C-351/21 – Beobank

C-351/21 – Beobank

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:215

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

16. März 2023(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Zahlungsdienste im Binnenmarkt – Richtlinie 2007/64/EG – Art. 47 Abs. 1 Buchst. a – Informationen an einen Zahler nach Eingang seines Zahlungsauftrags – Art. 58, 60 und 61 – Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Vorgänge – Pflicht des Dienstleisters, dem Zahler die nicht autorisierten Vorgänge zu erstatten – Rahmenverträge – Pflicht des Dienstleisters, dem Zahler Angaben zum betreffenden Zahlungsempfänger mitzuteilen“

In der Rechtssache C‑351/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Justice de paix du canton de Forest (Friedensgericht des Kantons Forest, Belgien) mit Entscheidung vom 13. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2021, in dem Verfahren

ZG

gegen

Beobank SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter D. Gratsias, M. Ilešič, I. Jarukaitis und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von ZG, vertreten durch C. Sarli, Avocate,

–        der Beobank SA, vertreten durch D. Bracke, Advocaat,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch J. Očková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juli 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 38 Buchst. a der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ZG und der Beobank SA, einer belgischen Bank, bei der der Kläger des Ausgangsverfahrens ein Bankkonto hat, wegen zwei Zahlungsvorgängen, die mit Hilfe der Debitkarte des Klägers getätigt wurden und die dieser als nicht autorisierte Vorgänge ansieht.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 1, 21, 23, 27, 40, 43 und 46 der Richtlinie 2007/64 hieß es:

„(1)      Für die Errichtung des Binnenmarkts ist die Abschaffung aller Binnengrenzen in der Gemeinschaft mit dem Ziel, den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital zu ermöglichen, unerlässlich. Ein einwandfrei funktionierender Binnenmarkt für Zahlungsdienste ist vor diesem Hintergrund von zentraler Bedeutung. …

(21)      In dieser Richtlinie sollten die Informationspflichten der Zahlungsdienstleister gegenüber den Zahlungsdienstnutzern festgelegt werden, damit Letztere ein gleich hohes Maß an verständlichen Informationen über Zahlungsdienste erhalten und so die Konditionen der verschiedenen Anbieter in der EU vergleichen und ihre Wahl in voller Kenntnis der Sachlage treffen können. Im Interesse der Transparenz sollte diese Richtlinie die harmonisierten Anforderungen festlegen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der Zahlungsdienstnutzer sowohl zu dem mit dem Zahlungsdienstleister geschlossenen Vertrag als auch zum Zahlungsvorgang in ausreichendem Umfang alle notwendigen Informationen erhält. Damit der Binnenmarkt für Zahlungsdienste reibungslos funktionieren kann, sollten die Mitgliedstaaten nur solche Informationsvorschriften erlassen können, die in dieser Richtlinie vorgesehen sind.

(23)      Die Informationen sollten den Bedürfnissen der Nutzer angemessen sein und in standardisierter Form übermittelt werden. Allerdings sollten für Einzelzahlungen andere Informationspflichten gelten als für Rahmenverträge, die mehrere Zahlungsvorgänge betreffen.

(27)      Die Art und Weise, in der der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstnutzer informieren muss, sollte den Erfordernissen des Nutzers sowie – je nach den im jeweiligen Zahlungsdienstvertrag getroffenen Vereinbarungen – praktischen technischen Aspekten und der Kosteneffizienz Rechnung tragen. …

(40)      Im Interesse einer voll integrierten und vollautomatisierten Abwicklung von Zahlungen und im Interesse der Rechtssicherheit im Hinblick auf sämtliche Verpflichtungen der Zahlungsdienstnutzer untereinander sollte der vom Zahler transferierte Betrag dem Konto des Zahlungsempfängers in voller Höhe gutgeschrieben werden. …

(43)      Im Interesse einer zügigeren gemeinschaftsweiten Abwicklung von Zahlungen sollte für alle Zahlungsaufträge, die vom Zahler in Euro oder einer Währung eines Mitgliedstaats außerhalb der Eurozone angewiesen werden, einschließlich Überweisungen und Finanztransfers, eine Ausführungsfrist von maximal einem Tag festgelegt werden. … In Anbetracht der in vielen Fällen äußerst effizienten nationalen Zahlungsinfrastruktur sollten die Mitgliedstaaten jedoch gegebenenfalls Vorschriften über Ausführungsfristen von weniger als einem Geschäftstag beibehalten oder erlassen dürfen, um eine Verschlechterung des derzeitigen Leistungsniveaus zu vermeiden.

(46)      Ein reibungslos und zügig funktionierendes Zahlungssystem setzt voraus, dass der Nutzer sich auf die ordnungsgemäße und fristgerechte Ausführung seiner Zahlung durch den Zahlungsdienstleister verlassen kann. In der Regel ist der Zahlungsdienstleister in der Lage, die mit einem Zahlungsvorgang verbundenen Risiken einzuschätzen. Er ist es, der das Zahlungssystem vorgibt, Vorkehrungen trifft, um fehlgeleitete oder falsch zugewiesene Geldbeträge zurückzurufen, und in den meisten Fällen darüber entscheidet, welche zwischengeschalteten Stellen an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligt werden. Daher ist es außer im Falle ungewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse voll und ganz gerechtfertigt, dem Zahlungsdienstleister für die Ausführung eines vom Nutzer entgegengenommenen Zahlungsauftrags die Haftung zu übertragen, wobei die Handlungen und Unterlassungen des Zahlungsdienstleisters des Zahlungsempfängers, für deren Auswahl allein der Zahlungsempfänger verantwortlich ist, ausgenommen sind. Damit jedoch der Zahler in der unwahrscheinlichen Situation, in der nicht bewiesen werden kann (non liquet), ob der Zahlungsbetrag tatsächlich beim Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers eingegangen ist oder nicht, nicht ungeschützt ist, sollte die Beweislast in diesem Fall beim Zahlungsdienstleister des Zahlers liegen. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass das zwischengeschaltete Institut (üblicherweise eine ‚neutrale‘ Stelle wie eine Zentralbank oder eine Clearingstelle), das den Zahlungsbetrag vom sendenden zum empfangenden Zahlungsdienstleister transferiert, die Kontendaten speichert und in der Lage ist, sie erforderlichenfalls zu übermitteln. Sobald der Zahlungsbetrag dem Konto des empfangenden Zahlungsdienstleisters gutgeschrieben worden ist, sollte der Zahlungsempfänger einen unmittelbaren Anspruch auf Gutschrift des Betrags auf seinem Konto gegen seinen Zahlungsdienstleister haben.“

4        In Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2007/64 hieß es:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff

4.      ‚Zahlungsinstitut‘ eine juristische Person, die nach Artikel 10 eine Zulassung für die gemeinschaftsweite Erbringung und Ausführung von Zahlungsdiensten erhalten hat;

5.      ‚Zahlungsvorgang‘ die bzw. der vom Zahler oder Zahlungsempfänger ausgelöste Bereitstellung, Transfer oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von etwaigen zugrunde liegenden Verpflichtungen im Verhältnis zwischen Zahler und Zahlungsempfänger;

7.      ‚Zahler‘ eine natürliche oder juristische Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die einen Zahlungsauftrag von diesem Zahlungskonto gestattet oder – falls kein Zahlungskonto vorhanden ist – eine natürliche oder juristische Person, die den Auftrag für einen Zahlungsvorgang erteilt;

8.      ‚Zahlungsempfänger‘ eine natürliche oder juristische Person, die den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag als Empfänger erhalten soll;

9.      ‚Zahlungsdienstleister‘ Rechtssubjekte im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 sowie natürliche und juristische Personen, für die gemäß Artikel 26 eine Ausnahmeregelung gilt;

10.      ‚Zahlungsdienstnutzer‘ eine natürliche oder juristische Person, die einen Zahlungsdienst als Zahler oder Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nimmt;

11.      ‚Verbraucher‘ eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Zahlungsdienstverträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;

12.      ‚Rahmenvertrag‘ einen Zahlungsdienstvertrag, der die zukünftige Ausführung einzelner und aufeinander folgender Zahlungsvorgänge regelt und die Verpflichtung zur Einrichtung eines Zahlungskontos und die entsprechenden Bedingungen enthalten kann;

…“

5        Titel III („Transparenz der Vertragsbedingungen und Informationspflichten für Zahlungsdienste“) der Richtlinie enthielt ein Kapitel 2 („Einzelzahlungen“).

6        Art. 38 („Informationen an den Zahler nach Eingang des Zahlungsauftrags“) Buchst. a der Richtlinie 2007/64 lautete:

„Unverzüglich nach Eingang des Zahlungsauftrags teilt der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem nach Maßgabe des Artikels 36 Absatz 1 die nachstehenden Informationen mit oder macht sie ihm zugänglich:

a)      eine Referenz, die dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Zahlungsvorgangs ermöglicht, sowie gegebenenfalls Angaben zum Zahlungsempfänger“.

7        Titel III Kapitel 3 („Rahmenverträge“) Art. 41 („Allgemeine vorvertragliche Unterrichtung“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 bestimmte:

„… Die Informationen und Vertragsbedingungen sind in einer Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Zahlungsdienst angeboten wird, oder in einer anderen zwischen den Parteien vereinbarten Sprache klar und verständlich abzufassen.“

8        Art. 47 („Informationen an den Zahler bei einzelnen Zahlungsvorgängen“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie lautete:

„(1)      Nach Belastung des Kontos des Zahlers mit dem Betrag eines einzelnen Zahlungsvorgangs oder – falls der Zahler kein Zahlungskonto verwendet – nach Eingang des Zahlungsauftrags teilt der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem unverzüglich die nachstehenden Angaben in der in Artikel 41 Absatz 1 vorgesehenen Weise mit:

a)      eine Referenz, die dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Zahlungsvorgangs ermöglicht, sowie gegebenenfalls Angaben zum Zahlungsempfänger;

b)      den Betrag, der Gegenstand des Zahlungsvorgangs ist, in der Währung, in der das Zahlungskonto des Zahlers belastet wird, oder in der Währung, die im Zahlungsauftrag verwendet wird;

c)      gegebenenfalls den Betrag der für den Zahlungsvorgang zu entrichtenden Entgelte und deren Aufschlüsselung oder der vom Zahler zu entrichtenden Zinsen;

d)      gegebenenfalls den Wechselkurs, den der Zahlungsdienstleister des Zahlers dem Zahlungsvorgang zugrunde gelegt hat, und den Betrag, der nach dieser Währungsumrechnung Gegenstand des Zahlungsvorgangs ist; und

e)      das Wertstellungsdatum der Belastung oder das Datum des Eingangs des Zahlungsauftrags.

(2)      Der Rahmenvertrag kann eine Klausel enthalten, wonach die Informationen nach Absatz 1 mindestens einmal monatlich und nach einem vereinbarten Verfahren so mitgeteilt oder zugänglich gemacht werden, dass der Zahler die Informationen unverändert aufbewahren und reproduzieren kann.“

9        Art. 58 („Anzeige nicht autorisierter oder fehlerhaft ausgeführter Zahlungsvorgänge“) der Richtlinie lautete:

„Der Zahlungsdienstnutzer kann nur dann eine Korrektur durch den Zahlungsdienstleister erwirken, wenn er unverzüglich nach Feststellung eines nicht autorisierten oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgangs, der zur Entstehung eines Anspruchs – einschließlich eines solchen nach Artikel 75 – geführt hat, jedoch spätestens 13 Monate nach dem Tag der Belastung seinen Zahlungsdienstleister hiervon unterrichtet, es sei denn, der Zahlungsdienstleister hat, soweit anwendbar, die Angaben nach Maßgabe des Titels III zu dem betreffenden Zahlungsvorgang nicht mitgeteilt oder zugänglich gemacht.“

10      Art. 59 („Nachweis der Authentifizierung und Ausführung von Zahlungsvorgängen“) der Richtlinie bestimmte:

„(1)      Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass ein Zahlungsdienstleister für den Fall, dass dessen Zahlungsdienstnutzer bestreitet, einen ausgeführten Zahlungsvorgang autorisiert zu haben, oder geltend macht, dass der Zahlungsvorgang nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde, nachweisen muss, dass der Zahlungsvorgang authentifiziert war, ordnungsgemäß aufgezeichnet und verbucht und nicht durch einen technischen Zusammenbruch oder eine andere Panne beeinträchtigt wurde.

(2)      Bestreitet ein Zahlungsdienstnutzer, einen ausgeführten Zahlungsvorgang autorisiert zu haben, so reicht die vom Zahlungsdienstleister aufgezeichnete Nutzung eines Zahlungsinstruments für sich gesehen nicht notwendigerweise aus, um nachzuweisen, dass der Zahler entweder den Zahlungsvorgang autorisiert oder aber in betrügerischer Absicht gehandelt oder eine oder mehrere seiner Pflichten nach Artikel 56 vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.“

11      Art. 60 („Haftung des Zahlungsdienstleisters für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge“) der Richtlinie 2007/64 sah vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen unbeschadet des Artikels 58 sicher, dass im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem den Betrag des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs unverzüglich erstattet und gegebenenfalls das belastete Zahlungskonto wieder auf den Stand bringt, auf dem es sich ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

(2)      Eine darüber hinausgehende finanzielle Entschädigung kann nach dem auf den Vertrag zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister anwendbaren Recht festgelegt werden.“

12      Art. 61 („Haftung des Zahlers bei nicht autorisierter Nutzung des Zahlungsinstruments“) Abs. 1 bis 3 der Richtlinie bestimmte:

„(1)      Abweichend von Artikel 60 trägt der Zahler bis höchstens 150 [Euro] den Schaden, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs, der durch Nutzung eines verlorenen oder gestohlenen Zahlungsinstruments oder – in dem Fall, dass der Zahler die personalisierten Sicherheitsmerkmale nicht sicher aufbewahrt hat – infolge der missbräuchlichen Verwendung eines Zahlungsinstruments entsteht.

(2)      Der Zahler trägt alle Schäden, die in Verbindung mit nicht autorisierten Zahlungsvorgängen entstanden sind, wenn er sie herbeigeführt hat, indem er in betrügerischer Absicht gehandelt oder eine oder mehrere seiner Pflichten nach Artikel 56 vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. In diesen Fällen findet Absatz 1 des vorliegenden Artikels keine Anwendung.

(3)      In Fällen, in denen der Zahler weder in betrügerischer Absicht gehandelt hat noch seinen Pflichten nach Artikel 56 vorsätzlich nicht nachgekommen ist, können die Mitgliedstaaten die Haftung nach den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels herabsetzen, wobei sie insbesondere der Art der personalisierten Sicherheitsmerkmale des Zahlungsinstruments sowie den Umständen Rechnung tragen, unter denen der Verlust, der Diebstahl oder die missbräuchliche Verwendung des Zahlungsinstruments stattgefunden hat.“

13      Art. 86 („Vollständige Harmonisierung“) der Richtlinie 2007/64 sah in Abs. 1 vor, dass „[u]nbeschadet von … Artikel 61 Absatz 3 … die Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen diese Richtlinie harmonisierte Bestimmungen enthält, keine anderen als die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen beibehalten oder einführen [dürfen]“.

 Belgisches Recht

14      Art. VII.18 § 1 des Code de droit économique (Wirtschaftsgesetzbuch) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Wirtschaftsgesetzbuch) bestimmte:

„Nach Belastung des Kontos des Zahlers mit dem Betrag eines einzelnen Zahlungsvorgangs oder – falls der Zahler kein Zahlungskonto verwendet – nach Eingang des Zahlungsauftrags teilt der Zahlungsdienstleister des Zahlers diesem unverzüglich die nachstehenden Angaben in der in Artikel VII.12 § 1 vorgesehenen Weise mit:

1.      Referenz, die dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Zahlungsvorgangs ermöglicht, und gegebenenfalls Angaben zum Zahlungsempfänger“.

15      Art. VII.35 des Wirtschaftsgesetzbuchs lautete:

„Unbeschadet der Anwendung des Artikels VII.33 muss im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister des Zahlers nach einer Prima-facie-Untersuchung, ob kein Betrug seitens des Zahlers vorliegt, diesem den Betrag des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs unverzüglich erstatten und gegebenenfalls das belastete Zahlungskonto wieder auf den Stand bringen, auf dem es sich ohne den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte, gegebenenfalls zuzüglich Zinsen auf diesen Betrag.

Darüber hinaus muss der Zahlungsdienstleister des Zahlers andere eventuelle finanzielle Folgen erstatten, insbesondere die vom Zahlungsdienstnutzer für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens getragenen Kosten.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16      ZG wohnt in Belgien und hat dort bei Beobank ein Bankkonto, für das er über eine Debitkarte verfügt.

17      In der Nacht vom 20. auf den 21. April 2017 befand sich ZG in Valencia (Spanien). Um 0.35 Uhr erfolgte eine erste Zahlung von 100 Euro mittels seiner Debitkarte in einem Lokal, über dessen genaue Natur sich die Parteien des Ausgangsverfahrens nicht einig sind. Anschließend wurden mit dieser Karte am selben mobilen Zahlungsterminal zwei weitere Zahlungen getätigt, und zwar in Höhe von 991 Euro um 1.35 Uhr und in Höhe von 993 Euro um 2.06 Uhr. Eine vierte Zahlung in Höhe von 994 Euro erfolgte um 2.35 Uhr, wurde jedoch abgelehnt.

18      ZG bestreitet die erste Zahlung von 100 Euro nicht, wohl aber die zweite und die dritte Zahlung (im Folgenden: im Ausgangsverfahren streitige Zahlungen). Er lässt sich vor dem vorlegenden Gericht dahin gehend ein, dass er sich nicht mehr daran erinnere, was nach dem Konsum eines Getränks in dem betreffenden Lokal geschehen sei. Er erinnere sich auch nicht an den Namen und die Adresse des Lokals und sei einem Betrug zum Opfer gefallen, der durch die Verabreichung einer Droge erleichtert worden sei.

19      Am 23. April 2017 widersprach ZG den über seine Karte erfolgten Zahlungen, und am 29. April 2017 erstattete er bei der Polizei in Brüssel (Belgien) Anzeige wegen Diebstahls und betrügerischer Verwendung dieser Bankkarte.

20      Vor der Justice de paix du canton de Forest (Friedensgericht des Kantons Forest, Belgien), dem vorlegenden Gericht, beantragt der Kläger des Ausgangsverfahrens neben der Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 500 Euro die Erstattung der im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen in Höhe von 1 984 Euro, die er als „nicht autorisiert“ im Sinne von Art. VII.35 des Wirtschaftsgesetzbuchs ansieht.

21      Beobank bestreitet den von ZG vorgetragenen Sachverhalt und verweigert die Erstattung, da diese Zahlungsvorgänge autorisiert worden seien oder ZG zumindest „grob fahrlässig“ gehandelt habe.

22      Das vorlegende Gericht hält es für wichtig, zu wissen, wer diese Zahlungen empfangen hat. In der Regel ermögliche ein Betrug durch einen Dritten mittels der Debitkarte eines Opfers es dem Betrüger, Einkäufe oder Bargeldabhebungen vorzunehmen. Vorliegend sei jedoch nach dem Vorbringen von ZG der Betrug dem Bankkonto eines Dritten zugutegekommen.

23      Das vorlegende Gericht führt aus, dass Beobank auf Ersuchen des Anwalts von ZG ausschließlich die Referenznummer und die Geolokalisierung des betreffenden Zahlungsterminals mitgeteilt habe, wobei die Identität des Empfängers der im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen nur mit der folgenden Bezeichnung angegeben worden sei: „COM SU VALENCIA ESP“. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Ausgangsverfahren nach der mündlichen Verhandlung vertagt worden sei, um Beobank zu ermöglichen, hierzu nähere Angaben zu machen, was diese aber letztlich nicht getan habe, da sie keine zusätzlichen Informationen von ATOS, dem Betreiber des Zahlungsterminals, erhalten habe. Beobank trägt vor, dass sich die spanische Bank des Zahlungsempfängers, Sabadell, weigere, Angaben zur Identität des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers zu übermitteln.

24      Unter Bezugnahme auf Art. VII.18 des Wirtschaftsgesetzbuchs hält das vorlegende Gericht die Feststellung für erforderlich, ob nach dieser Bestimmung die betreffende Bank hinsichtlich der Übermittlung dieser Angaben eine Handlungspflicht oder eine Erfolgspflicht trifft. Wenn die Auslegung des Gerichtshofs den Schluss zulasse, dass Beobank ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei, könne das vorlegende Gericht daraus „Rückschlüsse hinsichtlich [der Verpflichtung der Bank] zur Erstattung der streitigen Zahlungsvorgänge und/oder hinsichtlich des Antrags auf Entschädigung für die entgangene Chance, die Gelder vom Dritten zurückzuerlangen, ziehen“.

25      Vor dem vorlegenden Gericht macht Beobank geltend, Art. VII.18 des Wirtschaftsgesetzbuchs erlege der betreffenden Bank lediglich eine Handlungspflicht auf und verpflichte sie nur, die Angaben mitzuteilen, die sie von ihrem Geschäftspartner erhalten habe. Die Bestimmung überlasse es dem Verbraucher, sich an den besagten Geschäftspartner zu wenden, wenn die Angaben unzureichend seien. Im vorliegenden Fall fordert Beobank das vorlegende Gericht auf, gegebenenfalls „eine gerichtliche Aufforderung“ an Sabadell zu richten, damit diese die Dokumente vorlege, die eine Identifizierung des Empfängers der betreffenden Transaktion ermöglichten. Erfolge keine zufriedenstellende Antwort, so sei – im Wege eines Rechtshilfeersuchens – eine Untersuchung anzuordnen, um die Organe von Sabadell zu befragen. Zur Untermauerung ihres Standpunkts stützt sich Beobank auf das in der fraglichen Bestimmung verwendete Wort „gegebenenfalls“. ZG ist dagegen der Ansicht, dass Beobank für die unterlassene Übermittlung von Daten durch Sabadell haftbar zu machen sei.

26      Unter diesen Umständen hat die Justice de paix du canton de Forest (Friedensgericht des Kantons Forest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Obliegt dem Zahlungsdienstleister des Zahlers nach Art. 38 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 in Bezug auf die Mitteilung von „Angaben zum Zahlungsempfänger“ eine Handlungs- oder eine Erfolgspflicht?

2.      Umfassen die in dieser Bestimmung genannten „Angaben zum Zahlungsempfänger“ Angaben, die die Identifizierung der natürlichen oder juristischen Person ermöglichen, die die Zahlung erhalten hat?

 Vorbemerkungen

27      Als Erstes ist festzustellen, dass das Vorabentscheidungsersuchen die Auslegung von Art. 38 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 und damit eine Bestimmung betrifft, die zu Kapitel 2 dieser Richtlinie gehört, das im Rahmen von Titel III („Transparenz der Vertragsbedingungen und Informationspflichten für Zahlungsdienste“) „Einzelzahlungen“ regelte.

28      Dieses Kapitel 2 galt gemäß Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 für „Einzelzahlungen, die nicht Gegenstand eines Rahmenvertrags sind“.

29      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht jedoch hervor, dass ZG ein Zahlungskonto bei Beobank hat, für das er über eine Debitkarte verfügt, mit der die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen getätigt wurden.

30      Unter diesen Umständen sind die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen, wie Beobank, die tschechische Regierung und die Europäische Kommission geltend machen, keine „Einzelzahlungen“ im Sinne von Titel III Kapitel 2 der Richtlinie 2007/64, sondern sie fallen unter Titel III Kapitel 3 („Rahmenverträge“) der Richtlinie.

31      Dieses Kapitel 3 galt gemäß Art. 40 der Richtlinie für Zahlungsvorgänge, die Gegenstand eines Rahmenvertrags sind. Ein „Rahmenvertrag“ war in Art. 4 Nr. 12 der Richtlinie definiert als ein „Zahlungsdienstvertrag, der die zukünftige Ausführung einzelner und aufeinander folgender Zahlungsvorgänge regelt und die Verpflichtung zur Einrichtung eines Zahlungskontos und die entsprechenden Bedingungen enthalten kann“.

32      Daher ist von der Prämisse auszugehen, dass Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 auf die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen anwendbar war.

33      Daraus folgt, dass die Vorlagefragen, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, so zu verstehen sind, dass sie die Auslegung von Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 und nicht die Auslegung von Art. 38 Buchst. a dieser Richtlinie betreffen.

34      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass ZG vor dem vorlegenden Gericht u. a. die Erstattung der im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen, die er für „nicht autorisiert“ hält, beantragt, nachdem Beobank die an sie gerichtete Aufforderung, diese Erstattung vorzunehmen, mit der Begründung abgelehnt hatte, dass ZG sie tatsächlich autorisiert habe oder er zumindest „grob fahrlässig“ gehandelt habe.

35      Wie in den Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs bestätigt wurde, wird die von ZG erhobene Klage auf Art. VII.35 des Wirtschaftsgesetzbuchs gestützt. Mit diesem Artikel wird Art. 60 der Richtlinie 2007/64 in belgisches Recht umgesetzt, wonach im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs der Zahlungsdienstleister des betreffenden Zahlers diesem den Betrag des Zahlungsvorgangs unverzüglich erstattet und gegebenenfalls das belastete Zahlungskonto wieder auf den Stand bringt, auf dem es sich ohne diesen Zahlungsvorgang befunden hätte. Jedoch trägt gemäß Art. 61 Abs. 2 der Richtlinie dieser Zahler alle Schäden, die in Verbindung mit nicht autorisierten Zahlungsvorgängen entstanden sind, wenn er sie herbeigeführt hat, indem er in betrügerischer Absicht gehandelt oder eine oder mehrere seiner Pflichten nach Art. 56 der Richtlinie vorsätzlich oder „grob fahrlässig“ verletzt hat.

36      Das vorlegende Gericht scheint der Ansicht zu sein, dass es, wenn sich im Licht der Antworten des Gerichtshofs auf die gestellten Fragen herausstellen sollte, dass Beobank gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, ZG die in Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 vorgesehenen Angaben mitzuteilen, daraus Schlussfolgerungen u. a. in Bezug auf die Verpflichtung von Beobank, die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen zu erstatten, ziehen kann.

37      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die in Art. 60 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 sowie in den Art. 58 und 59 dieser Richtlinie vorgesehene Regelung über die Haftung der Zahlungsdienstleister Gegenstand einer vollständigen Harmonisierung war. Dies hat zur Folge, dass sowohl eine parallele Haftungsregelung für ein und dasselbe haftungsbegründende Ereignis als auch eine konkurrierende Haftungsregelung, die dem Zahlungsdienstnutzer erlauben würde, diese Haftung auf der Grundlage anderer haftungsbegründender Ereignisse geltend zu machen, mit der Richtlinie 2007/64 unvereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2021, C‑337/20, CRCAM, EU:C:2021:671, Rn. 42 und 46).

38      Die in der Richtlinie 2007/64 festgelegte harmonisierte Haftungsregelung für nicht autorisierte oder fehlerhaft ausgeführte Zahlungsvorgänge darf nämlich mit einer im nationalen Recht vorgesehenen alternativen Haftungsregelung, die auf denselben Tatsachen und derselben Grundlage beruht, nur unter der Bedingung konkurrieren, dass das so harmonisierte System nicht beschädigt und die Ziele und die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie nicht beeinträchtigt werden (Urteil vom 2. September 2021, C‑337/20, CRCAM, EU:C:2021:671, Rn. 45).

39      Wie der Generalanwalt in den Nrn. 53 und 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann ein nationales Gericht die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung in Bezug auf Zahlungsvorgänge, die in autorisierte und nicht autorisierte Zahlungsvorgänge untergliedert werden, nicht übergehen und sich somit nicht zu einem Antrag auf Erstattung von Zahlungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen äußern, ohne diese Zahlungsvorgänge zuvor als autorisiert oder als nicht autorisiert einzustufen. Art. 60 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 verwehrt es einem Zahlungsdienstnutzer, einen Zahlungsdienstleister deshalb in Haftung zu nehmen, weil dieser gegen seine Informationspflicht nach Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie verstoßen hat, soweit diese Haftung die Erstattung von Zahlungsvorgängen betrifft.

40      Daraus folgt, dass entgegen dem, was das vorlegende Gericht offenbar annimmt, aus dem etwaigen Verstoß von Beobank gegen ihre Verpflichtung zur Mitteilung der in Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 genannten Angaben, auf den sich die Vorlagefragen beziehen, als solchem keine Verpflichtung zur Erstattung der im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen erwachsen kann.

41      Jedoch geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass es der Ansicht ist, dass die Art des von ZG besuchten Lokals und der darin erbrachten Dienstleistungen geeignet sind, die Beurteilung der Frage zu beeinflussen, ob die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen autorisiert waren. Der hierüber zwischen den Parteien bestehende Streit könnte jedoch beigelegt werden, wenn die Identität des Empfängers dieser Zahlungen bekannt wäre, was die Feststellung erfordert, wem letztlich die Pflicht obliegt, die hierfür erforderlichen Angaben mitzuteilen. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht auch hervor, dass das vorlegende Gericht mit einem Antrag von Beobank auf den Erlass prozessleitender Maßnahmen befasst ist, mit dem Ziel, beim Zahlungsdienstleister des Empfängers dieser Zahlungen bestimmte Angaben über diesen Empfänger anzufordern.

42      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den Gerichtshof haben, wenn sie der Auffassung sind, dass eine bei ihnen anhängige Rechtssache Fragen der Auslegung oder der Gültigkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft, deren Beantwortung für die Entscheidung des ihnen unterbreiteten Rechtsstreits erforderlich ist, und dass es ihnen insbesondere freisteht, diese Möglichkeit in jedem Moment des Verfahrens, den sie für geeignet halten, wahrzunehmen (Urteil vom 14. November 2018, Memoria und Dall’Antonia, C‑342/17, EU:C:2018:906, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Des Weiteren ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten des Ausgangsverfahrens die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Frage zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über eine ihm vorgelegte Frage zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung betrifft. Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine solche Vorlagefrage zu befinden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 7. September 2022, Cilevičs u. a., C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 41 und 42).

44      Nach dieser Rechtsprechung kann, da das vorlegende Gericht es im Rahmen seiner Beurteilung, ob die im Ausgangsverfahren streitigen Zahlungen autorisiert waren, auch im Hinblick auf in diesem Kontext gegebenenfalls zu ergreifende prozessleitende Maßnahmen für erforderlich hält, Art und Umfang der Angaben zu kennen, die der Zahlungsdienstleister des betreffenden Zahlers diesem gemäß Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 mitteilen muss, die Erheblichkeit der Vorlagefragen für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht in Frage gestellt werden.

 Zu den Vorlagefragen

45      Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass der Zahlungsdienstleister eines Zahlers verpflichtet ist, diesem die Angaben mitzuteilen, die die Identifizierung der natürlichen oder juristischen Person ermöglichen, die durch einen Zahlungsvorgang, mit dem das Konto dieses Zahlers belastet wurde, begünstigt wurde, und nicht nur die Angaben, über die dieser Dienstleister in Bezug auf diese Zahlung verfügt, nachdem er sich nach Kräften bemüht hat.

46      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch der Kontext, in dem sie steht, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 12. Januar 2023, Nemzeti Adatvédelmi és Információszabadság Hatóság, C‑132/21, EU:C:2023:2, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Zum Wortlaut von Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 ist festzustellen, dass dieser Bestimmung zufolge nach Belastung des Kontos eines Zahlers mit dem Betrag eines einzelnen Zahlungsvorgangs oder – falls dieser Zahler kein Zahlungskonto verwendet – nach Eingang eines Zahlungsauftrags der Zahlungsdienstleister dieses Zahlers diesem unverzüglich eine Reihe von Angaben in der in Art. 41 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Weise mitteilt.

48      Um dieser Anforderung nachzukommen, muss der Zahlungsdienstleister des betreffenden Zahlers gemäß Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 eine Referenz mitteilen, die dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Zahlungsvorgangs ermöglicht, sowie „gegebenenfalls Angaben zum Zahlungsempfänger“ dieses Vorgangs.

49      Es ist jedoch festzustellen, dass zwar der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „Zahlungsempfänger“ in Art. 4 Nr. 8 der Richtlinie 2007/64 als die natürliche oder juristische Person, die den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag als Empfänger erhalten soll, definiert wird, die nach Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie mitzuteilenden „Angaben“ in Bezug auf den Zahlungsempfänger des betreffenden Zahlungsvorgangs in dieser Richtlinie jedoch nicht näher erläutert werden.

50      Insbesondere lässt, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, der Wortlaut der letztgenannten Bestimmung nicht erkennen, ob die Verpflichtung zur Mitteilung dieser Angaben eine Handlungs- oder eine Erfolgspflicht darstellt, was u. a. an dem in dieser Bestimmung enthaltenen Einschub „gegebenenfalls“ liegt.

51      Unter diesen Umständen sind gemäß der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Kontext, in dem Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 steht, und die mit der Richtlinie verfolgten Ziele zu prüfen.

52      Zum maßgeblichen Kontext ist insoweit darauf hinzuweisen, dass, wie bereits in Rn. 37 des vorliegenden Urteils dargelegt, die Richtlinie 2007/64, wie sich aus ihrem Art. 86 Abs. 1 ergibt, eine vollständige Harmonisierung bewirkt, die es den Mitgliedstaaten verwehrt, andere als die in dieser Richtlinie festgelegten Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, sofern die Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt, was jedoch in Bezug auf die Informationspflichten gemäß ihrem Art. 47 Abs. 1 nicht der Fall ist. So stellt der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie klar, dass es den Mitgliedstaaten nicht freisteht, andere als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Informationsvorschriften zu erlassen.

53      In Anbetracht einer solchen vollständigen Harmonisierung stellen die Informationspflichten gemäß Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie 2007/64 notwendigerweise Pflichten dar, die die Mitgliedstaaten umsetzen müssen, ohne von ihnen abweichen oder sie auch nur abschwächen zu können, indem sie sie als Handlungs- und nicht als Erfolgspflichten einstufen. Im Übrigen gibt es in der Systematik dieses Art. 47 nichts, was dafür spräche, dass der Unionsgesetzgeber mit der Festlegung von Verpflichtungen, die die zu ergreifenden Maßnahmen genau bezeichnen, nur darauf abzielte, dass insoweit Bemühungen unternommen werden, und nicht darauf, konkrete zu erreichende Ergebnisse festzulegen.

54      Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestätigt, dass einige andere Bestimmungen der Richtlinie 2007/64 einen Wortlaut aufweisen, aus dem klar hervorgeht, dass Bemühungen ausreichen, um den Anforderungen, die diese Bestimmungen aufstellen, nachzukommen. Dies ist u. a. bei Art. 74 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 75 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie der Fall, wonach sich der Zahlungsdienstleister eines Zahlers „bemühen“ muss, Geldbeträge wiederzuerlangen bzw. einen nicht oder fehlerhaft ausgeführten Zahlungsvorgang zurückzuverfolgen. Folglich kann logischerweise davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber in Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie einen entsprechenden Wortlaut verwendet hätte, wenn die bloße Bemühung, dem Zahler Angaben über einen Zahlungsempfänger mitzuteilen, hätten ausreichen sollen, um der in dieser Bestimmung festgelegten Verpflichtung nachzukommen.

55      Was den Einschub „gegebenenfalls“ in Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 betrifft, so ist dieser unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nicht so zu verstehen, dass der Zahlungsdienstleister dem Zahler die Angaben, die die Identifizierung eines Zahlungsempfängers ermöglichen, nur dann übermitteln muss, wenn er nach entsprechenden Bemühungen selbst darüber verfügt.

56      Der Einschub ist in diesem Zusammenhang vielmehr so zu verstehen, dass die Angaben zum Empfänger eines Zahlungsvorgangs, die der Zahlungsdienstleister dem betreffenden Zahler nach Belastung seines Kontos mit dem Betrag eines Zahlungsvorgangs oder zu dem nach Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie vereinbarten Zeitpunkt mitteilen muss, diejenigen Angaben umfassen, über die dieser Zahlungsdienstleister verfügt oder über die er nach dem Unionsrecht verfügen müsste.

57      Diese Auslegung wird durch das mit der Richtlinie 2007/64 verfolgte Ziel, wie es sich aus ihren Erwägungsgründen 1, 21, 23, 40 und 43 ergibt, gestützt. Dieses besteht im Hinblick darauf, einen einwandfrei funktionierenden Binnenmarkt für Zahlungsdienste sicherzustellen, u. a. darin, zu gewährleisten, dass die Nutzer dieser Dienste, um Zahlungsvorgänge leicht identifizieren zu können, über „ein gleich hohes Maß an verständlichen Informationen“ verfügen sowie in ausreichendem Umfang alle notwendigen Informationen zu dem mit dem Zahlungsdienstleister geschlossenen Vertrag und den Zahlungsvorgängen selbst erhalten, wobei die Informationen den Bedürfnissen der Nutzer angemessen sein und in standardisierter Form übermittelt werden sollten, und zwar um zum einen eine vollintegrierte und ‑automatisierte Abwicklung der betreffenden Zahlungen sicherzustellen und zum anderen die effiziente und zügige Abwicklung von Zahlungen zu verbessern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2019, Tecnoservice Int., C‑245/18, EU:C:2019:242, Rn. 28).

58      Daraus ergibt sich, dass mit der Richtlinie 2007/64 ein hoher „Standard“ in Bezug auf die Informationen geschaffen werden sollte, die die Zahlungsdienstleister den Nutzern mitzuteilen haben.

59      Um die in Rn. 57 des vorliegenden Urteils dargelegten Anforderungen zu erfüllen, mussten die Angaben, die der Zahlungsdienstleister dem betreffenden Zahler gemäß Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 zu übermitteln hatte, hinreichend genau und aussagekräftig sein. Wären sie es nicht, wäre dieser Zahler nämlich nicht in der Lage, mit Hilfe dieser Angaben den betreffenden Zahlungsvorgang zweifelsfrei zu identifizieren. Zudem wäre die Mitteilung der weiteren in Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie geforderten Angaben, wie der Betrag des betreffenden Zahlungsvorgangs, sein Wertstellungs- oder Empfangsdatum sowie gegebenenfalls die angewandten Entgelte und der angewandte Wechselkurs, für den Zahler nicht von Interesse, da er diese Angaben keinem bestimmten Zahlungsvorgang zuordnen könnte.

60      Soweit die im ersten Satzteil von Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 genannte „Referenz, die dem Zahler die Identifizierung des betreffenden Zahlungsvorgangs ermöglicht“, aus einer Buchstaben- und/oder Zahlenkombination besteht, deren Auswahl hauptsächlich Erfordernissen der Informatik entspricht, so dass diese Referenz, wenn sie für eine integrierte und automatisierte Verarbeitung geeignet ist, den betreffenden Zahler nicht in die Lage versetzt, sie einem bestimmten Zahlungsvorgang zuzuordnen, musste der Zahlungsdienstleister des betreffenden Zahlers diesem notwendigerweise im Rahmen des im zweiten Satzteil dieses Art. 47 Abs. 1 Buchst. a genannten zusätzlichen Merkmals, d. h. der „Angaben zum Zahlungsempfänger“, die Angaben mitteilen, die erforderlich waren, um die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Anforderungen vollständig zu erfüllen.

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/64 die Art und Weise, in der der betreffende Zahlungsdienstleister den Zahlungsdienstnutzer informieren muss, u. a. den Erfordernissen des Nutzers Rechnung tragen sollte.

62      Wie im 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/64 ausgeführt wird, ist es im Übrigen der Zahlungsdienstleister des betreffenden Zahlers, der das Zahlungssystem vorgibt, Vorkehrungen trifft, um fehlgeleitete oder falsch zugewiesene Geldbeträge zurückzurufen, und in den meisten Fällen darüber entscheidet, welche zwischengeschalteten Stellen an der Ausführung eines Zahlungsvorgangs beteiligt werden. Diese Kontrolle, die er während der verschiedenen Etappen der Ausführung eines Zahlungsvorgangs ausübt, ermöglicht ihm auch, bei den zwischengeschalteten Stellen angemessene Informationen über den betreffenden Zahlungsempfänger anzufordern, insbesondere, wenn wie im vorliegenden Fall dieser Zahlungsvorgang über eine technische Infrastruktur abgewickelt wird, die einer solchen zwischengeschalteten Stelle gehört.

63      Ferner kann, wie ebenfalls im 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/64 ausgeführt wird, davon ausgegangen werden, dass das zwischengeschaltete Institut (üblicherweise eine „neutrale“ Stelle wie eine Zentralbank oder eine Clearingstelle), das den betreffenden Zahlungsbetrag vom sendenden zum empfangenden Zahlungsdienstleister transferiert, die betreffenden Kontendaten speichert und in der Lage ist, sie erforderlichenfalls zu übermitteln.

64      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass der Zahlungsdienstleister eines Zahlers verpflichtet ist, diesem die Angaben mitzuteilen, die die Identifizierung der natürlichen oder juristischen Person ermöglichen, die durch einen Zahlungsvorgang, mit dem das Konto dieses Zahlers belastet wurde, begünstigt wurde, und nicht nur die Angaben, über die dieser Dienstleister in Bezug auf diesen Zahlungsvorgang verfügt, nachdem er sich nach Kräften bemüht hat.

 Kosten

65      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 47 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG

ist dahin auszulegen, dass

der Zahlungsdienstleister eines Zahlers verpflichtet ist, diesem die Angaben mitzuteilen, die die Identifizierung der natürlichen oder juristischen Person ermöglichen, die durch einen Zahlungsvorgang, mit dem das Konto dieses Zahlers belastet wurde, begünstigt wurde, und nicht nur die Angaben, über die dieser Dienstleister in Bezug auf diesen Zahlungsvorgang verfügt, nachdem er sich nach Kräften bemüht hat.

Unterschriften



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