als zehn) erheblich.
48 In der angefochtenen Entscheidung zählte die Beschwerdekammer rund zehn vom Beteiligten beim EUIPO anhängig gemachte Verfahren auf; davon sei bei vieren der entsprechende Antrag zurückgenommen worden, drei seien in vollem Umfang oder teilweise erfolgreich gewesen und Gegenstand einer Beschwerde, ein Antrag sei zurückgewiesen worden und Gegenstand einer Beschwerde, über einen sei bestandskräftig entschieden, und in einem Verfahren sei keine Entscheidung ergangen, da die betroffene Marke nicht verlängert worden sei. Außerdem führe der Beteiligte auch ein Verfahren in Deutschland.
49 Im Hinblick auf den Ausgang dieser Verfahren durfte die Beschwerdekammer feststellen, dass der Beteiligte nicht übermäßig viele Verfahren führte, zumal er Inhaber mehrerer Marken war.
50 Überdies stellt, anders als von der Klägerin vorgetragen, die Tatsache, dass die vom Beteiligten veranlassten Verfahren mit Ausnahme derer, bei denen er den Antrag zurückgenommen hat, zumindest teilweise zu seinen Gunsten entschieden wurden, einen Aspekt dar, der bei der Feststellung, dass das vorliegende Verfahren ein rechtmäßiges Ziel verfolgt, zu berücksichtigen ist.
51 Nach alledem hat die Klägerin nicht bewiesen, dass die Beschwerdekammer mit der Feststellung, dass der Verfallsantrag des Beteiligten nicht rechtsmissbräuchlich gestellt wurde, einen Beurteilungsfehler begangen hat.
52 Folglich ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Kosten
53 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
54 Da die Klägerin unterlegen ist und eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Achte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Schöffel Sportbekleidung GmbH trägt die Kosten.
Petrlík
Kingston
De Baere
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2025.
Der Kanzler
Der Präsident
V. Di Bucci
M. van der Woude