URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)
10. Dezember 2025(* )
„ Handelspolitik – Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte – Restriktive Maßnahmen der Vereinigten Staaten gegen den Iran – Sekundärsanktionen, die natürliche oder juristische Personen aus der Union daran hindern, Geschäftsbeziehungen zu von diesen Maßnahmen betroffenen Unternehmen zu unterhalten – Verbot, solchen Rechtsakten nachzukommen – Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 – Beschluss der Kommission, mit dem einer juristischen Person aus der Union die Genehmigung erteilt wird, diesen Rechtsakten nachzukommen – Bekanntgabe des Beschlusses an das von den restriktiven Maßnahmen des Drittlands betroffene Unternehmen – Rückwirkung – Berücksichtigung der von diesen Maßnahmen ausgenommenen Tätigkeiten dieses Unternehmens “
In der Rechtssache T‑518/23,
Middle East Bank, Munich Branch, mit Sitz in München (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Franz und Rechtsanwältin N. Bornemann,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und L. Puccio als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Clearstream Banking AG mit Sitz in Eschborn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Schmitt und T. Bastian,
Streithelferin,
erlässt
DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richterin A. Marcoulli (Berichterstatterin), der Richter J. Schwarcz und W. Valasidis sowie der Richterin L. Spangsberg Grønfeldt,
Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere
– des am 22. März 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsatzes der Streithelferin,
– des am 22. Oktober 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatzes zur Anpassung der Klageschrift sowie der am 20. November bzw. am 16. Dezember 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahmen der Kommission und der Streithelferin,
– der prozessleitenden Maßnahmen vom 9. Dezember 2024 und der am 20. Dezember 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort der Kommission,
– der am 27. Januar 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen neuen Klagegründe sowie der am 18. bzw. am 21. Februar 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahmen der Kommission und der Streithelferin,
– der Entscheidung des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer, den am 2. Juni 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift nicht zu den Akten zu nehmen,
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2025
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Middle East Bank, Munich Branch, die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2023) 2963 final der Kommission vom 27. April 2023, mit dem der Streithelferin, der Clearstream AG, eine Genehmigung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (ABl. 1996, L 309, S. 1) erteilt wurde (im Folgenden: erster angefochtener Beschluss), sowie die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses C(2024) 4478 final der Kommission vom 24. Juni 2024, mit dem der Streithelferin eine erneute Genehmigung gemäß dieser Bestimmung hinsichtlich bestimmter in ihrem Gewahrsam befindlicher bzw. von ihr verwahrter Wertpapiere und Gelder erteilt wurde (im Folgenden: zweiter angefochtener Beschluss).
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Ereignisse nach Klageerhebung
2 Am 8. Mai 2018 gab der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika seine Entscheidung bekannt, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika aus der am 14. Juli 2015 in Wien (Österreich) unterzeichneten Nuklearvereinbarung mit der Islamischen Republik Iran zurückziehen und die auf ihrer Grundlage aufgehobenen Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen werden. Diese Sanktionen verbieten u. a. Personen, die der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten von Amerika unterstehen (Primärsanktionen), sowie Personen, die – wie etwa natürliche oder juristische Personen aus der Europäischen Union – nicht der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten von Amerika unterstehen (Sekundärsanktionen), Geschäftsbeziehungen mit Personen zu unterhalten, die in der vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) (Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen [OFAC], Vereinigte Staaten) erstellten „Liste der besonders benannten Staatsangehörigen und gesperrten Personen“ (Specially Designated Nationals and Blocked Persons List) (im Folgenden: SDN-Liste) aufgeführt sind.
Klägerin, Streithelferin und zwischen ihnen bestehende Beziehungen
3 Die Klägerin ist eine deutsche Niederlassung der iranischen Middle East Bank (MEB). 2019 kaufte die Klägerin Anleihen auf der Grundlage eines mit einer anderen deutschen Bank geschlossenen Depotvertrags.
4 MEB ist in der SDN-Liste aufgeführt, und zwar seit November 2018 hinsichtlich der Primärsanktionen und seit dem 8. Oktober 2020 hinsichtlich der Sekundärsanktionen.
5 Die Streithelferin ist eine deutsche Gesellschaft. Sie ist zuständig für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften sowie die Verwahrung und Verwaltung inländischer und ausländischer Wertpapiere. Sie ist die einzige in Deutschland zugelassene Wertpapiersammelbank.
6 Die Streithelferin ist somit dafür zuständig, die Wertpapiere der Klägerin zu verwahren.
7 Da die Streithelferin die Wertpapiere der Klägerin eingefroren hatte, konnte die deutsche Depotbank der Klägerin einen von dieser am 16. Januar 2020 erteilten Auftrag zum Verkauf der Wertpapiere nicht ausführen.
8 Nachdem die Klägerin keine Informationen über den Verbleib ihrer Wertpapiere erhalten konnte, erhob sie am 29. Dezember 2020 vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) Klage gegen die Streithelferin. Diese wurde abgewiesen.
9 Am 22. Dezember 2021 legte die Klägerin Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) ein, bei dem die Streithelferin am 20. Dezember 2022 den Antrag auf Genehmigung vorlegte, den sie am 26. Februar 2021 gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 bei der Europäischen Kommission eingereicht hatte (im Folgenden: erster Genehmigungsantrag). Diese Berufung wurde zurückgewiesen.
10 Am 4. bzw. am 11. April 2023 legten die Klägerin und die Streithelferin Revision beim Bundesgerichtshof (Deutschland) ein.
Kontakte zwischen der Klägerin und der Kommission
11 Nachdem die Klägerin am 2. Januar 2023 von dem ersten Genehmigungsantrag Kenntnis erhalten hatte, wandte sie sich schriftlich an die Kommission, um zu diesem Antrag angehört zu werden. Die Kommission bestätigte am 18. Januar 2023 den Erhalt dieses Schreibens. Am 25. Januar 2023 übermittelte die Klägerin der Kommission Informationen.
12 Mit Schreiben vom 1. März 2023 forderte die Kommission die Klägerin auf, zum ersten Genehmigungsantrag Stellung zu nehmen. Am 7. März 2023 reichte die Klägerin ihre Stellungnahme ein. Am 10. Mai 2023 ersuchte sie um Auskunft über den Ausgang des Genehmigungsverfahrens.
13 Mit Schreiben vom 21. Juni 2023 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie am 27. April 2023 den ersten angefochtenen Beschluss erlassen habe, und übermittelte ihr eine Beschreibung von dessen Reichweite.
Angefochtene Beschlüsse
14 Mit dem ersten angefochtenen Beschluss erteilte die Kommission der Streithelferin die Genehmigung, hinsichtlich der in ihrem Gewahrsam befindlichen bzw. von ihr verwahrten Wertpapiere oder Gelder der Klägerin bestimmten, im Anhang der Verordnung Nr. 2271/96 aufgeführten Gesetzen der Vereinigten Staaten von Amerika (im Folgenden: aufgeführte Gesetze) für einen Zeitraum von zwölf Monaten nachzukommen (im Folgenden: ursprüngliche Genehmigung).
15 Mit dem zweiten angefochtenen Beschluss erteilte die Kommission der Streithelferin die Genehmigung, hinsichtlich der in ihrem Gewahrsam befindlichen bzw. von ihr verwahrten Wertpapiere oder Gelder der Klägerin den aufgeführten Gesetzen für einen weiteren Zeitraum von zwölf Monaten nachzukommen (im Folgenden: neue Genehmigung).
Anträge der Parteien
16 Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,
– den ersten und den zweiten angefochtenen Beschluss (im Folgenden gemeinsam: angefochtene Beschlüsse) für nichtig zu erklären;
– die Verweigerung der Einsicht und Bekanntgabe der angefochtenen Beschlüsse für rechtswidrig zu erklären;
– der Kommission zu untersagen, die ursprüngliche Genehmigung zu „verlängern“;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen;
– der Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
17 Darüber hinaus beantragt die Klägerin, vorab „über die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf [ihr] Rechtsschutzbedürfnis“ zu entscheiden und der Kommission aufzugeben, den ersten angefochtenen Beschluss vorzulegen.
18 Die Kommission beantragt,
– die Klage vollumfänglich abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
19 Die Streithelferin beantragt,
– die Klage vollständig abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens, inklusive der Kosten der Streithelferin, aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
20 Obwohl die Klägerin in sämtlichen beim Gericht eingereichten Schriftsätzen insgesamt neun Anträge gestellt hat, deren Umfang sowie Nummerierung und Wortlaut nach und nach geändert wurden, sind ihre Anträge so zu verstehen, wie sie oben in Rn. 16 wiedergegeben wurden. Da sie allerdings in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass sie auch die Nichtigerklärung eines dritten Durchführungsbeschlusses der Kommission beantrage, ist vor der Entscheidung über die in dieser Randnummer genannten Anträge der Gegenstand des Rechtsstreits zu bestimmen.
21 Soweit die Klägerin beantragt, der Kommission aufzugeben, den ersten angefochtenen Beschluss vorzulegen (siehe oben, Rn. 17), genügt die Feststellung, dass ein solcher Verfahrensantrag eigentlich kein Antrag im Sinne von Art. 76 Buchst. e der Verfahrensordnung des Gerichts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2002, G/Kommission, T‑199/01, EU:T:2002:271, Rn. 27), sondern im Wesentlichen ein Antrag darauf, dass das Gericht eine prozessleitende Maßnahme im Sinne von Art. 91 Buchst. b der Verfahrensordnung erlässt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Reaktion auf die prozessleitende Maßnahme diesen Beschluss sowie den zweiten angefochtenen Beschluss vorgelegt hat, weshalb dieser Antrag gegenstandslos ist.
Vorbemerkungen zum Gegenstand des Verfahrens
22 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, dass die oben in Rn. 16 genannten Anträge auch einen dritten Durchführungsbeschluss der Kommission erfassen sollten, mit dem der Streithelferin eine erneute Genehmigung erteilt werde, den aufgeführten Gesetzen hinsichtlich der in ihrem Gewahrsam befindlichen bzw. von ihr verwahrten Wertpapiere oder Gelder der Klägerin bis zum April 2026 nachzukommen, und dessen Existenz die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe.
23 Hierzu genügt der Hinweis, dass nach Art. 86 Abs. 1 der Verfahrensordnung in ihrer Fassung, die sich aus den am 1. September 2024 in Kraft getretenen Änderungen vom 12. August 2024 (ABl. L, 2024/2095) ergibt, der Kläger innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung einer Entscheidung, den Termin für die mündliche Verhandlung zu bestimmen, oder vor Zustellung der Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, die Klageschrift anpassen kann. Da der Klägerin im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Bestimmung des Termins für die mündliche Verhandlung am 11. April 2025 zugestellt wurde, ist die zweiwöchige Frist nach der Zustellung dieser Entscheidung am 25. April 2025 abgelaufen, weshalb der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, die Klage auf den dritten, oben in Rn. 22 genannten Durchführungsbeschluss der Kommission zu erstrecken, nicht innerhalb der Frist gestellt wurde und daher unzulässig ist.
Zum zweiten und zum dritten Antrag der Klägerin
24 Erstens hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sich die Entscheidung über den dritten oben in Rn. 16 genannten Antrag, mit dem sie beantragt habe, der Kommission zu untersagen, die ursprüngliche Genehmigung zu „verlängern“, zwar erledigt habe, sie aber nicht auf diesen Antrag verzichtet habe, und dabei bleibe, dass das Gericht über diesen entscheiden müsse.
25 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV nicht befugt ist, den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union Anordnungen zu erteilen (vgl. Beschluss vom 22. September 2016, Gaki/Kommission, C‑130/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:731, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). Infolgedessen ist dieser Antrag wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückzuweisen.
26 Zweitens genügt in Bezug auf den zweiten oben in Rn. 16 genannten Antrag auf Erklärung der Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Einsicht und Bekanntgabe der angefochtenen Beschlüsse der Hinweis, dass dieses im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV nicht befugt ist, Feststellungsurteile zu fällen (vgl. Urteil vom 4. Februar 2009, Omya/Kommission, T‑145/06, EU:T:2009:27, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Infolgedessen ist dieser Antrag wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurückzuweisen.
Zum ersten Antrag der Klägerin
27 Zur Stützung des ersten oben in Rn. 16 genannten Antrags, die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären, macht sie drei Klagegründe geltend, mit denen sie im Wesentlichen erstens einen Verstoß der Kommission gegen das Rückwirkungsverbot im ersten angefochtenen Beschluss, zweitens eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte und drittens eine fehlerhafte Ermessensausübung durch die Kommission rügt. Darüber hinaus hat sie, nachdem die angefochtenen Beschlüsse auf die prozessleitende Maßnahme hin vorgelegt worden waren, vier neue Klagegründe geltend gemacht, mit denen sie im Wesentlichen viertens einen Tatsachenfehler, fünftens einen Verstoß der Kommission gegen das Rückwirkungsverbot im zweiten angefochtenen Beschluss, sechstens die Ungenauigkeit der angefochtenen Entscheidungen und siebtens einen Beurteilungsfehler der Kommission rügt.
28 Es sind nun die von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse gestellten Anträge zu prüfen: zunächst der zweite Klagegrund, dann der vierte Klagegrund, danach der erste und der fünfte Klagegrund und schließlich der dritte, der sechste und der siebte Klagegrund.
Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Verfahrensrechte der Klägerin
29 Die Klägerin trägt vor, da sie angehört worden sei, hätte der erste angefochtene Beschluss begründet und ihr vollumfänglich mitgeteilt werden müssen. Sie habe ein Interesse daran, die Begründung dieses Beschlusses zu erfahren, und im vorliegenden Fall stelle sich die Frage, wie ihrem Vorbringen Rechnung getragen worden sei.
30 Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
31 Es steht fest, dass die Kommission im vorliegenden Fall nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse der Klägerin nicht deren vollständigen Text übermittelt hat, sondern nur eine Beschreibung der Reichweite des ersten angefochtenen Beschlusses. Des Weiteren wurde der Klägerin der vollständige Text dieser Beschlüsse erst im Rahmen des vorliegenden Verfahrens mitgeteilt, wie oben in Rn. 21 ausgeführt wurde.
32 Es ist jedoch als Erstes festzustellen, dass, wie die Klägerin selbst vorträgt, die Verordnung Nr. 2271/96 die Kommission nicht verpflichtet, einen Beschluss, mit dem eine Genehmigung nach Art. 5 Abs. 2 erteilt wird, einem von restriktiven Maßnahmen eines Drittlands betroffenen Dritten (im Folgenden: von den restriktiven Maßnahmen betroffener Dritter) wie der Klägerin mitzuteilen, im Verhältnis zu dem dem Antragsteller, wie hier der Streithelferin, genehmigt wurde, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen. Ebenso verhält es sich mit der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1101 der Kommission vom 3. August 2018 zur Festlegung der Kriterien für die Anwendung von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2271/96 (ABl. 2018, L 199 I, S. 7), deren Art. 5 Abs. 3 nur vorsieht, dass die Kommission dem Antragsteller die endgültige Entscheidung mitteilt.
33 Im Übrigen bezieht sich die Klägerin zur Stützung des zweiten Klagegrundes auf keine genaue Bestimmung. Soweit sie jedoch offenbar geltend macht, dass Art. 296 Abs. 2 AEUV mittelbar verlange, dass ihr die Begründung der angefochtenen Beschlüsse mitgeteilt werde, ist festzustellen, dass diese Bestimmung zwar die Begründung von Rechtsakten betrifft, sie aber nicht die Frage regelt, welchen Personen ein Rechtsakt mitgeteilt werden muss. Überdies ist in Bezug auf diesen letztgenannten Aspekt darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV Beschlüsse, die an Adressaten gerichtet sind, demjenigen, für den sie bestimmt sind, bekannt gegeben werden. Im vorliegenden Fall sind die angefochtenen Beschlüsse nur an die Streithelferin als Adressatin gerichtet, und die Klägerin trägt nicht vor, dass sie diese Eigenschaft besitze.
34 Soweit das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf die Begründung des ersten angefochtenen Beschlusses trotz seines allgemeinen Charakters dahin verstanden werden sollte, dass damit ein vermeintlicher Begründungsmangel dieses Beschlusses in Bezug auf die Stellungnahme, die sie bei der Kommission eingereicht hat, geltend gemacht werden soll, genügt die Feststellung, dass die Kommission im 14. Erwägungsgrund dieses Beschlusses die von der Klägerin vorgebrachten Argumente sowie ihre Antworten darauf dargestellt hat. Es kann daher insoweit kein Begründungsmangel festgestellt werden.
35 Als Zweites trägt die Klägerin vor, dass sie, da sie während des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des ersten angefochtenen Beschlusses geführt habe, angehört worden sei, den vollständigen Text der angefochtenen Beschlüsse hätte erhalten müssen.
36 Aus den Rn. 12 und 13 oben geht zwar hervor, dass die Klägerin, nachdem sie die Kommission dazu aufgefordert hatte, im Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des ersten angefochtenen Beschlusses führte, tatsächlich angehört und von der Kommission über den Ausgang dieses Verfahrens dadurch informiert wurde, dass sie eine Beschreibung der Reichweite dieses Beschlusses erhielt.
37 Diese Umstände sind als solche jedoch nicht geeignet, neue Verpflichtungen der Kommission gegenüber der Klägerin entstehen zu lassen, insbesondere keine zu ihren Gunsten bestehende Pflichten zur Übermittlung der angefochtenen Beschlüsse.
38 Die Verordnung Nr. 2271/96 und die Durchführungsverordnung 2018/1101 sehen nämlich keine verfahrensrechtliche Rolle für die von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten vor, die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens zum Erlass eines Beschlusses nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 weder unterrichtet noch angehört werden. Mit anderen Worten hat sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden, ein System zu schaffen, in dessen Rahmen die Interessen dieser Dritter nicht berücksichtigt zu werden brauchen und diese Dritte nicht an den gemäß der genannten Bestimmung durchgeführten Verfahren beteiligt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2023, IFIC Holding/Kommission, T‑8/21, EU:T:2023:387, Rn. 107 und 111).
39 Selbst wenn die Kommission in einem bestimmten Fall beschließt, den von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten anzuhören, u. a. um Informationen zu erhalten oder diesen über das Vorliegen oder den Ausgang eines gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 geführten Verfahrens zu informieren, kann dieser Umstand somit nicht zur Folge haben, das Gleichgewicht des vom Gesetzgeber im Rahmen dieser Verordnung geschaffenen Systems zu ändern und insbesondere der Kommission die Pflicht aufzuerlegen, einem solchen Dritten einen gemäß dieser Bestimmung erlassenen Beschluss mitzuteilen.
40 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann zudem das Bestehen einer solchen Verpflichtung der Kommission nicht von der Bedeutung oder sogar dem Nutzen abhängen, die bzw. den die Klägerin ihr beimisst, u. a. weil es interessant wäre, zu erfahren, wie ihrem Vorbringen Rechnung getragen wurde.
41 Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die bloße Tatsache, dass die Kommission auf Ersuchen der Klägerin diese im Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des ersten angefochtenen Beschlusses geführt hat, angehört und ihr eine Beschreibung der Reichweite dieses Beschlusses übermittelt hat, keine Verpflichtung der Kommission hat entstehen lassen, der Klägerin diesen Beschluss oder sogar den zweiten angefochtenen Beschluss mitzuteilen.
42 Als Drittes ist darauf hinzuweisen, soweit die Klägerin eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte geltend macht, da die Kommission ihr die angefochtenen Beschlüsse ab ihrem Erlass hätte übermitteln müssen, dass sie, wie oben aus den Rn. 38 bis 41 hervorgeht, im Rahmen des von der Verordnung Nr. 2271/96 und der Durchführungsverordnung 2018/1101 geschaffenen Systems keinen Anspruch darauf hat.
43 Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission dadurch, dass sie der Klägerin nicht den vollständigen Text der angefochtenen Beschlüsse nach deren Erlass mitgeteilt hat, in irgendeiner Weise Verfahrensrechte verletzt hat, die die Klägerin im Rahmen des von der Verordnung Nr. 2271/96 und der Durchführungsverordnung 2018/1101 geschaffenen Systems nicht hatte und nicht haben konnte.
44 Als Viertes ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die fehlende Übermittlung eines Rechtsakts zwar Auswirkungen auf den Beginn der Klagefrist hat, für sich genommen aber nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte rechtfertigt. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass ein Kläger Belege dafür anführt, dass die fehlende Übermittlung eines Rechtsakts zu einer Verletzung seiner Rechte geführt hat, die es rechtfertigen würde, den Rechtsakt für nichtig zu erklären (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 82).
45 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin vor dem Gericht jedoch nichts vorgetragen, was die Annahme zuließe, dass die fehlende Übermittlung des vollständigen Texts der angefochtenen Beschlüsse nach ihrem Erlass ihre Rechte derart beeinträchtigt hätte, dass sie für sich allein die Nichtigerklärung dieser Beschlüsse rechtfertigen würde.
46 Des Weiteren ist festzustellen, dass die Klägerin, nachdem sie von der Kommission von der Reichweite des ersten angefochtenen Beschlusses unterrichtet worden war, in der Lage war, die vorliegende Klage beim Gericht zu erheben und seine Rechtmäßigkeit in Abrede zu stellen.
47 Aus alledem folgt, dass der zweite Klagegrund unbegründet und zurückzuweisen ist.
Zum vierten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Tatsachenfehler geltend gemacht wird
48 Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtenen Beschlüsse auf einer falschen Tatsachengrundlage beruhten. Die Kommission habe im 13. Erwägungsgrund des ersten und im elften Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses zu Unrecht festgestellt, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran stehe, obwohl es sich um eine an der Börse von Teheran (Iran) notierte Bank mit im Wesentlichen privatem Anteilsbesitz handele. Im 37. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses habe sie dieser fehlerhaften Tatsache dadurch entscheidende Bedeutung beigemessen, dass sie MEB als „iranische Einrichtung“ eingestuft habe. Ferner habe sie in den Erwägungsgründen 21 und 22 dieses Beschlusses einen von einem Schwesterunternehmen der Streithelferin mit den US-amerikanischen Behörden geschlossenen Vergleich berücksichtigt, der die iranische Zentralbank betroffen habe und demnach eine andere Situation als diejenige eines im Iran ansässigen privaten Unternehmens wie der MEB.
49 Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
50 Es ist zunächst festzustellen, dass die Kommission im 13. Erwägungsgrund des ersten und im elften Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses zwar erklärt hat, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran stehe, die Klägerin aber geltend gemacht hat, ohne dass die Kommission dem substantiiert entgegengetreten ist, dass MEB eine iranische Privatbank sei. Hierzu in der mündlichen Verhandlung befragt, hat die Kommission eingeräumt, dass der Inhalt der Akte nicht die Annahme zulasse, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran stehe.
51 Doch selbst unter der Annahme, dass die in den angefochtenen Beschlüssen enthaltene Angabe zur Eigentümerstruktur der MEB unzutreffend wäre, hätte dies keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse.
52 Wie aus den Erwägungsgründen 12 und 13 des ersten und den Erwägungsgründen 10 und 11 des zweiten angefochtenen Beschlusses hervorgeht, sind diese Beschlüsse nämlich nicht darauf gestützt, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran steht, sondern auf die zwischen den Parteien unstreitige Tatsache, dass MEB auf der SDN-Liste steht, was die Sekundärsanktionen betrifft. Die Streithelferin sah sich durch den Umstand, dass MEB von diesen nach den aufgeführten Gesetzen vorgesehenen Sanktionen betroffen ist, im Zusammenhang mit dem Schaden, der sich für die Streithelferin und die Union ergeben würde, wenn diese Gesetze nicht eingehalten würden, veranlasst, bei der Kommission die Genehmigung zu beantragen, diesen Gesetzen nachzukommen, und die Kommission war dadurch veranlasst, ihr diese zu erteilen. Insofern ist es hingegen irrelevant, ob MEB im Besitz von öffentlichen Stellen oder privaten Einrichtungen steht.
53 Außerdem geht entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den angefochtenen Beschlüssen nicht hervor, dass sich die Kommission zur Stützung der Beurteilungen, die sie dazu veranlasst haben, die ursprüngliche Genehmigung zu erteilen, darauf berufen hat, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran stehe.
54 Zum einen hat sich die Kommission im 37. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses zwar auf MEB als „iranische“ Einrichtung bezogen, dies darf jedoch nicht so verstanden werden, dass sich die Kommission auf die Annahme gestützt hätte, dass MEB im Besitz der Islamischen Republik Iran steht. Es steht nämlich fest, dass MEB an der Börse von Teheran (Iran) notiert ist, weshalb sich die Kommission auf MEB als „iranische“ Einrichtung unabhängig von ihrer öffentlichen oder privaten Eigentümerstruktur beziehen konnte. Im Übrigen hat die Klägerin selbst MEB in ihrer Klageschrift als „iranische“ Bank bezeichnet.
55 Zum anderen hat sich die Kommission zwar in den Erwägungsgründen 21 und 22 des ersten angefochtenen Beschlusses (sowie im 27. Erwägungsgrund und in Fn. 10 des zweiten angefochtenen Beschlusses) auf einen von einem Schwesterunternehmen der Streithelferin mit den amerikanischen Behörden geschlossenen Vergleich bezogen, der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass dieser Vergleich die Beziehungen dieses Unternehmens mit der iranischen Zentralbank und nicht mit einer privaten Einrichtung betroffen habe, hat jedoch ebenfalls keine Auswirkung und bedeutet nicht, dass die Kommission sich auf einen irrelevanten Gesichtspunkt gestützt hat. Aus diesen Erwägungsgründen geht nämlich hervor, dass die Kommission bei ihrem Verweis auf diesen Vergleich ein Beispiel für das Risiko, das die Streithelferin einging, wenn sie gegen die aufgeführten Gesetze verstieß, und für einen zu diesem Zweck mit den amerikanischen Behörden geschlossenen Vergleich geben wollte, und zwar unabhängig von der öffentlichen oder privaten Eigentümerstruktur der Einrichtung, mit der dieses Unternehmen geschäftliche Beziehungen unterhalten hatte.
56 Aus alledem folgt, dass der vierte Klagegrund ins Leere geht und daher zurückzuweisen ist.
Zum ersten und zum fünften Klagegrund, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot geltend gemacht wird
57 Die Klägerin trägt vor, dass die ursprüngliche und die neue Genehmigung rückwirkend erteilt worden seien. Die Kommission habe im ersten angefochtenen Beschluss, der am 27. April 2023 erlassen worden sei, die Streithelferin ermächtigt, die Vermögenswerte der Klägerin ab Antragstellung, d. h. ab dem 26. Februar 2021, einzufrieren. Ebenso gelte der zweite angefochtene Beschluss ab dem Ablauf der ursprünglichen Genehmigung. In Anbetracht der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dürften Rechtsakte aber grundsätzlich nicht rückwirkend angewendet werden. Weder die Verordnung Nr. 2271/96 noch die Durchführungsverordnung 2018/1101 sähen eine solche Rückwirkung vor, die außerdem durch den Leitfaden „Fragen und Antworten: Annahme der aktualisierten … Verordnung [Nr. 2271/96]“ der Kommission (ABl. 2018, C 277 I, S. 4, im Folgenden: Leitfaden) ausdrücklich ausgeschlossen werde, dem zufolge die Beantragung einer Genehmigung keine aufschiebende Wirkung habe und die Antragsteller verpflichtet seien, bis zur Erteilung einer Genehmigung die Verordnung Nr. 2271/96 zu beachten. Die Klägerin meint, sie habe daher darauf vertrauen dürfen, dass diese Genehmigungen keine Rückwirkung entfalten würden.
58 Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2271/96 schütze vorrangig Wirtschaftsteilnehmer der Union vor der Befolgung der aufgeführten Gesetze, wovon nur in Ausnahmefällen abgewichen werden solle, so dass es im Sinne einer effizienten und abschreckenden Anwendung dieser Verordnung ermessensfehlerhaft sei, eine Genehmigung rückwirkend zu erteilen. Die von der Kommission vorgenommene Differenzierung zwischen der fehlenden aufschiebenden Wirkung eines Antrags auf Genehmigung im Sinne des Leitfadens und der auf den Zeitpunkt des Antrags zurückwirkenden Genehmigung sei konstruiert und durch diese Verordnung nicht gedeckt. Im vorliegenden Fall erschließe sich der Klägerin auch nicht, wie durch eine solche Rückwirkung eine schwere Schädigung der Interessen der Union oder des Antragstellers verhindert werden sollte, da ihr die vollständige Genehmigung nicht übermittelt worden sei. Im Übrigen sei ein durch die Genehmigung rückwirkend gewährter Schutz vor unionsrechtlichen Sanktionen nicht erforderlich, sie werde vielmehr durch die Rückwirkung der Genehmigung geschädigt.
59 Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
60 Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts zählt und aus dem sich der Grundsatz des Vertrauensschutzes ableitet, gebietet, dass die Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit sich die Betroffenen an unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (vgl. Urteil vom 25. September 2024, Kirimova/EUIPO, T‑727/20 RENV, EU:T:2024:646, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt vor allem dann, wenn diese Vorschriften für Einzelne und Unternehmen nachteilige Folgen haben können (vgl. Urteil vom 27. November 2024, Nord Stream 2/Parlament und Rat, T‑526/19 RENV, EU:T:2024:864, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Union auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung bzw. Bekanntgabe zu legen. Dies kann aber ausnahmsweise dann anders sein, wenn ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. April 2005, „Goed Wonen“, C‑376/02, EU:C:2005:251, Rn. 33, vom 13. Februar 2019, Human Operator, C‑434/17, EU:C:2019:112, Rn. 36, und vom 8. März 2023, Assaad/Rat, T‑426/21, EU:T:2023:114, Rn. 212).
62 Zunächst ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission und der Streithelferin die Klägerin zutreffend geltend macht, dass der Streithelferin die ursprüngliche und die neue Genehmigung durch die angefochtenen Beschlüsse rückwirkend erteilt wurden.
63 Aus Art. 3 des ersten angefochtenen Beschlusses geht zwar hervor, dass er für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gültig ist. In Art. 1 dieses Beschlusses heißt es aber in Entsprechung mit seinem 39. Erwägungsgrund, dass der Streithelferin die Genehmigung erteilt wird, den aufgeführten Gesetzen gegenüber der Klägerin „ab dem Zeitpunkt ihres Antrags auf diese Genehmigung“ nachzukommen. Wie aus dem siebten Erwägungsgrund dieses Beschlusses hervorgeht, wurde der erste Genehmigungsantrag von der Streithelferin bei der Kommission am 26. Februar 2021 gestellt. Infolgedessen hat die mit diesem Beschluss erteilte ursprüngliche Genehmigung sehr wohl Rückwirkung, denn aus einer gemeinsamen Betrachtung der Art. 1 und 3 dieses Beschlusses geht hervor, dass das Datum des Inkrafttretens dieser Genehmigung nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung des in Rede stehenden (am 27. April 2023 erlassenen) Beschlusses an die Streithelferin festgelegt wurde, sondern früher auf den Zeitpunkt dieses Genehmigungsantrags (den 26. Februar 2021).
64 Aus Art. 3 des zweiten angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass er für einen Zeitraum von zwölf Monaten ab (gemäß dem 43. Erwägungsgrund dieses Beschlusses) dem Zeitpunkt des „Ablaufs der [ursprünglichen Genehmigung] (26. April 2024)“ gilt. Infolgedessen hat die mit diesem Beschluss erteilte neue Genehmigung sehr wohl Rückwirkung, denn das Datum des Inkrafttretens dieser Genehmigung wurde nicht auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des in Rede stehenden (am 24. Juni 2024 erlassenen) Beschlusses an die Streithelferin festgelegt, sondern früher auf den Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Genehmigung (den 26. April 2024).
65 Es ist daher zu prüfen, ob, wie die Klägerin vorträgt, die Kommission der Streithelferin die ursprüngliche und die neue Genehmigung unrechtmäßig rückwirkend erteilt hat, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Klägerin in den Gründen und dem verfügenden Teil der angefochtenen Beschlüsse genannt wird. Die Rechtmäßigkeit dieser Rückwirkung ist daher in Bezug auf die Stellung der Klägerin zu prüfen.
66 Als Erstes macht die Klägerin geltend, dass die Verordnung Nr. 2271/96, die Durchführungsverordnung 2018/1101 und der Leitfaden nicht ausdrücklich die Möglichkeit vorsähen, der Streithelferin eine Genehmigung wie die ursprüngliche oder die neue Genehmigung, die mit den angefochtenen Beschlüssen erteilt worden seien, rückwirkend zu erteilen, und diese Möglichkeit sogar ausdrücklich ausschlössen.
67 Hierzu genügt die Feststellung, dass sich, wenn die oben in Rn. 61 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, die Befugnis der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, ausnahmsweise rückwirkend einen Rechtsakt zu erlassen, aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts ergibt, ohne dass sie vom Vorliegen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage in der betreffenden Regelung abhängig wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2024, NRW. Bank/SRB, T‑466/16 RENV, EU:T:2024:111, Rn. 165).
68 Folglich hindert das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage die Kommission nicht daran, einem Antragsteller ausnahmsweise rückwirkend eine Genehmigung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 zu erteilen, sofern die beiden oben in Rn. 61 genannten kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar erstens, dass das mit der angefochtenen Handlung verfolgte Ziel verlangt, ihr Rückwirkung zu verleihen, und zweitens, dass das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wurde.
69 Im Übrigen ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin keiner der von ihr angeführten Rechtsakte ausdrücklich die Möglichkeit ausschließt, eine Genehmigung wie die ursprüngliche oder die neue Genehmigung, die mit den angefochtenen Beschlüssen erteilt wurden, rückwirkend zu erteilen. Zudem führt die Klägerin keine genaue Bestimmung zur Stützung ihrer Argumentation an, sondern beruft sich für den Nachweis eines berechtigten Interesses lediglich auf die Antwort auf Frage Nr. 20 des Leitfadens, deren Inhalt weiter unten geprüft wird.
70 Als Zweites trägt die Klägerin in Bezug auf die beiden oben in Rn. 61 genannten kumulativen Voraussetzungen im Wesentlichen vor, dass die Rückwirkung der ursprünglichen und der neuen Genehmigung von der Kommission nicht begründet worden sei und dass sie darauf habe vertrauen können, dass diese Genehmigungen in Anbetracht des Inhalts des Leitfadens nicht rückwirkend erteilt würden.
– Zum die Rückwirkung rechtfertigenden Ziel
71 Da eine von der Kommission gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilte Ausnahmegenehmigung verhindern soll, dass unter bestimmten und ordnungsgemäß begründeten Umständen die Nichteinhaltung der aufgeführten Gesetze zu einer schweren Schädigung der Interessen der Union oder des Antragstellers führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2023, IFIC Holding/Kommission, T‑8/21, EU:T:2023:387, Rn. 112), ist nicht auszuschließen, dass die Kommission bei der Verfolgung dieses Ziels dazu veranlasst sein kann, eine solche Genehmigung rückwirkend zu erteilen, wenn sich dies in Anbetracht des zu erreichenden Ziels als notwendig erweist, und zwar selbst unabhängig davon, ob eine solche Rückwirkung vom Antragsteller beantragt wurde oder nicht.
72 Es ist darauf hinzuweisen, dass die erste oben in Rn. 61 genannte Voraussetzung hinsichtlich des zu erreichenden Ziels beinhaltet, zu prüfen, ob mit dem rückwirkenden Beschluss zumindest ein Ziel von allgemeinem Interesse erreicht werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, Éditions Odile Jacob/Kommission, C‑514/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:55, Rn. 50). Nach der Rechtsprechung müssen die Unionsrechtsakte, die Rückwirkung haben, in ihrer Begründung klar und eindeutig die Umstände nennen, die die angestrebte Rückwirkung rechtfertigen (vgl. Urteil vom 9. September 2020, Slowenien/Kommission, T‑626/17, EU:C:2020:402, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).
73 Vorliegend ist festzustellen, dass die Kommission in den angefochtenen Beschlüssen ausdrücklich die Gründe benannt hat, die sie dazu veranlasst haben, die ursprüngliche und die neue Genehmigung rückwirkend zu erteilen.
74 Zum einen heißt es im 39. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission beschlossen hat, die ursprüngliche Genehmigung ab dem Zeitpunkt des ersten Genehmigungsantrags zu erteilen, denn diese Genehmigung verzögerte sich aufgrund politischer Bewertungen und nicht wegen eines Fehlers der Streithelferin. In den Erwägungsgründen 37 und 38 dieses Beschlusses werden diese politischen Bewertungen und ihr Zusammenhang mit den von der Verordnung Nr. 2271/96 verfolgten Zielen sowie mit den allgemeinen politischen Zielen der Union näher erläutert. Aus diesem Beschluss ergibt sich somit im Wesentlichen, dass die – in der Tat bedauerliche – Verzögerung des Verwaltungsverfahrens, das zum verzögerten Erlass dieses Beschlusses aus von der Streithelferin unabhängigen politischen Gründen die Kommission dazu veranlasst hat, diese Genehmigung rückwirkend zu erteilen.
75 Zum anderen heißt es im 43. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission beschlossen hat, die neue Genehmigung aus Gründen der Kontinuität in Anbetracht der Risiken für die Interessen der Streithelferin und der Union ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der ursprünglichen Genehmigung zu erteilen. Nach Art. 3 Abs. 2 des ersten angefochtenen Beschlusses musste die Streithelferin eine etwaige neue Genehmigung drei Monate vor Ablauf dieses Beschlusses beantragen, und aus dem 14. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Streithelferin eine neue Genehmigung tatsächlich am 25. Januar 2024 beantragt hat, also drei Monate vor Ablauf der ursprünglichen Genehmigung. Aus diesem letztgenannten Beschluss ergibt sich somit im Wesentlichen, dass die ebenso bedauerliche Verzögerung des Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des zweiten angefochtenen Beschlusses geführt hat, die Kommission dazu veranlasst hat, die neue Genehmigung im Interesse der Kontinuität mit dem ersten angefochtenen Beschluss rückwirkend zu erteilen.
76 Zwar hatte die Klägerin ursprünglich die fehlende Begründung der von der Kommission beschlossenen Rückwirkung gerügt, sie hat jedoch in der Folge, nachdem sie den vollständigen Text der angefochtenen Beschlüsse erhalten hatte, den die Kommission in Beantwortung der prozessleitenden Maßnahme vorgelegt hatte, nichts vorgebracht, auch nicht in ihren neuen Klagegründen, mit dem sie die Stichhaltigkeit der Angaben in diesen Beschlüssen zur Rechtfertigung dieser Rückwirkung rügte. Da die Klägerin zu diesen Angaben nichts vorgetragen hat, hat sie nicht nachgewiesen, dass die vorliegend von der Kommission beschlossene Rückwirkung in Anbetracht des zu erreichenden Ziels unangemessen oder nicht notwendig gewesen sei.
77 Allenfalls hat die Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes sowie in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen des Gerichts die Feststellung im 37. Erwägungsgrund des ersten angefochtenen Beschlusses gerügt, wonach MEB „iranisch“ sei. Allerdings ist diese Feststellung aus den oben in Rn. 54 dargestellten Gründen nicht unzutreffend. Des Weiteren kann mit einem solchen Vorbringen der Klägerin jedenfalls kein Rechts- oder Beurteilungsfehlers dargetan werden, der von der Kommission in Bezug auf die Begründung der Rückwirkung begangen worden sei.
78 Da kein Argument der Klägerin geeignet ist, die von der Kommission in den angefochtenen Beschlüssen gemachten Angaben zur Begründung der in diesen Beschlüssen entschiedenen Rückwirkung in Frage zu stellen, ist infolgedessen festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die erste oben in Rn. 61 genannte Voraussetzung bezüglich des zu erreichenden Ziels nicht erfüllt ist.
– Zum berechtigten Vertrauen, das der Leitfaden bei der Klägerin begründen könne
79 Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist eine der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Unionsrechtsakt unter Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit Rückwirkung entfalten kann (Urteil vom 8. März 2023, Assaad/Rat, T‑426/21, EU:T:2023:114, Rn. 226).
80 Da die Rückwirkung eines Unionsrechtsakts nur ausnahmsweise zulässig ist, kann von einem Einzelnen nicht der Nachweis verlangt werden, dass er die Zusicherung erhalten hat, dass kein rückwirkender Rechtsakt erlassen werde, sondern es ist Sache des Gerichts, auf der Grundlage des Vorbringens dieses Einzelnen und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der in Rede stehende Rechtsakt unter Beachtung des berechtigten Vertrauens des Einzelnen erlassen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. März 2023, Assaad/Rat, T‑426/21, EU:T:2023:114, Rn. 227, 235 und 236).
81 Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass der Leitfaden, genauer gesagt die Antwort auf Frage Nr. 20 dieses Leitfadens, bei ihr ein berechtigtes Vertrauen auf die fehlende Rückwirkung einer nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilten Genehmigung begründet habe.
82 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Leitfaden keine rechtlich verbindlichen Regelungen oder Auslegungen enthält (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 61).
83 Es wurde allerdings entschieden, dass von einer Unionsbehörde erlassene interne Maßnahmen zwar nicht als „Rechtsnorm“ qualifiziert werden können, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, sie jedoch eine Verhaltensnorm darstellen, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind. Die fragliche Behörde hat dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, dass sie sie von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. Urteil vom 25. September 2024, Kirimova/EUIPO, T‑727/20 RENV, EU:T:2024:646, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
84 Die Unionsverwaltung ist somit verpflichtet, bei der Anwendung indikativer Regeln, die sie sich selbst auferlegt hat, den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 53).
85 „Zweck dieses [Leitfadens] ist es, Leitlinien für die Anwendung einzelner Bestimmungen der … Verordnung [Nr. 2271/96] zu liefern“, wie es in seiner Einleitung heißt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Angaben in diesem Leitfaden als indikative Regeln für die Praxis, die die Kommission bei der Anwendung dieser Verordnung zu befolgen gedenkt, aufgefasst werden und somit ein berechtigtes Vertrauen bei den Betroffenen entstehen lassen können, was jedoch im Einzelfall anhand des Inhalts der betreffenden Leitlinien zu beurteilen ist.
86 Vorliegend lautet die Antwort auf Frage Nr. 20 („Welche Auswirkungen hat die Genehmigung?“) des Leitfadens, auf die sich die Klägerin stützt, wie folgt:
„Die Beantragung einer Genehmigung hat keine aufschiebende Wirkung. Die Genehmigung in Form eines Durchführungsbeschlusses der Kommission wird ab dem Tag wirksam, an dem sie dem Antragsteller mitgeteilt wird. In der Zwischenzeit sind die EU-Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet, die Bestimmungen der … Verordnung [Nr. 2271/96] einzuhalten.“
87 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin können solche Leitlinien jedoch nicht als Selbstbeschränkung der Befugnis der Kommission aufgefasst werden, einer etwaigen nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilten Genehmigung Rückwirkung zu verleihen.
88 Obwohl die Überschrift von Frage Nr. 20 die „Auswirkungen der Genehmigung“ betrifft, beziehen sich die Erläuterungen der Kommission in den Sätzen 1 und 3 der Antwort erstens eher auf die Folgen des Genehmigungsantrags. So wird in Satz 1 der Antwort des Leitfadens darauf hingewiesen, dass ein solcher Antrag keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der sich aus der Verordnung Nr. 2271/96 ergebenden Verpflichtungen hat, so dass nach der Stellung des Antrags, wie es in Satz 3 der Antwort heißt, die von diesen Verpflichtungen betroffenen Wirtschaftsteilnehmer diese bis zum Beschluss der Kommission weiterhin einhalten müssen.
89 Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen im Wesentlichen festgestellt hat, unterscheidet sich die Frage nach den Folgen der Stellung eines Genehmigungsantrags aber von der Frage, wann eine etwaige Genehmigung, die am Ende des mit der Stellung dieses Antrags eingeleiteten Verwaltungsverfahrens erlassen wird, wirksam wird.
90 Zweitens heißt es in Satz 2 der Antwort des Leitfadens, dass eine etwaige Genehmigung, die in Form eines Durchführungsbeschlusses der Kommission erlassen wird, ab dem Tag „wirksam wird“, an dem sie dem Antragsteller mitgeteilt wird. Zwar betrifft diese Angabe den Zeitpunkt, ab dem die Genehmigung in Form eines dem Antragsteller mitgeteilten Durchführungsbeschlusses „wirksam wird“, sie gibt jedoch insoweit nur den Inhalt von Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV wieder.
91 Gemäß Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV – der eine allgemeine Regel für das Inkrafttreten von Beschlüssen aufstellt, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind – werden nämlich solche Beschlüsse mit ihrer Bekanntgabe an diejenigen, für die sie bestimmt sind, wirksam (Urteil vom 13. Februar 2019, Human Operator, C‑434/17, EU:C:2019:112, Rn. 32).
92 Ebenso wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass die in Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV vorgesehene allgemeine Regel nicht so verstanden werden kann, dass sie die Möglichkeit ausschließt, den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines Beschlusses, der an einen Adressaten gerichtet ist, ausnahmsweise auf einen Zeitpunkt vor dessen Bekanntgabe an diesen Adressaten zu legen, wenn die oben in Rn. 61 genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2019, Human Operator, C‑434/17, EU:C:2019:112, Rn. 36 und 37), gilt dies erst recht für Satz 2 der Antwort auf Frage Nr. 20 des Leitfadens. Nach der Rechtsprechung ist es nämlich zulässig, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Rechtsakts nicht zwangsläufig mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, zu dem er Wirkungen entfaltet, da ihm unter bestimmten Bedingungen Rückwirkung zuerkannt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Oktober 2025, On Air Media Professionals und Different Media, C‑416/24 und C‑417/24, EU:C:2025:765, Rn. 44 bis 47).
93 Somit kann Satz 2 der Antwort auf Frage Nr. 20 des Leitfadens nicht dahin verstanden werden, dass in der Praxis der Kommission der Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Genehmigung zwangsläufig in allen Fällen mit dem Tag zusammenfällt, an dem der Beschluss, mit dem diese Genehmigung gewährt wird, dem Antragsteller mitgeteilt wird.
94 Daraus folgt, dass, insgesamt betrachtet, die Antwort auf Frage Nr. 20 des Leitfadens in Wirklichkeit keine indikative Verhaltensregel enthält, die sich die Kommission in Bezug auf die Rückwirkung einer etwaigen Genehmigung auferlegt hat, da diese Antwort die Antragsteller im Wesentlichen lediglich darauf hinweist, dass sie weiterhin den sich aus Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2271/96 ergebenden Pflichten unterliegen, bis die Kommission über ihren Genehmigungsantrag entscheidet, und dass ein etwaiger Beschluss der Kommission, mit dem ihnen eine abweichende Genehmigung nach Abs. 2 dieses Artikels erteilt wird, ab dem Tag wirksam wird, an dem sie ihnen mitgeteilt wird. Die Angaben in dieser Antwort legen jedoch nicht den Tag fest, an dem eine etwaige Genehmigung wirksam wird, und insbesondere nicht, ob dies rückwirkend geschehen kann.
95 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin der Leitfaden kein berechtigtes Vertrauen auf eine fehlende Rückwirkung einer nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 erteilte Genehmigung begründen kann und dass infolgedessen mit dem Vorbringen der Klägerin nicht nachgewiesen werden kann, dass die zweite oben in Rn. 61 genannte Bedingung bezüglich des berechtigten Vertrauens der Betroffenen nicht erfüllt war.
96 Nach alledem hat die Kommission nicht die Ausnahmen verkannt, die ausnahmsweise unter den oben in Rn. 61 genannten Bedingungen vom Rückwirkungsverbot gemacht werden können, und infolgedessen nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen. Daher sind der erste und der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.
Zum dritten, zum sechsten und zum siebten Klagegrund, mit denen im Wesentlichen ein Beurteilungsfehler und die Ungenauigkeit der angefochtenen Beschlüsse geltend gemacht werden
97 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe ihr Ermessen fehlerhaft und unverhältnismäßig ausgeübt. Da die Klägerin ausschließlich Dienstleistungen im humanitären Sektor anbiete, habe der Streithelferin diesbezüglich keine Gefahr durch die aufgeführten Gesetze gedroht. Die Kommission habe daher der Streithelferin zu Unrecht erlaubt, sämtliche Vermögenswerte der Klägerin uneingeschränkt einzufrieren, ohne zu berücksichtigen, dass für humanitäre Transaktionen verwendete Vermögenswerte nicht unter die Sanktionen aufgrund der aufgeführten Gesetze fielen. Die Kommission hätte daher die Tragweite der ursprünglichen und der neuen Genehmigung konkret einschränken müssen.
98 Die angefochtenen Beschlüsse seien angesichts der Hinweise im 14. Erwägungsgrund des ersten und im 42. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses zu weitgehend, unklar und irreführend tenoriert. Der jeweilige Tenor sei umfassend formuliert, gewähre der Streithelferin einen Entscheidungsspielraum und lasse nicht die in den genannten Erwägungsgründen enthaltenen Einschränkungen erkennen, womit er sich in Widerspruch zu den genannten Erwägungsgründen setze.
99 Weiter hätte die Kommission überprüfen müssen, welchen Sanktionen die Klägerin ausgesetzt sei und welche Transaktionen unter die aufgeführten Gesetze fielen, zumal die Klägerin nachgewiesen habe, dass sie ausschließlich Transaktionen im humanitären Bereich durchführe, die ausdrücklich von den Sanktionen, die von diesen Gesetzen vorgesehen seien, ausgenommen seien. Die Interessen der Union könnten im Bereich humanitärer Transaktionen nicht schwer geschädigt werden, und der Antrag der Streithelferin sei nur auf den zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit zurückzuführen. Die Streithelferin könne nicht darüber entscheiden, wann eine Transaktion unter diese Sanktionen falle, da dies die Kommission beurteilen müsse.
100 Die Kommission und die Streithelferin treten diesem Vorbringen entgegen.
101 Erstens ist festzustellen, dass die Argumentation der Klägerin auf fehlerhaften Prämissen beruht, denn entgegen ihrem Vorbringen geht aus den angefochtenen Beschlüssen nicht nur ausdrücklich hervor, dass die Kommission ihre Stellungnahme zu den Tätigkeiten, die ihrer Ansicht nach aus dem Anwendungsbereich der Sanktionen herausfielen, berücksichtigt hat, sondern auch, dass die Kommission in Anbetracht dieser Stellungnahme die Reichweite der ursprünglichen und der neuen Genehmigung auf die Situationen beschränkt hat, in denen die aufgeführten Gesetze die Streithelferin verpflichten, sich in bestimmter Weise ihr gegenüber zu verhalten.
102 Zum einen hat die Kommission nämlich im 14. Erwägungsgrund unter 2) des ersten angefochtenen Beschlusses auf die Erklärung der Klägerin, dass die Sanktionen nicht anwendbar seien, weil bestimmte Transaktionen nicht in ihren Anwendungsbereich fielen, hingewiesen und danach ausgeführt, dass die ursprüngliche Genehmigung der Streithelferin nur gestatte, den aufgeführten Gesetzen „nachzukommen“, und dass infolgedessen die von diesen Gesetzen ausgenommen Transaktionen auch nicht von dieser Genehmigung erfasst würden. Zum anderen beschränkt sich Art. 1 des ersten angefochtenen Beschlusses im Einklang mit diesen Ausführungen darauf, der Streithelferin zu gestatten, diesen Gesetzen „nachzukommen“, und zwar nur „soweit erforderlich“, um bestimmte Vermögenswerte „einzufrieren“ und bestimmte Transaktionen „abzulehnen“.
103 Des Weiteren hat Art. 1 des zweiten angefochtenen Beschlusses zwar denselben Gehalt wie Art. 1 des ersten angefochtenen Beschlusses, im 42. Erwägungsgrund des zweiten angefochtenen Beschlusses wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Tätigkeiten von MEB im Bereich humanitärer Transaktionen die neue Genehmigung der Streithelferin nur insofern gestattet, bestimmte Vermögenswerte einzufrieren und bestimmte Transaktionen abzulehnen, als dies von den aufgeführten Gesetzen verlangt wird, und dass infolgedessen jede von diesen Gesetzen ausgenommene Transaktion auch nicht von dieser Genehmigung erfasst wird.
104 Daher besteht weder ein Widerspruch zwischen der Begründung und dem verfügenden Teil der angefochtenen Beschlüsse noch fehlende Klarheit hinsichtlich der Reichweite der ursprünglichen und der neuen Genehmigung.
105 Zweitens bedeuten die oben in den Rn. 101 und 103 getroffenen Feststellungen zudem, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Reichweite der ursprünglichen und der neuen Genehmigung, also der angefochtenen Beschlüsse, auch nicht zu weitgehend oder umfassend formuliert oder sogar unverhältnismäßig oder ungenau ist, sondern auf die Verhaltensweisen beschränkt ist, zu denen die Streithelferin nach den aufgeführten Gesetzen verpflichtet ist, und dies strikt nur insoweit, als sie ihr gestattet, bestimmte Vermögenswerte einzufrieren und bestimmte Transaktionen der Klägerin gemäß diesen Gesetzen abzulehnen.
106 Drittens, soweit die Klägerin geltend macht, dass es Sache der Kommission gewesen sei, jede Transaktion zu ermitteln, bei der es der Streithelferin gestattet gewesen sei, den aufgeführten Gesetzen nachzukommen, genügt die Feststellung, dass diesem Vorbringen auch nicht gefolgt werden kann, da es auf einem fehlerhaften Verständnis nicht nur der Reichweite der angefochtenen Beschlüsse, wie sie oben in den Rn. 101 bis 103 dargestellt wurde, sondern auch der Tragweite der von der Kommission im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 vorgenommenen Bewertung beruht.
107 Bei der Bewertung eines Genehmigungsantrags nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 prüft die Kommission nämlich nur, ob die Interessen des Antragstellers oder der Union Gefahr laufen, einen schweren Schaden zu erleiden, falls der Antragsteller den aufgeführten Gesetzen gegenüber einem von den restriktiven Maßnahmen betroffenen Dritten nicht nachkommt. Soweit ein solcher Dritter von diesen Gesetzen betroffen ist, hängt die von dieser Bestimmung verlangte Prüfung nicht von der Frage ab, ob bestimmte Transaktionen dieses Dritten nach diesen Gesetzen ausgenommen sein könnten.
108 Es ist somit nicht Sache der Kommission, gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 die etwaigen Transaktionen oder Vermögenswerte dieses Dritten anhand der angeführten Gesetze einzustufen, da sie weder die Typologie einer Transaktion oder eines Vermögenswerts eines solchen Dritten noch seine Stellung in Bezug auf diese Gesetze und ihre eventuellen Ausnahmen überprüfen kann. Entgegen dem Begehren der Klägerin ist es daher in der vorliegenden Rechtssache nicht erforderlich, dass das Gericht ein Sachverständigengutachten in Auftrag gibt, um den Anwendungsbereich dieser Gesetze auszulegen, oder weitere Maßnahmen erlässt, um Expertenberichte zu den Tätigkeiten der Klägerin zu erhalten, oder ihre Abschlussprüfer als Zeugen hierzu anzuhören.
109 Viertens ist der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass die Streithelferin die ursprüngliche und die neue Genehmigung zu weit dahin auslege, dass ihr gestattet sei, alle Vermögenswerte der Klägerin einzufrieren, ohne Belang. Dies ist nämlich eine Frage der richtigen Anwendung dieser Genehmigungen durch die Streithelferin und nicht der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse, mit denen diese Genehmigungen erteilt werden.
110 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin räumen die ursprüngliche und die neue Genehmigung der Streithelferin zudem insoweit keinen Entscheidungsspielraum ein. Wenn die aufgeführten Gesetze ihr nicht die Pflicht auferlegen, bestimmte Vermögenswerte einzufrieren oder bestimmte Transaktionen der Klägerin abzulehnen, finden diese Genehmigungen keine Anwendung, und die Streithelferin ist verpflichtet, dem in Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2771/96 vorgesehenen Verbot nachzukommen.
111 Fünftens genügt, soweit die Klägerin einen Ermessensmissbrauch geltend macht, da die ursprüngliche und die neue Genehmigung aufgrund des zwischen und ihr und der Streithelferin vor den deutschen Gerichten anhängigen Rechtsstreits erteilt worden seien, die Feststellung, dass der erste angefochtene Beschluss keinen Hinweis darauf enthält, sondern auf andere Erwägungen gestützt ist. Zudem geht aus den Erwägungsgründen 18 und 19 des zweiten angefochtenen Beschlusses zwar hervor, dass sich die Streithelferin in ihrem neuen Genehmigungsantrag auf diesen Rechtsstreit bezogen hat, aus dem 20. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht aber auch hervor, dass die Kommission seine Relevanz für die Gewährung einer etwaigen neuen Genehmigung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2271/96 ausdrücklich ausgeschlossen hat. Diesem Vorbringen kann daher nicht gefolgt werden.
112 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass mit dem Vorbringen der Klägerin weder nachgewiesen werden kann, dass die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hat, insbesondere was die Reichweite der ursprünglichen Genehmigung und der neuen Genehmigung betrifft, noch, dass die angefochtenen Beschlüsse insoweit unklar sind, noch, dass die Kommission ihr Ermessen missbraucht hat. Der dritte, der sechste und der siebte Klagegrund sind somit zurückzuweisen.
113 Der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
114 Infolgedessen ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über ihre Zulässigkeit entschieden zu werden braucht. Die Klägerin hat beantragt, darüber vorab zu entscheiden (siehe oben, Rn. 17), um „das Verhältnis von Nichtigkeitsklage und [einem etwaigen] Vorabentscheidungsverfahren“ zu klären, zu dem die Streithelferin Zweifel geäußert hat. Was zum einen den Antrag der Klägerin betrifft, sieht Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung nämlich zwar vor, dass der Beklagte vorab eine Entscheidung des Gerichts über die Unzulässigkeit beantragen kann, ein solcher Antrag im Sinne dieses Artikels aber nicht vom Kläger ausgehen kann. Zum anderen ist in Bezug auf die von der Streithelferin geäußerten Zweifel darauf hinzuweisen, dass eine Partei, die als Streithelferin zur Unterstützung des Beklagten zugelassen wird, nicht zur Erhebung einer Einrede der Unzulässigkeit befugt ist, die der Beklagte in seinen Anträgen nicht geltend gemacht hat, weshalb das Gericht nicht verpflichtet ist, ausdrücklich über die Begründetheit dieser Einrede zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 2022, PNB Banka/EZB, T‑275/19, EU:T:2022:781, Rn. 93 und 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist es jedenfalls nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt, die Klage als unbegründet abzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden, da die Prüfung der Zulässigkeit eine umfassende Prüfung erfordert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 52).
Kosten
115 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr außer ihren eigenen Kosten gemäß den Anträgen der Kommission und der Streithelferin deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Middle East Bank, Munich Branch, trägt ihre eigenen Kosten sowie die der Europäischen Kommission und der Clearstream Banking AG entstandenen Kosten.
Papasavvas
Marcoulli
Schwarcz
Valasidis
Spangsberg Grønfeldt
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. Dezember 2025.
Der Kanzler
Der Präsident
V. Di Bucci
S. Papasavvas