Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
17. April 2024(* )
„Pflanzensorten – Erteilung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes für die Kartoffelsorte Melrose – Keine fristgerechte Zahlung der Jahresgebühr – Aufhebung des Schutzes – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – Bedingungen der Zustellung von Entscheidungen und Mitteilungen des CPVO“
In der Rechtssache T‑2/23,
Romagnoli Fratelli SpA mit Sitz in Bologna (Italien), vertreten durch Rechtsanwältin E. Truffo und Rechtsanwalt A. Iurato,
Klägerin,
gegen
Gemeinschaftliches Sortenamt (CPVO), vertreten durch M. García‑Moncó Fuente und Á. Martínez López als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten F. Schalin sowie des Richters I. Nõmm (Berichterstatter) und der Richterin G. Steinfatt,
Kanzler: V. Di Bucci,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Romagnoli Fratelli SpA, die Aufhebung der Entscheidung des Gemeinschaftlichen Sortenamts (CPVO) vom 7. November 2022 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Am 10. Dezember 2009 stellte die Klägerin beim CPVO einen Antrag auf gemeinschaftlichen Sortenschutz nach der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. 1994, L 227, S. 1). Dieser Antrag wurde unter der Nr. 2009/2240 in das Register eingetragen.
3 Die Pflanzensorte, für die der Gemeinschaftsschutz beantragt wurde, ist die Kartoffelsorte Melrose der Art Solanum tuberosum L .
4 Mit Entscheidung des CPVO vom 20. Februar 2012 wurde der fraglichen Pflanzensorte der Gemeinschaftsschutz erteilt.
5 Am 27. Oktober 2021 stellte das CPVO eine Zahlungsaufforderung betreffend die Zahlung der Jahresgebühr für den gemeinschaftlichen Schutz der fraglichen Pflanzensorte aus und übersandte sie der Klägerin über deren Benutzerbereich („MyPVR“).
6 Da die Klägerin der Zahlungsaufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkam, wurde ihr am 10. Januar 2022 gemäß Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 eine förmliche erneute Zahlungsaufforderung über den MyPVR‑Benutzerbereich zugesandt. Im Rahmen dieser erneuten Zahlungsaufforderung forderte das CPVO die Klägerin auf, die geschuldete Jahresgebühr innerhalb eines Monats zu zahlen, um die Aufhebung des gemeinschaftlichen Schutzes für die fragliche Pflanzensorte gemäß Art. 21 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung zu verhindern.
7 Am 16. Februar 2022 übermittelte das CPVO der Klägerin, da diese die Dokumente betreffend die Jahresgebühr noch nicht aus dem MyPVR‑Benutzerbereich heruntergeladen hatte, eine weitere erneute Zahlungsaufforderung per E‑Mail, ohne jedoch die Zahlungsfrist zu verlängern.
8 Am 21. März 2022 hob das CPVO den gemeinschaftlichen Schutz der fraglichen Pflanzensorte auf, da die Jahresgebühr nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet worden war. Die Aufhebungsentscheidung wurde der Klägerin am 22. März 2022 übermittelt.
9 Am 6. Mai 2022 stellte die Klägerin gemäß Art. 80 der Verordnung Nr. 2100/94 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Zahlung der fraglichen Jahresgebühr.
10 Am 6. Mai 2022 zahlte die Klägerin die ausstehende Jahresgebühr.
11 Mit der angefochtenen Entscheidung lehnte das CPVO den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass zum einen er den in Art. 80 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen Bedingungen nicht entspreche und zum anderen die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass unvorhersehbare Umstände vorgelegen hätten und dass sie die erforderliche Aufmerksamkeit an den Tag gelegt habe, um die in Art. 80 Abs. 1 der Verordnung vorgesehenen Bedingungen zu erfüllen.
Anträge der Parteien
12 Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem CPVO die Kosten aufzuerlegen.
13 Das CPVO beantragt im Wesentlichen,
– die Klage abzuweisen,
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
14 Das CPVO beantragt, die Klage insgesamt als unzulässig abzuweisen, da sich weder in der Verordnung Nr. 2100/94 noch in der Verordnung (EG) Nr. 874/2009 der Kommission vom 17. September 2009 zur Durchführung der Verordnung Nr. 2100/94 im Hinblick auf das Verfahren vor dem CPVO (ABl. 2009, L 251, S. 3) eine Rechtsgrundlage für die Klage finde. Angesichts des Fehlens einer Rechtsgrundlage in diesen Verordnungen sei auch Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht anwendbar.
15 Die Klägerin tritt dem Vorbringen des CPVO entgegen.
16 Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.
17 Gemäß Art. 263 Abs. 5 AEUV können in den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden, die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben.
18 Nach ständiger Rechtsprechung können alle Bestimmungen oder Maßnahmen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, gleich welcher Form, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen einer natürlichen oder juristischen Person durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein (vgl. Urteil vom 31. Januar 2019, International Management Group/Kommission, C‑183/17 P und C‑184/17 P, EU:C:2019:78, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Insoweit genügt der Hinweis, dass erstens die angefochtene Entscheidung an die Klägerin gerichtet ist und zweitens das CPVO mit dieser Entscheidung eindeutig seinen endgültigen Standpunkt zum in Rede stehenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Ausdruck gebracht hat, so dass verbindliche Rechtswirkungen erzeugt werden, die die Interessen der Klägerin beeinträchtigen.
20 Das CPVO ist jedoch der Ansicht, dass Art. 263 Abs. 5 AEUV es befähige, ohne die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs vor der Beschwerdekammer des CPVO oder vor dem Gericht über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden, da ein solcher Rechtsbehelf weder in der Verordnung Nr. 2100/94 noch in der Verordnung Nr. 874/2009 vorgesehen sei, die „besondere Bedingungen und Einzelheiten“ im Sinne des genannten Abs. 5 darstellten. Die angefochtene Entscheidung könne daher nicht gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV Gegenstand einer Klage vor dem Gericht sein.
21 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Union namentlich auf die Werte der Gleichheit und des Rechtsstaats gegründet ist, wie aus Art. 2 EUV hervorgeht. Das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle ist aber dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, SATCEN/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Art. 19 EUV, mit dem der in Art. 2 EUV bekräftigte Wert der Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, überträgt den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Aufgabe, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, der den Einzelnen aus diesem Recht erwächst, zu gewährleisten, wobei der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts hat (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, SATCEN/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
23 Zudem ist nach Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV das Gericht für Entscheidungen im ersten Rechtszug über die in den Art. 263, 265, 268, 270 und 272 AEUV genannten Klagen zuständig, mit Ausnahme derjenigen Klagen, die einem nach Art. 257 AEUV gebildeten Fachgericht übertragen werden, und der Klagen, die gemäß der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union dem Gerichtshof vorbehalten sind.
24 Das Gerichtssystem der Union ist mithin ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gewährleisten soll (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, SATCEN/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Daraus folgt, dass die „besonderen Bedingungen und Einzelheiten“ im Sinne von Art. 263 Abs. 5 AEUV zwar einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union erlauben, interne Bedingungen und Einzelheiten festzulegen, die der Erhebung einer Klage vorgeschaltet sind und insbesondere die Funktionsweise eines Mechanismus der Selbstüberwachung oder den Ablauf eines Verfahrens zur gütlichen Einigung regeln; diese Bedingungen und Einzelheiten können aber nicht dahin ausgelegt werden, dass sie ein Unionsorgan ermächtigten, Rechtsstreitigkeiten, die die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts implizieren, der Zuständigkeit der Unionsgerichte zu entziehen (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, SATCEN/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Nach Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 berücksichtigt das CPVO im Übrigen die in den Mitgliedstaaten allgemein anerkannten Grundsätze des Verfahrensrechts, soweit in dieser Verordnung oder in aufgrund dieser Verordnung erlassenen Vorschriften Verfahrensbestimmungen fehlen.
27 Insoweit ist festzustellen, dass Art. 263 Abs. 4 AEUV – der die Möglichkeit einer Klage gegen Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union vorsieht – gerade einen solchen „in den Mitgliedstaaten allgemein anerkannten Grunds[atz] des Verfahrensrechts“ im Sinne von Art. 81 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 zum Ausdruck bringt. Auch wenn die Verordnung Nr. 2100/94 für Entscheidungen, die das CPVO auf einen nach Art. 80 dieser Verordnung eingereichten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hin erlassen hat, nicht ausdrücklich einen Rechtsbehelf vor der Beschwerdekammer des CPVO oder unmittelbar vor dem Gericht vorsieht, so existiert ein Rechtsbehelf somit dennoch nach Art. 81 Abs. 1 der Verordnung und Art. 263 Abs. 4 AEUV.
28 Jedenfalls ist festzustellen, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des CPVO für die Auslegung und Anwendung der Verordnung Nr. 2100/94 und insbesondere ihres Art. 80 der oben in den Rn. 21 bis 25 angeführten Rechtsprechung zuwiderläuft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2020, SATCEN/KF, C‑14/19 P, EU:C:2020:492, Rn. 64).
29 Demnach ist die Einrede der Unzulässigkeit des CPVO zurückzuweisen.
Zur Begründetheit
30 Die Klage ist im Wesentlichen auf zwei Klagegründe gestützt, mit denen erstens ein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 65 der Verordnung Nr. 874/2009 geltend gemacht wird.
Zur Zulässigkeit der erstmals beim Gericht eingereichten Beweismittel
31 Aus der Akte des CPVO ergibt sich, dass die Klägerin die der Klageschrift beigefügten Anhänge 1, 8 bis 12, 14 bis 16 und 23 bis 25 im Verwaltungsverfahren vor dem CPVO nicht vorgelegt hat.
32 Nach der Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit einer Unionshandlung anhand der Informationen zu beurteilen, über die das Organ bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte. Niemand kann sich somit vor dem Unionsrichter auf Tatsachen berufen, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen wurden (vgl. Urteil vom 8. März 2023, Novasol/ECHA, T‑70/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:106, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Soweit die oben in Rn. 31 genannten Anhänge erstmals beim Gericht vorgelegt worden sind, können sie somit für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt werden und sind daher zurückzuweisen.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94
34 Im Rahmen des ersten Klagegrundes erhebt die Klägerin im Wesentlichen zwei Rügen, nämlich erstens, dass höhere Gewalt oder durch die Covid‑19‑Pandemie verursachte unvorhersehbare Umstände vorgelegen hätten, die die Nichteinhaltung der vom CPVO gesetzten Frist für die Zahlung der Jahresgebühr rechtfertigten, und zweitens, dass das CPVO die von ihr vorgelegten Beweise falsch ausgelegt habe.
35 Das CPVO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
36 Gemäß Art. 80 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 wird der Antragsteller eines Antrags auf gemeinschaftlichen Sortenschutz, der Inhaber und jeder andere an einem Verfahren vor dem CPVO Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert gewesen ist, gegenüber dem CPVO eine Frist einzuhalten, auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.
37 Nach Art. 80 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 unterliegt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwei kumulativen Voraussetzungen: Erstens muss die fragliche Person mit der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt gehandelt haben, und zweitens muss ihre Verhinderung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge gehabt haben (vgl. entsprechend Urteil vom 15. September 2011, Prinz Sobieski zu Schwarzenberg/HABM – British-American Tobacco Polska [Romuald Prinz Sobieski zu Schwarzenberg], T‑271/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:478, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Außerdem gehört die Einhaltung von Fristen zum zwingenden Recht, und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte der Rechtssicherheit schaden. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind daher eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Beschluss vom 9. Dezember 2022, AMO Development/EUIPO [Medizinische Instrumente], T‑311/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:822, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Im vorliegenden Fall beanstandet die Klägerin im Rahmen des ersten Klagegrundes im Wesentlichen die Beurteilung des CPVO, was die erste oben in Rn. 37 genannte Bedingung angeht, nämlich, dass sie nicht nachgewiesen habe, dass zum einen unvorhersehbare Umständen vorgelegen hätten und sie zum anderen alle nach diesen Umständen gebotene Sorgfalt beachtet habe.
40 Die Klägerin macht erstens geltend, dass solche unvorhersehbaren Umstände erwiesen seien, zum einen aufgrund der unerwarteten Situation der Covid‑19-Pandemie, die zur Abwesenheit der einzigen mit der Korrespondenz mit dem CPVO betrauten Mitarbeiterin geführt habe, und zum anderen aufgrund des Cyberangriffs, der auf sie verübt worden sei.
41 Zum angeblich auf die Klägerin verübten Cyberangriff ist festzustellen, dass weder dieses Vorbringen noch die dieses untermauernden Beweise dem CPVO zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterbreitet wurden. Im Licht der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung ist dieses Vorbringen somit zurückzuweisen.
42 Was die unvorhersehbaren Umstände angeht, die sich aus der Covid‑19‑Pandemie ergeben und zur Abwesenheit der einzigen mit der Korrespondenz mit dem CPVO betrauten Mitarbeiterin der Klägerin geführt hätten, hat die Klägerin einen einzigen Beweis vorgelegt, nämlich eine Bescheinigung des Confcommercio Ascom Bologna vom 7. Juni 2022, in der für ihr Büropersonal für den Zeitraum Oktober 2021 bis April 2022 600 Stunden Abwesenheit wegen Krankheit im Zusammenhang mit Covid-19 ausgewiesen sind. Die Klägerin hat außerdem in ihrer E‑Mail an das CPVO vom 7. Juni 2022 erklärt, dass die betreffende Mitarbeiterin in den vorangegangenen fünf Monaten zweimal wegen Covid‑19 abwesend gewesen sei.
43 Insoweit ist festzustellen, dass in der Bescheinigung des Confcommercio Ascom Bologna vom 7. Juni 2022, in der die Gesamtzahl der ausgefallenen Arbeitsstunden für das gesamte Personal der Klägerin ausgewiesen ist, weder die Zahl der Stunden oder Tage noch der Zeitraum angegeben wird, während derer bzw. dessen die angeblich einzige mit der Korrespondenz mit dem CPVO betraute Mitarbeiterin abwesend und somit nicht in der Lage gewesen sein soll, die ihr im Zusammenhang mit der Korrespondenz mit dem CPVO übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Die Klägerin hat daher keine Beweise dafür vorgelegt, dass die fragliche Mitarbeiterin abwesend war und somit aufgrund der Covid‑19-Pandemie besondere Umstände vorlagen, die sie daran gehindert haben, die Frist für die Zahlung der Jahresgebühr einzuhalten.
44 Die Klägerin macht zweitens geltend, dass sie angesichts ihrer mittleren Größe nicht über finanzielle Mittel zur Einstellung von zusätzlichem Personal als Ersatz für das im Krankheitsurlaub befindliche Personal verfüge.
45 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine anderen Beweise als die oben in Rn. 42 genannte Bescheinigung des Confcommercio Ascom Bologna vom 7. Juni 2022 vorgelegt hat. Die bloße Feststellung hinsichtlich der für die Einstellung zusätzlichen Personals unzureichenden Mittel reicht, da insoweit keine Beweise vorgelegt wurden, für sich genommen somit nicht aus, um nachzuweisen, dass unvorhersehbare Umstände vorlagen und die Klägerin mit der nach diesen Umständen gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um die vom CPVO gesetzte Frist für die Zahlung der Jahresgebühr einzuhalten.
46 Außerdem hat die Klägerin nicht erklärt, warum keine anderen möglichen Lösungen angewendet wurden, um der Abwesenheit ihrer mit der Korrespondenz mit dem CPVO betrauten Mitarbeiterin zu begegnen. Z. B. hat die Klägerin – selbst wenn die Abwesenheit dieser Mitarbeiterin bewiesen worden wäre, was vorliegend nicht der Fall ist – weder dargelegt noch mit Beweisen untermauert, was sie daran gehindert hat, während eines Zeitraums von ungefähr fünf Monaten die Aufgaben dieser Mitarbeiterin auf einen anderen Mitarbeiter zu übertragen und diesem die entsprechenden Daten für den Zugang zum MyPVR-Benutzerbereich zukommen zu lassen.
47 Im Übrigen hat das CPVO am 16. Februar 2022 eine weitere E‑Mail an die Klägerin gesandt, mit der es sie aufgefordert hat, ihren MyPVR‑Benutzerbereich zu konsultieren, und ihr mitgeteilt hat, dass es für die Erteilung zusätzlicher Informationen über den Zugang zu MyPVR zur Verfügung stehe. Selbst wenn die Klägerin Probleme beim Zugang zu MyPVR gehabt haben sollte, so hat sie doch weder auf diese E‑Mail reagiert noch insoweit um Hilfe ersucht. Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass sie mit der gebotenen Sorgfalt im Sinne von Art. 80 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 gehandelt hat.
48 Das CPVO hat daher unter Berücksichtigung der ihm zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand übermittelten tatsächlichen Angaben zu Recht festgestellt, dass die Klägerin weder bewiesen hat, dass besondere Umständen vorlagen, noch, dass sie mit der angesichts dieser Umstände gebotenen Sorgfalt gehandelt hat.
49 Demnach ist der erste Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 65 der Verordnung Nr. 874/2009
50 Im Rahmen des zweiten Klagegrundes behauptet die Klägerin erstens, sie habe die erneute Zahlungsaufforderung des CPVO vom 10. Januar 2022 betreffend die ausstehende Jahresgebühr nicht erhalten, und wirft dem CPVO vor, gegen Art. 65 der Verordnung Nr. 874/2009 verstoßen zu haben, da es die tatsächliche Zustellung und den Empfang dieser erneuten Zahlungsaufforderung nicht bewiesen habe. Zweitens macht sie allgemein geltend, dass der MyPVR‑Benutzerbereich kein offizieller Zustellungsweg für Dokumente oder Entscheidungen im Sinne der Verordnung Nr. 2100/94 und der Verordnung Nr. 874/2009 sei; sie stellt dementsprechend die Anwendbarkeit der Geschäftsbedingungen für die Verwendung der elektronischen Systeme für Kommunikation mit dem und durch das CPVO (im Folgenden: Geschäftsbedingungen des MyPVR), wie sie im Beschluss des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 festgelegt sind, in Frage.
51 Das CPVO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
52 Als erstes ist zu prüfen, ob der MyPVR-Benutzerbereich als offizieller Zustellungsweg für Dokumente oder Entscheidungen im Sinne der Verordnungen Nr. 2100/94 und Nr. 874/2009 angesehen werden kann. Im vorliegenden Fall ist, da die Zahlungsaufforderung vom 27. Oktober 2021 und die erneute Zahlungsaufforderung vom 10. Januar 2022 über den MyPVR-Benutzerbereich zugestellt wurden, zu prüfen, ob dieser Benutzerbereich ein akzeptabler offizieller Zustellungsweg für diese beiden Dokumente ist.
53 Gemäß Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 stellt das CPVO von Amts wegen alle Entscheidungen und Ladungen sowie die Bescheide und Mitteilungen zu, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird oder die nach anderen Vorschriften dieser Verordnung oder nach aufgrund dieser Verordnung erlassenen Vorschriften zuzustellen sind oder für die der Präsident des CPVO die Zustellung vorgeschrieben hat. Die Zustellungen können durch Vermittlung der zuständigen Sortenbehörden der Mitgliedstaaten bewirkt werden.
54 Da im vorliegenden Fall sowohl in der Zahlungsaufforderung vom 27. Oktober 2021 als auch in der erneuten Zahlungsaufforderung vom 10. Januar 2022 eine von der Klägerin einzuhaltende Frist gesetzt wurde, sind beide als „Bescheide [oder] Mitteilungen …, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird“, im Sinne von Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 anzusehen.
55 Gemäß Art. 64 Abs. 4 der Verordnung Nr. 874/2009 werden zustellungsbedürftige Schriftstücke oder Kopien davon im Sinne von Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 auf elektronischem Weg entsprechend den Vorgaben des Präsidenten des CPVO oder auf dem Postweg durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt.
56 Aus dem Wortlaut von Art. 64 Abs. 4 der Verordnung Nr. 874/2009 ergibt sich zum einen, dass Mitteilungen und Bescheide des CPVO, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, im Sinne von Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 auf elektronischem Weg zugestellt werden können, und zum anderen, dass die Einzelheiten dieser Zustellung auf elektronischem Weg vom Präsidenten des CPVO festgelegt werden.
57 Der Präsident des CPVO hat im Einklang mit Art. 64 Abs. 4 der Verordnung Nr. 874/2009 am 20. Dezember 2016 einen Beschluss betreffend die elektronische Übermittlung an und durch das CPVO erlassen.
58 Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 bestimmt, dass das CPVO auf seiner Website www.cpvo.europa.eu einen Bereich für elektronische Übermittlungen bereitstellen wird, der den Benutzern den Erhalt, die Ansicht, das Ausdrucken und das Speichern sämtlicher ihnen seitens des CPVO übermittelten elektronisch verfügbaren Schriftstücke und Mitteilungen sowie die Beantwortung dieser Mitteilungen, Aktenanforderungen und sonstigen Schriftstücke ermöglichen wird. Bei diesem Bereich für elektronische Übermittlungen („Benutzerbereich“) handelt es sich um ein System mit eingeschränktem Zugang, das als „MyPVR“ bezeichnet wird.
59 Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 sieht vor, dass, sobald die Umsetzung von MyPVR abgeschlossen ist, es die Möglichkeit bietet, sämtliche Mitteilungen des CPVO in elektronischer Form zu erhalten. Sollte sich der Benutzer für diese Option entscheiden, sendet das CPVO alle Mitteilungen auf elektronischem Weg über den Benutzerbereich, es sei denn, dies ist aus technischen Gründen nicht möglich.
60 Nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 erfolgen, nachdem der Benutzer die Option der elektronischen Kommunikation mit dem CPVO freigeschaltet hat, sämtliche elektronisch verfügbaren offiziellen Mitteilungen des CPVO an den Benutzer über MyPVR. Zustellungsbedürftige Schriftstücke im Sinne von Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 werden über MyPVR zugestellt.
61 Gemäß Art. 6 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 enthalten die auf der Website des CPVO abrufbaren Geschäftsbedingungen für die im Rahmen von MyPVR erfolgende elektronische Übermittlung an und durch das CPVO weitere Informationen über die verfügbaren elektronischen Tools, deren Anforderungen und die technischen Voraussetzungen für elektronische Mitteilungen und/oder elektronische Übermittlungen an und durch das CPVO sowie die seitens der Benutzer standardmäßig zu unterzeichnenden Verpflichtungserklärungen.
62 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 und 4 und Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 (oben in den Rn. 58 bis 60 angeführt), dass sämtliche Übermittlungen und Mitteilungen, einschließlich derjenigen, die unter Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 fallen, über den MyPVR‑Benutzerbereich erfolgen können, sofern der Benutzer die Option der elektronischen Kommunikation mit dem CPVO freigeschaltet hat.
63 Außerdem sieht Art. 6 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 (oben in Rn. 61 angeführt) vor, dass die Geschäftsbedingungen des MyPVR weitere Informationen über die verfügbaren elektronischen Tools, deren Anforderungen und die technischen Voraussetzungen für elektronische Mitteilungen und/oder elektronische Übermittlungen durch das CPVO enthalten. Die Anwendbarkeit dieser Geschäftsbedingungen kann daher nicht weiter in Frage gestellt werden.
64 Im Übrigen heißt es auch in Nr. 4 Buchst. b der Version 3.0 der Geschäftsbedingungen des MyPVR, dass das CPVO einem Benutzer, wenn dieser sich für die elektronische Übermittlung entschieden hat, Entscheidungen, Mitteilungen und andere Schriftstücke auf elektronischem Weg über den Benutzerbereich wirksam zustellt, es sei denn, dies ist aus technischen Gründen nicht möglich oder bestimmte Funktionen dieses Bereichs befinden sich noch in der Entwicklung. In diesen Fällen kann als gebilligte Zustellungsform die elektronische Übermittlung mittels E‑Mail oder eines anderen akzeptablen Kommunikationsmittels zugelassen werden.
65 Die Rüge, dass der MyPVR‑Benutzerbereich nicht rechtmäßig als offizieller Zustellungsweg dienen könne, greift daher nicht durch.
66 Aus Art. 3 Abs. 4 und Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 und Nr. 4 Buchst. b der Version 3.0 der Geschäftsbedingungen des MyPVR ergibt sich jedoch, dass die Benutzung des MyPVR als offiziellem Zustellungsweg voraussetzt, dass der Benutzer die Option der elektronischen Kommunikation mit dem CPVO freigeschaltet hat.
67 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien nicht bestreiten, dass die Klägerin sich im Sinne der oben in Rn. 66 genannten Vorschriften für die elektronische Kommunikation über MyPVR entschieden hat. Außerdem ergibt sich aus Anhang C.2 der Klagebeantwortung des CPVO vom 19. September 2023, dass die Klägerin am 12. Februar 2021 die Version 3.0 der Geschäftsbedingungen des MyPVR akzeptiert hat, womit sie ihre Entscheidung für die elektronische Kommunikation bestätigt hat.
68 Nach Nr. 2 der Version 3.0 der Geschäftsbedingungen des MyPVR verpflichten sich die Benutzer, den Benutzerbereich zu nutzen, um u. a. vom CPVO übermittelte Mitteilungen und Schriftstücke zu erhalten. Die elektronische Kommunikation mittels E‑Mail kann nur in den Fällen als gebilligtes Kommunikationsmittel zugelassen werden, in denen die Plattform ungeeignet ist. In Abs. 2 dieser Nummer heißt es ferner, dass der Benutzer sich durch die Nutzung des Benutzerbereichs verpflichtet, den Verpflichtungen nachzukommen, die in Abs. 1 dieser Nummer genannt sind.
69 Es besteht daher kein Zweifel daran, dass sich die Klägerin, indem sie den Benutzerbereich genutzt hat und die Geschäftsbedingungen des MyPVR akzeptiert hat, damit einverstanden erklärt hat, Übermittlungen und Mitteilungen des CPVO über den MyPVR-Benutzerbereich zu erhalten.
70 Angesichts des Vorstehenden ist die Rüge, dass MyPVR, was die Klägerin angeht, nicht rechtmäßig als offizieller Zustellungsweg dienen könne, zurückzuweisen.
71 Was zweitens das Vorbringen angeht, dass ein Verstoß gegen Art. 65 der Verordnung Nr. 874/2009 vorliege, weil das CPVO die tatsächliche Zustellung und den Empfang der am 10. Januar 2022 übersandten erneuten Zahlungsaufforderung nicht bewiesen habe, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Akte des CPVO ergibt, dass die erneute Zahlungsaufforderung über MyPVR übersandt wurde. Art. 65 der Verordnung Nr. 874/2009, der die Zustellung durch die Post betrifft, ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Hier ist Art. 64a der Verordnung Nr. 874/2009 über die Zustellung mit Hilfe elektronischer Mittel oder sonstiger technischer Mittel heranzuziehen.
72 Art. 64a Abs. 1 der Verordnung Nr. 874/2009 bestimmt, dass die elektronische Zustellung durch Übermittlung einer digitalen Kopie des zuzustellenden Schriftstücks erfolgt. Die Zustellung gilt als an dem Tag erfolgt, an dem die Mitteilung beim Empfänger eingegangen ist. Der Präsident des CPVO legt die Einzelheiten der elektronischen Zustellung fest. Gemäß Art. 64a Abs. 3 der Verordnung Nr. 874/2009 legt der Präsident des CPVO die Einzelheiten der Zustellung mit Hilfe sonstiger technischer Kommunikationsmittel fest.
73 Wie oben in den Rn. 67 bis 69 ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Klägerin sich damit einverstanden erklärt hat, die Mitteilungen und Übermittlungen des CPVO über MyPVR zu erhalten. Insoweit ist ferner daran zu erinnern, dass nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 sämtliche in elektronischer Form verfügbaren offiziellen Mitteilungen des CPVO einschließlich der zustellungsbedürftigen Schriftstücke im Sinne von Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94 dem Benutzer über MyPVR übermittelt werden, sobald dieser die Option der elektronischen Kommunikation mit dem CPVO freigeschaltet hat. MyPVR ist daher als einziger offizieller Kommunikationsweg für offizielle Zustellungen, einschließlich derjenigen nach Art. 79 der Verordnung Nr. 2100/94, anzusehen.
74 Dementsprechend hat das CPVO der Klägerin nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 über MyPVR zunächst am 27. Oktober 2021 eine Zahlungsaufforderung betreffend die Zahlung der Jahresgebühr übermittelt, gefolgt am 28. Oktober 2021 von einer automatischen E‑Mail, und anschließend am 10. Januar 2022 die in Rede stehende erneute Aufforderung zur Zahlung der ausstehenden Gebühr im Sinne von Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2100/94, gefolgt am 11. Januar 2022 von einer automatischen E‑Mail.
75 Was die tatsächliche Zustellung der erneuten Zahlungsaufforderung vom 10. Januar 2022 angeht, heißt es in Art. 4 Abs. 4 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016, dass ein Beschluss oder ein sonstiges Schriftstück nach Ablauf des siebten Tags nach der Übermittlung einer E‑Mail an den Benutzer, in der dieser über das seitens des CPVO erfolgte Einstellen einer digitalen Kopie des Beschlusses oder Schriftstücks in den Benutzerbereich unterrichtet wurde, als zugestellt gilt. Im vorliegenden Fall ist die erneute Zahlungsaufforderung vom 10. Januar 2022 folglich als am 18. Januar 2022 zugestellt anzusehen, d. h. sieben Tage nach dem 11. Januar 2022, an dem die automatische E‑Mail verschickt wurde, mit der die Klägerin über die Einstellung des fraglichen Schriftstücks in den MyPVR‑Benutzerbereich unterrichtet wurde.
76 Nach Art. 4 Abs. 5 des Beschlusses des Präsidenten des CPVO vom 20. Dezember 2016 muss ein Benutzer das CPVO außerdem unverzüglich informieren, wenn er einen Beschluss oder ein anderes Schriftstück nicht abrufen kann. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin das CPVO nicht über ein wie auch immer geartetes Zugangsproblem in Bezug auf das in Rede stehende Schriftstück informiert.
77 Dem CPVO kann somit nicht vorgeworfen werden, die erneute Zahlungsaufforderung vom 10. Januar 2022 nicht zugestellt zu haben. Da die Klägerin keinen Beweis für das Gegenteil erbracht hat, gilt die in Rede stehende erneute Zahlungsaufforderung als ihr am 18. Januar 2022 zugegangen. Diese Rüge ist daher ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
78 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen.
Kosten
79 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
80 Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des CPVO die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Romagnoli Fratelli SpA trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. April 2024.
Unterschriften