T-21/10 – Deutschland / Kommission
Vorläufige Fassung
BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
13. September 2017(*)
„Nichtigkeitsklage – EFRE – Kürzung einer finanziellen Beteiligung – Nichteinhaltung der Frist für den Erlass einer Entscheidung – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Offensichtlich begründete Klage“
In der Rechtssache T‑21/10
Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch J. Möller, T. Henze und C. Blaschke, dann durch J. Möller und T. Henze als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt C. von Donat,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann, B. Conte und A. Steiblytė als Bevollmächtigte,
Beklagte,
betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 9049 der Kommission vom 13. November 2009 zur Kürzung der Finanzhilfe aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für das Einheitliche Programmplanungsdokument Ziel 2 Saarland (1997-1999) in der Bundesrepublik Deutschland gemäß der Entscheidung K(97) 1123 der Kommission vom 7. Mai 1997
erlässt
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias, der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters I. Ulloa Rubio,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Rechtlicher Rahmen
1 Für die Programmplanungszeiträume 1989–1993 und 1994–1999 wurden die Regeln für Strukturfonds (insbesondere in Bezug auf Ziele, Programmierung, Zahlungen, Verwaltung, Kontrolle und Finanzkorrekturen) u. a. in der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente (ABl. 1988, L 185, S. 9), die u. a. durch die Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. 1993, L 193, S. 5) geändert wurde, sowie in der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. 1988, L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 (ABl. 1993, L 193, S. 20) geänderten Fassung niedergelegt.
2 Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 bestimmt:
„(1) Wird eine Aktion oder eine Maßnahme so ausgeführt, dass die gewährte finanzielle Beteiligung weder teilweise noch insgesamt gerechtfertigt erscheint, so nimmt die Kommission eine entsprechende Prüfung des Falls im Rahmen der Partnerschaft vor und fordert insbesondere den Mitgliedstaat oder die von ihm für die Durchführung der Aktion benannten Behörden auf, sich innerhalb einer bestimmten Frist dazu zu äußern.
(2) Nach dieser Prüfung kann die Kommission die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen, wenn durch die Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit oder eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet wurde.
…“
3 Die Verordnungen Nrn. 2052/88 und 4253/88 wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2000 durch die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. 1999, L 161, S. 1) ersetzt.
4 Gemäß Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 berührt diese Verordnung weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer Intervention, die vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf der Grundlage der Verordnungen Nrn. 2052/88 und 4253/88 sowie jeder sonstigen für diese Intervention am 31. Dezember 1999 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden ist.
5 Die Verordnung Nr. 1260/1999 wurde aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds (ABl. 2006, L 210, S. 25).
6 Art. 100 („Verfahren“) der Verordnung Nr. 1083/2006 lautet:
„(1) Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.
Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Unterabsatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.
(2) Die Kommission berücksichtigt jedes Beweismaterial, das der Mitgliedstaat innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist vorlegt.
(3) Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, bei der beide Seiten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit bemüht sind, zu einer Einigung über die Feststellungen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zu gelangen.
(4) Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat die betreffenden Gemeinschaftsmittel gemäß Artikel 98 Absatz 2 Unterabsatz 2 wieder einsetzen.
(5) Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet die Kommission binnen sechs Monaten nach der Anhörung über die finanzielle Berichtigung, wobei sie alle Informationen und Bemerkungen berücksichtigt, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission versandten Einladungsschreibens.“
7 Art. 105 („Übergangsvorschriften“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1083/2006 bestimmt:
„Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Aufhebung, einer durch die Strukturfonds kofinanzierten Intervention oder eines durch den Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekts, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 …, (EWG) Nr. 4253/88 …, (EG) Nr. 1164/94 … und (EG) Nr. 1260/1999 sowie jeder sonstigen für diese Interventionen am 31. Dezember 2006 geltenden Rechtsvorschrift genehmigt worden sind und für die dementsprechend bis zu dem Abschluss [der] betreffenden Förderung oder Projekte die genannten Rechtsvorschriften gelten.“
8 Art. 108 („Inkrafttreten“) der Verordnung Nr. 1083/2006 sieht vor:
„Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Artikel 1 bis 16, 25 bis 28, 32 bis 40, 47 bis 49, 52 bis 54, 56, 58 bis 62, 69 bis 74, 103 bis 105 und 108 gelten ab dem Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung nur für Programme für den Zeitraum 2007-2013. Die übrigen Vorschriften gelten ab dem 1. Januar 2007.“
9 Die Verordnung Nr. 1083/2006 wurde aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (ABl. 2013, L 347, S. 320, berichtigt in ABl. 2016, L 200, S. 140).
10 In Bezug auf finanzielle Berichtigungen bestimmt Art. 145 der Verordnung Nr. 1303/2013:
„(1) Bevor die Kommission eine finanzielle Berichtigung beschließt, eröffnet sie das Verfahren, indem sie den Mitgliedstaat über ihre vorläufigen Schlussfolgerungen in Kenntnis setzt und ihn auffordert, sich binnen zwei Monaten zu äußern.
(2) Wenn die Kommission eine extrapolierte oder pauschale finanzielle Berichtigung vorschlägt, erhält der Mitgliedstaat Gelegenheit, durch eine Prüfung der betreffenden Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Umfang der Unregelmäßigkeit geringer war als von der Kommission veranschlagt. In Abstimmung mit der Kommission kann der Mitgliedstaat den Umfang dieser Prüfung auf einen angemessenen Anteil oder eine Stichprobe in den betreffenden Unterlagen begrenzen. Außer in hinreichend begründeten Fällen wird für diese Prüfung eine Frist von bis zu zwei weiteren Monaten ab dem Ende der in Absatz 1 genannten Zweimonatsfrist eingeräumt.
(3) Die Kommission berücksichtigt sämtliches Beweismaterial, das der Mitgliedstaat ihr innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 genannten Fristen vorlegt.
(4) Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, so wird er von der Kommission zu einer Anhörung eingeladen, damit gewährleistet ist, dass der Kommission alle Informationen und Anmerkungen vorliegen, auf deren Grundlage sie Schlussfolgerungen bezüglich der Vornahme der finanziellen Berichtigung treffen kann.
(5) Im Falle einer Einigung kann der Mitgliedstaat unbeschadet des Absatzes 7 dieses Artikels die betreffenden Fonds oder den [Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF)] gemäß Artikel 143 Absatz 3 wieder einsetzen.
(6) Zur Vornahme der finanziellen Berichtigung erlässt die Kommission mittels Durchführungsrechtsakten einen Beschluss, und zwar binnen sechs Monaten nach dem Datum der Anhörung oder nach Eingang der zusätzlichen Informationen, falls der Mitgliedstaat sich während der Anhörung dazu bereit erklärt hatte, solche vorzulegen. Die Kommission berücksichtigt alle Informationen und Anmerkungen, die ihr im Zuge des Verfahrens übermittelt wurden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des hierzu von der Kommission versandten Einladungsschreibens.
(7) Deckt die Kommission in Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten nach Artikel 75 oder der Europäische Rechnungshof Unregelmäßigkeiten auf, die gravierende Mängel in der effektiven Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme erkennen lassen, wird die sich daraus ergebende finanzielle Berichtigung durch eine entsprechende Kürzung der Unterstützung aus den Fonds oder dem EMFF für das operationelle Programm vorgenommen.
Der erste Unterabsatz gilt nicht im Falle eines gravierenden Mangels bei der wirksamen Funktionsweise eines Verwaltungs- und Kontrollsystems, der vor dem Datum der Aufdeckung durch die Kommission oder den Europäischen Rechnungshof:
a) in der Zulässigkeitserklärung, dem jährlichen Kontrollbericht oder dem Bestätigungsvermerk, die der Kommission in Übereinstimmung mit Artikel 59 Absatz 5 der Haushaltsordnung vorgelegt wurden, oder in anderen der Kommission vorgelegten Prüfberichten der Prüfbehörden festgestellt wurde und gegen den angemessene Maßnahmen ergriffen wurden oder
b) gegen den der Mitgliedstaat [geeignete] Abhilfemaßnahmen ergriffen hat.
Grundlage für die Bewertung der gravierenden Mängel bei der Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme [ist] das geltende Recht zum Zeitpunkt der Vorlage der relevanten Verwaltungserklärungen, jährlichen Kontrollberichte und Bestätigungsvermerke.
Bei der Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung hat die Kommission auf Folgendes zu achten:
a) Sie wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, indem sie Art und Schweregrad des gravierenden Mangels bei der Funktionsweise des Verwaltungs- und Kontrollsystems und seine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Union berücksichtigt.
b) Für die Vornahme einer pauschalen oder extrapolierten Korrektur berücksichtigt sie weder mit Unregelmäßigkeiten behaftete Ausgaben, die bereits von dem Mitgliedstaat entdeckt worden sind und für die Anpassungen am Rechnungsabschluss gemäß Artikel 139 Absatz 10 vorgenommen wurden, noch Ausgaben, die einer laufenden Bewertung ihrer Recht- und Ordnungsmäßigkeit nach Artikel 137 Absatz 2 unterliegen.
c) Sie berücksichtigt die von dem Mitgliedstaat an den Ausgaben vorgenommenen pauschalen oder extrapolierten Korrekturen aufgrund anderer gravierender Mängel, die der Mitgliedstaat bei der Bestimmung des Restrisikos für den Haushalt der Union entdeckt hat.
(8) In den fondsspezifischen Regelungen für den EMFF können weitere Verfahrensregelungen für finanzielle Berichtigungen gemäß Artikel 144 Absatz 7 festgehalten werden.“
11 Art. 152 der Verordnung Nr. 1303/2013 lautet:
„(1) Diese Verordnung berührt weder die Fortsetzung noch die Änderung, einschließlich der vollständigen oder teilweisen Einstellung, der Unterstützung, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 oder einer anderen Rechtsvorschrift, die am 31. Dezember 2013 für diese Unterstützung galt, genehmigt wurde. Jene Verordnung bzw. derartige andere Rechtsvorschriften finden daher bis zur Beendigung der Unterstützung oder der betreffenden Vorhaben nach dem 31. Dezember 2013 weiterhin Anwendung. Im Sinne dieses Absatzes umfasst ‚Unterstützung‘ operationelle Programme und Großprojekte.
(2) Anträge auf Unterstützung, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 gestellt oder genehmigt wurden, bleiben gültig.
(3) Macht ein Mitgliedstaat von der Option nach Artikel 123 Absatz 3 Gebrauch, so kann er bei der Kommission beantragen, dass abweichend von Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 die Verwaltungsbehörde die Funktionen der Bescheinigungsbehörde für die entsprechenden operationellen Programme wahrnimmt, die auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 durchgeführt werden. Dem Antrag ist eine Bewertung durch die Prüfbehörde beizufügen. Gelangt die Kommission auf der Grundlage der Informationen, die ihr von der Prüfbehörde übermittelt wurden und die sich aus ihren eigenen Prüfungen ergeben, zu der Einschätzung, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme dieser operationellen Programme wirksam funktionieren und dies nicht dadurch beeinträchtigt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Funktionen der Bescheinigungsbehörde wahrnimmt, so unterrichtet sie den Mitgliedstaat binnen zwei Monaten nach Erhalt des Antrags über ihre Zustimmung.“
12 Art. 153 der Verordnung Nr. 1303/2013 sieht vor:
„(1) Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 152 wird die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 aufgehoben.
(2) Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind gemäß der Entsprechungstabelle in Anhang XIV zu lesen.“
13 Art. 154 der Verordnung Nr. 1303/2013 bestimmt:
„Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Die Artikel 20 bis 24, Artikel 29 Absatz 3, Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe a, Artikel 58, Artikel 60, Artikel 76 bis 92, Artikel 118, Artikel 120, Artikel 121 und Artikel 129 bis 147 gelten ab dem 1. Januar 2014.
Artikel 39 Absatz 2 Unterabsatz 7 zweiter Satz und Artikel 76 Absatz 5 gelten ab dem Datum, an dem die Änderung der Haushaltsordnung in Bezug auf die Aufhebung der Mittelbindungen in Kraft getreten ist.“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
14 Am 7. Mai 1997 erließ die Kommission die Entscheidung K(97) 1123 zur Genehmigung des Einheitlichen Programmplanungsdokuments für die Strukturinterventionen der Gemeinschaft für das Ziel-2-Gebiet im Saarland in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: Intervention).
15 Diese Entscheidung sah eine Beteiligung der Strukturfonds von 58 918 000 Euro vor, davon 41 610 000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die Entscheidung K(97) 1123 wurde u. a. durch die Entscheidung K(1999) 4928 vom 28. Dezember 1999 geändert, mit der die Beteiligung der Strukturfonds auf 60 542 000 Euro, davon 42 743 000 Euro aus dem EFRE, erhöht wurde.
16 Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 und vom 20. März 2003 übermittelten die deutschen Behörden ihren Antrag auf endgültige Zahlung, dem eine endgültige Ausgabenerklärung beigefügt war, und den Vermerk gemäß Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2064/97 der Kommission vom 15. Oktober 1997 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates hinsichtlich der Finanzkontrolle durch die Mitgliedstaaten bei von den Strukturfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. 1997, L 290, S. 1) für die Intervention.
17 In der Zeit von Mai 2004 bis April 2005 unternahm die Kommission im Rahmen ihrer Abschlussprüfung für die aus dem EFRE im Programmplanungszeitraum 1994–1999 kofinanzierten Programme mehrere Prüfbesuche, die teilweise durch ein von ihr beauftragtes externes Auditunternehmen durchgeführt wurden.
18 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 übermittelte die Kommission ihren Prüfbericht, der verschiedene Unregelmäßigkeiten aufzeigte.
19 Mit Schreiben vom 13. April 2006 übermittelten die deutschen Behörden Bemerkungen zu diesem Prüfbericht und legten weitere Informationen vor.
20 Mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 übermittelte die Kommission ihre Schlussfolgerungen aus der gemäß Art. 24 der Verordnung Nr. 4253/88 durchgeführten Prüfung.
21 Mit Schreiben vom 17. März 2008 antworteten die deutschen Behörden auf das Schreiben der Kommission vom 20. Dezember 2007 und legten weitere Nachweise für die Rechtmäßigkeit der gemeldeten Ausgaben vor.
22 Im Anschluss an eine Anhörung vom 23. Mai 2008 übermittelten die deutschen Behörden mit Schreiben vom 9. Juni 2008 und E‑Mail vom 2. Juli 2008 neue Bemerkungen und zusätzliche Nachweise.
23 Mit der Entscheidung K(2009) 9049 vom 13. November 2009 zur Kürzung der Finanzhilfe aus dem EFRE für das Einheitliche Programmplanungsdokument Ziel 2 Saarland (1997-1999) in der Bundesrepublik Deutschland gemäß der Entscheidung K(97) 1123 der Kommission vom 7. Mai 1997 kürzte die Kommission die finanzielle Beteiligung des EFRE an der Intervention um 8 328 245,79 Euro (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Verfahren und Anträge der Parteien
24 Mit Klageschrift, die am 25. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die vorliegende Klage erhoben.
25 Am 11. Mai 2010 hat die Kommission beantragt, die vorliegende Rechtssache mit den Rechtssachen T‑265/08, T‑270/08, T‑97/09, T‑104/10, T‑114/10 und T‑116/10, Deutschland/Kommission, zu verbinden bzw. das Verfahren auszusetzen, weil alle diese Rechtssachen eine Entscheidung beträfen, mit der sie im Rahmen des Abschlusses der letzten noch offenen Strukturfonds-Programme der Programmierungsperiode 1994–1999 finanzielle Berichtigungen vorgenommen habe.
26 Am 3. Juni 2010 hat die Bundesrepublik Deutschland dem Gericht mitgeteilt, dass sie dem Antrag der Kommission auf Aussetzung des Verfahrens nicht entgegentrete.
27 Mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts entschieden, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zum Ablauf der Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Endentscheidungen des Gerichts in den Rechtssachen T‑265/08, Deutschland/Kommission, und T‑270/08, Deutschland/Kommission, oder bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs über die gegen die Entscheidungen des Gerichts in den genannten Rechtssachen eingelegten Rechtsmittel auszusetzen.
28 Am 13. Juni 2012 hat die Bundesrepublik Deutschland beantragt, den Beschluss K(2011) 6246 der Kommission vom 6. September 2011, mit dem die in der angefochtenen Entscheidung vorgesehene finanzielle Berichtigung reduziert wurde, zu den Akten zu nehmen.
29 Am 2. Juli 2012 wurde die genannte Entscheidung zu den Akten genommen.
30 Am 24. Juni 2015 hat der Gerichtshof das Urteil Deutschland/Kommission (C‑549/12 P und C‑54/13 P, EU:C:2015:412, im Folgenden: Rechtsmittelurteil) verkündet, mit dem er die in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Finanzkorrekturentscheidungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 für nichtig erklärt hat, indem er von Amts wegen einen Verstoß der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist festgestellt hat.
31 Mit dem Rechtsmittelurteil wurden ferner die Urteile vom 19. September 2012, Deutschland/Kommission (T‑265/08, EU:T:2012:434), und vom 21. November 2012, Deutschland/Kommission (T‑270/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:612), aufgehoben, soweit das Gericht die Klagen der Bundesrepublik Deutschland abgewiesen hatte.
32 Am 2. Juli 2015 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, sich zu den Folgen zu äußern, die sich aus dem Rechtsmittelurteil für die vorliegende Rechtssache ergeben.
33 Am 14. bzw. am 16. Juli 2015 haben die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland hierzu Stellung genommen.
34 Die Bundesrepublik Deutschland hat geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung nach dem Rechtsmittelurteil wegen Verstoßes der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist für nichtig zu erklären sei.
35 Die Kommission hat das Gericht in ihrer Stellungnahme auf die Rechtsmittel hingewiesen, die gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), und vom 15. Juli 2015, Portugal/Kommission (T‑314/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:493), eingelegt wurden, mit denen das Gericht die betreffenden Finanzkorrekturentscheidungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 wegen Verstoßes der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist für nichtig erklärt hatte.
36 Am 3. August 2015 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, zu den Rn. 1 bis 4 der Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Juli 2015 zu den Folgen des Beschlusses K(2011) 6246 vom 6. September 2011, mit dem die Kommission die angefochtene Entscheidung geändert und auf bestimmte finanzielle Berichtigungen verzichtet hat, Stellung zu nehmen.
37 Am 3. September 2015 ist die Kommission dieser Aufforderung nachgekommen und hat erklärt, dass sie dem Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, dass sich ihre Klage nunmehr auf die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung in der Fassung des Beschlusses K(2011) 6246 beziehe, nicht entgegentrete.
38 Am 16. Dezember 2015 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu den Auswirkungen der von der Kommission gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), und vom 15. Juli 2015, Portugal/Kommission (T‑314/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:493), eingelegten Rechtsmittel auf das vorliegende Verfahren im Hinblick auf eine eventuelle Aussetzung Stellung zu nehmen.
39 Mit Schreiben vom 5. Januar 2016 hat die Kommission erklärt, dass sie keine Einwände gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rechtssachen C‑139/15 P und C‑140/15 P, Kommission/Spanien, und C‑495/15 P, Kommission/Portugal, erhebe.
40 Mit Schreiben vom 6. Januar 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland dem Gericht mitgeteilt, dass sie gegen eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens sei, um es nicht weiter hinauszuzögern.
41 Mit Entscheidung vom 12. Januar 2016 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts entschieden, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache bis zur Verkündung der Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rechtssachen C‑139/15 P und C‑140/15 P, Kommission/Spanien, und C‑495/15 P, Kommission/Portugal, auszusetzen.
42 Mit Urteilen vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), hat der Gerichtshof die gegen die Urteile vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑111/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:28), und vom 20. Januar 2015, Spanien/Kommission (T‑109/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:29), eingelegten Rechtsmittel zurückgewiesen.
43 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Fünften Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.
44 Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 hat die Bundesrepublik Deutschland das Gericht gebeten, das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache fortzusetzen.
45 Mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 hat die Kommission dem Gericht mitgeteilt, dass sie keine Einwände gegen die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens habe.
46 Mit Entscheidung vom 28. Oktober 2016 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts die Parteien von der Fortsetzung des Verfahrens informiert.
47 Mit Beschluss vom 10. November 2016, Kommission/Portugal (C‑495/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:907), ist die Rechtssache C‑495/15 P nach der Rücknahme des Rechtsmittels durch die Kommission im Register des Gerichtshofs gestrichen worden.
48 Am 20. Dezember 2016 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu den Auswirkungen der Urteile vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), auf die vorliegende Rechtssache Stellung zu nehmen.
49 Am 9. Januar 2017 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Kommission ihre Stellungnahmen eingereicht.
50 Die Kommission hat die Auffassung vertreten, dass das Gericht über alle erforderlichen Angaben verfüge, um in der vorliegenden Rechtssache sein Urteil zu erlassen, während die Bundesrepublik Deutschland erneut geltend gemacht hat, dass die angefochtene Entscheidung wegen der Nichtbeachtung der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehenen Sechsmonatsfrist durch die Kommission für nichtig zu erklären sei.
51 Am 10. März 2017 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, zu einer vom Gericht im Rahmen von Art. 132 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen vorzunehmenden Berücksichtigung der geltend gemachten Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission Stellung zu nehmen.
52 Am 14. März 2017 hat die Kommission ihre Stellungnahme eingereicht und ausgeführt, dass das Gericht nach Art. 132 der Verfahrensordnung die Klage durch Beschluss für offensichtlich begründet erklären könne.
53 Am 23. März 2017 hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Stellungnahme eingereicht und erneut geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch die Kommission für nichtig zu erklären sei.
54 Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,
– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
55 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
56 Hat der Gerichtshof oder das Gericht bereits über eine oder mehrere Rechtsfragen entschieden, die mit den durch die Klagegründe aufgeworfenen übereinstimmen, und stellt das Gericht fest, dass der Sachverhalt erwiesen ist, so kann es nach Art. 132 der Verfahrensordnung die Klage nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens nach Anhörung der Parteien durch mit Gründen versehenen Beschluss, der einen Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung enthält, für offensichtlich begründet erklären.
57 Vorliegend ist das Gericht der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 132 der Verfahrensordnung erfüllt sind, und es beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.
58 Zunächst macht die Bundesrepublik Deutschland zur Stützung ihrer Klage geltend, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil sie nach Ablauf der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegten gesetzlichen Frist von sechs Monaten erlassen worden sei.
59 Die Kommission ist der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 1083/2006 nicht der maßgebende Rechtsrahmen für die Beurteilung der für Entscheidungen über finanzielle Berichtigungen für Programme vor dem Zeitraum 2007–2013 geltenden Verfahrensvorschriften sei.
60 Für die Beurteilung der Frage, ob im vorliegenden Fall beim Erlass der angefochtenen Entscheidung die wesentlichen Formvorschriften beachtet worden seien, sei die Verordnung Nr. 4253/88 maßgebend, deren Art. 24 keinerlei Frist für den Erlass einer Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung festlege.
61 Für den Fall, dass vorliegend die Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbar sein sollte, macht die Kommission geltend, dass die in Art. 100 Abs. 5 dieser Verordnung festgelegten Fristen nur die Programme ab dem 1. Januar 2007 beträfen und nicht auf Programme vor diesem Zeitpunkt anwendbar seien.
62 Zudem ergebe sich aus Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006, dass auf kofinanzierte Projekte, die in einem früheren Rechtsrahmen angenommen worden seien, bis zu ihrem Abschluss dieser Rechtsrahmen anwendbar bleibe.
63 Ferner bildeten verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Bestimmungen ein untrennbares Ganzes und könnten die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegten Fristen nicht rückwirkend angewandt werden.
64 Hierzu ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 nicht in der Klageschrift, sondern in ihrer Stellungnahme zu den Auswirkungen des Rechtsmittelurteils auf die vorliegende Rechtssache geltend gemacht hat, so dass dieser Klagegrund als neuer Klagegrund anzusehen ist.
65 Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines solchen neuen Klagegrundes ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften über den Erlass einer beschwerenden Maßnahme eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt, die vom Unionsrichter auch von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Unionsrichter, außer in besonderen Fällen wie insbesondere denen, die in den Verfahrensordnungen der Unionsgerichte vorgesehen sind, seine Entscheidung nicht auf einen von Amts wegen geprüften Rechtsgrund stützen, sei er auch zwingenden Rechts, ohne die Parteien zuvor aufgefordert zu haben, sich dazu zu äußern (vgl. Rechtsmittelurteil, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).
67 In der vorliegenden Rechtssache hat das Gericht aber erstens, was die Frist für den Erlass einer Entscheidung über eine finanzielle Berichtigung betrifft, die Parteien nach der Verkündung des Rechtsmittelurteils, mit dem der Gerichtshof die dort in Rede stehenden Entscheidungen über finanzielle Berichtigungen in Bezug auf Finanzierungsprogramme aus der Zeit vor dem Jahr 2000 für nichtig erklärt hat, im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme befragt, indem es den Verstoß der Kommission gegen die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist von Amts wegen geprüft hat.
68 Zweitens hat das Gericht nach den Urteilen vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708), eine zweite prozessleitende Maßnahme erlassen.
69 Die Parteien hatten somit Gelegenheit, zur Anwendung der in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehenen Frist Stellung zu nehmen.
70 Weiter ist in Bezug auf die in der vorliegenden Rechtssache anwendbare Regelung darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 4253/88 mit Wirkung zum 1. Januar 2000 durch die Verordnung Nr. 1260/1999 aufgehoben wurde. Die letztgenannte Verordnung wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2007 durch die Verordnung Nr. 1083/2006 aufgehoben, die mit Wirkung zum 1. Januar 2014 durch die Verordnung Nr. 1303/2013 aufgehoben wurde.
71 Somit ist zum einen festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1303/2013 in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar ist, da die angefochtene Entscheidung im Jahr 2009 erlassen wurde.
72 Was zum anderen die Verordnung Nr. 1083/2006 betrifft, so sind zwar nach Art. 108 Abs. 2 dieser Verordnung verschiedene ihrer Bestimmungen auf Finanzierungsprogramme für den Zeitraum 2007–2013 anwendbar. Diese Vorschrift bestimmt aber auch, dass Art. 100 dieser Verordnung, der die Verfahrensfristen festlegt, ab dem 1. Januar 2007 gilt, ohne nähere Erläuterungen in Bezug auf den erfassten Finanzierungszeitraum zu geben.
73 Ferner ist Art. 100 der Verordnung Nr. 1083/2006 auch auf Programme vor dem Zeitraum 2007–2013 anwendbar, und zwar im Einklang mit dem Grundsatz, dass Verfahrensvorschriften unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten anzuwenden sind (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑192/13 P, EU:C:2014:2156, Rn. 98, vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 98, vom 22. Oktober 2014, Spanien/Kommission, C‑429/13 P, EU:C:2014:2310, Rn. 31, vom 4. Dezember 2014, Spanien/Kommission, C‑513/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2412, Rn. 48, und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Rechtsmittelurteil, Rn. 84).
74 Diese Rechtsprechung wurde im Übrigen durch die Urteile vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑139/15 P, EU:C:2016:707, Rn. 89), und vom 21. September 2016, Kommission/Spanien (C‑140/15 P, EU:C:2016:708, Rn. 89), bestätigt, was die Kommission nicht bestreitet.
75 Im vorliegenden Fall dauerte das Verwaltungsverfahren, in dem die angefochtene Entscheidung über die Änderung der der Bundesrepublik Deutschland gewährten finanziellen Beteiligung für den Zeitraum 1994–1999 erlassen wurde, von 2005 bis 2009.
76 Die Kommission hatte daher beim Erlass der angefochtenen Entscheidung die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehene Sechsmonatsfrist zu beachten.
77 Gemäß dieser Bestimmung muss die Kommission, wenn der betreffende Mitgliedstaat Einwände gegen ihre vorläufigen Schlussfolgerungen erheben sollte, binnen sechs Monaten nach der Anhörung der Vertreter des Mitgliedstaats über die finanzielle Berichtigung entscheiden. Findet keine Anhörung statt, so beginnt die Sechsmonatsfrist zwei Monate nach dem Datum des von der Kommission versandten Einladungsschreibens.
78 Erhebt der Mitgliedstaat Einwände gegen die vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission, stellt somit die Versendung eines Einladungsschreibens zu einer Anhörung durch die Kommission oder die Durchführung einer Anhörung – je nachdem, welcher der Fälle gegeben ist – den Ausgangspunkt für die Berechnung der Frist dar.
79 Zum einen ergibt sich aber aus den Akten der vorliegenden Rechtssache, dass am 23. Mai 2008 in Brüssel (Belgien) eine Anhörung zwischen der Kommission und den Vertretern der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden hat.
80 Zum anderen ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung am 13. November 2009 erlassen wurde, d. h. über 17 Monate nach der Anhörung, was die Kommission nicht bestreitet.
81 Damit hat die Kommission die in Art. 100 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1083/2006 festgelegte Sechsmonatsfrist nicht beachtet.
82 Folglich ist die vorliegende Klage für offensichtlich begründet und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.
Kosten
83 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, ist sie gemäß dem Antrag der Bundesrepublik Deutschland zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
beschlossen:
1. Die Entscheidung K(2009) 9049 der Kommission vom 13. November 2009 zur Kürzung der Finanzhilfe aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für das Einheitliche Programmplanungsdokument Ziel 2 Saarland (1997-1999) in der Bundesrepublik Deutschland gemäß der Entscheidung K(97) 1123 der Kommission vom 7. Mai 1997 wird für nichtig erklärt.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Luxemburg, den 13. September 2017
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
D. Gratsias |
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