C-784/18 P – Mellifera/ Kommission

C-784/18 P – Mellifera/ Kommission

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Language of document : ECLI:EU:C:2020:630

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

3. September 2020(*)

„Rechtsmittel – Übereinkommen von Aarhus – Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g und Art. 10 Abs. 1 – Interne Überprüfung von Verwaltungsakten – Beschränkung auf Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls – Durchführungsverordnung (EU) 2016/1056 – Verlängerung der Dauer der Genehmigung für den Wirkstoff ‚Glyphosat‘ – Antrag auf interne Überprüfung – Maßnahme mit allgemeiner Geltung – Zurückweisung“

In der Rechtssache C‑784/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 12. Dezember 2018,

Mellifera e. V., Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung, mit Sitz in Rosenfeld (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Willand,

Rechtsmittelführer,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch B. Eggers und G. Gattinara als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

unterstützt durch:

Bayer Agriculture BVBA, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Berger, A. Burghardt und J. Wauters sowie G. Forwood, avocate,

Streithelferin im Rechtsmittelverfahren,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie des Richters N. Jääskinen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Mellifera e. V., Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung (im Folgenden: Mellifera), die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 27. September 2018, Mellifera/Kommission (T‑12/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:616), mit dem das Gericht seine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung Ares (2016) 6306335 der Kommission vom 8. November 2016 (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen und Mellifera zur Tragung der Kosten verurteilt hat.

2        Mit der streitigen Entscheidung wies die Europäische Kommission den Antrag von Mellifera auf interne Überprüfung zurück, der auf eine Überprüfung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1056 der Kommission vom 29. Juni 2016 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Dauer der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat (ABl. 2016, L 173, S. 52) gerichtet war und den Mellifera unter Berufung auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) gestellt hatte.

 Unionsrecht

 Verordnung Nr. 1367/2006

3        Die Erwägungsgründe 3 und 11 der Verordnung Nr. 1367/2006 lauten:

„(3)      Am 25. Juni 1998 hat die Gemeinschaft das Übereinkommen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten [im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus] unterzeichnet. Die Gemeinschaft hat das [Übereinkommen von Aarhus] am 17. Februar 2005 genehmigt. Die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sollten mit den Bestimmungen des Übereinkommens vereinbar sein.

(11)      Verwaltungsakte zur Regelung eines Einzelfalls sollten einer internen Überprüfung unterzogen werden können, wenn sie rechtsverbindlich sind und Außenwirkung haben. In ähnlicher Weise sollten Unterlassungen erfasst werden, wenn gemäß dem Umweltrecht eine Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts besteht. Da Akte von Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln, ausgenommen werden können, sollte diese Ausnahme auch für andere Untersuchungsverfahren gelten, wenn Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen des Vertrags als Aufsichtsbehörde tätig werden.“

4        Art. 1 dieser Verordnung legt deren Ziel wie folgt fest:

„(1)      Ziel dieser Verordnung ist es, durch Festlegung von Vorschriften zur Anwendung der Bestimmungen des [Übereinkommens von Aarhus] auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen, und zwar insbesondere indem

d)      in Umweltangelegenheiten der Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene zu den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen gewährt wird.

(2)      Bei der Anwendung dieser Verordnung bemühen sich die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, der Öffentlichkeit Unterstützung und Orientierungshilfe für den Zugang zu Informationen, für die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und für den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu geben.“

5        In Art. 2 der Verordnung heißt es:

„(1)      Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

b)      ‚Öffentlichkeit‘ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen und deren Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen;

c)      ‚Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft‘ alle öffentlichen Organe, Einrichtungen, Stellen oder Agenturen, die durch den Vertrag oder auf dessen Grundlage geschaffen wurden, es sei denn, sie handeln in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber. …;

f)      ‚Umweltrecht‘ Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage zur Verfolgung der im Vertrag niedergelegten Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik beitragen …;

g)      ‚Verwaltungsakt‘ jede Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung hat;

…“

6        Art. 10 („Antrag auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten“) Abs. 1 der Verordnung bestimmt:

„Jede Nichtregierungsorganisation, die die in Artikel 11 festgelegten Kriterien erfüllt, kann bei dem Organ oder der Einrichtung der Gemeinschaft, die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat oder – im Falle einer behaupteten Unterlassung – einen solchen Akt hätte annehmen sollen, eine interne Überprüfung beantragen.

Ein solcher Antrag muss schriftlich und innerhalb von höchstens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt des Erlasses, der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung des Verwaltungsakts, je nachdem, was zuletzt erfolgte, oder im Falle einer behaupteten Unterlassung innerhalb von sechs Wochen ab dem Datum gestellt werden, an dem der Verwaltungsakt hätte erlassen werden müssen. In dem Antrag sind die Gründe für die Überprüfung anzugeben.“

7        In Art. 11 der Verordnung Nr. 1367/2006 sind die Kriterien aufgeführt, die eine Nichtregierungsorganisation erfüllen muss, um einen Antrag auf interne Überprüfung stellen zu können.

 Verordnung Nr. 1107/2009

8        In Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1) heißt es:

„(1)      Diese Verordnung enthält Bestimmungen über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in kommerzieller Form sowie über ihr Inverkehrbringen, ihre Verwendung und ihre Kontrolle innerhalb der Gemeinschaft.

(2)      Diese Verordnung enthält Bestimmungen sowohl über die Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten, die in Pflanzenschutzmitteln enthalten sind oder aus denen diese bestehen, als auch über Zusatzstoffe und Beistoffe.

…“

9        Art. 3 Nr. 10 der Verordnung definiert „Zulassung eines Pflanzenschutzmittels“ als „einen Verwaltungsakt, mit dem die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels auf dessen Gebiet zulässt“. Aus Art. 3 Nr. 24 geht hervor, dass „Inhaber einer Zulassung“ „jede natürliche oder juristische Person [ist], die Inhaber einer Zulassung eines Pflanzenschutzmittels ist“.

10      Art. 17 („Ausweitung des Genehmigungszeitraums um die Dauer des Verfahrens“) der Verordnung sieht vor:

„Ist zu erwarten, dass die Genehmigung aus Gründen, die der Antragsteller nicht zu verantworten hat, vor einer Entscheidung über die Erneuerung ausläuft, so wird nach dem Regelungsverfahren gemäß Artikel 79 Absatz 3 eine Entscheidung angenommen, mit der der Ablauf des Genehmigungszeitraums für den betreffenden Antragsteller um einen Zeitraum hinausgeschoben wird, der für die Prüfung des Antrags ausreicht.

…“

 Durchführungsverordnung 2016/1056

11      In den Erwägungsgründen 1 bis 3 und 7 der Durchführungsverordnung 2016/1056 heißt es:

„(1)      In Teil A des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission [vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1)] sind die Wirkstoffe aufgeführt, die als gemäß der Verordnung … Nr. 1107/2009 genehmigt gelten.

(2)      Die Dauer der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat läuft am 30. Juni 2016 aus. Es wurde ein Antrag auf Erneuerung der Aufnahme dieses Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates [vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1)] … gestellt.

(3)      Da sich die Bewertung des Stoffes und die Entscheidung über eine Erneuerung der Genehmigung aus Gründen verzögert haben, die der Antragsteller nicht zu verantworten hat, wird die Genehmigung des Wirkstoffs daher wahrscheinlich auslaufen, bevor eine Entscheidung über eine Erneuerung getroffen werden kann.

(7)      Angesichts des Zeitaufwands für die Prüfung des Dossiers betreffend die harmonisierte Einstufung ist es erforderlich, die Genehmigung für den Wirkstoff bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Eingang der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur bei der Kommission zu verlängern, allerdings höchstens bis zum 31. Dezember 2017. …“

12      Art. 1 dieser Durchführungsverordnung sieht vor:

„In Teil A des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 wird im Eintrag 25 zu Glyphosat in der sechsten Spalte (‚Befristung der Zulassung‘) das Datum ‚30. Juni 2016‘ ersetzt durch die Angabe ‚6 Monate nach dem Datum des Eingangs der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur bei der Kommission oder 31. Dezember 2017, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist‘.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

13      Mit seiner Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414 wurde der Wirkstoff „Glyphosat“ mit Wirkung zum 1. Juli 2002 genehmigt. Diese Richtlinie wurde durch die Verordnung Nr. 1107/2009 aufgehoben.

14      Der Genehmigungszeitraum für Glyphosat sollte am 31. Dezember 2015 enden. Ein Antrag auf Erneuerung der Genehmigung wurde innerhalb der vorgeschriebenen Fristen gestellt. Mit der Begründung, dass sich die Bewertung des Wirkstoffs aus Gründen verzögert habe, auf die der Antragsteller keinen Einfluss gehabt habe, verlängerte die Kommission nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1107/2009 den Genehmigungszeitraum für Glyphosat bis zum 30. Juni 2016.

15      Während der Erörterungen im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 18. und 19. Mai 2016 hielt es eine Reihe von Mitgliedstaaten für angemessen, vor einer Entscheidung über eine Erneuerung der Genehmigung die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur harmonisierten Einstufung im Hinblick auf die Karzinogenität von Glyphosat einzuholen.

16      Angesichts des Zeitaufwands für die Prüfung des Dossiers betreffend die harmonisierte Einstufung durch die ECHA ging die Kommission davon aus, dass die bestehende Genehmigung für Glyphosat auslaufen werde, bevor eine Entscheidung über ihre Erneuerung getroffen werden könne. Daher erließ sie am 29. Juni 2016 gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 1107/2009 die Durchführungsverordnung 2016/1056, um den Genehmigungszeitraum für Glyphosat ein zweites Mal zu verlängern.

17      Mit dieser Durchführungsverordnung wurde ein neues Ablaufdatum festgelegt, nämlich „[sechs] Monate nach dem Datum des Eingangs der Stellungnahme de[r ECHA] bei der Kommission oder 31. Dezember 2017, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist“.

18      Am 11. August 2016 beantragte Mellifera bei der Kommission gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 1367/2006 die interne Überprüfung der Durchführungsverordnung 2016/1056.

19      Wie aus Rn. 14 des angefochtenen Urteils hervorgeht, wies die Kommission mit der streitigen Entscheidung diesen Antrag auf interne Überprüfung mit der Begründung zurück, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 kein „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 sei.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

20      Mit Klageschrift, die am 11. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte Mellifera die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung.

21      Zur Stützung dieses Antrags führte Mellifera einen einzigen Klagegrund an, der in zwei Teile untergliedert war.

22      Mit dem ersten Teil seines einzigen Klagegrundes machte Mellifera geltend, die Kommission habe gegen Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 verstoßen, weil sie die Durchführungsverordnung 2016/1056 nicht als Verwaltungsakt angesehen habe.

23      Hierzu wies das Gericht in Rn. 53 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass nach Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 jede Nichtregierungsorganisation, die die in Art. 11 dieser Verordnung festgelegten Kriterien erfülle, bei dem Organ oder der Einrichtung der Union, die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen habe, eine interne Überprüfung beantragen könne.

24      In Rn. 54 des angefochtenen Urteils führte das Gericht aus, dass die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits über die Frage stritten, ob die Durchführungsverordnung 2016/1056 als Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 anzusehen sei, da ein Verwaltungsakt nach dem Wortlaut dieser Bestimmung als eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls definiert sei.

25      In Rn. 65 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung sei und daher nicht als Verwaltungsakt angesehen werden könne. Infolgedessen wies es in Rn. 77 des angefochtenen Urteils den ersten Teil des einzigen Klagegrundes zurück.

26      Mit dem zweiten Teil seines einzigen Rechtsmittelgrundes trug Mellifera vor, in Anbetracht des Übereinkommens von Aarhus müsse auch ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung Gegenstand eines Antrags auf interne Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 sein können.

27      Hierzu stellte das Gericht in Rn. 87 des angefochtenen Urteils u. a. fest, dass eine völkerrechtskonforme Auslegung einer Bestimmung des Sekundärrechts der Union nur möglich sei, wenn diese Bestimmung eine solche Auslegung zulasse und nicht als Grundlage für eine Auslegung dieser Bestimmung contra legem dienen könne. Art. 2 Abs. 1 Buchst. g und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 könnten aber nicht dahin ausgelegt werden, dass die Verwaltungsakte, auf die diese Bestimmungen abzielten, auch Rechtsakte mit allgemeiner Geltung umfassten, da eine solche Auslegung contra legem wäre.

28      Folglich wies das Gericht diesen zweiten Teil in Rn. 88 des angefochtenen Urteils zurück.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

29      Mit seinem Rechtsmittel rügt Mellifera die Zurückweisung des einzigen Klagegrundes durch das Gericht und beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben,

–        die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Mellifera die Kosten aufzuerlegen.

31      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. Juni 2019, Mellifera/Kommission (C‑784/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:479), ist Bayer Agriculture als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

 Zum Rechtsmittel

 Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

32      Nach Ansicht der Kommission ist das Rechtsmittel teilweise als unzulässig zurückzuweisen, da Mellifera es unter Verkennung der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 3. März 2005, Biegi Nahrungsmittel und Commonfood/Kommission, C‑499/03 P, EU:C:2005:136, Rn. 37) unterlassen habe, alle beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils mit der erforderlichen Genauigkeit zu bezeichnen.

33      In seiner Rechtsmittelschrift bezeichnet Mellifera jedoch hinreichend genau die Randnummern des angefochtenen Urteils, in denen implizit oder explizit die von ihm beanstandeten rechtlichen Prämissen des Gerichts wiedergegeben werden.

34      Die von der Kommission gegen das Rechtsmittel erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

35      Mellifera stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, der sieben Argumente umfasst, die sich zusammenfassen lassen. Das Gericht habe danach die Durchführungsverordnung 2016/1056 u. a. unter Verkennung ihrer Wirkungen und ihres sachlichen Anwendungsbereichs falsch eingestuft. In diesem Zusammenhang habe es den Begriff „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 zu Unrecht im Licht von Art. 288 AEUV ausgelegt. Damit habe es außerdem die Zielsetzung dieser Verordnung, nämlich die vollständige Umsetzung des Übereinkommens von Aarhus, unberücksichtigt gelassen.

 Vorbringen der Parteien

–       Zur Einstufung der Durchführungsverordnung 2016/1056

36      Mellifera ist der Ansicht, aus Rn. 55 des angefochtenen Urteils gehe hervor, dass die Frage, ob die Genehmigung von Glyphosat ein „Verwaltungsakt“ sei, der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 als „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert werde, im Wesentlichen von ihrem sachlichen Anwendungsbereich abhänge.

37      Zwar sei die Genehmigung eines Wirkstoffs nach der Verordnung Nr. 1107/2009 der Rechtsakt, der es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermögliche, das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels, das diesen Wirkstoff enthalte, zu genehmigen. Anders als das Gericht in den Rn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, folge daraus jedoch nicht, dass dieser Rechtsakt der Genehmigung allgemeine Geltung habe.

38      Die Genehmigung eines Wirkstoffs sei nämlich als „Entscheidung, die eine Behörde auf Antrag eines Einzelnen trifft“, einzustufen. Sie bestimme in Anwendung der Verordnung Nr. 1107/2009, die die Voraussetzungen für die Genehmigung der Wirkstoffe abstrakt festlege, die konkrete rechtliche Situation in Bezug auf einen solchen Wirkstoff. Vorschriften mit allgemeiner Geltung seien somit in dieser Verordnung enthalten.

39      Die Zahl der Adressaten oder der Personen, die von einer Entscheidung über die Genehmigung eines Wirkstoffs betroffen seien, sei für die Einstufung dieser Entscheidung nicht entscheidend. Zwar könne eine unbestimmte Vielzahl von Personen aus einer solchen Entscheidung Nutzen ziehen. In sachlicher Hinsicht betreffe sie jedoch nur einen bestimmten Wirkstoff und stelle daher einen Verwaltungsakt zur Regelung eines Einzelfalls im Sinne von Art. 10 und von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 dar.

40      Gleiches gelte für Genehmigungen für die Errichtung eines Bauwerks oder den Betrieb einer Anlage zur Abfallentsorgung, die zwar eine Vielzahl von Personen betreffen könnten, sich aber stets auf ein bestimmtes Bauwerk oder eine bestimmte Anlage bezögen.

41      Die gleichen Erwägungen gälten für die Verlängerung der Genehmigung eines Wirkstoffs nach Art. 17 dieser Verordnung, auch wenn die Kommission eine solche Entscheidung von Amts wegen erlassen könne.

42      Folglich gelte die auf der Grundlage dieses Art. 17 erlassene Durchführungsverordnung 2016/1056 nur einem einzigen Gegenstand, nämlich der Verlängerung der Genehmigung des Wirkstoffs „Glyphosat“, und sei als „Verwaltungsakt“ einzustufen.

43      Des Weiteren habe das Gericht in Rn. 74 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass eine Entscheidung über die Genehmigung eines Wirkstoffs Wirkungen gegenüber Dritten entfalte. In Wirklichkeit ergäben sich diese Wirkungen aus der Verordnung Nr. 1107/2009 selbst, da diese das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die nicht zugelassene Wirkstoffe enthielten, verbiete. Jedenfalls seien solche mittelbaren Wirkungen für jeden Verwaltungsakt typisch.

44      Außerdem sei es inkohärent, anzunehmen, dass die Entscheidung über die Genehmigung eines Wirkstoffs ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung sei, während die Genehmigung eines Pflanzenschutzmittels einen Rechtsakt zur Regelung eines Einzelfalls darstelle. Diese beiden Rechtsakte unterschieden sich nur dadurch, dass der eine auf Unionsebene und der andere auf Ebene der Mitgliedstaaten erlassen werde. Insoweit sei nicht ausschlaggebend, dass sich die Genehmigungsentscheidungen nicht an einen bestimmten Adressaten richteten, da das Inverkehrbringen der Wirkstoffe keiner individuellen Zulassung bedürfte.

45      Im Übrigen gehe aus Nr. 129 der Schlussanträge von Generalanwalt Jääskinen in den verbundenen Rechtssachen Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2014:310) hervor, dass die Kommission die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Organismus (GVO) als „Verwaltungsakt“ eingestuft habe. Eine solche Genehmigung sei mit der Genehmigung eines Wirkstoffs vergleichbar.

–       Zur Auslegung des Begriffs „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“

46      Mellifera ist der Ansicht, das Gericht habe in Rn. 54 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Begriffe „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ und „Maßnahme mit allgemeiner Geltung“ als zwei entgegengesetzte Begriffe auszulegen seien. Daher habe das Gericht in Rn. 87 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Möglichkeit ausgeschlossen, Art. 10 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 im Einklang mit den Anforderungen des Übereinkommens von Aarhus auszulegen.

47      Insoweit trägt Mellifera vor, dass der Begriff „Verwaltungsakt“, der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 als „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert werde, nicht im Licht von Art. 288 Abs. 2 AEUV, sondern nach Maßgabe der Systematik und des Zwecks des in Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung geregelten Verfahrens zur Überprüfung von Verwaltungsakten auszulegen sei.

48      So könne ein Verwaltungsakt zur Regelung eines Einzelfalls, auf den die letztgenannte Vorschrift abstelle, gleichwohl „allgemeine Geltung“ im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV haben, insbesondere wenn er die Form einer Verordnung habe, die sich nicht an bestimmte Adressaten richte. Da nämlich eine „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ im Sinne der Verordnung Nr. 1367/2006 anhand ihres sachlichen Anwendungsbereichs zu bestimmen sei, stehe dieser Begriff nicht im Gegensatz zu einer „Maßnahme mit allgemeiner Geltung“ im Sinne von Art. 288 Abs. 2 AEUV.

49      Diese Auslegung des Begriffs „Verwaltungsakt“ werde durch Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 bestätigt, weil diese Bestimmung zur Bezeichnung des sachlichen Anwendungsbereichs eines Rechtsakts in mehreren Sprachfassungen den Begriff „Tragweite“ verwende.

50      Zudem nehme diese Bestimmung auf Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls nur deshalb Bezug, um Gesetzgebungsakte vom Anwendungsbereich der internen Überprüfung auszunehmen. Derartige Rechtsakte bildeten typischerweise die Rechtsgrundlage für Verwaltungsakte.

51      Was die Entstehungsgeschichte der Verordnung Nr. 1367/2006 anbelange, so habe der Rat die Wendung „zur Regelung eines Einzelfalls“ auf den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus auf Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft (KOM[2003] 622 endg.) hin, der der Verordnung Nr. 1367/2006 zugrunde liege, hinzugefügt. Mangels jeglicher Begründung sei davon auszugehen, dass diese Änderung redaktioneller Natur sei.

–       Zum Zweck der Verordnung Nr. 1367/2006

52      Mellifera macht des Weiteren geltend, dass das Ziel der Verordnung Nr. 1367/2006 nach deren Art. 1 die Durchführung des Übereinkommens von Aarhus sei, was das Gericht in Rn. 83 des angefochtenen Urteils bestätigt habe. Insoweit gehe aus dem Verordnungsvorschlag (KOM[2003] 622 endg.) hervor, dass durch die Art. 10 bis 12 dieses Vorschlags das Unionsrecht hinsichtlich des Zugangs zu Gerichten „vollständig“ an die Bestimmungen des Übereinkommens von Aarhus „angepasst“ werden solle. Folglich seien die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 1367/2006 im Licht von Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auszulegen.

53      Der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 14. Juli 1998, Safety Hi-Tech, C‑284/95, EU:C:1998:352, Rn. 22) bestätigten diese Verpflichtung zur völkerrechtskonformen Auslegung, die das Gericht in den Rn. 81 bis 88 des angefochtenen Urteils verkannt habe.

54      Insoweit ergebe sich aus den Rn. 83 ff. des Urteils des Gerichts vom 14. Juni 2012, Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe/Kommission (T‑338/08, EU:T:2012:300), dass Art. 10 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 nicht mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus vereinbar seien, da sie das Verfahren zur internen Überprüfung auf Verwaltungsakte zur Regelung eines Einzelfalls beschränkten.

55      Entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 84 des angefochtenen Urteils müsse die interne Überprüfung nach diesem Übereinkommen nämlich Verwaltungsentscheidungen umfassen, die einen bestimmten Bereich beträfen und für eine unbestimmte Zahl von Personen gälten.

56      Nur diese Auslegung der Verordnung Nr. 1367/2006 sei mit Art. 2 Nr. 2 und Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus vereinbar, die die Kontrolle von „Handlungen der Behörden“ verlangten und nur Rechtsakte der Gesetzgebung und der Gerichte ausschlössen.

57      Außerdem könne angesichts der Anforderungen dieses Übereinkommens im Bereich des Zugangs zu Gerichten die Beschränkung der internen Überprüfung auf Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls nicht durch andere Rechtsbehelfe kompensiert werden. Insbesondere sei ein Vorabentscheidungsersuchen nicht immer zugänglich und weise Nachteile auf.

58      Zwar habe der Gerichtshof in den Rn. 55 bis 61 des Urteils vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4), entschieden, dass Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus nicht geltend gemacht werden könne, um die Gültigkeit von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 in Frage zu stellen. Jedoch habe sich der Gerichtshof in diesem Urteil nicht zur Auslegung des Begriffs „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ geäußert.

59      Dieser Begriff erfordere eine weite Auslegung, wie sich aus dem Urteil vom 14. Juni 2012, Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe/Kommission (T‑338/08, EU:T:2012:300), und den Schlussanträgen von Generalanwalt Jääskinen in den verbundenen Rechtssachen Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2014:309) ergebe.

60      Dieses Erfordernis werde durch die Schlussfolgerungen des Ausschusses zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus vom 17. März 2017 mit dem Titel „Findings and Recommendations of the Compliance Committee with regard to Communication ACCC/C/2008/32, (Part II) Concerning Compliance by the European Union“ bestätigt. In Rn. 86 des angefochtenen Urteils habe das Gericht zu Unrecht festgestellt, dass diese Schlussfolgerungen nicht zu berücksichtigen seien.

61      Außerdem vertritt Mellifera die Ansicht, dass das Verfahren zur Genehmigung von Wirkstoffen durch die Kommission anders als das Vertragsverletzungsverfahren, dessen Besonderheit im Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission (C‑612/13 P, EU:C:2015:486), anerkannt worden sei, keine Ausnahmen vom Übereinkommen von Aarhus rechtfertige.

62      Die Kommission, unterstützt durch Bayer Agriculture, beantragt, das gesamte Vorbringen von Mellifera zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

63      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 jede Nichtregierungsorganisation, die die in Art. 11 dieser Verordnung festgelegten Kriterien erfüllt, mit begründetem Antrag bei dem Organ oder der Einrichtung der Union, das bzw. die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat, eine interne Überprüfung beantragen kann. Ist wie im vorliegenden Fall der Gegenstand des betreffenden Verwaltungsakts eine nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1107/2009 beschlossene Verlängerung der Genehmigung eines Wirkstoffs, bezieht sich der Gegenstand eines Überprüfungsantrags auf die Neubewertung einer solchen Genehmigung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2019, TestBioTech u. a./Kommission, C‑82/17 P, EU:C:2019:719, Rn. 37).

64      Der Antrag auf interne Überprüfung eines Verwaltungsakts ist somit auf die Feststellung einer Rechtswidrigkeit oder der fehlenden Begründetheit des betreffenden Rechtsakts gerichtet (Urteil vom 12. September 2019, TestBioTech u. a./Kommission, C‑82/17 P, EU:C:2019:719, Rn. 38).

65      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass sich der Unionsrichter bei der Bestimmung der Tragweite einer Maßnahme nicht mit deren amtlicher Bezeichnung zufriedengeben kann, sondern in erster Linie auf ihren Gegenstand und Inhalt abstellen muss (Urteil vom 14. Dezember 1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, 16/62 und 17/62, nicht veröffentlicht, EU:C:1962:47, S. 978).

66      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Rechtsakt allgemeine Geltung, wenn er für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Was insbesondere das zweite Kriterium anbelangt, hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Rechtsakt seine allgemeine Geltung nicht dadurch verliert, dass sich die Rechtssubjekte, auf die er zu einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, solange feststeht, dass diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt im Zusammenhang mit seiner Zielsetzung umschrieben ist (Urteil vom 15. Januar 2002, Libéros/Kommission, C‑171/00 P, EU:C:2002:17, Rn. 28).

68      In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Gericht in den Rn. 56 bis 62 des angefochtenen Urteils die Merkmale des Rechtsakts geprüft, dessen Überprüfung Mellifera beantragt hatte, d. h. der Durchführungsverordnung 2016/1056. Konkret hat es in den Rn. 58 und 60 dieses Urteils festgestellt, dass ebenso wie die ursprüngliche Genehmigung eines Wirkstoffs auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1107/2009 die Verlängerung der Genehmigung Rechtswirkungen nicht nur gegenüber demjenigen erzeugt, der sie beantragt hat, sondern auch gegenüber jedem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Tätigkeit diese Genehmigung erforderlich ist, und jeder zuständigen Behörde.

69      Die Rn. 56 bis 62 des angefochtenen Urteils werden von Mellifera nicht beanstandet. Um darzutun, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls darstelle, macht Mellifera jedoch geltend, das Gericht habe unzutreffend in Rn. 74 dieses Urteils die Auffassung vertreten, dass sich die Wirkungen der Genehmigung eines Wirkstoffs gegenüber anderen Personen als demjenigen, der diese Genehmigung beantrage, aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1107/2009 ergäben und nicht aus der Durchführungsverordnung, mit der diese Genehmigung verlängert worden sei.

70      Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Die Wirkungen der Genehmigung eines Wirkstoffs können sich nicht unmittelbar aus der Verordnung Nr. 1107/2009 ergeben, da diese nur die Rechtsgrundlage für die Entscheidungen über die Genehmigung eines Wirkstoffs sowie der Verlängerung und Erneuerung der Genehmigung darstellt. Die Wirkungen für denjenigen, der die Genehmigung beantragt, und für Dritte ergeben sich aus diesen Entscheidungen, wie aus den Rn. 56 bis 62 des angefochtenen Urteils hervorgeht.

71      In Rn. 74 des angefochtenen Urteils hat das Gericht lediglich diese Feststellung bestätigt. Da Mellifera die Rn. 56 bis 62 des angefochtenen Urteils nicht beanstandet, geht sein Vorbringen überdies ins Leere.

72      Aus den in den Rn. 70 und 71 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem dargetan werden soll, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 der Regelung eines Einzelfalls diene, indem ihre angeblichen Wirkungen mit denen einer Zulassung von Pflanzenschutzmitteln oder mit anderen Genehmigungs- oder Zulassungsentscheidungen verglichen werden.

73      Im Übrigen ist das Gericht auf der Grundlage seiner in den Rn. 56 bis 62 des angefochtenen Urteils dargelegten Erwägungen in Rn. 63 dieses Urteils zu der Feststellung gelangt, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt.

74      Mit seinen verschiedenen zur Stützung seines Rechtsmittels vorgebrachten Argumenten, ausgenommen das in Rn. 69 des vorliegenden Urteils wiedergegebene, versucht Mellifera nicht, diese Feststellung des Gerichts in Frage zu stellen.

75      Vielmehr ist Mellifera der Ansicht, das Gericht habe in den Rn. 63, 65 und 87 des angefochtenen Urteils aus dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 sowie aus den Merkmalen der Durchführungsverordnung 2016/1056 zu Unrecht abgeleitet, dass Letztere als ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung anzusehen sei und keinen „Verwaltungsakt“ darstelle. Außerdem verlange Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, dass Rechtsakte mit allgemeiner Geltung Gegenstand des internen Überprüfungsverfahrens sein könnten.

76      Diese Argumentation ist jedoch unzutreffend.

77      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen des Unionsrechts nämlich nach Möglichkeit im Licht des Völkerrechts auszulegen, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Union geschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden soll (Urteile vom 14. Juli 1998, Safety Hi-Tech, C‑284/95, EU:C:1998:352, Rn. 22, und vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Insoweit hat das Gericht in Rn. 87 des angefochtenen Urteils befunden, dass Art. 10 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 nicht dahin ausgelegt werden könnten, dass „Verwaltungsakte“ Rechtsakte mit allgemeiner Geltung umfassten, da eine solche Auslegung contra legem wäre. Außerdem hat es in den Rn. 63 und 65 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Durchführungsverordnung 2016/1056 als „Maßnahme mit allgemeiner Geltung“ anzusehen sei und daher keinen „Verwaltungsakt“ darstelle.

79      Die verschiedenen Argumente, die Mellifera vorgebracht hat, um darzutun, dass diese Feststellungen fehlerhaft seien, und die zum einen die Auslegung des Begriffs „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ und zum anderen die Kriterien betreffen, anhand deren die Tragweite eines Rechtsakts bestimmt werden kann, sind aus folgenden Gründen zurückzuweisen.

80      Erstens besteht das Ziel von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006, soweit darin der Begriff „Verwaltungsakt“ als jede „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ definiert wird, entgegen dem Vorbringen von Mellifera nicht darin, klarzustellen, dass Rechtsakte der Gesetzgebung und der Gerichte nicht zu diesen Rechtsakten gehören.

81      Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung schließt nämlich deren Anwendung auf Organe und Einrichtungen der Union aus, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Gericht oder als Gesetzgeber handeln. Daraus folgt, dass die Rechtsakte, die sie in diesem Rahmen erlassen, nicht Verwaltungsakte sein können, für die diese Verordnung gilt.

82      Zweitens kann sich Mellifera nicht darauf berufen, dass ein Rechtsakt, der nur die Genehmigung eines einzigen Wirkstoffs betreffe, aus diesem Grund nicht als „Maßnahme mit allgemeiner Geltung“ eingestuft werden könne, sondern eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls sei.

83      Zwar ist, wie Mellifera geltend macht, die Zahl der Adressaten eines Rechtsakts oder der von ihm betroffenen Personen für sich genommen für die Feststellung, ob ein Rechtsakt allgemeine Geltung hat, nicht entscheidend.

84      Gleichwohl sind aber für die Feststellung, ob ein Rechtsakt allgemeine Geltung hat, nach der in den Rn. 65 bis 67 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zwei Kriterien zu prüfen, nämlich zum einen, ob dieser Rechtsakt für objektiv bestimmte Situationen gilt, und zum anderen, ob er Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt.

85      Entgegen dem Vorbringen von Mellifera hat der Gerichtshof bereits bestätigt, dass diese Kriterien heranzuziehen sind, um zu bestimmen, ob ein Antrag auf interne Überprüfung nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 einen Verwaltungsakt und somit gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 65 und 66, sowie vom 13. Januar 2015, Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe, C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2015:5, Rn. 57 und 58).

86      Außerdem ergeben sich diese Kriterien, wie Mellifera ausführt, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „Maßnahme mit allgemeiner Geltung“, insbesondere im Rahmen der Anwendung von Art. 249 EG, dessen Bestimmungen in Art. 288 AEUV übernommen wurden, der die Rechtsakte der Union regelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2002, Libéros/Kommission, C‑171/00 P, EU:C:2002:17, Rn. 28). Ihre Anwendung für die Auslegung der Begriffe „Verwaltungsakt“ und „Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls“ nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g und Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 ist daher auch aus Gründen der Kohärenz geboten (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Januar 2002, Libéros/Kommission, C‑171/00 P, EU:C:2002:17, Rn. 30).

87      Da Mellifera ohne Erfolg geltend macht, dass diese Begriffe im Einklang mit den Anforderungen auszulegen seien, die sich seiner Ansicht nach aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus ergeben, ist ferner das Vorbringen von Mellifera als ins Leere gehend zurückzuweisen, mit dem zum einen dargetan werden soll, dass das Gericht in Rn. 84 des angefochtenen Urteils die Tragweite dieser Bestimmung verkannt habe, und zum anderen, dass die Auslegung geboten sei, nach der die Verordnung Nr. 1367/2006 in Anbetracht ihres angeblichen Zieles, das Übereinkommen von Aarhus vollständig durchzuführen, mit diesem in Einklang stehe.

88      Was das Ziel dieser Verordnung anbelangt, beruht das Vorbringen von Mellifera auf einem unzutreffenden Verständnis der maßgeblichen Bestimmungen. Zum einen ergibt sich nämlich aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus, dass die Vertragsparteien in Bezug auf die Festlegung der Modalitäten der Einführung der „verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren“ über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, und zum anderen aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006, dass diese Verordnung lediglich das Ziel verfolgt, zur Umsetzung der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen beizutragen, was der Gerichtshof in den Rn. 51 und 52 des Urteils vom 13. Januar 2015, Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2015:5), bestätigt hat.

89      Nach alledem ist dem Gericht keineswegs ein Rechtsfehler unterlaufen, sondern es hat sich zu Recht auf die in den Rn. 65 bis 67 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung gestützt und Gegenstand und Wirkungen der Durchführungsverordnung 2016/1056 geprüft, um zu bestimmen, ob diese einen „Verwaltungsakt“ im Sinne und für die Anwendung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1367/2006 darstellt.

90      Somit sind der einzige von Mellifera geltend gemachte Rechtsmittelgrund und damit das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

91      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

92      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

93      Da Mellifera mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission und von Bayer Agriculture die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Der Mellifera e. V., Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission und der Bayer Agriculture BVBA.

Bonichot

Safjan

Bay Larsen

Toader

 

Jääskinen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. September 2020.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Ersten Kammer

A. Calot Escobar

 

J.-C. Bonichot



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