T-235/16 – GP Joule PV/ EUIPO – Green Power Technologies (GPTech)

T-235/16 – GP Joule PV/ EUIPO – Green Power Technologies (GPTech)

Language of document : ECLI:EU:T:2017:413

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

21. Juni 2017(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionsbildmarke GPTech – Ältere Unionswortmarken GP JOULE – Unterbliebene Vorlage von Nachweisen für die Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs bei der Widerspruchsabteilung – Vorlage von Beweismitteln erstmals vor der Beschwerdekammer – Nichtberücksichtigung – Ermessen der Beschwerdekammer – Umstände, die der Berücksichtigung zusätzlicher oder ergänzender Beweismittel entgegenstehen – Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Regel 17 Abs. 4, Regel 19 Abs. 2, Regel 20 Abs. 1 und Regel 50 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95“

In der Rechtssache T‑235/16

GP Joule PV GmbH & Co. KG mit Sitz in Reußenköge (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. Döring,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Zaera Cuadrado als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Green Power Technologies, SL, mit Sitz in Bollullos de la Mitación (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 9. Februar 2016 (Sache R 848/2015-2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen GP Joule PV und GreenPower Technologies,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović sowie der Richter A. Marcoulli und A. Kornezov (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 10. Mai 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 29. Juli 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,

aufgrund der Zuweisung der Rechtssache an die Siebte Kammer und an einen neuen Berichterstatter,

aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil(1)

[nicht wiedergegeben]

 Anträge der Parteien

15      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Eintragung der angemeldeten Marke abzulehnen;

–        hilfsweise, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

16      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

23      Die Klägerin macht zur Stützung ihres Antrags auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine fehlerhafte Anwendung der Regeln über das Widerspruchsverfahren, und mit dem zweiten macht sie eine fehlerhafte Anwendung von Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

[nicht wiedergegeben]

 Zweiter Klagegrund: fehlerhafte Anwendung von Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 und von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009

[nicht wiedergegeben]

39      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 Folgendes vorsieht: „Richtet sich die Beschwerde gegen die Entscheidung einer Widerspruchsabteilung, so beschränkt die Beschwerdekammer die Prüfung der Beschwerde auf die Sachverhalte und Beweismittel, die innerhalb der von der Widerspruchsabteilung nach Maßgabe der Verordnung und dieser Regeln festgesetzten Frist vorgelegt werden, sofern die Beschwerdekammer nicht der Meinung ist, dass zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel gemäß Artikel [76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009] berücksichtigt werden sollten.“

40      Nach Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 braucht das EUIPO Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen.

41      Die Verordnung Nr. 207/2009 sieht daher ausdrücklich vor, dass die Beschwerdekammer bei der Prüfung einer Beschwerde gegen die Entscheidung einer Widerspruchsabteilung über das sich aus Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebende Ermessen im Hinblick auf die Entscheidung verfügt, ob zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel, die nicht innerhalb der von der Widerspruchsabteilung festgesetzten Frist vorgelegt wurden, zu berücksichtigen sind oder nicht (Urteile vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑122/12 P, EU:C:2013:628, Rn. 33, vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑120/12 P, EU:C:2013:638, Rn. 32, und vom 3. Oktober 2013, Rintisch/HABM, C‑121/12 P, EU:C:2013:639, Rn. 33).

42      Insoweit hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass sich die französische Fassung von Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 von der spanischen, der deutschen und der englischen Fassung in einem wesentlichen Punkt unterscheidet. Während nämlich diese zuletzt genannten Fassungen vorsehen, dass die Beschwerdekammer nur zusätzliche oder ergänzende Sachverhalte und Beweismittel berücksichtigen kann, werden diese Sachverhalte und Beweismittel in der französischen Fassung als „nouveaux ou supplémentaires“ („neue oder ergänzende“) bezeichnet (Urteil vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 23).

43      Ausgehend von der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung, zu der diese Bestimmung gehört, und insbesondere von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, der die Rechtsgrundlage von Regel 50 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2868/95 darstellt, ist der Gerichtshof hinsichtlich des Nachweises der Benutzung einer Marke zu dem Schluss gekommen, dass das EUIPO, wenn innerhalb der von ihm festgesetzten Frist diesbezüglich keinerlei Nachweis vorgelegt wird, den Widerspruch von Amts wegen zurückweisen muss. Wenn dagegen Beweismittel innerhalb der vom EUIPO gesetzten Frist vorgelegt worden sind, ist die Vorlage ergänzender Nachweise weiterhin möglich (vgl. Urteil vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 24 bis 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass die gleiche Auslegung von Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 gelten muss, wenn es um den Nachweis über die Existenz, die Gültigkeit und den Schutzumfang der Marke geht, weil diese Vorschrift eine Regel enthält, die im System dieser Verordnung eine übergreifende Rolle spielt, da sie unabhängig von der Art des betreffenden Verfahrens anwendbar ist. Daraus folgt, dass Regel 50 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie das Ermessen der Beschwerdekammer auf neue Beweismittel erstreckt (Urteil vom 21. Juli 2016, EUIPO/Grau Ferrer, C‑597/14 P, EU:C:2016:579, Rn. 27), sondern nur auf sogenannte „ergänzende“ oder „zusätzliche“ Beweismittel, die zu den fristgerecht vorgelegten relevanten Beweismitteln hinzukommen (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, CEDC International/HABM – Underberg [Form eines Grashalms in einer Flasche], T‑235/12, EU:T:2014:1058, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Somit ist zu prüfen, ob die Erklärung vom 15. Juli 2015, die erstmals bei der Beschwerdekammer vorgelegt worden ist, als „ergänzendes“ oder „zusätzliches“ Beweismittel im Sinne von Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Auslegung durch die in den Rn. 41 bis 44 angeführte Rechtsprechung bezeichnet werden kann.

46      Es ist unstreitig, dass die Klägerin weder innerhalb der festgesetzten Frist noch überdies zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe des Verfahrens vor der Widerspruchsabteilung einen Nachweis ihrer Befugnis gemäß Regel 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2868/95 erbracht hat, und dies obgleich die Klägerin, wie oben in Rn. 6 festgestellt worden ist, vom EUIPO eindeutig informiert wurde, dass sie Unterlagen vorlegen müsse, um nachzuweisen, dass sie zum einen Lizenznehmerin sei, und dass sie zum anderen vom Inhaber der älteren Marken bevollmächtigt worden sei, Widerspruch einzulegen. Im Übrigen steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Erteilung einer Lizenz für die älteren Marken nicht gemäß Art. 22 der Verordnung Nr. 207/2009 in das Register des EUIPO eingetragen worden ist.

47      Darüber hinaus stellen die in der Stellungnahme der Klägerin vom 20. Februar 2015 enthaltenen Äußerungen, denen zufolge sie ausschließliche Lizenznehmerin des Inhabers der älteren Marken sei, eine bloße Behauptung dar, die nicht durch Beweismittel gestützt wird. Unter diesen Umständen kann die Erklärung vom 15. Juli 2015 nicht als „ergänzendes“ oder „zusätzliches“ Beweismittel angesehen werden, das zu Beweismitteln hinzukommt, die die Klägerin bereits vorgelegt hat.

48      Was das Argument der Klägerin angeht, ihre Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs ergebe sich offensichtlich aus der Tatsache, dass ihre Bezeichnung mit der Bezeichnung in den dem Widerspruch zugrunde liegenden älteren Marken identisch sei, genügt im Einklang mit dem EUIPO die Feststellung, dass von diesem Umstand nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Klägerin über eine Befugnis verfügt. Die bloße Tatsache, dass sich ein Zeichen ganz oder teilweise mit einer Firmenbezeichnung deckt, kann auf verschiedene Umstände des Geschäftslebens zurückzuführen sein, und kann offensichtlich nicht ein beweiskräftiges Dokument wie eine Lizenzvereinbarung ersetzen, die sowohl die Eigenschaft als Lizenznehmer als auch den Umfang der Rechte des Lizenznehmers beweist. Insoweit können die Rechte des Lizenznehmers unterschiedlichen Beschränkungen unterliegen, die u. a. die von der Lizenz erfassten Waren und Dienstleistungen betreffen, das Gebiet, für das die Lizenz erteilt wurde und die Bedingungen, unter denen der Lizenznehmer zur Einlegung eines Widerspruchs bevollmächtigt wird.

49      Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die Erklärung vom 15. Juli 2015 nicht als „ergänzendes“ oder „zusätzliches“ Beweismittel bezeichnet werden kann und folglich nicht gemäß Regel 50 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 und Art. 76 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 in ihrer Auslegung durch die in den Rn. 41 bis 44 zitierte Rechtsprechung berücksichtigt werden konnte.

50      Somit ist der zweite Klagegrund der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die GP Joule PV GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

Tomljenović

Marcoulli

Kornezov

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Juni 2017.

Unterschriften



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