T-501/22 – Österreich/ Kommission

T-501/22 – Österreich/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2024:71

URTEIL DES GERICHTS (Zehnte Kammer)

7. Februar 2024(*)

„EGFL und ELER – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Von Österreich getätigte Ausgaben – Verringerungskoeffizient – Art. 24 Abs. 6 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 – Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 – Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑501/22,

Republik Österreich, vertreten durch J. Schmoll und A. Kögl als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Aquilina und A. Becker als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin O. Porchia sowie der Richter L. Madise (Berichterstatter) und S. Verschuur,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2023

folgendes

Urteil(1)

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Republik Österreich die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/908 der Kommission vom 8. Juni 2022 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2022, L 157, S. 15, im Folgenden: angefochtener Beschluss), soweit damit Ausgaben in Höhe von 68 146 449,98 Euro, die die Republik Österreich im Rahmen des EGFL gemeldet hat, von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Im Rahmen der Einführung der Basisprämienregelung durch die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 608) beschloss die Republik Österreich, Art. 24 Abs. 6 dieser Verordnung anzuwenden.

3        Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten beschließen, für die Zwecke der Festsetzung der Anzahl der einem Betriebsinhaber zuzuweisenden Zahlungsansprüche einen Verringerungskoeffizienten auf die beihilfefähigen Hektarflächen anzuwenden, bei denen es sich um Dauergrünland handelt, das in Gebieten mit schwierigen klimatischen Bedingungen gelegen ist (im Folgenden: Verringerungskoeffizient).

4        Die Republik Österreich beschloss, den Verringerungskoeffizienten auf die Parzellen anzuwenden, die nach österreichischem Recht als „Hutweiden“ und „Almen“ gelten.

[nicht wiedergegeben]

 Untersuchung AA/2016/007/AT

6        Die Europäische Kommission führte unter dem Aktenzeichen AA/2016/007/AT eine Untersuchung durch, um in Bezug auf die Antragsjahre 2015 und 2016 zu prüfen, ob die Verwaltung und die Kontrolle der flächenbezogenen Beihilferegelungen von den österreichischen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht vorgenommen wurden.

7        Am Ende dieser Untersuchung vertrat die Kommission u. a. die Auffassung, dass die österreichischen Behörden Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 in Bezug auf die „Hutweiden“ unrichtig angewandt hätten.

[nicht wiedergegeben]

9        Auf der Grundlage von Art. 52 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 352/78, (EG) Nr. 165/94, (EG) Nr. 2799/98, (EG) Nr. 814/2000, (EG) Nr. 1290/2005 und (EG) Nr. 485/2008 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 549) erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss (EU) 2019/265 vom 12. Februar 2019 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des EGFL und des ELER getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2019, L 44, S. 14). Mit diesem Beschluss schloss die Kommission in Bezug auf die Republik Österreich Ausgaben zulasten des EGFL in Höhe von 8 031 282 Euro für die Antragsjahre 2015 und 2016 wegen der fehlerhaften Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 auf „Hutweiden“ von der Finanzierung durch die Union aus.

10      Um die Konsequenzen aus dieser – von ihr nicht angefochtenen – Finanzkorrektur zu ziehen, ergriff die Republik Österreich die folgende Abhilfemaßnahme.

11      Durch das Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 – MOG 2007 geändert wird (BGBl. I 46/2018), wurde § 8a des Marktordnungsgesetzes dahin gehend geändert, dass ein Abs. 2a eingefügt wurde, der für Betriebsinhaber mit Parzellen, die als „Hutweiden“ eingestuft werden, zusätzlich zu den ursprünglich mit einem Verringerungskoeffizienten von 80 % zugewiesenen Zahlungsansprüchen die Zuweisung weiterer Zahlungsansprüche mit einem Verringerungskoeffizienten von 20 % vorsieht. Mit anderen Worten gewährte die Republik Österreich den betroffenen Betriebsinhabern 0,8 zusätzliche Zahlungsansprüche für jeden beihilfefähigen Hektar „Hutweide“, und zwar mit Wirkung ab dem Jahr 2017.

12      Diese zusätzlichen Zahlungsansprüche für „Hutweiden“ wurden aus der nationalen Reserve zugewiesen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1307/2013 einrichten müssen. Der Wert dieser zusätzlichen Ansprüche wurde mit 60 % des nationalen Einheitswerts angesetzt.

[nicht wiedergegeben]

 Untersuchung AA/2018/010/AT

14      Die Kommission leitete unter dem Aktenzeichen AA/2018/010/AT in Bezug auf die Antragsjahre 2015 ff. eine weitere Untersuchung ein, in deren Rahmen sie vom 27. bis 31. August 2018 eine Vor-Ort-Kontrolle durchführte.

[nicht wiedergegeben]

25      Die Kommission übermittelte den österreichischen Behörden ihren zusammenfassenden Bericht vom 26. April 2022.

26      In diesem Schriftstück führte die Kommission aus, die Republik Österreich habe Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 nicht korrekt angewandt. Die Umsetzung dieser Vorschrift durch die österreichischen Behörden habe dazu geführt, dass Parzellen innerhalb desselben geografischen Gebiets unterschiedlich behandelt würden. Der Verringerungskoeffizient sei nur auf als „Almen“ registrierte Dauergrünlandparzellen angewandt worden und nicht auf die anderen, benachbarten Parzellen, die aber denselben klimatischen Bedingungen ausgesetzt seien. Dies zeige, dass die Einstufung einer Parzelle als „Alm“ nicht mit dem Vorliegen schwieriger klimatischer Bedingungen im Sinne von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 verknüpft sei. Daraus sei zu folgern, dass die Anwendung dieser Vorschrift durch die österreichischen Behörden nicht auf objektiven Kriterien beruhe und somit die Gleichbehandlung der Betriebsinhaber bei der Zuweisung von Zahlungsansprüchen nicht gewährleistet sei.

27      Außerdem führte die Kommission im zusammenfassenden Bericht in Bezug auf die im Anschluss an die Untersuchung AA/2016/007/AT ergriffene Abhilfemaßnahme aus, dass Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013, wonach die nationale Reserve dazu verwendet werden kann, Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, um ihnen einen Ausgleich für spezifische Nachteile zu gewähren, nicht in einer Situation angewandt werden dürfe, die sich, wie im vorliegenden Fall, aus einem mangelhaften Verwaltungs- und Kontrollsystem des betreffenden Mitgliedstaats ergebe. Dies würde nämlich bedeuten, dass die Union die Folgen eines Mangels finanzieren müsste, der dem Mitgliedstaat zuzurechnen sei. Zudem dürfe die Republik Österreich die in Art. 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 vorgesehene Kürzung aller Direktzahlungen nicht vornehmen, um die nationale Reserve aufzufüllen. Die Kürzung aller Direktzahlungen zum Zweck der Finanzierung der Abhilfemaßnahme habe dazu geführt, dass alle Betriebsinhaber für die von den österreichischen Behörden verursachten Mängel aufgekommen seien. Folglich habe es die von den österreichischen Behörden ergriffene Abhilfemaßnahme nicht ermöglicht, den Schutz der Rechte der Betriebsinhaber zu gewährleisten, der im Mittelpunkt der Gemeinsamen Agrarpolitik stehe. Die Kommission hat außerdem die Ansicht vertreten, dass die Republik Österreich als Abhilfemaßahme eine Neuberechnung des Werts aller Zahlungsansprüche unter korrekter Anwendung der Art. 25 und 26 der Verordnung Nr. 1307/2013 hätte durchführen müssen.

28      Was die finanziellen Folgen der den österreichischen Behörden vorgeworfenen Mängel betraf, benannte die Kommission hinsichtlich der „Verwaltungskontrollen von Zahlungsansprüchen bei der Einführung der Basisprämienregelung“ zwei finanzielle Risiken für den EGFL, nämlich eines im Zusammenhang mit der Anwendung des Verringerungskoeffizienten und ein weiteres in Bezug auf die im Anschluss an die Untersuchung AA/2016/007/AT ergriffene Abhilfemaßnahme.

29      Zum einen vertrat die Kommission die Auffassung, dass sich die fehlerhafte Anwendung des Verringerungskoeffizienten, die zur Zuweisung einer zu geringen Anzahl von Zahlungsansprüchen geführt habe, ab dem Jahr 2015 auf den Einheitswert der Zahlungsansprüche aller österreichischen Betriebsinhaber ausgewirkt habe. Das Risiko für den EGFL entspreche für die Antragsjahre 2015 bis 2019 den Überzahlungen, die geleistet worden seien, weil der Einheitswert dieser Zahlungsansprüche zu hoch angesetzt worden sei.

30      Zum anderen war die Kommission der Ansicht, dass die ab 2017 erfolgte Zuweisung zusätzlicher Ansprüche an „Hutweiden“ bewirtschaftende Betriebsinhaber, die nicht aus Mitteln habe finanziert werden dürfen, die aus der nationalen Reserve stammten, für die Antragsjahre 2017 bis 2019 ein eigenständiges finanzielles Risiko für den EGFL habe entstehen lassen.

[nicht wiedergegeben]

35      Mit dem angefochtenen Beschluss schloss die Kommission bestimmte von den Mitgliedstaaten zulasten des EGFL und des ELER getätigte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union aus.

36      In Bezug auf die Republik Österreich schloss die Kommission die zulasten des EGFL gemeldeten Ausgaben in Höhe von insgesamt 68 270 562,18 Euro von der Finanzierung durch die Union aus. Dieser Betrag umfasste in Höhe von 68 146 449,98 Euro die finanziellen Folgen der beiden oben in Rn. 34 angeführten Mängel; nur diese sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

 Anträge der Parteien

37      Die Republik Österreich beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als damit die von ihr zulasten des EGFL gemeldeten Ausgaben in Höhe von 68 146 449,98 Euro von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 durch Vornahme einer Finanzkorrektur, die auf eine fehlerhafte Auslegung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 gestützt wurde

53      Mit diesem Klagegrund beanstandet die Republik Österreich die erste Finanzkorrektur, die die Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 betrifft.

54      Die Republik Österreich macht geltend, dass sie Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 richtig angewandt habe, indem sie den Verringerungskoeffizienten auf nach den einschlägigen nationalen Bestimmungen als „Almen“ eingestufte Parzellen angewandt habe, wobei diese Bestimmungen die Einstufung vom Vorliegen schwieriger klimatischer Bedingungen abhängig machten. Durch die Vornahme einer Finanzkorrektur, die damit begründet worden sei, dass diese Bestimmung nicht richtig angewandt worden sei, habe die Kommission folglich gegen Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 verstoßen.

[nicht wiedergegeben]

56      Wie oben in Rn. 26 ausgeführt, beruht die erste Finanzkorrektur wie im zusammenfassenden Bericht dargelegt darauf, dass die Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 durch die österreichischen Behörden insofern zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen geführt habe, als der Verringerungskoeffizient innerhalb desselben Gebiets nicht auf alle Parzellen angewandt worden sei, die denselben klimatischen Bedingungen ausgesetzt seien. Diese Schlussfolgerung wird insbesondere auf ein Satellitenbild gestützt, das zeigt, dass als „Almen“ eingestufte Parzellen, auf die der Verringerungskoeffizient angewandt worden ist, direkt neben anderen Dauergrünlandparzellen gelegen sind, die nicht als „Almen“ gelten und auf die der Verringerungskoeffizient nicht angewandt worden ist. Im Übrigen kann, wie oben in Rn. 50 ausgeführt, unter Berücksichtigung dieser Feststellungen das Vorbringen der Republik Österreich, dass die Einstufung von Parzellen als „Almen“ anhand von in den einschlägigen Gesetzesbestimmungen der österreichischen Bundesländer festgelegten objektiven Kriterien erfolge, nicht die Schlussfolgerung in Frage stellen, dass die österreichischen Behörden Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 nicht korrekt angewandt hätten.

[nicht wiedergegeben]

76      Als Zweites bringt die Republik Österreich vor, durch die Anwendung des Verringerungskoeffizienten auf als „Almen“ eingetragene Parzellen eine kohärente und einheitliche Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 sichergestellt zu haben.

[nicht wiedergegeben]

79      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Republik Österreich in ihren Schriftsätzen die Richtigkeit der Feststellung der Kommission, dass als „Almen“ eingestufte Parzellen anders behandelt worden seien als benachbarte Dauergrünlandparzellen, die nicht als „Almen“ eingestuft worden seien, nicht beanstandet. Ebenso wenig macht die Republik Österreich geltend, dass dies auf einem punktuellen Fehler beruhe oder dass das von der Kommission anhand des oben in Rn. 56 erwähnten Satellitenbilds gewählte Beispiel für die Gesamtlage in Österreich nicht repräsentativ sei.

80      Im Wesentlichen führt sie hingegen aus, dass die von der Kommission festgestellte Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt sei, dass hinsichtlich der klimatischen Bedingungen, denen die betreffenden Parzellen ausgesetzt seien, objektive situative Unterschiede bestünden.

81      So könnten benachbarte Parzellen unterschiedlichen mikroklimatischen Bedingungen ausgesetzt sein. Während die Kommission u. a. in der Mitteilung vom 27. November 2018 ausgeführt hat, dass als „Almen“ eingestufte Parzellen denselben klimatischen Bedingungen ausgesetzt seien wie benachbarte Parzellen in derselben Höhenlage, betont die Republik Österreich, dass für die Beurteilung der tatsächlichen klimatischen Bedingungen, denen die Parzellen ausgesetzt seien, die Höhenlage als Kriterium nicht ausreiche. Bei südlich ausgerichteten Parzellen sei beispielsweise die Sonneneinstrahlung besser, wodurch sie wärmer und trockener seien als nördlich ausgerichtete Parzellen, die länger schneebedeckt seien. Für die Eintragung von Parzellen in den Almkataster berücksichtigten die zuständigen Behörden diese mikroklimatischen Bedingungen, denen die betreffenden Parzellen ausgesetzt seien. Dabei werde insbesondere auf die Hangneigung, die Bodenstruktur, die Feuchtigkeit oder die Dauer der Schneebedeckung abgestellt.

82      Dieses Vorbringen kann die Schlussfolgerung der Kommission jedoch nicht in Frage stellen.

83      Zwar ergibt sich aus Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013, dass das Vorliegen schwieriger klimatischer Bedingungen, wie von der Kommission ausgeführt, innerhalb eines bestimmten Gebiets und nicht in Bezug auf eine einzelne Parzelle zu beurteilen ist, doch enthält diese Bestimmung keine näheren Angaben zur Größe der Gebiete, für die zu beurteilen ist, ob sie das Kriterium der schwierigen klimatischen Bedingungen erfüllen. Folglich kann insbesondere in Berggebieten nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass benachbarte Parzellen verschiedenen Gebieten zugeordnet werden können, in denen z. B. aufgrund des Gefälles oder der Ausrichtung der Parzellen unterschiedliche klimatische Bedingungen herrschen. Daher deutet der Umstand, dass der Verringerungskoeffizient auf „Almen“, aber nicht auf benachbarte Parzellen angewandt wurde, nicht zwangsläufig auf eine fehlerhafte Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 hin.

84      Abgesehen davon, dass die zuständigen Behörden für die Eintragung einer Parzelle in den Almkataster die mikroklimatischen Bedingungen berücksichtigen müssten, trägt die Republik Österreich jedoch nichts vor, was belegen würde, dass dieser Ansatz bei der Eintragung von Parzellen in den Almkataster konkret und systematisch verfolgt worden sei. Die Republik Österreich legt in diesem Zusammenhang – etwa unter Bezugnahme auf das von der Kommission verwendete Satellitenbild – nicht dar, welche besonderen mikroklimatischen Bedingungen die Aufnahme bestimmter Parzellen in den Almkataster gerechtfertigt hätten, während benachbarte Dauergrünlandparzellen außen vor blieben.

[nicht wiedergegeben]

87      Folglich kann, wie die Kommission ausführt, der Ansatz der österreichischen Behörden, den Verringerungskoeffizienten nur auf als „Almen“ eingestufte Parzellen anzuwenden, weder gewährleisten, dass dieser Koeffizient auf alle Parzellen angewandt wurde, die sich in Gebieten mit schwierigen klimatischen Bedingungen befinden, noch sicherstellen, dass er nur auf Parzellen angewandt wurde, die dieses Kriterium tatsächlich erfüllen.

88      Somit vermag das Vorbringen der Republik Österreich die Schlussfolgerung der Kommission nicht zu entkräften, wonach der Verringerungskoeffizient nicht in Einklang mit Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 angewandt worden sei.

89      Nach alledem ist der erste Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Kommission die in Rede stehende Finanzkorrektur auf eine fehlerhafte Auslegung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 gestützt habe, zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1306/2013 durch eine Finanzkorrektur, die auf eine fehlerhafte Auslegung von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b und Art. 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 gestützt wurde

90      Mit diesem Klagegrund beanstandet die Republik Österreich die zweite Finanzkorrektur, die die im Anschluss an die Untersuchung AA/2016/007/AT ergriffene Abhilfemaßnahme betrifft.

[nicht wiedergegeben]

 Erster Teil: fehlerhafte Auslegung von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013

94      Aus den Akten, insbesondere aus der oben in Rn. 27 wiedergegebenen Begründung des zusammenfassenden Berichts, ergibt sich, dass die zweite Finanzkorrektur erstens darin begründet liegt, dass die Republik Österreich gemäß Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 die Abhilfemaßnahme, die in der Zuweisung zusätzlicher Zahlungsansprüche an „Hutweiden“ bewirtschaftende Betriebsinhaber bestand, nicht aus der nationalen Reserve hätte finanzieren dürfen. Die Kommission hat die Auffassung vertreten, dass die nationale Reserve gemäß dieser Bestimmung nicht für die Bereinigung einer Situation verwendet werden dürfe, die entstanden sei, weil die österreichischen Behörden Unionsrecht falsch angewandt hätten.

95      Die Republik Österreich bestreitet die Stichhaltigkeit dieses ersten Grundes.

96      Art. 30 der Verordnung Nr. 1307/2013 sieht vor:

„(1) Jeder Mitgliedstaat richtet eine nationale Reserve ein. Dazu nehmen die Mitgliedstaaten im ersten Anwendungsjahr der Basisprämienregelung eine lineare prozentuale Kürzung der für die Basisprämienregelung auf nationaler Ebene geltenden Obergrenze vor.

(4) Die Mitgliedstaaten weisen Zahlungsansprüche aus ihren nationalen oder regionalen Reserven nach objektiven Kriterien und unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber sowie unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen zu.

(6) Die Mitgliedstaaten verwenden ihre nationalen oder regionalen Reserven vorrangig dazu, Junglandwirten und Betriebsinhabern, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, Zahlungsansprüche zuzuweisen.

(7) Die Mitgliedstaaten können ihre nationalen oder regionalen Reserven dazu verwenden,

a)      Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, um die Aufgabe von Flächen zu vermeiden, einschließlich in Gebieten, die in Umstrukturierungs- oder Entwicklungsprogramme im Zusammenhang mit bestimmten öffentlichen Maßnahmen eingebunden sind[;]

b)      Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, um ihnen einen Ausgleich für spezifische Nachteile zu gewähren;

c)      Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, denen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände keine Zahlungsansprüche nach diesem Kapitel zugewiesen werden konnten;

d)      in Fällen, in denen sie Artikel 21 Absatz 3 dieser Verordnung anwenden, Betriebsinhaber[n] Zahlungsansprüche zuzuweisen, bei denen die Zahl der beihilfefähigen Hektarflächen, die sie gemäß Artikel 72 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Verordnung … Nr. 1306/2013 2015 angemeldet haben und die ihnen zu einem von dem betreffenden Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt, der nicht nach dem in diesem Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung dieses Beihilfeantrags liegen darf, zur Verfügung stehen, über der Anzahl der eigenen oder gepachteten Zahlungsansprüche liegt, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 festgesetzt wurden und die sie zu dem gemäß Artikel 78 Unterabsatz 1 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 1306/2013 festzusetzenden Termin für die Einreichung von Anträgen innehaben;

e)      eine dauerhafte lineare Erhöhung des Wertes aller Zahlungsansprüche im Rahmen der Basisprämienregelung auf nationaler oder regionaler Ebene vorzunehmen, wenn die einschlägige nationale oder die regionale Reserve 0,5 % der jährlichen nationalen oder regionalen Obergrenze der Basisprämienregelung übersteigt, sofern für die Zuweisungen gemäß Absatz 6, gemäß Buchstabe a und [b] des vorliegenden Absatzes und gemäß Absatz 9 dieses Artikels hinreichende Beträge verfügbar bleiben;

f)      den jährlichen Bedarf für gemäß Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absätze 1, 2 und 3 der vorliegenden Verordnung zu gewährende Zahlungen zu decken.

Für die Zwecke dieses Absatzes beschließen die Mitgliedstaaten, welchen der darin genannten verschiedenen Verwendungen sie Vorrang einräumen.

…“

97      Die Republik Österreich macht geltend, dass die ursprüngliche Zuweisung unzureichender Zahlungsansprüche an „Hutweiden“ bewirtschaftende Betriebsinhaber aufgrund der fehlerhaften Anwendung des Verringerungskoeffizienten für diese Betriebsinhaber einen spezifischen Nachteil im Sinne von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 darstelle. Nach Ansicht der Kommission kann der Begriff des spezifischen Nachteils hingegen keine Anwendung finden, wenn – wie im vorliegenden Fall – der bestimmten Betriebsinhabern entstandene Nachteil auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen die Bestimmungen des Unionsrechts zurückzuführen ist.

98      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Baumgartner, C‑513/17, EU:C:2018:772, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Zum Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung ist als Erstes festzustellen, dass Art. 30 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 eine abschließende Liste der Fälle enthält, in denen die Verwendung der nationalen Reserve nach dieser Bestimmung möglich ist. Damit die Verwendung der nationalen Reserve als gemäß Art. 30 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 zulässig angesehen werden kann, muss sie mithin unter einen der in den Buchst. a bis f dieser Bestimmung genannten Fälle fallen, was von den Parteien, insbesondere der Republik Österreich, nicht bestritten wird. Diese ist nämlich der Ansicht, die nationale Reserve im Einklang mit Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 verwendet zu haben.

100    Im Übrigen wird der Begriff „spezifische Nachteile“ in der Verordnung Nr. 1307/2013 nicht definiert. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch bezieht sich der Ausdruck „Nachteil“ auf einen Schaden oder auch auf die Unterlegenheit einer Person. Die Verwendung des Ausdrucks „einen Ausgleich gewähren“ in der in Rede stehenden Bestimmung bestätigt, dass die fraglichen Nachteile einem dem Betriebsinhaber entstandenen Schaden gleichkommen.

101    Es ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Adjektiv „spezifisch“ in der in Rede stehenden Bestimmung den vom Betriebsinhaber erlittenen Nachteil beschreibt. Dieser Ausdruck, der im wörtlichen Sinne auf dasjenige verweist, was einer Art eigen oder allen Individuen der selben Art gemeinsam ist, spricht für eine Auslegung, wonach die fraglichen Nachteile bestimmte Kategorien von Betriebsinhabern betreffen, die sich von den anderen durch Besonderheiten unterscheiden, die in ihrer Situation begründet liegen.

102    Dagegen genügt der Umstand, dass Betriebsinhaber unter den Folgen eines von einem Mitgliedstaat bei der Anwendung des Unionsrechts begangenen Fehlers leiden, nicht für die Annahme, dass diese Betriebsinhaber zu einer bestimmten Kategorie gehören und dass der Nachteil, den sie aufgrund dieses Fehlers erleiden, aus diesem Grund als für sie spezifisch angesehen werden müsste. Dies gilt umso mehr, als sich der fragliche Fehler nach der in Rede stehenden Bestimmung und der Art der vom Mitgliedstaat begangenen Regelwidrigkeit auf eine mehr oder weniger große Zahl von Betriebsinhabern oder in bestimmten Fällen sogar auf alle Betriebsinhaber des betreffenden Mitgliedstaats auswirken kann.

103    Folglich spricht der Wortlaut von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 für eine Auslegung dieser Bestimmung, wonach der Begriff „spezifische Nachteile“ keine Nachteile umfasst, die auf einen Fehler eines Mitgliedstaats bei der Anwendung des Unionsrechts zurückzuführen sind.

104    Die wörtliche Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung führt jedoch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, so dass der Zusammenhang und die Ziele zu untersuchen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der diese Bestimmung gehört.

105    Zum Zusammenhang, in den sich diese Vorschrift einfügt, ist als Zweites wie von der Kommission angeregt zu prüfen, wie sich Abs. 6 und 7 des Art. 30 der Verordnung Nr. 1307/2013 zueinander verhalten. Die Verwendung des Ausdrucks „vorrangig“ in Abs. 6 ist so zu verstehen, dass Mitgliedstaaten nur dann Mittel aus der nationalen Reserve für die in Abs. 7 aufgezählten subsidiären Zwecke verwenden können, wenn nach der in Abs. 6 vorgesehenen vorrangigen Zuweisung genügend Mittel in der nationalen Reserve verbleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2021, Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg, C‑365/19, EU:C:2021:189, Rn. 29). Dieses Prioritätsverhältnis zwischen Abs. 6 und 7 des Art. 30 der Verordnung Nr. 1307/2013 zeigt, dass die in Abs. 7 vorgesehenen Verwendungen der Reserve, die gegenüber den in Abs. 6 vorgesehenen Fällen subsidiär sind, nicht weit ausgelegt werden dürfen.

106    Zum Zusammenhang, in den sich die in Rede stehende Bestimmung einfügt, ist außerdem festzustellen, dass in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Kommission vom 11. März 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und zur Änderung des Anhangs X der genannten Verordnung (ABl. 2014, L 181, S. 1) näher auf den Begriff „spezifischer Nachteil“ im Sinne von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 eingegangen wird.

107    Nach Art. 31 Abs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014 kann nämlich, wenn die Anzahl der einem Betriebsinhaber durch die Anwendung einer oder mehrerer Begrenzungen bei der Zuweisung von Zahlungsansprüchen gemäß Art. 24 Abs. 3 bis 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 unter einen bestimmten Prozentsatz seiner beihilfefähigen Hektarflächen fällt, davon ausgegangen werden, dass er sich in einer Situation „spezifischer Nachteile“ gemäß Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 befindet.

108    Art. 31 Abs. 2 der Delegierten Verordnung Nr. 639/2014 stützt also die Auslegung, dass der Begriff „spezifische Nachteile“ sich insbesondere auf Nachteile bezieht, die in der besonderen Situation bestimmter Betriebsinhaber begründet liegen, die u. a. durch die – rechtmäßige – Anwendung bestimmter Bestimmungen der Verordnung Nr. 1307/2013 entstehen kann.

109    Es zeigt sich, dass sich diese Situation von jener im vorliegenden Fall unterscheidet, in der ein Mitgliedstaat bei der Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen im Rahmen der Durchführung der Basisprämienregelung Bestimmungen der Verordnung Nr. 1307/2013 unrichtig angewandt hat und zur Bereinigung dieser Situation beschließt, bestimmten Betriebsinhabern Zahlungsansprüche zuzuweisen, die ihnen bei korrekter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen von Beginn an zugestanden hätten.

110    Die Kommission macht zum Zusammenhang, in den sich die in Rede stehende Bestimmung einfügt, zwar geltend, dass die anderen in Art. 30 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1307/2013 vorgesehenen Fälle der Verwendung der Reserve darauf ausgerichtet seien, Betriebsinhabern für in ihrer Situation begründete Nachteile einen Ausgleich zu gewähren; für Art. 30 Abs. 7 Buchst. e und f dieser Verordnung gilt dies hingegen nicht. Daher kann der Vergleich von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b dieser Verordnung mit den anderen in diesem Absatz vorgesehenen Fällen der Verwendung der Reserve keine der von den Parteien vertretenen Auslegungen stützen.

111    Zu den Zielen, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der die in Rede stehende Bestimmung gehört, ist als Drittes festzustellen, dass das vom Unionsgesetzgeber mit der Einrichtung der nationalen oder regionalen Reserven verfolgte Ziel aus dem 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1307/2013 hervorgeht: Demnach sollten die „nationalen oder regionalen Reserven … vorrangig dazu verwendet werden, die Teilnahme von Junglandwirten und von Betriebsinhabern, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen, an der Regelung zu erleichtern, und ihre Verwendung sollte erlaubt sein, um bestimmten anderen besonderen Situationen gerecht zu werden“. Die Einrichtung der Reserve soll es den Mitgliedstaaten also ermöglichen, Betriebsinhaber zu unterstützen, die sich in besonderen Situationen befinden – in erster Linie Junglandwirte und solche, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen.

112    Im vorliegenden Fall lag der Nachteil für „Hutweiden“ bewirtschaftende Betriebsinhaber, die von der Anwendung des Verringerungskoeffizienten zu Unrecht betroffen waren, nicht in ihrer Situation begründet und auch nicht auf eine ihnen eigene Eigenschaft zurückzuführen: Er entstand vielmehr daraus, dass die österreichischen Behörden diese Betriebsinhaber durch eine fehlerhafte Anwendung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 um Zahlungsansprüche brachten, die ihnen von Beginn an zugestanden hätten.

113    Das Vorbringen der Republik Österreich, dass sich die unrichtige Anwendung des Unionsrechts nur auf Besitzer von „Hutweiden“ ausgewirkt habe – was im Übrigen zweifelhaft ist, da die in Rede stehende Unregelmäßigkeit, wie von der Kommission zu Recht ausgeführt, Auswirkungen auf den Wert der Zahlungsansprüche aller österreichischen Betriebsinhaber hatte –, kann daher nicht zu der Annahme führen, dass sich die Besitzer von „Hutweiden“ in einer Situation befunden hätten, die einen spezifischen Nachteil darstellte, wodurch die Republik Österreich ihnen gemäß Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 zusätzliche Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve hätte zuweisen dürfen.

114    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Zuweisung zusätzlicher Zahlungsansprüche an „Hutweiden“ bewirtschaftende Betriebsinhaber zum Ausgleich der unrichtigen Anwendung des Verringerungskoeffizienten nicht auf der Grundlage von Art. 30 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 1307/2013 aus der nationalen Reserve finanziert werden durfte.

[nicht wiedergegeben]

118    Nach alledem kann die Republik Österreich die Stichhaltigkeit des ersten Grundes für die zweite Finanzkorrektur nicht mit Erfolg beanstanden. Der erste Teil ihres zweiten Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013

135    Mit diesem Klagegrund macht die Republik Österreich geltend, dass die Kommission gegen Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013 insofern verstoßen habe, als die mit dem angefochtenen Beschluss von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossenen Ausgaben auch Zahlungen beträfen, die vor dem 27. November 2016 getätigt worden seien.

136    Dieser Klagegrund betrifft die erste Finanzkorrektur, die die Antragsjahre 2015 bis 2019, also die Haushaltsjahre 2016 bis 2020, umfasst.

137    Art. 52 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1306/2013 bestimmt:

„Die Finanzierung kann für folgende Ausgaben nicht abgelehnt werden:

a)      Ausgaben nach Artikel 4 Absatz 1, die über 24 Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat;

…“

138    Die Mitteilung der Ergebnisse der Überprüfungen der Kommission entspricht der Mitteilung nach Art. 34 Abs. 2 Unterabs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 908/2014, mit der die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat die Feststellungen ihrer Untersuchung mitteilt und die Abhilfemaßnahmen nennt, die künftig die Beachtung dieser Vorschriften sicherstellen sollen, sowie die vorläufige Höhe der Finanzkorrektur, die sie in der gegenwärtigen Phase des Verfahrens als ihren Feststellungen entsprechend erachtet.

139    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass diese Mitteilung, damit sie den ihr zukommenden Warnzweck erfüllen kann, dem betroffenen Mitgliedstaat eine umfassende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission zu vermitteln hat. Folglich müssen in dieser Mitteilung der Gegenstand der von der Kommission durchgeführten Überprüfungen und die dabei festgestellten Mängel hinreichend genau angegeben werden. Auf diese kann sich die Kommission dann später berufen, um glaubhaft zu machen, dass an von den nationalen Verwaltungen durchgeführten Kontrollen oder den von diesen vorgelegten Zahlen ernsthafte und vernünftige Zweifel bestehen, und so die Finanzkorrekturen rechtfertigen, die im endgültigen Beschluss vorgenommen werden, mit dem bestimmte von dem betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen des EGFL getätigte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 7. Juni 2013, Portugal/Kommission, T‑2/11, EU:T:2013:307, Rn. 58 und 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 25. September 2018, Schweden/Kommission, T‑260/16, EU:T:2018:897, Rn. 39 und 40).

140    Sofern sie den oben in Rn. 139 genannten Erfordernissen entspricht, bildet die Mitteilung nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 der Durchführungsverordnung Nr. 908/2014 also den Bezugspunkt für die Berechnung der in Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen Frist von 24 Monaten (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Mai 2012, Spanien/Kommission, C‑24/11 P, EU:C:2012:266, Rn. 31).

141    Der Rechtsprechung ist außerdem zu entnehmen, dass die Beschränkung des Zeitraums, für den die Kommission bestimmte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausschließen kann, die Mitgliedstaaten gegen die Rechtsunsicherheit schützen soll, die sich ergäbe, wenn die Kommission noch Ausgaben beanstanden könnte, die bereits mehrere Jahre vor dem Erlass eines Konformitätsbeschlusses getätigt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2002, Spanien/Kommission, C‑130/99, EU:C:2002:192, Rn. 133).

142    Im vorliegenden Fall war Gegenstand der Untersuchung AA/2016/007/AT zwar u. a. die Einhaltung von Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013, doch hat die Kommission, wie die Republik Österreich ausführt, im Lauf dieser Untersuchung den sich auf die fehlerhafte Anwendung des Verringerungskoeffizienten beziehenden Verstoß gerade nur in Bezug auf „Hutweiden“ festgestellt. Zwar wurde im Zuge dieser Untersuchung auch auf „Almen“ eingegangen, doch wurde bei Abschluss der Untersuchung hierzu kein entsprechender Verstoß festgestellt. Im Rahmen der Untersuchung AA/2018/010/AT hat die Kommission in ihrer Mitteilung vom 27. November 2018 ausgeführt, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt auf der Grundlage der Angaben der österreichischen Behörden in Zusammenhang mit der Untersuchung AA/2016/007/AT davon ausgegangen sei, dass das in Art. 24 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1307/2013 vorgesehene Kriterium der schwierigen klimatischen Bedingungen in Bezug auf „Almen“ korrekt angewandt worden sei.

143    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass erstmals in der Mitteilung vom 27. November 2018, die im Rahmen der Untersuchung AA/2018/010/AT an die Republik Österreich übermittelt wurde, der von der Kommission festgestellte Mangel der unrichtigen Anwendung des Verringerungskoeffizienten auf „Almen“ hinreichend genau benannt wurde.

144    Im Übrigen wurde die besondere Situation der „Almen“ während der ersten Untersuchung zwar thematisiert, die Kommission gelangte in diesem Stadium aber nicht zu dem Ergebnis, dass diesbezüglich ein Mangel vorliege. Wie von der Republik Österreich geltend gemacht, kann sich dieser Umstand jedenfalls nicht auf die Anwendung der in Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013 vorgesehenen zeitlichen Beschränkung von Finanzkorrekturen auswirken.

145    Daraus folgt, dass, wie von der Republik Österreich vorgetragen, auch im Hinblick auf die finanziellen Folgen der unrichtigen Anwendung des Verringerungskoeffizienten auf „Almen“, die zur ersten Finanzkorrektur führte, mit der Mitteilung vom 27. November 2018 die in Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013 genannte Frist von 24 Monaten zu laufen begann. Folglich konnte die Kommission Ausgaben, die vor dem 27. November 2016 getätigt wurden, nicht von der Finanzierung durch die Union ausschließen.

146    Aus den Akten und insbesondere aus dem angefochtenen Beschluss geht jedoch hervor, dass die Kommission bei der ersten Finanzkorrektur, für die in der Tabelle im Anhang dieses Beschlusses der Grund „Zuweisung von Zahlungsansprüchen – Konvergenz“ angeführt wurde, Ausgaben der Haushaltsjahre 2016 und 2017, die am 16. Oktober 2015 bzw. am 16 Oktober 2016 begannen, von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen hat. Die Kommission hat somit Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen, die vor dem 27. November 2016 getätigt wurden. Dies stellt einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1306/2013 dar.

[nicht wiedergegeben]

152    Folglich ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er, was die erste in Rede stehende Finanzkorrektur betrifft, vor dem 27. November 2016 getätigte Ausgaben von der Finanzierung durch die Union ausgeschlossen hat.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zehnte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Durchführungsbeschluss (EU) 2022/908 der Kommission vom 8. Juni 2022 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union wird insoweit für nichtig erklärt, als er, was die Finanzkorrektur betrifft, für die in der Tabelle im Anhang dieses Beschlusses der Grund „Zuweisung von Zahlungsansprüchen – Konvergenz“ für die Haushaltsjahre 2016 bis 2020 angeführt wird, Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union ausgeschlossen hat, die die Republik Österreich vor dem 27. November 2016 zulasten des EGFL getätigt hat.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Republik Österreich und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Porchia

Madise

Verschuur

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Februar 2024.

Unterschriften




Leave a Comment

Schreibe einen Kommentar