C-767/24 – Kuszycka

C-767/24 – Kuszycka

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:962

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

11. Dezember 2025(*)

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 7 Abs. 1 – Auswirkungen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel – Nichtigkeit des Vertrags – Klage eines Gewerbetreibenden auf Rückzahlung des Darlehensbetrags, der aufgrund eines für nichtig zu erklärenden Vertrags ausgezahlt wurde – Folgen einer Erklärung der Aufrechnung – Konkludenter Verzicht auf die Einrede der Verjährung – Wirksame Ausübung der Verfahrensrechte der Verbraucher – Effektivitätsgrundsatz – Abschreckende Wirkung des Verbots missbräuchlicher Klauseln “

In der Rechtssache C‑767/24 [Kuszycka](i)

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 6. November 2024, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2024, in dem Verfahren

mBank S.A.

gegen

ML

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Condinanzi sowie des Richters N. Jääskinen und der Richterin R. Frendo (Berichterstatterin),

Generalanwalt: R. Norkus,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der mBank S.A., vertreten durch A. Cudna-Wagner, Radca prawny, und B. Miąskiewicz, Adwokat,

–        von ML, vertreten durch I. Gabrysiak, Adwokat,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Kienapfel und J. Szczodrowski als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) sowie des Effektivitätsgrundsatzes.

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der mBank S.A., einem Kreditinstitut, und ML, einer Verbraucherin, über einen Rückzahlungsanspruch wegen einer Forderung, die sich aus der Verwendung eines Darlehensbetrags ergeben soll, der aufgrund eines wegen missbräuchlicher Klauseln für nichtig zu erklärenden Hypothekendarlehensvertrags zur Verfügung gestellt wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es, dass „[d]ie Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten … über angemessene und wirksame Mittel verfügen [müssen], damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“.

4        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

5        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 Polnisches Recht

6        Art. 58 § 1 der Ustawa – Kodeks cywilny (Gesetz über das Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. Nr. 16, Pos. 93) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Ein Rechtsgeschäft, das dem Gesetz zuwiderläuft oder die Umgehung des Gesetzes zum Zweck hat, ist nichtig, es sei denn, dass eine einschlägige Vorschrift eine andere Rechtsfolge vorsieht, insbesondere die, dass an die Stelle der nichtigen Bestimmungen des Rechtsgeschäfts die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen treten.“

7        Art. 117 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:

„§ 1.      Vorbehaltlich der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen unterliegen vermögensrechtliche Ansprüche der Verjährung.

§ 2.      Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann derjenige, gegen den sich der Anspruch richtet, seine Erfüllung verweigern, es sei denn, dass er auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet. Der Verzicht auf die Verjährungseinrede vor Ablauf der Verjährungsfrist ist jedoch unwirksam.

§ 21.      Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann ein Anspruch gegen einen Verbraucher nicht mehr geltend gemacht werden.“

8        Art. 118 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Vorbehaltlich einer anderweitigen besonderen Regelung beträgt die Verjährungsfrist sechs Jahre und für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen sowie Ansprüche im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit drei Jahre. Die Verjährungsfrist endet jedoch am letzten Tag des Kalenderjahres, es sei denn, sie ist kürzer als zwei Jahre.“

9        Art. 123 § 1 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Der Lauf der Verjährung wird unterbrochen durch 1. jede Handlung vor einem Gericht, einer für die Entscheidung von Rechtssachen oder für die Vollstreckung von Forderungen bestimmter Art benannten Behörde oder einem Schiedsgericht, die unmittelbar der Geltendmachung, Feststellung, Beitreibung oder Sicherung eines Anspruchs dient; 2. die Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner; 3. die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens.“

10      In Art. 3851 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs heißt es:

„§ 1.      Klauseln in einem mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag, die nicht individuell vereinbart worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise festlegen und seine Interessen grob verletzen (unzulässige Klauseln). Dies gilt nicht für Klauseln, mit denen die Hauptleistungen der Parteien, darunter der Preis oder die Vergütung, festgelegt werden, sofern diese eindeutig formuliert worden sind.

§ 2.      Ist eine Klausel nach § 1 für den Verbraucher nicht verbindlich, so bleiben die Parteien an den Vertrag in seinem übrigen Umfang gebunden.“

11      Art. 405 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„Wer auf Kosten einer anderen Person einen Vermögensvorteil ohne rechtlichen Grund erlangt hat, ist verpflichtet, den Vorteil in Natur herauszugeben und, falls dies unmöglich ist, seinen Wert zu ersetzen.“

12      Art. 410 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs bestimmt:

„§ 1.      Die Vorschriften der vorstehenden Artikel werden insbesondere auf eine nicht geschuldete Leistung angewandt.

§ 2.      Nicht geschuldet ist eine Leistung, wenn derjenige, der sie erbracht hat, nicht verpflichtet war, sie überhaupt oder gegenüber der Person, für die er sie erbracht hat, zu erbringen oder wenn der Rechtsgrund der Leistung entfallen ist, der mit der Leistung beabsichtigte Zweck nicht erreicht worden ist oder das zur Leistung verpflichtende Rechtsgeschäft nichtig war und nicht nach Erbringung der Leistung wirksam geworden ist.“

13      Art. 498 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1.      Sind zwei Personen im Verhältnis zueinander gleichzeitig Schuldner und Gläubiger, so kann jede von ihnen ihre Forderung gegen die Forderung der anderen Partei aufrechnen, wenn Gegenstand beider Forderungen Geld oder lediglich der Gattung nach bestimmte Sachen gleicher Güte sind, beide Forderungen fällig sind und vor Gericht oder einer anderen staatlichen Stelle geltend gemacht werden können.

§ 2.      Durch die Aufrechnung werden beide Forderungen bis zur Höhe der niedrigeren Forderung getilgt.“

14      In Art. 499 des Zivilgesetzbuchs heißt es:

„Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber der anderen Partei. Die Erklärung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Aufrechnung möglich geworden ist.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

15      Am 11. Oktober 2006 schloss ML mit der mBank zum Kauf einer Immobilie einen Vertrag über ein Hypothekendarlehen in Höhe von 130 000 polnischen Zloty (PLN) (etwa 30 670 Euro) ab. Dieser Vertrag mit einer Laufzeit von 360 Monaten lautete auf Schweizer Franken (CHF), sah jedoch eine Rückzahlung der Monatsraten in polnischen Zloty vor, deren Höhe sich nach dem in der „Wechselkurstabelle“ der mBank veröffentlichten Verkaufskurs des Schweizer Franken zum Zeitpunkt der Zahlung dieser Monatsraten richtete.

16      Am 12. Oktober 2017 stellte ML bei der mBank einen Antrag, mit dem sie eine gütliche Einigung anstrebte und die Rückzahlung von Beträgen in Höhe von 53 244,39 PLN (etwa 12 530 Euro) und 14 692,51 CHF (etwa 15 700 Euro) begehrte, die sie ihrer Ansicht nach aufgrund der in diesem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klauseln ohne Rechtsgrund gezahlt hatte.

17      Am 16. Dezember 2021 erhob die mBank beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen), dem vorlegenden Gericht, Klage gegen ML auf Rückzahlung des Darlehenskapitals in Höhe von 130 000 PLN (etwa 30 670 Euro) zuzüglich Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz. Das Kreditinstitut machte geltend, dass ML, da der Hypothekendarlehensvertrag nichtig sei, nach den Bestimmungen des nationalen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung zur Rückzahlung des Darlehensbetrags verpflichtet sei.

18      ML beantragte mit ihrer Klageerwiderung, die Klage abzuweisen, und verteidigte sich mit der Einrede, dass die Forderung verjährt sei. Dessen ungeachtet erklärte sie die Aufrechnung mit Forderungen in Höhe von 53 244,39 PLN (etwa 12 530 Euro) sowie 14 692,51 CHF (etwa 15 700 Euro).

19      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag missbräuchliche Klauseln enthalte und ohne diese Klauseln nicht fortbestehen könne. Daraus folge, dass dieser Vertrag für nichtig zu erklären sei und die Parteien nach nationalem Recht verpflichtet seien, einander die aufgrund dieses Vertrags erbrachten Leistungen zurückzugewähren.

20      Außerdem sei gemäß Art. 118 des Zivilgesetzbuchs die für die Forderung des Kreditinstituts geltende Verjährungsfrist von drei Jahren am 31. Dezember 2020 abgelaufen. Daher sei die Forderung dieses Instituts zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Ausgangsverfahren, d. h. am 16. Dezember 2021, verjährt gewesen. Folglich sei das vorlegende Gericht angesichts der von ML erhobenen Einrede der Verjährung verpflichtet, die Klage abzuweisen.

21      Allerdings gehe nach der nationalen Rechtsprechung mit der Erklärung der Aufrechnung gemäß Art. 499 des Zivilgesetzbuchs ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung im Sinne von Art. 117 § 2 dieses Gesetzbuchs einher. Aus dieser Rechtsprechung gehe nämlich hervor, dass eine Partei, die die Aufrechnung erkläre, damit das Bestehen und die Fälligkeit der Gegenforderung anerkenne und den Willen bekunde, diese Forderung zu erfüllen, und folglich auf die Geltendmachung der Verjährung verzichte. Dieser Ansatz, der auch im polnischen Schrifttum vertreten werde, führe dazu, dass die nationalen Gerichte die Erklärung der Aufrechnung, auch wenn sie zu Verteidigungszwecken erfolge, einem Verzicht auf die Einrede der Verjährung gleichsetzten. Daher könne nach dieser Rechtsprechung der von ML erhobenen Einrede der Verjährung nicht stattgegeben werden und die Forderung des Kreditinstituts nicht als verjährt angesehen werden.

22      Indes hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit dieser nationalen Rechtsprechung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13.

23      Möglicherweise habe ML ohne die Absicht, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, die Aufrechnung allein zu dem Zweck erklärt, sich mit ihrer eigenen Forderung gegen diejenige des Kreditinstituts zu verteidigen, zumal sie diese beiden Verteidigungsmittel gleichzeitig geltend gemacht habe. Da ML im Übrigen keinen ausdrücklichen Verzicht auf die Einrede der Verjährung ausgesprochen habe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Erklärung der Aufrechnung in diesem Sinne ausgelegt werden könne.

24      Eine nationale Rechtsprechung, nach der mit einer Aufrechnungserklärung automatisch auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde, sei möglicherweise mit den mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Zielen des Verbraucherschutzes unvereinbar. Eine solche Rechtsprechung könnte die Verbraucher davon abhalten, das Institut der Aufrechnung in Anspruch zu nehmen, obwohl es ein wirksames Mittel darstelle, um ihre Ansprüche beim Vorliegen missbräuchlicher Klauseln geltend zu machen. Im Übrigen sprächen sowohl der Grundsatz des Verbraucherschutzes als auch der Grundsatz der Rechtssicherheit für eine Auslegung des nationalen Rechts, nach der es nur in außergewöhnlichen und klar definierten Fällen in Betracht komme, einen verjährten Anspruch anzuerkennen, den ein Gewerbetreibender gegen einen Verbraucher geltend mache.

25      Falls ML jedoch mit der Erklärung der Aufrechnung beabsichtigt habe, die Forderung der mBank zum Erlöschen zu bringen, könnte diese Erklärung als Anerkennung des Bestehens dieser Forderung, ohne die die Aufrechnung gegenstandslos wäre, angesehen werden. Darüber hinaus werde ML von einem Rechtsbeistand vertreten, der aufgrund seiner Tätigkeit die nationale Rechtsprechung kennen müsse, nach der die Erklärung der Aufrechnung einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung darstelle.

26      Unter diesen Umständen hat der Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach der Aufhebung darin enthaltener missbräuchlicher Klauseln nicht fortbestehen kann, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der die Erklärung eines Verbrauchers über die Aufrechnung seiner Forderung gegen eine Forderung der Bank auf Rückzahlung des Gegenwerts des Darlehenskapitals einen Verzicht des Verbrauchers auf die Einrede der Verjährung dieser Forderung der Bank darstellt?

 Zur Vorlagefrage

 Zur Zulässigkeit

27      Beide Parteien des Ausgangsverfahrens halten die Vorlagefrage für unzulässig.

28      Als Erstes macht die mBank geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen nicht den Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genüge. Insbesondere habe das vorlegende Gericht weder zu den Umständen, unter denen ML die Aufrechnung erklärt habe, noch zum Inhalt dieser Erklärung Angaben gemacht.

29      Nach Art. 94 dieser Verfahrensordnung muss ein Vorabentscheidungsersuchen „eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, oder zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen“, „den Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung“ sowie „eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt“, enthalten.

30      Im vorliegenden Fall enthält das Vorabentscheidungsersuchen eine Beschreibung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens des Ausgangsrechtsstreits, die diesen Anforderungen genügt. Denn zum einen werden in diesem Ersuchen der Wortlaut der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Vorschriften und die einschlägige nationale Rechtsprechung wiedergegeben. Zum anderen genügen die vom vorlegenden Gericht beschriebenen Umstände, unter denen ML die Aufrechnung erklärt hat, sowie die von diesem Gericht geäußerten Zweifel hinsichtlich der Rechtsfolgen, die die nationale Rechtsprechung an eine solche Erklärung knüpft, um nachvollziehen zu können, aus welchen Gründen das Gericht um die Auslegung bestimmter Vorschriften ersucht, und welchen Zusammenhang es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.

31      Als Zweites bringen die mBank und ML vor, dass die Vorlagefrage hypothetisch sei, da ML die Aufrechnung lediglich hilfsweise erklärt habe und sie anschließend mit Schriftsatz vom 4. November 2024 zurückgenommen habe. Die Frage der Aufrechnung und der mit dieser Erklärung verbundenen Wirkungen sei daher für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits unerheblich.

32      Insoweit hat das vorlegende Gericht auf ein Auskunftsersuchen des Gerichtshofs hin bestätigt, dass ML ihre Aufrechnungserklärung zurückgenommen habe. Das vorlegende Gericht hat jedoch erklärt, sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten zu wollen, da es für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits weiterhin eine Beantwortung der Vorlagefrage benötige. Zwar ermöglichten die polnischen Rechtsvorschriften die Rücknahme der Einrede der Aufrechnung als prozessrechtliche Einrede, sie ließen jedoch nicht zu, dass eine Aufrechnungserklärung als materiell-rechtliche Erklärung zurückgenommen werde. Jedenfalls komme die ursprüngliche Aufrechnungserklärung einem Schuldanerkenntnis gleich, das nach Art. 123 des Zivilgesetzbuchs den Lauf der Verjährung unterbreche. Daher beginne die Verjährungsfrist mit diesem konkludenten Anerkenntnis erneut zu laufen, ohne dass die spätere Rücknahme der Erklärung Rückwirkung entfalten und das auf diese Weise wirksam gewordene konkludente Anerkenntnis beseitigen könne.

33      Insoweit ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. Urteile vom 29. November 1978, Redmond, 83/78, EU:C:1978:214, Rn. 25, und vom 11. Januar 2024, Nárokuj, C‑755/22, EU:C:2024:10, Rn. 17 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile vom 7. September 1999, Beck und Bergdorf, C‑355/97, EU:C:1999:391, Rn. 22, und vom 11. Januar 2024, Nárokuj, C‑755/22, EU:C:2024:10, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall ergibt sich zum einen aus der Antwort des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, auf das in Rn. 32 des vorliegenden Urteils genannte Auskunftsersuchen, dass die Aufrechnungserklärung nach polnischem Recht einem Schuldanerkenntnis gleichkommt, das unabhängig von einer etwaigen Rücknahme, die im Übrigen nach dem anwendbaren nationalen Recht nicht zulässig wäre, Rechtswirkungen entfaltet.

36      Zum anderen betrifft der Ausgangsrechtsstreit eine von einem Kreditinstitut erhobene Klage auf Rückzahlung von Darlehenskapital, das aufgrund eines Hypothekendarlehensvertrags gewährt wurde, der missbräuchliche Klauseln enthält und für nichtig zu erklären ist. Das vorlegende Gericht fragt sich, ob eine nationale Rechtsprechung, nach der ein Verbraucher, der seine Forderung gegen die des Kreditinstituts aufrechne, konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichte, mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar ist.

37      Unter diesen Umständen ist nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung der Richtlinie 93/13 in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder dass das aufgeworfene Problem hypothetischer Natur ist.

38      Als Drittes und Letztes macht die mBank geltend, dass die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 auf die Wirkungen einer im Rahmen einer Klage auf Rückzahlung erklärten Aufrechnung nicht anwendbar seien, so dass sich diese Frage allein nach nationalem Recht richte.

39      Hierzu genügt der Hinweis, dass, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht offensichtlich ist, dass die Auslegung eines Unionsrechtsakts in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, der Einwand der Unanwendbarkeit dieses Rechtsakts auf das Ausgangsverfahren den Inhalt der Fragen betrifft (Urteil vom 15. Juni 2023, Getin Noble Bank [Aussetzung der Durchführung eines Darlehensvertrags], C‑287/22, EU:C:2023:491, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Nach alledem ist die Vorlagefrage zulässig.

 Zur Beantwortung der Vorlagefrage

41      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Kreditinstitut geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags aufgrund einer in diesem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag nicht fortbestehen kann, einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach dieser Verbraucher dadurch, dass er die Aufrechnung seiner Forderung gegen die Forderung dieses Kreditinstituts erklärt, konkludent auf die Einrede der Verjährung in Bezug auf die vom Kreditinstitut geltend gemachte Forderung verzichtet.

42      Hierzu ist festzustellen, dass das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. [Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags], C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Daher verpflichtet die Richtlinie 93/13, insbesondere ihr Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund, die Mitgliedstaaten im Hinblick auf Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses am Schutz der Verbraucher, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern ein Ende gesetzt wird. Hierfür haben die nationalen Gerichte missbräuchliche Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht (Urteil vom 15. Juni 2023, Bank M. [Folgen der Nichtigerklärung des Vertrags], C‑520/21, EU:C:2023:478, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Der Gerichtshof hat zwar bereits mehrfach eingegrenzt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte zu gewährleisten hat, doch harmonisiert das Unionsrecht grundsätzlich weder die Verfahren zur Prüfung der behaupteten Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel noch die Konsequenzen, die aus der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel zu ziehen sind. Die Modalitäten der Umsetzung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Verbraucherschutzes sind daher mangels spezifischer Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen. Diese Modalitäten dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzgrundsatz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. November 2020, Banca B., C‑269/19, EU:C:2020:954, Rn. 39, und vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 45 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, auf den allein sich die Zweifel des vorlegenden Gerichts beziehen, ist darauf hinzuweisen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Außerdem hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, insbesondere für die Rechte aus der Richtlinie 93/13 das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, das auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, impliziert; dieser Schutz gilt u. a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Die wirksamen und geeigneten Mittel, um dem Verbraucher ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, müssen die Möglichkeit einschließen, sich unter angemessenen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen an dem Verfahren über eine von einem Gewerbetreibenden gegen ihn erhobene Klage zu beteiligen, so dass die Ausübung seiner Rechte keinen Bedingungen – insbesondere in Bezug auf Fristen, Kosten oder sonstige Verfahrenserfordernisse – unterliegen darf, die die Ausübung der durch die Richtlinie 93/13 gewährleisteten Rechte übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary, C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 59, und vom 3. April 2019, Aqua Med, C‑266/18, EU:C:2019:282, Rn. 53 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass ML im Rahmen einer von der mBank erhobenen Klage wegen einer Rückforderung aus einem Hypothekendarlehensvertrag, der für nichtig zu erklären ist, weil er missbräuchliche Klauseln enthält, die Einrede erhoben hat, dass diese Forderung verjährt sei, und gleichzeitig die Aufrechnung erklärt hat, um ihre eigene Forderung mit der Forderung des Kreditinstituts zu verrechnen.

49      Ferner geht daraus hervor, dass die Forderung des Kreditinstituts zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Ausgangsverfahren verjährt war, so dass das vorlegende Gericht angesichts der von ML erhobenen Einrede der Verjährung die Klage abweisen müsste. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass nach der nationalen Rechtsprechung mit der Erklärung der Aufrechnung gemäß Art. 499 des Zivilgesetzbuchs auf die Einrede der Verjährung im Sinne von Art. 117 § 2 dieses Gesetzbuchs verzichtet werde, so dass der von ML erhobenen Einrede nicht stattgegeben werden könne und die Forderung des Kreditinstituts nicht als verjährt angesehen werden könne.

50      Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass die Möglichkeit des Verbrauchers, ein in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenes Verfahrensrecht auszuüben, nämlich das Recht, eine sich aus der Nichtigerklärung des in Rede stehenden Darlehensvertrags ergebende Gegenforderung geltend zu machen, de facto eingeschränkt wird, wenn die wirksame Erhebung der Einrede der Verjährung davon abhängig gemacht wird, dass keine Aufrechnung erklärt wird. Eine solche Einschränkung kann im Rahmen einer Klage des Gewerbetreibenden gegen den Verbraucher ein Hindernis darstellen, das den Verbraucher unter Missachtung der in den Rn. 46 und 47 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung daran hindert oder davon abhält, seine Verfahrensrechte wirksam auszuüben.

51      Als Zweites dürfte die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Rechtsprechung auch dazu führen, den Abschreckungseffekt zu untergraben, der nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit ihrem Art. 7 Abs. 1 mit der Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit Verbrauchern geschlossen hat, einhergehen soll (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2023, Getin Noble Bank [Verjährungsfrist für Rückgewähransprüche], C‑28/22, EU:C:2023:992, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Wie sich nämlich aus den in Rn. 49 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Ausführungen des vorlegenden Gerichts ergibt, führt diese nationale Rechtsprechung offenbar dazu, dass ein Gewerbetreibender eine verjährte Forderung allein deshalb eintreiben kann, weil der Verbraucher, der die Einrede der Verjährung erhoben hat, gleichzeitig ein ihm nach dem nationalen Recht zustehendes Verfahrensrecht ausgeübt, nämlich die Aufrechnung erklärt hat. Die betreffende Rechtsprechung könnte somit bewirken, dass der Mechanismus, der mit der Richtlinie 93/13 eingeführt wurde, um die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in den vertraglichen Beziehungen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern zu unterbinden, an Effektivität einbüßt, da sie zur Folge hat, die mit der Nichtigerklärung des in Rede stehenden Vertrags verbundenen Rechtswirkungen zu neutralisieren und dem Gewerbetreibenden zu ermöglichen, aus seinem eigenen rechtswidrigen, der Nichtigerklärung zugrunde liegenden Verhalten einen Vorteil zu ziehen.

53      Als Drittes und Letztes ist darauf hinzuweisen, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene System zum Schutz des Verbrauchers vor missbräuchlichen Klauseln sowie vor den nachteiligen Folgen, die sich aus der Nichtigerklärung des Vertrags als Ganzes ergeben, keine Anwendung findet, wenn der Verbraucher sich dem widersetzt. Diesem steht es, nachdem er von dem nationalen Gericht unterrichtet worden ist, frei, die Missbräuchlichkeit und Unverbindlichkeit einer Klausel nicht geltend zu machen und damit der in Rede stehenden Klausel frei und aufgeklärt zuzustimmen sowie dadurch die Nichtigerklärung des Vertrags zu verhindern. Damit der Verbraucher frei und aufgeklärt zustimmen kann, hat das nationale Gericht die Parteien im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf den Grundsatz der Billigkeit in Zivilverfahren objektiv und erschöpfend auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, die die Aufhebung der missbräuchlichen Klausel nach sich ziehen kann, und zwar unabhängig davon, ob diese Parteien durch einen berufsmäßigen Bevollmächtigten vertreten sind oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 94, 95 und 97).

54      Entsprechend kann ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung nicht allein auf der Grundlage einer nationalen Rechtsprechung angenommen werden, die eine Verfahrenshandlung, etwa eine Aufrechnungserklärung, als konkludente Willensbekundung ansieht, auf diese Einrede zu verzichten, ohne dass geprüft wird, ob der Verbraucher den freien und aufgeklärten Willen zu diesem Verzicht geäußert hat. Dies muss erst recht gelten, wenn der Verbraucher, wie im Ausgangsverfahren, durch eine weitere, gleichzeitig vorgenommene Verfahrenshandlung ausdrücklich den gegenteiligen Willen bekundet hat, sich auf die Verjährung zu berufen.

55      Wie die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen ausgeführt hat, verlangen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und der Effektivitätsgrundsatz, dass der Verbraucher in der Lage ist, die ihm durch diese Richtlinie gewährten Rechte wirksam geltend zu machen, ohne dass die Ausübung eines bestimmten Verfahrensrechts automatisch mit einem konkludenten Verzicht auf ein weiteres Verfahrensrecht gleichgesetzt werden kann. Daher ist davon auszugehen, dass eine nationale Rechtsprechung, die einen konkludenten Verzicht auf die Einrede der Verjährung allein aus einer Erklärung der Aufrechnung ableitet, ohne zu prüfen, worauf der Wille des Verbrauchers gerichtet war, gegen dieses Erfordernis verstößt.

56      Dem steht nicht entgegen, dass ML von einem Rechtsbeistand vertreten wurde, der aufgrund seiner Tätigkeit die in Rede stehende nationale Rechtsprechung kennen müsste, da ein solcher Umstand auf den Schutz, den die Richtlinie 93/13 Verbrauchern gewährt, grundsätzlich keinen Einfluss hat (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2020, Lintner, C‑511/17, EU:C:2020:188, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Ferner verlangt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der in Rede stehenden Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht. Das Erfordernis einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung umfasst u. a. die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist. Folglich darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in ständiger Rechtsprechung in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt wurde (Urteil vom 26. Juni 2019, Addiko Bank, C‑407/18, EU:C:2019:537, Rn. 65 und 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sich zu vergewissern, dass die Bestimmungen des nationalen Rechts nicht in einer Weise ausgelegt werden können, die den Verbraucher allein deshalb daran hindert oder davon abbringt, sich wirksam auf die Einrede der Verjährung der Forderung des Kreditinstituts zu berufen, weil er die Aufrechnung erklärt hat.

59      Daher obliegt es diesem Gericht, erforderlichenfalls die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Rechtsprechung, die offenbar mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 unvereinbar ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen.

60      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Bankinstitut geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags aufgrund einer in diesem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag nicht fortbestehen kann, einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach dieser Verbraucher dadurch, dass er die Aufrechnung seiner Forderung gegen die Forderung dieses Kreditinstituts erklärt, konkludent auf die Einrede der Verjährung in Bezug auf die vom Kreditinstitut geltend gemachte Forderung verzichtet.

 Kosten

61      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz

dahin auszulegen, dass

er im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines zwischen einem Verbraucher und einem Bankinstitut geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags aufgrund einer in diesem Vertrag enthaltenen missbräuchlichen Klausel, ohne die der Vertrag nicht fortbestehen kann, einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach dieser Verbraucher dadurch, dass er die Aufrechnung seiner Forderung gegen die Forderung dieses Kreditinstituts erklärt, konkludent auf die Einrede der Verjährung in Bezug auf die vom Kreditinstitut geltend gemachte Forderung verzichtet.

Unterschriften




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