T-712/15 – Crédit mutuel Arkéa/ EZB

T-712/15 – Crédit mutuel Arkéa/ EZB

Language of document : ECLI:EU:T:2017:900

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

13. Dezember 2017()

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis – Beaufsichtigte Gruppe – Institute, die einer Zentralorganisation ständig zugeordnet sind – Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 – Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 – Eigenmittelanforderungen – Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1024/2013“

In der Rechtssache T‑712/15

Créditmutuel Arkéa mit Sitz in Relecq Kerhuon (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H. Savoie und P. Mele,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch K. Lackhoff, R. Bax und C. Olivier als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte D. Martin, M. Pittie und M. Françon,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und K.‑P. Wojcik als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses ECB/SSM/2015 – 9695000CG 7B84NLR5984/28 der EZB vom 5. Oktober 2015, mit dem die für die Crédit-mutuel-Gruppe geltenden Aufsichtsanforderungen festgelegt werden,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek (Berichterstatter), der Richter E. Buttigieg, F. Schalin und B. Berke sowie der Richterin M. J. Costeira,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2017,

folgendes

Urteil

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Der Crédit mutuel ist eine dezentrale Bankengruppe, die aus einem Netz von Ortskassen besteht, welche den Status von Genossenschaften haben. Jede Ortskasse des Crédit mutuel muss sich einem regionalen Verband anschließen; alle Verbände wiederum bilden den Landesverband des Crédit mutuel (CNCM), die Zentralorganisation des Netzes im Sinne der Art. L. 511‑30 und L. 511‑31 des Code monétaire et financier (französisches Währungs- und Finanzgesetzbuch) (im Folgenden: CMF). Auf nationaler Ebene umfasst der Crédit mutuel außerdem die Zentralkasse des Crédit mutuel (CCCM), bei der es sich um eine genossenschaftliche Kredit-Aktiengesellschaft mit variablem Kapital handelt, die als Kreditinstitut zugelassen ist und sich im Besitz der Mitglieder des Netzes befindet.

2        Der Kläger, der Crédit mutuel Arkéa, ist eine genossenschaftliche Kredit-Aktiengesellschaft mit variablem Kapital, die als Kreditinstitut zugelassen ist. Er wurde 2002 durch Annäherung mehrerer Regionalverbände von Kreditgenossenschaften gegründet. Andere Verbände schlossen sich zur Gründung des CM11–CIC zusammen, wieder andere blieben eigenständig.

3        Mit Schreiben vom 19. September 2014 teilte der Kläger der Europäischen Zentralbank (EZB) mit, dass sie die Aufsicht über ihn nicht über den CNCM ausüben könne, wie eine von ihm vorgenommene Prüfung ergeben habe. Mit Schreiben vom 10. November 2014 gab die EZB an, dass sie die zuständigen französischen Behörden mit dieser Frage befassen werde.

4        Am 19. Dezember 2014 übermittelte die EZB dem CNCM den Entwurf eines Beschlusses, mit dem für die Crédit-mutuel-Gruppe geltende Aufsichtsanforderungen festgelegt wurden, forderte ihn auf, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Entwurf den verschiedenen Unternehmen übermittelt wird, aus denen die Gruppe besteht, und setzte ihm eine Frist für die Einreichung ihrer Stellungnahmen. Am 16. Januar 2015 übermittelte der Kläger der EZB seine Stellungnahme. Am 30. Januar 2015 äußerte sich der CNCM zur Stellungnahme des Klägers.

5        Am 19. Februar 2015 übermittelte die EZB dem CNCM den Entwurf eines überarbeiteten Beschlusses zur Festlegung von Aufsichtsanforderungen an die Crédit-mutuel-Gruppe und die Unternehmen, aus denen sie besteht, forderte ihn auf, dafür Sorge zu tragen, dass dieser überarbeitete Entwurf den genannten Unternehmen übermittelt wird, und setzte ihm eine Frist für die Einreichung ihrer Stellungnahmen. Am 27. März 2015 nahm der Kläger Stellung.

6        Am 17. Juni 2015 erließ die EZB einen Beschluss zur Festlegung von Aufsichtsanforderungen an die Crédit-mutuel-Gruppe, in dem sie unterstrich, dass sie die für die konsolidierte Aufsicht über den CNCM und die Aufsicht über die in diesem Beschluss aufgeführten Unternehmen – darunter der Kläger – zuständige Behörde sei (erster Erwägungsgrund). Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Beschlusses hat der CNCM dafür Sorge zu tragen, dass die Crédit-mutuel-Gruppe die in Anhang I genannten Anforderungen kontinuierlich erfüllt. Gemäß Art. 2 Abs. 3 des Beschlusses hat der Kläger die in Anhang II–2 aufgeführten Anforderungen, in deren Rahmen eine Tier-1-Kapitalquote (im Folgenden: „CET‑1“-Kapital) von 11 % auferlegt wird, kontinuierlich zu erfüllen.

7        Am 17. Juli 2015 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Beschlusses nach Art. 24 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63, im Folgenden: Grundverordnung) in Verbindung mit Art. 7 des Beschlusses 2014/360/EU der EZB vom 14. April 2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (ABl. 2014, L 175, S. 47). Am 31. August 2015 fand eine Anhörung vor dem administrativen Überprüfungsausschuss (im Folgenden: Überprüfungsausschuss) statt.

8        Am 14. September 2015 gab der Überprüfungsausschuss eine Stellungnahme ab, in der er die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der EZB feststellte. Darin hob er im Wesentlichen hervor, dass sich die Kritikpunkte, die der Kläger gegen den Beschluss vom 17. Juni 2015 vorgebracht hatte, in drei Kategorien einteilen ließen, je nachdem, ob er den Rückgriff auf eine konsolidierte Beaufsichtigung der Groupe Crédit mutuel über den CNCM beanstande, weil dieser kein Kreditinstitut sei (erste Rüge), das Nichtbestehen einer „Groupe Crédit mutuel“ behaupte (zweite Rüge) oder die Entscheidung der EZB anfechte, seine Anforderungen für die „CET‑1“-Kapitalquote von 8 % auf 11 % anzuheben (dritte Rüge).

9        Was die erste Rüge angeht, wies der Überprüfungsausschuss erstens darauf hin, dass die EZB mit Beschluss vom 1. September 2014 die Auffassung vertreten habe, die Crédit-mutuel-Gruppe stelle eine bedeutende beaufsichtigte Gruppe dar; bei dieser Gelegenheit stellte er fest, dass es sich beim Kläger um ein Unternehmen handle, das Mitglied dieser Gruppe sei, und der CNCM die an der Spitze der Gruppe stehende Konsolidierungsstufe darstelle. Zweitens werde weder der in Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (ABl. 2014, L 141, S. 1, im Folgenden: SSM-Rahmenverordnung) und in Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1, Berichtigungen ABl. 2013, L 208, S. 68, und ABl. 2013, L 321, S. 6) enthaltene Begriff der Zentralorganisation im Recht der Europäischen Union definiert noch verlangt, dass diese Zentralorganisation ein Kreditinstitut sei, wobei er diese Auslegung auf die Leitlinien des Ausschusses der europäischen Bankenaufsichtsbehörden (CEBS) vom 18. November 2010 (im Folgenden: CEBS-Leitlinien) und auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der Grundverordnung stützte. Drittens müsse die EZB nicht über das komplette Arsenal an Aufsichts- oder Sanktionsbefugnissen gegenüber dem Mutterunternehmen einer Gruppe verfügen, um eine Aufsicht auf konsolidierter Basis ausüben zu können. Viertens sei die Crédit-mutuel-Gruppe vor der Übertragung dieser Zuständigkeit auf die EZB von der zuständigen französischen Behörde, nämlich der Aufsichts- und Abwicklungsbehörde (ACPR), über den CNCM konsolidiert beaufsichtigt worden.

10      Was die zweite Rüge betrifft, kam der Überprüfungsausschuss zu dem Schluss, dass die Crédit-mutuel-Gruppe die Bedingungen von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 erfülle, auf den Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung verweist. Erstens stehe die Verbandseigenschaft des CNCM einer gesamtschuldnerischen Haftung mit den zugeordneten Instituten nicht entgegen. Zweitens seien die Abschlüsse der Crédit-mutuel-Gruppe insgesamt auf konsolidierter Basis erstellt worden. Drittens habe die EZB zu Recht angenommen, dass der CNCM befugt sei, der Leitung der zugeordneten Institute Weisungen zu erteilen.

11      Was die dritte Rüge angeht, vertrat der Überprüfungsausschuss die Ansicht, die Beurteilungen der EZB hinsichtlich des Niveaus der Anforderungen für das „CET‑1“-Kapital des Klägers seien weder mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet noch unverhältnismäßig. In diesem Zusammenhang hob er die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und dem CNCM hervor, da sie Governance-Problemeerkennen ließen,die zusätzliche Risiken darstellen könnten.

12      Am 5. Oktober 2015 erließ die EZB den Beschluss ECB/SSM/2015 – 9695000CG 7B84NLR5984/28 zur Festlegung der für die Crédit-mutuel-Gruppe geltenden Aufsichtsanforderungen (im Folgenden: angefochtener Beschluss), der gemäß Art. 24 Abs. 7 der Grundverordnung den Beschluss vom 17. Juni 2015 aufhob und ersetzte, aber denselben Inhalt aufwies. Der angefochtene Beschluss wurde seinerseits durch den Beschluss ECB/SSM/2015 – 9695000CG 7B84NLR5984/40 der EZB vom 4. Dezember 2015 aufgehoben, soweit dieser neue Aufsichtsanforderungen an die Crédit-mutuel-Gruppe und die Unternehmen festlegt, aus denen sie besteht.

13      Mit Klageschrift, die am 3. Februar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses vom 4. Dezember 2015 erhoben.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

14      Mit Klageschrift, die am 3. Dezember 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

15      Mit Schriftsatz, der am 21. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Europäische Kommission beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen zu werden.

16      Mit Beschluss vom 20. April 2016 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts die Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen.

17      Am 1. Juni 2016 hat die Kommission ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht.

18      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Zweiten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

19      Am 3. April 2017 ist die EZB im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung des Gerichts zur Vorlage mehrerer Dokumente aufgefordert worden. Die EZB ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

20      Auf Vorschlag der Zweiten Kammer des Gerichts hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

21      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

22      Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. Juni 2017 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Ende der Sitzung hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung nicht zu schließen, und die EZB aufgefordert, eine Frage schriftlich zu beantworten, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Die EZB ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

23      Die mündliche Verhandlung ist am 10. Juli 2017 geschlossen worden.

24      Der Kläger beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

25      Die EZB und die Kommission beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zulässigkeit der Klage

26      Die EZB bestreitet die Zulässigkeit der Klage, ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung zu erheben. Insoweit weist die EZB erstens darauf hin, dass die Vollmacht für die Erhebung der vorliegenden Klage vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Klägers erteilt worden sei, der nach französischem Recht keine Vertretungsmacht besitze. Zweitens verfüge der Kläger nicht über die Befugnis, im Klageweg gegen den angefochtenen Beschluss (ausgenommen Art. 2 Abs. 3 und Anhang II‑2) vorzugehen, und drittens habe der Kläger kein Rechtsschutzinteresse.

27      Der Kläger beantragt, die von der EZB erhobenen Unzulässigkeitseinwände zurückzuweisen.

1.      Ordnungsgemäßheit der den Rechtsbeiständen des Klägers erteilten Vollmacht

28      Die EZB weist darauf hin, dass die Vollmacht, die den Rechtsbeiständen des Klägers ursprünglich erteilt worden sei, vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates des Klägers stamme, obwohl aus den Entscheidungen der französischen Gerichte über die Auslegung der Art. L.225‑51‑1 und L.225‑56 des Code de commerce (französisches Handelsgesetzbuch) hervorgehe, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft nicht über die Befugnis verfüge, die Gesellschaft rechtlich zu vertreten, da diese Befugnis nur dem Generaldirektor zustehe, es sei denn, beide Funktionen würden von ein und derselben Person bekleidet.

29      Nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung haben Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen. Wird die Vollmacht nicht hinterlegt, setzt der Kanzler der betroffenen Partei gemäß Art. 51 Abs. 4 der Verfahrensordnung eine angemessene Frist zu ihrer Beibringung.

30      Art. 51 Abs. 4 der Verfahrensordnung ist dahin auszulegen, dass eine fehlende Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage durch die nachträgliche Vorlage eines das Bestehen dieser Bevollmächtigung bestätigenden Dokuments geheilt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Februar 2015, KSR/HABM – Lampenwelt [Moon], T‑374/13, EU:T:2015:69, Rn. 12 und 13, vgl. auch – zur Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Urteil vom 19. Juni 2014, Commune de Millau und SEMEA/Kommission, C‑531/12 P, EU:C:2014:2008, Rn. 33 und 34).

31      Im vorliegenden Fall haben die Anwälte des Klägers dem Gericht auf eine entsprechende Aufforderung hin ein Dokument übermittelt, das von dem dafür zuständigen Vertreter des Klägers, nämlich seinem Generaldirektor, ausgestellt worden ist und seine Absicht bestätigt, das Klageverfahren erfolgreich zum Abschluss zu bringen.

32      Die Klage ist folglich nicht wegen Fehlens einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung als unzulässig anzusehen.

2.      Befugnis des Klägers, im Klageweg gegen Art. 2 Abs. 1 und Anhang I des angefochtenen Beschlusses vorzugehen

33      Die EZB trägt im Wesentlichen vor, der Kläger dürfe im Klageweg nur gegen den Teil des angefochtenen Beschlusses vorgehen, der ihn betreffe, nämlich Art. 2 Abs. 3 und Anhang II–2.

34      Festzuhalten ist, dass der angefochtene Beschluss, auch wenn er in Form nur einer Entscheidung abgefasst ist, ein Bündel von Individualentscheidungen darstellt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 100), mit denen Aufsichtsanforderungen an jedes einzelne in seinem Art. 2 aufgeführte Unternehmen auferlegt werden. Insoweit ist festzustellen, dass der CNCM gemäß Art. 6 des angefochtenen Beschlusses zwar Adressat dieses Beschlusses ist, es nach dessen Art. 3 Abs. 1 aber seine Sache ist, dem Leitungsorgan jedes einzelnen in Art. 2 aufgeführten Unternehmens den Text des angefochtenen Beschlusses und den einschlägigen Anhang mitzuteilen sowie die EZB gemäß Art. 3 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses über die Zeitpunkte zu unterrichten, zu denen diese Mitteilungen vorgenommen worden sind.

35      Aus Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses ist zu folgern, dass der CNCM alleiniger Adressat dieses Beschlusses im Sinne von Art. 263 AEUV ist, da es darin heißt, dass „der [CNCM] … dafür Sorge zu tragen [hat], dass die Crédit-mutuel-Gruppe die in Anhang I aufgeführten Anforderungen kontinuierlich erfüllt“.

36      Folglich ist der Kläger nur dann berechtigt, Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses und den darin in Bezug genommenen Anhang I anzufechten, wenn er von diesem Aspekt des angefochtenen Beschlusses unmittelbar und individuell betroffen ist oder von ihm unmittelbar betroffen ist und der angefochtene Beschluss einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2014, Royal Scandinavian Casino Århus/Kommission, T‑615/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:838, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Da sich sowohl aus dem ersten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses als auch aus dessen Art. 2 und 3 ergibt, dass der Kläger von der EZB als ein Unternehmen betrachtet wird, das zur Crédit-mutuel-Gruppe gehört, in Bezug auf die die EZB beschlossen hat, über den CNCM eine Aufsicht auf konsolidierter Basis auszuüben, ist er als von Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses und dessen Anhang I, auf den dieser Artikel verweist, unmittelbar und individuell betroffen anzusehen, da der CNCM darin als die Stelle benannt wird, die gegenüber der EZB für seine Aufsicht zuständig ist.

38      Daraus ergibt sich notwendigerweise, dass der Kläger nicht nur befugt ist, im Klageweg gegen Art. 2 Abs. 3 und Anhang II–2 des angefochtenen Beschlusses vorzugehen, sondern auch gegen dessen Art. 2 Abs. 1 und Anhang I.

3.      Interesse des Klägers, im Klageweg gegen den angefochtenen Beschluss vorzugehen

39      Die EZB bestreitet, dass der Kläger ein Rechtsschutzinteresse hat, und stellt zunächst fest, dass der angefochtene Beschluss seit dem 4. Dezember 2015 – dem Tag des Erlasses eines neuen Beschlusses – keine Wirkungen mehr entfalte, sodann, dass der Kläger über eine „CET‑1“-Kapitalquote verfügt habe, die über derjenigen liege, die ihm im angefochtenen Beschluss auferlegt werde, und schließlich, dass sich der Kläger der konsolidierten Beaufsichtigung der Crédit-mutuel-Gruppe durch die ACPR nie widersetzt habe.

40      Es sei darauf hingewiesen, dass ein Interesse an der Nichtigerklärung eines Rechtsakts nach ständiger Rechtsprechung nur dann vorhanden ist, wenn diese Nichtigerklärung selbst Rechtswirkungen erzeugen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie/Kommission, 53/85, EU:C:1986:256, Rn. 21, und vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 40).

41      Festzustellen ist, dass die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses durch den Beschluss vom 4. Dezember 2015 den Kläger nicht des Interesses beraubt, im Klageweg gegen ihn vorzugehen.

42      Ein Organ erkennt dadurch, dass es einen Rechtsakt aufhebt, nämlich nicht dessen Rechtswidrigkeit an; diese Aufhebung wirkt im Gegensatz zu einem Nichtigkeitsurteil, mit dem der für nichtig erklärte Rechtsakt rückwirkend aus der Rechtsordnung entfernt und so betrachtet wird, als ob er niemals bestanden hätte, ex nunc (Urteile vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat, T‑228/02, EU:T:2006:384, Rn. 35, vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat, T‑256/07, EU:T:2008:461, Rn. 48, und vom 30. September 2009, Sison/Rat, T‑341/07, EU:T:2009:372, Rn. 47 und 48).

43      Außerdem hat der Kläger weiterhin ein Interesse daran, im Klageweg gegen den angefochtenen Beschluss vorzugehen, um zu verhindern, dass eine etwaige Nichtigerklärung des Beschlusses zu seiner Aufhebung dazu führt, dass er erneut Wirkungen entfaltet. Für den Fall der Nichtigerklärung des Beschlusses vom 4. Dezember 2015 wären die Parteien nämlich in die Lage zurückversetzt, die vor seinem Inkrafttreten bestand (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat, 22/70, EU:C:1971:32, Rn. 60) und für die dann erneut der angefochtene Beschluss gelten würde. Daraus ergibt sich auch, dass der Kläger ein Interesse daran hat, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zu beantragen, mit dem die EZB seine Mindestanforderungen für „CET‑1“-Kapital festgelegt hat, unabhängig davon, wie hoch sein Eigenkapital im Zeitpunkt der Geltung dieses Beschlusses gewesen ist.

44      Da Art. 2 Abs. 1 und Anhang I des angefochtenen Beschlusses voraussetzen, dass der Kläger der Crédit-mutuel-Gruppe angehört und über den CNCM beaufsichtigt wird, während er die Ansicht vertritt, er müsse unmittelbar unter die Aufsicht der EZB fallen, verfügt er schließlich über ein Interesse daran, im Klageweg gegen diesen Aspekt des angefochtenen Beschlusses vorzugehen, unabhängig davon, welche Haltung er eingenommen haben mag, als die Aufsicht durch die ACPR ausgeübt wurde.

45      In Anbetracht des Vorstehenden sind die von der EZB erhobenen Unzulässigkeitseinwände zurückzuweisen.

B.      Begründetheit

46      Der Kläger stützt seine Klage auf ein Vorbringen, das in drei Klagegründe unterteilt werden kann.

47      Obwohl sich das Vorbringen in den ersten beiden Klagegründen allgemein auf den angefochtenen Beschluss bezieht, betrifft es in Wirklichkeit nur die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 1 und Anhang I dieses Beschlusses, mit denen die EZB Vorkehrungen für eine konsolidierte Beaufsichtigung der Crédit-mutuel-Gruppe über den CNCM trifft. Mit seinem ersten Klagegrund macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dieser Aspekt des angefochtenen Beschlusses sei rechtswidrig, da der CNCM kein Kreditinstitut sei und folglich nicht unter die Aufsicht der EZB fallen könne. Mit seinem zweiten Klagegrund trägt er vor, die EZB sei für die Zwecke der Beaufsichtigung zu Unrecht vom Bestehen einer „Gruppe“ ausgegangen.

48      Mit seinem dritten Klagegrund beanstandet der Kläger im Wesentlichen die Festsetzung seines „CET‑1“-Kapitals auf 11 %, weil Eigenmittel vorgeschrieben würden, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung hinausgingen. Auch wenn er sich gegen den angefochtenen Beschluss insgesamt richtet, ist festzustellen, dass dieser Klagegrund in Wirklichkeit lediglich die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 3 und Anhang II–2 des angefochtenen Beschlusses betrifft, die sich auf die dem Kläger auferlegten Aufsichtsanforderungen beziehen.

1.      Erster und zweiter Klagegrund: Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 1 und Anhang I des angefochtenen Beschlusses

49      Aus dem ersten Erwägungsgrund und Art. 2 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass die EZB Vorkehrungen für eine konsolidierte Beaufsichtigung der Crédit-mutuel-Gruppe über den CNCM trifft, indem sie diesen damit beauftragt, sicherzustellen, dass die genannte Gruppe die in Anhang I des besagten Beschlusses aufgeführten Anforderungen kontinuierlich erfüllt.

50      Vorab ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem die EZB geltend macht, diese beiden Klagegründe gingen deshalb ins Leere, weil der Kläger anerkenne, dass er ein bedeutendes Unternehmen im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Grundverordnung sei, das unter die unmittelbare Aufsicht der EZB falle. Mit seinen ersten beiden Klagegründen beanstandet der Kläger nämlich die Modalitäten der Ausübung dieser Aufsicht, namentlich dass sie ihm gegenüber über den CNCM durchgeführt wird, da er Teil der Crédit-mutuel-Gruppe sei.

51      Ferner ist festzustellen, dass die Beweggründe für die Entscheidung der EZB, Vorkehrungen für eine konsolidierte Beaufsichtigung der Crédit-mutuel-Gruppe über den CNCM zu treffen, zwar nicht ausdrücklich im angefochtenen Beschluss enthalten sind, der Überprüfungsausschuss insoweit aber eine Begründung geliefert hat, die oben in den Rn. 8 bis 10 wiedergegeben worden ist. Da die EZB im angefochtenen Beschluss im Einklang mit der Stellungnahme des Überprüfungsausschusses entschieden hat, die zum Kontext des angefochtenen Beschlusses gehört, ist davon auszugehen, dass sich die EZB die in dieser Stellungnahme enthaltenen Beweggründe zu eigen gemacht hat und die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses im Licht der genannten Beweggründe geprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2017:337, Rn. 125 bis 127).

52      Im Rahmen seiner ersten beiden Klagegründe beanstandet der Kläger die von der EZB gewählte Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung und der Voraussetzungen in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013, auf den die erstgenannte Vorschrift verweist.

53      Nach Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung bezeichnet eine „beaufsichtigte Gruppe“ u. a. „beaufsichtigte Unternehmen mit Hauptsitz in demselben teilnehmenden Mitgliedstaat, sofern sie einer Zentralorganisation ständig zugeordnet sind, die sie nach den in Artikel 10 der Verordnung … Nr. 575/2013 festgelegten Bedingungen beaufsichtigt und im selben teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen ist“.

54      Art. 10 („Ausnahmen für Kreditinstitute, die einer Zentralorganisation ständig zugeordnet sind“) der Verordnung Nr. 575/2013 sieht vor:

„(1)      Die zuständigen Behörden können nach Maßgabe des nationalen Rechts ein Institut oder mehrere Institute, die im selben Mitgliedstaat niedergelassen und ständig einer Zentralorganisation im selben Mitgliedstaat, die sie beaufsichtigt, zugeordnet sind, ganz oder teilweise von den Anforderungen gemäß den Teilen 2 bis 8 ausnehmen, vorausgesetzt dass

a)      die Verbindlichkeiten der Zentralorganisation und der ihr angeschlossenen Institute gemeinsame Verbindlichkeiten sind oder die Verbindlichkeiten der angeschlossenen Institute von der Zentralorganisation in vollem Umfang garantiert werden,

b)      die Solvenz und Liquidität der Zentralorganisation sowie aller angeschlossenen Institute insgesamt auf der Grundlage konsolidierter Abschlüsse dieser Institute überwacht werden,

c)      die Leitung der Zentralorganisation befugt ist, der Leitung der angeschlossenen Institute Weisungen zu erteilen.“

55      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C‑17/03, EU:C:2005:362, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Unter den Umständen des vorliegenden Falles erscheint es sinnvoll, vor einer Prüfung der ersten beiden Klagegründe des Klägers eine teleologische und kontextbezogene Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung vorzunehmen.

a)      Teleologische und kontextbezogene Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung

57      Was als Erstes die teleologische Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung angeht, ist festzustellen, dass er nach dem neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung darauf abzielt, die durch die Grundverordnung eingerichteten Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (im Folgenden: SSM) sowie mit den nationalen benannten Behörden weiterzuentwickeln und näher auszuführen. Folglich sind bei der teleologischen Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung auch die Zwecke der Grundverordnung zu berücksichtigen.

58      Insoweit ist zu beachten, dass die Aufsicht auf konsolidierter Basis über Gruppen von Kreditinstituten im Wesentlichen zwei Zwecken dient.

59      Der erste Zweck besteht darin, der EZB zu ermöglichen, etwaige Risiken für ein Kreditinstitut zu erfassen, die nicht von diesem ausgehen, sondern von der Gruppe, der es angehört.

60      So heißt es im 26. Erwägungsgrund der Grundverordnung:

„Risiken für die Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten können sowohl auf der Ebene einzelner Kreditinstitute als auch auf der Ebene von Bankengruppen oder Finanzkonglomeraten entstehen. Besondere Aufsichtsregelungen zur Verringerung dieser Risiken sind wichtig, um die Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten zu gewährleisten. Neben der Einzelaufsicht über Kreditinstitute sollten die Aufgaben der EZB auch die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis … umfassen.“

61      Der zweite Zweck der Aufsicht auf konsolidierter Basis über Gruppen von Kreditinstituten besteht darin, eine Aufsplitterung der Beaufsichtigung der Unternehmen dieser Gruppen auf verschiedene Aufsichtsbehörden zu vermeiden.

62      Dies kommt u. a. erstens in dem Umstand zum Ausdruck, dass die Prüfung der Bedeutung eines Kreditinstituts, nach der sich richtet, ob bestimmte Aufsichtsaufgaben allein von der EZB oder dezentral im Rahmen des SSM ausgeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2017:337, Rn. 63), nach dem 38. Erwägungsgrund und Art. 6 Abs. 4 der Grundverordnung auf der obersten Konsolidierungsebene innerhalb des teilnehmenden Mitgliedstaats erfolgt. Dieser Zweck wird in Art. 40 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der SSM-Rahmenverordnung für beaufsichtigte Gruppen übernommen.

63      Er kommt zweitens auch in Art. 40 Abs. 2 der SSM-Rahmenverordnung zum Ausdruck, aus dem hervorgeht, dass sich, falls ein Unternehmen, das Teil einer Gruppe ist, unter die Aufsicht der EZB fällt – sei es, weil es das Kriterium der direkten öffentlichen finanziellen Unterstützung erfüllt, sei es, weil es eines der drei bedeutendsten Kreditinstitute in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ist – diese Aufsicht auf die gesamte Gruppe erstreckt.

64      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass, wenn die Zwecke der Grundverordnung gewahrt werden sollen, Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung und die Voraussetzungen in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013, auf die er verweist, unter Berücksichtigung der Absicht des Gesetzgebers auszulegen sind, der EZB einen Gesamtüberblick über sämtliche für ein Kreditinstitut bestehenden Risiken zu verschaffen und eine Aufsplitterung der Beaufsichtigung zwischen der EZB und den nationalen Behörden zu vermeiden.

65      Was den Zweck von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 angeht, ist zu beachten, dass diese Verordnung Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute betrifft. In diesem Rahmen geht das Ziel, das mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 verfolgt wird, aus seinem Wortlaut klar hervor. Es besteht darin, der zuständigen Behörde die Möglichkeit zu eröffnen, ein Institut oder mehrere Institute, die im selben Mitgliedstaat niedergelassen und ständig einer Zentralorganisation im selben Mitgliedstaat, die sie beaufsichtigt, zugeordnet sind, ganz oder teilweise von bestimmten Anforderungen der Verordnung auszunehmen. Nach Art. 10 Abs. 2 dieser Verordnung kann auch die Zentralorganisation auf Einzelbasis von denselben Aufsichtsanforderungen ausgenommen werden.

66      In der vorliegenden Rechtssache finden die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 jedoch nicht nach Maßgabe dieser Verordnung Anwendung, um beurteilen zu können, ob auf Einzelbasis eine Freistellung von der Einhaltung der Anforderungen erteilt werden kann, sondern aufgrund des Verweises in Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung, um prüfen zu können, ob es eine beaufsichtigte Gruppe gibt.

67      Außerdem bedeutet eine etwaige Anerkennung der Existenz einer beaufsichtigten Gruppe im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung nicht, dass den Kreditinstituten, aus denen sie besteht, der Vorteil der in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Freistellung gewährt wird, da es einer zuständigen Behörde immer noch freisteht, den Vorteil einer Einzelfreistellung zu versagen, auch wenn die Voraussetzungen in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt sind.

68      Der Umstand, dass die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 möglicherweise erfüllt sind, hat nämlich nicht die gleichen Folgen, je nachdem, ob Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung oder nur Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 in Rede steht. Im ersten Fall bedeutet er, dass die Gruppe von der EZB beaufsichtigt wird, sofern auch die in Art. 40 der SSM-Rahmenverordnung vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind. Im zweiten Fall erfolgt die Einzelfreistellung von der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen innerhalb der Gruppe nicht automatisch, sondern bleibt für die zuständige Behörde eine Möglichkeit.

69      Daher steht es der EZB frei, aus der Einhaltung der Voraussetzungen in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 abzuleiten, dass Art. 2 Nr. 21 der SSM-Rahmenverordnung Anwendung findet, und eine Aufsicht über die gesamte Gruppe auszuüben, es als nach Maßgabe der Verordnung Nr. 575/2013 zuständige Behörde gleichzeitig aber abzulehnen, die Unternehmen der Gruppe auf Einzelbasis von den Aufsichtsanforderungen auszunehmen.

70      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass bei der Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung nur auf die Zwecke dieses Artikels abzustellen ist, obwohl er auf Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 verweist.

71      Was als Zweites die kontextbezogene Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung betrifft, ist zu beachten, dass der Überprüfungsausschuss in seiner Stellungnahme mehrfach auf den Inhalt der CEBS-Leitlinien Bezug genommen hat, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt seien. Folglich ist zu prüfen, ob diese Leitlinien Teil des rechtlichen Kontexts sind, in den sich Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung einfügt, und für die Auslegung der Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013, auf die der erstgenannte Artikel verweist, relevant sein können.

72      Es sei darauf hingewiesen, dass der CEBS der Vorläufer der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) ist und sich die CEBS-Leitlinien auf die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) (ABl. 2006, L 177, S. 1) in der durch die Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement (ABl. 2009, L 302, S. 97) geänderten Fassung beziehen. In Art. 3 der Richtlinie 2006/48 hieß es: „Sind ein oder mehrere Kreditinstitute im gleichen Mitgliedstaat niedergelassen und ständig einer Zentralorganisation zugeordnet, die sie überwacht und die in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen ist, so können sie von den Anforderungen nach … befreit werden, sofern die nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen haben, dass …“. In diesem Artikel wurde sodann auf drei Voraussetzungen Bezug genommen, bei denen es sich um die Voraussetzungen handelt, die nunmehr in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 enthalten sind.

73      Ferner ist festzustellen, dass die CEBS-Leitlinien auf eine entsprechende Aufforderung des Gesetzgebers hin erlassen worden sind, die im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/111 dargelegt wird. Darin wurde der CEBS nämlich aufgefordert, „Leitlinien fest[zu]legen, um die Konvergenz der Aufsichtspraktiken [im Bereich von Art. 3 der Richtlinie 2006/48] zu verbessern“.

74      Unter Berücksichtigung des identischen Wortlauts der Voraussetzungen in Art. 3 der Richtlinie 2006/48 und in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 sowie der Umstände beim Erlass der CEBS-Leitlinien, nämlich ihrem Erlass durch die seinerzeit zuständige Stelle und auf Aufforderung des Gesetzgebers, können die CEBS-Leitlinien folglich im Rahmen des rechtlichen Kontexts berücksichtigt werden, in den sich Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung einfügt.

75      Allerdings ist die Auslegung der einschlägigen Rechtsvorschriften durch eine Verwaltungsbehörde für den Unionsrichter, der gemäß Art. 19 EUV für die Auslegung des Unionsrechts allein zuständig bleibt, nicht verbindlich.

76      Außerdem ist hervorzuheben, dass der CEBS bei dieser Auslegung nur den Zweck von Art. 3 der Richtlinie 2006/48 berücksichtigt hat, der dem Zweck von Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 entsprach, namentlich eine Freistellung von der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis zu gestatten, sofern diese Anforderungen innerhalb der Gruppe beachtet werden.

77      Aus den oben in den Rn. 66 bis 70 dargelegten Gründen kommt es jedoch nicht auf diesen Zweck an, sondern auf den Zweck von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung, der beim Erlass der CEBS-Leitlinien nicht berücksichtigt werden konnte.

78      Auch wenn die CEBS-Leitlinien einen Gesichtspunkt darstellen, den der Unionsrichter gegebenenfalls berücksichtigen kann, ist ihnen folglich keinerlei Verbindlichkeit zuzuerkennen.

b)      Erster Klagegrund: Der CNCM sei kein Kreditinstitut

79      Der Kläger trägt vor, sowohl aus der Grundverordnung und der SSM-Rahmenverordnung als auch aus der Verordnung Nr. 575/2013 gehe hervor, dass Institute, die einer Zentralorganisation zugeordnet seien, nur dann auf konsolidierter Basis beaufsichtigt werden könnten, wenn die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweise, was beim CNCM nicht der Fall sei.

80      Die EZB, unterstützt durch die Kommission, beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

81      Vorab ist festzustellen, dass der Kläger in seinen Schriftsätzen zwar darauf hinweist, dass Art. 127 Abs. 6 AEUV und die Grundverordnung die Aufsicht über Kreditinstitute beträfen, in Bezug auf Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung aber keine Rechtswidrigkeitseinrede erhebt, mit der geltend gemacht wird, dieser Artikel – sollte er dahin auszulegen sein, dass er nicht voraussetze, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts besitze – verstoße gegen Art. 127 Abs. 6 AEUV oder die Grundverordnung, was er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

82      Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes genügt folglich eine Prüfung der Frage, ob der Begriff „Zentralorganisation“ im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung so zu verstehen ist, dass er die Eigenschaft eines Kreditinstituts voraussetzt.

83      Da Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung auf die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 verweist, ist zu untersuchen, ob sich die Eigenschaft eines Kreditinstituts unmittelbar aus Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung oder mittelbar aus diesen Voraussetzungen ableiten lässt.

1)      Zur Frage, ob sich die Voraussetzung, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist, aus Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung ableiten lässt

84      Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung sei, da Art. 127 Abs. 6 AEUV und die Grundverordnung die Aufsicht über Kreditinstitute beträfen, dahin auszulegen, dass er voraussetze, dass die Zentralorganisationen die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufwiesen. Die Tatsache, dass mittels einer Zentralorganisation, die diese Eigenschaft nicht besitze, keine konsolidierte Aufsicht ausgeübt werden könne, werde zudem dadurch bestätigt, dass die EZB in einer solchen Fallkonstellation keine Aufsichts- oder Sanktionsbefugnisse besitze.

85      Nach der oben in Rn. 55 angeführten Rechtsprechung ist Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung wörtlich, teleologisch und kontextbezogen auszulegen.

86      Was erstens die wörtliche Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung angeht, ist festzustellen, dass die Zentralorganisation nach dessen Wortlaut nicht die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweisen muss, anders als in dem in Art. 2 Nr. 21 Buchst. a der Verordnung erwähnten Fall, der sich ausdrücklich auf die Aufsicht über eine Gruppe bezieht, deren Mutterunternehmen die Eigenschaft eines Kreditinstituts besitzt.

87      Was zweitens die teleologische Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung betrifft, sind die oben in Rn. 64 erläuterten Zwecke zu berücksichtigen.

88      Ohne dass die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 im Einzelnen geprüft zu werden brauchten, was im Rahmen des zweiten Klagegrundes geschehen soll, genügt in diesem Stadium der Hinweis, dass, falls die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, die logische Folge eine Nähe zwischen den einer Zentralorganisation zugeordneten Instituten wäre, die ausreichen würde, um das Bestehen einer Gruppe feststellen zu können. Insbesondere die Voraussetzung der Gesamtschuldnerschaft in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 kann im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Kreditinstituts ein Risiko für die anderen derselben Zentralorganisation angeschlossenen Unternehmen bergen. Es steht daher im Einklang mit den Zielen der Grundverordnung und der SSM-Rahmenverordnung, wenn auf die Einstufung als „beaufsichtigte Gruppe“ im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung abgestellt wird, unabhängig davon, ob die Zentralorganisation dieser Gruppe die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist oder nicht.

89      Würde der Auffassung des Klägers gefolgt, würde dies außerdem bedeuten, dass verschiedene einer Zentralorganisation zugeordnete Institute, die nicht die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweisen, die in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Voraussetzungen aber erfüllen, im Rahmen des SSM nach Maßgabe ihrer individuellen Bedeutung entweder unter die alleinige Aufsicht der EZB oder unter die unmittelbare Aufsicht der nationalen zuständigen Behörden fielen, was zu einer Aufsplitterung der Aufsicht führen würde, die den Zielen sowohl der Grundverordnung als auch der SSM-Rahmenverordnung zuwiderliefe.

90      Was drittens die kontextbezogene Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung angeht, weist der Kläger zwar zu Recht im Wesentlichen darauf hin, dass einerseits die Grundverordnung der EZB gewisse Vorrechte bis hin zur Möglichkeit einräumt, Verwaltungssanktionen zu verhängen, die eine logische Folge der ihr übertragenen Aufsichtsaufgabe sind, und andererseits die einschlägigen Bestimmungen der Grundverordnung nicht vorsehen, dass derartige Vorrechte gegenüber den in Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung genannten Zentralorganisationen ausgeübt werden.

91      Sowohl Art. 10 der Grundverordnung über Informationsersuchen als auch ihr Art. 11 über allgemeine Untersuchungen und ihr Art. 16 über Aufsichtsbefugnisse beziehen sich nämlich auf die Ausübung von Vorrechten der EZB gegenüber Kreditinstituten, Finanzholdinggesellschaften, gemischten Holdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften. In Art. 18 dieser Verordnung ist außerdem von der Möglichkeit die Rede, Sanktionen gegen Kreditinstitute, gemischte Holdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften zu verhängen.

92      Allerdings ist der Umstand zu berücksichtigen, dass die konsolidierte Beaufsichtigung einer Gruppe die Beaufsichtigung auf Ebene der einzelnen Kreditinstitute, aus denen sie besteht, ergänzt, sie aber nicht ersetzt, worauf im 38. Erwägungsgrund Satz 2 der Grundverordnung hingewiesen wird.

93      Die Tatsache, dass die EZB solche Vorrechte gegenüber einer Zentralorganisation, die nicht die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist, nicht ausüben kann, stellt folglich kein unüberbrückbares Hindernis für die Wahrnehmung einer angemessenen Aufsicht dar, da die EZB gegenüber den dieser Zentralorganisation zugeordneten Unternehmen von ihren Vorrechten Gebrauch machen kann.

94      Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, kann Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung nicht so ausgelegt werden, dass er für sich genommen voraussetzt, dass eine Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts besitzt.

2)      Zur Frage, ob sich die Voraussetzung, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist, aus Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 ableiten lässt

95      Der Kläger vertritt die Ansicht, die Verordnung Nr. 575/2013 könne nur eingehalten werden, wenn eine Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts besitze. Er verweist insoweit zum einen auf Art. 11 Abs. 4 und zum anderen auf Art. 10 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung.

96      Was erstens Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 575/2013 angeht, so heißt es darin: „Findet Artikel 10 Anwendung, so muss die dort genannte Zentralorganisation die Anforderungen nach den Teilen 2 bis 8 auf Basis der konsolidierten Gesamtlage der Zentralorganisation und der ihr angeschlossenen Institute einhalten.“ Die Teile 2 bis 8 betreffen Eigenmittel, Eigenmittelanforderungen, Großkredite, Forderungen aus übertragenen Kreditrisiken, die Liquidität, die Verschuldung bzw. die Offenlegung durch die Institute. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, solche Anforderungen könnten nur von einem Kreditinstitut eingehalten werden.

97      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da die Einhaltung von Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 575/2013 damit zu einer Voraussetzung für die Anwendung von Art. 10 dieser Verordnung gemacht wird, was sowohl der Wortlautauslegung des letztgenannten Artikels als auch dem Verhältnis zuwiderläuft, in dem die beiden Vorschriften zueinander stehen.

98      Zum einen wird im Wortlaut von Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 nicht auf Art. 11 Abs. 4 dieser Verordnung verwiesen.

99      Zum anderen folgt das Verhältnis zwischen diesen beiden Vorschriften der Logik, dass die Durchführung von Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 575/2013 eine Folge der Anwendung von deren Art. 10 und keine Voraussetzung für diese Anwendung ist. Ist die zuständige Behörde nämlich auf der Grundlage von Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 bereit, die einer Zentralorganisation zugeordneten Unternehmen von den Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis auszunehmen, findet Art. 11 Abs. 4 dieser Verordnung Anwendung, der vorschreibt, dass die besagte Zentralorganisation die Aufsichtsanforderungen auf Basis der konsolidierten Lage des Gefüges einhält, das sie mit den angeschlossenen Instituten bildet.

100    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass hier nicht die Richtigkeit einer Entscheidung über die Freistellung der einer Zentralorganisation zugeordneten Institute von der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis in Rede steht, sondern das Bestehen einer Gruppe im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung. Die letztgenannte Vorschrift verweist jedoch lediglich auf Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 und nicht auf deren Art. 11 Abs. 4.

101    Auch wenn etwaige Schwierigkeiten einer Zentralorganisation bei der Erfüllung der Vorgaben von Art. 11 Abs. 4 der Verordnung Nr. 575/2013 ein relevanter Gesichtspunkt sein können, wenn es für die zuständige Behörde darum geht, den Vorteil einer Einzelfreistellung – die eine Möglichkeit bleibt, auch wenn die in Art. 10 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind – zu gewähren, wirken sie sich folglich nicht auf die Aufsicht aus, die von der EZB über die gesamte Gruppe ausgeübt wird.

102    Zweitens setzt Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 voraus, dass „die Solvenz und Liquidität der Zentralorganisation sowie aller angeschlossenen Institute insgesamt auf der Grundlage konsolidierter Abschlüsse dieser Institute überwacht werden“.

103    Die Frage, ob der CNCM diese Voraussetzung erfüllt, wird im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes erörtert. In diesem Stadium ist lediglich zu prüfen, ob die Einhaltung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 zwangsläufig voraussetzt, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts besitzt.

104    Damit diese Voraussetzung erfüllt ist, müssen zwei Kriterien eingehalten werden. Das erste bezieht sich auf das Vorhandensein konsolidierter Abschlüsse der Gruppe. Das zweite erfordert, dass die Solvenz und Liquidität sämtlicher Unternehmen, aus denen die Gruppe besteht, auf der Grundlage der genannten konsolidierten Abschlüsse überwacht werden.

105    Insoweit ist der in Nr. 24 der CEBS-Leitlinien eingenommene Standpunkt zu billigen, wonach dieses Erfordernis einer Überwachung der Solvenz und Liquidität sämtlicher die Gruppe bildender Unternehmen auf der Grundlage der besagten konsolidierten Abschlüsse unter dem Gesichtspunkt der Aufsicht zu betrachten sei, da sich Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung gerade auf die Definition der beaufsichtigten Gruppen bezieht.

106    In diesem Sinne hat der CEBS in seinen Leitlinien ebenfalls zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zentralorganisation nicht die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweisen müsse, da die Einhaltung der beiden in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 ausdrücklich erwähnten Kriterien genüge, um eine Aufsicht über die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen durch die Gruppe durchführen zu können.

107    Das Vorhandensein konsolidierter Abschlüsse ermöglicht nämlich einen Gesamtüberblick über die Finanzlage des aus der Zentralorganisation und den ihr angeschlossenen Instituten bestehenden Gefüges, auf deren Grundlage sich die zuständige Behörde vergewissern kann, dass die Liquidität und Solvenz dieses Gefüges den Aufsichtsanforderungen entsprechen, und zwar unabhängig davon, ob die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Finanzinstituts aufweist oder nicht.

108    Folglich ist der Schluss zu ziehen, dass eine Zentralorganisation weder nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 noch nach Art. 11 Abs. 4 dieser Verordnung die Eigenschaft eines Finanzinstituts besitzen muss, damit Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung Anwendung findet.

109    In Anbetracht des Vorstehenden ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

c)      Zweiter Klagegrund: Es gebe keine beaufsichtigte Gruppe im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung und Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013

110    Mit seinem zweiten Klagegrund trägt der Kläger vor, der Crédit mutuel erfülle nicht die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013, auf den Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung verweise, und könne folglich nicht als „Gruppe“ im Sinne dieser Vorschrift eingestuft werden. Der vorliegende Klagegrund lässt sich in drei Teile unterteilen, mit denen ein Verstoß gegen die Voraussetzungen nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013, nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung bzw. nach deren Art. 10 Abs. 1 Buchst. c geltend gemacht wird.

1)      Erster Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013

111    Der Kläger hebt zunächst hervor, dass Finanzinstitute den Aufsichtsanforderungen grundsätzlich auf Einzelbasis unterlägen, wie sich aus Art. 6 der Verordnung Nr. 575/2013 ergebe, und die durch Art. 10 dieser Verordnung eröffnete Möglichkeit ihrer Art nach eine Ausnahme darstelle, die nur anwendbar sei, wenn die Gruppe als ein einheitliches Unternehmen betrachtet werden könne und die Anwendung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis keinerlei Mehrwert aufweise.

112    Weder verfüge der CNCM über Eigenmittel, die es ihm ermöglichten, die Verbindlichkeiten der ihm angeschlossenen Unternehmen zu garantieren oder solidarisch für sie einzustehen, noch dürfe er über solche Eigenmittel verfügen; daher habe die EZB zu Unrecht angenommen, dass die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Voraussetzung erfüllt sei.

113    Als Erstes trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Begriffe der Gesamtschuldnerschaft und der Garantie seien ausschließlich im Licht der französischen Rechtsvorschriften über die Beziehungen zwischen dem CNCM und den ihm angeschlossenen Unternehmen auszulegen. Erstens seien der CNCM und die ihm angeschlossenen Unternehmen im Verhältnis zu ihren Darlehensgebern keine Gesamtschuldner im Sinne von Art. 1200 des Code civil (französisches Zivilgesetzbuch). Zweitens übernehme der CNCM weder eine Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der ihm zugeordneten Unternehmen im Sinne von Art. 2288 des französischen Zivilgesetzbuchs noch gebe er eine eigenständige Garantie im Sinne von Art. 2321 dieses Gesetzbuchs ab. Drittens könne Art. L. 511‑31 CMF nicht so ausgelegt werden, dass er das Bestehen einer Gesamtschuldnerschaft oder einer Garantie des CNCM zugunsten der ihm angeschlossenen Unternehmen voraussetze. Gleiches gelte viertens für die auf den CNCM anwendbaren besonderen Bestimmungen der Art. L. 512‑55 ff. CMF. Zudem gebe es innerhalb der Gruppe kein System des finanziellen Beistands von der Art der Systeme, die nach den Art. L. 613‑46 ff. CMF eingeführt werden könnten.

114    Als Zweites macht der Kläger geltend, der CNCM verfüge über keinerlei Befugnis zur Übertragung von Eigenmitteln zwischen angeschlossenen Unternehmen. Zum einen sehe Art. L. 511‑31 CMF nicht vor, dass Zentralorganisationen solche Übertragungen vornehmen könnten, und zum anderen mache die jüngere Rechtsprechung des Conseil constitutionnel (Verfassungsrat, Frankreich) Übertragungen aus eigener Initiative ohne Zustimmung der betroffenen angeschlossenen Unternehmen unmöglich.

115    Als Drittes trägt der Kläger vor, der allgemeine Beschluss Nr. 1–1992 des CNCM vom 10. März 1992 über die Ausübung von Solidarität zwischen Kreditgenossenschaften und landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften (Décision à caractère général n° 1–1992 de la CNCM, du 10 mars 1992, relative à l’exercice de la solidarité entre les caisses de crédit mutuel et les caisses de crédit mutuel agricole) sehe nicht vor, dass Verbindlichkeiten der Zentralorganisation und der angeschlossenen Unternehmen gemeinsam eingegangen oder von der jeweils anderen Partei garantiert würden. Im angefochtenen Beschluss selbst werde hervorgehoben, dass es innerhalb des Crédit mutuel keinen Solidaritätsmechanismus gebe. Auch lasse die Existenz eines Fonds in Höhe von 2 % der Einlagen bei der CCCM nicht den Schluss zu, dass die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Voraussetzung erfüllt sei.

116    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, beantragt, den ersten Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

117    Im Rahmen dieser ersten Voraussetzung ist zu prüfen, ob die Verbindlichkeiten des CNCM und der ihm angeschlossenen Institute gemeinsame Verbindlichkeiten sind oder ob die Verbindlichkeiten der angeschlossenen Institute vom CNCM in vollem Umfang garantiert werden.

118    Was als Erstes den Sinn von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 angeht, ist von vornherein das Argument des Klägers zurückzuweisen, wonach die Ausdrücke „gemeinsame Verbindlichkeiten“ und „Verbindlichkeiten[, die] garantiert werden“ im Licht der einschlägigen Artikel des französischen Zivilgesetzbuchs auszulegen seien.

119    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt nämlich aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Vapenik, C‑508/12, EU:C:2013:790, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    Da die Verordnung Nr. 575/2013 für die Definition der Begriffe „Gesamtschuldnerschaft“ und „Garantie“ nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist davon auszugehen, dass es sich um autonome Begriffe des Unionsrechts handelt.

121    In seiner Stellungnahme hat der Überprüfungsausschuss auf die Auslegung in den CEBS-Leitlinien Bezug genommen.

122    In Nr. 19 der CEBS-Leitlinien heißt es insoweit zu Recht, dass mit der Voraussetzung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/48, dessen Wortlaut dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 entspricht, verschiedene Fälle gemeint sind, nämlich eine Garantie der Zentralorganisation gegenüber den ihr angeschlossenen Unternehmen, eine gegenseitige Garantie der Zentralorganisation und der ihr angeschlossenen Unternehmen oder ein System wechselseitiger Garantien innerhalb der Gruppe in dem Sinne, dass die angeschlossenen Unternehmen auch füreinander bürgen.

123    In Nr. 20 seiner Leitlinien hat der CEBS im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass, damit von garantierten oder gemeinsamen Verbindlichkeiten die Rede sein könne, „die bestehenden Mechanismen … gewährleisten [müssen], dass kein rechtliches oder tatsächliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln und Liquidität innerhalb der Gruppe besteht, damit sichergestellt ist, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern der Zentralorganisation und der ihr angeschlossenen Unternehmen erfüllt werden können“, und „[d]ie Gruppe … als Ganzes in der Lage sein [muss], die erforderliche Unterstützung nach Maßgabe der bestehenden Mechanismen aus verfügbaren Mitteln zu liefern“.

124    Festzustellen ist, dass diesem zweiten Aspekt der Auslegung durch den CEBS nicht in vollem Umfang zugestimmt werden kann, jedenfalls dann nicht, wenn Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 aufgrund des Verweises in Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung Anwendung findet.

125    Würde dem Standpunkt des CEBS gefolgt, würde dies nämlich darauf hinauslaufen, dass die Voraussetzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 im Licht der Voraussetzung ausgelegt wird, die sich auf die Übertragung von Mitteln zwischen einem Mutterunternehmen und ihren Tochterunternehmen bezieht, damit diese in den Genuss einer Freistellung von der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis kommen können. Diese Voraussetzung fand sich in Art. 69 der Richtlinie 2006/48 und ist nunmehr in Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 enthalten, der greift, wenn „ein wesentliches tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten durch das Mutterunternehmen … weder vorhanden noch abzusehen [ist]“.

126    Zum einen ist jedoch festzustellen, dass diese beiden Vorschriften, nämlich Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013, unterschiedlich abgefasst sind, was gegen eine Auslegung spricht, die darauf abzielt, den Wortlaut, den der Gesetzgeber für eine Art von Sachverhalt, nämlich die Beziehungen zwischen einem Mutterunternehmen und ihren Tochterunternehmen, verwendet hat, auf eine andere Art von Sachverhalt, nämlich die Beziehungen zwischen den einer Zentralorganisation zugeordneten Instituten, auszudehnen.

127    Zum anderen liefe eine solche Auslegung den Zielen von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung zuwider.

128    Wie oben in den Rn. 59 bis 64 unterstrichen worden ist, soll der EZB mit dem Begriff der Gruppe im Kontext der Grundverordnung und der SSM-Rahmenverordnung nämlich u. a. ermöglicht werden, etwaige Risiken für ein Kreditinstitut zu erfassen, die nicht von diesem ausgehen, sondern von der Gruppe, der es angehört. Besteht eine Verpflichtung, innerhalb der Gruppe Eigenmittel und Liquidität zu übertragen, damit sichergestellt ist, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern erfüllt werden – unabhängig davon, ob diese Übertragung auf die vom CEBS beschriebene Weise erfolgt oder nicht – erstreckt sich das Risiko für das zugeordnete Kreditinstitut jedoch möglicherweise auf die gesamte Gruppe, der es angehört, was bedeutet, dass die EZB ihre Aufsicht über das Gefüge ausüben kann, das die Zentralorganisation und die ihr angeschlossenen Unternehmen bilden.

129    Aus demselben Grund geht das Argument des Klägers, wonach der Vorteil von Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 in der Logik dieser Verordnung nur gewährt werden dürfe, wenn die Anwendung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis keinerlei Mehrwert aufweise, ins Leere, da im vorliegenden Fall lediglich die Existenz einer beaufsichtigten Gruppe im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung in Rede steht und die Feststellung des Bestehens einer solchen Gruppe aus den oben in den Rn. 67 bis 69 dargelegten Gründen nicht automatisch bedeutet, dass den Unternehmen, aus denen sie besteht, die in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Freistellung gewährt wird.

130    Es steht daher nicht nur mit dem Zweck von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung, sondern auch mit dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 im Einklang, wenn der Schluss gezogen wird, dass die in der letztgenannten Vorschrift enthaltene Voraussetzung erfüllt ist, sofern innerhalb der Gruppe eine Verpflichtung zur Übertragung von Eigenmitteln und Liquidität besteht, damit sichergestellt ist, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern erfüllt werden.

131    Was als Zweites die Anwendung dieser ersten Voraussetzung auf den vorliegenden Fall betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Überprüfungsausschuss mehrere Gründe herausgestellt hat, die belegen sollten, dass sie erfüllt war. Hierbei handelt es sich erstens um den Wortlaut von Art. L. 511‑31 CMF, zweitens die unbedingte Verpflichtung des CNCM, zugunsten von Kassen in Schwierigkeiten tätig zu werden, die sich aus dem Beschluss Nr. 1-1992 des CNCM vom 10. März 1992 (siehe oben, Rn. 115) ergeben soll, drittens das Vorhandensein mobilisierungsfähiger Ressourcen des CNCM und der CCCM, viertens die Satzung der CCCM und fünftens den Umstand, dass Unternehmen in Schwierigkeiten in der Vergangenheit eine Sonderbeihilfe gewährt worden ist.

132    Was den ersten vom Überprüfungsausschuss herausgestellten Grund angeht, nämlich den Wortlaut von Art. L. 511‑31 CMF, ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei, C‑433/13, EU:C:2015:602, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gibt es keine Entscheidung der zuständigen nationalen Gerichte, ist es jedoch zwangsläufig Sache des Gerichts, sich zur Tragweite der genannten Vorschriften zu äußern.

133    Aus dem Wortlaut von Art. L. 511‑31 CMF geht lediglich hervor, dass die genannten Zentralorganisationen verpflichtet sind, „alle erforderlichen Maßnahmen [zu treffen], um insbesondere die Liquidität und Solvenz jedes einzelnen Instituts und Unternehmens und des Netzwerks insgesamt zu gewährleisten“.

134    Festzustellen ist, dass der Wortlaut von Art. L. 511‑31 CMF für sich genommen nicht den Schluss zulässt, dass die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Voraussetzung erfüllt ist, da die Bezugnahme auf die „erforderlichen Maßnahmen“, um „die Liquidität und Solvenz jedes einzelnen Instituts und Unternehmens und des Netzwerks insgesamt zu gewährleisten“, zu allgemein ist, um daraus das Bestehen einer Verpflichtung ableiten zu können, innerhalb der Gruppe Eigenmittel und Liquidität zu übertragen, damit sichergestellt ist, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern erfüllt werden.

135    Aus einer Auslegung des Beschlusses vom 10. März 1992 geht hingegen hervor, dass es einen Solidaritätsmechanismus zugunsten von Kassen in Schwierigkeiten – nämlich Kassen, denen es unmöglich ist, die Rechtsvorschriften im Bankensektor einzuhalten, Kassen, die einen außergewöhnlichen Schaden nicht verkraften können, und Kassen mit negativem Eigen- oder Betriebskapital – gibt (Art. 2). Es wird klargestellt, dass dieser Eingriff die Form bezahlter Vorschüsse, die gegebenenfalls mit Subventionen in Höhe der Vorschusszinsen einhergehen, von Subventionen, gewöhnlichen Darlehen oder Beteiligungsdarlehen und kostenlosen Garantien für die gesamten oder einen Teil ihrer Verbindlichkeiten annehmen kann (Art. 3). Aus diesem Beschluss geht schließlich ferner hervor, dass die Solidarität zwar grundsätzlich auf regionaler Ebene ausgeübt wird, es einer Kasse aber freisteht, die nationale Solidarität in Anspruch zu nehmen (Art. 4), und der CNCM in einem solchen Fall zwingend zugunsten einer Kasse in Schwierigkeiten tätig werden muss (Art. 5).

136    Diese Gesichtspunkte belegen, dass innerhalb des Crédit mutuel eine Verpflichtung zur Übertragung von Eigenmitteln und Liquidität besteht, mit der sichergestellt werden soll, dass die Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern erfüllt werden.

137    Auch wenn die EZB in Anhang I des angefochtenen Beschlusses gewisse Schwachstellen bei der Anwendung des besagten Solidaritätsmechanismus herausgestellt hat, durfte sie folglich aufgrund des bloßen Vorhandenseins dieses Mechanismus den Schluss ziehen, dass die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Voraussetzung erfüllt war.

138    Aus ständiger Rechtsprechung ergibt sich, dass, wenn bestimmte Gründe einer Entscheidung für sich allein die Entscheidung rechtlich hinreichend rechtfertigen können, Mängel, mit denen andere Gründe des Rechtsakts behaftet sein können, jedenfalls keinen Einfluss auf seinen verfügenden Teil haben (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 12. Juli 2001, Kommission und Frankreich/TF1, C‑302/99 P und C‑308/99 P, EU:C:2001:408, Rn. 27, sowie vom 12. Dezember 2006, SELEX Sistemi Integrati/Kommission, T‑155/04, EU:T:2006:387, Rn. 47). In Anwendung dieser Rechtsprechung ist es nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich, die Stichhaltigkeit der anderen in der Stellungnahme des Überprüfungsausschusses herausgestellten Gründe zu prüfen.

139    Diesem Ergebnis steht das gegenteilige Vorbringen des Klägers nicht entgegen. Das gilt insbesondere für die Bezugnahme auf den Beschluss Nr. 2014‑449 QPC des Conseil constitutionnel (Verfassungsrat) vom 6. Februar 2015, der sich ausschließlich auf die Frage bezieht, ob eine Bestimmung des CMF, die es der ACPR gestattet, zulasten einer Versicherungsgesellschaft eine automatische Bestandsübertragung anzuordnen, mit der französischen Verfassung vereinbar ist. Dieser Beschluss hat für einen Solidaritätsmechanismus zwischen angeschlossenen Instituten ein und derselben Bankgruppe daher keinerlei Bedeutung.

140    In Anbetracht des Vorstehenden ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

2)      Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013

141    Der Kläger trägt vor, die EZB habe fälschlicherweise angenommen, dass die Voraussetzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt sei.

142    Erstens könnten die Begriffe der Solvenz und der Liquidität nur für Kreditinstitute von Bedeutung sein, während es sich beim CNCM um einen Verband handle.

143    Zweitens würden die Solvenz und die Liquidität von den Darlehensnehmern, Rating-Agenturen und Regulierungsbehörden auf der Ebene der dem CNCM zugeordneten Gruppen geprüft. Die vom CNCM veröffentlichten Abschlüsse stellten die bloße Aggregation verschiedener Gruppen dar und seien künstlich, da zwischen diesen Gruppen keine wirtschaftliche Einheit bestehe.

144    Drittens habe der Überprüfungsausschuss diese Voraussetzung zu Unrecht als erfüllt angesehen, wobei er sich auf Art. L. 511‑20 CMF gestützt habe, wonach „einem Netzwerk zugeordnete Finanzierungsinstitute und ‑gesellschaften einerseits und die Zentralorganisation im Sinne von Art. L. 511‑31 andererseits … für die Anwendung dieses Gesetzbuchs als ein und derselben Gruppe zugehörig angesehen [werden]“. Der Kläger macht geltend, diese Einstufung als „Gruppe“ gelte nur für die Anwendung des CMF und sei für die Frage unerheblich, ob die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien. Auch lasse sich weder mit Art. L. 511‑31 CMF noch mit Art. 25 der Satzung des CNCM nachweisen, dass diese zweite Voraussetzung erfüllt sei. Gleiches gelte für Art. 2 der genannten Satzung und die übrigen Bestimmungen des CMF, auf die sich die EZB beziehe.

145    Die EZB und die Kommission beantragen, den zweiten Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

146    Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013 müssen „die Solvenz und Liquidität der Zentralorganisation sowie aller angeschlossenen Institute insgesamt auf der Grundlage konsolidierter Abschlüsse dieser Institute überwacht werden“.

147    Aus den Gründen, die oben in den Rn. 104 und 105 erläutert worden sind, ist diese Voraussetzung so zu verstehen, dass sie die Einhaltung zweier Kriterien voraussetzt. Das erste bezieht sich auf das Vorhandensein konsolidierter Abschlüsse der Gruppe. Nach dem zweiten müssen die Solvenz und Liquidität sämtlicher Unternehmen der Gruppe unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage dieser konsolidierten Abschlüsse überwacht werden.

148    In seiner Stellungnahme hat der Überprüfungsausschuss diese Voraussetzung sowohl im Hinblick auf die dem CNCM nach Art. L. 511‑31 CMF übertragenen Aufgaben in Bezug auf die Liquidität und Solvenz der angeschlossen Institute und des Netzwerks insgesamt als auch im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 25 der Satzung des CNCM als erfüllt angesehen.

149    Nach Ansicht des Gerichts ist diese Schlussfolgerung zu bestätigen.

150    Das erste Kriterium ist als erfüllt anzusehen, da der Verwaltungsrat nach Art. 25 der Satzung des CNCM „die Jahresabschlüsse des [CNCM] und die konsolidierten nationalen Abschlüsse fest[legt] und … den Geschäftsbericht über diese Abschlüsse [erstellt]“.

151    Was das zweite Kriterium angeht, ist festzustellen, dass die Zentralorganisationen gemäß Art. L. 511‑31 CMF „alle erforderlichen Maßnahmen [treffen], um insbesondere die Liquidität und Solvenz jedes einzelnen Instituts und Unternehmens und des Netzwerks insgesamt zu gewährleisten“, und „die ihnen angeschlossenen Kreditinstitute und Finanzierungsgesellschaften bei … der [ACPR vertreten]“. Die logische Konsequenz dieses Umstands ist, dass der CNCM nach dem CMF befugt ist, den Crédit mutuel bei den Behörden zu vertreten, die mit der Aufsicht über die Einhaltung der Solvenz- und Liquiditätsanforderungen betraut sind. Auch das zweite Kriterium ist somit als erfüllt anzusehen.

152    Das Vorbringen des Klägers, wonach diese Voraussetzung nicht erfüllt sein könne, weil es sich beim CNCM nicht um ein Kreditinstitut handle, ist aus den oben in Rn. 106 erläuterten Gründen zurückzuweisen.

153    In Anbetracht des Vorstehenden ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

3)      Dritter Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013

154    Der Kläger trägt vor, die EZB habe fälschlicherweise angenommen, dass die Voraussetzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt sei.

155    Er vertritt die Ansicht, der CNCM sei in Anbetracht des sehr allgemeinen Wortlauts von Art. L. 511‑31 CMF nicht befugt, den ihm angeschlossenen Unternehmen in den Bereichen, die den Kern eines Kreditinstituts berührten, Weisungen im Sinne dieser Vorschrift zu erteilen. Eine solche Befugnis hätte der Gesetzgeber ausdrücklich vorsehen müssen, wie es beispielsweise bei der Zentralorganisation der BPCE-Gruppe mit Art. L. 512‑107 CMF der Fall sei. Ein Vergleich mit dem auf den Crédit mutuel anwendbaren Art. L. 512‑56 CMF zeige, dass für ihn keine derartige Befugnis vorgesehen sei, da die Bezugnahme auf den Erlass „erforderlicher Maßnahmen“ durch den CNCM nicht bedeute, dass Weisungen erteilt werden könnten. Diese Befugnis sei dem CNCM außerdem auch nicht auf vertraglichem Wege verliehen worden. Was die Sanktionsbefugnis betrifft, die der CNCM aus Art. R. 512‑24 CMF herleitet, trägt der Kläger vor, aus ihr lasse sich keine Befugnis ableiten, der Leitung der angeschlossenen Institute Weisungen zu erteilen. Die Sanktionsbefugnisse in der Satzung des CNCM seien rechtswidrig.

156    Die EZB, unterstützt durch die Kommission, beantragt, den dritten Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

157    Bei der Prüfung der Frage, ob die EZB zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Voraussetzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt war, ist zu untersuchen, ob die Leitung des CNCM befugt ist, der Leitung der angeschlossenen Institute Weisungen zu erteilen.

158    In seiner Stellungnahme hat der Überprüfungsausschuss auf das Recht, „alle erforderlichen Maßnahmen [zu treffen], um insbesondere die Liquidität und Solvenz jedes einzelnen Instituts und Unternehmens und des Netzwerks insgesamt zu gewährleisten“, das der CNCM aus Art. L. 511‑31 CMF herleitet, sowie auf die ihm nach dieser Vorschrift obliegende Verpflichtung Bezug genommen, „die Anwendung der für diese Institute und Gesellschaften geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften [zu überwachen] und eine administrative, technische und finanzielle Kontrolle über ihre Organisation und Leitung [auszuüben]“. Er hat darüber hinaus die den Kassen des Crédit mutuel nach Art. R. 512‑20 Abs. 2 CMF obliegende Verpflichtung hervorgehoben, „die Satzungen, Geschäftsordnungen, Weisungen und Beschlüsse des [CNCM] und des Regionalverbands, dem sie sich anschließen müssen, zu befolgen“. Schließlich hat er unterstrichen, dass der CNCM eine Sanktionsbefugnis hat. Er hat zum einen auf Art. R. 512‑24 CMF, wonach gegenüber einer Kasse, die gegen die geltenden Rechtsvorschriften verstößt, eine der Sanktionen „Verwarnung, Tadel [oder] Streichung von der Liste der Kreditgenossenschaften“ verhängt werden kann, und zum anderen auf die Art. 10 und 25 der Satzung des CNCM verwiesen, wonach ein Verband ausgeschlossen, dem Präsidenten eines Verbands oder einer Kreditgenossenschaft das Vertrauen entzogen oder einem Geschäftsführer die Zulassung entzogen werden kann.

159    Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Zusammenwirken dreier Faktoren: Erstens der Verpflichtung des CNCM, insbesondere die Liquidität und Solvenz der Gruppe und der Unternehmen, aus denen sie besteht, sowie die Einhaltung der in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegten Anforderungen zu überwachen, zweitens einer Verpflichtung der angeschlossenen Unternehmen, den Weisungen des CNCM Folge zu leisten, und drittens einer Sanktionsbefugnis des CNCM gegenüber diesen Unternehmen. Die Voraussetzung in Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013 ist somit als erfüllt anzusehen.

160    Diesem Ergebnis steht nicht das Vorbringen des Klägers entgegen, wonach die sich aus der Satzung des CNCM ergebende Weisungsbefugnis rechtswidrig sei, da ihm ein solches Vorrecht nur durch den CMF verliehen werden könne. Insoweit genügt der Hinweis, dass sich Kreditgenossenschaften, wie der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) in Rn. 5 seines von der EZB in der mündlichen Verhandlung herangezogenen Urteils vom 13. Dezember 2016, zu dem der Kläger hat Stellung nehmen können, hervorgehoben hat, gemäß Art. R. 512‑20 Abs. 2 CMF „verpflichten [müssen], die Satzungen, Geschäftsordnungen, Weisungen und Beschlüsse des [CNCM] zu befolgen“. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Conseil d’État in Rn. 13 jenes Urteils darauf hingewiesen hat, dass „[der Kläger] verpflichtet [ist], den Aufforderungen des [CNCM] Folge zu leisten, wenn dieser im Rahmen seiner Vorrechte als Zentralorganisation [handelt]“.

161    In Anbetracht des Vorstehenden ist der dritte Teil und damit der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Dritter Klagegrund: Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 3 und Anhang II–2 des angefochtenen Beschlusses

162    Im Rahmen seines dritten Klagegrundes trägt der Kläger vor, der angefochtene Beschluss sei mit einem Rechtsfehler und Beurteilungsfehlern behaftet und darüber hinaus unverhältnismäßig, soweit ihm darin die Verpflichtung auferlegt werde, zusätzliche Eigenmittel vorzuhalten.

163    Die EZB beantragt, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

164    Aus Art. 4 Abs. 3 der Grundverordnung ergibt sich zunächst, dass die EZB im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben die zuständige Behörde im Sinne der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48 und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) und der Verordnung Nr. 575/2013 ist.

165    In Art. 97 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/36 heißt es: „Unter Berücksichtigung der technischen Kriterien des Artikels 98 überprüfen die zuständigen Behörden die Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen, die die Institute zur Einhaltung dieser Richtlinie und der Verordnung … Nr. 575/2013 geschaffen haben, und bewerten … die Risiken, denen die Institute ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten“.

166    Die Mindestanforderungen für „CET‑1“-Kapital, über das ein Kreditinstitut verfügen muss, sind in Art. 92 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 aufgeführt, wonach „[u]nbeschadet der Artikel 93 und 94 … Institute zu jedem Zeitpunkt folgende Eigenmittelanforderungen erfüllen [müssen]: … eine [‚CET‑1‘-K]apitalquote von 4,5 %“.

167    Hinzu kommt die Verpflichtung in Art. 129 („Pflicht zum Vorhalten eines Kapitalerhaltungspuffers“) Abs. 1 der Richtlinie 2013/36, der vorschreibt:

„Die Mitgliedstaaten verlangen von Instituten, zusätzlich zum [‚CET‑1‘-K]apital, das zur Unterlegung der Eigenmittelanforderung des Artikels 92 der Verordnung [Nr. 575/2013] erforderlich ist, einen aus [‚CET‑1‘-K]apital bestehenden Kapitalerhaltungspuffer vorzuhalten, der 2,5 % ihres Gesamtrisikobetrags entspricht, der nach Maßgabe des Teils 1 Titel II jener Verordnung auf Einzel- oder auf konsolidierter Basis gemäß Artikel 92 Absatz 3 jener Verordnung berechnet wird.“

168    Aus Art. 16 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung geht ferner hervor, dass die EZB von einem Kreditinstitut verlangen kann, über diese Mindestanforderungen hinausgehende Eigenmittel vorzuhalten, wenn sich aus der von ihr durchgeführten aufsichtlichen Überprüfung ergibt, dass die Eigenmittelausstattung und Liquidität dieses Kreditinstituts kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten.

169    In Anhang II–2 des angefochtenen Beschlusses hat die EZB die Anforderungen für „CET‑1“-Kapital des Klägers auf 11 % festgesetzt. Zur Rechtfertigung dieses Eigenmittelniveaus hat die EZB u. a. auf die zusätzlichen Risiken infolge eines möglichen Austritts aus der Crédit-mutuel-Gruppe verwiesen und die Ansicht vertreten, sie brächten die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 Buchst. a der Grundverordnung mit sich.

170    In diesem Zusammenhang hat die EZB auf den Streit zwischen dem Kläger und der CM11–CIC‑Gruppe innerhalb der Crédit-mutuel-Gruppe abgehoben und darauf hingewiesen, dass ein Austritt des Klägers aus der Crédit-mutuel-Gruppe aufgrund dieses Streites vorstellbar sei.

171    Die EZB hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten, eine mögliche Trennung könne für den Kläger drei Arten von Konsequenzen haben: Erstens würde sie sein Geschäftsmodell beeinflussen. Insoweit wird auf einen wachsenden Wettbewerbsdruck seitens der Unternehmen der Crédit-mutuel-Gruppe, dem der Kläger begegnen müsste, und auf die Zweifel an der Möglichkeit zur Benutzung der Marke Crédit mutuel im Fall einer Trennung verwiesen. Zweitens könne sich eine Trennung auf die Berechnung der Mindestanforderungen für „CET‑1“-Kapital des Klägers niederschlagen, da dieser nicht mehr auf den fortgeschrittenen Ansatz zurückgreifen könnte und dem Standardansatz folgen müsste, was eine Erhöhung seiner Eigenmittelanforderungen mit sich brächte. Drittens würde sich diese Trennung auch auf das Liquiditätsrisikoprofil des Klägers auswirken, da er den Vorteil des Solidaritätsmechanismus innerhalb der Crédit-mutuel-Gruppe verlöre. Dies könne seine externen Ratings und damit seine Refinanzierungskosten beeinflussen.

172    Der vorliegende Klagegrund lässt sich in drei Teile unterteilen, wobei der erste aus einem Rechtsfehler, der sich daraus ergeben soll, dass die EZB ein Ereignis berücksichtigt hat, das der Kläger für unwahrscheinlich hält, nämlich seine Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe, der zweite aus dem Umstand, dass die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen aufgrund dieser unwahrscheinlichen Möglichkeit falsch und unverhältnismäßig sei, und der dritte daraus hergeleitet wird, dass die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen eine „verschleierte Sanktion“ darstelle.

a)      Erster Teil des dritten Klagegrundes: Die EZB habe fälschlicherweise eine mögliche Trennung des Klägers und der Crédit-mutuel-Gruppe berücksichtigt

173    Der Kläger macht der EZB zum Vorwurf, dass sie sich auf die Möglichkeit eines Austritts aus der Crédit-mutuel-Gruppe gestützt hat, und macht im Wesentlichen geltend, eine solche Möglichkeit sei so wenig wahrscheinlich, dass ihre Berücksichtigung den angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft mache.

174    Insoweit weist er darauf hin, dass seine Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe eine Änderung der Rechtsvorschriften des CMF voraussetze, die weder von den französischen Behörden noch von der EZB selbst in Betracht gezogen werde. Vielmehr habe sich die EZB sowohl in ihrem Schreiben vom 10. November 2014 als auch im angefochtenen Beschluss für eine Reform und eine Stärkung der Rolle des CNCM eingesetzt. Der alleinige Wille des Klägers, die Struktur der Crédit-mutuel-Gruppe zugunsten einer bipolaren Struktur zu ändern, deren beide Pole eine eigene Zentralorganisation hätten, könne ohne staatliche Unterstützung einer solchen Reform folglich kein Grund für eine Änderung seines Risikoprofils sein.

175    Die EZB beantragt, den ersten Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

176    Soweit der Kläger geltend macht, die EZB habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie eine mögliche Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe berücksichtigt habe, ist festzustellen, dass sich die von der EZB durchzuführende Überprüfung, wie bereits aus dem Wortlaut von Art. 97 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2013/36 hervorgeht, auf die Risiken bezieht, denen die Institute „ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein könnten“, was notwendigerweise die Möglichkeit beinhaltet, zukünftige Ereignisse zu berücksichtigen, die ihr Risikoprofil ändern könnten. Folglich hat die EZB keinen Rechtsfehler begangen, als sie sich auf den möglichen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses gestützt hat.

177    Mit seinem Vorbringen, mit dem der EZB zum Vorwurf gemacht wird, dass sie die Möglichkeit einer solchen Trennung berücksichtigt hat, obwohl diese Möglichkeit nicht ausreichend wahrscheinlich sei, macht der Kläger in Wirklichkeit einen Beurteilungsfehler der EZB geltend.

178    In diesem Zusammenhang ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass die Behörden der Union im Fall komplexer Beurteilungen in bestimmten Bereichen des Unionsrechts über ein weites Ermessen verfügen, so dass sich die Kontrolle dieser Beurteilungen durch den Unionsrichter notwendigerweise auf die Prüfung beschränken muss, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

179    Die Ausübung dieses weiten Ermessens ist der gerichtlichen Kontrolle jedoch nicht entzogen. So muss der Unionsrichter nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 57, und vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, EU:C:2008:613, Rn. 55).

180    Verfügt eine Behörde der Union über ein weites Ermessen, kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, außerdem eine umso grundlegendere Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, seine Entscheidungen hinreichend zu begründen. Nur so kann der Unionsrichter überprüfen, ob die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 9. September 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑387/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:377, Rn. 31).

181    Angesichts der Komplexität, die eine Prüfung des Niveaus der Anforderungen für „CET‑1“-Kapital eines Kreditinstituts anhand des Risikoprofils dieses Kreditinstituts und der das Profil möglicherweise beeinflussenden Ereignisse aufweist, verfügt die EZB im vorliegenden Fall über ein solches weites Ermessen.

182    Folglich ist zu prüfen, ob die EZB einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie auf die Möglichkeit einer Trennung des Klägers von der Crédit-mutuel-Gruppe abgestellt hat.

183    Das wichtigste Argument, das der Kläger vorbringt, um die Wahrscheinlichkeit einer solchen Trennung zu widerlegen, bezieht sich auf die Notwendigkeit eines Eingriffs der französischen Behörden mittels einer Änderung des CMF, die von diesen Behörden angeblich nicht befürwortet wird.

184    Aus Art. L. 511‑30 CMF in Verbindung mit Art. L. 511‑31 CMF geht zwar hervor, dass der Kläger einer der in Art. L. 511‑30 CMF abschließend aufgeführten Zentralorganisationen zugeordnet sein muss, worauf er zu Recht hinweist. Daraus folgt notwendigerweise, dass ein geordneter Austritt des Klägers aus der Crédit-mutuel-Gruppe eine Änderung von Art. L. 511‑30 CMF voraussetzen würde, um in diesen Artikel eine Zentralorganisation aufzunehmen, der die Kreditinstitute angeschlossen wären, aus denen der Kläger besteht.

185    Es bleibt jedoch die Tatsache, dass der CMF dem CNCM die Befugnis verleiht, Unternehmen auszuschließen, die der Crédit-mutuel-Gruppe zugeordnet sind. Erstens sieht Art. L. 511‑31 CMF in seinem Abs. 5 die Möglichkeit für die Zentralorganisationen, „die in den für sie geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Sanktionen [zu] ergreifen“, und in seinem Abs. 6 – noch deutlicher – die Möglichkeit eines Verlusts der Eigenschaft eines angeschlossenen Instituts oder Unternehmens vor, den „die Zentralorganisation der [ACPR] melden muss, die zur Zulassung des in Rede stehenden Instituts oder Unternehmens Stellung nimmt“. Zweitens geht aus Art. R. 512‑24 CMF hervor, dass „[d]er Verwaltungsrat des [CNCM] … gegenüber einer Kasse, die gegen die geltenden Rechtsvorschriften verstößt, eine der folgenden Sanktionen ergreifen [kann]: … Streichung von der Liste der Kreditgenossenschaften“, wobei in Art. R. 512‑25 CMF im Einzelnen festgelegt ist, wie diese Sanktionsbefugnis ausgeübt werden muss. Dieses Vorrecht ist in Art. 25 der Satzung des CNCM übernommen worden.

186    Da der Kläger ein Gefüge aus Kreditgenossenschaften ist, lässt sich zum einen nicht ausschließen, dass dieses Vorrecht ihm gegenüber ausgeübt wird.

187    Zum anderen bestreitet der Kläger nicht, dass es die von der EZB im angefochtenen Beschluss festgestellte anhaltende Auseinandersetzung zwischen ihm auf der einen und der CM11–CIC‑Gruppe und dem CNCM auf der anderen Seite tatsächlich gegeben hat. Bereits in seinem an die EZB gerichteten Schreiben vom 17. Juli 2015 hat der Kläger insoweit selbst auf das Adhäsionsverfahren wegen rechtswidriger Interessennahme Bezug genommen, das er bei der Staatsanwaltschaft beim Tribunal de grande instance de Paris (Landgericht Paris) aufgrund eines vermeintlichen Interessenskonflikts zwischen der CM11‑CIC‑Gruppe und dem CNCM eingeleitet hat. In der Anlage zu diesem Schreiben hat der Kläger außerdem nachdrücklich auf die Verfahren hingewiesen, die er vor dem Tribunal de grande instance de Paris (Landgericht Paris) und dem EUIPO mit dem Ziel angestrengt hat, die Löschung der nationalen Marke bzw. der Unionsmarke Crédit mutuel zu erreichen, deren Inhaber der CNCM ist.

188    In Anbetracht dieser ausgesprochenen Konfliktsituation zwischen dem Kläger, dem CNCM und der CM11–CIC‑Gruppe erscheint die Möglichkeit eines Austritts des Klägers aus der Crédit-mutuel-Gruppe auch ohne eine Änderung von Art. L. 511‑30 CMF nicht so unwahrscheinlich, dass ihre Berücksichtigung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der EZB begründen würde.

189    Der erste Teil des dritten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil des dritten Klagegrundes: Die Beurteilung der EZB, dass der Kläger über zusätzliche Eigenmittel verfügen müsse, sei fehlerhaft und unverhältnismäßig

190    Der Kläger meint, die EZB habe zu Unrecht und in unverhältnismäßiger Weise die Ansicht vertreten, seine mögliche Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe bringe die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen mit sich.

191    Die EZB beantragt, den vorliegenden Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

192    Wie oben aus Rn. 171 hervorgeht, lassen sich die Gründe, aus denen die EZB zu dem Schluss gelangt ist, dass sich die Trennung des Klägers von der Crédit-mutuel-Gruppe nachteilig auf sein Risikoprofil auswirke, was bedeute, dass der Kläger zusätzliche Eigenmittel vorhalten müsse, im Wesentlichen in drei Kategorien einteilen.

193    Das Gericht hält es für ausreichend, die Stichhaltigkeit der Gründe zu prüfen, die zum einen aus der Änderung des Liquiditätsrisikoprofils des Klägers und zum anderen aus den Folgen einer Änderung der Methode für die Berechnung seiner Eigenmittel hergeleitet werden.

1)      Stichhaltigkeit des Grundes, der aus der Änderung des Liquiditätsrisikoprofils des Klägers im Fall einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe hergeleitet wird

194    Der Kläger trägt vor, die EZB habe fälschlicherweise auf die Auswirkungen des Verlusts des Vorteils des Solidaritätsmechanismus der Crédit-mutuel-Gruppe auf sein Risikoprofil Bezug genommen, da es diesen Mechanismus nicht gebe. Außerdem könne sich eine mögliche Verschlechterung seiner externen Ratings nur sehr marginal auf seine Refinanzierungskosten auswirken, da sich seine eigene wirtschaftliche Situation ausgesprochen gut darstelle. Unter anderem sei das Ausmaß der von ihm eingegangenen Verpflichtungen deutlich verringert worden, so dass er für seine Refinanzierung weit weniger von den Finanzmärkten abhänge. Dementsprechend wirke sich eine Verschlechterung seines Ratings um drei Stufen nicht nennenswert auf seine Refinanzierungskosten oder sein Nettoergebnis aus.

195    Insoweit genügt der Hinweis, dass es innerhalb der Crédit-mutuel-Gruppe – anders als der Kläger in seinen Schriftsätzen vorträgt – durchaus einen Solidaritätsmechanismus gibt, wie oben in den Rn. 135 und 137 festgestellt worden ist.

196    Aus einem von der EZB als Anlage B.16 zur Klagebeantwortung vorgelegten Bericht einer Rating-Agentur, der sich auf den Kläger bezieht, geht ferner hervor, dass die an ihn vergebene Bewertung mit der Bewertung der Crédit-mutuel-Gruppe zusammenhing. Außerdem hat die Rating-Agentur in ebendiesem Bericht bei der Bewertung des Klägers dem Umstand Bedeutung beigemessen, dass es innerhalb der Crédit-mutuel-Gruppe einen Solidaritätsmechanismus gibt.

197    Angesichts der Komplexität der Bestimmung des Risikoprofils des Klägers hat die EZB folglich keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Schluss gelangt ist, dass sich der Verlust des Vorteils dieses Solidaritätsmechanismus nach einem Austritt aus der Crédit-mutuel-Gruppe nachteilig auf die externen Ratings des Klägers und damit auf seine Refinanzierungskosten auswirken könnte. Mit dem Vorbringen des Klägers zum Umfang der Mehrkosten, die bei einer Herabstufung seines Rankings für die Refinanzierung getätigt werden müssten, lässt sich insoweit nicht nachweisen, dass diese Beurteilung offensichtlich fehlerhaft ist.

2)      Stichhaltigkeit des Grundes, der aus den Folgen einer Änderung der Methode für die Berechnung der Eigenmittel des Klägers im Fall einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe hergeleitet wird

198    Der Kläger macht geltend, der Übergang von einem fortgeschrittenen zu einem Standardansatz für die Berechnung der Eigenmittel stelle lediglich einen Wechsel der Messinstrumente dar, der nichts an den operationellen oder kreditbezogenen Risiken ändere, denen er ausgesetzt sei. Obwohl der Übergang zum Standardansatz de facto eine automatische Erhöhung der Anforderungen für „CET‑1“-Kapital bewirke, könne er eine solche Erhöhung verkraften. Indem der angefochtene Beschluss ihm künftig die Verpflichtung auferlege, zusätzliche Eigenmittel vorzuhalten, nehme er ihm die freie Verfügungsgewalt über einen Teil seiner Finanzmittel, was ihm einen erheblichen Schaden verursache und unverhältnismäßig sei.

199    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 575/2013 zwei Ansätze für die Berechnung der Mindestanforderungen für Eigenmittel von Kreditinstituten vorsieht: Den „Standardansatz“ im Sinne der Art. 111 bis 141 dieser Verordnung, der darin besteht, das Risiko standardmäßig zu bestimmen, oder den „fortgeschrittenen Ansatz“ bzw. „auf internen Beurteilungen basierenden Ansatz“ im Sinne der Art. 142 bis 191 der genannten Verordnung, der in der Verwendung eigener Modelle besteht, wobei für diesen zweiten Ansatz gemäß Art. 143 der Verordnung Nr. 575/2013 die Erlaubnis der zuständigen Behörde erforderlich ist.

200    Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, die präventive Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen sei unverhältnismäßig, ist darauf hinzuweisen, dass die Maßnahmen der Union nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen, wie es in Art. 5 Abs. 4 EUV heißt. Die Organe wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an, der dem AEU-Vertrag als Anhang beigefügt ist.

201    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 165 und die dort angeführte Rechtsprechung).

202    Es sei ferner darauf hingewiesen, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme mit der Wahrung des Ermessensspielraums in Einklang gebracht werden muss, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass gegebenenfalls eingeräumt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2006, Deutschland/Parlament und Rat, C‑380/03, EU:C:2006:772, Rn. 145 und die dort angeführte Rechtsprechung).

203    Die EZB ist im angefochtenen Beschluss im Wesentlichen einer auf dem Zusammenwirken dreier Faktoren gestützten Argumentation gefolgt. Erstens komme der Kläger im Fall eines Austritts aus der Crédit-mutuel-Gruppe wahrscheinlich nicht mehr für den fortgeschrittenen Ansatz in Betracht und müsse auf den Standardansatz zurückgreifen. Zweitens führe die Anwendung dieses Ansatzes zu einer niedrigeren Bewertung seiner Eigenmittel. Drittens folge daraus, dass sich der Kläger auf diese Situation einstellen müsse, indem er angemessene Eigenmittelreserven bilde.

204    Der Kläger bestreitet nicht, dass die ersten beiden von der EZB herausgearbeiteten Faktoren gegeben sind. Außerdem geht u. a. aus einem Schreiben des Klägers an die EZB vom 27. März 2015 hervor, dass er den Rückgang seines „CET‑1“-Kapitals infolge des Übergangs vom fortgeschrittenen zum Standardansatz für die Berechnung dieses Kapitals selbst mit 2,8 % veranschlagt hat.

205    Da die EZB die Möglichkeit eines Austritts des Klägers aus der Crédit-mutuel-Gruppe aus den oben in den Rn. 184 bis 188 dargelegten Gründen berücksichtigen durfte und zwischen den Parteien feststeht, dass ein solcher Austritt zu einer niedrigeren Bewertung der Höhe des „CET‑1“-Kapitals des Klägers führen könnte, ist die Vorgabe, zusätzliche Eigenmittel vorzuhalten, um dieser Möglichkeit zu begegnen, weder auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zurückzuführen noch offensichtlich unverhältnismäßig.

206    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sowohl die Gründe im Zusammenhang mit der Änderung des Liquiditätsrisikoprofils des Klägers als auch die Gründe im Zusammenhang mit den Folgen einer Änderung der Methode für die Berechnung seiner Eigenmittel im Fall einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe genügen, um die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen durch die EZB rechtlich hinreichend zu rechtfertigen. Daher erübrigt sich eine Prüfung der Stichhaltigkeit der im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe im Zusammenhang mit den Folgen einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe für das Geschäftsmodell des Klägers.

207    Folglich ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

c)      Dritter Teil des dritten Klagegrundes: Die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen stelle eine verschleierte Sanktion dar

208    Der Kläger macht geltend, die ihm im angefochtenen Beschluss auferlegten Anforderungen an die Höhe seines „CET‑1“-Kapitals wiesen den Charakter einer verschleierten Sanktion auf, da sie offenbar darauf abzielten, ihn dafür zu „bestrafen“, dass er die EZB auf die Situation innerhalb der Crédit-mutuel-Gruppe aufmerksam gemacht habe.

209    Die EZB bestreitet, dass ihre Beurteilung der Höhe des „CET‑1“-Kapitals des Klägers eine verschleierte Sanktion ist.

210    Festzustellen ist, dass der Kläger mit einem solchen Vorbringen im Wesentlichen vorträgt, der angefochtene Beschluss sei mit Ermessensmissbrauch behaftet.

211    Nach ständiger Rechtsprechung betrifft der Begriff des Ermessensmissbrauchs den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck einsetzt als demjenigen, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu einem solchen anderen Zweck getroffen wurde (Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 24, und vom 10. Mai 2005, Italien/Kommission, C‑400/99, EU:C:2005:275, Rn. 38). Verfolgt eine Entscheidung mehrere Ziele und kommt zu den rechtmäßigen Beweggründen ein an sich zu beanstandender Grund hinzu, so ist die Entscheidung deswegen außerdem noch nicht mit Ermessensmissbrauch behaftet, sofern sie nur nicht das wesentliche Ziel preisgibt (Urteile vom 21. Dezember 1954, Italien/Hohe Behörde, 2/54, EU:C:1954:8, S. 111, und vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 87).

212    Der Zweck, für den der EZB die in Art. 16 Abs. 2 der Grundverordnung genannten Befugnisse übertragen worden sind, liegt, wie oben in Rn. 168 dargelegt worden ist, u. a. in der Notwendigkeit, einer Situation abzuhelfen, in der die Eigenmittelausstattung und Liquidität eines Kreditinstituts kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten.

213    Aus der Prüfung der ersten beiden Teile des vorliegenden Klagegrundes geht hervor, dass die EZB ihre Befugnisse in einem diesem Zweck entsprechenden Sinne eingesetzt hat. Überdies bringt der Kläger keine objektiven, schlüssigen und übereinstimmenden Indizien im Sinne der oben in Rn. 211 erwähnten Rechtsprechung vor, mit denen sich nachweisen ließe, dass die Höhe seiner Eigenmittel in einer ihn bestrafenden Weise festgelegt worden wäre.

214    Folglich sind der dritte Teil und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen und die vorliegende Klage abzuweisen.

IV.    Kosten

215    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, ist er im vorliegenden Fall zur Tragung seiner eigenen Kosten sowie der Kosten der EZB gemäß deren Antrag zu verurteilen.

216    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Crédit mutuel Arkéa trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

PrekButtigiegSchalin

BerkeCosteira

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2017.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

II. Verfahren und Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zulässigkeit der Klage

1. Ordnungsgemäßheit der den Rechtsbeiständen des Klägers erteilten Vollmacht

2. Befugnis des Klägers, im Klageweg gegen Art. 2 Abs. 1 und Anhang I des angefochtenen Beschlusses vorzugehen

3. Interesse des Klägers, im Klageweg gegen den angefochtenen Beschluss vorzugehen

B. Begründetheit

1. Erster und zweiter Klagegrund: Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 1 und Anhang I des angefochtenen Beschlusses

a) Teleologische und kontextbezogene Auslegung von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung

b) Erster Klagegrund: Der CNCM sei kein Kreditinstitut

1) Zur Frage, ob sich die Voraussetzung, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist, aus Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung ableiten lässt

2) Zur Frage, ob sich die Voraussetzung, dass die Zentralorganisation die Eigenschaft eines Kreditinstituts aufweist, aus Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013 ableiten lässt

c) Zweiter Klagegrund: Es gebe keine beaufsichtigte Gruppe im Sinne von Art. 2 Nr. 21 Buchst. c der SSM-Rahmenverordnung und Art. 10 der Verordnung Nr. 575/2013

1) Erster Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013

2) Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 575/2013

3) Dritter Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/2013

2. Dritter Klagegrund: Rechtmäßigkeit von Art. 2 Abs. 3 und Anhang II–2 des angefochtenen Beschlusses

a) Erster Teil des dritten Klagegrundes: Die EZB habe fälschlicherweise eine mögliche Trennung des Klägers und der Crédit-mutuel-Gruppe berücksichtigt

b) Zweiter Teil des dritten Klagegrundes: Die Beurteilung der EZB, dass der Kläger über zusätzliche Eigenmittel verfügen müsse, sei fehlerhaft und unverhältnismäßig

1) Stichhaltigkeit des Grundes, der aus der Änderung des Liquiditätsrisikoprofils des Klägers im Fall einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe hergeleitet wird

2) Stichhaltigkeit des Grundes, der aus den Folgen einer Änderung der Methode für die Berechnung der Eigenmittel des Klägers im Fall einer Trennung von der Crédit-mutuel-Gruppe hergeleitet wird

c) Dritter Teil des dritten Klagegrundes: Die Auferlegung zusätzlicher Eigenmittelanforderungen stelle eine verschleierte Sanktion dar

IV. Kosten


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