T-518/15 – Frankreich/ Kommission

T-518/15 – Frankreich/ Kommission

Language of document : ECLI:EU:T:2018:54

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

1. Februar 2018()

„EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Französischer Plan zur Entwicklung des ländlichen Raums – Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums – Gebiete mit naturbedingten Nachteilen – Pauschale finanzielle Berichtigung – Von Frankreich getätigte Ausgaben – Vor-Ort-Kontrollen – Kriterium der Beweidungsintensität – Viehzählung – Erhöhung des Prozentsatzes der pauschalen Berichtigung aufgrund des erneuten Verstoßes – Verfahrensgarantien“

In der Rechtssache T‑518/15

Französische Republik, zunächst vertreten durch G. de Bergues, D. Colas, R. Coesme und A. Daly, dann durch D. Colas, R. Coesme und A. Daly und schließlich durch D. Colas, R. Coesme, S. Horrenberger und E. de Moustier als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, zunächst vertreten durch M. Sampol Pucurull, dann durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, A. Lewis und J. Aquilina als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/1119 der Kommission vom 22. Juni 2015 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2015, L 182, S. 39)

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter D. Spielmann und Z. Csehi (Berichterstatter),

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die französischen Behörden genehmigten gemäß Art. 36 Buchst. a Ziff. i und ii der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. 2005, L 277, S. 1) das Französische Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 (programme de développement rural hexagonal 2007–2013, im Folgenden: Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013), das u. a. die Gewährung von Ausgleichszahlungen an Landwirte in Gebieten mit naturbedingten Nachteilen (indemnités compensatoires de handicaps naturels, im Folgenden: Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile) vorsieht.

2        Mit Beschluss K(2007) 3446 vom 19. Juli 2007 billigte die Europäische Kommission das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013. Das Programm enthält insbesondere Maßnahmen im Sinne von Art. 36 Buchst. a Ziff. i und ii der Verordnung Nr. 1698/2005, nämlich die Maßnahmen 211 und 212. Mit diesen Maßnahmen lässt sich dadurch, dass eine Ausgleichszahlung für Futterflächen von der Einhaltung eines Kriteriums der Beweidungsintensität abhängig gemacht wird, sicherstellen, dass die Landwirte in Gebieten mit naturbedingten Nachteilen, in Berggebieten und in Gebieten außerhalb der Berggebiete, für eine gute Bodennutzung geeignete Praktiken einhalten. Mit einem solchen Kriterium der Beweidungsintensität, ausgedrückt in Großvieheinheit (im Folgenden: GVE) je Hektar, lässt sich die Viehdichte auf den Futterflächen regeln, um Phänomene der zu schwachen Beweidung oder der Überweidung zu vermeiden. Im Einklang mit Art. 71 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1698/2005 legt das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 eine Reihe von Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe fest, zu denen insbesondere die Einhaltung der auf der Ebene des Departements, und zwar als Obergrenze pro Zone oder Teilzone, festgelegten Beweidungsintensität gehört.

3        Die finanzielle Berichtigung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist, wurde von der Kommission im Anschluss an die Untersuchung RD 2/2012/005/FR betreffend die besonderen Maßnahmen des Schwerpunkts 2 des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum 2007–2013 für das Wirtschaftsjahr 2011, nämlich die Maßnahmen 211 und 212 betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und die Teilmaßnahme 214-A der Landwirtschafts- und Umweltprämie für Weideland (prime herbagère agro-environnementale, im Folgenden: Weidelandprämie), vorgenommen.

4        Die Untersuchung wurde gemäß Art. 31 Abs. 1 und 3 der zum Zeitpunkt der Einleitung der Untersuchung geltenden Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1) durchgeführt.

5        Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 übermittelte die Kommission den französischen Behörden auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER (ABl. 2006, L 171, S. 90) ihre aus der Untersuchung resultierenden Feststellungen und bat sie um zusätzliche Informationen (im Folgenden: Mitteilung der Ergebnisse).

6        In Rn. 4.3 der Mitteilung der Ergebnisse („Keine Kontrolle der Beweidungsintensität“) vertrat die Kommission u. a. die Auffassung, dass die Modalitäten der Vor-Ort-Kontrolle für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und für die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie gegen Art. 4 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 65/2011 der Kommission vom 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1698/2005 hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. 2011, L 25, S. 8) verstießen, da die Rinder, Schafe und Ziegen, für die ein besonderer Beihilfeantrag gestellt worden sei, bei den Vor-Ort-Kontrollen weder überprüft noch gezählt noch Gegenstand einer Plausibilitätsrechnung gewesen seien. Die Kommission wies darauf hin, dass diesbezüglich in den beiden vorangegangenen Untersuchungen RD 2/2008/10/FR und RD 2/2011/03/FR die gleiche Feststellung getroffen worden sei, und forderte die französischen Behörden auf, ihre Verfahren der Vor-Ort-Kontrollen anzupassen.

7        Mit Schreiben vom 2. April 2013 übermittelten die französischen Behörden der Kommission ihre Stellungnahme zur Mitteilung der Ergebnisse.

8        In Rn. 4.3 dieser Stellungnahme haben die französischen Behörden

–        die Vornahme einer Plausibilitätsprüfung zum Nachweis der Berechtigung einer Beihilfe zurückgewiesen;

–        geltend gemacht, dass die Berechnung der Beweidungsintensität in Bezug auf die Rinder über eine elektronische und unter Einhaltung der in den verschiedenen einschlägigen Unionsverordnungen vorgesehenen Modalitäten kontrollierte nationale Datenbank erfolgt sei;

–        darauf hingewiesen, dass die Überprüfung der Beweidungsintensität für die Zwecke der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile anlässlich von Vor-Ort-Kontrollen vorgenommen worden sei, die entweder unter dem Gesichtspunkt der Beihilfefähigkeit im Hinblick auf die verschiedenen Tierbeihilfen oder unter dem Gesichtspunkt der anderweitigen Verpflichtungen der Kennzeichnung erfolgt sei, wobei die Zählung der nicht in der elektronischen nationalen Datenbank erfassten Rinder und der Schafe und Ziegen, für die kein Antrag für Tierbeihilfen gestellt worden sei, systematisch bei den Vor-Ort-Kontrollen im Zusammenhang mit den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile durchgeführt werde.

9        Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 lud die Kommission die französischen Behörden gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006 zu einer bilateralen Besprechung ein, die am 28. November 2013 stattfand.

10      Am 11. Dezember 2013 übermittelte die Kommission den französischen Behörden gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 885/2006 das Protokoll über diese Besprechung und bat um zusätzliche Informationen. Die französischen Behörden antworteten am 27. Februar 2014.

11      Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 (im Folgenden: förmliche Mitteilung) teilte die Kommission den französischen Behörden förmlich mit, dass sie ihren Standpunkt aufrechterhalte. Sie ging davon aus, dass es sich bei der festgestellten Unzulänglichkeit um einen Mangel bei einer Schlüsselkontrolle handele, der ein „Risiko für den Fonds“ schaffe und normalerweise zu einer finanziellen Berichtigung in Höhe von 5 % führe. Da diese Unzulänglichkeit jedoch bereits bei den beiden vorangegangenen Untersuchungen hervorgehoben worden sei, sei sie als ein erneuter Verstoß anzusehen, so dass die Anwendung einer pauschalen Berichtigung in Höhe von 10 %, d. h. ein von der Finanzierung der bei dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und bei dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) angemeldeten Ausgaben auszuschließender Nettobetrag in Höhe von 115 971 211,03 Euro, vorzuschlagen sei. Weiterhin stellte die Kommission klar, dass sich die pauschale Berichtigung auf die Ausgaben für die Antragsjahre 2011 bis 2013, die in den Haushaltsjahren 2011 bis 2013 getätigt worden seien, beziehe, da keinerlei Berichtigungsmaßnahme für diese Jahre ergriffen worden sei.

12      Am 3. Juli 2014 riefen die französischen Behörden die Schlichtungsstelle an, die am 15. Januar 2015 ihren Bericht Nr. 14/FR/635 vorlegte.

13      Nach dem Scheitern des Schlichtungsverfahrens übermittelte die Kommission den französischen Behörden mit Schreiben vom 16. März 2015 ihre abschließende Stellungnahme (im Folgenden: abschließende Stellungnahme), in der sie ihren in der förmlichen Mitteilung dargelegten Standpunkt teilweise aufrechterhielt und vorschlug, einen Nettobetrag von 98 276 677,07 Euro für die seit dem 11. Dezember 2010 getätigten auf das Antragsjahr 2011 sowie die Antragsjahre 2012 und 2013 entfallenden Ausgaben für die Haushaltsjahre 2011 bis 2013 in Bezug auf Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie von der Finanzierung der beim EGFL und beim ELER angemeldeten Ausgaben auszuschließen.

14      Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 schlug die Kommission in Anbetracht der vom Gericht im Urteil vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission (T‑259/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:250), entwickelten Lösung vor, in dem zu erlassenden Beschluss die Ausgaben für Schafe und Ziegen, für die kein Antrag auf Tierbeihilfen gestellt worden sei, von der Bemessungsgrundlage für die finanzielle Berichtigung auszuschließen. Da sie diesen Ausschluss nicht vor der Veröffentlichung dieses Beschlusses habe vornehmen können, schlug die Kommission vor, die erforderlichen Anpassungen im Anschluss an dessen Veröffentlichung vorzunehmen und bat daher die französischen Behörden um Mitteilung der von der Bemessungsgrundlage für die finanzielle Berichtigung auszuschließenden Bruttobeträge.

15      Am 22. Juni 2015 erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1119 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des EGFL und des ELER getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2015, L 182, S. 39) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

16      Im angefochtenen Beschluss schloss die Kommission im Rahmen eines Konformitätsabschlussverfahrens für den Agrarbereich einen Nettobetrag in Höhe von 98 276 627,35 Euro von der Finanzierung durch die Union aus. Diese pauschale Berichtigung entspricht bestimmten, von der Französischen Republik im Rahmen des Schwerpunkts 2 des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum 2007–2013 für die Maßnahmen 211 und 212 betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und für die Teilmaßnahme 214-A betreffend die Weidelandprämie getätigten Ausgaben. Diese Ausgaben entsprechen den Beihilfen, die von den französischen Behörden auf die in den Jahren 2011 bis 2013 eingereichten Anträge gewährt wurden.

17      Der angefochtene Beschluss wurde gemäß Art. 52 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549), durch die die Verordnung Nr. 1290/2005 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben wurde, erlassen. Das durch Art. 52 der Verordnung Nr. 1306/2013 eingeführte Konformitätsabschlussverfahren entspricht im Wesentlichen dem in Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 vorgesehenen Verfahren.

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Mit Klageschrift, die am 2. September 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik die vorliegende Klage erhoben.

19      Am 30. November 2015 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht. Die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind fristgerecht eingereicht worden.

20      Das Königreich Spanien hat mit Schriftsatz, der am 1. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Französischen Republik zugelassen zu werden. Der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts hat diesen Streitbeitritt mit Beschluss vom 11. Januar 2016 zugelassen. Das Königreich Spanien hat seinen Streithilfeschriftsatz fristgerecht eingereicht und die Hauptparteien haben sich fristgerecht zu diesem Schriftsatz geäußert.

21      Aufgrund einer Änderung der Zusammensetzung des Gerichts hat der Präsident des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts die Rechtssache im Interesse einer geordneten Rechtspflege einem neuen Berichterstatter zugewiesen, der der Zweiten Kammer zugeteilt worden ist. Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist die Rechtssache der Sechsten Kammer zugewiesen worden, der dieser Berichterstatter zugeteilt worden ist.

22      Mit prozessleitender Maßnahme vom 4. Mai 2017 sind die Parteien gemäß Art. 89 Abs. 3 der Verfahrensordnung gebeten worden, sich zu den Konsequenzen der Urteile vom 26. Januar 2017, Spanien/Kommission (C‑506/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:42), und vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission (C‑373/15 P, EU:C:2017:55), für die vorliegende Rechtssache zu äußern. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen. Die Kommission ist außerdem aufgefordert worden, bestimmte Unterlagen bei der Kanzlei des Gerichts einzureichen, was sie ebenfalls fristgemäß getan hat.

23      Die Französische Republik, unterstützt durch das Königreich Spanien, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss teilweise für nichtig zu erklären, soweit er bestimmte von den Mitgliedstaaten zulasten des EGFL und des ELER getätigte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausschließt, nämlich insoweit, als er die Ausgaben, die die Französische Republik im Rahmen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und der Weidelandprämie in Bezug auf den Schwerpunkt 2 des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum 2007–2013 für die Haushaltsjahre 2011 bis 2013 getätigt hat, in Höhe der auf die in den Wirtschaftsjahren 2011 bis 2013 eingereichten Anträge gezahlten Beihilfen ausschließt;

–        hilfsweise, den angefochtenen Beschluss teilweise für nichtig zu erklären, soweit er die Ausgaben für Schafe und Ziegen, für die keine Anträge auf Tierbeihilfen gestellt wurden, in die Bemessungsgrundlage für die pauschale Berichtigung aufnimmt;

–        äußerst hilfsweise, den angefochtenen Beschluss teilweise für nichtig zu erklären, soweit er eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung anwendet, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den zweiten Klagegrund für erledigt zu erklären;

–        der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

25      Die Französische Republik hat drei Klagegründe geltend gemacht, in der mündlichen Verhandlung jedoch den zweiten Klagegrund zurückgenommen.

26      Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Art. 4 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 sowie gegen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 geltend gemacht, soweit die Kommission der Ansicht gewesen sei, die französische Regierung habe gegen ihre Pflichten bei der Kontrolle der Beweidungsintensität verstoßen.

27      Mit dem dritten, äußerst hilfsweise vorgebrachten Klagegrund wird geltend gemacht, die Kommission habe gegen die Vorschriften des Dokuments VI/5330/97 der Kommission vom 23. Dezember 1997 („Leitlinien zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung über den Rechnungsabschluss des EAGFL-Garantie“) (im Folgenden: Dokument VI/5330/97) und des Dokuments AGRI/60637/2006 („Mitteilung der Kommission über die Behandlung durch die Kommission im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL, Abteilung Garantie, von Fällen eines wiederholten Auftretens derselben Mängel in Kontrollsystemen“) (im Folgenden: Dokument AGRI/60637/2006) verstoßen, indem sie eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung angewandt habe, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten, da sie eine Schlüsselkontrolle beträfen, die bereits bei zwei vorangegangen Untersuchungen korrigiert worden sei und für die die französischen Behörden keine Verbesserungen vorgenommen hätten.

 Vorbemerkungen

28      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der EGFL nur die nach Unionsrechtsvorschriften im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte vorgenommenen Interventionen finanziert (Urteil vom 4. September 2015, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑245/13, EU:T:2015:595, Rn. 64) und dass die Mitgliedstaaten aufgrund der u. a. den EGFL betreffenden Unionsvorschriften verpflichtet sind, ein wirksames Kontroll- und Überwachungssystem einzurichten (vgl. Urteil vom 17. Mai 2013, Bulgarien/Kommission, T‑335/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:262, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache der Kommission, das Vorliegen einer Verletzung der Regeln der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nachzuweisen. Folglich muss die Kommission ihre Entscheidung rechtfertigen, mit der sie feststellt, dass der betroffene Mitgliedstaat keine oder mangelhafte Kontrollen durchgeführt hat. Die Kommission ist jedoch nicht verpflichtet, die Unzulänglichkeit der von den nationalen Verwaltungen durchgeführten Kontrollen oder die Unrichtigkeit der von diesen mitgeteilten Zahlen umfassend darzulegen, sondern braucht nur glaubhaft zu machen, dass bei ihr ernsthafte und berechtigte Zweifel an diesen Kontrollen oder diesen Zahlen bestehen. Der betroffene Mitgliedstaat kann die Feststellungen der Kommission nur dadurch erschüttern, dass er seine Behauptungen auf Umstände stützt, mit denen das Vorhandensein eines zuverlässigen und funktionierenden Kontrollsystems nachgewiesen wird. Gelingt ihm nicht der Nachweis, dass die Feststellungen der Kommission unzutreffend sind, so können diese Feststellungen ernsthafte Zweifel begründen, ob ein angemessenes und wirksames System von Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle eingeführt worden ist. Diese Erleichterung der Beweislast der Kommission beruht darauf, dass der Mitgliedstaat am besten in der Lage ist, die für den Rechnungsabschluss des EGFL erforderlichen Angaben beizubringen und nachzuprüfen, so dass es ihm obliegt, die Richtigkeit seiner Kontrollen und seiner Zahlen eingehend und vollständig nachzuweisen und so gegebenenfalls die Fehlerhaftigkeit der Behauptungen der Kommission darzutun (vgl. Urteil vom 4. September 2015, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑245/13, EU:T:2015:595, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Nach ständiger Rechtsprechung ist es schließlich zwar Sache der Kommission, einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften nachzuweisen. Ist dieser Nachweis aber erbracht, muss der Mitgliedstaat gegebenenfalls nachweisen, dass der Kommission hinsichtlich der hieraus zu ziehenden finanziellen Konsequenzen ein Irrtum unterlaufen ist (vgl. Urteil vom 4. September 2015, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑245/13, EU:T:2015:595, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Verwaltung der EGFL-Finanzierung ist nämlich in erster Linie Sache der nationalen Behörden, die für die strikte Einhaltung der Unionsvorschriften zu sorgen haben, und beruht auf dem Vertrauen zwischen den nationalen und den Unionsbehörden. Nur der Mitgliedstaat kann die für die Aufstellung der EGFL-Rechnungen nötigen Daten kennen und genau bestimmen, da die Kommission nicht über die erforderliche Nähe zu den Wirtschaftsteilnehmern verfügt, um von ihnen die benötigten Auskünfte zu erlangen (vgl. Urteil vom 4. September 2015, Vereinigtes Königreich/Kommission, T‑245/13, EU:T:2015:595, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Die von der Französischen Republik geltend gemachten Klagegründe sind im Licht dieser Erwägungen zu untersuchen.

 Zur Zulässigkeit und zur Schlüssigkeit der Klagegründe, soweit sie sich entsprechend auf die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie beziehen

32      Die Französische Republik macht vorab geltend, die Kommission sei während des gesamten Verwaltungsverfahrens davon ausgegangen, dass die fehlende Kontrolle der Beweidungsintensität nicht nur die Maßnahmen bezüglich der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile, sondern auch die Teilmaßnahme bezüglich der Weidelandprämie betreffe, obwohl deren Ziele und Gewährungskriterien unterschiedlich seien. Folglich gälten die von ihr im Hinblick auf die Maßnahmen 211 und 212 dargelegten Klagegründe „entsprechend auch für die Teilmaßnahme 214-A [bezüglich] der Weidelandprämie“, und sie wende sich gegen den Gesamtbetrag der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen pauschalen Berichtigung, mithin einen Nettobetrag von 98 276 677,07 Euro. In ihrer Erwiderung bekräftigt sie ihre Absicht, die vorgebrachten Klagegründe auch hinsichtlich der Teilmaßnahme bezüglich der Weidelandprämie geltend zu machen.

33      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Französischen Republik entgegen.

34      Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission mit ihrem Vorbringen sowohl die Zulässigkeit als auch die Schlüssigkeit der von der Französischen Republik angeführten Klagegründe in Abrede stellt, soweit diese auch hinsichtlich der Teilmaßnahme bezüglich der Weidelandprämie geltend gemacht werden.

35      Soweit die Kommission mit ihrem Vorbringen die Zulässigkeit der Klagegründe in Abrede stellt, soweit diese auch hinsichtlich der Teilmaßnahme bezüglich der Weidelandprämie geltend gemacht werden, ist festzustellen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung aus Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die nach Art. 53 dieser Satzung auf das Gericht Anwendung findet, sowie aus Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt, dass die Klageschrift den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und deutlich sein müssen, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht – gegebenenfalls, ohne weitere Informationen einholen zu müssen – die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, GGP Italy/Kommission, T‑474/15, EU:T:2017:36, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Französische Republik den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe klar und deutlich mitgeteilt hat. Auch legt sie dar, warum sie davon ausgeht, dass die zu den Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile angeführten Klagegründe auch hinsichtlich der Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie geltend gemacht werden könnten. Aus der Klageschrift geht nämlich klar hervor, dass dies auf die Gleichsetzung der beiden in Rede stehenden Maßnahmenarten gestützt wird, die die Kommission im Rahmen der Rüge der fehlenden Kontrolle der Beweidungsintensität vorgenommen haben soll.

37      Daraus folgt, dass die Französische Republik ihre Klagegründe auch hinsichtlich der Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie geltend machen kann.

38      Soweit die Kommission mit ihrem Vorbringen die Schlüssigkeit der Klagegründe in Abrede stellt, soweit diese auch hinsichtlich der Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie geltend gemacht werden, ist erstens festzustellen, dass für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile dieselben Rechtsnormen gelten wie für Agrarumweltmaßnahmen, zu denen die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie zählt. Aus Titel IV der Verordnung Nr. 1698/2005 ergibt sich nämlich, dass sowohl die Maßnahmen betreffend Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile als auch die Agrarumweltmaßnahmen zu den Unterstützungsmaßnahmen für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft gehören.

39      Zweitens ergibt sich aus dem Rundschreiben DGPAAT/SDEA/C2011-3030 vom 22. April 2011 zu Agrarumweltmaßnahmen, dass die Beweidungsintensität für diese Maßnahmenarten genauso berechnet wird wie für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile. Die Beweidungsintensität für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile wird nämlich berechnet als „das Verhältnis der in GVE umgerechneten pflanzenfressenden Tiere eines Betriebs zu den angemeldeten Futterflächen des Betriebs“, während das Rundschreiben DGPAAT/SDEA/C2011-3071 vom 29. August 2011, in dem die gesetzlichen Voraussetzungen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile für die Jahre 2011 bis 2013 dargelegt werden, klarstellt, dass die Beweidungsintensität für diese Maßnahmen als „das Verhältnis der Anzahl der berücksichtigten GVE zur Hektarzahl der Futterflächen“ berechnet wird.

40      Drittens geht aus der abschließenden Stellungnahme der Kommission klar hervor, dass der Ausschluss eines Teils der beim ELER angemeldeten Ausgaben auf die fehlende Vor-Ort-Kontrolle der Beweidungsintensität für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und für die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie gestützt wird, und dass die finanzielle Berichtigung auf beide Maßnahmenarten angewandt wird.

41      Viertens hat die Kommission, wie von der Französischen Republik ausgeführt, während des gesamten Konformitätsabschlussverfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hat, hinsichtlich der Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie zu keinem Zeitpunkt eine andere Argumentation entwickelt als hinsichtlich der Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile.

42      Aus alledem ist der Schluss zu ziehen, dass die Französische Republik ihre Klagegründe sowohl im Hinblick auf die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile als auch im Hinblick auf die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie wirksam geltend gemacht hat.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 4 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 sowie gegen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006

43      Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Französische Republik, unterstützt durch das Königreich Spanien, geltend, die Kommission habe gegen die Art. 4 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 sowie gegen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 verstoßen, indem sie angenommen habe, die Französische Republik habe gegen ihre Pflichten bei der Kontrolle der Beweidungsintensität verstoßen.

44      Die Französische Republik gliedert diesen Klagegrund in zwei Teile.

45      Mit dem ersten Teil macht die Französische Republik im Wesentlichen geltend, sie sei nicht verpflichtet gewesen, bei den Vor-Ort-Kontrollen zur Prüfung des Kriteriums der Beweidungsintensität eine Zählung der Tiere vorzunehmen, da sich eine solche Verpflichtung weder aus Art. 4 Abs. 1 noch aus Art. 10 Abs. 1 noch aus Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 ergebe. Die von den französischen Behörden anhand der nationalen Kennzeichnungsdatenbank eingerichteten Kontrollen erfüllten die Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 65/2011, da sie eine wirksame Überprüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile ermöglichten.

46      Mit dem zweiten Teil macht die Französische Republik im Wesentlichen geltend, dass während der Vor-Ort-Kontrollen keine Plausibilitätsrechnung für die Tiere durchgeführt werden müsse, da sich eine solche Verpflichtung weder aus Art. 4 Abs. 1 noch aus Art. 10 Abs. 1 noch aus Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 ergebe. Die Kommission habe diesen Begriff der „Plausibilität“ verwendet, ohne seine Rechtsgrundlage, seine Bedeutung oder die praktischen Mittel für seine Umsetzung näher anzugeben.

47      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

48      Da die beiden Teile des ersten Klagegrundes eng miteinander zusammenhängen, sind sie gemeinsam zu prüfen.

49      Vorab ist hinsichtlich der Grundsätze auf dem Gebiet der Kontrollen, die die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile und die Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie betreffen, auf Art. 4 der Verordnung Nr. 65/2011 hinzuweisen, wo es heißt:

„1.      Die Mitgliedstaaten führen ein Kontrollsystem ein, das gewährleistet, dass alle erforderlichen Kontrollen durchgeführt werden, um zuverlässig feststellen zu können, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe eingehalten werden.

4.      Gegebenenfalls werden die in den Artikeln 12, 20 und 25 vorgesehenen Vor-Ort-Kontrollen und andere in gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen gleichzeitig durchgeführt.

…“

50      Art. 10 der Verordnung Nr. 65/2011 bestimmt:

„1.      Die Mitgliedstaaten wenden das in Titel II Kapitel 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 vorgesehene integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem … an.

2.      Die Erfüllung der Förderkriterien wird durch Verwaltungs- und Vor-Ort-Kontrollen überprüft.

3.      Die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen wird durch Vor-Ort-Kontrollen und gegebenenfalls durch Verwaltungskontrollen überprüft.

4.      Während des Zeitraums, für den eine Verpflichtung eingegangen wurde, dürfen die fördermittelbegünstigten Parzellen, außer in ausdrücklich im Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehenen Fällen, nicht ausgetauscht werden.“

51      Was insbesondere die Vor-Ort-Kontrollen anbelangt, bestimmt Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011, dass Gegenstand der Vor-Ort-Kontrolle „alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten [sind], die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können“.

52      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn die Rechtsvorschriften der Union über die Gewährung von Beihilfen und Prämien den Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich die Einführung spezieller Überwachungsmaßnahmen und Kontrollmodalitäten vorschreiben, die Mitgliedstaaten gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 dennoch verpflichtet sind, Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, die sich auf alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten – einschließlich der Auflagen nach nationalem Recht – erstrecken, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können (vgl. in diesem Sinne, Urteile vom 26. Januar 2017, Spanien/Kommission, C‑506/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:42, Rn. 69, und vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission, C‑373/15 P, EU:C:2017:55, Rn. 71).

53      Im vorliegenden Fall sah das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013, wie es von der Kommission genehmigt wurde, als Kriterium für die Bewilligung von Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile die in GVE je Hektar ausgedrückte Beweidungsintensität vor, mit dem die Dichte des auf den Futterflächen vorhandenen Viehs geregelt werden soll, um Phänomene der zu schwachen Beweidung oder der Überweidung zu verhindern. Die französischen Behörden waren bei Vor-Ort-Kontrollen also verpflichtet, das Kriterium der Beweidungsintensität durch eine Zählung der zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs im Betrieb vorhandenen Tiere – wie sie im Übrigen auch in Abschnitt 7.2 des oben in Rn. 39 angeführten Rundschreibens DGPAAT/SDEA/C2011-3071 vom 29. August 2011 vorgesehen ist – zu klären, um zu überprüfen, ob dieses Kriterium punktuell erfüllt war, und somit die Daten der Verwaltungskontrollen zu untermauern (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission, C‑373/15 P, EU:C:2017:55, Rn. 72).

54      Zweitens ist festzustellen, dass die Kommission die Plausibilitätsrechnung als eine Alternative zur punktuellen Zählung der Tiere angeführt hat, um bei Vorliegen großer Tierbestände die Kontrolle der Beweidungsintensität zu ermöglichen. In ihrer förmlichen Mitteilung hat die Kommission den französischen Behörden vorgeworfen, dass „die Beweidungsintensität nicht vor Ort geprüft wurde … da die Tiere weder kontrolliert noch gezählt wurden noch Gegenstand einer Plausibilitätsrechnung waren“. Weiterhin hat sie festgestellt, dass „die Kontrolle des Tierbestands oder die Kontrolle von dessen Plausibilität integraler Bestandteil der Vor-Ort-Kontrollen sein [muss]“. Dieselben Vorwürfe finden sich in der Mitteilung der Ergebnisse und in der Einladung zur bilateralen Besprechung. Ferner hat die Kommission den französischen Behörden in ihrer abschließenden Stellungnahme vorgeworfen, dass „die für die Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums vorgenommenen Vor-Ort-Kontrollen nicht die Zählung oder die Plausibilitätsrechnung des Tierbestandes [umfassten]“, wobei sie klarstellte, dass „diese Tiere weder gezählt [wurden] noch Gegenstand einer Plausibilitätsrechnung [waren]“ und dass „im Anschluss an die Vor-Ort-Kontrolle nicht die Beweidungsintensität festgestellt [wurde]“.

55      Außerdem hat die Kommission während des gesamten Verwaltungsverfahrens mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kontrolle des Tierbestands oder die Kontrolle von dessen Plausibilität integraler Bestandteil der Vor-Ort-Kontrollen bezüglich der Maßnahmen des Schwerpunkts 2 sein müsse, für die in den Verpflichtungen der Begünstigten eine Beweidungsintensität festgelegt war. Sie hat die französischen Behörden daher mehrmals aufgefordert, ihre Kontrollverfahren anzupassen. Hätten die französischen Behörden im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Zweifel im Hinblick auf die Bedeutung und die praktischen Mittel zur Umsetzung der Plausibilitätsrechnung gehabt, so hätten sie von der Kommission Erläuterungen verlangen können. Sie haben sich jedoch darauf beschränkt, die fehlende Rechtsgrundlage für diese Plausibilitätsrechnung zu beanstanden.

56      Demnach ist das Vorbringen, wonach die Kommission gegen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 verstoßen habe, da sie zu keinem Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens die Korrekturmaßnahmen präzisiert habe, die die Französische Republik hätte ergreifen müssen, um der Verpflichtung zur Vornahme einer Plausibilitätsrechnung für die Tiere nachzukommen, zurückzuweisen.

57      Aus alledem ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die französischen Behörden verpflichtet waren, bei den Vor-Ort-Kontrollen zur Bestimmung der Beweidungsintensität in dem durch die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile geförderten Betrieb eine Zählung der Tiere oder eine Plausibilitätsrechnung vorzunehmen. Gleiches gilt für die Schlussfolgerung der Kommission hinsichtlich der Verpflichtung zur Zählung der Tiere oder zur Vornahme einer Plausibilitätsrechnung im Hinblick auf die Bestimmung der Beweidungsintensität bezüglich der Teilmaßnahme betreffend die Weidelandprämie.

58      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Urteil vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission (C‑373/15 P, EU:C:2017:55), soweit es das Urteil vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission (T‑259/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:250), aufgehoben hat, in Frage gestellt.

59      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission (C‑373/15 P, EU:C:2017:55, Rn. 97), entschieden hat, dass das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es in Rn. 74 des Urteils vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission (T‑259/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:250), angenommen hat, dass das System der gemäß den Art. 12 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1975/2006 der Kommission vom 7. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. 2006, L 368, S. 74), deren Wortlaut dem der Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 65/2011 entspricht, durchzuführenden Vor-Ort-Kontrollen autonom und von den im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien durchgeführten Kontrollen unabhängig sei, ohne geprüft zu haben, ob es sich bei Letzteren um in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006, dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 65/2011 entspricht, handelt und ob sie gleichzeitig mit den in den Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 1975/2006 vorgeschriebenen Kontrollen durchgeführt werden konnten.

60      Mithin ist es den Mitgliedstaaten grundsätzlich erlaubt, die Vor-Ort-Kontrollen gemäß Art. 12 ff. der Verordnung Nr. 65/2011, zu denen die Vor-Ort-Kontrollen im Zusammenhang mit den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile gehören, gleichzeitig mit den im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Tiere oder der Rinderprämien vorgenommenen Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen, sofern zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss es sich bei den letztgenannten Kontrollen um in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 65/2011 handeln und zweitens müssen sie gleichzeitig mit den in Art. 12 ff. dieser Verordnung vorgesehenen Kontrollen durchgeführt werden können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission, C‑373/15 P, EU:C:2017:55, Rn. 95 und 96).

61      Hinsichtlich der ersten Bedingung streiten sich die Parteien über die Frage, ob es sich bei den im Rahmen der Verwaltung der Kennzeichnung der Rinder durchgeführten Kontrollen um in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen handelt. Dagegen stimmen sie darin überein, dass die Kontrollen zur Verwaltung der Rinderprämien als in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen anzusehen sind.

62      Hierzu ist festzustellen, dass es sich bei den im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Rinder durchgeführten Kontrollen um Kontrollen handelt, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1082/2003 der Kommission vom 23. Juni 2003 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates für die Mindestkontrollen im Rahmen des Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern (ABl. 2003, L 156, S. 9) durchgeführt werden. Diese in Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates (ABl. 2000, L 204, S. 1) erlassene Verordnung ist Bestandteil der tierärztlichen und tierzuchtrechtlichen Rechtsvorschriften der Union zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Gesundheit von Tieren. Wie die Französische Republik ausgeführt hat, werden die Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Rindern jedoch auch durch die Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor (ABl. 2009, L 316, S. 65) vorgeschrieben. Es handelt sich insbesondere um Kontrollen, die zur Sicherstellung der Einhaltung der in Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (ABl. 2009, L 30, S. 16) vorgesehenen anderweitigen Verpflichtungen durchgeführt werden.

63      Daraus folgt, dass es sich bei den Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Rindern um in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebene Kontrollen handelt, so dass die erste der beiden oben in Rn. 60 angeführten Bedingungen erfüllt ist.

64      Außerdem hat die Kommission in ihrer Antwort auf Fragen des Gerichts selbst zugestanden, dass das System zur Registrierung und Kennzeichnung der Tiere eine Unterstützung der Fördermechanismen für die Landwirtschaft darstellt.

65      Im Hinblick auf die zweite oben in Rn. 60 angeführte Bedingung macht die Französische Republik im Wesentlichen geltend, dass die von den französischen Behörden bei den Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien vorgenommenen Zählungen es ermöglichten, den Besonderheiten des Systems der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile Rechnung zu tragen und die Beweidungsintensität im Rahmen dieses Systems zu bestimmen. Für jede dieser Kontrollen könne ein und dieselbe Tierzählung verwendet werden.

66      Nach Auffassung der Französischen Republik ist das französische Kontrollsystem zuverlässig im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 65/2011, da die bei den Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien vorgenommenen Zählungen der Tiere kontinuierlich in den Datenbanken, die die Zahlung der flächengebundenen Beihilfen wie die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile kontrollierten, bearbeitet würden.

67      Insbesondere würden die beiden Parameter, die eine Überprüfung des Kriteriums der Beweidungsintensität für die Gewährung der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile ermöglichten, nämlich das Alter der Rinder und die durchschnittliche jährliche Dauer der Haltung der Tiere, durch die nationale Kennzeichnungsdatenbank berücksichtigt. Die nationale Kennzeichnungsdatenbank für Rinder enthalte nämlich die Identifikationsnummer aller Betriebe, in denen die einzelnen Tiere gehalten würden, die Daten aller Bewegungen der einzelnen Tiere sowie das Geburtsdatum jedes Tiers. Dies ermögliche es, das Alter jedes Tiers und folglich die Beweidungsintensität zu bestimmen, jederzeit über die Ohrmarkennummern aller in einem Betrieb gehaltenen Rinder zu verfügen und die Anzahl dieser in jedem Betriebe gehaltenen Tiere zu kennen. Die für die Berechnung der Beweidungsintensität erforderlichen und den Viehbestand betreffenden Daten würden sehr wohl bei den Vor-Ort-Kontrollen bezüglich der Kennzeichnung der Tiere oder der Rinderprämien erhoben, da die Tiere bei dieser Gelegenheit gezählt und ihr Alter und ihre Haltungsdauer auf der landwirtschaftlichen Fläche geprüft würden.

68      Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die im vorliegenden Fall von der Französischen Republik angeführten Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien nicht zur Kontrolle der Einhaltung der für die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile vorgesehenen Voraussetzung der Beweidungsintensität herangezogen werden könnten.

69      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass bereits entschieden worden ist, dass keine Bestimmung der Verordnung Nr. 65/2011 dahin ausgelegt werden kann, dass die Vor-Ort-Kontrollen gemäß dieser Verordnung nicht mehr erforderlich sind, wenn Verwaltungskontrollen unter Rückgriff auf Informationen aus einer zuverlässigen Datenbank durchgeführt werden. Eine solche Auslegung liefe nämlich dem Ziel der Vor-Ort-Kontrollen zuwider, nämlich gemäß Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 65/2011 und Art. 42 der Verordnung Nr. 1122/2009 zu überprüfen, ob die Informationen, die in den von den Mitgliedstaaten erstellten Datenbanken enthalten sind, richtig sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2017, Frankreich/Kommission, C‑373/15 P, EU:C:2017:55, Rn. 27, 60 und 74, sowie vom 30. April 2015, Frankreich/Kommission, T‑259/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:250, Rn. 70).

70      Daher entbindet die Tatsache, dass die von den nationalen Behörden eingerichteten Kontrollen die Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 65/2011 erfüllen, weil die nationale Kennzeichnungsdatenbank die beiden Parameter, die eine Überprüfung des Kriteriums der Beweidungsintensität ermöglichen, nämlich das Alter der Rinder und die durchschnittliche jährliche Dauer der Haltung der Tiere, berücksichtigt, die französischen Behörden nicht von der Verpflichtung, die Tiere bei der Vor-Ort-Kontrolle zu zählen, um die von der Verordnung Nr. 65/2011 vorgeschriebenen Überprüfungen durchzuführen und sich zu vergewissern, dass die für die Berechnung der Beweidungsintensität verwendeten Datenbanken inhaltlich richtig sind.

71      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass sich, wie die Kommission in ihrer Antwort auf Fragen des Gerichts ausgeführt hat, aus Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1975/2006, dessen Wortlaut dem von Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 65/2011 entspricht, ergibt, dass die Vor-Ort-Kontrollen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile „gegebenenfalls“ gleichzeitig mit anderen in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebenen Kontrollen durchgeführt werden. Daraus folgt, dass es grundsätzlich Fälle geben kann, in denen es nicht möglich ist, die Vor-Ort-Kontrollen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile gleichzeitig mit anderen in Rechtsvorschriften der Union für Agrarbeihilfen vorgeschriebenen Kontrollen durchzuführen. Bei den gemeinsamen Kontrollen handelt es sich nicht um eine absolute Regel, sondern um eine bloße Möglichkeit, von der Ausnahmen möglich sind.

72      Drittens ist festzustellen, dass die Französische Republik im vorliegenden Fall nicht nachweist, dass die von den französischen Behörden bei den Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien vorgenommenen Zählungen die Besonderheiten des Systems der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile, insbesondere die Heterogenität der im Hinblick auf die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile kontrollierten Tiere berücksichtigt haben.

73      Wie die Kommission nämlich ausführt, ohne dass ihr die Französische Republik insoweit widersprochen hätte, unterliegen die Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Tiere oder der Rinderprämien anderen Kriterien als die Kontrollen im Zusammenhang mit den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile, insbesondere im Hinblick auf die zu kontrollierenden Anlagen, die zu zählenden oder zu kennzeichnenden Tiere und die Häufigkeit der Kontrollen.

74      So entsprechen beispielsweise die im Rahmen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile zu zählenden Tiere nicht zwangsläufig den Tieren, die im Rahmen der Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Tiere oder der Rinderprämien gezählt werden. Während nämlich die letztgenannte Zählung sämtliche Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine zum Zweck ihrer Registrierung in den Tier-Datenbanken und der Zusammenstellung einer repräsentativen Stichprobe für die Ohrmarken betrifft, haben die Vor-Ort-Kontrollen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile alle Arten von Pflanzenfressern zum Gegenstand.

75      Es ist jedoch festzustellen, dass die Französische Republik mit ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen hat, dass im vorliegenden Fall alle Tiere, die den Gegenstand von Kontrollen für die Maßnahmen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile bildeten, bei den Vor-Ort-Kontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Tiere oder der Rinderprämien kontrolliert worden sind. Insoweit sind die von den französischen Behörden an die Kommission gerichteten, der Klageschrift als Anlagen beigefügten Vermerke, die den Bericht über die in Frankreich in den Jahren 2011 bis 2013 durchgeführten Kontrollen betreffend die Kennzeichnung von Rindern und kleinen Wiederkäuern gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 1082/2003 und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1505/2006 der Kommission vom 11. Oktober 2006 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 des Rates bezüglich der erforderlichen Mindestkontrollen im Zusammenhang mit der Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen (ABl. 2006, L 280, S. 3) zum Gegenstand haben, völlig irrelevant, da sie nur Rinder, Schafe und Ziegen betreffen und nicht belegen, dass die Kontrollen, auf die sich diese Berichte bezogen, auch alle Tierarten umfassten, die Gegenstand von Kontrollen im Zusammenhang mit den Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile sind.

76      Unter diesen Umständen kann das Vorbringen der Französischen Republik, wonach für die Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen der Kennzeichnung der Rinder oder der Rinderprämien sowie hinsichtlich der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile ein und dieselbe Tierzählung verwendet werden könne, keinen Erfolg haben.

77      Auch ist die bloße Erklärung hinsichtlich des Vorliegens von Kontrollen mit unterschiedlichen Gegenständen und – wie die Französische Republik in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat – aus verschiedenen Jahren kein ausreichender Beweis dafür, dass die Kommission einen Fehler begangen hat, als sie davon ausging, dass die französischen Behörden bei den Vor-Ort-Kontrollen betreffend die Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile zur Überprüfung der Beweidungsintensität gegen ihre Verpflichtung zur Zählung der Tiere verstoßen haben.

78      Da die zweite oben in Rn. 60 angeführte Bedingung nicht erfüllt ist, ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

79      Die oben in Rn. 57 gezogene Schlussfolgerung wird auch nicht durch das Vorbringen der Französischen Republik und des Königreichs Spanien in Frage gestellt, wonach die Zählung der Tiere bei den Vor-Ort-Kontrollen keine Überprüfung der Einhaltung des Kriteriums der Beweidungsintensität ermögliche, da es sich bei der Beweidungsintensität um einen durchschnittlichen jährlichen Wert handele. Die Französische Republik stellt in ihren Schriftsätzen nämlich nicht klar, aufgrund welcher dem Unionsrecht entnommenen Rechtsgrundlage die Beweidungsintensität als ein durchschnittlicher jährlicher Wert anzusehen sei. Im Übrigen hat sie keinerlei Rechtsprechung des Gerichtshofs oder des Gerichts zur Untermauerung ihres Vorbringens angeführt. Wie die Kommission ausgeführt hat, sieht ferner das von der Französischen Republik selbst ausgearbeitete Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 nicht vor, dass es sich bei der Beweidungsintensität um einen jährlichen Durchschnittswert handelt.

80      Das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 bestimmt nämlich nur, dass sich die Intensität innerhalb einer vom Präfekten für jede Zone oder Teilzone des Departements, abhängig von deren agroklimatischen Merkmalen, festgelegten Bandbreite bewegen muss, ohne zu präzisieren, dass es sich dabei um einen jährlichen Wert handelt. Selbst wenn man im Übrigen annähme, dass es sich bei dem Bezugszeitraum um ein Jahr handelte, so haben die Begünstigten dennoch die Werte der festgelegten Bandbreite einzuhalten. Während der gesamten Dauer des Bezugszeitraums kann es zu Schwankungen zwischen den Höchst- und den Mindestwerten kommen und da es unmöglich ist, diese Werte täglich zu kontrollieren, kann ein Jahresdurchschnitt akzeptiert werden. Um jedoch die Einhaltung der Voraussetzung bezüglich der Beweidungsintensität sicherzustellen, muss dieser Durchschnitt auf der Grundlage von Werten berechnet werden, die zwischen den Höchst- und den Mindestwerten dieser Bandbreite liegen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 2015, Spanien/Kommission, T‑561/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:496, Rn. 55).

81      Folgte man der von der Französischen Republik vertretenen Auslegung, wonach der Einhaltung des Kriteriums der Beweidungsintensität die Berechnung eines Jahresdurchschnitts zugrunde zu legen ist, so ermöglichte dies den Begünstigten, die im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 vorgesehenen Höchst- und Mindestwerte der Bandbreite zu bestimmten Zeitpunkten des Jahres zu über- oder unterschreiten, da diese Über- oder Unterschreitungen keine Auswirkung auf den endgültigen Durchschnittswert für das gesamte Jahr hätten. Diese Vorgehensweise würde strategischem Verhalten seitens der Begünstigten Vorschub leisten, das mit den Zielen, die von den in Rede stehenden Beihilfen verfolgt werden, insbesondere mit der Erhaltung und der Förderung nachhaltiger Bewirtschaftungsformen (vgl. 33. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1698/2005), wenig vereinbar sein könnte. Das Überschreiten der Höchstwerte zu bestimmten Zeitpunkten des Jahres könnte nämlich zu einer Übernutzung der betroffenen Flächen und das Nichterreichen der Mindestwerte zu einer Unternutzung dieser Flächen führen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 2015, Spanien/Kommission, T‑561/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:496, Rn. 56).

82      Die nationalen Behörden sind bei Vor-Ort-Kontrollen somit verpflichtet, die Beweidungsintensität zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs insbesondere durch eine Zählung der Tiere zu bestimmen, um zu überprüfen, ob die vom Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum 2007–2013 festgelegten Höchst- und Mindestwerte punktuell erfüllt sind, und somit die Daten der Verwaltungskontrollen zu untermauern (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Januar 2017, Spanien/Kommission, C‑506/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:42, Rn. 70).

83      Demzufolge kann das Vorbringen der Französischen Republik, wonach es keinen Verstoß gegen die Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfe darstelle, dass ein Betrieb an einem bestimmten Tag eine Beweidungsintensität aufweise, die den im Rahmen der Ausgleichszahlungen für naturbedingte Nachteile vorgesehenen Mindestwert unterschreite oder den dort vorgesehenen Höchstwert überschreite, keinen Erfolg haben. Gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 65/2011 erstrecken sich die Vor-Ort-Kontrollen nämlich auf alle Verpflichtungen und Auflagen eines Begünstigten, die zum Zeitpunkt des Kontrollbesuchs überprüft werden können.

84      Im Übrigen kann der Umstand, dass, wie die Französische Republik geltend macht, bestimmte die Ermittlung der Beweidungsintensität beeinflussende Faktoren, wie das Alter der Tiere, nicht mit höchster Genauigkeit bestimmt werden könnten, die französischen Behörden nicht von ihrer insoweit bestehenden Kontrollpflicht befreien. Ferner kann, wie die Kommission vorträgt, nicht ausgeschlossen werden, dass die die Vor-Ort-Kontrollen durchführenden Inspektoren in der Lage sind, das Alter der Tiere mit hinreichender Genauigkeit zu bestimmen (Urteil vom 26. Januar 2017, Spanien/Kommission, C‑506/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:42, Rn. 71).

85      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum äußerst hilfsweise geltend gemachten dritten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen die durch die Dokumente VI/5330/97 und AGRI/60637/2006 festgelegten Regeln

86      Mit dem dritten, äußerst hilfsweise vorgebrachten Klagegrund macht die Französische Republik geltend, die Kommission habe gegen die durch die Dokumente VI/5330/97 und AGRI/60637/2006 festgelegten Regeln verstoßen, indem sie eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung angewandt habe, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten, da sie eine Schlüsselkontrolle beträfen, die bereits bei zwei vorangegangen Untersuchungen korrigiert worden sei und für die keine Verbesserungen vorgenommen worden seien.

87      Die Französische Republik trägt vor, dass gemäß dem Dokument AGRI/60637/2006 in Verbindung mit dem Dokument VI/5330/97 zwei Bedingungen erfüllt sein müssten, damit eine solche Erhöhung von der Kommission angewandt werden könne: Zum einen müsse die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Verbesserungen mitteilen, die dieser vornehmen müsse, um den ihm im Rahmen früherer Rechnungsabschlussverfahren zur Last gelegten Unzulänglichkeiten abzuhelfen, und zum anderen dürfe der Mitgliedstaat den Unzulänglichkeiten nicht abgeholfen haben, obwohl er dazu in der Lage gewesen sei.

88      Nach Ansicht der Französischen Republik ist die zweite Bedingung im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die französischen Behörden nicht in der Lage gewesen seien, den von der Kommission bei der ersten Untersuchung festgestellten Unzulänglichkeiten vor Einleitung der beiden nachfolgenden Untersuchungen abzuhelfen. Die von der Kommission im Anschluss an das erste Verwaltungsverfahren vorgeschriebenen Verbesserungen hätten nämlich erst nach Erlass des Durchführungsbeschlusses 2013/123 der Kommission vom 26. Februar 2013 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, des EGFL und des ELER getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2013, L 67, S. 20), der nach dem ersten Verwaltungsverfahren, d. h. erst nach Ablauf der Wirtschaftsjahre, die Gegenstand der beiden nachfolgenden Untersuchungen gewesen seien, erlassen worden sei, in die Vor-Ort-Kontrollen einbezogen werden können. Die Unregelmäßigkeiten, die im Rahmen des Verfahrens, das zum Erlass des angefochtenen Beschlusses geführt hätten, festgestellt worden seien, könnten daher nicht als „wiederholt“ im Sinne des Dokuments AGRI/60637/2006 eingestuft werden.

89      Die Kommission macht erstens geltend, dass der Französischen Republik die in ihrem Kontrollsystem festgestellten Mängel seit dem 23. Februar 2009, dem Datum der Mitteilung der Ergebnisse der ersten Untersuchung, in der die festgestellten Unregelmäßigkeiten und die Empfehlungen detailliert aufgeführt worden seien, bekannt gewesen seien und die drei Untersuchungen dieselbe Problematik betroffen hätten. Die Französische Republik habe somit gewusst, dass das in Rede stehende Verfahren Unzulänglichkeiten betroffen habe, die über mehrere Jahre angedauert hätten. Zweitens sei die Argumentation der Französischen Republik nur auf „Wiederholungsfälle“ anwendbar, wobei dieser Begriff vom Gericht in seinem Urteil vom 17. Mai 2013, Griechenland/Kommission (T‑294/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:261, Rn. 98 und 100) für den Bereich der finanziellen Berichtigung ausdrücklich ausgeschlossen worden sei. Der Erlass eines Beschlusses, durch den das Vorliegen einer solchen Unzulänglichkeit förmlich festgestellt werde, sei dagegen nicht erforderlich im Falle eines „erneuten Auftretens“. Dieser Begriff finde Anwendung, wenn wiederholte Unzulänglichkeiten festgestellt würden, mit denen eine Gefahr für das Kontrollsystem insgesamt verbunden sei.

90      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien zur pauschalen finanziellen Berichtigung im Dokument Nr. VI/5330/97 festgelegt wurden. In Anhang 2 dieses Dokuments werden unter der Überschrift „Leitlinien für die Anwendung pauschaler Berichtigungen“ die folgenden verschiedenen Berichtigungssätze aufgeführt:

„Werden eine oder mehrere Schlüsselkontrollen nicht oder nur so unzulänglich bzw. so selten vorgenommen, dass es absolut unmöglich ist, die Förderfähigkeit eines Antrags zu beurteilen oder eine Unregelmäßigkeit zu verhüten, ist eine Berichtigung in Höhe von 10 % gerechtfertigt, weil in diesem Fall der Schluss zulässig ist, dass nach vernünftigem Ermessen die Gefahr eines sehr hohen und generalisierten Verlustes zum Schaden des EAGFL bestand.

Wurden zwar alle Schlüsselkontrollen vorgenommen, jedoch nicht in der nach den Verordnungen vorgeschriebenen Zahl, Häufigkeit oder Intensität, so ist eine Berichtigung in Höhe von 5 % gerechtfertigt, weil in diesem Fall der Schluss zulässig ist, dass die Kontrollen nach vernünftigem Ermessen keine ausreichende Gewähr für die Ordnungsmäßigkeit der Anträge bieten und dass die Gefahr eines hohen Verlusts zum Nachteil des Fonds bestand.

Hat der Mitgliedstaat zwar die Schlüsselkontrollen in angemessener Weise vorgenommen, aber es vollständig versäumt, eine oder mehrere Zusatzkontrollen durchzuführen, so ist eine Berichtigung in Höhe von 2 % gerechtfertigt, da ein geringeres Verlustrisiko für den Fonds bestand und auch der Verstoß weniger gravierend war.

…“

91      Das Dokument AGRI/60637/2006 legt die Voraussetzungen fest, unter denen die Kommission den im Dokument VI/5330/97 enthaltenen Grundsatz anwendet, wonach die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat seine Kontrollverfahren nicht verbessert, schwerer ins Gewicht fällt, wenn die Kommission ihm bereits mitgeteilt hat, welche Verbesserungen sie für notwendig hält.

92      Abschnitt 1 Abs. 2 des Dokuments AGRI/60637/2006 enthält den Grundsatz, dass die Kommission der Art und Schwere des Verstoßes sowie dem der Gemeinschaft entstandenen finanziellen Schaden Rechnung trägt.

93      Abschnitt 2 des Dokuments AGRI/60637/2006 sieht vor:

„Für den Fall, dass das Fehlen oder die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems oder eines Bestandteils dieses Systems zu einer oder mehreren Entscheidungen über eine finanzielle Berichtigung im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL‑Garantie geführt hat

und

festgestellt wird, dass in einem Zeitraum, der auf den Zeitraum folgt, für den die Berichtigung vorgenommen wurde, dieselben Schwächen fortbestehen,

so ist es nach Auffassung der Kommission … in der Regel gerechtfertigt, wegen des verstärkten Risikos finanzieller Verluste für den EAGFL einen erhöhten Berichtigungssatz gegenüber dem bei der vorangegangenen Berichtigung zugrunde gelegten pauschalen Berichtigungssatz anzuwenden.“

94      Somit ergibt sich aus Abschnitt 2 des Dokuments AGRI/60637/2006, dass im Wesentlichen zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit es nach Auffassung der Kommission in der Regel gerechtfertigt ist, einen erhöhten Berichtigungssatz gegenüber dem bei der vorangegangenen Berichtigung zugrunde gelegten pauschalen Berichtigungssatz anzuwenden, nämlich

–        das Fehlen oder die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems oder eines Bestandteils dieses Systems und dass dies zu einer oder mehreren Entscheidungen über eine finanzielle Berichtigung im Rahmen des Rechnungsabschlusses geführt hat und

–        die Feststellung, dass in einem Zeitraum, der auf den Zeitraum folgt, für den die Berichtigung vorgenommen wurde, dieselben Schwächen fortbestehen.

95      Im vorliegenden Fall sind diese beiden Voraussetzungen auszulegen.

96      Hinsichtlich der ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut des Dokuments AGRI/60637/2006 ergibt, dass für die Anwendung einer Erhöhung aufgrund eines erneuten Auftretens erforderlich ist, dass das Fehlen oder die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems oder eines Bestandteils dieses Systems Gegenstand einer im Rahmen des Rechnungsabschlusses erlassenen „Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung“, d. h. einer Entscheidung der Kommission gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005, ist.

97      Da eine förmliche Mitteilung gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 eine auf die Vorbereitung der endgültigen Entscheidung gerichtete Handlung ist, kann sie nicht als eine Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung im Rahmen des Rechnungsabschlusses im Sinne dieser Voraussetzung angesehen werden.

98      Außerdem werden die den Rechnungsabschluss des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) betreffenden Entscheidungen nach ständiger Rechtsprechung am Ende eines kontradiktorischen Verfahrens getroffen, so dass die in der ersten Mitteilung enthaltenen Ergebnisse nicht endgültig sind und im Lichte der vom Mitgliedstaat im späteren Verwaltungsverfahren übermittelten Antworten präzisiert und überprüft werden können (Urteile vom 17. Juni 2009, Portugal/Kommission, T‑50/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:206, Rn. 34 und 37, und vom 12. November 2010, Spanien/Kommission, T‑113/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:465, Rn. 132; vgl. auch Urteil vom 24. März 2011, Griechenland/Kommission, T‑184/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:120, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Die Kommission macht im vorliegenden Fall geltend, der Französischen Republik hätten die beanstandeten Unregelmäßigkeiten und die an ihrem System der Vor-Ort-Kontrolle vorzunehmenden Verbesserungen seit der Übermittlung des Schreibens vom 23. Februar 2009 bekannt sein können.

100    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission der Französischen Republik mit diesem Schreiben eine förmliche Mitteilung gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 übersandt hat. Dieses Schreiben erging im Rahmen des nach Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 vorgesehenen Verfahrens, das zum Erlass des Durchführungsbeschlusses 2013/123 durch die Kommission führte, der bestimmte Ausgaben gemäß Art. 31 der Verordnung Nr. 1290/2005 von der Finanzierung durch die Union ausschließt. Somit war die endgültige Entscheidung der Kommission, Beträge von der Finanzierung durch die Union auszuschließen, zum Zeitpunkt des Versendens des Schreibens vom 23. Februar 2009, das eine auf die Vorbereitung des Durchführungsbeschlusses 2013/123 gerichtete Handlung darstellt, noch nicht erlassen.

101    Daraus folgt, dass das Schreiben vom 23. Februar 2009 für die Erfüllung der ersten der beiden oben in Rn. 94 genannten Voraussetzungen nicht ausreicht. Das Vorbringen der Kommission, es sei weder notwendig noch wünschenswert, für die Feststellung eines erneuten Auftretens eine Entscheidung abzuwarten, durch die das Vorliegen einer Unzulänglichkeit förmlich festgestellt werde, da die förmliche Mitteilung gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 ausreichend sei, kann demnach keinen Erfolg haben.

102    Im Hinblick auf die zweite oben in Rn. 94 aufgeführte Voraussetzung streiten sich die Parteien im Wesentlichen über die Auslegung des Satzteils „Zeitraum, der auf den Zeitraum folgt, für den die Berichtigung vorgenommen wurde“.

103    Die Kommission wendet nämlich eine streng wörtliche Auslegung an, wonach es sich bei dem maßgeblichen Zeitraum um den Zeitraum handele, der Gegenstand der Untersuchung sei, die auf die Untersuchung folge, in der die Unzulänglichkeit erstmals festgestellt und durch eine Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung sanktioniert worden sei. Die Französische Republik beruft sich dagegen im Wesentlichen auf eine Auslegung, wonach es sich bei dem maßgeblichen Zeitraum um den Zeitraum handele, der auf den Erlass des Entscheidung über eine finanzielle Berichtigungen folge, durch den die Untersuchung, durch die die beanstandete Unzulänglichkeit erstmals festgestellt worden sei, abgeschlossen werde.

104    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der abschließenden Stellungnahme der Kommission, dass diese eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung angewandt hat, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten, da sie eine Schlüsselkontrolle beträfen, die bereits bei zwei vorangegangen Untersuchungen korrigiert worden sei und für die diese Behörden keine Verbesserungen vorgenommen hätten.

105    Im vorliegenden Fall sind nämlich nacheinander drei verschiedene Untersuchungen durchgeführt worden, die zu drei verschiedenen Entscheidungen über finanzielle Berichtigungen geführt haben:

–        Die Untersuchung RDG/2008/010/FR für die Jahre 2007 und 2008, die zum Durchführungsbeschluss 2013/123 vom 26. Februar 2013 geführt hat,

–        die Untersuchung RD 2/2011/003/FR für die Jahre 2009 und 2010, die zum Durchführungsbeschluss (EU) 2015/103 der Kommission vom 16. Januar 2015 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des EGFL und des ELER getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2015, L 16, S. 33) geführt hat,

–        die Untersuchung RD 2/2012/005/FR für die Jahre 2011 bis 2013, die zum am 22. Juni 2015 erlassenen angefochtenen Beschluss geführt hat.

106    Am 22. Juni 2015, dem Datum des angefochtenen Beschlusses, waren bereits zwei Beschlüsse von der Kommission erlassen worden, nämlich der Beschluss 2013/123 am 26. Februar 2013 und der Beschluss 2015/103 am 16. Januar 2015. Außerdem wird im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass dieselbe, bereits im Rahmen des ersten Beschlusses festgestellte Schwäche in einem Zeitraum, der auf den Zeitraum gefolgt sei, der Gegenstand der Berichtigung gewesen sei, nämlich in den Jahren 2007 und 2008, fortbestanden habe. Diese Schwäche sei nämlich auch für die Jahre 2009 bis 2013 festgestellt worden.

107    Wie die Französische Republik ausgeführt hat, war jedoch in den Jahren 2009 bis 2013, dem Zeitraum, der Gegenstand der zweiten und dritten Untersuchung war, von der Kommission noch keine Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung erlassen worden, in dem der endgültige Standpunkt der Kommission zu den bei der ersten Untersuchung festgestellten Schwächen seitens der Französischen Republik dargelegt worden wäre. In den Jahren 2009 bis 2013, dem Zeitraum, der Gegenstand der zweiten und dritten Untersuchung war, hatte die Französische Republik somit keinerlei Gewissheit hinsichtlich der bei der ersten Untersuchung festgestellten Unzulänglichkeiten und war auch nicht verpflichtet, den im Schreiben vom 23. Februar 2009 enthaltenen Anweisungen im Hinblick auf die Anpassung der Maßnahmen zur Kontrolle der Beweidungsintensität im Sinne der von der Kommission verlangten Verbesserungen Folge zu leisten, um zu verhindern, dass für die Jahre 2009 bis 2013 dieselbe Schwäche des Kontrollsystems festgestellt werde.

108    Mit anderen Worten wirft die Kommission der Französischen Republik im angefochtenen Beschluss als „schwerer ins Gewicht fallende“ Unzulänglichkeit, die eine Erhöhung aufgrund eines erneuten Verstoßes rechtfertige, vor, dass sie für die Jahre 2011 bis 2013 nicht der unterbliebenen Zählung der Tiere, die bereits für die Jahre 2007 bis 2010 festgestellt worden sei, abgeholfen habe. Die von der Kommission beanstandete fehlende Verbesserung des Kontrollsystems ist jedoch erst in dem am 26. Februar 2013 erlassenen Beschluss festgestellt worden.

109    Daraus folgt, dass die von der Kommission vertretene Auslegung nicht mit dem Wortlaut des Dokuments VI/5330/97, dessen Tragweite durch das Dokument AGRI/60637/2006 präzisiert wird, in Einklang steht.

110    Hinsichtlich der Anwendung pauschaler Berichtigungen sieht das Dokument VI/5330/97 nämlich vor, dass „[d]ie Tatsache, dass ein Mitgliedstaat seine Kontrollverfahren nicht verbessert, … schwerer ins Gewicht [fällt], wenn die Kommission ihm bereits mitgeteilt hat, welche Verbesserungen sie für notwendig hält“. Aus dem Wortlaut dieses Dokuments ergibt sich somit, dass die Verbesserung, deren Unterlassung einen erschwerenden Umstand darstellen kann, nach der Mitteilung der notwendigen Verbesserungen oder sogar, wie im Dokument AGRI/60637/2006 klargestellt wird, nach der im Rahmen des Rechnungsabschlusses erlassenen Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung erfolgen muss.

111    Würde man – wie die Kommission – die beanstandeten Unregelmäßigkeiten als erneut aufgetreten ansehen, ohne zu prüfen, ob der Mitgliedstaat Gelegenheit hatte, diesen Unregelmäßigkeiten, nachdem sie zum ersten Mal beanstandet worden waren, abzuhelfen, so führte diese zu einem Konzept des „erneuten Verstoßes“, das ausschließlich auf die bloße Wiederholung der zur Last gelegten Unregelmäßigkeiten, unabhängig vom Erlass einer Entscheidung – wie vom Dokument AGRI/60637/2006 gefordert – gestützt wäre.

112    Nach alledem greift der dritte Klagegrund durch und der angefochtene Beschluss ist für nichtig zu erklären, soweit eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung angewandt wird, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten und nicht von den französischen Behörden verbessert worden.

 Kosten

113    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten.

114    Im vorliegenden Fall sind die Französische Republik und die Kommission zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

115    Das Königreich Spanien trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Durchführungsbeschluss (EU) 2015/1119 der Kommission vom 22. Juni 2015 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union wird für nichtig erklärt, soweit damit eine um 10 % erhöhte pauschale Berichtigung mit der Begründung angewandt wird, die den französischen Behörden vorgeworfenen Unzulänglichkeiten beim Zählen der Tiere seien wiederholt aufgetreten und nicht von den französischen Behörden verbessert worden.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Französische Republik und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

4.      Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Berardis

Spielmann

Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 1. Februar 2018.

Unterschriften


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