T-481/24 – Savencia/ EUIPO – Hofmeister Vermögensverwaltung (Forme d’un fromage)

T-481/24 – Savencia/ EUIPO – Hofmeister Vermögensverwaltung (Forme d’un fromage)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:1096

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

10. Dezember 2025(*)

„ Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Internationale Registrierung, in der die Europäische Union benannt ist – Dreidimensionale Marke in Form eines Käses – Ältere nationale dreidimensionale Marken – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr – Unterscheidungskraft der älteren Marke – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 “

In der Rechtssache T‑481/24,

Savencia SA mit Sitz in Viroflay (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwälte G. Brox und F. Hagemann sowie Rechtsanwältin A. Berger,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch T. Klee als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Hofmeister Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG mit Sitz in Lauben (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt F. Pfefferkorn,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer),

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Richters D. Petrlik in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Richters K. Kecsmár und der Richterin S. Kingston (Berichterstatterin),

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2025

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Savencia SA, die Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) vom 8. Juli 2024 (verbundene Sachen R 1920/2022‑5 und R 1941/2022‑5) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 8. Juni 2018 benannte die Streithelferin, die Hofmeister Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, die Europäische Union in ihrer internationalen Registrierung des folgenden dreidimensionalen Zeichens:

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3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 29 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter, Käse, Sahne [Rahm], Quark, Milchpulver für Ernährungszwecke; Margarine, Speiseöle und Speisefette“.

4        Am 28. Januar 2018 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

5        Der Widerspruch wurde auf drei ältere nationale Marken gestützt.

6        Erstens berief sich die Klägerin auf das nachstehend wiedergegebene dreidimensionale Zeichen für die Ware „Käse“ der Klasse 29 (im Folgenden: ältere Marke Nr. 1).

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7        Zweitens machte sie das nachstehend wiedergegebene dreidimensionale Zeichen für folgende Waren der Klasse 29 geltend: „Milch, Käse, Milchprodukte“.

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8        Drittens berief sich die Klägerin auf das nachstehend wiedergegebene dreidimensionale Zeichen für folgende Waren der Klasse 29: „Milch, Käse und Milchprodukte; Öle und Fette“.

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9        Als Widerspruchsgrund wurde das in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) genannte Eintragungshindernis angeführt.

10      Auf Antrag der Streithelferin forderte das EUIPO die Klägerin auf, die ernsthafte Benutzung von zwei der älteren Widerspruchsmarken nachzuweisen. Die Klägerin kam dieser Aufforderung fristgerecht nach.

11      Am 3. August 2022 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch zum einen für die Waren „Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter, Käse, Sahne [Rahm], Quark, Milchpulver für Ernährungszwecke; Margarine“ auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 statt und wies ihn zum anderen für die Waren „Speiseöle und Speisefette“ zurück. Die dem Widerspruch teilweise stattgebende Entscheidung wurde darauf gestützt, dass für das maßgebliche Publikum im Hinblick auf die ältere Marke Nr. 1 Verwechslungsgefahr bestehe.

12      Am 30. September bzw. am 4. Oktober 2022 legten die Streithelferin und die Klägerin beim EUIPO Beschwerden gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein, die in Bezug auf die Streithelferin unter dem Aktenzeichen R 1920/2022‑5 und in Bezug auf die Klägerin unter dem Aktenzeichen R 1941/2022‑5 in das Register eingetragen wurden. Gemäß Art. 35 Abs. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1) wurden die beiden Beschwerden in einem gemeinsamen Verfahren bearbeitet.

13      Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer als Erstes die die ältere Marke Nr. 1 betreffende Entscheidung der Widerspruchsabteilung in Bezug auf die Waren „Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter, Käse, Sahne [Rahm], Quark, Milchpulver für Ernährungszwecke; Margarine“ der Klasse 29 aufgehoben, da, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass dieser älteren Marke nur schwache Unterscheidungskraft zukomme, mangels Warenidentität oder ‑ähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr bestehe. Als Zweites hat sie auch den Widerspruch der Klägerin im Hinblick auf die vorstehend genannten Waren zurückgewiesen. Als Drittes hat sie deren Beschwerde in Bezug auf die Waren „Speiseöle und Speisefette“ zurückgewiesen.

 Anträge der Parteien

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dahin abzuändern, dass die Beschwerde in der Sache R 1920/2022‑5 zurückgewiesen und der Schutz für die Waren „Speiseöle und Speisefette“ auf die Beschwerde in der Sache R 1941/2022‑5 sowie auf die Anschlussbeschwerde in der Sache R 1920/2022‑5 hin verweigert wird;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen;

–        der Streithelferin die Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO aufzuerlegen.

15      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

17      Die Klägerin macht fünf Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 71 der Verordnung 2017/1001 rügt, zweitens eine Verletzung des in Art. 94 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung vorgesehenen Rechts auf rechtliches Gehör, drittens einen Verstoß gegen deren Art. 95 und 97, viertens einen Verstoß gegen Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Delegierten Verordnung 2018/625 und fünftens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

18      Im vorliegenden Fall hält es das Gericht für angebracht, zunächst den fünften Klagegrund zu prüfen, der die Beurteilung der Beschwerdekammer in der Frage betrifft, ob zwischen der angemeldeten Marke und den älteren nationalen Marken Verwechslungsgefahr besteht. Im Rahmen dieses Klagegrundes wirft die Klägerin der Beschwerdekammer mit einer dritten Rüge vor, bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr den Mindestschutz verkannt zu haben, der sich aus der Eintragung der älteren Marke Nr. 1 ergebe. Konkret macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe dieser Marke nur formal einen gewissen Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt, ihr aber tatsächlich jeden Schutz verwehrt, weil im Ergebnis Zeichen, die nach der Feststellung in Rn. 73 der angefochtenen Entscheidung die gleichen wesentlichen Gestaltungselemente aufwiesen, nebeneinander für identische Waren koexistieren dürften.

19      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Was die dritte Rüge des fünften Klagegrundes angehe, habe die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Unterscheidungskraft der älteren Marke Nr. 1 oder einzelner ihrer Elemente schwach sei, nicht aber, dass sie fehle. Lediglich bezüglich einiger Elemente, jedoch nicht in Bezug auf die Gestaltung der älteren Marke Nr. 1 als Ganzes habe die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft verneint. Darüber hinaus müsse im Widerspruchsverfahren nur das Minimum an originärer Unterscheidungskraft unterstellt werden, das zur Eintragung eines Zeichens als Marke erforderlich sei, und nicht zwangsläufig ein normaler Grad an Unterscheidungskraft. Somit habe die Beschwerdekammer den spezifischen, der älteren Marke Nr. 1 zuzuerkennenden Grad an Unterscheidungskraft in der angefochtenen Entscheidung ordnungsgemäß bestimmt.

20      Insoweit ist nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

21      Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch das maßgebliche Publikum und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen. (vgl. Urteil vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, EU:T:2003:199, Rn. 30 bis 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Nach der Rechtsprechung ist die Unterscheidungskraft der älteren Marke einer der Faktoren, die bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 16. März 2005, L’Oréal/HABM – Revlon [FLEXI AIR], T‑112/03, EU:T:2005:102, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im Übrigen bedeutet der Umstand, dass eine nationale Marke eingetragen wurde, dass ihr ein Minimum an originärer Unterscheidungskraft zukommt, da Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25) die Eintragung von Marken ohne Unterscheidungskraft ausschließt. Die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke kann nicht im Rahmen des Verfahrens der Eintragung einer Unionsmarke, sondern nur in einem im betreffenden Mitgliedstaat angestrengten Nichtigkeitsverfahren in Frage gestellt werden. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass der Unionsgesetzgeber ein System eingeführt hat, das auf der Koexistenz der Unionsmarke mit den nationalen Marken beruht (vgl. Urteil vom 1. März 2023, Transgourmet Ibérica/EUIPO – Aldi [Gourmet], T‑102/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:100, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Aus der Koexistenz von Unionsmarken und nationalen Marken sowie aus dem Umstand, dass für die Eintragung Letzterer nicht das EUIPO und für ihre gerichtliche Kontrolle nicht das Gericht zuständig ist, folgt, dass die Gültigkeit nationaler Marken in einem Verfahren über einen Widerspruch gegen eine Unionsmarkenanmeldung nicht in Frage gestellt werden kann (vgl. Urteil vom 1. März 2023, Gourmet, T‑102/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:100, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Folglich muss, um nicht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu verstoßen, einer nationalen Marke, auf die ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Unionsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 47).

26      Im Übrigen ist die Bezeichnung eines Zeichens als beschreibend oder als Gattungsbegriff gleichbedeutend mit dem Verneinen seiner Unterscheidungskraft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 41).

27      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ausgeführt, dass die Unterscheidungskraft der älteren Marke Nr. 1 schwach sei; dies scheint darauf hinzudeuten, dass sie davon ausgegangen ist, dass dieser Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle, und dass sie deren Gültigkeit nicht in Frage gestellt hat.

28      Ebenso hat die Beschwerdekammer in Rn. 97 der angefochtenen Entscheidung – die sich auf das Gesamtergebnis zur Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke und den älteren nationalen Marken bezieht – ausgeführt, dass die Kennzeichnungsschwäche der Gestaltungsmerkmale der älteren nationalen Marken zu einer starken Absenkung des Schutzniveaus führe, das diese Marken vermittelten; dies kann darauf hindeuten, dass sie den älteren nationalen Marken – einschließlich der älteren Marke Nr. 1 – im Einklang mit der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung einen gewissen Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt hat.

29      Die vorstehend genannten Passagen der angefochtenen Entscheidung können jedoch nicht losgelöst von den Erwägungen betrachtet werden, die die Beschwerdekammer in anderen Randnummern dieser Entscheidung, insbesondere in den Abschnitten, die der Prüfung der Unterscheidungskraft der einander gegenüberstehenden Marken gewidmet sind, angestellt hat.

30      Insoweit geht aus Rn. 49 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die beiden wesentlichen sowie prägenden formgebenden Gestaltungsmerkmale der älteren Marke Nr. 1 nach Ansicht der Beschwerdekammer zum einen die Blütenform und zum anderen das mittige Loch sind, da diese Elemente deutlich mehr die Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums auf sich zögen als die weiteren Gestaltungsmerkmale dieser Marke, nämlich die geriffelte Oberflächenstruktur mit parallelen Streifen und die käsig weiße Farbe.

31      Was als Erstes die für die ältere Marke Nr. 1 charakteristische Blütenform betrifft, hat die Beschwerdekammer in den Rn. 55, 59, 61, 64, 65 und 68 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen zum einen ausgeführt, die Beweismittel zeigten, dass die Kerben der dargestellten Krone eine technische Funktion innerhalb dieser Marke erfüllten, nämlich anzuzeigen, wie die Stücke zu portionieren seien; zum anderen sei nicht nachgewiesen worden, dass die Blütenform des dargestellten Käses wesentlich von den in der Branche vorhandenen Formen abweiche.

32      Als Zweites hat die Beschwerdekammer im Hinblick auf das für die ältere Marke Nr. 1 charakteristische mittige Loch in Rn. 64 der angefochtenen Entscheidung zum einen ausgeführt, dass angesichts der Mannigfaltigkeit der Form und Gestaltung vergleichbarer Produkte, an die das maßgebliche Publikum gewöhnt sei, wie auch für die Blütenform nicht gefolgert werden könne, dass es sich bei diesem Loch um ein branchenunübliches Merkmal handele. Außerdem sehe das Publikum die fragliche Form nicht als von einem bestimmten Hersteller stammend an. Zum anderen hat die Beschwerdekammer in Rn. 65 der angefochtenen Entscheidung weiter ausgeführt, dass dem mittigen Loch sowohl in Bezug auf die Reifung als auch in Bezug auf die Stabilität des Käses technische Funktionen zukämen, da es allgemeinem Wissen entspreche, dass die Ränder schneller reiften als die Mitte und ein mittiges Loch somit zu einer gleichmäßigeren Reifung und damit auch zu einem besseren Geschmack führe. Ferner hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass das mittige Loch dem Käse einen weiteren Stabilisierungspunkt hinzufüge und sich der Käse durch diese Gestaltung auf einem Teller oder Tablett mit einem Stab in der Mitte positionieren lasse. Sie ist zu dem Schluss gelangt, dass eine solche technisch bedingte Form Eigenschaften der Ware beschreibe und vom Verbraucher regelmäßig nicht als Herkunftshinweis angesehen werde.

33      Des Weiteren hat die Beschwerdekammer in Rn. 66 der angefochtenen Entscheidung klargestellt, ihre – in den Rn. 31 und 32 des vorliegenden Urteils dargestellte – Beurteilung der beiden wesentlichen formgebenden Gestaltungsmerkmale der älteren Marke Nr. 1, nämlich der Blütenform und des mittigen Loches, werde durch einen Beschluss des Bundespatentgerichts (Deutschland) vom 28. Oktober 2009 gestützt, in dem diese beiden Merkmale insofern als beschreibend beurteilt worden seien, als sie technisch bedingt gewesen seien, was zu einem Wegfall oder zumindest einem starken Absinken ihrer Unterscheidungskraft geführt habe.

34      Schließlich ist die Beschwerdekammer in Rn. 69 der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gelangt, dass den beiden wesentlichen formgebenden Gestaltungsmerkmalen der älteren Marke Nr. 1, nämlich Blütenform und mittigem Loch, nur eine äußerst begrenzte – d. h. weit unterdurchschnittliche – Unterscheidungskraft zukomme, so dass der durch diese Merkmale vermittelte Schutzgrad ebenfalls äußerst gering sei.

35      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft der älteren Marke Nr. 1 in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung zwar formal anerkannt zu haben scheint, in anderen Passagen dieser Entscheidung jedoch ausgeführt hat, dass die wesentlichen formgebenden Gestaltungsmerkmale dieser Marke beschreibend seien, was unter Berücksichtigung der Entscheidung als Ganzes im Wesentlichen darauf hinausläuft, die Unterscheidungskraft dieser Marke im Sinne der oben in Rn. 26 angeführten Rechtsprechung zu verneinen.

36      Dieses Ergebnis wird durch das Vorbringen des EUIPO nicht in Frage gestellt. Dieses macht erstens geltend, dass die Beschwerdekammer nicht die Unterscheidungskraft der älteren Marke Nr. 1 als Ganzes verneint habe, sondern lediglich einige ihrer Elemente für nicht unterscheidungskräftig befunden habe.

37      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer in Bezug auf die von ihr festgestellten und in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten weiteren Merkmale der älteren Marke Nr. 1 – nämlich die Oberflächenstruktur und die weiße Farbe – in Rn. 70 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, sie stimme der Beurteilung der Widerspruchsabteilung zu, wonach diese Merkmale rein technisch bedingt (und mithin auch branchenüblich) bzw. lediglich dekorativ seien. Dem hat sie hinzugefügt, jene Merkmale seien typischerweise und zwangsläufig durch den Füll‑, Press- und Reifungsprozess technisch bedingt und somit auch branchenüblich, so dass ihnen jegliche Unterscheidungskraft fehle.

38      Zum anderen hat die Beschwerdekammer, wenngleich sie der älteren Marke Nr. 1 in Rn. 80 der angefochtenen Entscheidung formal eine schwache Unterscheidungskraft zuerkannt hat, daraus keine Konsequenz für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Bezug auf die angemeldete Marke gezogen. Vielmehr hat sie die Unterscheidungskraft der älteren Marke Nr. 1 als Ganzes faktisch verneint, indem sie festgestellt hat, dass deren Schutzumfang so gering sei, dass im Vergleich zur angemeldeten Marke bereits kleine Unterschiede in den wenigen gestalterischen Elementen, die nicht technisch oder dekorativ bedingt seien, ausreichten, um darauf zu schließen, dass keine Verwechslungsgefahr vorliege.

39      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer der von der Klägerin als Widerspruchsmarke geltend gemachten älteren Marke Nr. 1 keinen gewissen Grad an Unterscheidungskraft im Sinne der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung zuerkannt hat und ihr daher im Hinblick auf die oben in den Rn. 22 bis 26 angeführte Rechtsprechung ein Rechtsfehler unterlaufen ist.

40      Als Zweites trifft es zwar zu, dass das EUIPO und folglich das Gericht – wie das EUIPO im Wesentlichen geltend macht –, wenn gegen die Eintragung einer Unionsmarke ein auf eine ältere nationale Marke gestützter Widerspruch eingelegt wird, zu prüfen haben, in welcher Weise das maßgebliche Publikum das mit dieser nationalen Marke identische Zeichen in der Anmeldemarke auffasst, und gegebenenfalls den Grad der Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu beurteilen haben (Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 42).

41      Zwar muss das EUIPO im Zuge der in Rn. 40 erwähnten Prüfung nicht zwangsläufig feststellen, dass dem in Rede stehenden Zeichen ein normaler Grad an Unterscheidungskraft zukommt, da sich erweisen kann, dass der Grad an Unterscheidungskraft gering ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2020, Eugène Perma France/EUIPO – SPI Investments Group [NATURANOVE], T‑602/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:463, Rn. 66).

42      Die in den Rn. 41 und 42 genannten Prüfungen sind jedoch insofern begrenzt, als sie nicht zur Feststellung fehlender Unterscheidungskraft bei einem Zeichen führen dürfen, das mit einer eingetragenen und geschützten nationalen Marke identisch ist, weil eine solche Feststellung weder mit der Koexistenz der Unionsmarken und der nationalen Marken noch mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, ausgelegt in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieses Artikels, vereinbar wäre (Urteil vom 24. Mai 2012, Formula One Licensing/HABM, C‑196/11 P, EU:C:2012:314, Rn. 44).

43      Anders als das EUIPO geltend macht, hat sich die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall jedoch nicht damit begnügt, der älteren Marke Nr. 1 einen gewissen Grad an Unterscheidungskraft zuzuerkennen, der das Minimum an originärer, zur Eintragung eines Zeichens als Marke erforderlicher Unterscheidungskraft unbenommen lässt. Vielmehr hat sie, wie aus den vorstehenden Rn. 30 bis 38 hervorgeht, im Wesentlichen jegliche Unterscheidungskraft dieser Marke verneint, was sie davon abgehalten hat, bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr die sich aus dieser Unterscheidungskraft ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

44      Nach alledem ist der dritten Rüge des fünften Klagegrundes stattzugeben und die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass es einer Prüfung der übrigen Rügen oder Klagegründe bedarf, die die Klägerin geltend gemacht hat.

 Zum Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung

45      Mit ihrem ersten Klageantrag beantragt die Klägerin die Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

46      Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass die dem Gericht zustehende Änderungsbefugnis nach Art. 72 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 nicht bewirkt, dass es dazu ermächtigt wäre, seine eigene Beurteilung an die Stelle der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung zu setzen, oder dazu, eine Frage zu beurteilen, zu der die Beschwerdekammer noch nicht Stellung genommen hat. Die Ausübung der Abänderungsbefugnis ist folglich grundsätzlich auf Situationen zu beschränken, in denen das Gericht nach einer Überprüfung der von der Beschwerdekammer vorgenommenen Beurteilung auf der Grundlage der erwiesenen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Entscheidung zu finden vermag, die diese hätte erlassen müssen (Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 28. Januar 2016, Gugler France/HABM – Gugler [GUGLER], T‑674/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:44, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 27 bis 44, dass die Beschwerdekammer der älteren Marke Nr. 1 das ihr zukommende Minimum an Unterscheidungskraft abgesprochen hat; dies hat sie davon abgehalten, bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr die Konsequenzen aus der Unterscheidungskraft dieser Marke zu ziehen, so dass es nicht Sache des Gerichts ist, diese Elemente im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu würdigen.

48      Dieser Antrag ist daher zurückzuweisen.

 Kosten

49      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

50      Da das EUIPO im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm neben seinen eigenen Kosten gemäß dem Antrag der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

51      Die Streithelferin ist zwar unterlegen, jedoch hat die Klägerin nicht beantragt, ihr die Kosten der vorliegenden Klage aufzuerlegen. Folglich trägt die Streithelferin lediglich ihre eigenen Kosten für das Verfahren vor dem Gericht.

52      Demgegenüber hat die Klägerin beantragt, der Streithelferin die Kosten des Verfahrens vor der Beschwerdekammer aufzuerlegen.

53      Insoweit genügt der Hinweis, dass es Sache der Beschwerdekammer ist, unter Berücksichtigung des vorliegenden Urteils über die Kosten jenes Verfahrens zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Mai 2018, Uribe-Etxebarría Jiménez/EUIPO – Núcleo de comunicaciones y control [SHERPA], T‑577/15, EU:T:2018:305, Rn. 94).

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) vom 8. Juli 2024 (verbundene Sachen R 1920/2022-5 und R 1941/2022-5) wird aufgehoben.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten sowie die der Savencia SA im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten.

4.      Die Hofmeister Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG trägt ihre eigenen Kosten für das Verfahren vor dem Gericht.

Petrlík

Kecsmár

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Dezember 2025.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas



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