T-158/19 – Breyer/ REA

T-158/19 – Breyer/ REA

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

12. November 2019(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente zum Forschungsprojekt ‚iBorderCtrl : Intelligent Portable Control System‘ – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Einrede der Unzulässigkeit – Falsche Bezeichnung des Beklagten – Berichtigung der Klageschrift – Erledigung“

In der Rechtssache T‑158/19

Patrick Breyer, wohnhaft in Kiel (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Breyer,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Ehrbar und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Exekutivagentur für die Forschung (REA) vom 17. Januar 2019 über den vom Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) gestellten Antrag auf Zugang zu Dokumenten

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Richters E. Buttigieg (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Richters B. Berke und der Richterin M. J. Costeira,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Sachverhalt

1        Am 5. November 2018 beantragte der Kläger, Herr Patrick Breyer, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) bei der Europäischen Kommission Zugang zu verschiedenen Dokumenten betreffend das von der Europäischen Union im Rahmen des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) finanzierte Forschungsprojekt „iBorderCtrl : Intelligent Portable Control System“. Die Kommission registrierte diesen Antrag am selben Tag und übermittelte ihn am 7. November 2018 der Exekutivagentur für die Forschung (REA).

2        Mit Schreiben vom 23. November 2018 (im Folgenden: Schreiben vom 23. November 2018) teilte die REA dem Kläger mit, dass sie ihm teilweisen Zugang zu den von seinem Antrag erfassten Dokumenten gewähre und seinen Antrag im Übrigen ablehne. Sie wies den Kläger ferner darauf hin, dass er gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 binnen 15 Arbeitstagen einen Zweitantrag an den Direktor der REA richten könne.

3        Am 26. November 2018 übersandte der Kläger der Kommission einen Zweitantrag und bat sie um dessen Übermittlung an den Direktor der REA.

4        Mit Schreiben vom 17. Januar 2019 gewährte der Direktor der REA dem Kläger Zugang zu zusätzlichen Dokumenten und lehnte seinen Antrag auf Zugang im Übrigen ab (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). In diesem Schreiben informierte der Direktor der REA den Kläger über die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die angefochtene Entscheidung, nämlich die Erhebung einer Klage vor dem Gericht gemäß Art. 263 AEUV oder die Einreichung einer Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten nach Art. 228 AEUV.

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

5        Mit Klageschrift, die am 15. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

6        Die Kommission hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 18. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, nach Art. 130 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

7        Am 5. Juli 2019 hat der Kläger seine Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht; die schriftliche Phase des Verfahrens im Zusammenhang mit diesem Ereignis wurde damit abgeschlossen.

8        Der Kläger beantragt in der Klageschrift,

–        die „Entscheidung der Kommission vom 17.01.2019 zum Az. Ares(2018)6073379“ für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

9        Die Kommission beantragt in ihrer Einrede der Unzulässigkeit,

–        die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

10      In seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt der Kläger,

–        die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der REA die Kosten aufzuerlegen.

11      Der Kläger stellt weiter in seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit klar, dass „[d]ie Klageschrift … dahin berichtigt [wird], dass die Bezeichnung der Beklagten richtig lauten muss: ‚Exekutivagentur für die Forschung‘“.

 Rechtliche Würdigung

12      Gemäß Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung des Gerichts kann dieses auf Antrag des Beklagten über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit vorab entscheiden. Da die Kommission im vorliegenden Fall beantragt hat, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, das sich aufgrund der Aktenlage für hinreichend informiert hält, ohne Fortsetzung des Verfahrens über diesen Antrag zu entscheiden.

13      Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, da sie nicht gegen den Urheber der angefochtenen Entscheidung, hier die REA, erhoben worden sei.

14      Der Kläger räumt ein, dass er einen Fehler bei der Benennung der Beklagten vor dem Gericht begangen habe, macht aber geltend, er sei dadurch, dass die in der Kopfzeile genannte Einrichtung sowohl im Schreiben vom 23. November 2018 als auch in der angefochtenen Entscheidung die „European Commission Research Executive Agency“ gewesen sei, irregeführt worden. Er sei deshalb irrtümlich davon ausgegangen, dass „Europäische Kommission“ die Beklagte richtig bezeichne.

15      Der Kläger macht geltend, dass die Einrede der Unzulässigkeit trotz des Fehlers bei der Bestimmung der Beklagten zurückzuweisen sei, da der Inhalt der Klageschrift eindeutig seinen Willen zeige, die Klage gegen die REA zu richten. Die Klageschrift sei daher in diesem Sinne vom Gericht auszulegen.

16      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die REA eine Einrichtung der Union ist, die durch den Durchführungsbeschluss 2013/778/EU der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Einführung der REA und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/46/EG (ABl. 2013, L 346, S. 54) eingerichtet wurde. Nach Art. 1 des Durchführungsbeschlusses 2013/778/EU unterliegt das Statut der REA der Verordnung (EG) Nr. 58/2003 des Rates vom 19. Dezember 2002 zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen, die mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt werden (ABl. 2003, L 11, S. 1). Gemäß Art. 3 des Durchführungsbeschlusses 2013/778/EU ist die REA mit der Durchführung verschiedener Teile des Spezifischen Programms zur Durchführung des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) betraut worden.

17      Aus Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 58/2003 ergibt sich, dass die REA Rechtspersönlichkeit besitzt, und nach Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung werden an sie gerichtete Anträge auf Zugang zu in ihrem Besitz befindliche Dokumente nach Maßgabe der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 behandelt.

18      Am 20. Dezember 2013 erließ die Kommission den Beschluss C(2013) 9418 final über die Übertragung von Befugnissen auf die REA zwecks Wahrnehmung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Durchführung von Unionsprogrammen im Bereich Forschung und Innovation, einschließlich der Verwendung von Mitteln aus dem Gesamthaushaltsplan der Union.

19      Nach Art. 3 Abs. 1 22. Gedankenstrich des Beschlusses C(2013) 9418 final beachtet die REA die Verordnung Nr. 1049/2001.

20      Gemäß Art. 13 Abs. 1 des Beschlusses C(2013) 9418 final erlässt der Lenkungsausschuss der REA die konkreten Bestimmungen für die Durchführung der Verordnung Nr. 1049/2001, und nach Art. 13 Abs. 2 kann gegen die Entscheidungen der REA gemäß Art. 8 dieser Verordnung unter den in den Art. 228 bzw. 263 AEUV festgelegten Bedingungen beim Bürgerbeauftragten Beschwerde eingelegt oder beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage erhoben werden.

21      Aus dem oben in den Rn. 16 bis 20 dargestellten rechtlichen Rahmen geht somit hervor, dass nur die REA in Ausübung der ihr insbesondere durch Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 58/2003 übertragenen Zuständigkeit Urheberin der angefochtenen Entscheidung sein konnte.

22      Soweit die Klage auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung abzielt, handelt es sich bei dem als Beklagter zu bezeichnenden Rechtsträger daher um die REA als einzigem Urheber dieser Entscheidung (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 6. November 2018, Chioreanu/ERCEA, T‑717/17, EU:T:2018:765, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Feststellung wird vom Kläger nicht gerügt, der in seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit einräumt, einen Fehler begangen zu haben, indem er die Kommission als Beklagte bezeichnet hat, und erklärt, dass „[d]ie Klageschrift … dahin berichtigt [wird], dass die Bezeichnung der Beklagten richtig lauten muss: ‚Exekutivagentur für die Forschung‘“.

23      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 76 Buchst. c der Verfahrensordnung bestimmt, dass die Klageschrift die Bezeichnung der Hauptpartei enthalten muss, gegen die sich die Klage richtet.

24      Es ist bereits entschieden worden, dass Formfehler in Bezug auf die Bezeichnung der beklagten Partei nach der Klageerhebung jedoch berichtigt werden können. Eine solche Berichtigung setzt voraus, dass schon der Wortlaut der Klageschrift die Partei, gegen die Klage erhoben wurde, eindeutig erkennen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 17, Beschlüsse vom 12. Juli 2005, Schäfer/HABM – KoKa [Mike’s MEALS ON WHEELS], T‑163/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2005:282‚ Rn. 23, und vom 16. Oktober 2006, Aisne und Nature/Kommission, T‑173/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:320‚ Rn. 17 und 20).

25      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klageschrift, auch wenn sie die Kommission als Beklagte bezeichnet, ohne Schwierigkeiten die Partei erkennen lässt, gegen die sie erhoben wird, nämlich die REA, da in ihr zum einen eindeutig der angefochtene Rechtsakt bezeichnet wird, der ihr als Anlage beigefügt ist, und zum anderen nur die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts und nicht die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts, dessen Urheber die Kommission wäre, in Frage gestellt wird. Auch betreffen sämtliche in der Klageschrift enthaltenen Klagegründe und Argumente ausschließlich die Begründetheit der angefochtenen Entscheidung, und ihr Umfang und ihr Verständnis sind durch die Bezeichnung der Kommission als Beklagte in keiner Weise beeinträchtigt worden.

26      Aus dem Inhalt der Klageschrift geht somit hervor, dass der tatsächlich von der vorliegenden Klage betroffene Rechtsträger von Anfang an die REA und nicht die Kommission war. Dieses Verständnis der Absicht des Klägers bei Einreichung der Klageschrift wird dadurch bestätigt, dass die Briefköpfe des Schreibens vom 23. November 2018 und der angefochtenen Entscheidung als Absender die „European Commission Research Executive Agency“ bezeichnen, wobei die Worte „European Commission“ in Großbuchstaben geschrieben werden und somit den Eindruck erwecken, dass die REA eine interne Dienststelle der Kommission und keine separate Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit ist. Der Kläger konnte daher berechtigterweise glauben, dass sich die Klage über die Bezeichnung der Kommission als Beklagte gegen die REA richtete.

27      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die REA im Rahmen des Schriftwechsels zwischen dem Kläger und der REA im Verwaltungsverfahren über den Antrag auf Zugang zu Dokumenten nicht ausdrücklich angegeben hat, dass sie und nicht die Kommission für die Bearbeitung des Antrags des Klägers zuständig war.

28      So gab die REA in dem Schreiben vom 23. November 2018 in Beantwortung des an die Kommission gerichteten Antrags des Klägers lediglich an, dass ihr dieser Antrag „zugewiesen“ (reassigned) worden sei, und beschloss ihre Antwort mit der Mitteilung an den Kläger, dass er berechtigt sei, einen Zweitantrag an ihren Direktor zu richten.

29      Der Kläger richtete seinen Zweitantrag vom 26. November 2018 an die Kommission, aber mit der Bitte, diesen an den Direktor der REA weiterzuleiten.

30      Die angefochtene Entscheidung enthält keinerlei Ausführungen zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der REA und der Kommission in Bezug auf Anträge auf Zugang zu Dokumenten, die nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellt werden. Darüber hinaus informierte der Direktor der REA in diesem Schreiben den Kläger zwar über sein Recht, gegen die angefochtene Entscheidung eine Nichtigkeitsklage zu erheben (siehe oben, Rn. 4), gab jedoch nicht an, gegen welche Rechtsperson diese Klage zu erheben sei.

31      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die vom Kläger in seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit sinngemäß beantragte Berichtigung zuzulassen und festzustellen, dass die REA die Partei ist, gegen die die vorliegende Klage erhoben worden ist, der die Klage somit zuzustellen ist.

32      Das Gericht ist der Auffassung, dass die Berichtigung der Klageschrift und deren Zustellung an die REA deren Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigen, da diese Berichtigung nicht die Tragweite und das Verständnis des in der Klageschrift enthaltenen Vorbringens des Klägers betrifft.

33      Nach alledem ist, da die Klage nicht gegen die Kommission gerichtet ist, über die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit, die gegenstandslos ist, nicht zu entscheiden.

 Kosten

34      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

35      Da im vorliegenden Fall das Verhalten des Klägers die Kommission dazu veranlasst hat, eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten im Zusammenhang mit dieser Einrede aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1.      Bei der Partei, gegen die die vorliegende Klage erhoben worden ist, handelt es sich um die Exekutivagentur für die Forschung (REA).

2.      Über die von der Europäischen Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist nicht zu entscheiden.

3.      Herr Patrick Breyer trägt die Kosten im Zusammenhang mit der Einrede der Unzulässigkeit.

4.      Die Kanzlei wird die Klageschrift der REA zustellen.

Luxemburg, den 12. November 2019

Der Kanzler

 

In Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten

E. Coulon

 

E. Buttigieg


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