BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER NEUNTEN KAMMER DES GERICHTS
13. November 2024(* )
„ Streithilfe – Zurückweisung – Nach Ablauf der in der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist eingereichter Antrag auf Zulassung zur Streithilfe “
In der Rechtssache T‑309/24,
Hanseatic Energy Hub GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. von Hammerstein und H. Heller,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch L. Wildpanner, M. Abenhaïm und I. Georgiopoulos als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller, R. Kanitz und P.‑L. Krüger, als Bevollmächtigte,
Streithelferin.
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2023) 5245 final der Kommission vom 27. Juli 2023 über die von der Bundesrepublik Deutschland für die Errichtung und den Betrieb des landseitigen Flüssigerdgas-Terminals Brunsbüttel (Deutschland) gewährte staatliche Beihilfe SA.102163.
2 Mit Schriftsatz, der am 27. September 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die ClientEarth AISBL, die ClientEarth gGmbH und die Deutsche Umwelthilfe e. V. beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden.
3 Nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können alle natürlichen oder juristischen Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines beim Gericht anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen, diesem beitreten, es sei denn, es handelt sich um einen Rechtsstreit zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Organen der Union oder zwischen Mitgliedstaaten und Organen der Union.
4 Gemäß Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf Zulassung zur Streithilfe innerhalb von sechs Wochen nach der Veröffentlichung im Sinne des Art. 79 dieser Verfahrensordnung gestellt werden. Nach Art. 60 der Verfahrensordnung wird diese Frist außerdem um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert.
5 Im vorliegenden Fall erfolgte die Veröffentlichung gemäß Art. 79 der Verfahrensordnung durch Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union am 5. August 2024.
6 Daraus folgt, dass die Frist für die Einreichung eines Antrags auf Zulassung zur Streithilfe im vorliegenden Verfahren nach den oben in Rn. 4 genannten Bestimmungen und gemäß den in Art. 58 der Verfahrensordnung vorgesehenen Berechnungsmodalitäten am 26. September 2024 abgelaufen ist.
7 Folglich wurde der am 27. September 2024 eingereichte Antrag auf Zulassung zur Streithilfe nach Ablauf der in der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist gestellt.
8 Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass von den Unionsvorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen – bei Vorliegen eines Zufalls oder eines Falles höherer Gewalt im Sinne von Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union – abgewichen werden kann, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern (vgl. Beschluss vom 1. August 2022, Soudal und Esko-Graphics/Magnetrol und Kommission, C‑74/22 P[I], EU:C:2022:632, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
9 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff der höheren Gewalt oder des Zufalls, der außergewöhnlichen Umständen entspricht, ein objektives und ein subjektives Merkmal, von denen sich Ersteres auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Betroffenen liegende Umstände bezieht, und Letzteres mit der Verpflichtung des Betroffenen zusammenhängt, sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse zu wappnen, indem er, ohne übermäßige Opfer zu bringen, geeignete Maßnahmen trifft (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 12. Juli 2022, Cipla Europe/EUIPO und Glaxo Group, C‑245/22 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2022:549, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
10 Wer einen Antrag auf Zulassung zur Streithilfe stellt, muss daher ebenso wie der Kläger den Ablauf des eingeleiteten Verfahrens sorgfältig überwachen und insbesondere zum Zweck der Einhaltung der vorgesehenen Fristen Sorgfalt walten lassen. Die Begriffe „Zufall“ und „höhere Gewalt“ treffen nicht auf eine Situation zu, in der eine sorgfältige und umsichtige Person objektiv in der Lage gewesen wäre, den Ablauf einer Klagefrist zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 11. Juni 2020, GMPO/Kommission, C‑575/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:448, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
11 Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass sich die oben in Rn. 2 genannten Antragsteller in ihrer am 27. September 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme, in der sie die verspätete Einreichung ihrer Schriftsätze erklären, nicht ausdrücklich auf das Vorliegen eines Zufalls oder eines Falles höherer Gewalt im Sinne der oben in den Rn. 8 bis 10 angeführten Rechtsprechung berufen haben.
12 Zweitens ist auch nicht ersichtlich, dass die Umstände, auf die sich die oben in Rn. 2 genannten Antragsteller berufen, um die verspätete Einreichung ihres Antrags auf Zulassung zur Streithilfe zu rechtfertigen, einen Zufall oder einen Fall höherer Gewalt darstellen.
13 Diese Umstände bestehen nämlich zum einen darin, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller den Zeitaufwand für die Fertigstellung der Schriftsätze und Anlagen unterschätzt habe, und zum anderen darin, dass er zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für den Streithilfeantrag im vorliegenden Verfahren sehr intensiv mit einer anderen beim Gericht anhängigen Rechtssache befasst gewesen sei.
14 Fehler, die von Mitarbeitern eines Klägers oder eines Antragstellers oder von Dienstleistern, auf die diese bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zurückgreifen, begangen werden, stellen jedoch keine Umstände dar, die außerhalb der Sphäre des Klägers oder des Antragstellers liegen, und können daher nicht als Nachweis eines Zufalls oder Falles höherer Gewalt angeführt werden (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2024, Accord Healthcare/Ferring Pharmaceuticals und Kommission, C‑599/24 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2024:877, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
15 Somit ist für die Anwendung von Art. 45 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zwischen dem Verhalten des Antragstellers selbst und dem seiner Anwälte zu unterscheiden (Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 4. Oktober 2024, Accord Healthcare/Ferring Pharmaceuticals und Kommission, C‑599/24 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2024:877, Rn. 19).
16 Folglich haben die oben in Rn. 2 genannten Antragsteller nicht nachgewiesen, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt vorgelegen hätte, der es nach Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach deren Art. 53 auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, erlauben würde, von der Einhaltung der fraglichen Frist abzusehen.
17 Der Antrag auf Zulassung zur Streithilfe ist daher zurückzuweisen, ohne dass er den Hauptparteien zugestellt werden müsste.
Kosten
18 Nach Art. 144 Abs. 6 der Verfahrensordnung muss der Beschluss, wenn der Antrag auf Zulassung zur Streithilfe zurückgewiesen wird, eine Entscheidung gemäß den Art. 134, 135 und 138 der Verfahrensordnung über die im Zusammenhang mit dem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe entstandenen Kosten, einschließlich der Kosten des Antragstellers, enthalten.
19 Da der vorliegende Beschluss ergangen ist, bevor der Antrag auf Zulassung zur Streithilfe den Hauptparteien zugestellt wurde und ihnen Kosten entstehen konnten, ist zu entscheiden, dass die Antragsteller ihre eigenen Kosten tragen.
Aus diesen Gründen hat
DER PRÄSIDENT DER NEUNTEN KAMMER DES GERICHTS
beschlossen:
1. Der von der ClientEarth AISBL, der ClientEarth gGmbH und der Deutschen Umwelthilfe e. V. gestellte Antrag auf Zulassung zur Streithilfe in der Rechtssache T ‑309/24 wird zurückgewiesen.
2. Die ClientEarth AISBL, die ClientEarth gGmbH und die Deutsche Umwelthilfe e. V. tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Luxemburg, den 13. November 2024
Der Kanzler
Der Präsident