Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)
19. März 2025(* )
„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine – Einfrieren von Geldern – Listen der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren werden – Aufnahme des Namens des Klägers in die Liste – Unterstützung des Lukaschenko-Regimes – Profitieren vom Lukaschenko-Regime – Staatseigenes Unternehmen – Beurteilungsfehler – Eigentumsrecht – Unternehmerische Freiheit) “
In der Rechtssache T‑1042/23,
AAT Byelorussian Steel Works – management company of „Byelorussian Metallurgical Company“ holding (BSW – management company of „BMC“ holding) mit Sitz in Schlobin (Belarus), vertreten durch Rechtsanwältinnen N. Montag und M. Krestiyanova,
Klägerin,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch A. Boggio-Tomasaz und A. Antoniadis als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwältin E. Raoult,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, der Richterin N. Półtorak (Berichterstatterin) und des Richters H. Cassagnabère,
Kanzler: M. Zwozdziak-Carbonne, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2024
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die AAT Byelorussian Steel Works – management company of „Byelorussian Metallurgical Company“ holding (BSW – management company of „BMC“ holding), die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (GASP) 2023/1592 des Rates vom 3. August 2023 zur Durchführung des Beschlusses 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. 2023 L 195 I, S. 31) sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2023/1591 des Rates vom 3. August 2023 zur Durchführung des Artikels 8a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine (ABl. 2023 L 195 I, S. 1) (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte), soweit diese Rechtsakte die Klägerin betreffen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Klägerin ist ein belarussisches, auf dem Sektor der Eisen- und Stahlerzeugnisse tätiges Unternehmen.
3 Der vorliegenden Rechtssache liegen die von der Europäischen Union seit 2004 angesichts der Lage in Belarus im Hinblick auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte sowie die Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine erlassenen restriktiven Maßnahmen zugrunde.
4 Der Rat der Europäischen Union erließ am 18. Mai 2006 auf der Grundlage der Art. 75 und 215 AEUV die Verordnung (EG) Nr. 765/2006 über restriktive Maßnahmen gegen Präsident Lukaschenko und verschiedene belarussische Amtsträger (ABl. 2006, L 134, S. 1) und am 15. Oktober 2012 auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2012/642/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Belarus (ABl. 2012, L 285, S. 1).
5 In ihrer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte geltenden Fassung sehen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 und Art. 2 Abs. 1 und 5 der Verordnung Nr. 765/2006 vor, dass sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren werden, die im Besitz oder Eigentum u. a. natürlicher oder juristischer Personen, Organisationen oder Einrichtungen stehen, die vom Lukaschenko-Regime profitieren oder es unterstützen, oder von diesen Personen, Organisationen oder Einrichtungen gehalten oder kontrolliert werden.
6 Am 24. Februar 2022 griff die Russische Föderation die Ukraine militärisch an.
7 Wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Rechtsakte ergibt, wurden diese angesichts der ernsten Lage in Belarus sowie aufgrund der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine erlassen.
8 Mit den angefochtenen Rechtsakten wurde der Name der Klägerin in Zeile 37 der Tabelle B der im Anhang des Beschlusses 2012/642 und in Anhang I der Verordnung Nr. 765/2006 enthaltenen Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, gegen die sich die restriktiven Maßnahmen richten (im Folgenden zusammen: streitige Listen), aufgenommen.
9 Die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen wurde mit folgender Begründung gerechtfertigt:
„Die offene Aktiengesellschaft BSW – management company of ‚BMC‘ holding ist ein einzigartiges staatliches Unternehmen der metallurgischen Industrie in Belarus und gehört zu den größten Unternehmen des Landes. Das Unternehmen ist damit eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenk[o]-Regime. Der belarussische Staat profitiert unmittelbar von den Einkünften der BSW – management company of ‚BMC‘ holding. Darüber hinaus erhält das Unternehmen umfangreiche staatliche Zuschüsse und politische Unterstützung vom Lukaschenk[o]-Regime. Der Generaldirektor von BSW – management company of ‚BMC‘ holding wurde von Präsident Lukaschenk[o] persönlich ernannt.
Mitarbeiter von BSW – management company of ‚BMC‘ holding, die nach den Präsidentschaftswahlen 2020 in Belarus protestierten und streikten, wurden entlassen. Seitdem geht das Unternehmen gegen Beschäftigte, die Streiks organisieren wollen, weiterhin mit Drohungen und Entlassungen vor. Daher profitiert BSW – management company of ‚BMC‘ holding vom Lukaschenk[o]-Regime und unterstützt es. Ferner ist das Unternehmen für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft in Belarus verantwortlich.“
10 Am 4. August 2023 veröffentlichte der Rat im Amtsblatt der Europäischen Union eine Mitteilung an die Personen und Organisationen, die den restriktiven Maßnahmen nach den angefochtenen Rechtsakten unterliegen (ABl. 2023, C 275, S. 21). Die von dieser Mitteilung betroffenen Personen und Organisationen konnten der Mitteilung zufolge vor dem 30. November 2022 beim Rat beantragen, dass der Beschluss, mit dem ihr Name in die streitigen Listen aufgenommen wurde, überprüft wird.
11 Am 5. August 2023 beantragte die Klägerin den Zugang zu den Informationen und Beweisen, auf die sich diese Aufnahme stützt.
12 Am 11. August 2023 übermittelte der Rat der Klägerin das Arbeitsdokument mit dem Aktenzeichen WK 10044/2023 INIT, in dem die Tatsachen angeführt sind, die bei der Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen berücksichtigt worden waren.
Anträge der Parteien
13 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
14 Der Rat beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
15 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen „offensichtlichen“ Beurteilungsfehler und zweitens einen Eingriff in das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit rügt.
Zum e rsten Klagegrund: Beurteilungsfehler
16 Der erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile, mit denen erstens geltend gemacht wird, dass die Klägerin keine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenko-Regime sei, zweitens, dass sie nicht von diesem Regime profitiere und es nicht unterstütze, sowie drittens, dass sie nicht für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft in Belarus verantwortlich sei.
17 Im vorliegenden Fall hält es das Gericht für angezeigt, mit der Prüfung der Gründe für die angefochtenen Rechtsakte zu beginnen, soweit es darum geht, die Klägerin unterstütze das Lukaschenko-Regime und profitiere von ihm.
18 Die Klägerin macht geltend, dass sie nicht vom Lukaschenko-Regime profitiere und es nicht unterstütze.
19 Was insoweit als Erstes den Grund angeht, die Klägerin unterstütze das Lukaschenko-Regime, so stellt sie dies in Abrede. Sie weist auch darauf hin, dass dieser Grund ausweislich des Wortlauts der angefochtenen Rechtsakte lediglich auf eine „wichtige Einkommensquelle“, deren Vorliegen nicht nachgewiesen worden sei, nicht aber auf eine „quantitativ oder qualitativ erhebliche Unterstützung“ oder auch eine „strategische Unterstützung“ gerichtet sei.
20 Die Klägerin macht geltend, dass sie keine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenko-Regime sei. Zudem sei ihr Gewinn in den Jahren 2021 und 2022 gering gewesen. In der Zeit von 2018 bis 2022 seien sehr niedrige Dividenden gezahlt worden, und ausweislich der Akte des Rates habe sie staatlicher Unterstützung bedurft.
21 Ferner sei sie als staatliches Unternehmen gesetzlich verpflichtet, Dividenden an den Staat abzuführen, die von den Steuerbehörden vereinnahmt werden könnten. Gemäß dem Erlass des Präsidenten der Republik Belarus Nr. 637 vom 28. Dezember 2005 über das Verfahren zur Einstellung eines Teils der Gewinne der Staatsunternehmen und der staatlichen Vereinigungen, die Handelsorganisationen sind, sowie der Einnahmen aus Dividenden (der Anteile am Gesellschaftskapital) der vom Staat oder den Gemeinden gehaltenen Wirtschaftsunternehmen in den Haushalt und die Bildung eines zweckspezifischen Haushaltsfonds für nationale Entwicklung (Nationales Rechtsaktregister der Republik Belarus Nr. 1/7075 vom 29. Dezember 2005) (im Folgenden: Erlass Nr. 637) führten die als staatlich definierten gewerblichen Einrichtungen ihre Gewinne an den Haushalt der Republik Belarus ab, und zwar im Verhältnis der Anteile, die der Staat und die Verwaltungs- und Gebietseinheiten am satzungsgemäßen Stammkapital dieser gewerblichen Einrichtungen hielten.
22 Weder die Entrichtung von Steuern noch die Zahlung verpflichtender Dividenden könnten als Unterstützung eines Regimes eingestuft werden, da es sich um gesetzliche Verpflichtungen handele.
23 Auch könne das Kriterium der Unterstützung eines Regimes nicht schon allein dadurch hinreichend erfüllt sein, dass sich ein Unternehmen in Staatsbesitz befinde.
24 Was als Zweites den Grund angeht, die Klägerin profitiere vom Regime, erklärt sie, dass ihr Generaldirektor nicht vom Präsidenten der Republik Belarus ernannt worden sei. Dass der Generaldirektor vom Regime profitiere, bedeute im Übrigen nicht, dass die Klägerin selbst profitiere.
25 Die Möglichkeit, Schuldverschreibungen zu marktkonformen Konditionen zu emittieren, sei kein Beweis für eine finanzielle Unterstützung durch das Regime.
26 Außerdem sei der Erhalt einer Erstattung der Zinsen für die Verwendung von Bankdarlehen zur Durchführung eines Investitionsprojekts an Leistungsbedingungen geknüpft worden. Diese Erstattung sei Gegenstand eines Auswahlverfahrens gewesen und die Klägerin sei nicht die einzige Empfängerin gewesen. Außerdem sei eine der fraglichen Beihilfen an eine Bank und nicht an die Klägerin geflossen.
27 Zu den Preisen, die die Klägerin oder ihr Generaldirektor ebenso wie andere Personen erhalten haben sollen, erläutert die Klägerin, dass diese von privaten Unternehmen auf der Grundlage transparenter, allein auf Verdienst beruhender Kriterien vergeben würden.
28 Schließlich seien alle der Klägerin, ihrem Generaldirektor und ihren Produkten verliehenen Auszeichnungen Erklärungen, die von staatlichen Persönlichkeiten an eine Reihe von belarussischen Unternehmen gerichtet worden seien, selbst wenn diese Verluste gemacht hätten.
29 Der Rat tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
30 Zunächst ist davon auszugehen, dass mit dem ersten Klagegrund ein Beurteilungsfehler und nicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt wird. Denn der Rat verfügt zwar bei der Einzelfallentscheidung, ob die rechtlichen Kriterien, auf die sich die betreffenden restriktiven Maßnahmen stützen, erfüllt sind, über einen Bewertungsspielraum, jedoch müssen die Unionsgerichte eine grundsätzlich vollständige Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union sicherstellen (vgl. Urteil vom 6. September 2023, Pumpyanskiy/Rat, T‑291/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:499, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31 Die durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierte Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle erfordert u. a., dass sich die Unionsgerichte, wenn sie die Rechtmäßigkeit der einer Entscheidung, den Namen einer Person oder Organisation in die Listen der restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen aufzunehmen oder darauf zu belassen, zugrunde liegenden Begründung prüfen, vergewissern, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit dieser Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (Urteil vom 13. September 2023, Synesis/Rat, T‑97/21 und T‑215/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:531, Rn. 35).
32 Im Streitfall ist es nämlich Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation angeführten Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person oder Organisation, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind (vgl. Urteil vom 13. September 2023, Synesis/Rat, T‑97/21 und T‑215/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:531, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Übermittelt die zuständige Unionsbehörde relevante Informationen oder Beweise, müssen die Unionsgerichte die sachliche Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen anhand dieser Informationen oder Beweise prüfen und deren Beweiskraft anhand der Umstände des Einzelfalls und im Licht etwaiger dazu abgegebener Stellungnahmen, insbesondere der betroffenen Person oder Organisation, würdigen (vgl. Urteil vom 13. September 2023, Synesis/Rat, T‑97/21 und T‑215/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:531, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Die Begründung dafür, dass die Klägerin vom Lukaschenko-Regime profitiere und es unterstütze, ist auf die Kriterien in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 gestützt, eine Bestimmung, auf die Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 765/2006 verweist, wobei Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 zu entnehmen ist, dass es sich bei der „Unterstützung“ des Lukaschenko-Regimes und dem „Profitieren“ von diesem Regime um gesonderte Kriterien für die Aufnahme in die streitigen Listen handelt (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Was als Erstes den Grund angeht, die Klägerin unterstütze das Lukaschenko-Regime, der im ersten Absatz der oben in Rn. 9 wiedergegebenen Begründung genannt wird, wird dort festgestellt, die Klägerin sei ein einzigartiges staatliches Unternehmen der metallurgischen Industrie in Belarus und gehöre zu den größten Unternehmen des Landes. Als solches sei es eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenko-Regime, von der dieses Regime unmittelbar profitiere.
36 Dieser Grund ist auf das Kriterium der „Unterstützung“ des Lukaschenko-Regimes in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 gestützt, eine Bestimmung, auf die Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 765/2006 verweist.
37 Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die vom Rat vorgetragenen und oben in Rn. 35 dargelegten tatsächlichen Umstände erwiesen sind, sowie, gegebenenfalls, in einem zweiten Schritt, ob sie unter Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 fallen.
38 Was zum einen die Frage betrifft, ob diese tatsächlichen Umstände erwiesen sind, steht zunächst einmal fest, dass sich die Klägerin in Staatsbesitz befindet, da ihr gesamtes Kapital von der Republik Belarus gehalten wird.
39 Darüber hinaus geht aus den Akten des Rates hervor, dass die Klägerin von Präsident Lukaschenko als eines der „Flaggschiffe“ von Belarus anerkannt wird, das zu den fünf größten Unternehmen des Landes gehört und seine Produktion in über 60 Länder der Welt exportiert. Diese Aussage Präsident Lukaschenkos wird durch den am 3. Juli 2021 auf der Internetseite „belta.by“ der nationalen öffentlichen Nachrichtenagentur der Republik Belarus veröffentlichten und in den Akten des Rates befindlichen Artikel gestützt, in dem es heißt, dass „[d]ie verarbeitende Industrie von Belarus … vollständig das Image und den Status des Landes [bestimmt] und … die Grundlage für seine wirtschaftliche und politische Souveränität [bildet]“. Ferner wird die Klägerin in diesem Artikel als „riesiges Industrieunternehmen“ bezeichnet. Zudem beschäftigte die Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge am 30. September 2023 11 633 Menschen, gehörte zu den größten belarussischen Stahlexporteuren und exportierte zuvor in mehr als 100 Länder weltweit, darunter auch mehrere Mitgliedstaaten der Union.
40 Schließlich gibt die Klägerin in ihren Schriftsätzen an, Dividenden für 2018 in Höhe von 2 817 224,38 belarussischen Rubel (BYN) (etwa 1 171 208,27 Euro), für 2019 in Höhe von 0 BYN, für 2020 in Höhe von 406 004,70 BYN (etwa 146 265,83 Euro), für 2021 in Höhe von 1 432 841,5 BYN (etwa 476 819,10 Euro) und für 2022 in Höhe von 1 741 862,61 BYN (etwa 632 737,33 Euro) an den belarussischen Staat abgeführt zu haben. Im Übrigen bestreitet sie nicht, im Jahr 2021, wie Beweisstück Nr. 3 der Akte des Rates zu entnehmen ist, erstens Körperschaftsteuer in Höhe von 11,6 Mio. US-Dollar (USD), zweitens Beiträge zum Sozialschutzfonds in Höhe von 27,9 Mio. USD und drittens Grundsteuer auf bebaute und unbebaute Grundstücke in Höhe von 6,78 Mio. USD entrichtet zu haben.
41 Dem Rat ist daher bei der Feststellung, dass die Klägerin ein einzigartiges staatliches Unternehmen der metallurgischen Industrie in Belarus sei und zu den größten Unternehmen des Landes gehöre und dass sie als solches eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenko-Regime sei, von der dieses Regime unmittelbar profitiere, kein Fehler unterlaufen.
42 Was zum anderen das Vorbringen der Klägerin betrifft, die oben in den Rn. 38 bis 40 dargelegten Umstände belegten nicht, dass eine „Unterstützung des Regimes“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 gegeben sei, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Erwägungsgründe 1 bis 5 und 8 des Beschlusses 2012/642 die restriktiven Maßnahmen gegen Belarus erlassen und verlängert wurden, weil die Menschenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Belarus weiterhin nicht geachtet wurden. Diese Maßnahmen richten sich deshalb gegen jene Personen, die für die Fälschungen und die Verletzung internationaler Wahlstandards bei bestimmten Wahlen oder Referenden in Belarus verantwortlich sind, sowie gegen Personen, die für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und die Repression gegen friedliche Demonstranten im Anschluss an diese Wahlen oder Referenden verantwortlich sind.
43 Außerdem wurden nach dem sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/642 in Anbetracht des Ernstes der Lage auch Maßnahmen gegen u. a. Personen und Organisationen, die vom Lukaschenko-Regime profitieren oder es unterstützen, insbesondere Personen und Organisationen, die das Regime finanziell oder materiell unterstützen, verhängt.
44 So hat der Rat, indem er die Unterstützung des Lukaschenko-Regimes als Kriterium für die Aufnahme eines Namens in die streitigen Listen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 verankert hat, beabsichtigt, angesichts der schwerwiegenden und anhaltenden Nichtachtung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit sowie der Repressionen gegen die Zivilgesellschaft und die demokratische Opposition in Belarus den auf dieses Regime ausgeübten Druck durch die Erweiterung des Kreises der Personen und Organisationen, gegen die restriktive Maßnahmen der Union verhängt werden, zu erhöhen. Daher hat der Rat die Möglichkeit vorgesehen, die Maßnahmen des Einfrierens von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen auf Personen und Organisationen anzuwenden, die das Lukaschenko-Regime unterstützen, insbesondere diejenigen, die es finanziell unterstützen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2023, MAZ-upravljajusaja kompanija holdinga Belavtomaz/Rat, T‑532/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:656, Rn. 60, und vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 57).
45 Im Licht dieser Erwägungen ist festzustellen, dass der Rat seinen Standpunkt, dass die Klägerin das Lukaschenko-Regime unterstütze, entgegen deren Vorbringen nicht nur auf den Umstand gestützt hat, dass sich die Klägerin im Besitz des belarussischen Staates befindet (siehe oben, Rn. 39 und 40).
46 Denn es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 2012/642 das in dessen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b vorgesehene Kriterium der Unterstützung „insbesondere“ auf die Personen und Organisationen abzielt, die das Lukaschenko-Regime finanziell unterstützen.
47 Daraus folgt, dass der Begriff „Unterstützung des Regimes“ auch andere Formen der Unterstützung umfasst als die politische Unterstützung des Lukaschenko-Regimes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2024, Grodno Azot und Khimvolokno Plant/Rat, T‑117/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:112, Rn. 52).
48 Was insoweit die Zahlung von Dividenden betrifft, erlaubt der Umstand, dass die Klägerin, also ein im Besitz des belarussischen Staates befindliches und Gewinne erzielendes Unternehmen, an den belarussischen Staat als einzigen Anteilseigner Dividenden abführt, die daher dem Lukaschenko-Regime zur Verfügung stehen, die Feststellung, dass die Klägerin eine Einkommensquelle für dieses Regime darstellt, sowie den Nachweis, dass eine finanzielle Unterstützung gegeben ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2023, MAZ-upravljajusaja kompanija holdinga Belavtomaz/Rat, T‑532/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:656, Rn. 72, und vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 69).
49 Zwar hat das Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. Oktober 2015, Chyzh u. a./Rat (T‑276/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:748, Rn. 169), ergangen ist, entschieden, dass der Rat nicht schon aus der bloßen Zahlung von Steuern auf eine „Unterstützung des Regimes“ schließen darf, da eine solche Zahlung eine gesetzliche Pflicht darstellt, die für alle belarussischen Steuerpflichtigen gilt.
50 Vorliegend kann jedoch dem Vorbringen der Klägerin, soweit sie Dividenden den Steuern im Sinne der oben in Rn. 49 angeführten Rechtsprechung gleichsetzt, nicht gefolgt werden.
51 Aus Abs. 1-1 des Erlasses Nr. 637 ergibt sich nämlich, dass die Unternehmen, die verpflichtet sind, einen Teil ihrer Gewinne an den Staat oder unterstaatliche Einrichtungen abzuführen, diejenigen sind, deren Entscheidungen vom Staat oder diesen Einrichtungen bestimmt werden. Folglich betrifft diese Verpflichtung lediglich eine bestimmte Kategorie von Wirtschaftsteilnehmern und nicht die Gesamtheit der belarussischen Steuerpflichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2023, MAZ-upravljajusaja kompanija holdinga Belavtomaz/Rat, T‑532/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:656, Rn. 79, und vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 76).
52 Ferner wird nach Abs. 1-2 des Erlasses Nr. 637 der Teil des Gewinns der betroffenen Unternehmen, der an die belarussischen Behörden abgeführt werden muss, nach der Differenz zwischen dem erwirtschafteten Gewinn und u. a. der Steuer- und Abgabenbelastung berechnet. Folglich unterscheidet sich die Zahlung, um die es sich hier handelt, formal von Steuern und kommt zu diesen hinzu. Der Umstand, dass für die Einziehung dieses Gewinnanteils, wie sich aus Abs. 3-1 des Erlasses Nr. 637 ergibt, die Steuerverwaltung nach den einschlägigen Steuerverfahren zuständig ist, vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2023, MAZ-upravljajusaja kompanija holdinga Belavtomaz/Rat, T‑532/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:656, Rn. 80, und vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 77).
53 Mithin steht der Umstand, dass die Klägerin verpflichtet ist, nach Maßgabe des Erlasses Nr. 637 ihre Gewinne an den Staat abzuführen, nicht im Widerspruch zu der Beurteilung, dass sie das Lukaschenko-Regime finanziell unterstützt. Vielmehr bestätigt ein solcher Umstand diese Beurteilung, da dieses Regime mit demselben Erlass die von ihm als alleiniger Anteilsinhaber bereits ausgeübte Kontrolle über die Ressourcen der Klägerin weiter erhöht hat, indem es sichergestellt hat, regelmäßig über die von ihr erzielten Gewinne zu verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 2023, MAZ-upravljajusaja kompanija holdinga Belavtomaz/Rat, T‑532/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:656, Rn. 81, und vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 78).
54 Daher hat der Rat die vorstehend untersuchten Beweise und Angaben zu den von der Klägerin an das Lukaschenko-Regime gezahlten Dividenden beurteilungsfehlerfrei als Anhaltspunkte angesehen, aufgrund deren er davonausgehen konnte, dass die Klägerin dieses Regime im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 unterstützt hatte.
55 Was im Übrigen die Steuerzahlungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Rat bei der Annahme, dass die Klägerin das Regime unterstütze, auch die erheblichen Beträge der von ihr an den belarussischen Staat abgeführten Steuern berücksichtigt hat.
56 Insoweit ist zwar im Urteil vom 6. Oktober 2015, Chyzh u. a./Rat (T‑276/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:748, Rn. 169), bereits entschieden worden, dass der Rat nicht schon aus der bloßen Zahlung von Steuern auf eine „Unterstützung des Regimes“ schließen darf, da eine solche Zahlung eine gesetzliche Pflicht darstellt, die für alle belarussischen Steuerpflichtigen gilt (siehe oben, Rn. 49). Doch unterschied sich die Situation in der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen ist, von der hier vorliegenden, da es um die Unterstützung des Regimes durch natürliche und juristische Personen des Privatrechts ging, für die die Pflicht zur Entrichtung von Steuern „eine gesetzliche Pflicht darstellt, die für alle belarussischen Steuerpflichtigen gilt“.
57 Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass es für die Feststellung, ob eine „Unterstützung des Regimes“ vorliegt, nicht ausschlaggebend ist, ob die an die Regierung abgeführten Beträge als Steuer oder als Dividende eingestuft werden. Im einen wie im anderen Fall handelt es sich nämlich um Beträge, die eine staatliche Einrichtung wie die in Rede stehende aufgrund einer zu dieser Zahlung verpflichtenden staatlichen Regelung an den Staat abgeführt hat. Wären solche Zahlungen vom Begriff „Unterstützung des Regimes“ allein deshalb nicht erfasst, weil die geschuldeten Beträge als Steuern eingestuft werden, könnten sich die Unionsvorschriften dadurch umgehen lassen, dass der Steuersatz für die von diesen Einrichtungen erwirtschafteten Gewinne erhöht und im Gegenzug die Höhe der Dividenden, deren Ausschüttung an den Staat allen staatlichen Unternehmen durch das nationale Recht auferlegt ist, herabgesetzt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Mai 2016, Bank of lndustry and Mine/Rat, C‑358/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:338, Rn. 80).
58 Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass feststeht, dass es sich bei der Klägerin – anders als bei den Personen, um die es im Urteil vom 6. Oktober 2015, Chyzh u. a./Rat (T‑276/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:748), ging – um eine in Staatsbesitz befindliche juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, da ihr gesamtes Kapital von der Republik Belarus gehalten wird (siehe oben, Rn. 38).
59 Insoweit kann der Staat im Unterschied zu den Einkünften und Gewinnen natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts über die Einkünfte und Gewinne der Klägerin dadurch verfügen, dass er sich öffentlich-rechtlicher Instrumente wie der Steuern und zugleich aus dem Eigentumsrecht abgeleiteter Instrumente wie der Dividenden bedient. In welcher Form die Mittel der Klägerin an den Staat abgeführt werden, hängt auch von diesem als Gesetzgeber und Eigentümer ab. Was die zur Unterstützung des Regimes vereinnahmten Mittel angeht, ist es unerheblich, ob der Staat sie in Form von durch ein staatliches Unternehmen entrichteten Steuern oder in Form von Dividenden, d. h. in Form einer Beteiligung am Gewinn dieses Unternehmens nach Steuern, erhält. Im Hinblick darauf, dass sich die Klägerin vollständig im Besitz des belarussischen Staates befindet, ist – mangels gegenteiliger Beweise in den Akten – daraus abzuleiten, dass sie hinsichtlich der finanziellen Unterstützung, die sie dem Regime gewährt, ihre Entscheidungen nicht unabhängig vom belarussischen Staat trifft.
60 Zudem ist die Klägerin, wie sich aus der Begründung für die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen ergibt, „ein einzigartiges staatliches Unternehmen der metallurgischen Industrie in Belarus und gehört zu den größten Unternehmen des Landes“ und „ist damit eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenk[o]-Regime“. Daraus folgt, dass alle von der Klägerin erwirtschafteten Einkünfte oder Gewinne potenziell an den Staat abgeführt werden, unabhängig davon, welche Form eine solche Unterstützung annehmen könnte.
61 Dementsprechend kann bei einem Unternehmen, dessen gesamtes Kapital vom Staat gehalten wird, die Zahlung von Dividenden wie die der Steuern bei der Feststellung Berücksichtigung finden, ob es im Rahmen der Prüfung einer etwaigen Unterstützung des Regimes eine wichtige Einkommensquelle für dieses Regime darstellt. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber im Jahr 2021, wie Beweisstück Nr. 3 der Akte des Rates zu entnehmen ist, dessen Zahlenangaben von der Klägerin nicht bestritten werden, erstens Körperschaftsteuer in Höhe von 11,6 Mio USD, zweitens Beiträge zum Sozialschutzfonds in Höhe von 27,9 Mio. USD und drittens Grundsteuer auf bebaute und unbebaute Grundstücke in Höhe von 6,78 Mio. USD entrichtet.
62 Dem Rat ist daher bei der Feststellung, dass die Klägerin eine wichtige Einkommensquelle für das Lukaschenko-Regime und den belarussischen Staat sei, der von diesen Einkünften unmittelbar profitiere, und dass sie demnach das Lukaschenko-Regime im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 unterstütze, kein Beurteilungsfehler unterlaufen.
63 Was als Zweites den Grund angeht, die Klägerin profitiere vom Lukaschenko-Regime, der im ersten Absatz der oben in Rn. 9 wiedergegebenen Begründung genannt wird, wird dort festgestellt, die Klägerin erhalte umfangreiche staatliche Zuschüsse und politische Unterstützung vom Lukaschenko-Regime; zudem sei ihr Generaldirektor von Präsident Lukaschenko persönlich ernannt worden.
64 Dieser Grund ist auf das Kriterium „Profitieren“ vom Lukaschenko-Regime in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 gestützt, eine Bestimmung, auf die Art. 2 Abs. 5 der Verordnung Nr. 765/2006 verweist.
65 Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die vom Rat vorgetragenen und oben in Rn. 63 dargelegten tatsächlichen Umstände erwiesen sind, sowie, gegebenenfalls, in einem zweiten Schritt, ob sie unter Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 fallen.
66 Was zum einen die materielle Richtigkeit der Tatsachenfeststellung anbelangt, geht erstens aus dem am 3. Juli 2021 auf der Internetseite „belta.by“ der nationalen öffentlichen Nachrichtenagentur der Republik Belarus veröffentlichten und als Beweisstück Nr. 7 in den Akten des Rates befindlichen Artikel hervor, dass die belarussische Regierung im Jahr 2023 beschloss, die Verluste einer belarussischen Bank aus der Klägerin gewährten Ausfuhrdarlehen in Höhe von 2,65 Mrd.russischen Rubel (RUB) (etwa 25 Mio.Euro), mit einem Zinssatz von 2/3 des Leitzinses der russischen Zentralbank und vorbehaltlich einer Ausfuhrrisikoversicherung oder einer staatlich unterstützten Ausfuhrrisikoversicherung auszugleichen. Auch wenn die Klägerin, die diesen Umstand nicht bestreitet, insoweit geltend macht, dass nicht sie, sondern eine Bank die staatliche Unterstützung erhalten habe, zeigt sich doch, dass sie die Endbegünstigte der betreffenden Beihilfe war, die es ihr ermöglicht hat, der finanziellen Belastung eines im Übrigen zu Vorzugsbedingungen und mit staatlicher Unterstützung gewährten Darlehens in beträchtlicher Höhe zu entgehen.
67 Im gleichen Sinne geht aus einem der Internetseite des Mediums „Nasha Niva“ entnommenen und als Beweisstück Nr. 33 in den Akten des Rates befindlichen Presseartikel vom 19. Februar 2021 hervor, dass ein Teil der Schulden der Klägerin auf den Staat übertragen und in eine staatliche Verbindlichkeit umgewandelt wurde, als das Unternehmen Schwierigkeiten hatte, seine Kredite zu bedienen oder seinen Kreditrückzahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Klägerin macht zwar insoweit geltend, dass dieser Beweis auf „unbegründeten [Angaben] über eine mutmaßlich mysteriöse staatliche Unterstützung“ beruhe, gleichwohl reicht er aus, um das Vorliegen einer finanziellen Unterstützung durch den belarussischen Staat zu untermauern.
68 Zweitens heißt es in als Beweisstücke Nrn. 10 bis 12 in den Akten des Rates befindlichen Veröffentlichungen auf der amtlichen Website der Klägerin zum konsolidierten Abschluss für die Jahre 2017 bis 2019, dass die Klägerin von 2016 bis 2019 mehrere erhebliche staatliche Zuschüsse in Höhe von 21 976 000 BYN (etwa 6 Mio.Euro), von 42 790 000 BYN (etwa 12 Mio.Euro), von 24 525 000 BYN (etwa 7 Mio.Euro) und von 24 683 000 BYN (etwa 7 Mio.Euro) erhalten habe. Diese Beweise werden durch den am 22. Dezember 2021 auf der Internetseite „belta.by“ der nationalen öffentlichen Nachrichtenagentur der Republik Belarus veröffentlichten und als Beweisstück Nr. 18 in den Akten des Rates befindlichen Artikel untermauert, in dem eine Erklärung Präsident Lukaschenkos wiedergegeben wird, der zufolge die Klägerin eine „beträchtliche staatliche Unterstützung“ erhalten habe.
69 Die Klägerin weist hierzu zwar darauf hin, dass diese Zuschüsse für die Entwicklung des Maschinenbaukomplexes der Republik Belarus für den Zeitraum 2017 bis 2020, der 2020 geendet habe, an strenge Auflagen geknüpft gewesen seien, sie bestreitet deren Zahlung jedoch nicht und stellt den vom Rat vorgelegten Beweisen keinen Beweis gegenüber. Unter diesen Umständen stellt sie weder das Vorliegen noch den Umfang der in Rede stehenden Zuschüsse ernsthaft in Frage. Außerdem bedeutet nach der Rechtsprechung der Umstand, dass sich die Gründe für die Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen auf Vorgänge beziehen, die sich vor dem Erlass der angefochtenen Rechtsakte ereignet hatten und die zu diesen Zeitpunkten abgeschlossen waren, nicht notwendigerweise, dass die gegenüber der von diesen Rechtsakten erfassten Person oder Organisation aufrechterhaltenen restriktiven Maßnahmen obsolet sind. Bei der Feststellung, dass die Klägerin vom Lukaschenko-Regime profitiere oder dieses unterstütze, kann nämlich eine solche Bezugnahme grundsätzlich nicht allein deshalb als irrelevant angesehen werden, weil bestimmte Handlungen mehr oder weniger lange zurückliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2020, Boshab/Rat, T‑171/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:55, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Juni 2023, Shakutin/Rat, T‑141/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:303, Rn. 163).
70 Drittens geht aus einem auf der Internetseite „lidergoda.by“ veröffentlichten und als Beweisstück Nr. 13 in den Akten des Rates befindlichen Artikel hervor, dass der Generaldirektor der Klägerin mit dem „Grand Prix Leader of the Year 2020“ ausgezeichnet wurde, wodurch die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die Produkte und Dienstleistungen der Klägerin habe gelenkt und deren hohe Qualität habe hervorgehoben werden können. Dieser Preis sei auf Beschluss eines aus Vertretern der Wirtschaft, der zuständigen Ministerien und Dienststellen sowie staatlicher Organisationen zusammengesetzten Sachverständigenrats verliehen worden.
71 Ausweislich einer als Beweisstück Nr. 14 in den Akten des Rates befindlichen Veröffentlichung auf der amtlichen Website der Klägerin erhielt auch diese im Rahmen der Preisverleihung „Leader of the Year 2021“ einen „Grand Prix“. Diese Preise würden vom belarussischen Industrieministerium und dem Ministerium für Gesundheit und Bildung sowie vom Staatlichen Komitee für Wissenschaft und Technologie und dem Republikanischen Unternehmerverband unterstützt.
72 Im gleichen Sinne ergibt sich aus dem Beweisstück Nr. 17 in den Akten des Rates, das eine Veröffentlichung auf der Website der Agentur Gosstandart enthält, bei der es sich, ohne dass die Klägerin dies bestritten hätte, um eine Agentur des belarussischen Ministerrats handeln soll, dass die Klägerin den von dieser Agentur verliehenen Preis für das beste Produkt erhalten hat.
73 Diese drei übereinstimmenden Beweise belegen somit, dass das belarussische Regime der Klägerin mehrere Auszeichnungen verliehen hat, die es dem Regime, wie der Rat zu Recht vorträgt, ermöglichen, die Tätigkeit der Klägerin zu billigen und sie in den Augen der Öffentlichkeit zu fördern, indem sie die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf deren Waren und Dienstleistungen lenken. Die Klägerin behauptet zwar, dass diese landesweiten Auszeichnungen auf die Förderung von in Belarus hergestellten Produkten abzielten und nicht speziell auf ihre eigenen, und dass die Preise von einem Sachverständigenrat vergeben würden, doch kann sie mit diesem Vorbringen, das sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die Modalitäten der Vergabe der von ihr erhaltenen Unterstützung zu bestreiten, ohne das Vorliegen der in den vom Rat vorgelegten Beweisen beschriebenen Umstände in Frage zu stellen, nicht in Abrede stellen, dass ihr das Regime zur Unterstützung ihrer Tätigkeit Ehrenpreise verliehen hat.
74 Viertens ergibt sich aus einem auf der Website „primepress.by“ veröffentlichten und als Beweisstück Nr. 8 in den Akten des Rates befindlichen Artikel, dass die Ernennung des Generaldirektors der Klägerin, eines ehemaligen belarussischen stellvertretenden Industrieministers, von Präsident Lukaschenko im Jahr 2019 genehmigt wurde. Eine solche, vom Staatsoberhaupt genehmigte Ernennung eines Regierungsmitglieds an die Spitze der Klägerin ist jedoch für die Feststellung ausreichend, dass zwischen der Klägerin und dem herrschenden Regime eine enge Verbindung sowie eine Form der politischen Unterstützung besteht. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin ohne Belang, dass zum einen dieser Stellenwechsel nicht als Beförderung angesehen werden könne und zum anderen ein angebliches Profitieren ihres Generaldirektors vom Regime nicht beweisen könne, dass sie selbst vom Regime profitiere. Auch wenn die Klägerin hinzufügt, dass der Präsident der Republik Belarus die Ernennung ihres Generaldirektors lediglich bestätige, was nicht einer Ernennung im eigentlichen Sinne gleichkomme, bescheinigt ein solches Verfahren außerdem gleichwohl eine endgültige Genehmigung dieser Ernennung durch den Präsidenten und damit durch das Regime.
75 Mithin ist der Rat nach alledem beurteilungsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerin in den Genuss umfangreicher staatlicher Zuschüsse sowie politischer Unterstützung durch das Lukaschenko-Regime gekommen sei und dass ihr Generaldirektor von Präsident Lukaschenko persönlich ernannt worden sei.
76 Was zum anderen die Frage betrifft, ob der Sachverhalt, auf den sich der Rat gestützt hat, dafür steht, dass die Klägerin im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 „vom Regime profitiert“ hat, ist festzustellen, dass die Klägerin zwar meint, dass dies nicht der Fall sei, sie aber dem insoweit kein relevantes Argument oder keinen relevanten Beweis entgegensetzt.
77 Wie den Ausführungen oben in den Rn. 66 bis 69 zu entnehmen ist, bestreitet die Klägerin nämlich nicht, die in Rede stehenden Zuschüsse erhalten zu haben, macht aber geltend, dass die Vergabe dieser Zuschüsse an strenge Auflagen geknüpft gewesen sei. Dies stellt jedoch nicht in Frage, dass diese Zuschüsse tatsächlich, und zwar in erheblicher Höhe, geflossen sind und mithin eine finanzielle Unterstützung zugunsten der Klägerin gegeben ist. Ebenso wenig kann die Klägerin davon ausgehen, dass der Ausgleich der Verluste durch den Staat, die eine belarussische Bank bei ihren Ausfuhrdarlehen erlitten hat, keine finanzielle Unterstützung des Regimes zu ihren Gunsten darstelle, da eine solche Maßnahme es ihr dank des Staates ermöglicht, ein Darlehen zu besonders günstigen Bedingungen zu erhalten. Es trifft zu, dass die Klägerin in der Sitzung angegeben hat, dass ihre Schulden durch diese Maßnahme nicht beseitigt, sondern nur vorübergehend ausgesetzt worden seien. Doch selbst wenn man diese Behauptung als erwiesen ansieht, ohne dass die Klägerin dafür irgendwelche Beweise vorgelegt hat, stellt eine vorübergehende Verringerung ihres Defizits eine finanzielle Unterstützung durch das Regime dar, was belegt, dass sie von ihm profitiert.
78 Was ferner die der Klägerin verliehenen Preise betrifft, stellt sie, wie den oben in den Rn. 70 bis 73 dargelegten Erwägungen zu entnehmen ist, nicht die Tatsache in Abrede, dass sie die betreffenden Preise erhalten hat, und legt keinerlei Beweis vor, der den Einfluss des Regimes auf die Vergabe dieser Preise in Frage stellen könnte. Zudem lässt der Umstand, dass weitere Unternehmen Preise erhalten haben, die Tatsache unberührt, dass auch die Klägerin Preise erhalten hat und es sich dabei um einen beweiskräftigen und relevanten Umstand handelt, der den Nachweis der kommerziellen und politischen Unterstützung des Regimes zu ihren Gunsten stützt.
79 Schließlich ist dem oben in Rn. 74 erwähnten Beweisstück Nr. 8 in den Akten des Rates zu entnehmen, dass Präsident Lukaschenko im Jahr 2019 der Ernennung eines Regierungsmitglieds zum Generaldirektor der Klägerin zugestimmt hat. Es ist zwar tatsächlich nicht erwiesen, dass er die Ernennung vorgenommen hat, aber die Klägerin hat weder behauptet noch dargetan, dass diese Zustimmung nicht zwingend war, so dass die Genehmigung durch Präsident Lukaschenko offenbar die notwendige Voraussetzung für die Ernennung war, was eine enge Verbindung zwischen dem Regime und der Unternehmensführung und damit eine Form der politischen Unterstützung zu deren Gunsten belegt.
80 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Rat beurteilungsfehlerfrei angenommen hat, dass die Klägerin in den Genuss umfangreicher staatlicher Zuschüsse sowie politischer Unterstützung durch das Lukaschenko-Regime gekommen sei und dass ihr Generaldirektor von Präsident Lukaschenko persönlich ernannt worden sei, was somit zusammen genommen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergebe, dass die Klägerin im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2012/642 von diesem Regime profitiert habe.
81 Außerdem stellt nach Auffassung des Gerichts die Begründung für die Unterstützung der Klägerin durch das Regime und dafür, dass sie von diesem Regime profitiere, die hinreichend präzise und konkret sowie frei von Beurteilungsfehlern ist, als solche eine hinreichende Grundlage dafür dar, die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen zu rechtfertigen.
82 Gelangt insoweit der Unionsrichter im Rahmen seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Rechtsakte zu der Auffassung, dass zumindest einer der angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, dass er erwiesen ist und dass er für sich genommen eine hinreichende Grundlage für diese Rechtsakte darstellt, kann in Anbetracht des präventiven Charakters der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen der Umstand, dass dies auf andere dieser Gründe nicht zutrifft, die Nichtigerklärung dieser Rechtsakte nicht rechtfertigen (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2023, Belaz-upravljajusaja kompanija holdinga Belaz Holding/Rat, T‑533/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:657, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
83 Dementsprechend ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen der Klägerin zur Entkräftung des zur Rechtfertigung der angefochtenen Rechtsakte angeführten Grundes, wonach die Klägerin für Repressionen gegen die Zivilgesellschaft in Belarus verantwortlich sei, geprüft zu werden braucht, da der Umstand, dass dieser Grund möglicherweise nicht erwiesen ist, nicht zur Aufhebung dieser Rechtsakte führen kann.
Zweiter Klagegrund: Eingriff in das Eigentum sr echt und die u nternehmerische Freiheit
84 Nach Ansicht der Klägerin stellt das gegen sie verhängte Einfrieren von Geldern eine Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten und ihres Wesensgehalts dar.
85 Aufgrund eines Beurteilungsfehlers seien die angefochtenen Rechtsakte unwirksam, und für die sich aus diesen Rechtsakten ergebenden Einschränkungen ihrer Grundrechte fehle es an jeglicher unionsrechtlichen Grundlage; mithin seien diese Einschränkungen nicht im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta „gesetzlich vorgesehen“.
86 Zudem seien die ihr gegenüber erlassenen restriktiven Maßnahmen im Hinblick auf deren Ziel weder erforderlich noch geeignet. Es bestehe nämlich kein Zusammenhang zwischen der Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen und dem Zweck der angefochtenen Rechtsakte, der mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhänge, ohne dass diese Rechtsakte eine Begründung dafür lieferten. Darüber hinaus erleide die Klägerin durch diesen Krieg Schaden und profitiere nicht von ihm.
87 Außerdem lasse sich mit der Frage, ob die Klägerin von spezifischen Ausnahmen von der Maßnahme des Einfrierens von Geldern Gebrauch gemacht habe, nicht dartun, dass sie durch die angefochtenen Rechtsakte nicht in ihren Rechten beeinträchtigt sei.
88 Schließlich sei keinerlei Erläuterung dafür gegeben worden, in welcher Art und Weise die beanstandeten restriktiven Maßnahmen zur Verwirklichung des mit den angefochtenen Rechtsakten verfolgten Ziels beitrügen, was gegen die Begründungspflicht verstoße und das Recht auf ein faires Verfahren sowie den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletze.
89 Der Rat tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
90 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in der Sitzung bekräftigt hat, dass es sich zum einen bei den Rügen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht und einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren sowie des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht um neue, von den Rügen des Eingriffs in das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit gesonderte Rügen handele. Zum anderen habe sie sich mit diesem Klagegrund nicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß Art. 5 EUV berufen, sondern sich auf einen Verstoß gegen die Art. 16, 17 und 52 der Charta gestützt.
91 Hierzu ist festzustellen, dass das Eigentumsrecht zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört und in Art. 17 der Charta verankert ist. Die unternehmerische Freiheit ist in Art. 16 der Charta verankert.
92 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den restriktiven Maßnahmen um Sicherungsmaßnahmen, die nicht darauf abzielen, die betreffenden Personen zu enteignen oder ihnen ihre unternehmerische Freiheit zu entziehen. Gleichwohl führen die in Rede stehenden Maßnahmen unbestreitbar zu einer Beschränkung des Gebrauchs des Eigentumsrechts der Klägerin und beeinträchtigen ihre Freiheit, eine Wirtschaftstätigkeit auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 167 und die dort angeführte Rechtsprechung).
93 Allerdings beanspruchen die von der Klägerin geltend gemachten Grundrechte, nämlich die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht, keine absolute Geltung und können folglich unter den Voraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden (vgl. Urteil vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat, T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung).
94 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta zum einen „[j]ede Einschränkung der Ausübung der in [der] Charta anerkannten Rechte und Freiheiten … gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten [muss]“ und zum anderen „[u]nter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit … Einschränkungen nur vorgenommen werden [dürfen], wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen“.
95 Eine Einschränkung der Ausübung der betreffenden Grundrechte muss daher, um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss die Einschränkung gesetzlich vorgesehen sein. Die betreffende Maßnahme muss, mit anderen Worten, eine Rechtsgrundlage haben. Zweitens muss die Einschränkung ein dem Gemeinwohl dienendes Ziel, das als solches von der Union anerkannt wird, verfolgen. Drittens darf die Einschränkung nicht unverhältnismäßig sein. Zum einen muss sie in Bezug auf das verfolgte Ziel erforderlich und angemessen sein. Zum anderen darf der „Wesensgehalt“, d. h. die Substanz des fraglichen Rechts oder der in Rede stehenden Freiheit nicht beeinträchtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 170 bis 173 und die dort angeführte Rechtsprechung).
96 Diese drei Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
97 Denn was die erste Voraussetzung angeht, ist festzustellen, dass die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen „gesetzlich vorgesehen“ sind, da sie in Rechtsakten festgelegt sind, die u. a. allgemeine Geltung haben und über eine eindeutige Rechtsgrundlage im Unionsrecht verfügen, nämlich Art. 29 EUV in Bezug auf den Durchführungsbeschluss 2023/1592 und Art. 215 AEUV in Bezug auf die Durchführungsverordnung 2023/1591. Für die Betroffenen ist hinreichend vorhersehbar, dass diese Bestimmungen als Rechtsgrundlagen für den Erlass restriktiver Maßnahmen dienen sollen, die geeignet sind, die Grundrechte zu beeinträchtigen oder einzuschränken (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 149 und die dort angeführte Rechtsprechung).
98 Außerdem ist dem Rat, wie im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellt worden ist, bei der Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen kein Beurteilungsfehler unterlaufen.
99 Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung, zu der sich die Klägerin überhaupt nicht äußert, ist festzustellen, dass die angefochtenen Rechtsakte in Bezug auf die Klägerin mit dem in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV genannten Ziel, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit zu festigen und zu fördern sowie den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken, in Einklang stehen.
100 In Bezug auf die dritte Voraussetzung ist festzustellen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, Cabello Rondón/Rat, T‑248/18, EU:T:2021:450, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).
101 Insoweit verfügt, was die gerichtliche Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betrifft, der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen in Bereichen, in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Prüfungen vornehmen muss. Folglich ist eine in diesen Bereichen erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. Urteil vom 14. Juli 2021, Cabello Rondón/Rat, T‑248/18, EU:T:2021:450, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).
102 Was die Möglichkeit betrifft, die verfolgten Ziele mittels der in Rede stehenden Maßnahmen zu verwirklichen, so ist im Hinblick auf dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen, die für die Völkergemeinschaft derart grundlegend sind wie die oben in Rn. 99 genannten, festzustellen, dass diese für sich genommen nicht als unangemessen angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 199 und die dort angeführte Rechtsprechung).
103 Außerdem stehen nach der Rechtsprechung die durch die restriktiven Maßnahmen verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen, da zum einen diese Maßnahmen naturgemäß befristet und reversibel sind und daher den „Wesensgehalt“ des Eigentumsrechts und der unternehmerischen Freiheit nicht antasten, und zum anderen von ihnen Ausnahmen gemacht werden dürfen, um die Grundbedürfnisse, die Gerichtskosten oder auch die außergewöhnlichen Kosten der betroffenen Personen zu decken (Urteil vom 21. Februar 2018, Klyuyev/Rat, T‑731/15, EU:T:2018:90, Rn. 182; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 225).
104 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 des Beschlusses 2012/642 und Art. 3 der Verordnung Nr. 765/2006 die Möglichkeit vorsehen, die Freigabe oder die Bereitstellung bestimmter eingefrorener Gelder oder wirtschaftlicher Ressourcen zu genehmigen, damit die betroffenen Personen Grundbedürfnisse befriedigen oder bestimmte Verpflichtungen erfüllen können.
105 Schließlich kann die Bedeutung des Ziels, das mit den beanstandeten restriktiven Maßnahmen verfolgt wird, selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen, die für die Situation, die zum Erlass der Sanktionen geführt hat, nicht verantwortlich sind (vgl. Urteil vom 6. März 2024, BSW – management company of „BMC“ holding/Rat, T‑258/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:150, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung).
106 Vor diesem Hintergrund kann nicht von einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht und die unternehmerische Freiheit der Klägerin ausgegangen werden.
107 Folglich ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
108 Da auch der erste Klagegrund zurückgewiesen worden ist, ist dementsprechend die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
109 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
110 Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die AAT Byelorussian Steel Works – management company of „Byelorussian Metallurgical Company“ holding (BSW – management company of „BMC“ holding) trägt neben ihren eigenen Kosten die dem Rat der Europäischen Union entstandenen Kosten.
da Silva Passos
Półtorak
Cassagnabère
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. März 2025.
Unterschriften