C-763/18 P – Wallapop/ EUIPO
Language of document : ECLI:EU:C:2020:497
Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
GERAD HOGAN
vom 25. Juni 2020(1)
Rechtssache C‑763/18 P
Wallapop, SL
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),
Unipreus, SL
„Rechtsmittel – Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Bildmarke mit dem Wortbestandteil ‚wallapop‘ – Ältere nationale Bildmarke mit dem Wortbestandteil ‚wala w‘ – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 – Ähnlichkeit der Dienstleistungen – Klasse 35 – Einzelhandelsdienstleistungen – Online-Marktplatz“
I. Einleitung
1. Die Rechtsmittelführerin in diesem Verfahren, die Wallapop, SL (im Folgenden: Wallapop), ist eine spanische Gesellschaft, die einen Online-Marktplatz betreibt. Über ihre Anwendung für Smartphones und Tablets und über ihre Internetseite haben Nutzer die Möglichkeit, online Artikel zu verkaufen und zu kaufen. Wallapop beantragte beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Eintragung einer Bildmarke, die das Wort „wallapop“ enthält. Der Schutz wurde beantragt für Dienstleistungen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung, u. a. für bestimmte Onlinehandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Online-Marktplatzes und die damit verbundenen Dienstleistungen.
2. Die Unipreus, SL (im Folgenden: Unipreus), ein auf Schuhwaren spezialisierter spanischer Einzelhändler, legte gegen die Anmeldung von Wallapop Widerspruch ein, und zwar gestützt auf eine ältere spanische Bildmarke mit dem Wortelement „wala w“, die für Dienstleistungen der Klasse 35 für den „Einzelhandel mit Sportartikeln“ eingetragen ist.
3. Mit Entscheidung vom 18. Januar 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde von Unipreus gegen die Zurückweisung des Widerspruchs durch die Widerspruchsabteilung des EUIPO zurück. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO fest, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe, da die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen sich von denen der älteren spanischen Marke unterschieden(2).
4. Im Urteil vom 3. Oktober 2018, Unipreus/EUIPO – Wallapop (wallapop) (T‑186/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:640, im Folgenden: angefochtenes Urteil) gab das Gericht der Nichtigkeitsklage von Unipreus gegen die angefochtene Entscheidung statt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass zwischen den in Rede stehenden Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit bestehe.
5. Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich nun die folgenden Fragen: Sind Onlinehandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Online-Marktplatzes und Einzelhandelsdienstleistungen ähnlich oder unterschiedlich? Oder alternativ, sollten solche Onlinehandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Online-Marktplatzes nach dem aktuellen Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Tulliallan Burlington/EUIPO(3) unter den Begriff „Einzelhandelsdienstleistungen“ fallen?
6. Bevor diese Fragen erörtert werden, ist es jedoch notwendig, den rechtlichen Rahmen und die Vorgeschichte des Verfahrens darzustellen und genauer auf den Sachverhalt einzugehen.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Verordnung Nr. 207/2009
7. Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke(4) in der geänderten Fassung bestimmt:
„(1) Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,
…
(b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“
B. Richtlinie 2011/83
8. Art. 6 der Richtlinie (EU) 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(5) trägt die Überschrift „Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“. Abs. 1 Buchst. b und c lautet:
„(1) Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:
…
b) die Identität des Unternehmers, beispielsweise seinen Handelsnamen;
(c) die Anschrift des Ortes, an dem der Unternehmer niedergelassen ist, und gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und E‑Mail-Adresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann, sowie gegebenenfalls die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt“.
C. Verordnung Nr. 524/2013
9. Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten)(6) sieht vor:
„(1) Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
…
(f) ‚Online-Marktplatz‘ einen Diensteanbieter im Sinne des Artikels 2 Buchstabe b der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr), der es Verbrauchern und Unternehmern ermöglicht, auf der Internetseite des Online-Marktplatzes Online-Kaufverträge und Online-Dienstleistungsverträge abzuschließen“.
D. Richtlinie 2016/1148
10. Art. 4 Abs. 17 der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union(7) bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:
…
‚Online-Marktplatz‘ einen digitalen Dienst, der es Verbrauchern und/oder Unternehmern im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe a bzw. Buchstabe b der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63)] ermöglicht, Online-Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge mit Unternehmern entweder auf der Internetseite des Online-Marktplatzes oder auf der Internetseite eines Unternehmers, die von dem Online-Marktplatz bereitgestellte Rechendienste verwendet, abzuschließen“.
III. Hintergrund des Rechtsstreits
11. Am 18. September 2014 meldete Wallapop gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO eine Unionsmarke an. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen (im Folgenden: angegriffene Marke):
12. Die angemeldeten Dienstleistungen fallen in Klasse 35 und entsprechen insbesondere folgender Beschreibung:
„Online-Handelsdienstleistungen, nämlich, Betrieb von Online-Märkten für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen des Online-Handels, wobei Verkäufer Waren oder Dienstleistungen zwecks Verkaufs annoncieren und das Bieten oder Kaufen über das Internet erfolgen, um Dritten den Verkauf von Waren und Dienstleistungen über ein Computernetz zu ermöglichen; Bereitstellung von Bewertungsrückmeldungen und Leistungsbewertungen in Bezug auf Waren und Dienstleistungen von Verkäufern, Wert und Preis der Waren und Dienstleistungen von Verkäufern, Leistungen, Auslieferung und Gesamthandelserfahrung von Käufern und Verkäufern in Verbindung damit; Bereitstellung einer durchsuchbaren Online-Bewertungsdatenbank für Käufer und Verkäufer; Bereitstellung von geschäftlichen Informationen in Bezug auf Waren und/oder Dienstleistungen, Bewertung und Einstufung dieser Art von Waren und Dienstleistungen sowie der Käufer und Verkäufer dieser Art von Waren und/oder Dienstleistungen; Gewinnung, Zusammenstellung, Systematisierung, Verarbeitung und Bereitstellung von Geschäftsinformationen für Dritte; …“
13. Am 7. Januar 2015 legte Unipreus gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke in Bezug auf die vorstehend in Nr. 12 aufgeführten Dienstleistungen ein.
14. Der Widerspruch wurde u. a. auf die unten wiedergegebene spanische nationale Marke Nr. 2874101 gestützt, angemeldet am 30. April 2009 und eingetragen am 10. November 2009 für die Dienstleistungen der Klasse 35, die der Beschreibung „Einzelhandel mit Sportartikeln“ entsprechen.
15. Der Widerspruch wurde mit den Eintragshindernissen nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 begründet.
16. Am 19. Oktober 2015 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch in Bezug auf die vorstehend in Nr. 12 aufgeführten Dienstleistungen zurück.
17. Am 24. November 2015 legte Unipreus nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung beim EUIPO ein und beantragte, diese Entscheidung aufzuheben, soweit der Widerspruch in Bezug auf die in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Dienstleistungen zurückgewiesen worden war.
18. Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde in Bezug auf diese Dienstleistungen zurück. Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass zwischen den verglichenen Zeichen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, zwar eine geringe Ähnlichkeit bestehe, dass sich aber die in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Dienstleistungen von den Dienstleistungen der älteren spanischen Marke unterschieden und dass daher im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen bestehe.
IV. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
19. Mit am 23. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Unipreus Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung. Dabei stützte sich Unipreus auf einen einzigen Klagegrund, und zwar einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
20. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht der Klage von Unipreus und damit ihrem einzigen Klagegrund stattgegeben. Das Gericht hat in Rn. 54 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass zwischen den in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Dienstleistungen und den Dienstleistungen der älteren spanischen Marke zumindest eine geringe Ähnlichkeit bestehe. Dementsprechend hat das Gericht die angefochtene Entscheidung aufgehoben, soweit diese zu dem Ergebnis gekommen war, dass zwischen den betreffenden Dienstleistungen und den Dienstleistungen, für die die ältere spanische Marke eingetragen sei, keine Ähnlichkeit bestehe.
21. Erstens hat das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass der Begriff „Einzelhandel“ sowohl Verkäufe in körperlichen Räumlichkeiten als auch Online-Verkäufe umfasse und dass daher entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer die ältere spanische Marke auch den Online-Verkauf von Sportartikeln abdecke. In Rn. 37 des angefochtenen Urteils hat das Gericht angemerkt, die Aussicht, dass Wallapop eine „klassische“ Internetseite verwenden könnte, um selbst Waren oder Dienstleistungen unmittelbar an Nutzer zu verkaufen, könne nicht ausgeschlossen werden, da die Dienstleistungen der angegriffenen Marke sich auf den „Online-Handel“ bezögen. Daraus hat das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass zwischen den Vertriebswegen der fraglichen Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit bestehe und sie nicht, wie die Beschwerdekammer angenommen habe, unterschiedlich seien.
22. Was zweitens die Art, den Verwendungszweck und die Nutzung der fraglichen Dienstleistungen anbelangt, hat das Gericht darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung(8) der Zweck des Einzelhandels im Verkauf von Waren an Verbraucher bestehe(9). Im vorliegenden Fall gebe es eine teilweise Überschneidung der Dienstleistungen der angegriffenen Marke, die sich auf den „Online-Handel“ beziehe, und der Dienstleistungen der älteren spanischen Marke, die den Einzelhandel – einschließlich des Online-Handels – mit Sportartikeln abdecke(10). Dieses Ergebnis werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die angegriffene Marke sich nicht auf die eigentlichen Einzelhandelsdienstleistungen beziehe, sondern auf Vermittlungsdienstleistungen oder Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Verwaltung eines Online-Marktplatzes stünden, einschließlich der Bereitstellung von geschäftlichen Informationen. Die Bereitstellung solcher Informationen ziele auf eine Erleichterung des Einzelhandels auch mit Sportartikeln ab. Daher könne das allgemeine Publikum mittels der Dienstleistungen der angegriffenen Marke Waren erwerben, die mit den von Unipreus verkauften Waren identisch oder ihnen ähnlich seien. Das Gericht ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen aus Sicht des allgemeinen Publikums mittelbar ein ähnliches Bedürfnis abdeckten wie die von der älteren spanischen Marke erfassten Einzelhandelsdienstleistungen. Dementsprechend bestehe zwischen dem Verwendungszweck und der Nutzung der in Rede stehenden Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit, und sie seien nicht, wie von der Beschwerdekammer angenommen, unterschiedlich(11).
23. Drittens hat das Gericht angemerkt, dass die Anmeldung von Wallapop sich lediglich auf „Käufer“ und „Verkäufer“ bezogen habe, ohne zu konkretisieren, ob die von der angegriffenen Marke erfassten Vermittlungsdienstleistungen sich an Verbraucher oder Unternehmer richteten. Das Gericht hat es daher als nicht ausgeschlossen angesehen, dass die angegriffene Marke dazu verwendet würde, Kontakt zwischen gewerblichen Händlern und Verbrauchern herzustellen und eine Plattform zu verwalten, auf der auch Neuwaren und nicht nur Gebrauchtwaren verkauft werden könnten. Demzufolge habe die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass die Dienstleistungen sich nicht an dieselben Verbraucher richteten(12).
24. Viertens hat das Gericht festgestellt, dass ein Verbraucher Angebote für die gleiche Ware sowohl auf der von Unipreus verwendeten Internetseite „www.walashop.com“ als auch auf der Internetseite „www.walapop.com“ oder auf der entsprechenden mobilen Anwendung prüfen könne. Darüber hinaus habe die Beschwerdekammer nicht erläutert, warum die Nutzung einer mobilen Anwendung, über die Verbraucher in Kontakt mit Verkäufern bestimmter Waren treten und eine Lieferung dieser Waren veranlassen könnten, nicht in gewissem Umfang mit dem Kauf dieser Waren in einem körperlichen Ladengeschäft oder im Internet austauschbar sei. Dementsprechend könne das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den fraglichen Dienstleistungen nicht vollständig ausgeschlossen werden, so dass die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen habe, dass sie nicht in Wettbewerb zueinander stünden(13).
V. Anträge und Verfahren vor dem Gerichtshof
25. Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Wallapop,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– Unipreus die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Verfahren und dem Verfahren vor dem Gerichtshof entstanden sind.
26. Unipreus beantragt,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen;
– Wallapop die Kosten aufzuerlegen.
27. Das EUIPO beantragt,
– dem Rechtsmittel von Wallapop stattzugeben;
– Unipreus die Kosten aufzuerlegen.
28. Schriftliche Stellungnahmen wurden eingereicht von Wallapop, Unipreus und dem EUIPO. Wallapop, Unipreus und das EUIPO haben an der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2020 vor dem Gerichtshof teilgenommen.
VI. Rechtsmittel
29. Wallapop stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, und zwar einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
A. Vorbringen der Parteien
30. Mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund macht Wallapop geltend, das Gericht habe insoweit einen Rechtsfehler begangen, als es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen der älteren spanischen Marke eine geringe Ähnlichkeit bestehe.
31. Der Rechtsmittelgrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile.
32. Im ersten Teil macht Wallapop geltend, das Gericht habe den Begriff „Online-Marktplatz“ nicht so ausgelegt, wie er nach verschiedenen Bestimmungen des Unionsrechts und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt werden müsse.
33. Nach Ansicht von Wallapop enthalten Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 524/2013 und Art. 4 Abs. 17 der Richtlinie 2016/1148 die wesentlichen Elemente des Begriffs „Online-Marktplatz“ nach dem Unionsrecht. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich, dass es sich bei einem „Online-Marktplatz“ um eine digitale Dienstleistung oder einen Dienst der Informationsgesellschaft handele, der Dritten, und zwar Unternehmern und/oder Verbrauchern, ermögliche, unabhängig vom Betreiber des Online-Marktplatzes Kaufverträge oder Dienstleistungsverträge abzuschließen.
34. Das Gericht habe einen wesentlichen Aspekt der von Online-Marktplätzen angebotenen Dienstleistungen nicht berücksichtigt, der sich aus dieser Definition ergebe, nämlich, dass Online-Marktplätze selbst keine Online-Verkäufe tätigten, sondern vielmehr Dritten, die diese Dienstleistungen zur Durchführung von Online-Handel auf der Plattform nutzten, Vermittlungsdienstleistungen anböten. Das Gericht habe somit eine auf das Markenrecht gestützte Auslegung der Dienstleistungen eines Online-Marktplatzes zugrunde gelegt, die mit dem im Unionsrecht einheitlich definierten Begriff des Online-Marktplatzes unvereinbar sei.
35. Darüber hinaus ist Wallapop der Auffassung, die Begründung des Gerichts lasse sich nicht mit der Auslegung des Begriffs des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft durch den Gerichtshof im Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi
(C‑434/15, EU:C:2017:981), in Einklang bringen. In diesem Urteil habe der Gerichtshof festgestellt, dass ein Anbieter von elektronischen Vermittlungsdiensten wie beispielsweise Uber nicht als bloßer Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft angesehen werden könne, wenn er Dienstleistungen anbiete, die darüber hinausgingen, Dritten eine Kontaktaufnahme über die Plattform zu ermöglichen, und selbst bestimmte entscheidende Elemente der auf der Plattform stattfindenden Transaktionen festlege. Wallapop macht allerdings geltend, im Gegensatz zu Uber reine Vermittlungsdienste und damit zusammenhängende Dienstleistungen zu erbringen und keine anderen Tätigkeiten auszuüben.
36. Im zweiten Teil ihres Rechtsmittelgrundes macht Wallapop mit Unterstützung des EUIPO geltend, das Gericht habe die für die Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Dienstleistungen maßgeblichen Faktoren falsch ausgelegt.
37. Erstens tragen Wallapop und das EUIPO im Hinblick auf die Beurteilung der Vertriebswege durch das Gericht vor, der Umstand, dass Unipreus ihre Waren auf einer „klassischen“ Internetseite online anbiete, könne nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Dienstleistungen bestehe. Dieser Ansatz des Gerichts führe zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung des Schutzes der älteren Marke. Das Internet sei kein Vertriebsweg, sondern lediglich eine Medienart oder eine Unterstützung für unterschiedliche Vertriebswege. Es sei zu einfach, die Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Dienstleistungen darauf zu stützen, dass beide das Internet als gemeinsames Merkmal hätten. Wallapop selbst verkaufe keine Waren unmittelbar über ihre Plattform. Jedenfalls erbrächten Plattformbetreiber, wenn sie Waren über ihre Plattformen verkauften, andere Dienstleistungen als Online-Marktplatz-Dienstleistungen. Darüber hinaus sei der Unternehmer (Wallapop) gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/83 verpflichtet, gegenüber dem Verbraucher seine Identität anzugeben(14).
38. Zweitens kritisieren Wallapop und das EUIPO, das Gericht habe, was die Art der fraglichen Dienstleistungen betreffe, die Feststellung nicht begründet, dass die Dienstleistungen der angegriffenen Marke Tätigkeiten umfassten, die Einzelhandelsdienstleistungen darstellten.
39. Wallapop und das EUIPO argumentieren weiter, das Gericht habe bei seiner Prüfung der Ähnlichkeit der fraglichen Dienstleistungen das Verzeichnis der Dienstleistungen, für die die angegriffene Marke angemeldet worden sei, nicht vollständig gelesen oder nicht richtig verstanden. Daher sei es in Rn. 37 des angefochtenen Urteils zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Dienstleistungen als Einzelhandelsdienstleistungen anzusehen seien und nicht als digitale Dienstleistungen, die Dritten Online-Verkäufe ermöglichten. Was die ersten beiden in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Dienstleistungen anbelange, so hätte das Gericht nach deren vollständiger Lektüre zu dem Schluss kommen müssen, dass nicht der Anbieter der Vermittlungsdienstleistungen, sondern Dritte, die diese in Anspruch nähmen, Verkäufe über die Plattform tätigten. Im Hinblick auf die vier weiteren Dienstleistungen beanstanden Wallapop und das EUIPO, dass das Gericht sie nicht einzeln betrachtet, sondern in einer Gruppe unter der Kategorie „Bereitstellung von für Verkäufe nützlichen geschäftlichen Informationen“ zusammengefasst habe(15). Hätte das Gericht diese Dienstleistungen richtig gewürdigt, so hätte es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass es sich um digitale Dienstleistungen handele, die für die Funktion eines Online-Marktplatzes erforderlich seien. Des Weiteren macht Wallapop geltend, sie stelle keine Informationen bereit, um den Abschluss von Kaufverträgen zu fördern, sondern die Verkäufer selbst stellten solche Informationen bereit.
40. Drittens tragen Wallapop und das EUIPO vor, die Zweckbestimmung der von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen sei eine vollkommen andere als die der von der älteren spanischen Marke erfassten Einzelhandelsdienstleistungen. Der Zweck der ersten beiden in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge aufgeführten Vermittlungsdienste bestehe darin, einen digitalen Raum zum Austausch von Waren oder Dienstleistungen zwischen Dritten, Verkäufern und Käufern, anzubieten und bereitzuhalten, ohne dass eine Verbindung zum Betreiber des Dienstes bestehe. Wie der Eigentümer eines Gebäudes, das als Einkaufszentrum genutzt werde, Dritten Räume vermiete, um ihnen zu ermöglichen, ihre Waren zu vermarkten, biete der Eigentümer eines virtuellen Marktplatzes digitale Dienstleistungen an, mit denen digitaler Raum und Werkzeuge zur Unterstützung der Vermarktung durch Dritte bereitgestellt würden. Der Zweck der zweiten oben genannten Gruppe von Nebenleistungen sei es, Verkäufern und Käufern zu ermöglichen, sich unkompliziert über die Möglichkeiten zu informieren, die eine virtuelle Plattform im Hinblick auf den Verkauf oder Kauf von Waren biete. Die Entscheidung des Gerichts, dass zwischen den Zweckbestimmungen dieser Dienstleistungen eine geringe Ähnlichkeit bestehe, sei rechtsfehlerhaft.
41. Weiter trägt Wallapop vor, der Ansatz des Gerichts stehe in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung zu einer primären und einer sekundären Zweckbestimmung. Nach dieser Rechtsprechung(16) ist es bei einem Vergleich von Waren oder Dienstleistungen erforderlich, ihren vorherrschenden Zweck zu bestimmen, um die Ähnlichkeit zu beurteilen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen indirekt denselben Zweck hätten wie die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen, nämlich Verbrauchern den Erwerb von Sportartikeln zu ermöglichen, ändere dies daher nichts daran, dass der vorherrschende Zweck der in Rede stehenden Dienstleistungen unterschiedlich sei. Der Umstand, dass manche Dienstleistungen indirekt das gleiche Bedürfnis abdecken könnten, schließe nicht aus, dass sie vom maßgeblichen Verbraucher als unterschiedlich wahrgenommen würden.
42. Viertens macht Wallapop geltend, dass die Dienstleistungen der angegriffenen Marke nicht mit denen der älteren Marke konkurrierten, da sie sich nicht auf den Einzelhandel bezögen. Sie konkurrierten vielmehr mit anderen Diensten der Informationsgesellschaft.
43. Unipreus argumentiert, dass der Vergleich der in Rede stehenden Dienstleistungen die Marktgegebenheiten und die Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers berücksichtigen müsse. Vor diesem Hintergrund sei die Beurteilung des Gerichts richtig gewesen, und die Argumente von Wallapop beruhten auf einer künstlichen Betrachtungsweise.
44. Im Kern trägt Unipreus vor, die in Rede stehenden Dienstleistungen seien nicht unterschiedlich, sondern ähnlich. Die Dienstleistungen richteten sich an die gleichen Verkehrskreise, nämlich an das allgemeine Publikum, das die gleichen oder ähnliche Waren erwerben wolle, insbesondere Kleidung, Schuhe und Sportartikel. Sie hätten denselben Zweck, die breite Öffentlichkeit in die Lage zu versetzen, den Bedarf nach der Anschaffung solcher Waren zu befriedigen. Sie ergänzten sich, da der Verbraucher beide Dienstleistungen zum Kauf solcher Waren nutzen könne. Schließlich konkurrierten sie auch miteinander, weil sie in den Augen des Verbrauchers austauschbar seien, soweit er Angebote für die gleiche Ware sowohl auf der Internetseite von Unipreus als auch auf der mobilen Anwendung oder der Internetseite von Wallapop prüfen könne.
B. Würdigung
1. Vorbemerkungen
45. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich aus Art. 256 AEUV in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 des Statuts des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass allein das Gericht für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für ihre Würdigung zuständig ist, es sei denn, sie wurden verfälscht. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen abgeleitet hat, befugt(17).
46. Außerdem ergibt sich aus ebenso gefestigter Rechtsprechung, dass der Gerichtshof weder für die Feststellung der Tatsachen noch grundsätzlich dafür zuständig ist, die Beweise zu prüfen, die das Gericht als Beleg für diese Tatsachen berücksichtigt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und die Beweisaufnahme eingehalten worden, so ist es allein Sache des Gerichts, zu beurteilen, welcher Wert den ihm vorgelegten Beweiselementen beizumessen ist. Diese Beurteilung ist daher, sofern die Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. Insoweit ist daran zu erinnern, dass eine Verfälschung von Beweisen gegeben ist, wenn ohne die Erhebung neuer Beweise die Würdigung der vorliegenden Beweismittel offensichtlich unzutreffend ist(18).
47. Zur Tatsachenwürdigung, die nicht der Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren unterliegt, gehören insbesondere Feststellungen des Gerichts zur Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise und zur Aufmerksamkeit, Wahrnehmung oder Einstellung der Verbraucher sowie die Beurteilung der Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Zeichen durch das Gericht im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009. Gleiches muss für die Würdigung der Ähnlichkeit der von den fraglichen Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen durch das Gericht im Zusammenhang mit der Prüfung dieser Verwechslungsgefahr gelten(19).
48. Diese Erwägungen sind im Hinblick auf den einzigen Rechtsmittelgrund von besonderer Bedeutung.
2. Erster Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Hat das Gericht die Definition des Begriffs „Online-Marktplatz“ nach dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs falsch ausgelegt oder falsch angewendet?
49. Es erscheint sinnvoll, sich zuerst mit dem ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes zu befassen, also mit dem Vorbringen, das Gericht habe die Definition des Begriffs „Online-Marktplatz“, die sich u. a. aus Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 524/2013 und Art. 4 Abs. 17 der Richtlinie 2016/1148 sowie aus der Begründung des Gerichtshofs im Urteil vom 20. Dezember 2017, Asociación Professional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981), ergebe, falsch ausgelegt oder zumindest falsch angewendet.
50. Meines Erachtens trifft dies nicht zu.
51. Zunächst ist festzuhalten, dass die Definitionen in Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 524/2013 und in Art. 4 Abs. 17 der Richtlinie 2016/1148 lediglich für diese konkrete Verordnung und diese konkrete Richtlinie gelten. Das geht bereits aus dem Wortlaut der fraglichen Bestimmungen eindeutig hervor, in denen es „[f]ür die Zwecke dieser Verordnung“ und „[f]ür die Zwecke dieser Richtlinie“ heißt. In diesen Definitionen gibt es folglich keinen Hinweis darauf, dass sie in einem breiteren Kontext auf die Anmeldung von Marken im Allgemeinen oder konkret auf die Anmeldung von Marken für Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 Anwendung finden, obwohl ich dem zustimme, dass diese Definitionen des Begriffs „Online-Marktplatz“ nützlich sind und im vorliegenden Fall zumindest analog angewendet werden können(20). Dies könnte insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung der Frage gelten, ob die fraglichen Dienstleistungen miteinander konkurrieren und inwieweit sie sich (gegebenenfalls) überschneiden, wie das Gericht in Rn. 40 des angefochtenen Urteils festgestellt hat(21).
52. Zweitens teile ich jedenfalls nicht die Auffassung, dass das Gericht die Definition des Begriffs „Online-Marktplatz“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 524/2013 und Art. 4 Abs. 17 der Richtlinie 2016/1148 oder die Begründung des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑434/15 falsch ausgelegt oder falsch angewendet hat.
53. Aus einer Würdigung der Rn. 37 und 41 des angefochtenen Urteils ergibt sich eindeutig, dass das Gericht durchaus verstanden hat, dass Wallapop in Einklang mit ihrer Markenanmeldung beabsichtigt, statt Verkaufsdienstleistungen als solchen u. a. oder insbesondere eine Online-Plattform bzw. Vermittlungs- und Verwaltungsdienstleistungen anzubieten.
54. Das Gericht hat hierzu in Rn. 37 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Markenanmeldung beziehe sich insbesondere auf „Online-Handelsdienstleistungen, nämlich, Betrieb von Online-Märkten für Käufer und Verkäufer von Waren und Dienstleistungen; Dienstleistungen des Online-Handels, wobei Verkäufer Waren oder Dienstleistungen zwecks Verkaufs annoncieren und das Bieten oder Kaufen über das Internet erfolgen, um Dritten den Verkauf von Waren und Dienstleistungen über ein Computernetz zu ermöglichen“(22).
55. Meines Erachtens hat das Gericht durchaus den Unterschied erkannt, der im Online-Kontext zwischen der Ermöglichung des Verkaufs von Waren durch einen Dritten(23) und der Ausübung eines entscheidenden Einflusses auf die Bedingungen des Verkaufs der angebotenen Waren(24) oder sogar den Warenverkauf als solchen besteht.
56. Darüber hinaus hat das Gericht in Rn. 37 des angefochtenen Urteils als Tatsache festgestellt, dass die Markenanmeldung von Wallapop entgegen dem in den Rn. 37 und 41 des Urteils angeführten Vorbringen von Wallapop und dem EUIPO auch die Nutzung einer herkömmlichen Internetseite für Online-Verkäufe umfasse. Diese Feststellung in Rn. 37 des angefochtenen Urteils zeigt meines Erachtens nicht, dass das Gericht den Begriff „Online-Marktplatz“ falsch ausgelegt hat, sondern macht vielmehr deutlich, dass sich das Gericht der unterschiedlichen Arten von Dienstleistungen, die über das Internet angeboten werden können – und die Wallapop seiner Ansicht nach angemeldet hat –, und ihrer unterschiedlichen Funktionsweisen durchaus bewusst gewesen ist.
57. Ich möchte in diesem Zusammenhang anmerken, dass Wallapop der Ansicht ist, das Gericht habe zu Unrecht in Rn. 37 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass nicht auszuschließen sei, dass die Anmeldung von Wallapop die Nutzung einer herkömmlichen Internetseite für Online-Verkäufe erfasse(25).
58. Obwohl Wallapop diese Tatsachenfeststellung in Rn. 37 des angefochtenen Urteils angreift(26), hat sie meiner Ansicht nach nicht geltend gemacht, dass das Gericht insoweit die Tatsachen verfälscht habe.
59. Ich halte dieses Argument daher für unzulässig.
60. Darüber hinaus ist die Feststellung des Gerichts in Rn. 38 des angefochtenen Urteils, dass die Vertriebswege eine geringe Ähnlichkeit aufweisen, im Hinblick auf die Nutzung einer herkömmlichen Internetseite für Online-Verkäufe sowohl durch Wallapop als auch durch Unipreus nicht zu beanstanden.
61. Außerdem möchte ich betonen, dass das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils speziell zur Feststellung in Rn. 37 dieses Urteils angemerkt hat: „Selbst wenn das nur einer der zu berücksichtigenden Faktoren ist, ist festzustellen, dass zwischen den Vertriebswegen der fraglichen Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit besteht …“
62. Wallapop hat die Angemessenheit dieser Begründung nicht in Abrede gestellt. Ich bin daher der Ansicht, dass die Feststellung des Gerichts in Rn. 38 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Vertriebswege zu bestätigen ist.
63. Ich halte das Vorbringen von Wallapop, das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass zwischen den Vertriebswegen der fraglichen Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit bestehe, daher für unbegründet.
64. Ungeachtet dieses Ergebnisses ist es vielleicht dennoch um der Vollständigkeit und rechtlichen Klarheit willen geboten, zu untersuchen, ob die Feststellung des Gerichts in Rn. 38 des angefochtenen Urteils, die (übrigen) Vertriebswege der fraglichen Dienstleistungen – nämlich die von Wallapop betriebene Plattform, die den Verkauf von Waren und Dienstleistungen durch Dritte ermöglicht, und die herkömmlichere Internetseite von Unipreus – stellten ähnliche Vertriebswege dar, zutreffend ist.
65. Darauf werde ich unten in den Nrn. 72 ff. zu sprechen kommen.
66. Der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ist daher meines Erachtens vom Gerichtshof als unbegründet zurückzuweisen.
3. Zweiter Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Hat das Gericht die maßgeblichen Faktoren, die bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Dienstleistungen berücksichtigt werden sollten, falsch ausgelegt?
67. An dieser Stelle sei angemerkt, dass gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.
68. Nach ständiger Rechtsprechung setzt bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 das Bestehen von Verwechslungsgefahr sowohl eine Identität oder Ähnlichkeit der Anmeldemarke mit der älteren Marke als auch eine Identität oder Ähnlichkeit der von der Anmeldemarke erfassten Waren oder Dienstleistungen mit den Waren oder Dienstleistungen voraus, für die die ältere Marke eingetragen ist, wobei es sich um kumulative Voraussetzungen handelt(27).
69. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der fraglichen Waren oder Dienstleistungen alle maßgeblichen Faktoren zu beachten, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenschaft als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen(28).
70. Die Beschwerdekammer hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass zwischen den fraglichen Zeichen eine – wenn auch nur geringe – Ähnlichkeit bestehe. Diese Feststellung ist weder vor dem Gericht noch vor dem Gerichtshof in Frage gestellt worden.
71. Nebenbei sei angemerkt, dass nicht vorgetragen worden ist, die ältere Marke („wala w“) sei in Spanien so bekannt, dass die Verwendung einer ähnlichen Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2019 „die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde“(29).
72. Ich muss jedoch darauf hinweisen, dass sich das Gericht zur Frage der Verwechslungsgefahr als solcher gar nicht geäußert hat. Das Gericht hat der Klage gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer vielmehr nur mit der Begründung stattgegeben, dass – wie es in Rn. 54 des angefochtenen Urteils festgestellt hat – die Beschwerdekammer zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen sei, die von den Marken erfassten Dienstleistungen seien unterschiedlich, obwohl zwischen ihnen tatsächlich eine – wenn auch nur geringe – Ähnlichkeit bestehe.
73. Folglich ist der einzige Widerspruchsgrund gegen die Eintragung der jüngeren Marke Wallapop, mit dem wir es zu tun haben, mit den Worten von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2019 die Identität oder Ähnlichkeit der durch die Anmeldung von Wallapop erfassten Dienstleistungen mit den von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen.
74. Ich schlage nun vor, zu prüfen, ob die Beurteilung des Gerichts zutreffend ist, dass zwischen den von der Anmeldung von Wallapop erfassten Dienstleistungen und den von der Marke von Unipreus erfassten Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit besteht.
75. Dieser Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ist in vier Unterpunkte gegliedert. Wallapop macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht folgende Feststellungen getroffen:
– erstens, dass die Vertriebswege der in Rede stehenden Marken ähnlich seien;
– zweitens, dass es sich bei den Dienstleistungen, auf die sich die Markenanmeldung beziehe, um Einzelhandelsdienstleistungen handle;
– drittens, dass die Zweckbestimmung und die Wahrnehmung der in Rede stehenden Dienstleistungen durch das Publikum ähnlich seien;
– viertens, dass die fraglichen Dienstleistungen miteinander konkurrierten.
76. Ich möchte diese Argumente nacheinander prüfen, doch da sie sich alle überschneiden und ineinandergreifen, lassen sich gewisse Wiederholungen nicht vermeiden.
a) Erster Unterpunkt: Sind die Vertriebswege der in Rede stehenden Marken ähnlich?
77. Wie ich oben in Nr. 63 ausgeführt habe, halte ich das betreffende Vorbringen im Hinblick auf den Betrieb einer herkömmlichen Internetseite für Online-Verkäufe durch Wallapop und Unipreus für unbegründet.
78. Ich möchte allerdings um der Vollständigkeit und rechtlichen Klarheit willen auf das Vorbringen von Wallapop eingehen, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, das Internet sei ein Vertriebsweg und nicht lediglich ein Medium für unterschiedliche Vertriebswege.
79. An dieser Stelle erscheint eine Erläuterung zu der Diskussion angebracht, was als Einzelhandelsdienstleistung im Sinne der Dienstleistungen der Klasse 35 anzusehen ist.
80. Diese Frage ist vom Gerichtshof erstmals im Urteil Praktiker direkt angesprochen worden. In dem betreffenden Fall hatte Praktiker beim Deutschen Patent- und Markenamt die Marke „Praktiker“ u. a. für Dienstleistungen angemeldet, die als „Einzelhandel mit Bau-, Heimwerker- und Gartenartikeln und anderen Verbrauchsgütern für den Do-it-yourself-Bereich“ beschrieben wurden. Das Deutsche Patent- und Markenamt wies diese Anmeldung zurück. Es war der Ansicht, der beanspruchte Begriff „Einzelhandel“ bezeichne keine selbständigen Dienstleistungen von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung. Er betreffe nur den Vertrieb von Waren als solchen.
81. In seinem Urteil hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Zweck des Einzelhandels im Verkauf von Waren an den Verbraucher besteht. Dieser Handel umfasst neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfaltet, um zum Abschluss eines solchen Geschäfts anzuregen. Diese Tätigkeit besteht insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten werden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die einen Verbraucher dazu veranlassen sollen, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen.
82. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass es keinen zwingenden Grund gibt, diese Leistungen nicht unter den Begriff „Dienstleistungen“ zu fassen, und dass der Begriff „Dienstleistungen“ folglich die Dienstleistungen erfasst, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden(30).
83. Das Urteil Praktiker spielte in dem jüngsten Urteil, das sich mit dieser Frage befasst hat, nämlich dem Urteil in der Rechtssache Tulliallan Burlington(31), naturgemäß eine große Rolle. In dem betreffenden Fall ging es um die Frage, ob der Betreiber einer Einkaufspassage, die sich auf Luxusartikel spezialisiert hatte, in die in Klasse 35 geschützte Kategorie der Einzelhandelsdienstleistungen fiel. Das Gericht kam in seinem Urteil unter Verweis auf das Urteil Praktiker zu dem Ergebnis, dass der Betreiber der Einkaufspassage in diese Kategorie falle(32).
84. Gegen diese Entscheidung des Gerichts wurde ein Rechtsmittel zum Gerichtshof eingelegt. In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Tulliallan Burlington/EUIPO(33) habe ich gewisse Vorbehalte im Hinblick auf die Richtigkeit dieser Feststellung geäußert. Diese Vorbehalte habe ich in Nr. 96 meiner Schlussanträge wie folgt zusammengefasst:
„Aus der vom Gerichtshof vorgenommenen einheitlichen Auslegung des Begriffs ‚Einzelhandelsdienstleistungen‘ der Klasse 35 geht jedoch klar hervor, dass diese Dienstleistungen nicht auf Dienstleistungen von Einkaufspassagen anwendbar sein können, weil die Rechtsperson, die diese Dienstleistungen erbringt, nicht auch mit den in Rede stehenden Waren handelt. Vielmehr ist es so, dass das betreffende Unternehmen für den Händler der Waren Dienstleistungen erbringt, die sich meiner Ansicht nach von den Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 recht deutlich unterscheiden und in der Tat auch in einer anderen Klasse geregelt sind. So können die Dienstleistungen einer Einkaufspassage die Vermietung von Geschäften der Klasse 36 sowie Werbung und Verkaufsförderung der Klasse 35 umfassen.“(34)
85. Der Gerichtshof ist allerdings dieser Würdigung des Urteils Praktiker in seinem Urteil Tulliallan Burlington nicht gefolgt. Er ist zu dem entgegengesetzten Ergebnis gekommen und hat u. a. (in Rn. 127 bis 128) ausgeführt:
„127. Demnach erfasst der Begriff ‚Einzelhandelsdienstleistungen‘ Dienstleistungen, die sich an den Verbraucher richten und die darin bestehen, für die Firmen, die die Ladengeschäfte einer Einkaufspassage belegen, verschiedene Waren in einer Reihe von Ladengeschäften zusammenzustellen, so dass dem Verbraucher deren Ansicht und Erwerb erleichtert wird, sowie verschiedene Dienstleistungen anzubieten, die sich von der Verkaufshandlung unterscheiden und den Verbraucher dazu veranlassen sollen, die in diesen Ladengeschäften verkauften Produkte zu kaufen.
128. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass, wie das Gericht in Rn. 32 der angefochtenen Urteile zutreffend festgestellt hat, die vom Gerichtshof in Rn. 34 des Urteils Praktiker vorgenommene Auslegung nicht den Schluss zulässt, Ladenpassagen oder Einkaufszentren seien definitionsgemäß von der Anwendung des in Klasse 35 des Abkommens von Nizza definierten Begriffs ‚Einzelhandelsdienstleistungen‘ ausgenommen.“
86. Auch wenn der Gerichtshof natürlich nicht an Entscheidungen in Präzedenzfällen gebunden ist, ist nichtsdestotrotz davon auszugehen, dass diese Frage im Urteil Tulliallan Burlington abschließend entschieden worden ist. Aus diesem Urteil wissen wir also, dass die Dienstleistungen herkömmlicher Einkaufspassagen, die „für den Verbraucher erbracht werden, um diesem im Interesse der Firmen, die die betreffende Einkaufspassage belegen, Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern“(35), grundsätzlich unter die Definition der Einzelhandelsdienstleistungen in Klasse 35 fallen.
87. Das Vorbringen von Wallapop, sie selbst betreibe keinen Einzelhandel, sondern biete nur Online-Vermittlungsdienstleistungen an, reicht folglich für sich genommen nicht aus, um das Problem zu lösen, selbst wenn es zutreffen sollte.
88. Die eigentliche Frage ist, ob und inwieweit der im Urteil Tulliallan Burlington in Bezug auf die von einer Einkaufspassage erbrachten Dienstleistungen aufgestellte Grundsatz auf Online-Vermittlungsdienstleistungen im Einzelhandel anzuwenden ist.
89. Im Urteil Tulliallan Burlington hat der Gerichtshof (in Rn. 130) festgestellt, dass der Begriff „Einzelhandelsdienstleistungen“ auch Dienstleistungen erfasst, die von einer Einkaufspassage „für den Verbraucher erbracht werden, um diesem im Interesse der Firmen, die die betreffende Einkaufspassage belegen, Ansicht und Erwerb dieser Waren zu erleichtern“. Dies lässt sich entsprechend auch für Vermittlungsdienstleistungen einer Online-Plattform für den Einzelhandel sagen. Während die herkömmliche Einkaufspassage dem Zweck dient, verschiedene Angebote des Einzelhandels bequem unter einem körperlichen Dach anzubieten, ist eine Online-Plattform für den Einzelhandel wie die von Wallapop im Grunde eine Art „virtuelle“ Einkaufspassage, in die Kunden über das Internet gelangen(36).
90. Der herkömmliche Unterschied zwischen Verkaufsstellen, die ihre Waren in körperlichen Räumlichkeiten an Verbraucher verkaufen, und Verkaufsstellen, die einen direkten Online-Verkauf anbieten, ist in den letzten Jahren aufgrund der technologischen Entwicklung und eines geänderten Verbraucherverhaltens nahezu vollständig weggefallen. Das wird darüber hinaus auch daran deutlich, dass, wie das Gericht in Rn. 51 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, ein Verbraucher, der bestimmte (neue) Sportschuh-Artikel suche, die gleiche Ware sowohl auf der Internetseite von Unipreus („www.walashop.com“) als auch auf der von Wallapop („www.wallapop.com“) finden könne, auch wenn im letzteren Fall der Einzelhändler ein Dritter sei, der zufälligerweise die Online-Plattform von Wallapop nutze.
91. Dementsprechend ist unstreitig, dass, wie soeben erwähnt, Schuhwaren, die online von Unipreus vertrieben werden, ebenfalls auf der Plattform von Wallapop angeboten werden, selbst wenn dies durch andere Einzelhändler und nicht durch Wallapop selbst geschieht. Daher handelt es sich meiner Auffassung nach aus der Sicht eines Verbrauchers, der die betreffenden Waren erwerben möchte, bei der Plattform von Wallapop und der Internetseite von Unipreus um ähnliche Vertriebswege. Genau an diesem Punkt könnte die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken, zwischen denen eine geringe Ähnlichkeit besteht, am ehesten konkret ins Spiel kommen.
92. Meines Erachtens ist von Bedeutung, dass der Gerichtshof im Urteil Tulliallan Burlington das Argument zurückgewiesen hat, dass „das Fehlen genauer Angaben zu den Waren, die in den verschiedenen Geschäften einer Einkaufspassage … verkauft werden können, es ausschließe, dass diese Waren und die von den angemeldeten Marken erfassten Waren gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden“, und dem Vorbringen der Inhaber der Einkaufspassage auf dieser Grundlage stattgegeben hat(37). Das trifft im Wesentlichen auch auf das vorliegende Rechtsmittel zu.
93. Der im vorliegenden Fall von Unipreus geltend gemachte Anspruch ist allenfalls noch stärker. Denn anders als im Urteil Tulliallan Burlington – in dem die Frage, ob die von der Rechtsmittelgegnerin(38) vertriebenen Modeartikel jemals tatsächlich mit den Luxus-Modeartikeln konkurrierten, die in der Einkaufspassage der Rechtsmittelführerin verkauft wurden, bestenfalls ungeklärt blieb – verfügt Unipreus im vorliegenden Fall über eine eingetragene Marke für die Dienstleistungen der Klasse 35 mit folgender Beschreibung: „Einzelhandel mit Sportartikeln“. Unipreus hat folglich die Dienstleistungen und Waren, auf die sich ihre Marke bezieht, konkret angegeben, und die Gültigkeit dieser Marke ist nicht in Frage gestellt worden. Dies entspricht der Rechtsprechung sowohl im Urteil Praktiker als auch im Urteil Tulliallan Burlington. Ich bin der Ansicht, dass es inakzeptabel wäre, wenn sich Unipreus nicht auf ihre Marke stützen könnte, um sich gegen die Eintragung eines ähnlichen Zeichens, das die Waren nicht konkretisiert(39), für die Klasse 35 zu wehren, nur weil sie die Dienstleistungen, auf die sich ihre Marke bezieht, genauer angibt.
94. Aus den genannten Gründen ist dieser Unterpunkt meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen.
b) Zweiter Unterpunkt: Art der betreffenden Dienstleistungen
95. Wallapop macht geltend, das Gericht habe in den Rn. 39 ff. des angefochtenen Urteils nicht erläutert, warum die von ihrer Markenanmeldung erfassten Dienstleistungen im Einklang mit Rn. 34 des Urteils Praktiker als Einzelhandelsdienstleistungen anzusehen seien.
96. Das Kernargument von Wallapop ist, dass die Begründung des Gerichts zu diesem Punkt unzureichend und daher rechtsfehlerhaft sei.
97. Dazu sei angemerkt, dass das Gericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zwischen der Art der betreffenden Dienstleistungen zumindest eine geringe Ähnlichkeit bestehe. Die Angemessenheit der Begründung ist vor dem Hintergrund dieser Feststellung zu beurteilen.
98. Meines Erachtens ist das Gericht der Begründung in Rn. 34 des Urteils Praktiker in sehr ähnlicher Weise gefolgt, wie es der Gerichtshof in Rn. 130 des Urteils Tulliallan Burlington getan hat.
99. In Rn. 39 des angefochtenen Urteils hat das Gericht auf die Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Praktiker verwiesen, dass der Zweck des Einzelhandels im Verkauf von Waren an den Verbraucher bestehe. Dieser Handel umfasse neben dem Rechtsgeschäft des Kaufvertrags die gesamte Tätigkeit, die ein Wirtschaftsteilnehmer entfalte, um zum Abschluss eines solchen Geschäfts anzuregen. Diese Tätigkeit bestehe insbesondere in der Auswahl eines Sortiments von Waren, die zum Verkauf angeboten würden, und im Angebot verschiedener Dienstleistungen, die den Verbraucher dazu veranlassen sollten, den Kaufvertrag mit diesem Händler statt mit einem seiner Wettbewerber abzuschließen.
100. Auf die Logik des Urteils Praktiker gestützt ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass sämtliche von der Markenanmeldung von Wallapop erfassten Dienstleistungen – also nicht nur Online-Verkaufsdienstleistungen und E‑Commerce-Dienstleistungen, sondern auch im Zusammenhang mit Online-Marktplätzen erbrachte Vermittlungs- oder Verwaltungsdienstleistungen für Verkäufer und Käufer einschließlich der Bereitstellung von für Verkäufe nützlichen geschäftlichen Informationen – unter die Definition des Begriffs „Einzelhandelsdienstleistungen“ fielen, weil all diese Dienstleistungen letztlich den Zweck hätten, den Verbraucher zum Kauf von Waren zu veranlassen(40).
101. Meines Erachtens ist diese Begründung angemessen und veranschaulicht die rechtliche Argumentation, die das Gericht zu seinem Ergebnis in dieser Frage geführt hat.
102. Ich bin daher der Auffassung, dass dieser Unterpunkt als unbegründet zurückgewiesen werden sollte.
c) Dritter Unterpunkt: Sind die Zweckbestimmung und die Wahrnehmung der betreffenden Dienstleistungen durch das Publikum ähnlich?
103. Ein Kernelement des Vortrags von Wallapop ist, dass die von ihr erbrachten Vermittlungsdienste aufgrund ihres Online-Charakters nicht in den Rahmen der Einzelhandelsdienstleistungen fielen. Sie ist der Ansicht, der wesentliche und vorherrschende Zweck der von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen (Betrieb von Online-Marktplätzen und damit in Zusammenhang stehende Informationsdienste) unterscheide sich eindeutig von den Dienstleistungen der gegenüberstehenden Marke (Einzelhandel mit Sportartikeln).
104. In diesem Zusammenhang macht Wallapop geltend, das Gericht sei in Rn. 43 des angefochtenen Urteils zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass „die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen aus Sicht des allgemeinen Publikums mittelbar ein ähnliches Bedürfnis abdecken wie die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen des Einzelhandels mit Sportartikeln und dem Publikum ermöglichen, die fraglichen Waren nach der Einholung sie betreffender Informationen zu kaufen“. Wallapop trägt vor, das Gericht habe insoweit den Begriff „Zweckbestimmung“ falsch ausgelegt. Darüber hinaus bestehe ein Unterschied zu dem Verzeichnis der von ihrer eigenen Anmeldung erfassten Dienstleistungen, und das Gericht habe diese Dienstleistungen nicht en bloc mit jenen der älteren spanischen Marke vergleichen dürfen.
105. Meines Erachtens regelt das Urteil Tulliallan Burlington diese Frage im Wesentlichen abschließend. Wie ich bereits angemerkt habe, dürfte, da der Gerichtshof in jenem Fall entschieden hat, dass ein Inhaber einer Einkaufspassage Einzelhandelsdienstleistungen im Sinne der Klasse 35 erbringt, dasselbe für den Betreiber einer virtuellen Einkaufspassage wie der von Wallapop betriebenen Internetplattform gelten. Dieser Schlussfolgerung steht auch nicht die Ermittlung einer angeblich vorherrschenden Zweckbestimmung der betreffenden Dienstleistungen entgegen.
106. Was die weiteren vier von der Markenanmeldung von Wallapop erfassten Dienstleistungen anbelangt – wie z. B. die Bereitstellung von Bewertungsrückmeldungen und Leistungsbewertungen in Bezug auf Waren und Dienstleistungen von Verkäufern zusammen mit deren allgemeinen Werten und Leistungen, wobei eine durchsuchbare Online-Bewertungsdatenbank für Käufer und Verkäufer zur Verfügung gestellt wird, und die Bereitstellung von geschäftlichen Informationen in Bezug auf Waren und/oder Dienstleistungen –, stimmt es zwar, dass das Gericht diese Dienstleistungen in den Rn. 41 und 42 des angefochtenen Urteils en bloc abgehandelt hat. Im Kern ist das Gericht jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Dienstleistungen aus Sicht des allgemeinen Publikums nichts anderes als die Bereitstellung von nützlichen geschäftlichen Informationen im Zusammenhang mit dem eigentlichen Verkauf der Waren darstellten.
107. Ich stimme den Schlussfolgerungen des Gerichts in diesem Punkt zu. Wendet man die Logik aus dem Urteil Praktiker in der Auslegung durch das Urteil Tulliallan Burlington an, so muss man zu dem Ergebnis kommen, dass auch diese Dienstleistungen Merkmale von Einzelhandelsdienstleistungen aufweisen, allein schon deshalb, weil sie darauf hinauslaufen, „verschiedene Dienstleistungen anzubieten, die sich von der Verkaufshandlung unterscheiden und den Verbraucher dazu veranlassen sollen, die in diesen Ladengeschäften verkauften Produkte zu kaufen“(41).
108. Ich habe keinen Zweifel daran, dass seit der Einführung des Onlineshopping derartige Dienstleistungen im Zusammenhang mit Bewertung, Vergleich und Feedback denen, die die Onlineshopping-Plattform nutzen möchten, bequemer und effektiver angeboten werden können. Aber diese Art von Informationsdiensten unterscheidet sich meiner Ansicht nach nicht grundsätzlich von der Art der Informationsdienste, die Inhaber herkömmlicher Einkaufspassagen hätten erbringen können und höchstwahrscheinlich auch heute noch erbringen. Denn schon vor der Einführung des Internets haben Inhaber solcher Einkaufspassagen ihren Mietern zweifellos regelmäßig derartige Informationen zur Verfügung gestellt, die Aspekte wie Verbraucherpräferenzen, Kundenfrequenz, Ergebnisse von Verbraucherumfragen usw. betrafen.
109. Aus den genannten Gründen bin ich daher der Auffassung, dass die Zweckbestimmung und die Wahrnehmung dieser Dienstleistungen durch das Publikum ihrer Einstufung als Einzelhandelsdienstleistungen im Sinne der Klasse 35 unter Berücksichtigung der Auslegung dieses Begriffs durch den Gerichtshof im Urteil Praktiker und insbesondere im Urteil Tulliallan Burlington nicht entgegenstehen.
110. Dieses Vorbringen ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
d) Vierter Unterpunkt: Konkurrieren die von der angegriffenen Marke von Wallapop erfassten Dienstleistungen mit denen der älteren Marke von Unipreus?
111. Wallapop besteht darauf, dass die von ihr angebotenen Dienstleistungen lediglich Dienste der Informationsgesellschaft seien und sich nicht auf den Einzelhandel bezögen.
112. Sie unterstreicht, dass die von ihrer Markenanmeldung erfassten Dienstleistungen nicht mit den von der gegenüberstehenden Marke erfassten Dienstleistungen des Einzelhandels mit Sportartikeln konkurrierten, sondern mit anderen digitalen Dienstleistungen oder Diensten der Informationsgesellschaft.
113. Wie aus den Nrn. 45 und 46 sowie 51 und 52 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ist die Feststellung des Gerichts in Rn. 37 des angefochtenen Urteils, es sei nicht auszuschließen, dass sich die Anmeldung von Wallapop auf die Nutzung einer herkömmlichen Internetseite für Online-Verkäufe erstrecke, eine Tatsachenfeststellung, die mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen werden kann, sofern nicht geltend gemacht wird, dass das Gericht die Tatsachen verfälscht habe. Daraus folgt, dass die fraglichen Dienstleistungen(42) offensichtlich miteinander konkurrieren.
114. Darüber hinaus setzt dieses Argument, wie ich bereits angemerkt habe, einen klaren Unterschied zwischen Online-Vermittlungsdienstleistungen, Online-Handel und Einzelhandel in körperlichen Räumlichkeiten voraus. Wie Unipreus im Verlauf der mündlichen Verhandlung betont hat, berücksichtigt dieses Argument aber nicht die Marktgegebenheiten, die Änderung des Verbraucherverhaltens im Hinblick auf das Onlineshopping und vor allem die Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers. Um dies noch einmal zu sagen: Schon allein der Umstand, dass das Gericht festgestellt hat, dass von Unipreus im Online-Verkauf angebotene Sportschuhe auch auf der Plattform von Wallapop zum Verkauf angeboten werden, belegt diesen Punkt, auch wenn Dritte, die solche Vermittlungsdienstleistungen in Anspruch nehmen, den Online-Einzelhandel betreiben und nicht Wallapop selbst.
115. Dieses Vorbringen ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
116. Aus den in den vorliegenden Schlussanträgen dargelegten Gründen bin ich der Auffassung, dass das Gericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Dienstleistungen besteht, und dass darin kein Rechtsfehler zu erkennen ist.
VII. Kosten
117. Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
118. Da Wallapop mit ihrem Rechtsmittel unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag von Unipreus ihre eigenen Kosten und die Kosten von Unipreus aufzuerlegen.
119. Da das EUIPO unterlegen ist, Unipreus jedoch nicht beantragt hat, ihm die ihr durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen, sind dem EUIPO seine eigenen durch dieses Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.
VIII. Ergebnis
120. Im Licht der vorstehenden Erwägungen schlage ich daher dem Gerichtshof vor,
– das vorliegende Rechtsmittel zurückzuweisen und die Entscheidung des Gerichts aufrechtzuerhalten;
– die Wallapop, SL zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der Kosten zu verurteilen, die der Unipreus, SL durch das Rechtsmittelverfahren entstanden sind;
– das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) zur Tragung seiner eigenen durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten zu verurteilen.
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