C-725/18 – Anton van Zantbeek

C-725/18 – Anton van Zantbeek

Language of document : ECLI:EU:C:2020:54

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

30. Januar 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 56 AEUV – Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum – Freier Dienstleistungsverkehr – Steuer auf in einem Mitgliedstaat abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte – Ungleichbehandlung zum Nachteil von Dienstleistungsempfängern, die sich gebietsfremder gewerblicher Vermittler bedienen – Beschränkung – Rechtfertigung“

In der Rechtssache C‑725/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien) mit Entscheidung vom 8. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 22. November 2018, in dem Verfahren

Anton van Zantbeek VOF

gegen

Ministerraad

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter C. Vajda und A. Kumin,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Anton van Zantbeek VOF, vertreten durch A. Maelfait und S. van Bree, advocaten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet, P. Cottin und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von C. Decordier, avocate,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und R. Pethke als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 und 63 AEUV sowie der Art. 36 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Anton van Zantbeek VOF und dem Ministerraad (Ministerrat, Belgien) wegen einer Klage auf Nichtigerklärung nationaler Rechtsvorschriften zur Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Steuer auf Börsengeschäfte.

 Belgisches Recht

3        Durch die Art. 122 und 123 der Programmawet (Programmgesetz) vom 25. Dezember 2016 (Belgisch Staatsblad vom 29. Dezember 2016, S. 90879, im Folgenden: Programmawet) wurde das Wetboek diverse rechten en taksen (Gesetzbuch der verschiedenen Gebühren und Steuern) geändert, indem jeweils ein Abs. 2 in die Art. 120 und 126/2 eingefügt wurde.

4        Art. 120 des Wetboek diverse rechten en taksen bestimmt in der durch die Programmawet geänderten Fassung (im Folgenden: WDRT):

„Folgende in Belgien abgeschlossene oder ausgeführte Geschäfte unterliegen, wenn sie belgische oder ausländische Publikumsfonds betreffen, der Steuer auf Börsengeschäfte:

1.      jeder Verkauf, jeder Ankauf und, allgemeiner, jede Veräußerung und jeder Erwerb gegen Entgelt;

3.      jeder Rückkauf ihrer Anteile durch eine Investmentgesellschaft, wenn das Geschäft thesaurierende Aktien betrifft;

Die in Absatz 1 genannten Geschäfte gelten auch dann als in Belgien abgeschlossen oder ausgeführt, wenn der Auftrag hierfür unmittelbar oder mittelbar einem im Ausland ansässigen Vermittler erteilt wird:

–        entweder durch eine natürliche Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Belgien

–        oder durch eine juristische Person für Rechnung eines Sitzes oder einer Niederlassung derselben in Belgien.“

5        Art. 125 Abs. 1 WDRT sieht vor:

„Die Steuer ist spätestens zu entrichten am letzten Werktag

1.      des zweiten Monats nach dem Monat, in dem das Geschäft abgeschlossen oder ausgeführt wurde, wenn der Auftraggeber Steuerschuldner ist;

2.      des Monats nach dem Monat, in dem das Geschäft abgeschlossen oder ausgeführt wurde, in allen anderen Fällen.

Die Steuer wird durch Einzahlung oder Überweisung auf das Bankkonto des zuständigen Büros entrichtet.

Am Tag der Zahlung reicht der Steuerschuldner bei diesem Büro eine Erklärung ein, aus der sich die Steuerbemessungsgrundlage sowie alle für deren Bestimmung erforderlichen Kriterien ergeben.“

6        Art. 126/2 WDRT lautet:

„Die gewerblichen Vermittler sind persönlich zur Zahlung der Abgaben verpflichtet, die auf die von ihnen entweder für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung getätigten Geschäfte anfallen.

Ist der gewerbliche Vermittler jedoch im Ausland ansässig, wird der Auftraggeber Steuerschuldner und unterliegt den Verpflichtungen aus Art. 125, sofern er nicht nachweisen kann, dass die Steuer bereits gezahlt wurde.“

7        Art. 126/3 WDRT bestimmt:

„Die nicht in Belgien ansässigen gewerblichen Vermittler können, bevor sie in Belgien Börsengeschäfte ausführen oder abschließen, die Zulassung eines in Belgien ansässigen Fiskalvertreters durch den Finanzminister oder dessen Bevollmächtigten erwirken. Dieser Vertreter haftet gegenüber dem Belgischen Staat gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Abgaben, die auf die vom gewerblichen Vermittler entweder für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung getätigten Geschäfte anfallen, und für die Erfüllung aller Verpflichtungen, denen der gewerbliche Vermittler gemäß dem vorliegenden Titel nachzukommen hat.

Stirbt der haftende Fiskalvertreter, wird seine Zulassung zurückgenommen oder führt ein Ereignis zu seiner Geschäftsunfähigkeit, so ist unverzüglich ein Nachfolger zu bestimmen.

Der König bestimmt die Voraussetzungen und Modalitäten für die Zulassung des Fiskalvertreters.“

8        Art. 127 WDRT sieht vor:

„Der Vermittler ist verpflichtet, spätestens am auf den Tag der Ausführung des Geschäfts folgenden Werktag jeder Person, die ihm einen Börsenauftrag erteilt, eine Aufstellung vorzulegen, in der die Namen des Vertretenen und des Vermittlers, die Art der Geschäfte, die Höhe oder der Wert der Geschäfte und die Höhe der geschuldeten Steuer aufgeführt sind.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Mit Klageschrift vom 20. Juni 2017 erhob Anton van Zantbeek, eine in Belgien ansässige Gesellschaft, beim vorlegenden Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien) Klage auf Nichtigerklärung der Art. 122 und 123 der Programmawet, mit denen jeweils ein Abs. 2 in die Art. 120 und 126/2 WDRT eingefügt worden war.

10      Das vorlegende Gericht führt aus, dass diese Bestimmungen den Anwendungsbereich der Steuer auf Börsengeschäfte (im Folgenden: SBG) erweitert hätten, der die Geschäfte unterlägen, die in Belgien abgeschlossen oder ausgeführt würden und belgische oder ausländische Publikumsfonds beträfen, soweit das Geschäft durch einen gewerblichen Vermittler ausgeführt werde. Nach diesen Bestimmungen seien solche Geschäfte nicht mehr die einzigen, die dieser Steuer unterlägen. Es würden auch Geschäfte erfasst, die „als in Belgien abgeschlossen oder ausgeführt [gelten]“, so dass die SBG auch geschuldet werde, wenn einem gebietsfremden gewerblichen Vermittler von einem gebietsansässigen Auftraggeber, und zwar einer „natürliche[n] Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in Belgien“ oder einer „juristische[n] Person für Rechnung eines Sitzes oder einer Niederlassung derselben in Belgien“, der Auftrag zum An- oder Verkauf erteilt werde. Im letztgenannten Fall werde die SBG am Ort des gewerblichen Vermittlers geschuldet, wobei es nicht möglich sei, gebietsfremde gewerbliche Vermittler zur Einhaltung der Vorschriften des belgischen Steuerrechts zu zwingen. Der betroffene Auftraggeber sei zur Abgabe einer entsprechenden Steuererklärung und zur Entrichtung dieser Steuer binnen zwei Monaten nach dem fraglichen Geschäft verpflichtet, sofern er nicht nachweisen könne, dass die Steuer bereits durch den Vermittler oder dessen Fiskalvertreter gezahlt worden sei.

11      Anton van Zantbeek macht zur Begründung der Klage geltend, dass die Art. 122 und 123 der Programmawet zum einen gegen den in den Art. 10, 11 und 172 der belgischen Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatz und zum anderen gegen diese verfassungsrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit der in Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens verankerten Dienstleistungsfreiheit oder der in Art. 63 AEUV und Art. 40 EWR-Abkommen verankerten Kapitalverkehrsfreiheit verstießen, weil sie eine Ungleichbehandlung belgischer Auftraggeber einführten, je nachdem, ob diese einen in Belgien oder einen im Ausland ansässigen gewerblichen Vermittler einschalteten.

12      Anton van Zantbeek macht insoweit geltend, dass ein in Belgien ansässiger Auftraggeber, wenn er einen nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen gewerblichen Vermittler einschalte, selbst wie ein gewerblicher Vermittler behandelt werde, da er zum einen den Verpflichtungen zur Abgabe einer Erklärung sowie zur Entrichtung der SBG nachkommen müsse und zum anderen gegen ihn fast die gleichen verwaltungsrechtlichen Sanktionen wie gegen die gewerblichen Vermittler aus Belgien verhängt werden könnten. Daher sei es für einen solchen in Belgien ansässigen Auftraggeber deutlich riskanter und kostspieliger und mit viel mehr Verwaltungsaufwand verbunden, einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler einzuschalten; dies stelle eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit dar, die nicht durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könnte.

13      Der Ministerraad tritt diesem Vorbringen entgegen und führt aus, dass die Steuerregelung der Art. 120 und 126/2 WDRT unabhängig vom Ort der Ansässigkeit unterschiedslos auf alle Erbringer von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Börsengeschäften anwendbar sei, dass aber nur die in Belgien ansässigen gewerblichen Vermittler verpflichtet seien, die SBG auf die von ihnen durchgeführten Geschäfte zu erheben. Die Situation eines gebietsansässigen Auftraggebers, der einen gebietsansässigen gewerblichen Vermittler einschalte, sei daher nicht vergleichbar mit der eines gebietsansässigen Auftraggebers, der einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler einschalte. Hilfsweise führt der Ministerraad aus, dass die geltend gemachte Ungleichbehandlung auf einem objektiven Kriterium beruhe, ein legitimes Ziel verfolge und verhältnismäßig sei.

14      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der belgische Gesetzgeber den Anwendungsbereich der SBG habe erweitern wollen, weil das Geschäft, wenn ein in Belgien ansässiger Auftraggeber sich an einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler wende, im Allgemeinen im Ausland getätigt und die Steuer daher nicht geschuldet werde. Außerdem habe der Gesetzgeber einen unlauteren Wettbewerb bestimmter gebietsfremder gewerblicher Vermittler gegenüber den die SBG erhebenden belgischen gewerblichen Vermittlern festgestellt. Zudem könnten die Art. 120 und 126/2 WDRT zur Folge haben, dass die Freiheit in Belgien ansässiger Personen, zur Ausführung ihrer Börsengeschäfte einen gewerblichen Vermittler zu wählen, u. a. angesichts der Verantwortlichkeit beschränkt sei, die sich für den Auftraggeber im Fall der fehlenden oder verspäteten Erklärung oder Entrichtung der SBG daraus ergebe, dass er einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler einschalte.

15      Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass gebietsfremde gewerbliche Vermittler zur Erleichterung der Beweisführung in Bezug auf die Entrichtung dieser Steuer – durch die der Auftraggeber von der entsprechenden Zahlungspflicht befreit werde – die Zulassung eines Fiskalvertreters erwirken könnten, dem es obliege, für ihre Rechnung den Erklärungs- und Verwaltungspflichten im Zusammenhang mit dieser Zahlung nachzukommen. Die Vermittler könnten aber nicht zur Bestellung eines solchen Vertreters verpflichtet werden. Überdies bleibe der Auftraggeber auch dann gegenüber dem belgischen Staat verantwortlich, wenn er einen Bevollmächtigten bestelle, um seine Verpflichtungen im Zusammenhang mit der SBG zu erfüllen. Dieser Auftraggeber könne nachweisen, dass die SBG gezahlt worden sei, indem er eine Aufstellung nach Art. 127 WDRT vorlege, in der u. a. der Wert des dieser Steuer zugrunde liegenden Geschäfts genannt sowie – etwa mittels eines Kontoauszugs – der Beweis ihrer Zahlung an seinen Vermittler erbracht werde.

16      Unter diesen Umständen hat der Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.       Sind Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung zur Einführung einer Steuer auf Börsengeschäfte im Sinne der Art. 120 und 126/2 WDRT  entgegenstehen, die zur Folge hat, dass der belgische Auftraggeber Schuldner dieser Steuer wird, wenn der gewerbliche Vermittler im Ausland ansässig ist?

2.       Sind Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung zur Einführung einer Steuer auf Börsengeschäfte im Sinne der Art. 120 und 126/2 WDRT  entgegenstehen, die zur Folge hat, dass der belgische Auftraggeber Schuldner dieser Steuer wird, wenn der gewerbliche Vermittler im Ausland ansässig ist?

3.       Könnte der Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof), wenn er aufgrund der Antwort auf die erste und die zweite Vorlagefrage schlussfolgern sollte, dass die angefochtenen Artikel eine oder mehrere der sich aus den in diesen Fragen erwähnten Bestimmungen ergebenden Verpflichtungen verletzen, die Folgen der Art. 120 und 126/2 WDRT  vorübergehend aufrechterhalten, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und es dem Gesetzgeber zu ermöglichen, sie mit diesen Verpflichtungen in Einklang zu bringen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

17      Vorab ist festzustellen, dass nach den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen durch die im Ausgangsverfahren angefochtenen nationalen Rechtsvorschriften, Art. 120 Abs. 2 und Art. 126/2 Abs. 2 WDRT, der Anwendungsbereich der SBG und die Kriterien für die Erhebung dieser Steuer geändert wurden. Zum einen unterliegen gemäß diesen Bestimmungen neben den in Belgien abgeschlossenen oder ausgeführten Börsengeschäften, soweit das Geschäft über einen gewerblichen Vermittler getätigt wurde, auch diejenigen Geschäfte der SBG, die als in diesem Mitgliedstaat „abgeschlossen oder ausgeführt [gelten]“, also die Geschäfte, bei denen eine in Belgien ansässige Person den Auftrag einem gebietsfremden gewerblichen Vermittler erteilt hat. Zum anderen hat, wenn der gewerbliche Vermittler seinen Sitz im Ausland hat, nicht mehr dieser die von seinem Kunden getragene SBG zu entrichten und die damit einhergehenden Erklärungspflichten zu erfüllen, sondern der Auftraggeber selbst.

18      Das vorlegende Gericht möchte demnach mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, wissen, ob die Art. 56 und 63 AEUV sowie die Art. 36 und 40 des EWR-Abkommens dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die eine Steuer auf im Auftrag einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Person durch einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte einführt und zur Folge hat, dass ein solcher Auftraggeber diese Steuer zu entrichten und die mit ihr verbundenen Erklärungspflichten zu erfüllen hat.

19      Zur Beantwortung dieser Fragen ist erstens festzustellen, dass eine solche nationale Regelung geeignet ist, sowohl den freien Dienstleistungs- als auch den freien Kapitalverkehr zu beeinträchtigen.

20      Nach seiner ständigen Rechtsprechung prüft der Gerichtshof, wenn eine innerstaatliche Maßnahme sowohl den freien Dienstleistungsverkehr als auch den freien Kapitalverkehr betrifft, die in Rede stehende Maßnahme grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Freiheiten, wenn sich herausstellt, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens eine der beiden Freiheiten der anderen gegenüber völlig zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C‑452/04, EU:C:2006:631, Rn. 34, vom 26. Mai 2016, NN [L] International, C‑48/15, EU:C:2016:356, Rn. 39, sowie vom 8. Juni 2017, Van der Weegen u. a., C‑580/15, EU:C:2017:429, Rn. 25).

21      Im Ausgangsverfahren überwiegt der Aspekt des freien Dienstleistungsverkehrs gegenüber dem des freien Kapitalverkehrs. Zwar kann durch eine Besteuerung wie die SBG der freie Kapitalverkehr beeinträchtigt werden, da sie Börsengeschäfte betrifft, doch geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass diese Steuer nur dann erhoben wird, wenn dabei ein gewerblicher Vermittler tätig wird. Darüber hinaus möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich aus dem Umstand, dass der Auftraggeber, wenn er einen gebietsfremden Erbringer von Finanzmittlerdiensten einschaltet, diese Steuer zu entrichten hat, während dies bei der Beauftragung eines gebietsansässigen Dienstleisters nicht der Fall ist, eine Beschränkung ergeben kann. Eine solche Folge betrifft überwiegend den freien Dienstleistungsverkehr, während die Auswirkungen auf den freien Kapitalverkehr nur eine unvermeidliche Folge der etwaigen Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs sind.

22      Daher ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung ausschließlich im Hinblick auf Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens zu prüfen.

23      Zweitens verlangt Art. 56 AEUV nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die darauf beruhen, dass der Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niedergelassen ist, in dem die Leistung erbracht wird (Urteile vom 19. Juni 2014, Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C‑53/13 und C‑80/13, EU:C:2014:2011, Rn. 34, sowie vom 22. November 2018, Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank, C‑625/17, EU:C:2018:939, Rn. 28). Nationale Maßnahmen, die die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen, stellen Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2014, Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C‑53/13 und C‑80/13, EU:C:2014:2011, Rn. 35, sowie vom 25. Juli 2018, TTL, C‑553/16, EU:C:2018:604, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Außerdem verleiht nach ständiger Rechtsprechung Art. 56 AEUV nicht nur dem Erbringer von Dienstleistungen selbst, sondern auch dem Empfänger dieser Dienstleistungen Rechte (Urteile vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone, 286/82 und 26/83, EU:C:1984:35, Rn. 10, vom 18. Oktober 2012, X, C‑498/10, EU:C:2012:635, Rn. 23, sowie vom 19. Juni 2014, Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C‑53/13 und C‑80/13, EU:C:2014:2011, Rn. 26).

25      Im vorliegenden Fall macht Anton van Zantbeek geltend, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den freien Dienstleistungsverkehr dadurch beeinträchtige, dass sie eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der in Belgien ansässigen Auftraggeber einführe, je nachdem, ob sie für die Ausführung ihrer Börsengeschäfte einen im selben Mitgliedstaat ansässigen oder einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler einsetzten. Diese nationale Regelung habe für den gebietsansässigen Auftraggeber zur Folge, dass der Einsatz eines gebietsfremden Vermittlers riskanter, teurer und aufwändiger und damit weniger attraktiv sei.

26      Hierzu ist festzustellen, dass gebietsansässige Auftraggeber, die als Empfänger von Finanzmittlerdiensten beschließen, für die Ausführung ihrer Börsengeschäfte die Dienstleistungen eines gebietsansässigen Vermittlers in Anspruch zu nehmen, sich in einer vergleichbaren Situation befinden wie gebietsansässige Auftraggeber, die es vorziehen, einen gebietsfremden Vermittler zu beauftragen.

27      Zwar hat die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung zur Folge, dass gebietsansässige Auftraggeber unabhängig vom Ort des Sitzes der Vermittler gleich besteuert werden, doch führt sie auch dazu, dass denjenigen Auftraggebern, die sich für einen gebietsfremden Vermittler entscheiden, zusätzliche Verantwortung und Verpflichtungen auferlegt werden.

28      Nach dem Vorabentscheidungsersuchen müssen nämlich gemäß Art. 126/2 WDRT im letztgenannten Fall die gebietsansässigen Auftraggeber die SBG entrichten und die damit verbundenen Erklärungspflichten erfüllen, während bei Beauftragung eines gebietsansässigen Vermittlers diese Verpflichtungen und die Erhebung dieser Steuer an der Quelle dem Vermittler oblägen. So müssen gebietsansässige Auftraggeber, die die Dienstleistungen eines gebietsfremden Vermittlers in Anspruch nehmen, insbesondere selbst den mit einer Geldbuße bewehrten Verpflichtungen nachkommen, diese Steuer mittels einer Aufstellung mit den Angaben nach Art. 127 WDRT zu erklären und binnen einer Frist von zwei Monaten zu entrichten, sofern sie nicht beweisen, dass die Steuer bereits durch den Vermittler oder dessen Fiskalvertreter in Belgien gezahlt wurde.

29      Durch eine solche nationale Regelung wird somit eine Ungleichbehandlung in Belgien ansässiger Empfänger von Finanzmittlerdiensten geschaffen, die diese davon abhalten kann, die Leistungen gebietsfremder Dienstleister in Anspruch zu nehmen, und es Letzteren gleichzeitig erschwert, ihre Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat anzubieten. Folglich stellt eine solche Regelung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.

30      Drittens kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine solche Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Die Anwendung der Beschränkung muss allerdings auch geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. September 2006, N, C‑470/04, EU:C:2006:525, Rn. 40, vom 13. Juli 2016, Brisal und KBC Finance Ireland, C‑18/15, EU:C:2016:549, Rn. 29, sowie vom 25. Juli 2018, TTL, C‑553/16, EU:C:2018:604, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Zunächst ist zu prüfen, ob die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, zu der die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung führt, zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient.

32      Im vorliegenden Fall gibt die belgische Regierung an, diese nationale Regelung solle die Effizienz der Beitreibung der Steuer und der Steueraufsicht gewährleisten sowie der Bekämpfung von Steuervermeidung dienen.

33      Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, gehören zu den Gründen des Allgemeininteresses, durch die eine Beschränkung der Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt werden kann, sowohl die Notwendigkeit, die Effizienz der Beitreibung der Steuer sowie der Steueraufsicht zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 25. Juli 2018, TTL, C‑553/16, EU:C:2018:604, Rn. 53 und 57 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), wobei durch Letztere die Steuerhinterziehung und die Steuervermeidung bekämpft werden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 2012, SIAT, C‑318/10, EU:C:2012:415, Rn. 44, und vom 26. Februar 2019, X [in Drittländern ansässige Zwischengesellschaften], C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 74), als auch die Bekämpfung der Steuerflucht (vgl. u. a. Urteil vom 19. Juni 2014, Strojírny Prostějov und ACO Industries Tábor, C‑53/13 und C‑80/13, EU:C:2014:2011, Rn. 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Nach den von der belgischen Regierung bestätigten Angaben im Vorabentscheidungsersuchen geht aus den Gesetzesmaterialien zu den Art. 122 und 123 der Programmawet hervor, dass durch diese Bestimmungen u. a. unlauterer Wettbewerb zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden gewerblichen Vermittlern – da Erstere gemäß dem WDRT bei der Ausführung von Börsengeschäften verpflichtet sind, für Rechnung ihrer Kunden die SBG an der Quelle zu erheben, während Letztere bei Geschäften, die sie für belgische Kunden ausführen, hierzu nicht verpflichtet sind – vermieden und die Effizienz der Beitreibung der Steuer sowie der Steueraufsicht sichergestellt werden soll.

35      Solche Beweggründe, die im vorliegenden Fall in einem engen Zusammenhang stehen, fallen unter den Begriff der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ im Sinne der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, und sind daher geeignet, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu rechtfertigen.

36      Sodann ist in Bezug auf die Geeignetheit dieser Bestimmung zur Erreichung der verfolgten Ziele festzustellen, dass durch die Pflicht des die Dienstleistungen eines gebietsfremden Vermittlers in Anspruch nehmenden Auftraggebers, die SBG zu zahlen, verhindert werden kann, dass die betreffenden Börsengeschäfte unversteuert bleiben (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Oktober 2012, X, C‑498/10, EU:C:2012:635, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung), da durch diese Bestimmung die Steueraufsicht effizienter und die Umgehung der vom Auftraggeber zu tragenden Steuer schwieriger wird.

37      Eine solche nationale Regelung ist somit geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen.

38      Zur Frage, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, ist zunächst mit der Europäischen Kommission festzustellen, dass die Informationen, die für die Festsetzung und Kontrolle einer Abgabe wie der auf jedes Börsengeschäft zu entrichtenden SBG erforderlich sind, nicht bereits durch die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden sowie durch die Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung, wie sie insbesondere in der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/107/EU des Rates vom 9. Dezember 2014 (ABl. 2014, L 359, S. 1) geänderten Fassung vorgesehen sind, erlangt werden können.

39      Außerdem geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den belgischen Auftraggeber zwar verpflichtet, die SBG zu entrichten, wenn der gewerbliche Vermittler im Ausland ansässig ist, dass sie aber die aus dieser Steuerpflicht folgende Belastung auf das zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderliche Maß beschränkt.

40      Insbesondere ist der Auftraggeber nach Art. 126/2 WDRT von der Pflicht zur Entrichtung dieser Steuer und den mit ihr verbundenen Erklärungspflichten befreit, wenn er nachweist, dass die Steuer bereits gezahlt wurde. Hierzu geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass es ausreicht, wenn dieser Auftraggeber die Aufstellung nach Art. 127 WDRT vorlegt, die den Namen des gebietsfremden gewerblichen Vermittlers, die Art und den Wert des Geschäfts sowie die Höhe der SBG enthält und der beispielsweise ein Kontoauszug als Nachweis für die Entrichtung der Steuer beigefügt ist.

41      Außerdem kann der gebietsansässige Auftraggeber mit dem von ihm eingeschalteten gebietsfremden gewerblichen Vermittler vereinbaren, dass dieser wie die in Belgien ansässigen Vermittler verpflichtet ist, ihm für die Geschäfte einen Kontoauszug vorzulegen, in dem die Zahlung der SBG ausgewiesen ist. Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass der gebietsfremde gewerbliche Vermittler die Möglichkeit hat, für die Erfüllung dieser Formalitäten einen Bevollmächtigten zu benennen.

42      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht weiter hervor, dass der belgische Gesetzgeber durch die Einführung von Art. 126/3 WDRT auch die Beweisführung in Bezug auf die Zahlung der SBG vereinfachen wollte. Dieser Artikel ermöglicht es den gebietsfremden Vermittlern – ohne sie dazu zu verpflichten –, die Zulassung eines in Belgien ansässigen Vertreters zu erwirken, damit dieser für ihre Rechnung den mit der Entrichtung der dieser Steuer verbundenen Erklärungspflichten nachkommt und dafür die Verantwortung übernimmt. Durch diese Möglichkeit kann u. a. den Schwierigkeiten begegnet werden, die mit der Notwendigkeit verbunden sind, die Aufstellung nach Art. 127 WDRT in einer Sprache auszufüllen, die nicht die Sprache des gebietsfremden gewerblichen Vermittlers ist.

43      Unter diesen Umständen wird angesichts einer solchen Auswahl an Möglichkeiten zugunsten der gebietsansässigen Auftraggeber wie der gebietsfremden gewerblichen Vermittler, die es ihnen erlaubt, die Lösung auszuwählen, die sie für am wenigsten belastend halten, die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung ergibt, auf das zur Erreichung der mit dieser verfolgten Ziele erforderliche Maß begrenzt. Folglich geht diese Regelung, die damit diesen Auftraggebern und gewerblichen Vermittlern sowohl in Bezug auf die mit der SBG verbundenen Erklärungspflichten als auch in Bezug auf die Entrichtung dieser Steuer Erleichterungen bietet, nicht über das hinaus, was zur Verwirklichung dieser Ziele erforderlich ist.

44      Schließlich ist zu Art. 36 des EWR-Abkommens festzustellen, dass diese Bestimmung Art. 56 AEUV entspricht, so dass die in den Rn. 23 bis 43 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zu diesem Artikel auch für Art. 36 des EWR-Abkommens gelten.

45      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 56 AEUV und Art. 36 des EWR-Abkommens dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die eine Steuer für im Auftrag einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Person durch einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte einführt und eine Beschränkung der freien Dienstleistungserbringung durch solche gewerblichen Vermittler zur Folge hat, soweit diese Regelung für diese Auftraggeber und gewerblichen Vermittler Erleichterungen sowohl in Bezug auf die mit dieser Steuer verbundenen Erklärungspflichten als auch in Bezug auf die Zahlung derselben vorsieht, durch die die Beschränkung auf das begrenzt wird, was zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist.

 Zur dritten Frage

46      Angesichts der Antwort auf die erste und die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

47      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 56 AEUV und Art. 36 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die eine Steuer auf im Auftrag einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Person durch einen gebietsfremden gewerblichen Vermittler abgeschlossene oder ausgeführte Börsengeschäfte einführt und eine Beschränkung der freien Dienstleistungserbringung durch solche gewerblichen Vermittler zur Folge hat, soweit diese Regelung für diese Auftraggeber und gewerblichen Vermittler Erleichterungen sowohl in Bezug auf die mit dieser Steuer verbundenen Erklärungspflichten als auch in Bezug auf die Zahlung derselben vorsieht, durch die die Beschränkung auf das begrenzt wird, was zur Erreichung der mit der Regelung verfolgten legitimen Ziele erforderlich ist.

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