Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer)
21. Februar 2024(* )
„Dumping – Einfuhren bestimmter Polyvinylalkohole mit Ursprung in China – Endgültiger Antidumpingzoll – Durchführungsverordnung (EU) 2020/1336 – Berechnung des Normalwerts – Nennenswerte Verzerrungen im Ausfuhrland – Art. 2 Abs. 6a der Verordnung (EU) 2016/1036 – WTO-Recht – Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung – Berichtigungen – Nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer – Ähnliche Funktionen wie die eines auf Provisionsgrundlage tätigen Vertreters – Gerechter Vergleich des Ausfuhrpreises und des Normalwerts – Beweislast – Art. 2 Abs. 10 Buchst. b und i der Verordnung 2016/1036 – Mangelnde Zusammenarbeit – Verfügbare Informationen – Art. 18 der Verordnung 2016/1036 – Doppelte Anwendung – Disziplinarische Anwendung – Unterschiedliche Herstellungsverfahren – Preisunterbietung – Marktsegmente – Warenkennnummer-Methode – Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung 2016/1036 – Verteidigungsrechte – Vertrauliche Behandlung – Art. 19 und 20 der Verordnung 2016/1036“
In der Rechtssache T‑762/20,
Sinopec Chongqing SVW Chemical Co. Ltd mit Sitz in Chongqing (China),
Sinopec Great Wall Energy & Chemical (Ningxia) Co. Ltd mit Sitz in Lingwu (China),
Central-China Company, Sinopec Chemical Commercial Holding Co. Ltd mit Sitz in Wuhan (China),
vertreten durch Rechtsanwälte J. Cornelis, F. Graafsma und E. Vermulst,
Klägerinnen,
unterstützt durch
Wegochem Europe BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), vertreten durch Rechtsanwalt R. Antonini, Rechtsanwältin E. Monard und Rechtsanwalt B. Maniatis,
Streithelferin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch G. Luengo als Bevollmächtigten,
Beklagte,
unterstützt durch
Europäisches Parlament, vertreten durch A. Neergaard, D. Moore und A. Pospíšilová Padowska als Bevollmächtigte,
durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch H. Marcos Fraile und B. Driessen als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwältin N. Tuominen,
durch
Kuraray Europe GmbH mit Sitz in Hattersheim am Main (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte R. MacLean und D. Sevilla Pascual,
und durch
Sekisui Specialty Chemicals Europe SL mit Sitz in La Canonja (Spanien), vertreten durch Rechtsanwälte A. Borsos und J. Jousma,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot (Berichterstatter), der Richter H. Kanninen und L. Madise sowie der Richterinnen R. Frendo und T. Perišin,
Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 14. und 15. Dezember 2022
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Sinopec Chongqing SVW Chemical Co. Ltd (im Folgenden: Sinopec Chongqing), die Sinopec Great Wall Energy & Chemical (Ningxia) Co. Ltd (im Folgenden: Sinopec Ningxia) und die Central-China Company, Sinopec Chemical Commercial Holding Co. Ltd (im Folgenden: Sinopec Central-China), die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1336 der Kommission vom 25. September 2020 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter Polyvinylalkohole mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. 2020, L 315, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung), soweit sie sie betrifft.
Sachverhalt
2 Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia sind chinesische Unternehmen, die Polyvinylalkohole (im Folgenden: PVA) herstellen, während Sinopec Central-China ein mit den vorgenannten Unternehmen verbundenes chinesisches Unternehmen ist, das u. a. die von ihnen hergestellten Waren in die Europäische Union ausführt.
3 Am 18. Juni 2019 stellte die Kuraray Europe GmbH (im Folgenden: Kuraray), ein PVA-Hersteller mit einem Anteil von mehr als 60 % der Gesamtproduktion der Union, bei der Europäischen Kommission einen Antrag gemäß Art. 5 der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (ABl. 2016, L 176, S. 21, im Folgenden: Grundverordnung). Infolgedessen veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung der Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter PVA mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. 2019, C 256, S. 4).
4 Die Untersuchung bezüglich des Vorliegens von Dumping und einer daraus resultierenden Schädigung betraf den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2019 (im Folgenden: Untersuchungszeitraum). Die Untersuchung der für die Schadensbeurteilung relevanten Entwicklungen in Bezug auf die in den Tabellen 1 bis 11 der angefochtenen Verordnung genannten Posten betraf den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums (im Folgenden: Bezugszeitraum) (39. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung).
5 Nach mehreren Schriftwechseln mit den Klägerinnen und anderen von ihrer Untersuchung betroffenen Unternehmen übermittelte die Kommission den Klägerinnen am 3. Juli 2020 die in Art. 20 der Grundverordnung vorgesehene endgültige Unterrichtung (im Folgenden: endgültige Unterrichtung), mit der sie die Absicht kundtat, gegen die Klägerinnen einen ihrer Dumpingspanne entsprechenden Antidumpingzoll von 26,3 % festzusetzen. Nach weiteren Schriftwechseln und einer Anhörung mit der Kommission am 17. Juli 2020 reichten die Klägerinnen am 20. Juli 2020 ihre Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung ein. Am 24. Juli 2020 übermittelte die Kommission den Klägerinnen eine zusätzliche endgültige Unterrichtung (im Folgenden: zusätzliche endgültige Unterrichtung), in der sie nach Anerkennung einiger Argumente der Klägerinnen feststellte, dass die Dumpingspanne auf 17,3 % gesenkt werden könne. Am 29. Juli 2020 nahmen die Klägerinnen zu dieser zusätzlichen Unterrichtung Stellung.
6 Mit der angefochtenen Verordnung führte die Kommission einen endgültigen Antidumpingzoll auf die Einfuhren bestimmter PVA mit Ursprung in China ein und stellte fest, dass der endgültige Antidumpingzollsatz auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, für die Klägerinnen 17,3 % betrage.
7 Bei der Berechnung des Normalwerts der von den Klägerinnen hergestellten Waren stützte sich die Kommission nicht auf die in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Grundverordnung vorgesehene allgemeine Regel, wonach sich „[d]er Normalwert … normalerweise auf die Preise [stützt], die im normalen Handelsverkehr von unabhängigen Abnehmern im Ausfuhrland gezahlt wurden oder zu zahlen sind“. Sie wandte Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung an, der durch die Verordnung (EU) 2017/2321 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 zur Änderung der Grundverordnung und der Verordnung (EU) 2016/1037 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern (ABl. 2017, L 338, S. 1) eingeführt worden ist (Erwägungsgründe 86 und 87 der angefochtenen Verordnung).
8 In Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung heißt es:
„(6a) a) Wird bei der Anwendung dieser oder einer anderen einschlägigen Bestimmung dieser Verordnung festgestellt, dass es nicht angemessen ist, die Inlandspreise und ‑kosten im Ausfuhrland zu verwenden, weil in diesem Land nennenswerte Verzerrungen im Sinne von Buchstabe b bestehen, so wird der Normalwert ausschließlich anhand von Herstell- und Verkaufskosten, die unverzerrte Preise oder Vergleichswerte widerspiegeln, rechnerisch ermittelt, und zwar nach den nachstehenden Vorschriften.
Die Kommission kann unter anderem die folgenden Quellen heranziehen:
– entsprechende Herstell- und Verkaufskosten in einem geeigneten repräsentativen Land mit einem dem Ausfuhrland ähnlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand, vorausgesetzt die jeweiligen Daten sind ohne Weiteres verfügbar; gibt es mehr als ein derartiges Land, werden gegebenenfalls Länder bevorzugt, in denen ein angemessener Sozial- und Umweltschutz besteht;
– falls sie dies für angemessen hält, auf internationaler Ebene gewonnene, unverzerrte Preise, Kosten oder Vergleichswerte sowie
– Inlandskosten, jedoch nur[,] sofern anhand zutreffender und geeigneter Beweise, unter anderem im Rahmen der unter Buchstabe c festgelegten Bestimmungen über interessierte Parteien, positiv festgestellt wird, dass sie nicht verzerrt sind.
Unbeschadet des Artikels 17 wird diese Bewertung für jeden Ausführer und Hersteller einzeln durchgeführt.
Der rechnerisch ermittelte Normalwert muss einen unverzerrten und angemessenen Betrag für Vertriebs‑, Verwaltungs- und Gemeinkosten sowie für Gewinne beinhalten.
b) Nennenswerte Verzerrungen sind Verzerrungen, die eintreten, wenn sich die gemeldeten Preise oder Kosten, einschließlich der Rohstoff- und Energiekosten, nicht aus dem freien Spiel der Marktkräfte ergeben, weil sie von erheblichen staatlichen Eingriffen beeinflusst sind. Bei der Beurteilung der Frage, ob nennenswerte Verzerrungen vorliegen, werden unter anderem die möglichen Auswirkungen von einem oder mehreren der folgenden Sachverhalte berücksichtigt:
– Situation, in der der betreffende Markt in erheblichem Maße von Unternehmen versorgt wird, die im Eigentum oder unter der Kontrolle oder der politischen Aufsicht von Behörden des Ausfuhrlandes stehen oder deren Ausrichtung von diesen Behörden festgelegt wird;
– staatliche Präsenz in Unternehmen, die es dem Staat ermöglicht, Preise oder Kosten zu beeinflussen;
– staatliche Strategien oder Maßnahmen, mit denen inländische Lieferanten begünstigt werden oder durch die das freie Spiel der Marktkräfte anderweitig beeinflusst wird;
– Fehlen, diskriminierende Anwendung oder unzulängliche Durchsetzung des Insolvenz‑, Gesellschafts- oder Eigentumsrechts;
– verzerrte Lohnkosten;
– Zugang zu Finanzmitteln über Institute, die staatliche Ziele umsetzen oder anderweitig nicht unabhängig vom Staat agieren.
c) Wenn die Kommission fundierte Hinweise darauf hat, dass in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Branche in diesem Land möglicherweise nennenswerte Verzerrungen im Sinne von Buchstabe b vorliegen, und wenn es für die wirksame Anwendung dieser Verordnung angemessen ist, erstellt die Kommission einen Bericht, in dem die Marktgegebenheiten gemäß Buchstabe b in diesem Land oder dieser Branche beschrieben werden, macht ihn öffentlich zugänglich und aktualisiert ihn regelmäßig. Diese Berichte werden mit den ihnen zugrunde liegenden Beweisen in das Dossier jeder Untersuchung aufgenommen, die sich auf das betreffende Land oder die betreffende Branche bezieht. Die interessierten Parteien erhalten ausreichend Gelegenheit, den Bericht und die ihm zugrunde liegenden Beweise bei jeder Untersuchung, in der der betreffende Bericht oder die betreffenden Beweise verwendet werden, zu widerlegen, zu ergänzen, dazu Stellung zu nehmen oder sich darauf zu stützen. Bei der Beurteilung der Frage, ob nennenswerte Verzerrungen vorliegen, berücksichtigt die Kommission alle einschlägigen Beweise, die sich im Dossier der Untersuchung befinden.“
9 In der angefochtenen Verordnung ermittelte die Kommission, nachdem sie u. a. auf der Grundlage ihres nach Art. 2 Abs. 6a Buchst. c der Grundverordnung veröffentlichten Länderberichts zu China vom 20. Dezember 2017 festgestellt hatte, dass es in diesem Land „nennenswerte Verzerrungen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 6a Buchst. b der Grundverordnung gebe (Erwägungsgründe 91 und 171 der angefochtenen Verordnung), den Normalwert nach der Methode gemäß Art. 2 Abs. 6a Buchst. a Unterabs. 2 erster Gedankenstrich der Grundverordnung. Zu diesem Zweck wählte sie die Türkei als geeignetes repräsentatives Land aus (Erwägungsgründe 172 und 222 der angefochtenen Verordnung). Außerdem berücksichtigte die Kommission gemäß Art. 2 Abs. 6a Buchst. a letzter Unterabsatz der Grundverordnung bei der Ermittlung des Normalwerts einen von ihr als unverzerrt und angemessen erachteten Betrag für Vertriebs‑, Verwaltungs- und Gemeinkosten (im Folgenden: VVG-Kosten) sowie für Gewinne (87. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung).
10 Ferner stellte die Kommission bei Sinopec Ningxia im Hinblick auf die gemeldeten Herstellungskosten wesentliche und schwerwiegende Mängel fest. Aus diesem Grund wandte die Kommission bei der nach Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung vorgenommenen rechnerischen Ermittlung des Normalwerts der von Sinopec Ningxia hergestellten Waren Art. 18 Abs. 1 der Grundverordnung an, wonach sie sich, wenn eine interessierte Partei „den Zugang zu den erforderlichen Informationen [verweigert] … oder … die Untersuchung [erheblich behindert]“, auf die „verfügbaren Informationen“ (im Folgenden: verfügbare Informationen im Sinne von Art. 18) stützen kann. Der Normalwert der von Sinopec Ningxia hergestellten Waren wurde daher auf der Grundlage der von anderen ausführenden Herstellern übermittelten Informationen berechnet, und für jeden betroffenen PVA-Typ verwendete die Kommission den höchsten rechnerisch ermittelten Normalwert dieser anderen ausführenden Hersteller (Erwägungsgründe 327 bis 333 der angefochtenen Verordnung).
11 Beim Vergleich des Normalwerts der von den Klägerinnen hergestellten Waren mit ihrem Ausfuhrpreis nahm die Kommission zwei Berichtigungen gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. b und i der Grundverordnung vor. Zum einen nahm sie „zwischen den Ausfuhrverkäufen aus … China in die Union und dem Normalwert, bei dem indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer ausgenommen wurden, eine Berichtigung für die Differenz bei den indirekten Steuern vor“, indem sie den Normalwert erhöhte (388. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). Zum anderen senkte sie den Ausfuhrpreis, da die in die Union erfolgenden Verkäufe der von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia hergestellten PVA über Sinopec Central-China durchgeführt worden seien, die nicht als interne Verkaufsabteilung, sondern als Händlerin anzusehen sei (Erwägungsgründe 358 und 373 der angefochtenen Verordnung). Ferner nahm die Kommission auch Abwärtsberichtigungen des Ausfuhrpreises vor, um von diesem die Versicherungs‑, Transport‑, Bereitstellungs‑, Verlade- und Kreditkosten sowie die Bankgebühren (im Folgenden: streitige Kosten) abzuziehen und auf die einer Transaktion „ab Werk“ entsprechende Stufe zu gelangen (Erwägungsgründe 313, 314 und 357 der angefochtenen Verordnung).
12 Bei der gemäß Art. 3 Abs. 2, 3 und 6 der Grundverordnung vorzunehmenden Prüfung einer etwaigen Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union untersuchte die Kommission die Preisunterbietung. Dabei stützte sie sich zum einen auf ihre Feststellungen, wonach der PVA-Markt nicht aus zwei verschiedenen Segmenten bestehe (Erwägungsgründe 61 bis 64 der angefochtenen Verordnung). Zum anderen wandte sie u. a. eine Methode an, bei der sie die Einfuhr- und die Verkaufspreise des Wirtschaftszweigs der Union je Warentyp verglich, wobei sie für einige Warentypen keine Entsprechung fand (Erwägungsgründe 432 und 433 der angefochtenen Verordnung).
Anträge der Parteien
13 Die Klägerinnen beantragen,
– die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;
– der Kommission und den zu ihrer Unterstützung beigetretenen Unternehmen die Kosten aufzuerlegen.
14 Wegochem Europe BV (im Folgenden: Wegochem), die als Streithelferin die Klägerinnen unterstützt, beantragt,
– die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerinnen betrifft;
– der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der ihr entstandenen Kosten aufzuerlegen.
15 Die Kommission, unterstützt durch das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union, Kuraray und Sekisui Specialty Chemicals Europe SL (im Folgenden: Sekisui), beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
16 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf fünf Klagegründe: erstens Unvereinbarkeit der Anwendung von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung mit den Verpflichtungen aus dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO), zweitens Verstoß gegen Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung und offensichtlicher Beurteilungsfehler, drittens Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 und 5 der Grundverordnung sowie Art. 6.8 des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 (GATT) (ABl. 1994, L 336, S. 103, im Folgenden: Antidumping-Übereinkommen) in Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der WTO (ABl. 1994, L 336, S. 3) und gegen Anhang II des Antidumping-Übereinkommens (ABl. 1994, L 336, S. 118, im Folgenden: Anhang II), viertens Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung bei der Feststellung der Preisunterbietung sowie gegen Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung und fünftens Verletzung der Verteidigungsrechte.
Zum ersten Klagegrund: Unvereinbarkeit der Anwendung von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung mit den Verpflichtungen aus dem WTO-Recht
17 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung in der angefochtenen Verordnung in einer Weise angewandt, die mit dem Antidumping-Übereinkommen in seiner Auslegung durch die Entscheidungen des Streitbeilegungsorgans der WTO (Dispute Settlement Body, DSB) unvereinbar sei. Die Klägerinnen räumen ein, dass das Antidumping-Übereinkommen keine unmittelbare Wirkung habe, machen aber geltend, angesichts der Gemeinsamkeiten zwischen dem Übereinkommen und der Grundverordnung sei dieser Umstand für die von der Kommission im vorliegenden Fall verletzte Verpflichtung, die genannte Bestimmung der Grundverordnung im Einklang mit dem WTO-Recht einschließlich der Entscheidungen des DSB auszulegen, nicht von Bedeutung.
18 Zur Klarstellung weisen die Klägerinnen darauf hin, dass der vorliegende Klagegrund nicht als Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung angesehen werden könne. Beanstandet werde nämlich nicht die Bestimmung als solche, sondern ihre Anwendung durch die Kommission in der angefochtenen Verordnung. Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung könne im Einklang mit dem WTO-Recht ausgelegt werden, ohne dass dies zu einer Auslegung contra legem oder einer Aushöhlung der Bestimmung führe.
19 Die Kommission, unterstützt durch das Parlament, den Rat, Kuraray und Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
20 Es ist daran zu erinnern, dass die Organe der Union, wenn sie internationale Übereinkünfte schließt, nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an diese Übereinkünfte gebunden sind. Diese Übereinkünfte haben daher gegenüber den Rechtsakten der Union Vorrang. Folglich sind die Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Übereinkünften auszulegen, insbesondere wenn sie eine von der Union geschlossene internationale Übereinkunft durchführen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica/Rat, C‑76/00 P, EU:C:2003:4, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 18. März 2014, Z., C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 71 und 72 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Gemäß dem dritten Erwägungsgrund der Grundverordnung sollten die Formulierungen des Antidumping-Übereinkommens zur Sicherung einer angemessenen und transparenten Anwendung der Regeln dieses Übereinkommens so gut wie möglich in das Unionsrecht übertragen werden. Der allgemeine völkerrechtliche Grundsatz der Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen (pacta sunt servanda ), der in Art. 26 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series , Bd. 1155, S. 331) niedergelegt ist, beinhaltet, dass der Unionsrichter zum Zweck der Auslegung und Anwendung des Antidumping-Übereinkommens die Entscheidungen des DSB berücksichtigen muss, mit denen die Bestimmungen dieses Übereinkommens ausgelegt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 30, 32 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Allerdings ist diese Rechtsprechung, wie die Verwendung des Ausdrucks „nach Möglichkeit“ in der vorstehend in Rn. 20 erwähnten Rechtsprechung belegt, auf eine Bestimmung, deren Bedeutung klar und eindeutig ist und die daher keiner Auslegung bedarf, nicht anwendbar. Anderenfalls würde der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung des abgeleiteten Unionsrechts als Grundlage für eine Auslegung dieser Bestimmung contra legem dienen, was nicht zugelassen werden kann (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB, T‑751/16, EU:T:2018:475, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2017, Canadian Solar Emea u. a./Rat, T‑162/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:124, Rn. 151).
23 Zudem darf die mit den Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, dessen Vertragspartei die Union ist, konforme Auslegung von Rechtsakten der Unionsorgane im Sinne der oben in den Rn. 20 bis 22 angeführten Rechtsprechung nicht mit der Kontrolle der Rechtsmäßigkeit dieser Rechtsakte verwechselt werden.
24 Nach ständiger Rechtsprechung können nämlich die Bestimmungen eines internationalen Vertrags zur Begründung einer Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung des abgeleiteten Unionsrechts oder einer Einrede der Rechtswidrigkeit einer solchen Handlung nur unter der zweifachen Voraussetzung geltend gemacht werden, dass zum einen Art und Struktur des betreffenden Vertrags dem nicht entgegenstehen und zum anderen diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen. Erst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, können solche Bestimmungen vor dem Unionsrichter als Kriterium für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts geltend gemacht werden (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Rusal Armenal, C‑21/14 P, EU:C:2015:494, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Da die Klägerinnen im vorliegenden Fall erklären, dass sie keine Einrede der Rechtswidrigkeit geltend machen, und jedenfalls nicht behaupten und erst recht nicht belegen, dass die von der oben in Rn. 24 angeführten Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen vorliegen, kann das Gericht dem vorliegenden Klagegrund nur stattgeben, wenn sie nachweisen, dass Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung uneindeutig ist oder Unklarheiten enthält, die durch eine Auslegung im Einklang mit diesen Regeln zerstreut werden müssen, und dass diese Auslegung nicht contra legem ist.
26 Die Klägerinnen behaupten nicht, dass der Wortlaut von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung uneindeutig sei.
27 Jedoch machen sie als Erstes geltend, dass Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung für eine Anwendung im Einklang mit dem WTO-Recht dahin auszulegen sei, dass von den drei in Art. 2 Abs. 6a Buchst. a der Grundverordnung genannten Quellen nur die letzte zu berücksichtigen sei, bei der die Inlandskosten im Ausfuhrland herangezogen würden.
28 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. Urteil vom 2. Juli 2020, Magistrat der Stadt Wien [Feldhamster], C‑477/19, EU:C:2020:517, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Die von den Klägerinnen vorgeschlagene Auslegung von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung läuft jedoch darauf hinaus, dass die ersten beiden in Art. 2 Abs. 6a Buchst. a der Grundverordnung genannten Quellen ausgeschlossen werden und der dritten Quelle ein extensiver Anwendungsbereich zuerkannt wird, da sie auch dann angewandt werden müsste, wenn nicht nachgewiesen wäre, dass die betreffenden Kosten nicht verzerrt sind.
30 Zunächst kann die von den Klägerinnen geltend gemachte Auslegung nicht auf den Wortlaut der fraglichen Bestimmung gestützt werden, die drei Optionen nennt und für die dritte eine eindeutige Voraussetzung festlegt. Aus der Verwendung des Adverbs „unter anderem“ folgt nämlich, dass es sich um keine abschließende Aufzählung von Optionen handelt, so dass die Kommission andere als die in den drei Optionen genannten Informationsquellen heranziehen könnte. Allerdings ist es der Kommission im Rahmen des Beurteilungsspielraums, den ihr der Gesetzgeber bei der Entscheidung über das Heranziehen zusätzlicher Quellen einräumt, nicht erlaubt, eine vierte Quelle zu berücksichtigen, die sich mit der dritten fast vollständig deckt bis auf die Tatsache, dass es nicht erforderlich wäre, die Voraussetzung des Nachweises zu erfüllen, dass die Inlandskosten im Ausfuhrland nicht verzerrt sind.
31 Sodann wird diese Auslegung auch nicht durch den Kontext von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung gestützt. Diese Vorschrift führt nämlich spezielle Bestimmungen ein, die sich insoweit von denjenigen der anderen Absätze von Art. 2 der Grundverordnung unterscheiden, als sie für Fälle gelten, in denen der Inlandsmarkt des Ausfuhrlands nennenswerte Verzerrungen aufweist. Daher bedeutet die Bezugnahme in Art. 2 Abs. 6a Buchst. a Unterabs. 1 der Grundverordnung auf die „Anwendung dieser oder einer anderen einschlägigen Bestimmung dieser Verordnung“ nicht, dass die Bestimmung in jedem Fall so auszulegen ist, dass sie mit den Bestimmungen des Antidumping-Übereinkommens im Einklang steht, die anderen Bestimmungen des Art. 2 der Grundverordnung entsprechen.
32 Was schließlich die Ziele von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung betrifft, besteht das Ziel dieser Bestimmung darin, zu verhindern, dass für eine Antidumpinguntersuchung Daten zu Preisen und Kosten im Ausfuhrland verwendet werden, die aufgrund von nennenswerten Verzerrungen auf dem Inlandsmarkt dieses Landes verfälscht sind. Insoweit ist vorgesehen, entweder die Daten eines geeigneten repräsentativen Drittlands oder internationale Daten oder die Inlandskosten im Ausfuhrland zu verwenden, sofern nachgewiesen wird, dass sie nicht verzerrt sind.
33 Somit schlagen die Klägerinnen mit ihrem oben in Rn. 27 zusammengefassten Vorbringen eine Auslegung contra legem von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung vor, der nicht gefolgt werden kann.
34 Als Zweites tragen die Klägerinnen vor, Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung sei im Einklang mit den Art. 2.2 und 2.2.1.1 des Antidumping-Übereinkommens auszulegen.
35 Zum einen erlaube Art. 2.2 des Antidumping-Übereinkommens die rechnerische Ermittlung des Normalwerts anstelle seiner Berechnung auf der Grundlage der im Ausfuhrland üblichen Preise nur in drei Fällen, darunter das Vorliegen einer besonderen Marktlage im Ausfuhrland.
36 Der Begriff „besondere Marktlage“ in seiner Auslegung durch die Entscheidungen des DSB eröffne der mit einer Antidumpinguntersuchung betrauten Behörde (im Folgenden: zuständige Behörde) keinen unbegrenzten Spielraum, sondern erfasse nur die Situationen, in denen die Vergleichbarkeit zwischen dem Normalwert und dem Ausfuhrpreis beeinträchtigt sei. Dagegen erlaube eine Situation, die durch nennenswerte Verzerrungen aufgrund erheblicher staatlicher Eingriffe in den Markt des Ausfuhrlands gekennzeichnet sei, für sich genommen nicht, bei den Berechnungen des Normalwerts die von den ausführenden Herstellern dieses Landes verzeichneten Kosten außer Acht zu lassen und stattdessen die den Herstellern eines Drittlands entstandenen Kosten heranzuziehen. Die Kommission müsse nachweisen, dass zwischen dieser Situation und der Vergleichbarkeit der Preise ein Zusammenhang bestehe. Im vorliegenden Fall sei dieser Nachweis jedoch nicht erbracht worden.
37 Zum anderen sei, selbst wenn man annehme, dass eine Verzerrung der Inputkosten eine besondere Marktlage zur Folge habe, die im vorliegenden Fall von der Kommission angewandte Methode, bei der Inputkosten aus unverzerrten Quellen heranzuziehen seien und die in den Verzeichnissen der chinesischen ausführenden Hersteller enthaltenen Produktionskostendaten außer Acht gelassen werden müssten, nicht mit Art. 2.2.1.1 des Antidumping-Übereinkommens in seiner Auslegung durch die Entscheidungen des DSB vereinbar.
38 Wie oben in Rn. 23 dargelegt, kann die Berufung der Klägerinnen auf den Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung nicht dazu führen, dass das Gericht die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung im Hinblick auf die WTO-Regeln prüft, ohne dass der Nachweis erbracht wird, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Ausübung dieser Kontrolle vorliegen.
39 Zudem ergibt sich aus Rn. 20 des vorliegenden Urteils, dass der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung nur dann in vollem Umfang anwendbar ist, wenn die fraglichen unionsrechtlichen Bestimmungen WTO-Regeln durchführen sollen.
40 Mit der Verordnung 2017/2321 hat der Unionsgesetzgeber Art. 2 der Grundverordnung geändert, um Abs. 6a einzufügen und Abs. 7 zu ändern.
41 Nach der Rechtsprechung war Art. 2 Abs. 7 der Grundverordnung in der Fassung vor der Verordnung 2017/2321 Ausdruck des Willens des Unionsgesetzgebers, in diesem Bereich eine spezifische unionsrechtliche Maßnahme zu erlassen, indem er bei Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft für die Ermittlung des Normalwerts eine besondere Regelung mit detaillierten Vorschriften vorsieht. Daher ist entschieden worden, dass diese Bestimmung nicht als eine Maßnahme angesehen werden kann, durch die gewährleistet werden soll, dass eine bestimmte im Rahmen der WTO-Übereinkommen eingegangene Verpflichtung in die Rechtsordnung der Union umgesetzt wird, da die WTO-Übereinkommen keine Regeln enthalten, die die Berechnung des Normalwerts für Länder ohne Marktwirtschaft betreffen (Urteil vom 5. Mai 2022, Zhejiang Jiuli Hi-Tech Metals/Kommission, C‑718/20 P, EU:C:2022:362, Rn. 88; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Rusal Armenal, C‑21/14 P, EU:C:2015:494, Rn. 47 bis 50). Das Gericht hat festgestellt, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, diese Bestimmung im Einklang mit den Verpflichtungen der Union im Rahmen der WTO auszulegen, da die Bestimmung Regeln für die Berechnung des Normalwerts aufstellt, die in den WTO-Übereinkommen keine Entsprechung finden. Anderenfalls könnte die Kommission nämlich nicht von dem Ermessen Gebrauch machen, das ihr der Gesetzgeber einräumen wollte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. September 2019, Zhejiang Jndia Pipeline Industry/Kommission, T‑228/17, EU:T:2019:619, Rn. 111 bis 113).
42 Diese Grundsätze gelten entsprechend für Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung.
43 Mit dieser Bestimmung wird nämlich eine besondere Regelung eingeführt, die Vorschriften für die Ermittlung des Normalwerts bei Ausfuhren aus Ländern festlegt, deren Inlandsmarkt erwiesenermaßen nennenswerte Verzerrungen im Sinne dieser Bestimmung aufweist. Das WTO-Recht enthält jedoch keine speziellen Regeln für die Berechnung des Normalwerts in solchen Fällen.
44 Zudem ist es zwar zutreffend, dass es im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung 2017/2321 heißt, dass „[d]ie Feststellung, ob es sich bei einem WTO-Mitglied um ein Land mit Marktwirtschaft handelt oder nicht, und die Bedingungen, die in den Protokollen und sonstigen Instrumenten festgelegt sind, nach denen die Länder dem … Übereinkommen … zur Errichtung der [WTO] … beigetreten sind, … von dieser Verordnung unberührt [bleiben]“, und zu diesen Protokollen das Protokoll über den Beitritt der Volksrepublik China zur WTO (im Folgenden: Beitrittsprotokoll) zählt.
45 Auch trifft es zu, dass Art. 15 des Beitrittsprotokolls spezielle Regeln für die Anwendung des Antidumping-Übereinkommens auf Einfuhren aus China enthält und einen Übergangszeitraum vorsieht, der spätestens 15 Jahre nach dem Beitritt der Volksrepublik China zur WTO endet, d. h. am 11. Dezember 2016.
46 Dennoch lässt sich aus der Existenz des zweiten Erwägungsgrundes in der Präambel der Verordnung 2017/2321 nicht folgern, dass der Unionsgesetzgeber mit dieser Verordnung einen Mechanismus zur Durchführung von Art. 15 des Beitrittsprotokolls schaffen wollte.
47 Jedenfalls würde die Annahme, dass Art. 15 des Beitrittsprotokolls nach Ablauf des darin vorgesehenen Übergangszeitraums der Anwendung einer nicht auf den chinesischen Preisen oder Kosten für den untersuchten Wirtschaftszweig beruhenden Methode zur Ermittlung des Normalwerts im Rahmen einer Antidumpinguntersuchung entgegensteht, dazu führen, dass Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung nicht mit diesem Artikel vereinbar wäre.
48 Da die Klägerinnen keine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung im Hinblick auf die WTO-Regeln erhoben haben, würde diese etwaige Unvereinbarkeit nur bestätigen, dass die Bestimmung nicht in dem von ihnen befürworteten Sinn ausgelegt werden kann.
49 Somit sind die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Grundsatzes der völkerrechtskonformen Auslegung auf Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung im Hinblick auf die WTO-Regeln nicht gegeben.
50 Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung und offensichtlicher Beurteilungsfehler
51 Der zweite Klagegrund besteht aus drei Teilen: erstens Verstoß gegen Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung und offensichtlicher Beurteilungsfehler, zweitens Verstoß gegen den einleitenden Teil von Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung und drittens Verstoß gegen Art. 2 Abs. 10 Buchst. b der Grundverordnung.
Zum ersten Teil
52 Die Klägerinnen, unterstützt durch Wegochem, weisen darauf hin, dass alle ihre PVA-Ausfuhrverkäufe in die Union von Sinopec Central-China getätigt worden seien, und machen geltend, die Kommission habe, da sie der Ansicht gewesen sei, die Funktionen von Sinopec Central-China seien nicht die einer internen Verkaufsabteilung, sondern entsprächen den Funktionen eines auf Provisionsgrundlage tätigen Vertreters, zu Unrecht gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung eine Abwärtsberichtigung des Ausfuhrpreises für diese Verkäufe vorgenommen (im Folgenden: erste angefochtene Berichtigung), die den VVG-Kosten des Unternehmens und seinen anhand der Informationen eines unabhängigen Wirtschaftsteilnehmers geschätzten Gewinnen entsprochen habe.
53 Als Erstes tragen die Klägerinnen vor, gemäß dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung und nach der einschlägigen Rechtsprechung müsse die Kommission, um eine Berichtigung nach dieser Bestimmung vornehmen zu können, zumindest übereinstimmende Anhaltspunkte dafür liefern, dass eine mit einem Hersteller verbundene Vertriebsgesellschaft ähnliche Funktionen ausübe wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter.
54 Die Kommission könne die Beweislast nicht durch Aufstellen einer allgemeinen Regel umkehren, wonach eine solche Berichtigung gerechtfertigt sei, sobald ein Unternehmen zur Durchführung seiner Ausfuhrverkäufe eine verbundene Handelsgesellschaft gründe, und der Nachweis, dass die fragliche Berichtigung ungerechtfertigt sei, dem Hersteller obliege, der die Handelsgesellschaft gegründet habe.
55 Als Zweites ließen die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung und in der Verordnung selbst angeführten Gesichtspunkte nicht den Schluss zu, dass die erste beanstandete Berichtigung im vorliegenden Fall gerechtfertigt sei.
56 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
57 Als Erstes gebe es eine allgemeine Regel, wonach eine Berichtigung gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung gerechtfertigt sei, wenn ein Unternehmen ein verbundenes Unternehmen gründe, um Geschäfte durchzuführen, die es anderenfalls dritten Wirtschaftsteilnehmern übertragen müsste. Es stehe nämlich fest, dass das zu diesem Zweck gegründete verbundene Unternehmen ähnliche Funktionen ausübe wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter. Nur ausnahmsweise, wenn der Hersteller und sein mit den Ausfuhren in die Union beauftragter verbundener Händler eine wirtschaftliche Einheit bildeten, dürfe abweichend von dieser allgemeinen Regel keine Berichtigung vorgenommen werden. Jede Ausnahme von einer allgemeinen Regel sei eng auszulegen.
58 Als Zweites macht die Kommission geltend, sie habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass irgendeiner der von ihr bei der Vornahme der ersten beanstandeten Berichtigung zugrunde gelegten Gesichtspunkte es für sich genommen erlaube, auszuschließen, dass Sinopec Central-China als interne Verkaufsabteilung eingestuft werden könne. Sie betont, dass eine umfassende Würdigung der relevanten Gesichtspunkte vorgenommen werden müsse und die im vorliegenden Fall festgestellten Umstände in ihrer Gesamtschau den Schluss zuließen, dass Sinopec Central-China eine eigenständige und unabhängige Handelsgesellschaft sei.
– Anwendbare Vorschriften
59 Es ist auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen von Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung zu verweisen, die wie folgt lauten:
„Zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert wird ein gerechter Vergleich durchgeführt. Dieser Vergleich erfolgt auf derselben Handelsstufe und unter Zugrundelegung von Verkäufen, die zu möglichst nahe beieinander liegenden Zeitpunkten getätigt werden, sowie unter gebührender Berücksichtigung anderer Unterschiede, die die Vergleichbarkeit der Preise beeinflussen. Ist die Vergleichbarkeit der ermittelten Normalwerte und Ausfuhrpreise nicht gegeben, werden, auf Antrag, jedes Mal gebührende Berichtigungen für Unterschiede bei Faktoren vorgenommen, die nachweislich die Preise und damit die Vergleichbarkeit der Preise beeinflussen. Dabei wird jede doppelte Berichtigung vermieden, insbesondere für Preisnachlässe, Rabatte, unterschiedliche Mengen und unterschiedliche Handelsstufen. Wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, können für folgende Faktoren Berichtigungen vorgenommen werden:
…
i) Provisionen
Eine Berichtigung wird vorgenommen für Unterschiede bei den Provisionen, die für die betreffenden Verkäufe gezahlt werden.
Als ‚Provision‘ gilt auch der Aufschlag, den ein Unternehmen, das mit der Ware oder der gleichartigen Ware handelt, erhält, sofern dieser Händler ähnliche Funktionen ausübt wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter.“
60 Nach der Rechtsprechung kann eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung nicht vorgenommen werden, wenn der in einem Drittstaat ansässige Hersteller und sein verbundener Händler, der mit den Ausfuhren in die Union beauftragt ist, eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 39).
61 Der Umstand, dass Produktions- und Verkaufstätigkeiten innerhalb eines aus rechtlich selbständigen Gesellschaften bestehenden Konzerns aufgeteilt sind, kann nämlich nichts daran ändern, dass es sich um eine wirtschaftliche Einheit handelt, die auf diese Weise eine Gesamtheit von Tätigkeiten organisiert, die in anderen Fällen von einem auch rechtlich eine Einheit darstellenden Gebilde ausgeübt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
62 Vor diesem Hintergrund ermöglicht es die Feststellung des Bestehens einer wirtschaftlichen Einheit, zu verhindern, dass Kosten, die offensichtlich im Verkaufspreis eines Erzeugnisses enthalten sind, wenn der Verkauf durch eine Vertriebsabteilung innerhalb der Organisation des Herstellers erfolgt, als nicht in diesem Preis enthalten angesehen werden, wenn die gleiche Verkaufstätigkeit von einer zwar rechtlich selbständigen, jedoch wirtschaftlich vom Hersteller kontrollierten Gesellschaft ausgeübt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
63 Daraus folgt, dass bei einem Händler, der mit einem in einem Drittstaat ansässigen Hersteller eine wirtschaftliche Einheit bildet, nicht davon ausgegangen werden kann, dass er im Sinne von Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung ähnliche Funktionen ausübt wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Im Rahmen der Prüfung, ob zwischen einem Hersteller und seinem verbundenen Händler eine wirtschaftliche Einheit besteht, ist es entscheidend, die wirtschaftliche Realität der Beziehungen zwischen diesem Hersteller und diesem Händler zu betrachten. Angesichts des Erfordernisses einer Feststellung, die die wirtschaftliche Realität der Beziehungen zwischen dem Hersteller und dem Händler widerspiegelt, haben die Unionsorgane sämtliche relevanten Faktoren zu berücksichtigen, anhand deren bestimmt werden kann, ob dieser Händler Funktionen einer internen Vertriebsabteilung dieses Herstellers ausübt (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
– Zur Beweislage
65 Nach der Rechtsprechung ist die Beweislast für die in Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung genannten spezifischen Berichtigungen von der Partei zu tragen, die sich auf sie beruft (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Sind also die Unionsorgane der Auffassung, dass der Ausfuhrpreis nach unten zu berichtigen sei, weil eine mit dem Hersteller verbundene Vertriebsgesellschaft ähnliche Funktionen wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter ausübe, obliegt es diesen Organen, zumindest übereinstimmende Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung zu liefern (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).
67 Haben die Unionsorgane übereinstimmende Anhaltspunkte dafür geliefert, dass ein mit einem Hersteller verbundener Händler ähnliche Funktionen wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter ausübt, obliegt es folglich diesem Händler oder diesem Hersteller, den Nachweis zu erbringen, dass eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung nicht gerechtfertigt ist (vgl. entsprechend Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 85).
68 Somit musste die Kommission, um die erste beanstandete Berichtigung zu Recht vornehmen zu können, übereinstimmende Anhaltspunkte dafür liefern, dass die Berichtigung gerechtfertigt war.
69 Die Kommission kann nicht davon ausgehen, dass eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung grundsätzlich vorzunehmen ist, sobald ein Unternehmen eine verbundene Handelsgesellschaft gründet, um seine Ausfuhrverkäufe durchzuführen.
70 Das Bestehen einer solchen allgemeinen Regel, die einer Beweislastumkehr gleichkäme, ist nämlich nicht nachgewiesen, da die hierzu von der Kommission angeführte Rechtsprechung nicht relevant ist.
71 Erstens stützt sich die Kommission auf das Urteil vom 7. Februar 2013, EuroChem MCC/Rat (T‑459/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:66). In Rn. 132 dieses Urteils hat das Gericht festgestellt, dass Art. 2 Abs. 10 Buchst. i Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2009, L 343, S. 51) auf Art. 1 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1972/2002 des Rates vom 5. November 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 2002, L 305, S. 1) beruhte. In derselben Randnummer hat das Gericht ausgeführt, dass dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1972/2002 zufolge durch die Einführung des fraglichen Satzes darauf hingewiesen werden sollte, dass Berichtigungen gemäß dieser Bestimmung im Einklang mit der üblichen Praxis der Organe auch dann gemacht werden sollten, wenn die Parteien zwar nicht auf der Grundlage eines Auftraggeber-Vertreter-Verhältnisses tätig waren, aber als Käufer und Verkäufer dasselbe wirtschaftliche Resultat erzielten. Aus den Rn. 133 und 134 des Urteils ergibt sich jedoch, dass eine Berichtigung vorzunehmen ist, wenn das mit Verkäufen beauftragte und mit einem ausführenden Hersteller verbundene Unternehmen ähnliche Funktionen ausübt wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter, und für die Feststellung, ob dies der Fall ist, die jeweiligen Rollen der verschiedenen verbundenen Unternehmen zu prüfen sind. Somit hat das Gericht in jenem Urteil nicht anerkannt, dass die allgemeine Regel, auf die sich die Kommission im vorliegenden Fall beruft, existiert.
72 Zweitens beruft sich die Kommission auf das Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat (C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 39), in dem jedoch weder auf eine allgemeine Regel noch auf eine Ausnahme von dieser Regel Bezug genommen wird.
73 Drittens stützt sich die Kommission auf Rn. 50 des Urteils vom 28. Oktober 2004, Shanghai Teraoka Electronic/Rat (T‑35/01, EU:T:2004:317), und auf Rn. 49 des Urteils vom 28. Juni 2019, Changmao Biochemical Engineering/Kommission (T‑741/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:454). Dort hat das Gericht festgestellt, dass die in Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1) und der Verordnung Nr. 1225/2009, die jeweils zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt galten, genannte Methode zur Bestimmung des Normalwerts einer Ware eine Ausnahme von der hierfür in Art. 2 Abs. 7 Buchst. a dieser Verordnungen vorgesehenen speziellen Methode ist, die grundsätzlich im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft gilt. In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission jedoch nicht dargelegt und erst recht nicht nachgewiesen, dass die Nichtanwendung einer Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung in Fällen, in denen ein ausführender Hersteller seine Waren über ein verbundenes Unternehmen in der Union verkauft, eine Ausnahme von einer in dieser Verordnung aufgestellten Regel bilde, der zufolge die Berichtigung in einer solchen Situation grundsätzlich vorzunehmen sei. Somit belegen diese Urteile weder die Existenz der allgemeinen Regel, auf die sich die Kommission beruft, noch den Ausnahmecharakter der Nichtanwendung einer solchen Berichtigung bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit.
74 Viertens hat sich die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf das Urteil vom 14. Dezember 2022, Xinyi PV Products (Anhui) Holdings/Kommission (T‑586/14 RENV II, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:799, Rn. 57), berufen und geltend gemacht, das Urteil bestätige das Bestehen einer Regel, wonach eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung im Allgemeinen vorgenommen werde, wenn ein ausführender Hersteller seine Waren über ein verbundenes Unternehmen verkaufe. In jenem Urteil hat sich das Gericht jedoch zu einer Situation geäußert, die dadurch gekennzeichnet war, dass feststand, dass das mit dem betreffenden ausführenden Hersteller verbundene Unternehmen zur bestehenden internen Ausfuhrabteilung des ausführenden Herstellers hinzukam, wie den Rn. 52 und 57 des genannten Urteils zu entnehmen ist. Da der vorliegende Fall anders gelagert ist, stützt sich die Kommission zu Unrecht auf dieses Urteil.
75 Die Kommission kann sich auch nicht auf den von den Klägerinnen vor dem Gericht geltend gemachten Umstand stützen, dass Sinopec Central-China nicht unmittelbar von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia kontrolliert werde, und davon ausgehen, dass aus diesem Grund eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Grundverordnung vorzunehmen sei.
76 Zwar ist dem 366. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu entnehmen, dass die Kommission das Bestehen einer gemeinsamen Kontrolle einräumt, da Sinopec Central-China, Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia „sämtlich von der Sinopec Group kontrolliert werden“, doch enthält diese Verordnung keinen Erwägungsgrund, in dem der indirekte Charakter der Kontrolle und seine potenziellen Auswirkungen auf den von der Kommission nach der oben in den Rn. 65 bis 67 angeführten Rechtsprechung zu erbringenden Nachweis untersucht werden.
77 Die Kommission stellte im 366. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung außerdem fest, dass „das Bestehen einer gemeinsamen Kontrolle eine erforderliche Voraussetzung für das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit und Anlass zur Prüfung der Frage ist, ob die Gesamtheit der maßgeblichen Sachverhalte bezüglich des verbundenen Händlers das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit beweist“ und „[d]ies … dem Zweck [dient], festzustellen, ob die vom verbundenen Händler erfüllten Aufgaben denen einer internen Verkaufsabteilung ähnlich sind oder nicht“.
78 Diesem Ansatz der Kommission in der angefochtenen Verordnung ist zuzustimmen, da er im Einklang mit der Rechtsprechung steht, der zufolge die Kapitalstruktur von Unternehmen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden können, ein maßgebliches Indiz für das Vorliegen einer solchen Einheit ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2009, Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP/Rat, T‑249/06, EU:T:2009:62, Rn. 179).
79 Ausgehend von dieser Feststellung ist daher zu prüfen, ob die Kommission ausreichende übereinstimmende Anhaltspunkte dafür geliefert hat, dass trotz des Bestehens einer gemeinsamen Kontrolle nicht davon ausgegangen werden konnte, dass Sinopec Central-China als interne Verkaufsabteilung handelte, und es deshalb erforderlich war, die erste beanstandete Berichtigung vorzunehmen.
– Zu den von der Kommission zusammengetragenen Anhaltspunkten
80 Die Kommission stützt ihre Entscheidung auf die folgenden Anhaltspunkte:
– Sinopec Central-China habe Abnehmer gesucht und Kontakt zu ihnen hergestellt;
– Sinopec Chongqing habe direkte Ausfuhrverkäufe durchgeführt;
– Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia hätten Direktverkäufe in China getätigt;
– Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia hätten Vertriebskosten getragen;
– Sinopec Central-China habe auch mit Waren anderer Hersteller als Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia gehandelt.
81 Es ist zu prüfen, ob aufgrund der genannten Anhaltspunkte festgestellt werden kann, dass die Kommission den ihr obliegenden Beweis erbracht hat.
82 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der erste oben in Rn. 80 genannte Umstand, wonach Sinopec Central-China Abnehmer gesucht und Kontakt zu ihnen hergestellt habe, in der endgültigen Unterrichtung aufgeführt war. In ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung bestritten die Klägerinnen die Relevanz des ersten Umstands und machten geltend, bei der Suche nach Abnehmern und der Herstellung des Kontakts zu ihnen handle es sich um Tätigkeiten, die sowohl von einem unabhängigen Händler als auch von einer internen Verkaufsabteilung ausgeübt würden. Im 358. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung erwähnt die Kommission diesen Umstand, ohne jedoch auf die Argumente der Klägerinnen einzugehen.
83 Vor dem Gericht hat die Kommission lediglich vorgetragen, dass der erste Umstand relevant sei, auch wenn die Suche nach Abnehmern und die Herstellung des Kontakts zu ihnen Tätigkeiten seien, die sowohl von einer internen Verkaufsabteilung als auch von einem Verkaufsagenten ausgeübt werden könnten.
84 Die Klägerinnen machen insoweit zu Recht geltend, der Umstand, dass sich ein Gebilde der Suche nach Abnehmern und der Herstellung des Kontakts zu ihnen widme, habe keine Relevanz für die Frage, ob es sich bei dem Gebilde um eine interne Verkaufsabteilung oder einen Verkaufsagenten handle.
85 Was den zweiten oben in Rn. 80 genannten Umstand betrifft, wonach Sinopec Chongqing direkte Ausfuhrverkäufe durchgeführt habe, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass, je höher der Anteil dieser Direktverkäufe ist, sich umso schwerer vertreten lässt, dass der verbundene Händler die Funktionen einer internen Verkaufsabteilung ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 1992, Matsushita Electric/Rat, C‑175/87, EU:C:1992:109, Rn. 14, und vom 25. Juni 2015, PT Musim Mas/Rat, T‑26/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:437, Rn. 69). Dagegen kann eine wirtschaftliche Einheit vorliegen, wenn der Hersteller einen Teil der Vertriebsaufgaben übernimmt, die ergänzend zu den von der Gesellschaft für den Vertrieb seiner Waren wahrgenommenen Aufgaben hinzutreten (vgl. Urteil vom 10. März 2009, Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP/Rat, T‑249/06, EU:T:2009:62, Rn. 179 und die dort angeführte Rechtsprechung).
86 Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen geltend, dass die unmittelbar von Sinopec Chongqing ohne Beteiligung von Sinopec Central-China getätigten Ausfuhrverkäufe die von Sinopec Central-China durchgeführten Ausfuhrverkäufe lediglich ergänzten und nicht die PVA-Verkäufe an in der Union ansässige Abnehmer beträfen, sondern die für Abnehmer mit Sitz in den Vereinigten Staaten bestimmten PVA-Verkäufe, was im Antidumpingzollsystem der Vereinigten Staaten begründet liege, das einen Zollsatz von null nur für Direktverkäufe zulasse. Die Menge an PVA, die auf diese Direktverkäufe zur Ausfuhr in die Vereinigten Staaten entfalle, betrage nur 10,9 % der kumulierten Ausfuhren in die Union und die Vereinigten Staaten und sei daher zu unbedeutend, als dass aus dem Vorliegen dieser Direktverkäufe gefolgert werden könne, dass keine wirtschaftliche Einheit bestehe.
87 Die Kommission macht geltend, der Umstand, dass Sinopec Chongqing in einem erheblichen Umfang Direktverkäufe in die Vereinigten Staaten getätigt habe, die 12,1 % ihrer Verkäufe in die Union entsprächen, belege, dass Sinopec Chongqing über eine eigene interne Verkaufsabteilung verfüge. Der Grund, aus dem Sinopec Chongqing diese Verkäufe selbst getätigt habe, sei für die Beurteilung ihrer Wirtschaftsbeziehung zu Sinopec Central-China „nicht unbedingt entscheidend“. Ebenso unerheblich sei es, dass alle Ausfuhrverkäufe in die Union von Sinopec Central-China getätigt worden seien.
88 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 185 des Urteils vom 10. März 2009, Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP/Rat (T‑249/06, EU:T:2009:62), seine Feststellung, dass eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. i der Verordnung Nr. 384/96 zu Unrecht vorgenommen wurde, u. a. darauf gestützt hat, dass die direkten Ausfuhrverkäufe einer der Klägerinnen in der dem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache unbedeutend waren und ergänzend zu den Verkäufen der mit diesen Unternehmen verbundenen Vertriebsgesellschaft hinzutraten. Berücksichtigt hat das Gericht insoweit zum einen, dass diese Direktverkäufe in einer Übergangsphase in die neuen Mitgliedstaaten erfolgten, und zum anderen, dass sie 8 % der Verkäufe dieser Unternehmen in die Union ausmachten.
89 Als Zweites hat das Gericht in den Rn. 69 und 70 des Urteils vom 25. Juni 2015, PT Musim Mas/Rat (T‑26/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:437), festgestellt, dass sich anhand des Vorliegens direkter Ausfuhrverkäufe in einem Umfang von 27,08 % der gesamten Ausfuhrverkäufe zwar nicht ausschließen ließ, dass der mit den betreffenden Herstellern verbundene Händler die Funktionen einer internen Verkaufsabteilung ausgeübt hatte, dies jedoch einen Anhaltspunkt darstellte, der andere Faktoren untermauerte und somit dazu beitrug, nachzuweisen, dass keine wirtschaftliche Einheit vorlag.
90 Im vorliegenden Fall steht fest, dass Sinopec Chongqing Direktverkäufe zur Ausfuhr in die Vereinigten Staaten in einem Umfang von 10,9 % ihrer kumulierten Verkäufe in die Union und die Vereinigten Staaten durchführte, was einem Anteil von 12,1 % ihrer Verkäufe in die Union entspricht, wenn die Direktverkäufe in die Vereinigten Staaten nur als Prozentsatz der Verkäufe in die Union ausgedrückt werden und nicht als Prozentsatz der kumulierten Verkäufe in die Union und die Vereinigten Staaten. Zudem haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung, ohne dass die Kommission dem widersprochen hat, vorgetragen, dass sie ihre PVA auch in andere Länder ausführten und diese Ausfuhrverkäufe von Sinopec Central-China durchgeführt würden. Somit wäre, wenn alle Ausfuhrverkäufe berücksichtigt würden, der Anteil der von Sinopec Chongqing getätigten Direktverkäufe an der Gesamtmenge der von Sinopec Chongqing hergestellten und zur Ausfuhr verkauften PVA noch unbedeutender.
91 Daher ist erstens festzustellen, dass die Kommission zu Unrecht geltend macht, der prozentuale Anteil, der auf die von Sinopec Chongqing durchgeführten direkten Ausfuhrverkäufe von PVA entfalle, sei „offensichtlich erheblich“, da er den Wert von 8 % überschreite, der in Rn. 185 des Urteils vom 10. März 2009, Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP/Rat (T‑249/06, EU:T:2009:62), als unbedeutend angesehen worden sei. Wie nämlich oben in Rn. 88 dargelegt, hat das Gericht in jenem Urteil geprüft, wie hoch der prozentuale Anteil des Volumens der von den betreffenden ausführenden Herstellern getätigten Direktverkäufe zur Ausfuhr in die Union am Gesamtvolumen ihrer Ausfuhrverkäufe in die Union war. Im vorliegenden Fall liegt der prozentuale Anteil der von Sinopec Chongqing zur Ausfuhr in die Union getätigten Direktverkäufe jedoch bei null, da Sinopec Central-China für alle zur Ausfuhr in die Union bestimmten Verkäufe der von Sinopec Chongqing hergestellten PVA zuständig ist.
92 Zweitens erreicht das Volumen der direkten PVA-Ausfuhrverkäufe von Sinopec Chongqing unabhängig vom Gesamtverkaufsvolumen, anhand dessen der prozentuale Anteil berechnet wird (siehe oben, Rn. 90), keinen auf dieses Gesamtvolumen bezogenen Prozentsatz, der sich dem Wert von 27,08 % annähert, zu dem das Gericht in den Rn. 69 und 70 des Urteils vom 25. Juni 2015, PT Musim Mas/Rat (T‑26/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:437), in jenem Fall festgestellt hat, dass es sich um einen Anhaltspunkt handle, der dazu beitragen könne, nachzuweisen, dass keine wirtschaftliche Einheit vorliege (siehe oben, Rn. 89).
93 Ferner hat das Gericht in Rn. 68 des Urteils vom 25. Juni 2015, PT Musim Mas/Rat (T‑26/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:437), außerdem darauf hingewiesen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass ein verbundenes Unternehmen innerhalb einer solchen Einheit die Aufgaben einer internen Verkaufsabteilung wahrnimmt, indem es die Verkäufe des Herstellers organisiert und aushandelt, ohne jedoch alle mit diesen Verkäufen verbundenen Rechnungen direkt auszustellen, wobei es verschiedene Gründe dafür geben kann, dass der Hersteller auf dem Papier in Erscheinung tritt. Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen jedoch, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, dargelegt, dass für Sinopec Chongqing in den Vereinigten Staaten ein Antidumpingzollsatz von null gelte. Zudem hat Wegochem in der mündlichen Verhandlung, ebenfalls unwidersprochen von der Kommission, erklärt, dass die Gruppe, zu der sie gehöre, PVA-Produkte der Klägerinnen sowohl in die Union als auch in die Vereinigten Staaten einführe und die Gruppe in beiden Fällen mit Sinopec Central-China verhandle, obwohl die Rechnungen über die Einfuhren in die Vereinigten Staaten aus dem genannten Grund von Sinopec Chongqing ausgestellt würden.
94 Nach alledem ist der zweite Umstand kein stichhaltiger Anhaltspunkt dafür, dass Sinopec Central-China nicht als interne Verkaufsabteilung eingestuft werden kann.
95 Zum dritten oben in Rn. 80 genannten Umstand, wonach Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia Direktverkäufe auf dem chinesischen Markt getätigt hätten, machen die Klägerinnen geltend, diese Direktverkäufe stünden der Einstufung von Sinopec Central-China als für die Ausfuhrverkäufe verantwortliche interne Verkaufsabteilung nicht entgegen. Die Klägerinnen hätten nämlich zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass Sinopec Central-China als interne Verkaufsabteilung sowohl für die Verkäufe auf dem chinesischen Markt als auch für die Ausfuhrverkäufe zuständig gewesen sei. Sie hätten lediglich geltend gemacht, dass Sinopec Central-China mit den Ausfuhrverkäufen beauftragt worden sei. Die Art und Weise, wie ein Hersteller seine Erzeugnisse auf seinem Inlandsmarkt verkaufe, sei für die Feststellung, ob eine wirtschaftliche Einheit in Bezug auf die Ausfuhrverkäufe vorliege, nicht maßgeblich.
96 Nach Auffassung der Kommission trägt die Tatsache, dass Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia erhebliche Verkäufe auf dem chinesischen Markt getätigt hätten, zum Nachweis dafür bei, dass sie über interne Verkaufsabteilungen verfügt hätten, die auch für ihre Ausfuhrmärkte hätten eingesetzt werden können, und Sinopec Central-China als eigenständige Handelsgesellschaft aufgetreten sei.
97 Das Vorliegen von PVA-Direktverkäufen durch Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia auf dem chinesischen Markt vermag zu belegen, dass diese Unternehmen die Struktur besaßen, die notwendig war, um ihre Waren verkaufen zu können, ohne auf die Dienste von Sinopec Central-China oder anderer, möglicherweise nicht verbundener Unternehmen zurückzugreifen.
98 Wie die Klägerinnen jedoch zu Recht geltend machen, können nach der Rechtsprechung bei den Ausfuhrverkäufen und den Verkäufen auf dem Inlandsmarkt eines ausführenden Herstellers verschiedene – verbundene oder nicht verbundene – Unternehmen oder interne Verkaufsabteilungen eingebunden sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 1992, Minolta Camera/Rat, C‑178/87, EU:C:1992:112, Rn. 2, 9 und 13, und Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in den verbundenen Rechtssachen Rat und Kommission/Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP, C‑191/09 P und C‑200/09 P, EU:C:2011:245, Nrn. 65 und 66).
99 Folglich ist der dritte Umstand kein stichhaltiger Anhaltspunkt dafür, dass Sinopec Central-China nicht als interne Verkaufsabteilung anerkannt werden kann.
100 Was den vierten oben in Rn. 80 genannten Umstand betrifft, wonach Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia die Vertriebskosten getragen hätten, erklären die Klägerinnen, dass die diesen Unternehmen entstandenen Vertriebskosten nur für die Verkäufe auf dem chinesischen Markt und in Bezug auf Sinopec Chongqing für die in den Vereinigten Staaten getätigten Verkäufe übernommen worden seien.
101 Die Kommission macht zum vierten Umstand geltend, die Tatsache, dass Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia Vertriebskosten getragen hätten, die bei Sinopec Ningxia höher gewesen seien als die von Sinopec Central-China, sei ein zusätzlicher Beweis für die Eigenständigkeit von Sinopec Central-China.
102 Es ist unstreitig, dass Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia nur für die Verkäufe auf dem chinesischen Inlandsmarkt sowie, was Sinopec Chongqing betrifft, für die Direktverkäufe zur Ausfuhr in die Vereinigten Staaten Kosten entstanden sind. Folglich kann der vierte Umstand nichts an der vom Gericht vorgenommenen Beurteilung des zweiten und dritten Umstands ändern.
103 Was den oben in Rn. 80 genannten fünften Umstand betrifft, wonach Sinopec Central-China auch mit Waren anderer Hersteller als Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia handle, machen die Klägerinnen geltend, dass die von Sinopec Central-China getätigten Ankäufe der PVA-Produkte von Drittherstellern nur 2 % ihrer PVA-Ankäufe bei Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia ausmachten. Nur wenn ein verbundener Händler einen großen Teil seines Umsatzes durch den Verkauf von Waren dritter Unternehmen erziele, seien seine Funktionen nicht mit denen einer internen Verkaufsabteilung vergleichbar. Außerdem habe Sinopec Central-China die von Dritten hergestellten PVA nur auf dem chinesischen Markt verkauft.
104 Wegochem fügt hinzu, die bloße Tatsache, dass Sinopec Central-China auch bestimmte Waren anderer Hersteller vertrieben habe, sei kein Nachweis dafür, dass das Unternehmen als unabhängiger Händler tätig gewesen sei. Es habe insoweit der Kommission oblegen, nachzuweisen, dass diese Verkaufstätigkeiten so bedeutend gewesen seien, dass Sinopec Central-China unabhängig von der mit ihr verbundenen Gruppe habe agieren können. Nach Auffassung von Wegochem hätte die Kommission die Bedeutung der von Sinopec Central-China getätigten Verkäufe von PVA dritter Unternehmen im Verhältnis zu ihrem Umsatz beurteilen müssen. Die Kommission habe jedoch keine solche Beurteilung vorgenommen.
105 Die Kommission entgegnet, sie habe zwar die Bedeutung des Verkaufs jedweder Produkte, die Sinopec Central-China bei anderen Unternehmen als Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia gekauft habe, nicht im Rahmen des Gesamtumsatzes von Sinopec Central-China beurteilt, doch habe sie festgestellt, dass die von Sinopec Central-China getätigten Verkäufe der PVA von Drittherstellern 10 % der gesamten PVA-Verkäufe von Sinopec Central-China in der Union ausmachten und daher nicht zu vernachlässigen seien.
106 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Anteil der Waren nicht verbundener Hersteller an den Verkäufen des mit einem Hersteller verbundenen Händlers ein wichtiger Faktor ist, um zu bestimmen, ob dieser Händler mit dem verbundenen Hersteller eine wirtschaftliche Einheit bildet. Wenn somit der Händler einen großen Teil seines Umsatzes durch den Verkauf von aus nicht verbundenen Unternehmen stammenden Waren erzielt, könnte dieser Umstand ein Hinweis darauf sein, dass die Funktionen dieses Händlers nicht die einer internen Vertriebsabteilung sind (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, Interpipe Niko Tube und Interpipe Nizhnedneprovsky Tube Rolling Plant/Kommission, T‑716/19, EU:T:2021:457, Rn. 159 und die dort angeführte Rechtsprechung).
107 Die Rechtsprechung stellt ferner klar, dass, um zu bestimmen, ob eine wirtschaftliche Einheit besteht, die Unionsorgane die Tätigkeiten des verbundenen Händlers bezüglich anderer Waren als der von der Antidumpinguntersuchung betroffenen Ware sowie den Anteil der Waren nicht verbundener Hersteller an seinen Verkäufen berücksichtigen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2016, PT Musim Mas/Rat, C‑468/15 P, EU:C:2016:803, Rn. 44 bis 46 und 49).
108 Im vorliegenden Fall räumt die Kommission ein (siehe oben, Rn. 105), dass sie die von der erwähnten Rechtsprechung vorgesehene Prüfung nicht durchgeführt hat. Folglich kann sie sich im vorliegenden Fall nicht auf den fünften Umstand als maßgebliches Indiz für das Nichtvorliegen einer wirtschaftlichen Einheit berufen.
109 Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Kommission darauf beschränken durfte, den von Sinopec Central-China mit den PVA-Verkäufen erzielten Umsatz zu prüfen, bestreitet die Kommission jedenfalls nicht, dass, wie die Klägerinnen bereits in ihrer Stellungnahme zur zusätzlichen endgültigen Unterrichtung geltend gemacht hatten, die Ankäufe der PVA von Drittherstellern durch Sinopec Central-China nur 2 % ihrer PVA-Ankäufe bei Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia ausmachen. Somit wurde der Umsatz, den Sinopec Central-China mit ihren PVA-Verkäufen erzielte, aus den PVA generiert, die sie fast ausschließlich von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia gekauft hatte.
110 Was das Vorbringen der Kommission betrifft, der Anteil der von Sinopec Central-China bei Drittherstellern getätigten PVA-Ankäufe betrage 10 % des Gesamtvolumens der von ihr im Untersuchungszeitraum in die Union ausgeführten PVA, legt die Kommission nicht dar, inwiefern diese Angabe zum Nachweis dafür beitragen soll, dass Sinopec Central-China nicht als interne Verkaufsabteilung handelte. In Zweifel gezogen wird die Relevanz dieser Angabe durch den in der Stellungnahme der Klägerinnen zur zusätzlichen endgültigen Unterrichtung und der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen und von der Kommission nicht bestrittenen Umstand, dass die von Sinopec Central-China von Drittherstellern gekauften PVA nicht in die Union ausgeführt, sondern in China an ein verbundenes Unternehmen verkauft wurden.
111 Folglich ist der fünfte Umstand für den Nachweis, dass Sinopec Central-China ähnliche Funktionen ausübte wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter, völlig irrelevant.
112 Angesichts der vorstehenden Erwägungen zum ersten bis fünften Umstand ist offensichtlich, dass der zweite und der dritte Umstand nicht ausreichen, um ein Bündel übereinstimmender Anhaltspunkte zu liefern, die belegen, dass die Funktionen von Sinopec Central-China mit denen eines auf Provisionsgrundlage tätigen Vertreters vergleichbar sind, oder ihrer Anerkennung als interner Verkaufsabteilung entgegenstehen. Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht den Nachweis erbracht, der ihr nach der oben in den Rn. 65 bis 67 angeführten Rechtsprechung oblag, so dass sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass Sinopec Central-China ähnliche Funktionen ausübe wie ein auf Provisionsgrundlage tätiger Vertreter.
113 Folglich ist dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes stattzugeben.
Zum zweiten Teil
114 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Verordnung gegen die im einleitenden Teil von Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung ausdrücklich vorgesehene Verpflichtung verstoßen, einen gerechten Vergleich des Ausfuhrpreises und des Normalwerts auf derselben Handelsstufe vorzunehmen.
115 Um auf die einer Transaktion „ab Werk“ entsprechende Stufe zu gelangen, habe die Kommission Berichtigungen vorgenommen, die darin bestanden hätten, dass sie die streitigen Kosten von dem den unabhängigen Kunden in Rechnung gestellten Verkaufspreis abgezogen habe (siehe oben, Rn. 11).
116 Dagegen sei keine entsprechende Berichtigung des von der Kommission gemäß Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung rechnerisch ermittelten Normalwerts vorgenommen worden, bei dem davon ausgegangen worden sei, dass er einer Transaktion „ab Werk“ entspreche, ohne dass Berichtigungen vorgenommen werden müssten. Der Normalwert entspreche jedoch den Produktionskosten, die anhand der Produktionsfaktoren der Klägerinnen, multipliziert mit den unverzerrten Werten für das ausgewählte repräsentative Land, d. h. die Türkei, berechnet würden, zuzüglich 17,6 % für VVG-Kosten. Der Aufschlag für VVG-Kosten sei auf der Grundlage von Informationen festgelegt worden, die die Kommission zu einem türkischen Hersteller, Ilkalem Ticaret Ve Sanayi A. S. (im Folgenden: Ilkalem), erhalten habe und denen der Umfang der VVG-Kosten nicht zu entnehmen sei. Diese beinhalteten normalerweise die streitigen Kosten.
117 Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten die Kommission in ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung darauf aufmerksam gemacht, dass der Vergleich zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert höchstwahrscheinlich nicht gerecht sei, da die VVG-Kosten, die Bestandteil des von der Kommission zugrunde gelegten Normalwerts gewesen seien, von vornherein die streitigen Kosten enthalten hätten.
118 Die Kommission könne nicht davon ausgehen, dass ein Normalwert, der nach Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung rechnerisch ermittelt werde, unter allen Umständen einer Transaktion „ab Werk“ entspreche.
119 Wegochem unterstützt das Vorbringen der Klägerinnen und weist darauf hin, dass im Rahmen der Anwendung von Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung zwar die Partei, die eine Berichtigung in Anspruch nehmen wolle, die Beweislast für das Vorliegen der insoweit erforderlichen Voraussetzungen trage, die Kommission ihr jedoch mitteilen müsse, welche Informationen benötigt würden, und ihr keine unangemessene Beweislast auferlegen dürfe.
120 In ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung hätten die Klägerinnen die Anwendung von Berichtigungen des Normalwerts beantragt, um einen gerechten Vergleich zu gewährleisten, diesen Antrag hinreichend begründet und der Tatsache Rechnung getragen, dass der Normalwert gemäß Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung rechnerisch ermittelt worden sei und die von der Kommission verwendeten Daten zu den VVG-Kosten somit nicht von ihnen gestammt hätten, sondern von der Datenbank Orbis, die von der Kommission ausgewählt worden sei und nur einen Gesamtwert für diese Kosten ohne Kostenaufschlüsselung geliefert habe. Die Kommission könne von den Klägerinnen nicht verlangen, dass sie Daten in Bezug auf ein drittes Unternehmen vorlegten, die detaillierter seien als diejenigen, die der Kommission selbst vorlägen.
121 Jedenfalls sei allgemein bekannt, dass die VVG-Kosten in der Regel die streitigen Kosten beinhalteten, was durch den Benutzerleitfaden der Datenbank Orbis bestätigt werde.
122 Die Kommission entgegnet, dass die Partei, die eine Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung in Anspruch nehmen wolle, um einen gerechten Vergleich des Ausfuhrpreises mit dem Normalwert zu gewährleisten, die Beweislast dafür trage, dass die Berichtigung gerechtfertigt sei. Im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung hätten die Klägerinnen geltend gemacht, dass bestimmte Kosten nur vom Ausfuhrpreis und nicht vom Normalwert abgezogen worden seien, doch hätten sie ihren Berichtigungsantrag nicht substantiiert. Nach Ansicht der Kommission versuchen die Klägerinnen mit der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den einleitenden Teil der genannten Bestimmung die ihnen obliegende Beweislast zu umgehen.
123 Darüber hinaus macht die Kommission geltend, die Klägerinnen hätten ihren Berichtigungsantrag weiter untermauern müssen, auch wenn im vorliegenden Fall der Normalwert gemäß Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung rechnerisch ermittelt worden sei.
124 Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 10 Sätze 1 bis 5 der Grundverordnung ist oben in Rn. 59 wiedergegeben worden.
125 Im vorliegenden Fall beschloss die Kommission, den Ausfuhrpreis auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 10 Buchst. e, g und k der Grundverordnung nach unten zu berichtigen, indem sie die streitigen Kosten abzog, um im Einklang mit ihrer Praxis auf die einer Transaktion „ab Werk“ entsprechende Stufe zu gelangen, wie den Erwägungsgründen 313, 314 und 357 der angefochtenen Verordnung und Ausführungen der Kommission auf schriftliche Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist.
126 Berichtigungen, die dazu dienen, für den Ausfuhrpreis die Stufe „ab Werk“ zu erreichen, um zu gewährleisten, dass im Einklang mit Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung „[z]wischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert … ein gerechter Vergleich durchgeführt“ wird, sind nur dann erforderlich, wenn der Normalwert ebenfalls auf der Stufe „ab Werk“ berechnet wird.
127 Somit hatte nach der oben in Rn. 65 angeführten Rechtsprechung die Kommission, die sich dafür entschieden hatte, den fraglichen Vergleich auf der Stufe „ab Werk“ vorzunehmen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Berichtigungen für einen gerechten Vergleich des Ausfuhrpreises mit dem Normalwert erforderlich waren.
128 Selbst wenn man davon ausgeht, dass den Klägerinnen die Beweislast oblag, ist jedenfalls festzustellen, dass sie in ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung geltend machten, dass die Kommission die streitigen Kosten nicht beim Ausfuhrpreis berücksichtigt habe, während der Normalwert unter Einbeziehung der VVG-Kosten, die höchstwahrscheinlich die streitigen Kosten umfasst hätten, rechnerisch ermittelt worden sei, weshalb der Vergleich nicht gerecht sein könne. Die Klägerinnen schlugen der Kommission vor, entweder die streitigen Kosten nicht vom Ausfuhrpreis abzuziehen oder auf der Grundlage der von Sinopec Chongqing bereitgestellten Daten Abwärtsberichtigungen des rechnerisch ermittelten Normalwerts vorzunehmen. Somit haben die Klägerinnen, wie Wegochem zu Recht hervorhebt, im Wesentlichen beantragt, dass die Kommission Berichtigungen vornimmt, um zu gewährleisten, dass der Vergleich des Ausfuhrpreises mit dem Normalwert unter gerechten Bedingungen vorgenommen wird, und ihren Antrag ordnungsgemäß begründet.
129 Zwar sieht nach der Rechtsprechung Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung im Gegensatz zu Art. 2.4 des Antidumping-Übereinkommens nicht vor, dass „[d]ie Behörden … die betroffenen Parteien davon in Kenntnis [setzen], welche Informationen für einen fairen Vergleich erforderlich sind, und … diesen Parteien keine unangemessene Beweislast auf[legen]“. Die Anforderungen, die sich aus dem zuletzt genannten Artikel ergeben, sind jedoch, soweit sie das Recht der Parteien eines Verwaltungsverfahrens, die notwendigen Informationen zu erhalten, um in Kenntnis der Sachlage an dem Verfahren teilnehmen zu können, und die Schwere der von ihnen zu tragenden Beweislast betreffen, Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung, der auch in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Folglich sind die Unionsorgane verpflichtet, der Partei, die die Anwendung einer Berichtigung beantragt, mitzuteilen, welche Informationen dafür benötigt werden, und ihr keine unzumutbare Beweislast aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Huvis/Rat, T‑221/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:258, Rn. 77 und 78; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteile vom 10. Oktober 2012, Ningbo Yonghong Fasteners/Rat, T‑150/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:529, Rn. 124, und vom 11. September 2014, Gold East Paper und Gold Huasheng Paper/Rat, T‑443/11, EU:T:2014:774, Rn. 166).
130 Im vorliegenden Fall sind die oben in Rn. 128 wiedergegebenen Stellungnahmen der Klägerinnen Gegenstand der Erwägungsgründe 313 und 314 der angefochtenen Verordnung, die wie folgt lauten:
„(313) In ihren Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung beanstandeten drei in die Stichprobe einbezogene ausführende Hersteller, dass die Kommission bestimmte Frachtkosten vom Ausfuhrpreis ausgeschlossen habe, während diese Kosten (zusammen mit Bearbeitungskosten usw. sowie Finanzaufwendungen wie Bankgebühren) nicht aus den VVG-Kosten des Herstellers im repräsentativen Land ausgeschlossen worden seien.
(314) Die Kommission teilte diese Ansicht nicht. Die Kommission merkte an, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Kosten dieser Art in den für den Hersteller im repräsentativen Land gemeldeten VVG-Kosten eingeschlossen waren. Darüber hinaus legten die in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller keinen Beweis des Gegenteils vor. Dieses Vorbringen wurde daher zurückgewiesen.“
131 Soweit die Kommission den Normalwert gemäß Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung rechnerisch ermittelte, stammten die von ihr dafür verwendeten Daten in Bezug auf die VVG-Kosten nicht von den Klägerinnen, sondern von Ilkalem, die von der Kommission ausgewählt worden war. Die Kommission räumt in diesem Zusammenhang ein, dass für die von ihr verwendeten und aus der Orbis-Datenbank stammenden VVG-Kosten ohne Weiteres keine zusätzliche Aufschlüsselung verfügbar gewesen sei und sie deshalb den Klägerinnen die in dieser Datenbank enthaltenen Informationen zu Ilkalem übermittelt habe.
132 Wie Wegochem jedoch zu Recht geltend macht, enthalten die von der Kommission verwendeten Daten eine Zeile für „other operating expenses“ (sonstige betriebliche Aufwendungen). Im Benutzerleitfaden der Datenbank Orbis findet sich für „other operating expenses“ die folgende Erläuterung: „All costs not directly related to the production of goods sold such as commercial costs, administrative expenses, etc. + depreciation of those costs“ (alle Kosten, die nicht unmittelbar mit der Herstellung der verkauften Waren verbunden sind, wie z. B. Vertriebskosten, Verwaltungskosten usw. + Abschreibungen dieser Kosten). Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission eingeräumt, dass sie nicht wisse, ob die streitigen Kosten in den „other operating expenses“ enthalten seien. Somit lässt sich anhand der vorstehenden Definition nicht ausschließen, dass die „other operating expenses“ die streitigen Kosten beinhalten.
133 Außerdem wurden, wie Wegochem ebenfalls hervorhebt, in dem Fragebogen, den die Kommission den ausführenden Herstellern im Rahmen der zum Erlass der angefochtenen Verordnung führenden Untersuchung übermittelte, die Kosten, die den streitigen Kosten entsprachen, in die VVG-Kosten einbezogen.
134 Somit konnte die Kommission, die selbst nicht über eine genauere Aufschlüsselung der VVG-Kosten von Ilkalem verfügte, von den Klägerinnen vernünftigerweise nicht verlangen, dass sie, als sie in ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung in Frage stellten, dass der Vergleich zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert gerecht durchgeführt worden sei, ihr Anliegen weiter untermauerten und Daten zu einem dritten Unternehmen vorlegten, die genauer waren als die der Kommission vorliegenden Daten.
135 Daher ist festzustellen, dass die Kommission im 314. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung von den Klägerinnen die Erbringung eines unzumutbaren Beweises verlangte.
136 Dieses Ergebnis wird nicht durch die jüngste Rechtsprechung des Gerichtshofs in Frage gestellt, wonach der bloße Umstand, dass der Normalwert anhand von Daten ermittelt wird, die nicht von den betroffenen ausführenden Herstellern stammen, nicht zu einer Abschwächung der Beweislastregel führt, die sich aus Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung und der maßgeblichen Rechtsprechung ergibt (siehe oben, Rn. 65 bis 67). Denn nach dieser Rechtsprechung gilt die Regel, wonach eine Partei, die wegen eines der in diesem Artikel genannten Faktoren eine Berichtigung beantragt, nachzuweisen hat, dass dieser Faktor geeignet ist, die Preise und damit ihre Vergleichbarkeit zu beeinflussen, unabhängig von der bei der Bestimmung des Normalwerts angewandten Methode (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Changmao Biochemical Engineering/Kommission, C‑666/19 P, EU:C:2022:323, Rn. 151).
137 Der Gerichtshof hat nämlich, bevor er festgestellt hat, dass die Kommission den betroffenen ausführenden Herstellern keine unangemessene Beweislast auferlegt hatte, hervorgehoben, dass nach den Angaben in der streitigen Verordnung die Kommission den betroffenen ausführenden Herstellern die maßgeblichen Daten übermittelt hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. April 2022, Changmao Biochemical Engineering/Kommission, C‑666/19 P, EU:C:2022:323, Rn. 152).
138 Im vorliegenden Fall hatte die Kommission den Klägerinnen jedoch nicht die Daten übermittelt, die es ihnen ermöglicht hätten, ihren Antrag, die streitigen Kosten entweder nicht vom Ausfuhrpreis abzuziehen oder aber vom Normalwert abzuziehen, weiter zu untermauern.
139 Nach alledem ist dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes stattzugeben.
Zum dritten Teil
140 Der dritte Teil des vorliegenden Klagegrundes besteht aus zwei Rügen. Zum einen beanstanden die Klägerinnen, unterstützt durch Wegochem, die Entscheidung der Kommission, den Normalwert auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 10 Buchst. b der Grundverordnung nach oben zu berichtigen (im Folgenden: zweite beanstandete Berichtigung), um der Differenz zwischen dem zu zahlenden Mehrwertsteuersatz und dem Erstattungssatz für die Mehrwertsteuer bei Ausfuhrverkäufen Rechnung zu tragen. Zum anderen machen sie geltend, die Kommission habe diese Berichtigung jedenfalls zu hoch angesetzt.
– Zur ersten Rüge
141 Die Klägerinnen tragen vor, dass für ihre Ausfuhrverkäufe zwar Vorsteuern erstattet worden seien, sie aber keine Ausgangssteuer hätten entrichten müssen, wie ihren Rechnungen zu entnehmen sei. Da der Normalwert anhand von Daten ermittelt worden sei, die ein Drittland beträfen, sei die chinesische Mehrwertsteuer per definitionem nicht berücksichtigt. Die Kommission habe keinen Beweis des Gegenteils erbracht. Es sei daher unerheblich, dass die chinesischen Mehrwertsteuerregelungen danach differenzierten, ob es sich um Verkäufe auf dem chinesischen Inlandsmarkt oder um Ausfuhrverkäufe handle. Die Kommission habe nicht dargelegt, weshalb die zweite beanstandete Berichtigung trotz der Ermittlung des Normalwerts anhand der genannten Daten notwendig gewesen sei.
142 Die Klägerinnen folgern daraus, dass die zweite beanstandete Berichtigung für die steuerliche Neutralität des Vergleichs zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert nicht erforderlich gewesen sei. Diese Posten seien nämlich bereits mit denselben indirekten Steuern belastet, da sie beide ohne Mehrwertsteuer angegeben würden.
143 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
144 In Art. 2 Abs. 10 Buchst. b der Grundverordnung heißt es:
„Einfuhrabgaben und indirekte Steuern
Eine Berichtigung des Normalwerts wird für alle Einfuhrabgaben oder indirekten Steuern vorgenommen, mit denen die gleichartige Ware oder die darin verarbeiteten Erzeugnisse belastet werden, wenn sie zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmt sind, und [die] nicht erhoben oder erstattet werden, wenn die Ware in die Union exportiert wird.“
145 In den Erwägungsgründen 387 und 388 der angefochtenen Verordnung legte die Kommission dar, weshalb sie es trotz der insbesondere von den Klägerinnen in ihrer Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung erhobenen Einwände für erforderlich hielt, im Interesse eines fairen Vergleichs zwischen dem Ausfuhrpreis und dem Normalwert die zweite beanstandete Berichtigung vorzunehmen.
146 In diesen Erwägungsgründen heißt es:
„(387) In ihren Stellungnahmen zur endgültigen Unterrichtung trugen drei in die Stichprobe einbezogene ausführende Hersteller und ein Hersteller / Verwender aus der Union vor, dass für nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer keine Berichtigung vorgenommen werden sollte. Diese interessierten Parteien führten insbesondere an, dass die Kommission die Notwendigkeit einer solchen Berichtigung, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Normalwert unter (teilweiser) Verwendung von Daten aus einem Drittland rechnerisch ermittelt werde, nicht erklärt habe. Dieselben interessierten Parteien brachten außerdem vor, dass die Kommission die Gründe, aus denen ohne Mehrwertsteuerberichtigung eine Differenz zwischen dem Ausfuhrpreis und dem rechnerisch ermittelten Normalwert entstehe, die sich auf die Vergleichbarkeit der Preise auswirke, nicht erläutert habe. Da der Normalpreis auf einer rechnerischen Ermittlung basiere, erfolge ihrer Ansicht nach keine Erstattung von Vorsteuern und daher sollte keine Berichtigung für Differenzen in der Mehrwertsteuererstattung vorgenommen werden.
(388) Die Kommission teilte diese Ansicht nicht. Sie nahm nach Artikel 2 Absatz 10 Buchstabe b der Grundverordnung zwischen den Ausfuhrverkäufen aus … China in die Union und dem Normalwert, bei dem indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer ausgenommen wurden, eine Berichtigung für die Differenz bei den indirekten Steuern vor. Die Kommission braucht nicht nachzuweisen, dass für den rechnerisch ermittelten Normalwert tatsächlich Mehrwertsteuer entsteht, die bei Verkäufen auf dem Inlandsmarkt in voller Höhe erstattet werden kann, da dies unerheblich ist. Der gemäß den Erläuterungen in den Erwägungsgründen 335 bis 347 und 295 rechnerisch ermittelte Normalwert enthielt keine Mehrwertsteuer, weil die unverzerrten Werte im repräsentativen Land für die Berechnung des [Normalwerts] im Ausfuhrland ohne die jeweilige Mehrwertsteuer verwendet werden. Hinsichtlich der mehrwertsteuerlichen Behandlung der Verkäufe auf dem Inlandsmarkt und bei der Ausfuhr beschränkt sich die tatsächliche Lage vollständig auf … China. Die Untersuchung ergab, dass den ausführenden Herstellern in … China während des Untersuchungszeitraums bei der Ausfuhr Mehrwertsteuerschulden von 13 % oder 16 % entstehen (13 % gelten von April bis Juni 2019 und 16 % gelten von Juli 2018 bis März 2019), während 5 %, 9 % oder 10 % erstattet werden (5 % gelten im Juli und August 2018, 9 % im September und Oktober 2018 und 10 % gelten von November 2018 bis Juni 2019). Die Kommission nahm daher im Sinne des Artikels 2 Absatz 10 Buchstabe b der Grundverordnung eine ordnungsgemäße Berichtigung des Normalwerts für die Differenz bei der indirekten Besteuerung, hier der teilweise erstatteten Mehrwertsteuer bei Ausfuhrverkäufen, vor. …“
147 Da die Kommission aus eigener Initiative die zweite beanstandete Berichtigung vornahm, musste sie nach der oben in den Rn. 65 bis 67 angeführten Rechtsprechung nachweisen, dass die Berichtigung erforderlich war.
148 Folglich ist zu prüfen, ob die Kommission die Notwendigkeit der zweiten beanstandeten Berichtigung hinreichend nachgewiesen hat.
149 Die Formulierung des 388. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung ist nicht leicht zu verstehen.
150 Nach der Rechtsprechung ist die Pflicht zur Begründung von Unionsrechtsakten im Sinne von Art. 296 Abs. 2 AEUV nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).
151 Zudem kann sich die Begründung, wenn es sich um eine Verordnung handelt, darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zu ihrem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen. Daher kann nicht verlangt werden, dass die Unionsorgane die mitunter sehr zahlreichen und weitverzweigten tatsächlichen Umstände im Einzelnen anführen, auf deren Grundlage die Verordnung ergangen ist, und noch weniger, dass sie diese Umstände mehr oder weniger vollständig würdigen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).
152 Folglich muss eine Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen die Argumentation der Kommission im Wesentlichen enthalten, braucht jedoch keine besondere Begründung für jedes der zahlreichen sachlichen Argumente der interessierten Parteien aufzuführen. Das Gericht kann insoweit zusätzliche Erläuterungen von der Kommission anfordern und sie im Rahmen seiner Prüfung berücksichtigen, sofern sie sich auf Gesichtspunkte stützen, die Teil der Akten der Kommission sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 92, 93, 95 und 96 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
153 Im vorliegenden Fall hat die Kommission als Anlagen F.6 und F.7 zum Schriftsatz mit ihren Antworten auf schriftliche Fragen des Gerichts zwei Dokumente vorgelegt, die jeweils als „Kontrollbericht“ bezeichnet werden und die sie den Klägerinnen nach zwei Besuchen in den Geschäftsräumen von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia übersandt hatte. Aus S. 12 der Anlage F.6 und S. 8 der Anlage F.7 geht hervor, dass ein chinesisches Ausfuhrunternehmen, das von einem anderen chinesischen Unternehmen die zur Ausfuhr bestimmten Waren erwirbt, Mehrwertsteuer entrichten muss und diese im Untersuchungszeitraum bei 16 % bzw. später 13 % lag. Bei der Ausfuhr kann für einen Teil dieser bereits entrichteten Mehrwertsteuer ein Antrag auf teilweise Erstattung gestellt werden, und zwar zu einem Satz, der in dem genannten Zeitraum zunächst 5 %, dann 9 % und schließlich 10 % betrug. Die Differenz zwischen der vor der Ausfuhr entrichteten Mehrwertsteuer und der Erstattung ist die nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer.
154 Die Klägerinnen haben außerdem in der mündlichen Verhandlung auf ihre Beanstandung des 388. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung hingewiesen, soweit die Kommission dort feststelle, dass die Mehrwertsteuer für Ausfuhren im Untersuchungszeitraum in China bei 13 % bzw. 16 % gelegen habe, obwohl diese Mehrwertsteuer für Inlandsverkäufe und nicht für Ausfuhrverkäufe gegolten habe. Die Klägerinnen haben auch eingeräumt, dass nur die Frage der nicht erstattungsfähigen Mehrwertsteuer relevant sei.
155 Im Licht der hierzu von der Kommission abgegebenen Erläuterungen, die den Klägerinnen zur Verfügung standen, ist der 388. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung so zu verstehen, dass die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, zum einen feststellte, dass der Ausfuhrpreis der Erzeugnisse der Klägerinnen einen Betrag enthalte, der der nicht erstattungsfähigen Mehrwertsteuer entspreche, während der Normalwert ohne Mehrwertsteuer ermittelt worden sei, und zum anderen, dass diese Umstände es rechtfertigten, den Normalwert nach oben zu berichtigen, um einen gerechten Vergleich zu gewährleisten.
156 Somit hat die Kommission nachgewiesen, dass die Vornahme der zweiten beanstandeten Berichtigung notwendig war.
157 Art. 2 Abs. 10 Buchst. b der Grundverordnung sieht jedoch nicht vor, dass der nach Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung ermittelte Normalwert des repräsentativen Landes berichtigt wird, um die nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer zu berücksichtigen, die sich auf den Ausfuhrpreis in dem Land auswirkt, aus dem die gedumpten Einfuhren stammen. Folglich hat die Kommission einen Rechtsfehler in Bezug auf die Rechtsgrundlage der zweiten beanstandeten Berichtigung begangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch die Aufhebung eines Unionsrechtsakts wegen einer unzutreffenden Rechtsgrundlage nicht gerechtfertigt, wenn dieser Fehler keinen entscheidenden Einfluss auf die vom Urheber des Rechtsakts vorgenommene Würdigung hatte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 18. Dezember 1997, Costantini/Kommission, T‑57/96, EU:T:1997:214, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. Juni 2015, Navarro/Kommission, T‑556/14 P, EU:T:2015:368, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz ist im vorliegenden Fall anzuwenden. Denn nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. k der Grundverordnung, in dem es heißt, dass „[e]ine Berichtigung … auch für Unterschiede bei anderen nicht unter den [in Artikel 2 Absatz 10] Buchstaben a bis j [der Grundverordnung] genannten Faktoren vorgenommen werden [kann], sofern die Auswirkung auf die Vergleichbarkeit der Preise im Sinne dieses Absatzes nachgewiesen werden kann; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Kunden aufgrund der Unterschiede bei diesen Faktoren auf dem Inlandsmarkt anhaltend unterschiedliche Preise zahlen“, war es der Kommission erlaubt, die zweite beanstandete Berichtigung vorzunehmen, um die Symmetrie zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis des betreffenden Erzeugnisses wiederherzustellen und einen gerechten Vergleich zwischen diesen beiden Werten zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. Mai 2021, China Chamber of Commerce for Import and Export of Machinery and Electronic Products u. a./Kommission, T‑254/18, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:278, Rn. 597).
158 Hierzu ist im Hinblick auf das von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung und von Wegochem in ihrem Streithilfeschriftsatz erhobene Vorbringen festzustellen, dass die zweite Voraussetzung von Art. 2 Abs. 10 Buchst. k der Grundverordnung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Während nämlich die nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer den Ausfuhrpreis erhöht, steht fest, dass der anhand von Daten eines Drittlands rechnerisch ermittelte Normalwert, der nach Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung den Preis der betreffenden Ware auf dem Inlandsmarkt des Ausfuhrlands ersetzt, keine Mehrwertsteuer enthält.
159 Nach alledem ist die erste Rüge des dritten Teils des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
– Zur zweiten Rüge
160 Die Klägerinnen machen geltend, selbst wenn man die Notwendigkeit einer Berichtigung nach Art. 2 Abs. 10 Buchst. b der Grundverordnung unterstelle, sei die Berichtigung in der angefochtenen Verordnung zu hoch angesetzt, da sie nicht berücksichtige, dass die Vorsteuer anhand des Werts von Rohstoffen berechnet werde, während die Erstattung bei der Ausfuhr anhand des Verkaufswerts berechnet werde. Zur Veranschaulichung ihrer Rüge berechnen sie in einem Zahlenbeispiel den Betrag der nicht erstattungsfähigen Mehrwertsteuer als Differenz zwischen dem Betrag, der sich aus der Anwendung des Vorsteuersatzes auf bestimmte, zur Ermittlung des Normalwerts verwendete Inputkosten ergibt, und dem Betrag, der sich aus der Anwendung des Mehrwertsteuererstattungssatzes auf den Ausfuhrpreis ergibt.
161 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
162 Es ist darauf hinzuweisen, dass die zweite beanstandete Berichtigung darin besteht, den auf der Grundlage türkischer Daten ohne Mehrwertsteuer ermittelten Normalwert um einen Prozentsatz zu erhöhen, der angesichts des Umstands, dass der Ausfuhrpreis einen Betrag in Höhe der nicht erstattungsfähigen Mehrwertsteuer enthält, einen gerechten Vergleich mit dem Ausfuhrpreis gewährleistet. Somit hat die Kommission entgegen dem, was die Klägerinnen offenbar geltend machen, weder den Vorsteuersatz auf bestimmte, zur Ermittlung des Normalwerts verwendete Inputkosten angewandt noch von dem so errechneten Wert einen Betrag abgezogen, der der Anwendung des Mehrwertsteuererstattungssatzes auf den Ausfuhrpreis entspricht. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen, das die hier zu prüfende Rüge stützen soll, nicht dem vorliegenden Sachverhalt entspricht und daher nicht belegen kann, dass die zweite beanstandete Berichtigung zu hoch angesetzt war.
163 Somit ist die zweite Rüge des dritten Teils des zweiten Klagegrundes und folglich dieser Teil insgesamt zurückzuweisen.
164 Nach alledem ist festzustellen, dass die ersten beiden Teile des zweiten Klagegrundes begründet sind, während der dritte Teil unbegründet ist.
Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 und 5 der Grundverordnung sowie Art. 6.8 und Anhang II des Antidumping-Übereinkommens
165 Die Klägerinnen weisen mit dem vorliegenden Klagegrund zunächst darauf hin, dass nicht in Frage gestellt werde, dass die Kommission berechtigt gewesen sei, den Normalwert von Sinopec Ningxia auf der Grundlage der verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 (siehe oben, Rn. 10) zu ermitteln, und erheben zwei Rügen. Sie machen zum einen geltend, die Kommission könne Daten, die sie durch eine erste Anwendung von Art. 18 erlangt habe, nicht als verfügbare Daten im Sinne von Art. 18 verwenden. Zum anderen werfen sie der Kommission vor, sie habe sie mit Strafmaßnahmen belegt und sich nicht auf die „besten verfügbaren Informationen“ in Anhang II (im Folgenden: beste verfügbare Informationen) gestützt, der den durch Art. 18 der Grundverordnung in Unionsrecht umgesetzten Art. 6.8 des Antidumping-Übereinkommens betreffe.
Zur ersten Rüge
166 Die Klägerinnen, unterstützt durch Wegochem, machen geltend, dass es sich bei den von der Kommission zur Berechnung des Normalwerts von Sinopec Ningxia herangezogenen verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 um Daten zu zwei anderen Gruppen chinesischer ausführender Hersteller handle, die wie sie zu der von der Kommission nach Art. 17 der Grundverordnung gebildeten Stichprobe gehörten (im Folgenden: andere ausführende Hersteller), auf die die Kommission ebenfalls Art. 18 der Grundverordnung angewandt habe. Nach Auffassung der Klägerinnen können jedoch, sobald die Kommission diese Bestimmung zur Berechnung des Normalwerts eines ausführenden Herstellers angewandt habe, die auf diese Weise ermittelten Daten keine verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 darstellen, anhand deren die Kommission den Normalwert eines anderen, in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Herstellers berechnen könne. Zur Stützung ihres Vorbringens berufen sich die Klägerinnen in entsprechender Anwendung auf Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung, aus dem sich, auch wenn er im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, ein allgemeiner Grundsatz ableiten lasse.
167 Die Kommission, unterstützt durch Kuraray und Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
168 Es ist auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Art. 18 („Mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit“) der Grundverordnung hinzuweisen, die wie folgt lauten:
„(1) Verweigert eine interessierte Partei den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder erteilt sie nicht innerhalb der durch diese Verordnung gesetzten Fristen die erforderlichen Auskünfte oder behindert sie erheblich die Untersuchung, so können vorläufige oder endgültige positive oder negative Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Fakten getroffen werden.
…
(5) Stützen sich die Feststellungen, einschließlich der Ermittlung des Normalwerts, auf Absatz 1, einschließlich der Angaben in dem Antrag, so werden sie, soweit möglich und unter gebührender Berücksichtigung der Fristen, für die Untersuchung anhand von Informationen aus anderen zugänglichen unabhängigen Quellen wie veröffentlichte Preislisten, amtliche Einfuhrstatistiken und Zollerklärungen oder anhand von Informationen geprüft, die von anderen interessierten Parteien während der Untersuchung vorgelegt wurden.
…
(6) Ist eine interessierte Partei nicht oder nur zum Teil zur Mitarbeit bereit und werden maßgebliche Informationen vorenthalten, so kann dies zu einem Untersuchungsergebnis führen, [das] für diese Partei weniger günstig ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.“
169 In der angefochtenen Verordnung stellte die Kommission fest, dass Sinopec Ningxia nicht alle Informationen vorgelegt habe, die für die Berechnung des Normalwerts ihrer Waren erforderlich seien. Sie wandte daher Art. 18 Abs. 1 der Grundverordnung an, um den Normalwert zu ermitteln. Die Kommission verwendete insoweit die Normalwerte der anderen ausführenden Hersteller, die sie zum Teil ebenfalls nach Art. 18 Abs. 1 der Grundverordnung ermittelt hatte.
170 Da sich die Klägerinnen in entsprechender Anwendung auf Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung berufen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung Folgendes vorsieht:
„Wenn die Kommission ihre Untersuchung gemäß Artikel 17 beschränkt hat, dürfen die Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Ausführern oder Herstellern, die sich gemäß Artikel 17 selbst gemeldet haben, aber nicht in die Untersuchung einbezogen wurden, die gewogene durchschnittliche Dumpingspanne nicht übersteigen, die für die in die Stichprobe einbezogenen Parteien ermittelt wurde, und zwar unabhängig davon, ob der Normalwert für diese Parteien auf der Grundlage des Artikels 2 Absätze 1 bis 6 oder auf der Grundlage des Artikels 2 Absatz 7 Buchstabe a ermittelt wurde.
Für die Zwecke dieses Absatzes lässt die Kommission Dumpingspannen, deren Höhe Null beträgt, geringfügig ist oder gemäß Artikel 18 ermittelt wurde, unberücksichtigt.“
171 Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung legt die Regeln fest, die für ausführende Hersteller gelten, die Teil der von der Kommission nach Art. 17 dieser Verordnung ausgewählten Stichprobe sein wollten, letztlich jedoch nicht in die Stichprobe einbezogen wurden. Somit dient Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung dem Schutz der ausführenden Hersteller, die nicht mit der Kommission kooperieren konnten; insbesondere soll er sie vor der fehlenden Kooperationsbereitschaft der in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller schützen. Die Situation der in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller unterscheidet sich jedoch so sehr von der Situation der von ihr ausgeschlossenen ausführenden Hersteller, dass keine Analogie möglich ist. Somit lässt sich aus den genannten Bestimmungen kein allgemeiner Grundsatz ableiten, der die Kommission daran hindert, die im Rahmen einer ersten Anwendung von Art. 18 erlangten Informationen als verfügbare Informationen im Sinne dieses Artikels zu verwenden.
172 Darüber hinaus macht Wegochem zu Unrecht geltend, dass das Vorbringen der Klägerinnen durch den Bericht des Berufungsgremiums in der Streitsache „Vereinigte Staaten – Antidumpingmaßnahmen betreffend bestimmte warmgewalzte Stahlerzeugnisse aus Japan“, angenommen vom DSB am 23. August 2001 (WT/DS 184/AB/R), gestützt werde. Nach Rn. 123 des Berichts soll nämlich mit Art. 9.4 des Antidumping-Übereinkommens, der wie Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung die Festsetzung von Antidumpingzöllen gegenüber den nicht in die Stichprobe der zuständigen Behörde einbezogenen ausführenden Herstellern betrifft, „verhindert werden, dass Herstellern, die während der Untersuchung nicht zur Mitarbeit aufgefordert wurden, dadurch ein Nachteil entsteht, dass die Informationen der untersuchten Ausführer lückenhaft oder unzureichend sind“. Der Bericht stützt keineswegs das Vorbringen der Klägerinnen, sondern bestätigt, dass diese Bestimmungen das oben in Rn. 171 genannte Ziel verfolgen.
173 Da die Klägerinnen Teil der von der Kommission im vorliegenden Fall ausgewählten Stichprobe waren, hatten sie die Möglichkeit, mit ihr zusammenzuarbeiten, um zu verhindern, dass sie den Normalwert von Sinopec Ningxia anhand der verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 berechnet. Unabhängig von den Gründen, aus denen sie der Kommission nicht alle angeforderten Daten bereitstellen konnten, lässt sich ihre Situation nicht mit der Situation von ausführenden Herstellern vergleichen, die von der Stichprobe ausgeschlossen sind.
174 Folglich ist die erste Rüge des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge
175 Die Klägerinnen, unterstützt durch Wegochem, weisen darauf hin, dass die Kommission in der angefochtenen Verordnung in Bezug auf Sinopec Ningxia den Normalwert für jeden von ihr verkauften Warentyp auf der Grundlage des höchsten, für denselben Warentyp in Bezug auf die anderen ausführenden Hersteller berechneten Normalwerts ermittelt habe, anstatt die überprüften Informationen zu Sinopec Chongqing zu verwenden. Die Unterschiede zwischen den Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia seien nicht relevant, wofür auch der Umstand spreche, dass sich das Herstellungsverfahren von Kuraray von demjenigen chinesischer ausführender Hersteller unterscheide. Somit habe die Kommission Daten verwendet, die nicht verlässlich seien, nicht die besten verfügbaren Informationen darstellten und nicht auf einer vergleichenden Bewertung beruhten. Sie habe die Klägerinnen insoweit mit Strafmaßnahmen belegt, die gegen WTO-Recht verstießen, zumal die Dumpingspannen der anderen ausführenden Hersteller deutlich höher seien als die von Sinopec Chongqing.
176 Ferner wenden sich die Klägerinnen gegen die von der Kommission im 333. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung vertretene Auffassung, es gebe keinen Beweis, aus dem hervorginge, dass der Normalwert pro Warentyp von Sinopec Ningxia unter dem höchsten Normalwert pro Warentyp der anderen ausführenden Hersteller liegen würde. Die Angaben in den Akten der Kommission zeigten nämlich, dass der Normalwert, den sie für Sinopec Ningxia ermittelt habe, um 50 % höher sei als der von Sinopec Chongqing, obwohl Sinopec Chongqing einen höheren Ausfuhrpreis verlange als Sinopec Ningxia.
177 Wegochem macht geltend, dass das von der Kommission im 333. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung erwähnte Fehlen von Beweisen keinen Sinn ergebe, da die Beweise, die die Kommission für erforderlich gehalten habe, um für Sinopec Ningxia nicht den höchsten Normalwert der anderen ausführenden Hersteller zu verwenden, genau die Beweise seien, die Sinopec Ningxia nicht habe vorlegen können und deren Fehlen dazu geführt habe, dass die Kommission die verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 herangezogen habe.
178 Die Kommission, unterstützt durch Kuraray und Sekisui, entgegnet, sie habe nicht gegen Art. 18 Abs. 6 der Grundverordnung verstoßen, als sie den höchsten Normalwert der anderen ausführenden Hersteller als verfügbare Information im Sinne von Art. 18 verwendet habe, um den Normalwert für jeden von Sinopec Ningxia verkauften Warentyp zu ermitteln. Sie habe die Klägerinnen dadurch nicht benachteiligt. Zum einen sei die Kommission so vorgegangen, da kein Beweis darauf hingedeutet habe, dass der Normalwert von Sinopec Ningxia pro Warentyp unter dem von ihr zugrunde gelegten Normalwert liege, und zum anderen habe sie nicht den Durchschnitt der Normalwerte der anderen ausführenden Hersteller verwenden können, da sie damit einen Anreiz für ausführende Hersteller geschaffen hätte, selektiv in allen Bereichen die Mitarbeit zu verweigern, in denen ihre Kosten ihrem Wissen nach über dem Durchschnitt gelegen hätten.
179 Außerdem habe sie eine vergleichende Bewertung der Daten von anderen ausführenden Herstellern vorgenommen, die ein Herstellungsverfahren verwendet hätten, das dem von Sinopec Ningxia insoweit geähnelt habe, als alle Verfahren die Verwendung von Kohle vorgesehen hätten. Die Daten zu Sinopec Chongqing seien nicht geeignet gewesen, da das Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing die Verwendung von Erdöl vorsehe. Die Kommission habe somit alle ihr verfügbaren Informationen verglichen und die höchsten Normalwerte der ausführenden Hersteller mit kohlebasierten Herstellungsverfahren zugrunde gelegt. Diese Normalwerte seien die besten verfügbaren Informationen gewesen.
180 Kuraray macht geltend, es sei unerheblich, dass sich ihr Herstellungsverfahren von dem der Klägerinnen unterscheide. Außerdem hätten die Klägerinnen ihr Vorbringen hierzu nicht hinreichend dargelegt, so dass dieses Vorbringen wegen Verstoß gegen Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig sei.
181 Um den Hintergrund von Art. 18 der Grundverordnung zu verstehen, ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Kommission als ermittelnder Behörde ist, festzustellen, ob ein Dumping, eine Schädigung sowie ein Kausalzusammenhang zwischen den gedumpten Einfuhren und der Schädigung vorliegen. Da keine Bestimmung der Grundverordnung der Kommission die Befugnis verleiht, die interessierten Parteien zur Mitwirkung an der Untersuchung oder zur Erteilung von Auskünften zu zwingen, ist sie darauf angewiesen, dass diese Parteien durch die Vorlage der erforderlichen Informationen freiwillig mit ihr zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang ergibt sich aus dem 27. Erwägungsgrund der Grundverordnung, dass der Unionsgesetzgeber der Auffassung war, es sei „erforderlich, vorzusehen, dass für Parteien, die nicht in zufriedenstellender Weise an der Untersuchung mitarbeiten, andere Informationen für die Sachaufklärung herangezogen werden können und dass derartige Informationen für die Parteien weniger günstig sein können, als wenn sie an der Untersuchung mitgearbeitet hätten“. Somit besteht der Zweck von Art. 18 der Grundverordnung darin, der Kommission zu ermöglichen, die Untersuchung auch dann fortzusetzen, wenn die interessierten Parteien die Zusammenarbeit verweigern oder die Zusammenarbeit unzureichend ist. Daher müssen die interessierten Parteien, da sie verpflichtet sind, nach besten Kräften zu kooperieren, alle Informationen vorlegen, über die sie verfügen und die die Organe für ihre Feststellungen für erforderlich halten (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2017, EBMA/Giant [China], C‑61/16 P, EU:C:2017:968, Rn. 54 bis 56).
182 Außerdem stellt Art. 18 der Grundverordnung nach der Rechtsprechung die Umsetzung von Art. 6.8 und Anhang II des Antidumping-Übereinkommens in Unionsrecht dar und ist so weit wie möglich in deren Licht auszulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2014, Guangdong Kito Ceramics u. a./Rat, T‑633/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:271, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
183 Art. 6.8 des Antidumping-Übereinkommens lautet:
„Verweigert eine interessierte Partei den Zugang zu den erforderlichen Informationen oder übermittelt sie diese Informationen nicht innerhalb einer angemessenen Frist oder behindert sie erheblich die Untersuchung, so können vorläufige und endgültige Feststellungen positiver oder negativer Art auf der Grundlage der verfügbaren Informationen getroffen werden. Bei der Anwendung dieses Absatzes sind die Bestimmungen des Anhangs II einzuhalten.“
184 Anhang II trägt die Überschrift „Beste verfügbare Informationen im Sinne des Artikels 6 Absatz 8“, enthält aber keine Definition dieser Informationen.
185 In Art. 7 des Anhangs II, der im Wesentlichen die gleichen Regeln enthält wie Art. 18 Abs. 5 und 6 der Grundverordnung, dessen Bestimmungen oben in Rn. 168 wiedergegeben worden sind, heißt es:
„Müssen die Behörden ihre Feststellungen, einschließlich der Feststellungen betreffend den Normalwert, auf Informationen aus zweiter Hand, einschließlich der Angaben in dem Antrag auf Einleitung der Untersuchung, stützen, so sollen sie mit besonderer Vorsicht vorgehen. In solchen Fällen sollen die Behörden, soweit möglich, die Informationen anhand von Angaben aus anderen ihnen zugänglichen unabhängigen Quellen (z. B. veröffentlichte Preislisten, amtliche Einfuhrstatistiken und Zollerklärungen) sowie von Informationen prüfen, die andere interessierte Parteien während der Untersuchung vorlegen. Wenn eine interessierte Partei nicht mitarbeitet und somit den Behörden maßgebliche Informationen vorenthält, kann dies selbstverständlich zu einem Ergebnis führen, das für diese Partei weniger günstig ist[,] als wenn sie mitgearbeitet hätte.“
186 Anhang II „wird durch Verweis in Art. 6.8 [des Antidumping-Übereinkommens] inkorporiert“ (Bericht des Berufungsgremiums in der Streitsache „Vereinigte Staaten – Antidumpingmaßnahmen betreffend bestimmte warmgewalzte Stahlerzeugnisse aus Japan“, angenommen vom DSB am 23. August 2001 [WT/DS 184/AB/R, Rn. 75]), und die Bestimmungen von Anhang II sind zwingend, auch wenn sie häufig im Konditional formuliert sind (Bericht des WTO-Panels „Vereinigte Staaten – Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen für Stahlbleche aus Indien“, angenommen vom DSB am 29. Juli 2002 [WT/DS 206/R, Rn. 7.56]).
187 Gemäß dem Bericht des WTO-Panels in der Streitsache „Mexiko – Endgültige Antidumpingmaßnahmen gegenüber Rindfleisch und Reis“, angenommen vom DSB am 20. Dezember 2005 (WT/DS/295/R, Rn. 7.238) dient die Verwendung verfügbarer Informationen im Sinne von Art. 6.8 des Antidumping-Übereinkommens nicht dazu, die Parteien zu bestrafen, die der zuständigen Behörde nicht die angeforderten Informationen bereitstellen. Ähnliche Erwägungen finden sich im Bericht des WTO-Panels in der Streitsache „China – Ausgleichs- und Antidumpingzölle auf kornorientierte gewalzte Erzeugnisse aus Elektrostahl mit Ursprung in den Vereinigten Staaten“, angenommen vom DSB am 16. November 2012 (WT/DS/414, Rn. 7.391), in dem darauf hingewiesen wird, dass verfügbare Informationen im Sinne des genannten Artikels nicht so angewandt werden dürfen, dass eine fehlende Mitarbeit bestraft wird. Der Bericht bestätigt auch, dass, wie es in Art. 7 des Anhangs II heißt, die fehlende Mitarbeit allerdings zu einem Ergebnis führen kann, das für diese Partei weniger günstig ist, als wenn sie mitgearbeitet hätte.
188 Der Unionsrichter hat jedoch bereits entschieden, dass die Kommission, wenn sie in Situationen, in denen die vorgelegten Daten unzureichend sind, ihre Feststellungen auf die verfügbaren Daten stützt, nicht darlegen muss, inwieweit es sich bei den verwendeten verfügbaren Daten um die bestmöglichen Daten handelt, da sich eine solche Verpflichtung weder aus Art. 18 der Grundverordnung noch aus der Rechtsprechung ergibt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 19. März 2015, City Cycle Industries/Rat, T‑413/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:164, Rn. 132).
189 Daraus folgt erstens, dass die Kommission, wenn sie die verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 verwendet, nicht berechtigt ist, einen ausführenden Hersteller wegen fehlender oder unzureichender Mitarbeit zu bestrafen. Zweitens kann es sein, dass sich die betroffene Partei selbst dann, wenn die Kommission diesen Grundsatz beachtet hat, in einer Lage wiederfindet, die ungünstiger ist, als wenn sie vollumfänglich mitgearbeitet hätte. Im Übrigen steht die letztgenannte Feststellung im Einklang mit dem eindeutigen Wortlaut von Art. 18 Abs. 6 der Grundverordnung. Drittens muss die Kommission jedenfalls nicht darlegen, inwiefern die verwendeten verfügbaren Daten besser waren.
190 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar nicht über ein unbegrenztes Ermessen verfügt, jedoch nach ständiger Rechtsprechung die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, besonders im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen und politischen Sachverhalte über ein weites Ermessen verfügen, so dass die gerichtliche Kontrolle dieses weiten Ermessens auf die Prüfung der Frage zu beschränken ist, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein offensichtlicher Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteil vom 12. Mai 2022, Kommission/Hansol Paper, C‑260/20 P, EU:C:2022:370, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
191 Ferner stellt die vom Gericht vorgenommene Kontrolle der Beweise, auf die die Unionsorgane ihre Feststellungen stützen, keine die Beurteilung der Organe ersetzende neue Beurteilung des Sachverhalts dar. Sie greift nicht in das weite Ermessen der Organe im Bereich der Handelspolitik ein, sondern ist auf die Feststellung beschränkt, ob die Beweise geeignet waren, die von den Organen gezogenen Schlussfolgerungen zu stützen. Das Gericht hat daher nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen, sondern auch zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen sind, und ob sie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 12. Mai 2022, Kommission/Hansol Paper, C‑260/20 P, EU:C:2022:370, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
192 Im vorliegenden Fall steht fest, dass, wie den Erwägungsgründen 327 bis 333 der angefochtenen Verordnung zu entnehmen ist, die Klägerinnen der Kommission nicht die Daten liefern konnten, die sie für erforderlich hielt, und die Kommission deshalb den Normalwert von Sinopec Ningxia anhand der verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 ermittelte. Dazu verwendete sie für jeden Warentyp den höchsten Normalwert der anderen ausführenden Hersteller, den sie unter Anwendung von Art. 18 der Grundverordnung für selbst hergestellte Produktionsfaktoren ermittelt hatte, z. B. Dampf und Strom, die unmittelbar am Produktionsstandort des ausführenden Herstellers erzeugt wurden, wie den näheren Angaben der Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts zu entnehmen ist. Die Daten zu Sinopec Chongqing wurden von der Kommission nicht als verfügbare Daten im Sinne von Art. 18 verwendet, was sie damit begründete, dass sich das erdölbasierte Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing von dem Herstellungsverfahren von Sinopec Ningxia unterscheide, welches ebenso wie das Verfahren der anderen ausführenden Hersteller auf Kohle basiere.
193 Angesichts dieser Umstände ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie die unstreitige (siehe oben, Rn. 165) Tatsache zur Kenntnis genommen hatte, dass die Klägerinnen die erforderlichen Daten zu Sinopec Ningxia nicht liefern konnten, die in ihrem Besitz befindlichen Daten miteinander verglich. Folglich werfen die Klägerinnen ihr zu Unrecht vor, keine vergleichende Prüfung der ihr verfügbaren Daten vorgenommen zu haben, zumal sie nach der oben in Rn. 188 angeführten Rechtsprechung nicht darlegen musste, inwiefern die verwendeten verfügbaren Daten besser waren.
194 Was die sachliche Richtigkeit der von der Kommission getroffenen Wahl betrifft, konnte sie, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, in Ausübung ihres weiten Ermessens davon ausgehen, dass die Daten zu Sinopec Chongqing nicht die relevantesten Daten waren, da das Herstellungsverfahren von Sinopec Ningxia mehr Ähnlichkeiten mit dem der anderen ausführenden Hersteller aufwies als mit dem von Sinopec Chongqing, die als Einzige Erdöl und nicht Kohle als Rohstoff verwendete. Wie die Kommission nämlich im 332. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung feststellte, beruht die rechnerische Ermittlung des Normalwerts auf den Produktionsfaktoren einschließlich der Rohstoffe und ihrer Verwendungsrate.
195 Dieses Ergebnis wird nicht durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt.
196 Sie tragen erstens vor, dass Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia derselben Gruppe angehörten, beide Unternehmen ihre Verkäufe in die Union über dasselbe verbundene Unternehmen Sinopec Central-China tätigten und alle diese Unternehmen eine ähnliche Preispolitik anwendeten, sowohl auf dem chinesischen Markt als auch auf dem Unionsmarkt. Die Klägerinnen verweisen auch auf ihre Stellungnahme zur endgültigen Unterrichtung, in der sie erklärt hatten, diese Umstände würden nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich das Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing vom Herstellungsverfahren von Sinopec Ningxia unterscheide.
197 Es ist jedoch zunächst darauf hinzuweisen, dass bei der rechnerischen Ermittlung des Normalwerts, wie im vorliegenden Fall, die von den Unternehmen in China praktizierten Preise nicht relevant sind. Sodann ist die rechnerische Ermittlung des Normalwerts nach Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung unabhängig vom Ausfuhrpreis. Schließlich ist es nicht offensichtlich falsch, davon auszugehen, dass sich das Herstellungsverfahren auf die rechnerische Ermittlung des Normalwerts gemäß dieser Bestimmung auswirkt.
198 Zweitens machen die Klägerinnen, unterstützt durch Wegochem, geltend, dass die Normalwerte der anderen ausführenden Hersteller nicht die besten verfügbaren Informationen sein könnten, da sie zum Teil auf der Grundlage der verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 ermittelt worden seien.
199 Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission aufgrund des Umstands, dass die Klägerinnen ihr nicht die Daten bereitstellen konnten, die für die rechnerische Ermittlung des Normalwerts von Sinopec Ningxia anhand von Daten zu diesem Unternehmen erforderlich waren, gezwungen war, die verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 zu verwenden. Sie musste insoweit entscheiden, welche der Daten zu Sinopec Chongqing und zu den anderen ausführenden Herstellern am relevantesten waren. Während die Daten zu den anderen ausführenden Herstellern ihrerseits wiederum teilweise durch Anwendung von Art. 18 der Grundverordnung ermittelt wurden, bezogen sich die Daten zu Sinopec Chongqing auf ein Unternehmen, dessen Herstellungsverfahren sich stärker von dem von Sinopec Ningxia unterschied als die Herstellungsverfahren der anderen ausführenden Hersteller.
200 Im vorliegenden Fall konnte sich die Kommission in Ausübung ihres weiten Ermessens auf den Grad der Ähnlichkeit zwischen den Herstellungsverfahren der ausführenden Hersteller stützen, um die relevanten verfügbaren Informationen auszuwählen. Hierzu ist festzustellen, dass das Gericht mit Urteil vom heutigen Tag, Inner Mongolia Shuangxin Environment-Friendly Material/Kommission (T‑763/20), wegen einer gegen die angefochtene Verordnung erhobenen Klage eines ausführenden Herstellers, dessen Daten im Hinblick auf Sinopec Ningxia als verfügbare Informationen im Sinne von Art. 18 der Grundverordnung verwendet wurden, den auf einen Verstoß gegen Art. 18 gestützten Klagegrund des ausführenden Herstellers zurückgewiesen hat. Schließlich gibt es, wie oben in den Rn. 170 bis 174 festgestellt, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen keinen allgemeinen Grundsatz, der einer doppelten Anwendung dieses Artikels entgegensteht.
201 Folglich beging die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie sich dafür entschied, anstelle der Daten von Sinopec Chongqing die Daten der anderen ausführenden Hersteller zu verwenden.
202 Drittens berufen sich die Klägerinnen auf Rn. 27 des Urteils vom 30. April 2013, Alumina/Rat (T‑304/11, EU:T:2013:224). Diesem Urteil zufolge wird, wenn der Normalwert nicht gemäß Art. 2 Abs. 1 der Grundverordnung festgelegt werden kann, mit seiner Ermittlung nach Art. 2 Abs. 3 und 6 der Grundverordnung bezweckt, einen Wert zu finden, der so nahe wie möglich an dem Verkaufspreis liegt, den das betreffende Erzeugnis hätte, wenn es im normalen Handelsverkehr des Ursprungs- oder Ausfuhrlands verkauft würde.
203 Die Kommission überschreitet jedoch nicht ihr weites Ermessen, wenn sie der Auffassung ist, dass die Heranziehung von Daten zu einem Unternehmen, das ein anderes Herstellungsverfahren als das Unternehmen verwendet, dessen Normalwert rechnerisch ermittelt werden soll, nicht die bestgeeignete Methode ist, um das von der oben in Rn. 202 angeführten Rechtsprechung verfolgte Ziel am besten zu erreichen.
204 Viertens vertreten die Klägerinnen unter Berufung auf die Rn. 121 und 137 des Urteils vom 3. Mai 2018, Distillerie Bonollo u. a./Rat (T‑431/12, EU:T:2018:251), die Auffassung, dass die Unterschiede bei den Herstellungsverfahren nicht relevant seien.
205 Im Urteil vom 3. Mai 2018, Distillerie Bonollo u. a./Rat (T‑431/12, EU:T:2018:251), hat das Gericht festgestellt, dass das betreffende Erzeugnis unabhängig davon, welches der zwei relevanten Herstellungsverfahren verwendet wurde, dieselben Eigenschaften aufwies und für dieselben grundlegenden Verwendungen bestimmt war. Es hat daraus gefolgert, dass es Art. 2 der Grundverordnung nicht zuwiderläuft, wenn der anhand von Daten des einen Herstellungsverfahrens ermittelte Normalwert mit dem Ausfuhrpreis verglichen wird, der anhand von Daten des anderen Herstellungsverfahrens berechnet wurde.
206 Gegenstand des vorliegenden Klagegrundes ist nicht der Vergleich des Normalwerts mit dem Ausfuhrpreis, sondern der Vergleich verschiedener Daten, die die Kommission als verfügbare Informationen im Sinne von Art. 18 verwenden konnte, um den Normalwert von Sinopec Ningxia zu ermitteln, wobei sie nach Durchführung des Vergleichs die relevantesten Daten auswählen musste.
207 Somit lässt die von den Klägerinnen angeführte Rechtsprechung nicht den Schluss zu, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Heranziehung der Daten zu Sinopec Chongqing wegen der Unterschiede in den Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing und Sinopec Ningxia ausschloss.
208 Die Klägerinnen machen fünftens geltend, es gebe im WTO-Recht einen allgemeinen Grundsatz, wonach Informationen verwendet werden müssten, die dem fraglichen ausführenden Hersteller so nah wie möglich seien.
209 Die Existenz des von ihnen behaupteten allgemeinen Grundsatzes stützen die Klägerinnen auf Rn. 6.34 des Berichts des Berufungsgremiums in der Streitsache „Europäische Union – Antidumpingmaßnahmen gegen Biodiesel aus Argentinien“, angenommen vom DSB am 26. Oktober 2016 (WT/DS 473/AB/R), in der sich eine Auslegung von Art. 2.2.2 des Antidumping-Übereinkommens findet, die die VVG-Kosten und die Gewinne der ausführenden Hersteller betrifft. Die Klägerinnen können jedoch nicht begründen, inwiefern es möglich sein soll, Art. 6.8 des Antidumping-Übereinkommens, der Art. 18 der Grundverordnung entspricht, dessen Verletzung im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes beanstandet wird, analog zu dieser Bestimmung auszulegen.
210 Sechstens tragen die Klägerinnen vor, die Kommission habe, da sie im Rahmen der Analyse der Preisunterbietung den Unterschieden zwischen dem Herstellungsverfahren von Kuraray und den Herstellungsverfahren der Klägerinnen keine Bedeutung beigemessen habe, nicht davon ausgehen dürfen, dass die Daten zum Normalwert von Sinopec Chongqing aufgrund des Umstands, dass sich das Herstellungsverfahren von Sinopec Chongqing vom Herstellungsverfahren von Sinopec Ningxia unterscheide, nicht die besten verfügbaren Informationen seien. Die Analyse der Preisunterbietung ist jedoch für die Beurteilung des Normalwerts nicht relevant. Daher ist dieses Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass über seine, von Kuraray bestrittene (siehe oben, Rn. 180) Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.
211 Da festgestellt worden ist, dass die Kommission berechtigt war, die Daten zu Sinopec Chongqing nicht als relevante Daten anzusehen und die Daten zu den anderen ausführenden Herstellern zu verwenden, ist die Entscheidung der Kommission zu prüfen, für jeden von Sinopec Ningxia verkauften Warentyp den höchsten Normalwert der anderen ausführenden Hersteller zugrunde zu legen.
212 Zwar nahm die Kommission bei der Entscheidung für den höchsten Normalwert zwangsläufig einen Vergleich zwischen den Normalwerten der anderen ausführenden Hersteller vor, doch ist zu untersuchen, ob sie die Klägerinnen dadurch, wie diese behaupten, unter Verstoß gegen die oben in Rn. 187 angeführten Grundsätze wegen ihrer fehlenden Bereitschaft zur Mitarbeit bestrafte.
213 Insoweit ergibt sich zum einen aus der Rechtsprechung, dass sich eine Vermutung – selbst wenn sie schwer zu widerlegen ist – innerhalb akzeptabler Grenzen hält, wenn sie in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Ziel steht, wenn die Möglichkeit besteht, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, und wenn die Verteidigungsrechte gewahrt sind (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).
214 Zum anderen ergibt sich aus Art. 18 der Grundverordnung, dass der Unionsgesetzgeber keine gesetzliche Vermutung aufstellen wollte, die es erlaubt, aus einer mangelnden Bereitschaft der interessierten Parteien zur Mitarbeit die unmittelbare Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Normalwert pro Warentyp nicht unterhalb dem höchsten Normalwert pro Warentyp der anderen, kooperierenden ausführenden Hersteller liegt, und die damit die Unionsorgane von jedem Beweiserfordernis befreit. Gleichwohl liegt es in Anbetracht der von der Rechtsprechung im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen anerkannten Möglichkeit, selbst endgültige Feststellungen auf der Grundlage der verfügbaren Fakten zu treffen und eine Partei, die nicht oder nur teilweise zur Mitarbeit bereit ist, weniger günstig zu behandeln, als wenn sie mitgearbeitet hätte, ebenso klar auf der Hand, dass es den Unionsorganen gestattet ist, sich auf ein Bündel übereinstimmender Indizien zu stützen, die es ihnen ermöglichen, unter den verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 der Grundverordnung die relevantesten Informationen auszuwählen. Jede andere Lösung würde nämlich die Gefahr bergen, die Wirksamkeit der handelspolitischen Schutzmaßnahmen der Union immer dann zu untergraben, wenn die Unionsorgane im Rahmen der Bestimmung des Normalwerts mit mangelnder Bereitschaft zur Mitarbeit konfrontiert sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 4. September 2014, Simon, Evers & Co., C‑21/13, EU:C:2014:2154, Rn. 36 und 37).
215 Im vorliegenden Fall stellte die Kommission im 329. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung fest, aufgrund von wesentlichen und schwerwiegenden Mängeln bei der Meldung der Herstellungskosten sei der Normalwert für Sinopec Ningxia anhand der von den anderen mitarbeitenden ausführenden Herstellern übermittelten Informationen rechnerisch ermittelt worden. Sie fügte hinzu, dass sie den höchsten rechnerisch ermittelten Normalwert der anderen mitarbeitenden ausführenden Hersteller zugrunde gelegt habe.
216 Im 333. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung machte die Kommission, nachdem sie auf die Argumente eines in der Stichprobe berücksichtigten ausführenden Herstellers und eines Herstellers/Verwenders aus der Union gegen die im Hinblick auf Sinopec Ningxia angewandten Methoden eingegangen war, die folgende Feststellung: „Da die Kommission nicht in der Lage war, die von Sinopec Ningxia übermittelten Daten zu überprüfen und folglich für die rechnerische Ermittlung des Normalwerts zu verwenden, gibt es keinen Beweis, aus dem hervorginge, dass der Normalwert pro Warentyp von Sinopec Ningxia unter dem höchsten Normalwert pro Warentyp der anderen mitarbeitenden Hersteller, die ähnliche Rohstoffe verwenden, liegen würde.“
217 Die Kommission hat hierzu außerdem in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie im 333. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung von der Vermutung ausgegangen sei, dass der Normalwert pro Warentyp von Sinopec Ningxia nicht unter dem höchsten Normalwert pro Warentyp der anderen ausführenden Hersteller liege.
218 Somit wandte die Kommission in den Erwägungsgründen 329 und 333 der angefochtenen Verordnung, nachdem sie die fehlende Kooperationsbereitschaft der Klägerinnen festgestellt hatte, eine Vermutung an, wonach der Normalwert pro Warentyp von Sinopec Ningxia nicht unter dem höchsten Normalwert pro Warentyp der anderen ausführenden Hersteller lag.
219 Ferner hat die Kommission, in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich dazu befragt, ob die Akten Anhaltspunkte enthielten, die es erlaubten, die systematische Verwendung des höchsten Normalwerts der anderen ausführenden Hersteller für Sinopec Ningxia zu rechtfertigen, geantwortet, die fehlende Bereitschaft der Klägerinnen zur Mitarbeit sei der Anhaltspunkt in den Akten gewesen, auf den sie sich gestützt habe.
220 Daraus ergibt sich, dass die Kommission durch die Anwendung der genannten Vermutung einen Rechtsfehler beging. Folgt man nämlich der Argumentation der Kommission, hätten die Klägerinnen, um die oben in Rn. 218 erwähnte Vermutung zu widerlegen, der Kommission die Informationen bereitstellen müssen, deren Nichtvorlage gerade dazu führte, dass die Kommission die verfügbaren Informationen im Sinne von Art. 18 verwendete.
221 Nach alledem ist dem vorliegenden Klagegrund stattzugeben, soweit die Kommission bei der rechnerischen Ermittlung des Normalwerts von Sinopec Ningxia für jeden Warentyp den höchsten Normalwert der anderen ausführenden Hersteller zugrunde legte; im Übrigen ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung bei der Feststellung der Preisunterbietung und Verstoß gegen Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung
222 Der vierte Klagegrund besteht aus drei Teilen, die alle den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung betreffen. Im Einzelnen beziehen sich diese Teile erstens auf das Fehlen einer Untersuchung der Preisunterbietung nach Marktsegmenten, zweitens das Fehlen von Anpassungen für Qualitätsunterschiede zwischen eingeführten PVA und in der Union hergestellten PVA und drittens die fehlende Feststellung der Preisunterbietung für die als Ganzes betrachtete Ware. Darüber hinaus machen die Klägerinnen den entsprechenden Verstoß gegen Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung geltend.
223 Da die Kommission nicht nur die Begründetheit dieses Klagegrundes in Abrede stellt, sondern auch geltend macht, dass er ins Leere gehe, ist diese Frage vorab zu prüfen.
Zur Schlüssigkeit des vierten Klagegrundes
224 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung ein Klagegrund, der, auch wenn er begründet wäre, nicht geeignet ist, zu der vom Kläger angestrebten Nichtigerklärung zu führen, als ins Leere gehend anzusehen (Beschluss vom 26. Februar 2013, Castiglioni/Kommission, T‑591/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:94, Rn. 45, und Urteil vom 15. Januar 2015, Frankreich/Kommission, T‑1/12, EU:T:2015:17, Rn. 73; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. September 2000, EFMA/Rat, C‑46/98 P, EU:C:2000:474, Rn. 38).
225 Die Kommission macht geltend, sie habe in der angefochtenen Verordnung nicht nur die Preisunterbietung durch die Einfuhren untersucht, sondern auch eine Verhinderung von Preiserhöhungen in Bezug auf die vom Wirtschaftszweig der Union verkauften PVA festgestellt, wie sich aus den Erwägungsgründen 460 bis 462, 473 und 490 der Grundverordnung ergebe. Die Klägerinnen hätten nicht dargelegt, inwiefern ihre Feststellungen zu dieser Verhinderung von Preiserhöhungen nicht ausreichten, um ihre Schlussfolgerung zu stützen, dass die gedumpten Einfuhren den Wirtschaftszweig der Union geschädigt hätten. Daher gehe der vierte Klagegrund, mit dem die Klägerinnen die Prüfung der Preisunterbietung durch die Einfuhren beanstanden, ins Leere.
226 Die Klägerinnen erwidern, dass einfache, nicht durch Beweise belegte Erklärungen zur Verhinderung von Preiserhöhungen den Verstößen gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung nicht abhelfen könnten.
227 Es ist auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen von Art. 3 der Grundverordnung hinzuweisen, der wie folgt lautet:
„(1) Sofern nichts anderes bestimmt ist, bedeutet der Begriff ‚Schädigung‘ im Sinne dieser Verordnung, dass ein Wirtschaftszweig der Union bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Union erheblich verzögert wird; der Begriff ‚Schädigung‘ ist gemäß diesem Artikel auszulegen.
(2) Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung
a) des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Markt der Union und
b) der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Union.
(3) Im Zusammenhang mit dem Volumen der gedumpten Einfuhren ist zu berücksichtigen, ob diese Einfuhren entweder absolut oder im Verhältnis zu Produktion oder Verbrauch in der Union erheblich angestiegen sind. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise ist in Betracht zu ziehen, ob im Vergleich zu dem Preis einer gleichartigen Ware des Wirtschaftszweigs der Union eine erhebliche Preisunterbietung durch die gedumpten Einfuhren stattgefunden hat oder ob diese Einfuhren auf andere Weise einen erheblichen Preisrückgang verursacht oder Preiserhöhungen, die andernfalls eingetreten wären, deutlich verhindert haben. Weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend.
…
(5) Die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betroffenen Wirtschaftszweig der Union umfasst eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und ‑indizes, die die Lage des Wirtschaftszweigs der Union beeinflussen …
(6) Aus allen einschlägigen im Hinblick auf Absatz 2 vorgelegten Beweisen muss hervorgehen, dass die gedumpten Einfuhren eine Schädigung im Sinne dieser Verordnung verursachen. Insbesondere gehört dazu der Nachweis, dass das gemäß Absatz 3 ermittelte Volumen und/oder Preisniveau für die in Absatz 5 genannten Auswirkungen auf den Wirtschaftszweig der Union verantwortlich sind und dass diese Auswirkungen ein solches Ausmaß erreichen, dass sie als bedeutend bezeichnet werden können.“
228 Die Bestimmungen von Art. 3 Abs. 2, 3, 5 und 6 der Grundverordnung sind den Bestimmungen der Art. 3.1, 3.2 und 3.5 des Antidumping-Übereinkommens ausgesprochen ähnlich, wenn nicht gar mit diesen identisch. Daher sind die oben in den Rn. 20 bis 22 genannten Grundsätze anwendbar.
229 Laut dem Bericht des Berufungsgremiums in der Streitsache „China – Ausgleichs- und Antidumpingzölle auf kornorientierte gewalzte Erzeugnisse aus Elektrostahl mit Ursprung in den Vereinigten Staaten“, angenommen vom DSB am 16. November 2012 (WT/DS 414/AB/R, Rn. 137), können sich die Gesichtspunkte, die für die Prüfung einer erheblichen Preisunterbietung relevant sind, von den Gesichtspunkten unterscheiden, die für die Prüfung eines erheblichen Preisrückgangs oder einer deutlichen Verhinderung von Preiserhöhungen relevant sind. Somit können, selbst wenn die Preise der betreffenden Einfuhren keine erhebliche Preisunterbietung im Hinblick auf gleichartige nationale Waren darstellen, diese Einfuhren bei den inländischen Preisen dennoch einen Preisrückgang oder eine Verhinderung von Preiserhöhungen zur Folge haben.
230 Ebenso ergibt sich aus dem Bericht des WTO-Panels in der Streitsache „Korea – Antidumpingzölle auf pneumatische Ventile mit Ursprung in Japan“, angenommen vom DSB am 30. September 2019 (WT/DS 504/R, Rn. 7.299), dass zwar das Vorliegen einer Preisunterbietung durch die Einfuhren häufig als Anhaltspunkt dafür angeführt wird, dass die gedumpten Einfuhren bei den im Wirtschaftszweig des Einfuhrlandes üblichen Preisen zu einem Preisrückgang oder zur Verhinderung von Preiserhöhungen führen, die zuständige Behörde jedoch auch ohne Preisunterbietung zu dem Ergebnis gelangen kann, dass die gedumpten Einfuhren einen Preisrückgang oder eine Verhinderung von Preiserhöhungen zur Folge haben.
231 Im vorliegenden Fall sind sich die Parteien darüber einig, dass grundsätzlich auch ohne Preisunterbietung durch die Einfuhren eine Verhinderung von Preiserhöhungen bei den im Wirtschaftszweig der Union üblichen Preisen eintreten kann.
232 Während jedoch die Kommission der Auffassung ist, dass die in der angefochtenen Verordnung getätigten Feststellungen in Bezug auf die Verhinderung von Preiserhöhungen bei den im Wirtschaftszweig der Union üblichen Preisen unabhängig von den Feststellungen zur Preisunterbietung durch Einfuhren seien, machen die Klägerinnen geltend, dass die Verhinderung von Preiserhöhungen eine Folge der Preisunterbietung sei.
233 Der 490. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung lautet:
„Die in den Erwägungsgründen 398 bis 478 vorgenommene Analyse der Schadensindikatoren zeigt, dass sich die wirtschaftliche Lage des Wirtschaftszweigs der Union im Bezugszeitraum verschlechterte, während die gedumpten Einfuhren aus dem betroffenen Land stark zunahmen, wobei diese den Feststellungen zufolge die Preise des Wirtschaftszweigs der Union im Untersuchungszeitraum unterboten und bewirkten, dass der Wirtschaftszweig der Union aufgrund des erheblichen Preisdrucks nicht in der Lage war, seine Preise im erforderlichen Maße anzuheben, um den Anstieg der Herstellkosten auszugleichen.“
234 Allein aufgrund der Konjunktion „und“, die sich in mehreren sprachlichen Fassungen der angefochtenen Verordnung zwischen den Formulierungen „die Preise des Wirtschaftszweigs der Union im Untersuchungszeitraum unterboten“ und „bewirkten, dass der Wirtschaftszweig der Union aufgrund des erheblichen Preisdrucks nicht in der Lage war, seine Preise im erforderlichen Maße anzuheben“ findet, könnte der 490. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung so verstanden werden, dass die starke Zunahme der chinesischen Einfuhren zum einen die Preisunterbietung zur Folge hatte und zum anderen die Verhinderung von Preiserhöhungen bewirkte, die unabhängig von der Preisunterbietung war.
235 Es ist jedoch zu prüfen, ob in der angefochtenen Verordnung der Zusammenhang zwischen der Verhinderung von Preiserhöhungen und der Zunahme der Einfuhren geprüft wird und sich diese Prüfung auf andere Gesichtspunkte als die Preisunterbietung stützt.
236 Die Kommission beruft sich insoweit auf die Erwägungsgründe 460 bis 462 und 473 der angefochtenen Verordnung.
237 Den Erwägungsgründen 460 bis 462 und 473 der angefochtenen Verordnung ist zu entnehmen, dass die Kommission die Entwicklung der üblichen Verkaufspreise des Wirtschaftszweigs der Union prüfte und feststellte, dass diese Preise im Bezugszeitraum um 14 % gestiegen seien, während die Herstellstückkosten aufgrund des Preisanstiegs beim wichtigsten verwendeten Rohstoff um 24 % gestiegen seien. Sie wies darauf hin, dass der Preisdruck durch die chinesischen Einfuhren den Wirtschaftszweig der Union daran gehindert habe, seine Preise weiter zu erhöhen und den Anstieg der Rohstoffpreise auszugleichen.
238 Somit können die Erwägungsgründe 460 bis 462 und 473 der angefochtenen Verordnung nicht dahin ausgelegt werden, dass die Verhinderung von Preiserhöhungen des Wirtschaftszweigs der Union auf anderen Faktoren als der Preisunterbietung durch die Einfuhren beruht. Denn dass dieser Wirtschaftszweig trotz des erheblichen Anstiegs der Herstellstückkosten seine Preise nicht entsprechend erhöhte, ist auf den Preisdruck durch die gedumpten Einfuhren zurückzuführen. Der Preisdruck entsteht dadurch, dass die Preise der chinesischen ausführenden Hersteller unter den Preisen des Wirtschaftszweigs der Union liegen, was einer Preisunterbietung durch die Einfuhren entspricht.
239 Zudem beruft sich die Kommission zu Unrecht auf die Rn. 95 bis 99 des Urteils vom 14. September 2022, Methanol Holdings (Trinidad)/Kommission (T‑744/19, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2022:558), und auf die Rn. 257 bis 261 des Urteils vom 14. September 2022, Nevinnomysskiy Azot und NAK „Azot“/Kommission (T‑865/19, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2022:559). Was nämlich zunächst das erste dieser Urteile betrifft, behandeln die von der Kommission angeführten Randnummern die Frage der Zulässigkeit einer Rüge, die in der Erwiderung erhoben wurde, während im vorliegenden Fall der vierte Klagegrund in der Klageschrift erhoben worden ist. Im Übrigen hat das Gericht in beiden Urteilen in den Randnummern, die sich unmittelbar an die von der Kommission angeführten Randnummern anschließen, darauf hingewiesen, dass zwischen einerseits der Preisunterbietung und andererseits dem Preisrückgang und der Verhinderung von Preiserhöhungen ein Zusammenhang bestand. Somit hat das Gericht bei der Feststellung des Vorliegens einer Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union weder dem Preisrückgang noch der Verhinderung von Preiserhöhungen eine eigenständige Bedeutung beigemessen.
240 Nach alledem ist der vierte Klagegrund entgegen dem Vorbringen der Kommission schlüssig, so dass seine Begründetheit zu prüfen ist.
Zur Begründetheit des vierten Klagegrundes
– Zum ersten Teil
241 Die Klägerinnen tragen vor, entgegen den Feststellungen der Kommission in der angefochtenen Verordnung sei der PVA-Markt in zwei Segmente unterteilt. Das erste Segment beinhalte hochwertige PVA-Qualitäten, die durch enge Bandbreiten von Viskosität und Hydrolyse, einen niedrigen Methanolgehalt, einen niedrigen Aschegehalt und kleinere Partikel gekennzeichnet seien. Diese PVA-Qualitäten würden zu höheren Preisen verkauft. Das zweite Segment beinhalte geringere Qualitätsstufen, die durch hohe Bandbreiten von Viskosität und Hydrolyse, einen hohen Methanolgehalt, einen hohen Aschegehalt und größere Partikel gekennzeichnet seien. Diese PVA-Qualitäten würden zu niedrigeren Preisen verkauft.
242 Zwar könnten theoretisch einige Wirtschaftszweige, die minderwertige PVA-Qualitäten verwendeten, auf hochwertigere PVA-Qualitäten umsteigen, doch ergebe ein solcher Wechsel aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn. Auf der anderen Seite könnten Wirtschaftszweige, die hochwertige PVA-Qualitäten verwendeten, diese nicht durch minderwertige PVA-Qualitäten ersetzen.
243 Aufgrund der erheblichen Preis- und Qualitätsunterschiede zwischen den PVA-Qualitäten des ersten und des zweiten Marktsegments seien diese Qualitäten auf der Nachfrageseite nicht unmittelbar austauschbar.
244 Da der PVA-Markt in die beiden genannten Segmente unterteilt sei, hätte die Kommission nach Auffassung der Klägerinnen das Vorhandensein dieser zwei Segmente bei ihrer Analyse der Preisunterbietung berücksichtigen müssen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass zahlreiche chinesische Hersteller hauptsächlich PVA des minderwertigen Segments herstellten, während die in der Union hergestellten PVA im Allgemeinen dem hochwertigen Segment zuzurechnen seien.
245 Zur Stützung ihres Vorbringens berufen sich die Klägerinnen u. a. auf den Bericht des Berufungsgremiums in der Streitsache „China – Maßnahmen zur Einführung von Antidumpingzöllen auf nahtlose Hochleistungsrohre aus rostfreiem Stahl aus Japan“, angenommen vom DSB am 28. Oktober 2015 (WT/DS 454/AB/R, Rn. 5.181) (im Folgenden: HP-SSST‑Bericht).
246 Nach der Verkündung des Urteils vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube (C‑891/19 P, EU:C:2022:38), haben die Klägerinnen in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts ihr Vorbringen präzisiert und dabei die Konsequenzen aus diesem Urteil berücksichtigt, mit dem der Gerichtshof das Urteil vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), aufgehoben hat, auf das sie sich in ihren Schriftsätzen berufen hatten. Im vorliegenden Fall seien die drei außergewöhnlichen Umstände gegeben, die im genannten Urteil des Gerichtshofs beschrieben seien und bei deren Vorliegen sich die Kommission nicht darauf beschränken dürfe, die Preisunterbietung auf der Grundlage von Warenkennnummern (product control number, im Folgenden: PCN) zu prüfen, sondern eine Analyse nach Marktsegmenten vornehmen müsse. Erstens bestehe nämlich der PVA-Markt aus zwei verschiedenen Segmenten, zweitens unterschieden sich die PVA-Preise je nach Segment erheblich voneinander und drittens konzentrierten sich die Verkäufe der vom Wirtschaftszweig der Union hergestellten PVA auf das hochwertige PVA-Segment, während sich die Einfuhren aus China auf das qualitativ geringwertigere PVA-Segment konzentrierten.
247 Die Kommission, unterstützt durch Kuraray und Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
248 Auf die einschlägigen Bestimmungen von Art. 3 der Grundverordnung ist oben in Rn. 227 hingewiesen worden.
249 Nach der Rechtsprechung wird die Berechnung der Preisunterbietung bei den Einfuhren nach Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung vorgenommen, um eine Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union infolge dieser Einfuhren festzustellen, und darüber hinaus zur Bemessung dieses Schadens und zur Ermittlung der Schadensspanne, d. h. der Schadenshöhe, verwendet (vgl. entsprechend Urteil vom 10. April 2019, Jindal Saw und Jindal Saw Italia/Kommission, T‑301/16, EU:T:2019:234, Rn. 176). Die Kommission verfügt insoweit über ein weites Ermessen (vgl. Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
250 Die Grundverordnung enthält keine Definition des Begriffs „Preisunterbietung“ und sieht keine Methode für ihre Berechnung vor (Urteile vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 73; vgl. auch entsprechend Urteil vom 10. April 2019, Jindal Saw und Jindal Saw Italia/Kommission, T‑301/16, EU:T:2019:234, Rn. 175).
251 Jedoch ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 der Grundverordnung, dass die Methode zur Feststellung einer etwaigen Preisunterbietung grundsätzlich auf der Ebene der „gleichartigen Ware“ im Sinne von Art. 1 Abs. 4 dieser Verordnung durchzuführen ist, auch wenn diese aus verschiedenen Typen von Waren aus mehreren Marktsegmenten bestehen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
252 Die Grundverordnung verpflichtet die Kommission daher grundsätzlich nicht dazu, die Analyse, ob eine Preisunterbietung vorliegt, auf einer anderen Ebene als der Ebene der gleichartigen Ware durchzuführen (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 75).
253 Diese Auslegung wird durch Rn. 5.180 des von den Klägerinnen angeführten HP-SSST‑Berichts bestätigt, wonach die zuständige Behörde nach Art. 3.2 des Antidumping-Übereinkommens nicht verpflichtet ist, das Vorliegen einer Preisunterbietung für jeden Warentyp, der Gegenstand der Untersuchung ist, oder für die gesamte Warenpalette, aus dem die gleichartige inländische Ware besteht, festzustellen (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 76).
254 Da die Kommission jedoch, wie Rn. 5.180 des HP-SSST‑Berichts bestätigt, nach Art. 3 Abs. 2 der Grundverordnung eine „objektive Prüfung“ der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise der gleichartigen Waren des Wirtschaftszweigs der Union durchführen muss, ist sie verpflichtet, bei ihrer Analyse der Preisunterbietung alle relevanten positiven Beweise zu berücksichtigen, zu denen gegebenenfalls die die verschiedenen Marktsegmente für die betroffene Ware betreffenden Beweise gehören können (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 77).
255 Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Prüfung der Preisunterbietung auf der Grundlage einer Vergleichsmethode nach PCN (im Folgenden: PCN-Methode) es in gewissem Umfang erlaubt, einer etwaigen Segmentierung des Markts für die betreffende Ware Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 106, 113 und 114).
256 Jedoch kann, um die Objektivität der Analyse der Preisunterbietung sicherzustellen, die Kommission unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, diese Analyse auf der Ebene der Marktsegmente für die betroffene Ware vorzunehmen, auch wenn sich das weite Ermessen, über das sie insbesondere bei der Feststellung einer Schädigung verfügt (siehe oben, Rn. 249), zumindest auf die Entscheidungen erstreckt, die die Wahl der Analysemethode, die zu erhebenden Daten und Beweise, die Berechnungsmodalitäten für die Ermittlung der Preisunterbietungsspanne sowie die Auslegung und Auswertung der erhobenen Daten betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 78).
257 Somit kann die Kommission unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen zur Vornahme einer zusätzlichen Analyse der Preisunterbietung verpflichtet sein, die darin besteht, ergänzend zur Anwendung der PCN-Methode die Preise in jedem einzelnen Segment zu vergleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 111).
258 Diese außergewöhnlichen Umstände betreffen sowohl das Vorliegen einer ausgeprägten Segmentierung des Markts für die betreffende Ware, die erhebliche Unterschiede zwischen den Marktsegmenten impliziert (im Folgenden: erste Voraussetzung), als auch eine Situation, die durch eine starke Konzentration der Inlandsverkäufe und der gedumpten Einfuhren auf unterschiedliche Segmente gekennzeichnet ist (im Folgenden: zweite Voraussetzung) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 79 bis 81, 110 und 111).
259 Das Vorbringen der Klägerinnen zur Stützung des vorliegenden Teils des vierten Klagegrundes ist im Licht dieser Erwägungen und der Ausführungen oben in den Rn. 190 und 191 zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle zu prüfen.
260 In der angefochtenen Verordnung stellte die Kommission Folgendes fest:
„(60) Die bei der Untersuchung eingeholten Informationen zeigten auch, dass einige dieser (sowohl vom Wirtschaftszweig der Union als auch von ausführenden Herstellern verkauften) Qualitäten ein breites Anwendungsspektrum haben und im Allgemeinen preisgünstiger sind. Andere spezialisiertere Qualitäten hingegen sind für Anwendungen mit genau festgelegten Spezifikationen vorgesehen … und haben im Durchschnitt höhere Preise. Diese Qualitäten werden ebenfalls von Unionsherstellern und ausführenden Herstellern verkauft.
(61) Die Kommission stellte jedoch fest, dass es auf dem PVA-Markt trotz der großen Anzahl von Qualitäten keine definierten Segmente gibt. Die verschiedenen Verwender können entsprechend der benötigten technischen Spezifikationen zahlreiche PVA-Qualitäten beziehen. Für manche Verwender ist der Aschegehalt am wichtigsten, für andere die Viskosität, und wiederum andere können zumeist jede Spezifikation verwenden. Jede Verwenderindustrie kann ein unterschiedliches Bündel an PVA-Qualitäten austauschbar verwenden. Obwohl bestimmte Verwender … nur eine begrenzte Zahl an Qualitäten verwenden können, überschneidet sich ihr Qualitätenspektrum mit dem anderer Verwenderkategorien, für die ein breiteres Qualitätenspektrum infrage kommt.
(62) Aus diesen Gründen kam die Kommission zu dem Schluss, dass alle Qualitäten zumindest in gewissem Maße miteinander konkurrieren und eine Segmentanalyse somit in diesem Fall weder gerechtfertigt noch zweckmäßig war. …
…
(64) In der von der Kommission durchgeführten Analyse wird bestätigt, dass die verschiedenen Qualitäten, wie in Erwägungsgrund 61 erläutert, zumindest in gewissem Umfang untereinander austauschbar sind. Selbst wenn es zutrifft, dass bestimmte Verwender für ihre Anwendung nur ein begrenztes Bündel an Qualitäten beziehen können, so beziehen sich diese Qualitäten nicht ausschließlich auf die nachgelagerte Branche eines Verwenders, sondern überschneiden sich mit Qualitäten, die von anderen nachgelagerten Anwendungen bezogen werden. Darüber hinaus ergab die Untersuchung, dass die chinesischen ausführenden Hersteller Qualitäten für alle vier Hauptanwendungsbereiche von PVA liefern und in vollem Umfang mit den vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Qualitäten konkurrieren.
…
(78) [D]ie verschiedenen PVA-Qualitäten [haben] die gleichen grundlegenden Eigenschaften … und [werden] im Wesentlichen für identische und austauschbare Zwecke verwendet … Der Asche- bzw. Methanolgehalt an sich ist nicht allein für den Verwendungszweck oder den Preis der betroffenen Ware entscheidend, denn die Eigenschaften einer Qualität, ihre möglichen Endverwendungen und ihr Verkaufspreis werden von der Kombination des Asche- und Methanolgehalts mit den anderen maßgeblichen Eigenschaften wie Viskosität und Hydrolysegrad bestimmt.
(79) Die im Rahmen der Untersuchung eingeholten Beweise ergaben, dass der durchschnittliche Preisunterschied zwischen PVA-Qualitäten mit ‚niedrigem Aschegehalt‘ einerseits und PVA-Qualitäten mit ‚standardmäßigem Aschegehalt‘ andererseits etwa 10 % beträgt. Allerdings können die Preise für PVA-Qualitäten mit gleichem Aschegehalt um bis zu 40 % schwanken. Außerdem können angeblich preiswertere Qualitäten mit ‚standardmäßigem‘ Aschegehalt um bis zu 27 % teurer sein als Qualitäten mit ‚niedrigem Aschegehalt‘. Daher kann weder der Schluss gezogen werden, dass der Unionsmarkt – wie von den interessierten Parteien behauptet – auf der Grundlage des Asche- und Methanolgehalts in hochwertige (vom Wirtschaftszweig der Union hergestellte) PVA und minderwertige (aus [China] eingeführte) PVA aufgeteilt ist, noch[,] dass sich diese angebliche Marktaufteilung in den Preisen und Herstellkosten niederschlägt. Vielmehr konkurrieren … mehrere Qualitäten mit angeblich ‚standardmäßigen‘ Spezifikationen auch mit angeblich ‚hochwertigen‘ Qualitäten der gleichartigen Ware.“
261 Folglich hat die Kommission sowohl das Vorliegen einer ausgeprägten Segmentierung des PVA-Markts als auch die starke Konzentration der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union und der gedumpten Einfuhren auf zwei unterschiedlichen Segmenten ausgeschlossen.
262 Da die Kommission eine objektive Prüfung der Preisunterbietung vornehmen musste (siehe oben, Rn. 254 und 256), ist zu überprüfen, ob ihre Feststellungen durch den Inhalt der Akten des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung, einschließlich der nicht ausdrücklich in der angefochtenen Verordnung erwähnten Gesichtspunkte, hinreichend untermauert werden (siehe oben, Rn. 152).
263 Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Kommission aufgefordert, die Gesichtspunkte der Akten zu benennen, die es ihr ermöglicht hätten, sowohl das Vorliegen einer Marktsegmentierung als auch die Konzentration der Einfuhren und der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union auf zwei unterschiedlichen Segmenten auszuschließen.
264 Die Kommission verwies insoweit auf die Antworten der PVA-Verwender auf ihr Auskunftsverlangen in Bezug auf ihre je PCN getätigten PVA-Einkäufe und auf die ihr von Kuraray bereitgestellten Daten.
265 Was das Fehlen einer ausgeprägten Segmentierung betrifft, hat die Kommission zwar ein Muster ihres Auskunftsverlangens, jedoch nicht die erhaltenen Antworten vorgelegt, die als vertraulich eingestuft wurden. Sie hat außerdem einen Auszug aus der Website von Kuraray eingereicht. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission, ohne dass ihr die Klägerinnen widersprochen haben, klargestellt, dass sich eine frühere Version dieses Auszugs in den Akten des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung befinde.
266 Der Auszug aus der Website von Kuraray belegt, dass mehrere PVA-Qualitäten ihre vorrangigen Verwendungen sowohl in Wirtschaftszweigen finden, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie qualitativ hochwertige PVA verwenden, als auch in Wirtschaftszweigen, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie PVA von geringerer Qualität verwenden. Wie die Kommission hervorhebt, werden mehrere PVA-Qualitäten, die von der Papier- und Klebstoffbranche verwendet werden, auch von der Polymerisationsbranche und zur Herstellung von Polyvinylbutyral verwendet. Folglich bestätigt dieser Auszug, dass der PVA-Markt keine ausgeprägte Segmentierung aufweist.
267 Soweit die erste Voraussetzung das Vorliegen einer ausgeprägten Segmentierung des fraglichen Produkts betrifft, ist es für den Ausschluss des Vorliegens dieser Voraussetzung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht erforderlich, dass alle Verwender unterschiedslos alle PVA-Qualitäten kaufen können und diese Qualitäten somit völlig austauschbar sind.
268 Daher ist festzustellen, dass die erste Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist.
269 Somit kann, ohne dass über die zweite Voraussetzung entschieden zu werden braucht, bereits festgestellt werden, dass die Kommission nicht verpflichtet war, zusätzlich zu der auf der PCN-Methode beruhenden Analyse eine weitere Analyse der Preisunterbietung durchzuführen.
270 Was die zweite Voraussetzung betrifft, ist jedenfalls auf Folgendes hinzuweisen.
271 In den Akten der vorliegenden Rechtssache befinden sich drei Tabellen, die in den Akten des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung enthalten waren und sich jeweils auf einen der drei wichtigsten kooperierenden chinesischen ausführenden Hersteller, darunter die Klägerinnen, beziehen. In diesen Tabellen sind die in die Union eingeführten PVA-Mengen je PCN ausgewiesen. Aus Gründen der Vertraulichkeit lässt sich diesen Tabellen jedoch nicht das Volumen der von Kuraray getätigten Verkäufe je PCN entnehmen. Aus den in den Tabellen aufgeführten Zahlen lässt sich ablesen, dass die Einfuhren insgesamt in den überarbeiteten, von den Klägerinnen nicht angefochtenen Versionen acht verschiedene PCN umfassen und bei zwei dieser PCN die Menge je PCN etwa 29 % der gesamten Einfuhren dieser ausführenden Hersteller beträgt, während bei den übrigen sechs PCN die Mengenanteile zwischen 3,24 % und 9,54 % liegen.
272 Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Einfuhren eine starke Konzentration abbilden, und somit ist auch ohne die Angaben zu den Verkäufen von Kuraray festzustellen, dass die zweite Voraussetzung nicht erfüllt ist.
273 Da die Voraussetzungen der oben in Rn. 258 angeführten Rechtsprechung nicht erfüllt sind, war die Kommission nicht verpflichtet, zusätzlich zu der auf der PCN-Methode beruhenden Analyse eine weitere Analyse der Preisunterbietung durchzuführen.
274 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.
– Zum zweiten Teil
275 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die Preisunterbietung nicht zutreffend festgestellt, da sie eine Berichtigung um 10 % vorgenommen habe, um die geringere Qualität der aus China eingeführten PVA in Bezug auf den Aschegehalt verglichen mit den in der Union hergestellten PVA zu berücksichtigen, es jedoch abgelehnt habe, weitere Berichtigungen vorzunehmen, um anderen qualitativen Unterschieden zwischen diesen PVA Rechnung zu tragen.
276 Die Kommission, unterstützt durch Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
277 In den maßgeblichen Erwägungsgründen der angefochtenen Verordnung heißt es:
„(423) Die Preisunterbietung durch die Einfuhren wurde anhand von Daten der mitarbeitenden ausführenden Hersteller im betroffenen Land und von Daten des Wirtschaftszweigs der Union zu Inlandsverkäufen für den Untersuchungszeitraum ermittelt. …
(424) Der Preisvergleich wurde für jeden Warentyp getrennt für Geschäftsvorgänge auf derselben Handelsstufe und unter Abzug von nachträglichen Preisnachlässen vorgenommen. Gegebenenfalls wurde der Einfuhrpreis der aus [China] eingeführten betroffenen Ware im Vergleich zu dem vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Typ der vergleichbaren Ware gebührend berichtigt.
(425) Was die zwischen der betroffenen Ware und der gleichartigen Ware bei bestimmten Merkmalen bestehenden Unterschiede betrifft, so konkurrieren … die aus [China] eingeführten Warentypen mit den vom Wirtschaftszweig der Union hergestellten und verkauf[t]en Warentypen. Da jedoch der Aschegehalt der von den mitarbeitenden ausführenden Herstellern produzierten und verkauften PVA insgesamt höher war als bei den vom Wirtschaftszweig der Union produzierten und verkauften PVA, hielt die Kommission im Interesse eines fairen Vergleichs zwischen den Warentypen aus China und aus der EU eine Berichtigung auf der Grundlage der PCN für gerechtfertigt. Die Berichtigung bestimmte die Kommission anhand des Unterschieds, der bei PVA-Einfuhren mit hohem und niedrigem Aschegehalt aus Drittländern auf der Grundlage der Angaben von Verwendern festgestellt wurde. Der Preisunterschied wurde auf 10 % festgelegt.
(426) Auf dieser Grundlage wurde eine Berichtigung von 10 % auf den CIF‑Preis der von den mitarbeitenden ausführenden Herstellern verkauften PVA mit hohem Aschegehalt aufgeschlagen.
…
(429) Da ferner der Methanolgehalt und die Verpackung vernachlässigbare Auswirkungen auf die Preise haben …, kam die Kommission zu dem Schluss, dass es für die Zwecke der Preisunterbietungsanalyse vertretbar war, diese Merkmale außer Acht zu lassen.“
278 Vor dem Gericht hat die Kommission erklärt, dass die PCN, wie einem Fragebogen zu entnehmen sei, den sie den chinesischen ausführenden Herstellern übersandt habe, anhand von fünf PVA-Merkmalen festgelegt worden seien, und zwar Viskosität, Hydrolysegrad, Aschegehalt, Methanolgehalt und Verpackung.
279 Somit hielt es die Kommission für erforderlich, die Preise einiger aus China eingeführter Warentypen, die in Bezug auf Viskosität und Hydrolysegrad den vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Warentypen entsprachen, wegen des unterschiedlichen Aschegehalts, der bei Ersteren höher war als bei Letzteren, um 10 % nach oben zu korrigieren. Demgegenüber schloss sie aus, dass weitere Berichtigungen aufgrund des unterschiedlichen Methanolgehalts und unterschiedlicher Verpackungen gerechtfertigt sein könnten.
280 Die Klägerinnen stellen nicht in Frage, dass die von der Kommission wegen des unterschiedlichen Aschegehalts vorgenommene Berichtigung in Höhe von 10 % rechtmäßig war, doch machen sie geltend, dass weitere Berichtigungen erforderlich gewesen seien.
281 Sie haben jedoch keinen Beweis dafür vorgelegt, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie annahm, dass die Unterschiede in Bezug auf den Methanolgehalt und die Verpackung zwischen Warentypen, die im Hinblick auf ihre Viskosität und ihren Hydrolysegrad vergleichbar waren, die Preise dieser Warentypen nicht erheblich beeinträchtigten.
282 Folglich ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.
– Zum dritten Teil
283 Die Klägerinnen machen geltend, sowohl aus den Erwägungsgründen 432 und 433 der angefochtenen Verordnung als auch aus den Informationen, die sie von der Kommission erhalten hätten bzw. die ihnen andere ausführende Hersteller zur Verfügung gestellt hätten, ergebe sich, dass die Kommission bei ihrer Analyse der Preisunterbietung 100 % der PVA-Einfuhren aus China mit 82 % der PVA-Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union verglichen habe. Die Kommission habe nämlich festgestellt, dass es zwischen den vom Wirtschaftszweig der Union verkauften PCN und den von den chinesischen ausführenden Herstellern verkauften PCN eine Überschneidung von 82 % gebe. Somit habe sie 18 % der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union von ihrer Analyse ausgeschlossen. Dadurch habe sie gegen die Verpflichtung gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung verstoßen, die Preisunterbietung für die als Ganzes betrachtete Ware festzustellen.
284 Die Klägerinnen bestreiten, dass die angefochtene Verordnung so ausgelegt werden könne, dass die Kommission 100 % der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union mit 82 % der Verkäufe der chinesischen ausführenden Hersteller verglichen habe, und stützen sich dabei auf die sie selbst und die anderen ausführenden Hersteller betreffenden Berechnungen der Preisunterbietung, denen zu entnehmen sei, dass 100 % der Einfuhren mit 82 % der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union verglichen worden seien. Sie machen geltend, dass, selbst wenn dieser Auslegung gefolgt würde, die Kommission in jedem Fall gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung verstoßen habe, da sie verpflichtet gewesen sei, 100 % der Einfuhren zu berücksichtigen.
285 Die Kommission, unterstützt durch Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
286 In den Erwägungsgründen 432 und 433 der angefochtenen Verordnung heißt es:
„(432) Wacker und die chinesischen ausführenden Hersteller trugen vor, dass 18 % der Ausfuhren aus [China] nicht vom Wirtschaftszweig der Union verkauft worden wären, weil man für die Menge keine vergleichbaren PCN gefunden hätte. Um ihr Vorbringen, dass die Schadensanalyse der Kommission nur auf einer begrenzten Menge der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union und nicht der gesamten gleichartigen Ware basiere, zu untermaue[r]n, nahmen die Parteien auf das Urteil [vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691),] Bezug.
(433) Erstens wies die Kommission darauf hin, dass gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt wurden und es daher nicht als verbindlich betrachtet werden kann. Zweitens schreibt die Grundverordnung nicht vor, dass die Kommission für jeden Warentyp getrennt eine Preisanalyse durchführt. Die rechtliche Anforderung ist eine Preisbestimmung auf der Stufe der gleichartigen Ware. PCN werden zwar als Ausgangspunkt für eine solche Bewertung genutzt, das heißt aber nicht, dass verschiedene PCN nicht im Wettbewerb zueinander stehen können. Die Tatsache, dass gewisse PCN des Wirtschaftszweigs der Union nicht mit Einfuhren verglichen wurden, bedeutet nicht, das[s] sie keinem Preisdruck durch die gedumpten Einfuhren ausgesetzt sind. Es ist nur ein vorbereitender Zwischenschritt dieses vorgeschriebenen Preisvergleichs, dass zunächst die Spannen auf der Stufe der PCN berechnet und auf diese Weise Preisunterbietung und Zielpreisunterbietung festgestellt werden. Dieser Schritt ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, stellt aber die Standardpraxis der Kommission dar. Drittens überrascht es in Fällen, in denen Stichprobenverfahren angewendet werden, nicht, dass die Einfuhren der in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller und die Verkäufe des in der Stichprobe einbezogenen Wirtschaftszweigs der Union nicht vollständig kongruent sind. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass es keine Einfuhren bestimmter Warentypen gab, sondern dass diese Typen von den in der Stichprobe enthaltenen ausführenden Herstellern während des Untersuchungszeitraums nicht in die Union ausgeführt wurden. Und schließlich zog die Kommission … den Schluss, dass alle PVA-Qualitäten zumindest in einem gewissen Ausmaß miteinander konkurrierten. Daher stellen die 18 % der Ausfuhren der in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Hersteller, die nicht vom Wirtschaftszweig der Union verkauft wurden, keine eigene Kategorie der betroffenen Ware dar, sondern stehen in vollständigem Wettbewerb mit den restlichen Qualitäten, für die eine Entsprechung gefunden wurde. Darüber hinaus handelte es sich bei den vom Wirtschaftszweig der Union nicht verkauften PCN um Warentypen, die für die Anwendung in der Klebstoff‑, Polymerisations- und Papierbranche geeignet sind und daher mit anderen, vom Wirtschaftszweig der Union für die Verwendung in denselben Anwendungsbereichen hergestellten und verkauften Warentypen im direkten Wettbewerb stehen, auch wenn sie nicht für die Quantifizierung der Preisunterbietung genutzt werden.“
287 In den Erwägungsgründen 432 und 433 der angefochtenen Verordnung fasste die Kommission ein Argument zusammen, das die Klägerinnen aus dem Urteil vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), hergeleitet hatten, und verwarf es anschließend.
288 In den Rn. 68 bis 75 des Urteils vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), hat das Gericht im Wesentlichen festgestellt, dass die Kommission dadurch, dass sie bei der Analyse der Preisunterbietung ein bestimmtes, von den in die Stichprobe einbezogenen Unionsherstellern hergestelltes Volumen der betroffenen Ware, nämlich 17 der 66 identifizierten Warentypen, das 8 % des Verkaufsvolumens dieser Hersteller ausmache und nicht von den in die Stichprobe einbezogenen chinesischen ausführenden Herstellern ausgeführt worden sei, nicht berücksichtigt habe, unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung nicht alle relevanten Daten jenes Falles berücksichtigt habe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 22).
289 Für die Zurückweisung des Arguments, das die Klägerinnen aus dem Urteil vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), abgeleitet hatten, stellte die Kommission zunächst im ersten Satz des 433. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung fest, dass gegen das Urteil ein Rechtsmittel eingelegt worden sei.
290 Sodann verteidigte die Kommission im zweiten bis neunten Satz des 433. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens in der Verordnung, die in der Rechtssache, in der das Urteil vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), ergangen ist, angefochten war, wobei sie auch allgemeine Erwägungen zur Analyse der Preisunterbietung unter Anwendung der PCN-Methode anstellte. In diesem Zusammenhang stellte sie fest, dass „gewisse PCN des Wirtschaftszweigs der Union nicht mit Einfuhren verglichen wurden“. Daher kann dieser Satzteil nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission eingeräumt hätte, im vorliegenden Fall bestimmte vom Wirtschaftszweig der Union hergestellte PCN nicht berücksichtigt zu haben.
291 Schließlich prüfte die Kommission im zehnten bis zwölften Satz des 433. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung die Umstände des vorliegenden Falles. Diesen Sätzen ist zu entnehmen, dass zum einen für 18 % der in die Union ausgeführten PVA der in die Stichprobe einbezogenen chinesischen ausführenden Hersteller kein entsprechender, vom Wirtschaftszweig der Union verkaufter Warentyp habe gefunden werden können und zum anderen aufgrund des Umstands, dass alle PVA in einem gewissen Ausmaß miteinander konkurrierten, die vom Wirtschaftszweig der Union verkauften PVA auch mit den 18 % der PVA‑Importe aus China konkurrierten.
292 Somit verknüpfte die Kommission jeden Warentyp, der vom Wirtschaftszweig der Union verkauft wurde, mit einem eingeführten Warentyp, und darüber hinaus war sie der Auffassung, dass in Bezug auf eingeführte Warentypen, für die sich bei den vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Warentypen keine Entsprechung finde, dennoch ein Wettbewerbsverhältnis bestehe. Die Kommission nahm dadurch die Analyse vor, die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung vorgeschrieben ist und darin besteht, die Auswirkungen der „gedumpten Einfuhren“ auf die Preise des Wirtschaftszweigs der Union zu untersuchen (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 161), und prüfte die Preisunterbietung für die als Ganzes betrachtete Ware.
293 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist diese Auslegung des 433. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung mit den Erläuterungen der Kommission im Rahmen des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung vereinbar, denen zufolge „der prozentuale Anteil der Übereinstimmungen zwischen dem Wirtschaftszweig der Union und den in die Stichprobe einbezogenen chinesischen ausführenden Unternehmen 82 % beträgt“. Denn den Erläuterungen ist zwar zu entnehmen, dass keine vollständige Übereinstimmung festgestellt werden konnte, doch geht aus der Formulierung der Kommission nicht hervor, ob der Überschuss an verkauften Warentypen dem Wirtschaftszweig der Union oder den chinesischen ausführenden Herstellern zuzuschreiben ist.
294 Diese Auslegung des 433. Erwägungsgrundes der angefochtenen Verordnung wird auch nicht durch die Tabellen in Frage gestellt, die die Klägerinnen in der Anlage ihrer Erwiderung übermittelt haben. In den Tabellen finden sich nämlich für jeden ausführenden Hersteller, der in die Stichprobe einbezogen wurde, darunter die Klägerinnen, die PCN, bei denen eine Übereinstimmung zwischen den eingeführten Warentypen und den vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Warentypen besteht. Zwar sind in den Tabellen aus Gründen der Vertraulichkeit nicht die Mengen ausgewiesen, die der Wirtschaftszweig der Union je PCN verkaufte, doch lässt dies nicht den Schluss zu, dass nur 82 % der Verkäufe dieses Wirtschaftszweigs berücksichtigt wurden, wie die Klägerinnen behaupten.
295 Daher ist das Argument der Klägerinnen, die Kommission habe bei der Prüfung der Preisunterbietung nicht alle PVA-Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union berücksichtigt, sachlich unzutreffend.
296 Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Kommission bestimmte, vom Wirtschaftszweig der Union verkaufte Warentypen bei der Analyse der Preisunterbietung ausgeschlossen hat, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass das Urteil vom 24. September 2019, Hubei Xinyegang Special Tube/Kommission (T‑500/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:691), vom Gerichtshof aufgehoben worden ist. Der Gerichtshof hat den Schluss gezogen, dass das Gericht in jenem Urteil rechtsfehlerhaft entschieden hatte, dass die Kommission im Rahmen der Analyse der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise des Wirtschaftszweigs der Union gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung und insbesondere im Rahmen der Analyse der Preisunterbietung unter allen Umständen verpflichtet sei, sämtliche von diesem Wirtschaftszweig verkaufte Waren zu berücksichtigen, einschließlich der in Rede stehenden Warentypen, die nicht von den in die Stichprobe einbezogenen ausführenden Herstellern ausgeführt worden seien (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube, C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 159).
297 Wie die Klägerinnen hervorheben, ergibt sich aus den Rn. 138 bis 140 des Urteils vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube (C‑891/19 P, EU:C:2022:38), dass eine solche Verpflichtung der Kommission nur dann besteht, wenn die erste und die zweite Voraussetzung (siehe oben, Rn. 258) erfüllt sind. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist dies hier jedoch nicht der Fall (siehe oben, Rn. 265 bis 272).
298 Folglich ist auch der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.
299 Da alle Teile des vierten Klagegrundes, die einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung betreffen, zurückgewiesen worden sind, können die Klägerinnen auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission aufgrund dieses Verstoßes auch gegen Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung verstoßen habe (siehe oben, Rn. 222).
300 Nach alledem ist der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte
301 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, da sie ihnen, obwohl sie dies beantragt hätten, keine Informationen über die verkauften Mengen und Verkaufspreise des Wirtschaftszweigs der Union je PCN sowie die Preis- und Zielpreisunterbietungsspannen je PCN (im Folgenden: „streitige Informationen“) zur Verfügung gestellt habe. Sie werfen der Kommission vor, ihnen nicht zumindest Bandbreiten zu diesen Informationen mitgeteilt zu haben. Zwar sehe Art. 19 der Grundverordnung die vertrauliche Behandlung bestimmter Informationen vor, doch dürfe seine Anwendung nicht dazu führen, dass den Verteidigungsrechten ihr wesentlicher Inhalt genommen werde. Nach Art. 19 Abs. 2 der Grundverordnung seien interessierte Parteien, die sich auf die Vertraulichkeit der übermittelten Informationen beriefen, verpflichtet, eine nicht vertrauliche Zusammenfassung dieser Informationen vorzulegen oder zumindest die Gründe anzugeben, aus denen eine Zusammenfassung nicht möglich sei. Zudem sei es unerheblich, dass die angeblich vertraulichen Daten nur einen Hersteller in der Union beträfen.
302 Die Klägerinnen sind der Auffassung, sie müssten für die Begründetheit des vorliegenden Klagegrundes nicht darlegen, dass das Untersuchungsergebnis anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen sei. Da ihnen jedoch die streitigen Informationen nicht vorgelegen hätten, sei es ihnen nicht möglich gewesen, zu beurteilen, ob für bestimmte PCN keine Preis- oder Zielpreisunterbietung festgestellt worden sei, oder zu ermitteln, mit welchen PCN der Wirtschaftszweig der Union den überwiegenden Teil seiner Verkäufe getätigt habe. Diese Informationen seien daher unerlässlich, um die Richtigkeit der Feststellung der Preisunterbietung, deren Analyse eine Untersuchung der Marktanteile der verschiedenen PCN erfordern könne, als auch des Vorliegens eines diesem Wirtschaftszweig durch die Einfuhren entstandenen Schadens überprüfen zu können.
303 Die Kommission, unterstützt durch Kuraray und Sekisui, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.
304 Für die Prüfung des vorliegenden Klagegrundes ist auf die maßgeblichen Bestimmungen hinzuweisen.
305 In Art. 19 der Grundverordnung heißt es:
„(1) Alle Informationen, die ihrer Natur nach vertraulich sind (beispielsweise, weil ihre Preisgabe einem Konkurrenten erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen würde oder für den Auskunftgeber oder die Person, von der der Auskunftgeber die Informationen erhalten hat, von erheblichem Nachteil wäre) oder von den Parteien auf vertraulicher Grundlage für eine Antidumpinguntersuchung zur Verfügung gestellt werden, sind bei entsprechender Begründung von den Behörden vertraulich zu behandeln.
(2) Die interessierten Parteien, die vertrauliche Informationen übermitteln, werden aufgefordert, eine nichtvertrauliche Zusammenfassung dieser Informationen vorzulegen. Diese Zusammenfassungen müssen so ausführlich sein, dass sie ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen ermöglichen. Unter besonderen Umständen können diese Parteien erklären, dass diese Informationen nicht zusammengefasst werden können. Unter diesen besonderen Umständen werden die Gründe angegeben, aus denen eine Zusammenfassung nicht möglich ist.
…
(4) Dieser Artikel steht der Bekanntgabe allgemeiner Informationen durch die Unionsorgane und insbesondere der Gründe für die in Anwendung dieser Verordnung getroffenen Entscheidungen sowie der Bekanntgabe von Beweisen, auf die sich die Unionsorgane gestützt haben, nicht entgegen, sofern dies zur Erläuterung dieser Gründe in gerichtlichen Verfahren erforderlich ist. Diese Bekanntgabe trägt dem berechtigten Interesse der betroffenen Parteien an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung.
(5) Die Kommission und die Mitgliedstaaten, einschließlich deren jeweilige Bedienstete, geben die Informationen, die sie gemäß dieser Verordnung erhalten haben und deren vertrauliche Behandlung vom Auskunftgeber beantragt worden ist, nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis dieses Auskunftgebers bekannt. …
…“
306 In Art. 20 der Grundverordnung heißt es:
„(1) Die Antragsteller, die Einführer und Ausführer sowie ihre repräsentativen Verbände und die Vertreter des Ausfuhrlandes können eine Unterrichtung über die wesentlichen Tatsachen und Erwägungen beantragen, auf deren Grundlage die vorläufigen Maßnahmen eingeführt worden sind. …
(2) Die in Absatz 1 genannten Parteien können die endgültige Unterrichtung über die wichtigsten Tatsachen und Erwägungen beantragen, auf deren Grundlage beabsichtigt wird, die Einführung endgültiger Maßnahmen oder die Einstellung einer Untersuchung oder eines Verfahrens ohne die Einführung von Maßnahmen zu empfehlen, wobei die Unterrichtung über die Tatsachen und Erwägungen besondere Beachtung verdient, die sich von denjenigen unterscheiden, die für die vorläufigen Maßnahmen herangezogen wurden.
…“
307 In Art. 6 Abs. 7 der Grundverordnung heißt es:
„Die Antragsteller, die Einführer und Ausführer … können auf schriftlichen Antrag alle von einer von der Untersuchung betroffenen Partei zur Verfügung gestellten Unterlagen mit Ausnahme der von den Behörden der Union oder ihrer Mitgliedstaaten erstellten internen Dokumente einsehen, die für die Darlegung ihres Standpunktes erheblich und nicht vertraulich im Sinne des Artikels 19 sind und bei der Untersuchung verwendet werden.
…“
308 Mit diesen Bestimmungen verfolgt die Grundverordnung zwei Ziele, die zum einen den Beteiligten gestatten sollen, ihre Interessen sachgerecht zu verteidigen, und zum anderen die Vertraulichkeit der in der Untersuchung eingeholten Informationen wahren sollen (Urteil vom 30. Juni 2016, Jinan Meide Casting/Rat, T‑424/13, EU:T:2016:378, Rn. 96; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).
309 Was das erste, oben in Rn. 308 genannte Ziel betrifft, ist die Wahrung der Verteidigungsrechte in allen gegen eine Person eröffneten Verfahren, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können, ein elementarer Grundsatz des Unionsrechts, der auch dann zu beachten ist, wenn es an einer Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Der Beachtung dieses Grundsatzes kommt in Verfahren über Antidumpinguntersuchungen größte Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).
310 Nach diesem Grundsatz müssen die betroffenen Unternehmen im Lauf des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt zur Richtigkeit und Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den Beweisen, auf die die Kommission ihren Vorwurf des Vorliegens eines Dumpings und eines daraus resultierenden Schadens stützt, sachgerecht zu vertreten (vgl. Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).
311 Was das zweite, oben in Rn. 308 genannte Ziel betrifft, ist der Schutz des Geschäftsgeheimnisses ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts. Die Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs stellt ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit dar, dessen Schutz die Ablehnung der Offenlegung von unter das Geschäftsgeheimnis fallenden Informationen rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2016, Jinan Meide Casting/Rat, T‑424/13, EU:T:2016:378, Rn. 165 und die dort angeführte Rechtsprechung).
312 Um die beiden fraglichen Ziele miteinander in Einklang zu bringen, müssen die Unionsorgane bei der Erfüllung ihrer Informationspflicht mit der erforderlichen Sorgfalt handeln und sich bemühen, den betroffenen Unternehmen, soweit dabei das Geschäftsgeheimnis gewahrt bleibt, die der Wahrnehmung ihrer Interessen dienenden Angaben zu machen und dafür – gegebenenfalls von Amts wegen – die geeignete Form der Mitteilung zu wählen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 141).
313 Die beiden Ziele müssen auch deshalb miteinander in Einklang gebracht werden, weil nach der Rechtsprechung Art. 19 der Grundverordnung nicht nur der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, sondern auch dem Schutz der Verteidigungsrechte der anderen Parteien des Antidumpingverfahrens dient (vgl. Urteil vom 15. Oktober 2020, Zhejiang Jiuli Hi-Tech Metals/Kommission, T‑307/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:487, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).
314 Der Schutz der unter das Geschäftsgeheimnis fallenden Informationen verlangt nicht, dass grundsätzlich jede Offenlegung dieser Informationen gegenüber den Beteiligten unabhängig von den Umständen ausgeschlossen wird. Insbesondere ist die spezielle Situation eines Beteiligten im Hinblick auf diese Informationen und namentlich die jeweilige Stellung dieses Beteiligten auf dem betreffenden Markt im Verhältnis zu derjenigen der Person, die diese Informationen vorlegte, zu beurteilen (Urteil vom 30. Juni 2016, Jinan Meide Casting/Rat, T‑424/13, EU:T:2016:378, Rn. 199; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 159).
315 Die Rechtsprechung stellt klar, dass die Pflicht zur Wahrung vertraulicher Informationen nicht so verstanden werden kann, dass den Verteidigungsrechten ihr wesentlicher Inhalt genommen würde (vgl. Urteil vom 1. Juni 2017, Changmao Biochemical Engineering/Rat, T‑442/12, EU:T:2017:372, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).
316 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem 435. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung und einem Schreiben der Klägerinnen an die Kommission vom 8. Juli 2020, dass die Klägerinnen nach Erhalt der endgültigen Unterrichtung Zugang zu den streitigen Informationen beantragten.
317 Mit E‑Mail vom 13. Juli 2020 teilte Kuraray der Kommission mit, dass sie einer Übermittlung der streitigen Informationen an die Klägerinnen widerspreche, einschließlich einer Übermittlung in Form von Bandbreiten als Ersatz für die genauen Werte. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, war diese E‑Mail die Antwort von Kuraray auf eine E‑Mail, die ihr die Kommission nach Erhalt des oben in Rn. 316 genannten Schreibens der Klägerinnen vom 8. Juli 2020 übersandt hatte. Kuraray machte geltend, die streitigen Informationen seien ihrer Natur nach vertraulich im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Grundverordnung und die Offenlegung zusätzlicher Informationen über die Berechnungen der Preis- und Zielpreisunterbietung würde ihren Wettbewerbern einen Vorteil verschaffen und sich sehr negativ auf sie auswirken, da sie die einzige in die Stichprobe einbezogene Herstellerin der Union sei, die die betroffene Ware an Dritte verkaufe. Diese Offenlegung, die Informationen zu den im Untersuchungszeitraum verkauften PVA-Mengen sowie den Durchschnittspreisen je PCN betreffe, würde ihren Geschäftstätigkeiten in der Union einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen.
318 Außerdem könnten die Klägerinnen anhand der ihnen bereits übermittelten Informationen zur Preis- und Zielpreisunterbietung nachvollziehen, welcher Schaden dem Wirtschaftszweig der Union durch die Einfuhren entstehe, und von ihren Verteidigungsrechten Gebrauch machen. Auf jeden ausführenden Hersteller werde ein Antidumpingzoll in gleicher Höhe für alle seine Ausfuhren der betroffenen Ware in die Union angewandt, ohne dass nach PCN unterschieden werde.
319 Mit E‑Mail vom 14. Juli 2020 teilte die Kommission den Klägerinnen mit, dass sie nach Prüfung ihres Antrags auf Zugang zu den streitigen Informationen entschieden habe, den Antrag zurückzuweisen, da die Informationen vertraulich im Sinne von Art. 19 der Grundverordnung seien. Die Gründe, die die Kommission für ihre Entscheidung anführte, stimmen mit den Gründen überein, auf die sich Kuraray berufen hatte und die oben in Rn. 318 wiedergegeben worden sind.
320 Im 436. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung wies die Kommission darauf hin, dass sie gemäß Art. 19 der Grundverordnung die streitigen Informationen nicht habe offenlegen können, da eine Offenlegung in diesem Detaillierungsgrad es ermöglichen würde, vertrauliche Verkaufs- oder Produktionsdaten einzelner Unionshersteller entweder direkt oder mit Hilfe zusätzlicher Marktinformationen zu rekonstruieren.
321 Gemäß Art. 19 Abs. 1 und 5 der Grundverordnung war die Kommission aufgrund des Widerspruchs von Kuraray nicht befugt, den Klägerinnen die streitigen Informationen zu übermitteln (vgl. entsprechend Urteile vom 30. Juni 2016, Jinan Meide Casting/Rat, T‑424/13, EU:T:2016:378, Rn. 178, und vom 19. Mai 2021, China Chamber of Commerce for Import and Export of Machinery and Electronic Products u. a./Kommission, T‑254/18, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:278, Rn. 477).
322 Wenn jedoch Informationen wegen ihres vertraulichen Charakters nicht übermittelt werden können, sind die Parteien, von denen diese Informationen stammen, nach Art. 19 Abs. 2 der Grundverordnung verpflichtet, eine nicht vertrauliche Zusammenfassung der Informationen vorzulegen, sobald dies möglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2021, China Chamber of Commerce for Import and Export of Machinery and Electronic Products u. a./Kommission, T‑254/18, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:278, Rn. 483).
323 Daher ist zu prüfen, ob die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerinnen dadurch verletzte, dass sie keine Maßnahmen traf, die es den Klägerinnen ermöglichten, die streitigen Informationen in Form von nicht vertraulichen Zusammenfassungen gemäß Art. 19 Abs. 2 der Grundverordnung zu erhalten.
324 Insoweit ist im Einklang mit den oben in den Rn. 20 bis 22 genannten Grundsätzen auf die Entscheidungen des DSB zu den Art. 6.5 und 6.5.1 des Antidumping-Übereinkommens zu verweisen, die im Wesentlichen Art. 19 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 5 Satz 1 der Grundverordnung entsprechen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 30. Juni 2016, Jinan Meide Casting/Rat, T‑424/13, EU:T:2016:378, Rn. 103, 188 und 190).
325 Dem Bericht des Berufungsgremiums in der Streitsache „Europäische Gemeinschaften – Endgültige Antidumpingmaßnahmen gegen bestimmte Befestigungselemente aus Eisen oder Stahl aus China“, angenommen vom DSB am 28. Juli 2011 (WT/DS 397/AB/R, Rn. 542 bis 544), ist in Bezug auf die gemäß Art. 6.5 des Antidumping-Übereinkommens als vertraulich zu behandelnden Informationen zu entnehmen, dass die zuständige Behörde nach Art. 6.5.1 verpflichtet ist, die Bereitstellung einer nicht vertraulichen Zusammenfassung der Informationen zu verlangen. Ob die Zusammenfassung ausreichend ist, hängt von den in Rede stehenden vertraulichen Informationen ab, doch muss die Zusammenfassung ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der nicht übermittelten Informationen ermöglichen, damit die anderen von der Untersuchung betroffenen Parteien in die Lage versetzt werden, Stellung zu nehmen und ihre Interessen zu verteidigen. Gemäß Art. 6.5.1 des Antidumping-Übereinkommens besteht die Möglichkeit, dass sich vertrauliche Informationen unter besonderen Umständen nicht für eine Zusammenfassung eignen. Unter diesen besonderen Umständen kann eine Partei erklären, dass sie keine nicht vertrauliche Zusammenfassung der vertraulich übermittelten Informationen vorlegen kann, doch muss sie die Gründe angeben, aus denen eine Zusammenfassung nicht möglich ist. Die zuständige Behörde ist wiederum verpflichtet, diese Begründung genau zu prüfen, um zu entscheiden, ob das Vorliegen besonderer Umstände nachgewiesen wurde und die angegebenen Gründe in angemessener Weise darlegen, warum unter diesen Umständen keine Zusammenfassung bereitgestellt werden kann, die ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der Informationen ermöglicht. Eine Zusammenfassung vertraulicher Informationen kann nicht bereitgestellt werden, wenn keine andere Methode zur Präsentation der Informationen denkbar ist, bei der die sensiblen Informationen nicht offenlegt werden oder die hinreichend detailliert ist, um ein angemessenes Verständnis des wesentlichen Inhalts der vertraulichen Informationen zu ermöglichen.
326 Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass Kuraray, als sie der Offenlegung der streitigen Informationen, einschließlich einer Übermittlung in Form von Bandbreiten, widersprach, sich weigerte, der Verpflichtung nachzukommen, nicht vertrauliche Zusammenfassungen dieser Informationen vorzulegen, und insoweit geltend machte, es liege ein besonderer Umstand vor, da sie die einzige Herstellerin in der Union sei, deren Verkäufe die Kommission bei der Analyse der Preis- und Zielpreisunterbietung berücksichtigt habe. Zum anderen prüfte die Kommission die Argumente von Kuraray und kam zu dem Ergebnis, dass deren Standpunkt begründet sei, auch angesichts des im 436. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung im Wesentlichen dargelegten Umstands, dass die chinesischen ausführenden Hersteller die angeforderten Informationen im Licht der ihnen bereits vorliegenden Marktinformationen hätten auslegen können.
327 Somit hielt sich die Kommission an das Vorgehen, das in den maßgeblichen Bestimmungen für die Abwägung der zwei oben in Rn. 308 genannten Ziele vorgesehen ist.
328 Was die Richtigkeit der Beurteilung der Kommission betrifft, ist angesichts der Vertraulichkeit der streitigen Informationen und der besonderen Umstände des vorliegenden Falles festzustellen, dass sie keinen Fehler beging, als sie die Offenlegung der Informationen ablehnte.
329 Dass die Kommission keinen Fehler beging, wird durch den Umstand erhärtet, dass die Klägerinnen nach dem Erhalt der E‑Mail, mit der die Kommission ihren Antrag auf Zugang zu den streitigen Informationen zurückwies (siehe oben, Rn. 319), nicht den Anhörungsbeauftragten anriefen, obwohl sie nach Art. 15 des Beschlusses (EU) 2019/339 des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 21. Februar 2019 über die Funktion und das Mandat des Anhörungsbeauftragten bei bestimmten Handelsverfahren (ABl. 2019, L 60, S. 20) die Möglichkeit dazu hatten.
330 Indem die Klägerinnen davon absahen, den Anhörungsbeauftragten mit der Angelegenheit zu befassen, stimmten sie der von der Kommission vorgenommenen Abwägung der fraglichen Ziele zu.
331 Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung zwar vom Kläger nicht verlangt werden kann, nachzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung der Kommission ohne den betreffenden Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre, sondern nur, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist, wenn sich dieser Beteiligte ohne den Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können, jedoch eine Unregelmäßigkeit in Bezug auf die Verteidigungsrechte nur dann zur Nichtigerklärung der in Rede stehenden Handlung führen kann, wenn die Möglichkeit besteht, dass wegen dieser Unregelmäßigkeit das Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können und damit die Verteidigungsrechte konkret beeinträchtigt wurden (vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Zhejiang Jiuli Hi-Tech Metals/Kommission, C‑718/20 P, EU:C:2022:362, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
332 Hierzu tragen die Klägerinnen erstens vor, dass es nicht zu einer Verwechslung der im Rahmen der Analyse der Preisunterbietung untersuchten prozentualen Anteile der eingeführten und vom Wirtschaftszweig der Union verkauften Waren gekommen wäre, wenn sie die streitigen Informationen erhalten hätten (vgl. den dritten Teil des vierten Klagegrundes). Diese Verwechslung hat jedoch keine Auswirkung auf das Bestehen der Möglichkeit, dass das Verfahren der Kommission zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Jedenfalls hätten die Klägerinnen, wenn sie die Erläuterungen der Kommission (siehe oben, Rn. 293) für unklar hielten, nähere Angaben von ihr anfordern können.
333 Die Klägerinnen machen zweitens geltend, unter bestimmten Umständen könne es angebracht sein, die Marktanteile der verschiedenen in Rede stehenden Warentypen zu untersuchen, um die Objektivität der Prüfung des Vorliegens einer erheblichen Preisunterbietung auf der Ebene der gleichartigen Ware sicherzustellen. Um sich mit Erfolg auf das Vorliegen solcher Umstände berufen zu können, müsse eine interessierte Partei über Informationen zu diesen Marktanteilen verfügen.
334 Da unter bestimmten Umständen, wie oben in den Rn. 256 bis 258 dargelegt, die Möglichkeit besteht, dass die Analyse der Preisunterbietung nach Marktsegmenten vorgenommen werden muss, kann nicht von vornherein völlig ausgeschlossen werden, dass die Klägerinnen, wenn ihnen nicht vertrauliche Zusammenfassungen der streitigen Informationen vorgelegen hätten, in der Lage gewesen wären, geeignete Argumente zum Nachweis dafür vorzutragen, dass die Umstände des vorliegenden Falles eine solche Analyse erforderlich machten.
335 Wie sich jedoch aus der Prüfung des vierten Klagegrundes, insbesondere aus den vorstehenden Rn. 265 bis 272 ergibt, stellt der vorliegende Fall keinen Umstand dar, der die Kommission verpflichtet, eine Analyse der Preisunterbietung nach Marktsegmenten durchzuführen. Somit ist ausgeschlossen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn den Klägerinnen die genannten Zusammenfassungen vorgelegen hätten.
336 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.
Schlussfolgerungen zum Ausgang der Klage
337 Die Prüfung der von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe und ihrer jeweiligen Teile hat ergeben, dass die angefochtene Verordnung in Bezug auf die Klägerinnen für nichtig zu erklären ist, soweit die Kommission bei der Berechnung des Antidumpingzollsatzes auf die Einfuhren der von den Klägerinnen hergestellten und verkauften PVA in die Union gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. e, g, i und k der Grundverordnung Berichtigungen des Ausfuhrpreises nach unten vorgenommen hat.
338 Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Kosten
339 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Klägerinnen aufzuerlegen.
340 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Parlament und der Rat tragen somit ihre eigenen Kosten.
341 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall tragen Wegochem, Kuraray und Sekisui ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Durchführungsverordnung (EU) 2020/1336 der Kommission vom 25. September 2020 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren bestimmter Polyvinylalkohole mit Ursprung in der Volksrepublik China wird in Bezug auf die Sinopec Chongqing SVW Chemical Co. Ltd, die Sinopec Great Wall Energy & Chemical (Ningxia) Co. Ltd und die Central-China Company, Sinopec Chemical Commercial Holding Co. Ltd für nichtig erklärt, soweit die Europäische Kommission bei der Berechnung des Antidumpingzollsatzes auf die Einfuhren der von diesen Unternehmen hergestellten und verkauften Polyvinylalkohole in die Europäische Union gemäß Art. 2 Abs. 10 Buchst. e, g, i und k der Verordnung (EU) 2016/1036 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern Berichtigungen des Ausfuhrpreises nach unten vorgenommen hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die der Sinopec Chongqing SVW Chemical Co., der Sinopec Great Wall Energy & Chemical (Ningxia) Co. und der Central-China Company, Sinopec Chemical Commercial Holding Co. entstandenen Kosten.
4. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.
5. Die Wegochem Europe BV, die Kuraray Europe GmbH und die Sekisui Specialty Chemicals Europe SL tragen ihre eigenen Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Februar 2024.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Sachverhalt
Anträge der Parteien
Rechtliche Würdigung
Zum ersten Klagegrund: Unvereinbarkeit der Anwendung von Art. 2 Abs. 6a der Grundverordnung mit den Verpflichtungen aus dem WTO-Recht
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 10 der Grundverordnung und offensichtlicher Beurteilungsfehler
Zum ersten Teil
– Anwendbare Vorschriften
– Zur Beweislage
– Zu den von der Kommission zusammengetragenen Anhaltspunkten
Zum zweiten Teil
Zum dritten Teil
– Zur ersten Rüge
– Zur zweiten Rüge
Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 und 5 der Grundverordnung sowie Art. 6.8 und Anhang II des Antidumping-Übereinkommens
Zur ersten Rüge
Zur zweiten Rüge
Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 der Grundverordnung bei der Feststellung der Preisunterbietung und Verstoß gegen Art. 3 Abs. 6 der Grundverordnung
Zur Schlüssigkeit des vierten Klagegrundes
Zur Begründetheit des vierten Klagegrundes
– Zum ersten Teil
– Zum zweiten Teil
– Zum dritten Teil
Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte
Schlussfolgerungen zum Ausgang der Klage
Kosten