C-60/23 – Digital Charging Solutions

C-60/23 – Digital Charging Solutions

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2024:368

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 25. April 2024(1)

Rechtssache C60/23

Skatteverket

gegen

Digital Charging Solutions GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta förvaltningsdomstol [Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden])

„Vorabentscheidungsersuchen – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 14, 15 und 24 – Ladepunkte für Elektrofahrzeuge – Bereitstellung von Vorrichtungen (Karten bzw. Applikationen) zum Aufladen von Elektrofahrzeugen, Lieferung der erforderlichen Elektrizität sowie Leistung von technischer Unterstützung und von IT‑Diensten – Einordnung als ‚Lieferung von Gegenständen‘ oder ‚Dienstleistung‘ – Art. 14 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 – Rechtsstellung und Funktion des Anbieters der Vorrichtung im Falle dieser Leistungen“

I.      Einleitung

1.        Die Zahl der in der Europäischen Union zugelassenen Elektrofahrzeuge nimmt stetig zu.(2) Dies steht im Einklang mit dem Europäischen Grünen Deal, der darauf abzielt, die Europäische Union bis zum Jahr 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Nutzung von Elektrofahrzeugen erfordert naturgemäß die dazugehörige Infrastruktur, wie etwa Ladepunkte.

2.        Parallel zu den Veränderungen in der realen Welt ist es erforderlich, Rechtsvorschriften zu erlassen oder die bereits bestehenden Rechtsvorschriften (neu) auszulegen, um die mit einem solchen Wandel neu auftretenden Rechtsbeziehungen regeln. Die vorliegende Rechtssache behandelt dieses Thema, wobei das innerstaatliche Gericht um Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie(3) in ihrer Anwendung auf Umsätze ersucht, die sich aus der Verwendung von Vorrichtungen (wie einer Karte oder Applikation) zum Aufladen von Elektrofahrzeugen ergeben.

3.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden) zwischen der Digital Charging Solutions GmbH (im Folgenden: DCS), einer Gesellschaft deutschen Rechts, und dem Skatteverk (Finanzbehörde, Schweden) über die Gültigkeit des Steuervorbescheids vom 8. April 2022 des Letzteren (im Folgenden: Vorbescheid) ergangen.

II.    Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

4.        Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit von DCS ist in Deutschland, sie hat keine feste Niederlassung in Schweden. Diese Gesellschaft stellt Nutzern von Elektrofahrzeugen in Schweden Zugang zu einem Netzwerk von Ladepunkten zur Verfügung. Dieses Netzwerk stellt den Nutzern in Echtzeit Informationen über die Preise, Standorte und Verfügbarkeit der Ladepunkte neben Funktionen für das Auffinden von Ladepunkten sowie für die Routenplanung zur Verfügung.

5.        Die Ladepunkte, die zum Netzwerk gehören, werden nicht von DCS bereitgestellt, sondern von Ladepunktbetreibern, mit denen DCS Verträge abgeschlossen hat. Um Fahrzeuge an den Ladestationen aufzuladen, stattet DCS die Nutzer mit einer Karte und einer Authentifizierungsapplikation aus (im Folgenden: Karten- bzw. Applikationsnutzer). Bei Verwenden der Karte oder Applikation wird das Aufladen beim Ladepunktbetreiber registriert, der dann DCS diesen Ladevorgang in Rechnung stellt. Die Rechnungstellung erfolgt monatlich am Ende eines Kalendermonats mit einer Zahlungsfrist von 30 Tagen.

6.        Auf Basis der von den Ladepunktbetreibern erhaltenen Rechnungen stellt DCS den Karten- bzw. Applikationsnutzern Rechnungen aus, erstens für die pro Monat gelieferte Menge Elektrizität und zweitens für den Zugang zum Netzwerk und die Nebenleistungen. Der Preis für die gelieferte Elektrizität schwankt abhängig von der Lademenge, für den Zugang und den Netzwerkdienst wird eine feststehende Gebühr verrechnet, die unabhängig davon in Rechnung gestellt wird, ob der Nutzer während des Zeitraums überhaupt Elektrizität gekauft hat oder nicht. Es ist nicht möglich, nur Elektrizität von der Gesellschaft zu kaufen, ohne zugleich für den Zugang zum Netzwerk zu bezahlen.

7.        Am 14. April 2021 beantragte DCS beim Skatterättsnämnd (Steuerrechtsausschuss, Schweden) einen Vorbescheid. Am 8. April 2022 erließ diese Regierungsbehörde einen solchen Vorbescheid, in dem sie die Lieferungen von DCS als komplexe Umsätze beurteilte, die hauptsächlich durch die Lieferung von Elektrizität an die Nutzer charakterisiert würden, wobei Schweden als Ort der Lieferungen anzunehmen sei.

8.        Das Skatteverk brachte beim Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht), dem vorlegenden Gericht, eine Klage ein, mit der es die Bestätigung dieses Vorbescheids begehrte. DCS wandte sich mit einem Begehren auf Änderung des Vorbescheids an dieses Gericht. Vor dem nationalen Gericht machte die Gesellschaft geltend, dass zwei getrennte Leistungen vorlägen, die Lieferung von Elektrizität und die Erbringung einer Dienstleistung (die Erleichterung des Zugangs zu einem Netzwerk von Ladepunkten) und dass folglich nur der Teil der Leistungen, der die Lieferung von Elektrizität betreffe, in Schweden zu besteuern sei.

9.        Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, ist der Skatterättsnämd geteilter Ansicht. Auf der einen Seite ist die Mehrheit der Mitglieder der Auffassung, dass die Ladepunktbetreiber DCS Elektrizität liefern würden, die diese wiederum den Nutzern liefere. Es handele sich also um eine Kette von Vorgängen, bei denen die Ladepunktbetreiber keine Vertragsverpflichtungen gegenüber jenen Nutzern hätten.

10.      Auf der anderen Seite vertritt innerhalb des Skatterättsnämd eine Minderheit die Ansicht, dass DCS den Nutzern einen Dienst zur Verfügung stelle, der insbesondere in der Bereitstellung eines Netzwerks von Ladepunkten und der nachfolgenden Rechnungstellung bestehe, woraus sich schließen lasse, dass den Letzteren in gewisser Weise Kredit für den Kauf von Elektrizität gewährt werde.(4) Dieser Ansatz trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, dass die Nutzer aus Bedingungen wie der Qualität, der Menge, dem Zeitpunkt des Kaufs und der Art der Verwendung der Elektrizität frei wählen können.

11.      Der Högsta förvaltningsdomstol hat deshalb beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stellt eine Leistung an den Nutzer eines Elektrofahrzeugs, die im Aufladen des Fahrzeugs an einem Ladepunkt besteht, eine Lieferung eines Gegenstands nach Art. 14 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dar?

2.      Falls die erste Frage bejaht wird, ist dann eine solche Lieferung in allen Abschnitten der Umsatzkette, in die ein zwischengeschaltetes Unternehmen eingebunden ist, als gegeben anzunehmen, wenn die Umsatzkette in jedem Abschnitt mit einem Vertrag einhergeht, aber nur der Nutzer des Fahrzeugs über Umstände wie die Menge, den Zeitpunkt und den Ort der Aufladung sowie die Art der Verwendung der Elektrizität entscheiden kann?

12.      DCS, Skatteverket, die ungarische Regierung und die Europäische Kommission haben dem Gerichtshof schriftliche Erklärungen vorgelegt.

13.      Am 7. Februar 2024 hat eine Sitzung stattgefunden, in der die schwedische Regierung und die Kommission mündliches Vorbringen erstattet haben.

III. Rechtlicher Rahmen

14.      In Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es, dass „[a]ls ‚Lieferung von Gegenständen‘ … die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen [gilt].“

15.      Art. 14 Abs. 2 dieser Richtlinie lautet:

„Neben dem in Absatz 1 genannten Umsatz gelten folgende Umsätze als Lieferung von Gegenständen:

c)       die Übertragung eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission.“

16.      Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der die Erbringung von Dienstleistungen betrifft, ordnet Folgendes an:

„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.“

17.      Der Gerichtshof entschied, dass die für die Auslegung von Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie maßgeblichen Erwägungen auch für die Lieferung von Gegenständen aufgrund eines Vertrags über eine Einkaufskommission gemäß ihrem Art. 14 Abs. 2 Buchst. c gelten.(5)

IV.    Würdigung

18.      Art. 15 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt, dass Elektrizität für die Zwecke der Mehrwertsteuer einen Gegenstand darstellt.

19.      Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass der komplexe Umsatz, der in der Übertragung von Elektrizität an die Batterie eines Elektrofahrzeugs sowie im Zugang zu den Ladevorrichtungen und zur notwendigen technischen sowie IT‑Unterstützung besteht, eine Lieferung von Gegenständen im Sinne der Art. 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.(6)

20.      Damit scheint die erste Frage des vorlegenden Gerichts geklärt zu sein. Auf Ersuchen des Gerichtshofs beschränken sich die vorliegenden Schlussanträge daher auf die Würdigung der zweiten Frage.

21.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, in welcher Weise die Mehrwertsteuerrichtlinie auf jeden Abschnitt des mit dem Aufladen eines Elektrofahrzeugs mit Hilfe einer Karte oder Applikation verbundenen Umsatzes anzuwenden ist.

22.      Zur Beantwortung dieser Frage ist es zunächst wichtig zu betonen, dass das grundlegende Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems die wirtschaftliche und geschäftliche Realität ist. Der Gerichtshof wiederholte dies bereits mehrfach.(7)

23.      Die Würdigung ist daher mit der Frage nach dem Ablauf des (der) in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Umsatzes (Umsätze) zu beginnen.

24.      Nach meinem Verständnis erbringt DCS zwei verschiedene Arten von Leistungen: eine Dienstleistungserbringung und eine Lieferung von Gegenständen.

25.      Die Dienstleistungserbringung besteht darin, Fahrern von Elektrofahrzeugen eine Karte oder Applikation zur Verfügung zu stellen, die die Informationen zum Netzwerk von Ladepunkten enthält sowie den Zugang dazu ermöglicht. Für diese Dienstleistungserbringung stellt DSC unabhängig davon, ob Elektrizität gekauft wird oder nicht, eine Rechnung mit einer feststehenden Gebühr. Auf Grundlage von Art. 43 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist der Ort der „Erbringung“ dieser Dienstleistung in Deutschland, da die Dienstleistungserbringerin dort ihren Sitz hat.

26.      Die Lieferung von Gegenständen, nämlich Elektrizität, lässt sich von der Erbringung der Dienstleistungen trennen. Für diese Lieferungen wird am Ende jedes Monats abhängig von der Menge der verbrauchten Elektrizität eine Rechnung gestellt.

27.      Auch wenn getrennte Rechnungen eine einheitliche komplexe Leistung und somit einen einzigen Umsatz nicht zwangsläufig ausschließen,(8) wäre es wirklichkeitsfremd, zwei Leistungen, die nicht als so eng verbunden anzusehen sind, dass sie eine untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, nicht getrennt zu halten. Daher sind sie im Hinblick auf die Mehrwertsteuer grundsätzlich als eigene und selbständige Leistungen zu betrachten.(9)

28.      Meines Erachtens würde die betreffende Vertragsgestaltung außer Acht gelassen und somit der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität keine Beachtung geschenkt, würde man die Leistungen im Ausgangsverfahren als einheitliche Leistung und nicht als zwei getrennte Leistungen beurteilen.(10)

29.      Eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Zugangs zum Netzwerk von der Lieferung von Elektrizität wäre meines Erachtens die rechtliche Einordnung der in Rede stehenden Rechtsbeziehungen für die Zwecke der mehrwertsteuerlichen Behandlung, die der Wirklichkeit am nächsten käme. Folglich scheint das Vorbringen von DSC vor dem vorlegenden Gericht (siehe Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge) zuzutreffen.

30.      In der Sitzung sind sich die Kommission und die schwedische Regierung darüber einig gewesen, dass die Erbringung der getrennt verrechneten Dienstleistung der Gewährung des Zugangs zum Netzwerk für die vorliegende Rechtssache nicht von Interesse sei. Der Schwerpunkt liegt hier somit auf der rechtlichen Einordnung der Umsätze, die zur zweiten Leistung, der Lieferung von Elektrizität, gehören.

31.      Die mit der Lieferung von Elektrizität verbundenen Umsätze betreffen die Rechtsbeziehung zwischen dem jeweiligen Ladepunktbetreiber und DCS und diejenige zwischen DCS und dem jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer. Es besteht keine direkte Rechtsbeziehung zwischen den Ladepunktbetreibern und den Karten- bzw. Applikationsnutzern, was in der vorliegenden Rechtssache außer Streit steht.

32.      Es kommen drei Möglichkeiten der Einordnung der in Rede stehenden Rechtsbeziehungen für die Zwecke ihrer mehrwertsteuerlichen Behandlung in Frage.

33.      Die erste davon ergibt sich aus der Auto Lease Holland-Rechtsprechung.(11) Diese Rechtsprechungslinie behandelt Umsätze wie diejenigen zwischen DCS und den Karten- bzw. Applikationsnutzern als Erbringung von Dienstleistungen der Kreditgewährung, die gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sind. Ein solcher Ansatz erscheint mir für die Behandlung der in Rede stehenden Umsätze unpassend. Da dieser jedoch von einer Minderheit der Mitglieder des Skatterättsnämnd vertreten wird, werde ich mich zunächst in Abschnitt A dieser Möglichkeit widmen.

34.      Die zweite Möglichkeit besteht darin, die zwei Umsätze als aufeinanderfolgende Verkäufe zu behandeln, die beide Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie unterliegen; dies ist das sogenannte „Kauf- und Verkaufsmodell“. Diesen Standpunkt vertreten die Mehrheit der Mitglieder des Skatterättsnämnd sowie die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Ich werde diese Möglichkeit in Abschnitt B würdigen.

35.      Die dritte Möglichkeit besteht darin, die betreffenden Umsätze dahin zu verstehen, dass sie auf einem Kommissionsvertrag im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie beruhen.In der Sitzung ist diese Möglichkeit erörtert worden, obwohl sie zuvor weder im Vorabentscheidungsersuchen noch durch die Verfahrensbeteiligten im schriftlichen Verfahren aufgebracht worden war. Sie stellt meines Erachtens die Einordnung dar, die am besten auf die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Umsätze passt. Die Anwendung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie werde ich in Abschnitt C behandeln.

A.      Zur Auto Lease Holland-Rechtsprechung

36.      Die Urteile in den Rechtssachen Auto Lease Holland und Vega International betrafen die mehrwertsteuerliche Behandlung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Verwendung von Tankkarten. Der Sachverhalt dieser beiden Rechtssachen ist nicht gleich, aber er weist gemeinsame Merkmale auf. In beiden Fällen waren mehrere Akteure über den Kartennutzer, den Kartenaussteller und den Energielieferanten hinaus beteiligt und beide betrafen aufeinanderfolgende Verkäufe mittels eines Finanzgeschäfts. In diesen Urteilen legte der Gerichtshof den Schwerpunkt weniger auf die Lieferung von Gegenständen (Kraftstoff) als auf die Zahlungsmodalitäten für diese Lieferungen.(12)

37.      Das Ergebnis des Urteils in der Rechtssache Vega International, das nur die logische Folge des Urteils in der Rechtssache Auto Lease Holland darstellt, war die Feststellung, dass der Umsatz zwischen dem Kartenaussteller und dem Kartennutzer eine Dienstleistung der Kreditgewährung darstellte.

38.      Wie jedoch die Literatur(13) und die Diskussionen im Rahmen des MwSt.-Ausschusses(14) zeigen, warfen diese Rechtssachen verschiedene Bedenken auf. Viele Kritiker monierten den Umstand, dass die vorgeschlagene Auslegung zur Unsichtbarkeit des zwischengeschalteten Unternehmens führe.

39.      Es erscheint mir zweifelhaft, ob die konkreten Umstände dieser Rechtssachen mit denjenigen der vorliegenden Rechtssache vergleichbar sind. Ganz allgemein ist das Geschäftsmodell des Aufladens von Elektrofahrzeugen nicht dasselbe wie jenes der Betankung mit Kraftstoffen, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Während es möglich ist, ein nicht elektrisches Fahrzeug unter Verwendung einer Tankkarte, jeglicher anderen Karte oder Bargeld bei jeder Tankstelle zu betanken, gilt dies nicht für das Aufladen von Elektrofahrzeugen. Für Letztere gibt es unterschiedliche Ladesysteme und sie können nur an den Ladepunkten aufgeladen werden, die zum betreffenden Netzwerk gehören. Die Aufladung kann nur unter Verwendung der betreffenden Karte bzw. Applikation, die den Zugang zum Netzwerk ermöglicht, erfolgen. Schließlich ist unstreitig, dass Karten bzw. Applikationen zum Aufladen von Elektrofahrzeugen keine Zahlungsinstrumente darstellen.

40.      Wenn außerdem der Umsatz zwischen dem Kartenaussteller und dem jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer ein anderer, nicht steuerbarer Umsatz (eine Kreditgewährung) wäre, könnte der Nutzer, wenn es sich um eine steuerpflichtige Person handelt, die Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen, da eine der Mehrwertsteuer unterliegende Rechnung für die Elektrizität ausschließlich dem Kartenaussteller vom jeweiligen Ladepunktbetreiber ausgestellt würde.

41.      Die in der Auto Lease Holland-Rechtsprechung getroffenen Feststellungen lassen sich daher nicht automatisch auf andere Geschäftsmodelle und Vorgänge bei Vorrichtungen zum Laden von Elektrofahrzeugen übertragen und sollten daher keine Anwendung außerhalb der Umstände finden, unter denen diese Urteile ergangen sind.(15)

B.      Zum „Kauf- und Verkaufsmodell“ (Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie)

42.      Nach dem „Kauf- und Verkaufsmodell“ handelt es sich bei den in Rede stehenden Umsätzen um aufeinanderfolgende Verkäufe mit einer einzigen, horizontalen Lieferkette. DCS kauft Elektrizität vom jeweiligen Ladepunktbetreiber und verkauft sie anschließend an den jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer.

43.      Für die Zwecke der Mehrwertsteuer beruht dieses Modell auf Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Jeder Umsatz stellt eine getrennte Lieferung von Gegenständen dar, was nach dieser Bestimmung die Übertragung der Befähigung bedeutet, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

44.      Wie der Gerichtshof erörterte, umfasst die Eigentumsübertragung jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer.(16)

45.      Dies könnte dahin verstanden werden, dass eine gewisse Form der Kontrolle über die Gegenstände übertragen werden muss, damit ein Umsatz als Lieferung von Gegenständen eingeordnet werden kann.(17) Dies ist besonders schwer zu bewerkstelligen, wenn es sich beim gelieferten Gegenstand wie im Ausgangsverfahren um Elektrizität handelt, die nicht leicht übertragen oder gelagert werden kann.(18)

46.      Tatsächlich ist Elektrizität im Vergleich zu anderen Gegenständen (wie Art. 15 Abs. 1, sowie die Art. 38 und Art. 39 der Mehrwertsteuerrichtlinie zeigen) von besonderer Natur und wird u. a. dadurch charakterisiert, dass die Verfolgung ihres physischen Flusses viel schwieriger ist als bei anderen Gegenständen.(19)

47.      Angewendet auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache wäre eine Übertragung des Eigentums an der Elektrizität vom jeweiligen Ladepunktbetreiber an DCS erforderlich, damit Letztere sie dann an einen Karten- bzw. Applikationsnutzer verkaufen könnte. Dies ist unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache freilich nicht der Fall. Vielmehr werden die Gegenstände vom jeweiligen Ladepunktbetreiber unmittelbar auf den jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer übertragen. Somit wird formal weder der faktische Besitz an der Elektrizität noch der Rechtstitel darüber vom jeweiligen Ladepunktbetreiber an DCS übertragen.

48.      Allerdings lässt das Recht den fiktiven rechtlichen Übergang des Eigentums ohne eine faktische Übertragung zu.

49.      Tatsächlich können nach der Rechtsprechung berechtigte Gründe dafür bestehen, aus denen Gegenstände nicht unmittelbar vom Rechnungsaussteller übergeben werden, u. a. das Vorliegen zweier aufeinanderfolgender Verkäufe derselben Gegenstände, die auf Anweisung unmittelbar vom ersten Verkäufer zum zweiten Erwerber befördert werden, so dass zwei aufeinanderfolgende Lieferungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorliegen, aber nur eine tatsächliche Beförderung. Außerdem ist es nicht erforderlich, dass der erste Erwerber zum Zeitpunkt dieser Beförderung Eigentümer der betreffenden Gegenstände geworden ist, da eine Lieferung im Sinne dieser Bestimmung nicht voraussetzt, dass das Eigentum am Gegenstand übergeht.(20)

50.      Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens kann daher dahin verstanden werden, dass er unter das „Kauf- und Verkaufsmodell“ fällt, das aufeinanderfolgende Verkäufe impliziert. Es erfordert einen Rückgriff auf die Fiktion, dass das Recht, als Eigentümer über die Elektrizität zu verfügen, vom jeweiligen Ladepunktbetreiber auf DCS übertragen wurde, was es der Letzteren ermöglicht, dann die betreffenden Gegenstände zu verkaufen.

51.      Für die Zwecke der Mehrwertsteuer sind beide Umsätze steuerbar. Da die Rechnung für die Elektrizität dem jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer vom Kartenaussteller ausgestellt wird, kann der Erstere die Mehrwertsteuer, wenn es sich bei ihm um eine steuerpflichtige Person handelt, als Vorsteuer abziehen.

52.      Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache sichert DCS den Ladepunktbetreibern jedoch weder den Kauf einer gewissen Menge Elektrizität zu, noch trifft sie die Entscheidung darüber, eine Elektrizitätsmenge zu kaufen. Es sind faktisch die Handlungen der Karten- bzw. Applikationsnutzer, die den Kaufvorgang in Gang setzen, wenn sie entscheiden, bei welchem Ladepunkt Elektrizität bezogen wird sowie welche Menge an Elektrizität übertragen werden soll und es sind die Fahrzeuge dieser Nutzer, bei denen die Lieferungen erfolgen.

53.      Mit Ausnahme des Risikos, vom jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer nicht bezahlt zu werden, übernimmt DCS also kein unternehmerisches Risiko bei dieser Elektrizitätslieferung, da alles bereits verkauft und geliefert ist, wenn sie dem Nutzer die Rechnung ausstellt.

54.      Es verdient daher eine Erörterung, ob die andere Möglichkeit, d. h. die Subsumtion der in Rede stehenden Umsätze unter Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie, nicht besser der wirtschaftlichen Realität des Aufladens von Elektrofahrzeugen entspricht.

C.      Zum Kommissionsmodell (Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie)

55.      Mit dem Kommissionsmodell würden die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Umsätze dahin beschrieben, dass ein Kommissionär als Vermittler zwischen dem jeweiligen Ladepunktbetreiber und dem Karten- bzw. Applikationsnutzer auftritt.

56.      Es sind zwei Arten von Kommissionsmodellen denkbar: die Verkaufskommission und die Einkaufskommission.(21)

57.      Im Modell der Verkaufskommission ist der jeweilige Ladepunktbetreiber der Kommittent, während der Bereitsteller der Vorrichtung (Kartenaussteller bzw. Bereitsteller der Applikation) (wie DCS) der Kommissionär ist. In diesem Modell verkauft der Bereitsteller der Vorrichtung Elektrizität in eigenem Namen, aber für Rechnung des jeweiligen Ladepunktbetreibers, an den jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer.

58.      Im Modell der Einkaufskommission ist der jeweilige Karten- bzw. Applikationsnutzer der Kommittent und DCS ist der Kommissionär. In diesem Modell kauft der Bereitsteller der Vorrichtung (DCS) in eigenem Namen, aber für Rechnung des jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzers, Elektrizität vom jeweiligen Ladepunktbetreiber. Dieses Modell beschreibt die Situation, die der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegt, am besten, da der Kauf von Elektrizität, wie ich bereits ausgeführt habe (siehe Nr. 52 der vorliegenden Schlussanträge), auf Initiative des Karten- bzw. Applikationsnutzers erfolgt.

59.      Rechtlich gesehen bauen beide Kommissionsmodelle auf Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf.(22) In Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es, dass Personen, die als Kommissionär tätig werden, d. h. im eigenen Namen, aber für Rechnung eines Dritten, behandelt werden, als ob sie die betreffenden Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten. Obwohl sich Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie nur auf die Erbringung von Dienstleistungen bezieht, entschied der Gerichtshof, dass Entsprechendes auch für die Lieferung von Gegenständen gilt.(23)

60.      Ferner entschied der Gerichtshof, dass Art. 14 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie die juristische Fiktion zweier gleichartiger Lieferungen von Gegenständen begründet, die nacheinander erfolgen und die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.(24)

61.      Um unter das Kommissionsmodell zu fallen, müssen die betreffenden Umsätze somit zwei Voraussetzungen erfüllen. Zum einen muss es einen Auftrag geben, zu dessen Ausführung der Kommissionär für Rechnung des Kommittenten hinsichtlich der Lieferung von Gegenständen und/oder der Erbringung von Dienstleistungen tätig wird, und zum anderen muss zwischen den Lieferungen der Gegenstände und/oder den Dienstleistungen, die der Kommissionär erwirbt, auf der einen sowie den Lieferungen der Gegenstände und/oder den Dienstleistungen, die an den Kommittenten verkauft oder diesem übertragen werden, auf der anderen Seite Gleichartigkeit bestehen.(25)

62.      In der Sitzung waren sich die schwedische Regierung und die Kommission einig, dass diese Bedingungen unter den Umständen des Ausgangsverfahrens beide erfüllt seien.

63.      Dem stimme ich zu.

64.      In Bezug auf die erste Voraussetzung des Vorliegens eines Auftrags lässt sich die in Rede stehende Situation weniger als aufeinanderfolgende zweiseitige Verträge und vielmehr als eine auf einem Auftragsvertrag beruhende Übertragung von Gegenständen beschreiben, in deren Rahmen der jeweilige Karten- bzw. Applikationsnutzer der Kommittent und DCS der Kommissionär ist. Selbst mit dem Wortlaut der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen wird impliziert, dass DCS als Vermittlerin (zwischengeschaltetes Unternehmen) auftritt.

65.      Zwar fordert der jeweilige Karten- bzw. Applikationsnutzer DCS nicht bei jedem Ladevorgang ausdrücklich auf, Elektrizität für seine Rechnung zu kaufen. Der Gerichtshof entschied jedoch bereits, dass ein Käufer einen Kommissionär einen Auftrag nicht ausdrücklich erteilen muss.(26) Alternativ kann das Vorzeigen der Karte bzw. Applikation beim Ladepunkt als ein dem Kommissionär erteilter Auftrag verstanden werden, eine gewisse Menge Elektrizität zu kaufen.

66.      Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung wurde argumentiert, dass zwischen der Lieferung von Elektrizität vom jeweiligen Ladepunktbetreiber an den Bereitsteller der Vorrichtung (Kartenaussteller bzw. Bereitsteller der Applikation) und der Lieferung von Elektrizität vom Bereitsteller der Vorrichtung an den jeweiligen Nutzer keine Gleichartigkeit bestehe, da im letzteren Fall zusätzliche Elemente zur Lieferung von Elektrizität hinzuträten.(27)

67.      Dies mag unter bestimmten Umständen der Fall sein.(28)

68.      Im vorliegenden Fall lässt sich die Erbringung der Dienstleistungen in Bezug auf die Nutzung der Karte bzw. Applikation jedoch von der Lieferung von Elektrizität trennen (siehe Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge). Die zu erfolgende Lieferung von Elektrizität ist gleichartig, ob es sich nun um einen Umsatz zwischen dem Ladepunktbetreiber und DCS oder um einen Umsatz zwischen DCS und dem Karten- bzw. Applikationsnutzer handelt.

69.      Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache scheinen daher beide Voraussetzungen – das Vorliegen eines Auftrags und die Gleichartigkeit der Leistungen – erfüllt zu sein und folglich passt das Modell der Einkaufskommission tatsächlich auf die in Rede stehenden Umsätze.

70.      Schließlich würde es die Anwendung des Kommissionsmodells auf eine Situation wie die vorliegende den Karten- bzw. Applikationsnutzern, die steuerpflichtig sind, erlauben, die Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, da sie dann Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer von DCS ausgestellt bekämen.

D.      Zum Kommissionsmodell als der Möglichkeit, die besser auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache passt

71.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Umsätze, die das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Geschäftsmodell nach sich zieht, sowohl unter Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie als auch unter ihren Art. 14 Abs. 2 Buchst. c eingeordnet werden können. Solche aufeinanderfolgenden Umsätze und Kettenlieferungen lassen sich sowohl mit dem „Kauf- und Verkaufsmodell“ als auch mit dem Kommissionsmodell beschreiben.

72.      Es stellt sich die Frage, welche Bestimmung angewendet werden sollte.

73.      Meines Erachtens handelt es sich beim Kommissionsmodell, wie es in Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie beschrieben wird, um die mehrwertsteuerliche Behandlung, die am besten auf Geschäftsmodelle wie das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende passt.

74.      Was das Verhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie angeht, kann festgestellt werden, dass die Definition des Umsatzes, der Gegenstand von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie ist, keine Bezugnahme auf die in ihrem Art. 14 Abs. 1 genannte „Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“ enthält. Der Gerichtshof entschied daher, dass der Unionsgesetzgeber, auch wenn er sie unter demselben Begriff „Lieferung von Gegenständen“ zusammenfasste, den in Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsatz gleichwohl von dem in ihrem Art. 14 Abs. 1 genannten unterscheiden wollte, weil diese beiden Umsätze nicht in derselben Weise definiert werden.(29) Obwohl diese Bestimmungen also beide das Konzept der „Lieferung von Gegenständen“ betreffen, kommt Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie gegenüber ihrem Art. 14 Abs. 1 autonomer Charakter zu.(30)

75.      Wie aus dem Wortlaut und der Struktur von Art. 14 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervorgeht und durch die Rechtsprechung bestätigt wurde, stellt Abs. 2 dieser Bestimmung gegenüber der allgemeinen Definition in ihrem Abs. 1 eine lex specialis dar, deren Anwendungsvoraussetzungen gegenüber denen von Abs. 1 autonomen Charakter haben.(31)

76.      Wenn ein Umsatz sowohl in den Anwendungsbereich einer allgemeinen Vorschrift als auch in den einer lex specialis fallen kann, sollte er unter die Letztere subsumiert werden, da es sonst keinen Grund für das Bestehen der spezielleren Vorschrift gäbe.

77.      Darüber hinaus würde eine Einordnung der in Rede stehenden Rechtsbeziehung unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie weniger an „Fiktion“ erfordern als ein Rückgriff auf ihren Art. 14 Abs. 1. Die Anwendung der letzteren Bestimmung bedürfte der Annahme, dass die Elektrizität aufeinanderfolgend geliefert, aber nur einmal befördert würde und dennoch die Möglichkeit für jeden der Beteiligten bestanden hätte, wie ein Eigentümer darüber zu verfügen. Das Kommissionsmodell nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit deren Art. 28 verlangt, dass der Vermittler (das zwischengeschaltete Unternehmen) die Elektrizität selbst erhalten und geliefert hat (siehe Nr. 59 der vorliegenden Schlussanträge). Darüber hinaus müsste also nur angenommen werden, dass der jeweilige Karten- bzw. Applikationsnutzer DCS den Auftrag erteilt hat, bei jeder Verwendung der Karte bzw. Applikation für seine Rechnung, aber in eigenem Namen, Elektrizität zu kaufen (siehe Nr. 65 der vorliegenden Schlussanträge).

78.      Eine Argumentation unter Heranziehung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie würde jegliche Schwierigkeiten in Bezug auf die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, vermeiden.(32)

79.      Darüber hinaus würde es die tatsächliche Natur der wirtschaftlichen und geschäftlichen Transaktionen im Zusammenhang mit Vorrichtungen für das Aufladen von Elektrofahrzeugen, wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, besser widerspiegeln, der Argumentation Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie zugrundezulegen.

80.      Zwar verabschiedete der MwSt.-Ausschuss Leitlinien zu Vorrichtungen für das Aufladen von Elektrofahrzeugen, in denen er die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie nahelegte.(33) Diese Leitlinien sind jedoch nicht so eindeutig und umfassend, wie man vielleicht denken oder erwarten würde.

81.      Zunächst beziehen sich diese Leitlinien im Wesentlichen auf die Rechtsbeziehung zwischen dem jeweiligen Ladepunktbetreiber und dem Bereitsteller der Vorrichtung(34) und decken nicht zwangsläufig alle Geschäftsmodelle des Aufladens von Elektrofahrzeugen ab.

82.      Bei einem Modell, in dem es, wie im vorliegenden Fall, zwei getrennte Leistungen und daher zwei getrennte Umsätze gibt, d. h. die Erbringung einer Dienstleistung, für die unabhängig davon, ob Elektrizität gekauft wird oder nicht, eine feststehende Gebühr verrechnet wird, und die Lieferung von Gegenständen, nämlich Elektrizität, die am Ende jedes Monats abgerechnet wird, ist auch die Anwendung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie möglich.

83.      Meines Erachtens ist es bezeichnend, dass DCS nicht als tatsächlicher Lieferer von Elektrizität auftritt, da sie bei diesen Lieferungen kein unternehmerisches Risiko trägt. Umgekehrt hat diese Gesellschaft eine wirtschaftliche Funktion bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lieferung von Gegenständen und kann daher als Vermittlerin angesehen werden.(35)

84.      Es erscheint mir daher im Hinblick auf die wirtschaftliche und geschäftliche Realität treffender, wenn verschiedene Verkäufe derselben Gegenstände stattfinden, sodass die betreffenden Gegenstände auf Anweisung unmittelbar vom ersten Verkäufer zum letzten Erwerber befördert werden, dass das zwischengeschaltete Unternehmen nur als Vermittler handelt.

85.      Schließlich würde dem Karten- bzw. Applikationsnutzer das Recht auf Vorsteuerabzug(36) in transparenter Weise gewährleistet, würde Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie zur Regelung von Umsätzen wie den im vorliegenden Fall in Rede stehenden ausgewählt. Folglich stünde die vorgeschlagene Lösung im Einklang mit dem Grundsatz der Steuerneutralität.(37)

86.      Die auf Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie beruhende Möglichkeit ist daher meines Erachtens die Lösung, die am besten auf Umstände wie diejenigen des Ausgangsverfahrens passt.

87.      Nur wenn die beiden Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie (das Vorliegen eines Auftrags und die Gleichartigkeit der Leistungen) nicht erfüllt wären, wäre ihr Art. 14 Abs. 1 im Ausgangsverfahren anwendbar. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

88.      Sollte, wie es der MwSt.-Ausschuss in seinen Leitlinien zu Vorrichtungen für das Aufladen von Elektrofahrzeugen (siehe Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge) nahelegte, auf Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie zurückgegriffen werden, wäre DCS als „steuerbarer Wiederverkäufer“ im Sinne von Art. 38 Abs. 2 dieser Richtlinie anzusehen und als Ort der Lieferung von Elektrizität vom jeweiligen Ladepunktbetreiber an DCS würde der Ort gelten, an dem der steuerpflichtige Wiederverkäufer (DCS) den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie hat. Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache wäre dies Deutschland.

89.      Als Ort der Lieferung von Elektrizität von DCS an den jeweiligen Karten- bzw. Applikationsnutzer, der sein Elektrofahrzeug auflädt, gilt nach Art. 39 der Mehrwertsteuerrichtlinie jedenfalls der Ort, an dem der jeweilige Fahrer die Elektrizität tatsächlich nutzt und verbraucht, d. h. der Ort, an dem sich der Ladepunkt befindet. In der vorliegenden Rechtssache wäre dies Schweden.

90.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass das Aufladen eines Elektrofahrzeugs über ein Netzwerk von Ladepunkten, zu dem ein Nutzer über ein mit einem anderen Unternehmen als dem jeweiligen Ladepunktbetreiber abgeschlossenes Abonnement Zugang hat, impliziert, dass die verbrauchte Elektrizität diesem Nutzer vom genannten Betreiber geliefert wird und das Unternehmen, das den Zugang zu diesen Ladepunkten anbietet, bei diesen Lieferungen als Kommissionär im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie auftritt.

91.      Wenn die beiden Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfüllt sind, ist stattdessen davon auszugehen, dass die Lieferung von Elektrizität an den Nutzer als von dem Unternehmen erbracht gilt, das im Sinne des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie Nutzern den Zugang zu einem Netzwerk von Ladepunkten zur Verfügung stellt.

V.      Ergebnis

92.      Im Licht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Högsta förvaltningsdomstol vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

ist dahin auszulegen, dass das Aufladen eines Elektrofahrzeugs über ein Netzwerk von Ladepunkten, zu dem ein Nutzer über ein mit einem anderen Unternehmen als dem jeweiligen Ladepunktbetreiber abgeschlossenes Abonnement Zugang hat, impliziert, dass die verbrauchte Elektrizität diesem Nutzer vom genannten Betreiber geliefert wird und das Unternehmen, das den Zugang zu diesen Ladepunkten anbietet, bei diesen Lieferungen als Kommissionär im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c dieser Richtlinie auftritt.

Wenn die beiden Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG nicht erfüllt sind, ist stattdessen davon auszugehen, dass die Lieferung von Elektrizität an den Nutzer als von dem Unternehmen erbracht gilt, das im Sinne des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie Nutzern den Zugang zu einem Netzwerk von Ladepunkten zur Verfügung stellt.







































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