C-579/22 P – Anglo Austrian AAB/ EZB und Far East

C-579/22 P – Anglo Austrian AAB/ EZB und Far East

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2024:296

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 11. April 2024(1)

Rechtssache C579/22 P

Anglo Austrian AAB AG in Abwicklung

gegen

Europäische Zentralbank (EZB),

Belegging-Maatschappij „Far-East“ BV

„Rechtsmittel – Wirtschafts- und Währungspolitik – Richtlinie 2013/36/EU – Beaufsichtigung von Kreditinstituten – Der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragene besondere Aufsichtsaufgaben – Beschluss, mit dem einem Kreditinstitut die Zulassung entzogen wird – Auslegung nationalen Rechts“

I.      Einleitung

1.        Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, im Folgenden: SSM)(2) ist die erste Säule der Bankenunion, die 2014 als Reaktion auf die Finanzkrise geschaffen wurde(3). Sein Ziel ist es, „die Sicherheit und Solidität der Kreditinstitute, die Stabilität des Finanzsystems der Union und der einzelnen teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie die Einheit und Integrität des Binnenmarkts … zu gewährleisten“(4).

2.        Kurz zusammengefasst wird die Aufsicht von der Europäischen Zentralbank (im Folgenden: EZB) wahrgenommen, die dabei von den nationalen zuständigen Behörden unterstützt wird(5), und zwar gemäß der in Art. 6 der SSM-Verordnung vorgesehenen Arbeitsteilung(6).

3.        Die Organisation des SSM ist in gewissem Maße „speziell“, wenn man sie mit der Funktionsweise des Großteils der Unionsrechtsordnung vergleicht(7). Nach Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung „wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Wenn das einschlägige Unionsrecht aus Verordnungen besteht und den Mitgliedstaaten durch diese Verordnungen derzeit ausdrücklich Wahlrechte eingeräumt werden, wendet die EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Wahlrechte ausgeübt werden.“

4.        Diese Bestimmung steht im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsmittels. Die Anglo Austrian AAB AG, vormals Anglo Austrian AAB Bank AG (im Folgenden: AAB Bank), die Rechtsmittelführerin in der vorliegenden Rechtssache, war ein in Österreich niedergelassenes weniger bedeutendes Kreditinstitut. Nachdem die EZB diesem Kreditinstitut die Zulassung entzogen hatte, focht die Rechtsmittelführerin den entsprechenden Beschluss vor dem Gericht an und machte geltend, dass die EZB ihr die Zulassung entzogen habe, ohne dass die nach dem Unionsrecht in seiner Umsetzung in das österreichische Recht erforderlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien.

5.        Das Gericht wies diese Klage mit Urteil vom 22. Juni 2022, Anglo Austrian AAB und Belegging-Maatschappij „Far-East“/EZB (T‑797/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:389) ab. Die Rechtsmittelführerin in der vorliegenden Rechtssache macht u. a. geltend, dass das Gericht das nationale Recht falsch ausgelegt und angewandt habe.

II.    Maßgebliches nationales Recht

6.        Zwei österreichische Gesetze sind für das vorliegende Rechtsmittel von Bedeutung. Erstens das Bundesgesetz über das Bankwesen (Bankwesengesetz, im Folgenden: BWG) und zweitens das Bundesgesetz zur Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Finanzmarkt (im Folgenden: FM-GwG).

7.        Die Überschrift zu § 39 ff. BWG lautet „Allgemeine Sorgfaltspflichten“. § 39 Abs. 2 und 2b BWG bestimmt:

„(2)      Die Kreditinstitute und die gemäß § 30 Abs. 6 verantwortlichen Unternehmen haben für die Erfassung, Beurteilung, Steuerung und Überwachung der bankgeschäftlichen und bankbetrieblichen Risiken, darunter auch jener Risiken, die sich aus ihrem makroökonomischen Umfeld unter Berücksichtigung der Phase des jeweiligen Geschäftszyklus ergeben, des Risikos von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie ihrer Vergütungspolitik und ‑praktiken über Verwaltungs‑, Rechnungs- und Kontrollverfahren zu verfügen, die der Art, dem Umfang und der Komplexität der betriebenen Bankgeschäfte angemessen sind. Die Verwaltungs‑, Rechnungs- und Kontrollverfahren haben weitest gehend auch bankgeschäftliche und bankbetriebliche Risiken sowie Risiken aus der Vergütungspolitik und den Vergütungspraktiken zu erfassen, die sich möglicherweise ergeben können. Die Organisationsstruktur sowie die Verwaltungs‑, Rechnungs- und Kontrollverfahren sind schriftlich und in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren. Die Organisationsstruktur hat durch dem Geschäftsbetrieb angemessene aufbau- und ablauforganisatorische Abgrenzungen Interessen- und Kompetenzkonflikte zu vermeiden. Die Zweckmäßigkeit dieser Verfahren und deren Anwendung ist von der internen Revision mindestens einmal jährlich zu prüfen.

(2b)      Die Verfahren gemäß Abs. 2 haben insbesondere zu berücksichtigen:

1. das Kreditrisiko und Gegenparteiausfallrisiko,

2. das Konzentrationsrisiko,

3. das Marktrisiko,

4. das Risiko einer übermäßigen Verschuldung,

5. das operationelle Risiko,

6. das Verbriefungsrisiko,

7. das Liquiditätsrisiko,

8. das Zinsrisiko hinsichtlich sämtlicher Geschäfte, die nicht bereits unter Z 3 erfasst werden,

9. das Restrisiko aus kreditrisikomindernden Techniken,

10. de[n] Belegenheitsort der Risikopositionen eines Kreditinstituts,

11. das Risiko von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung,

12. das Risiko, das sich aus dem Geschäftsmodell eines Institutes ergibt unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Diversifizierungsstrategien,

13. die Ergebnisse von Stresstests bei Instituten, die interne Ansätze verwenden, und

14. die Regelungen zur Unternehmensprüfung und ‑kontrolle von Kreditinstituten und den gemäß § 30 Abs. 6 verantwortlichen Unternehmen, ihre Unternehmenskultur und die Fähigkeit des Leitungsorgans zur Erfüllung ihrer Pflichten.“

8.        § 70 Abs. 4 BWG regelt die Aufsichtsbefugnisse der Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: FMA). Danach hat die FMA, wenn ein Kreditinstitut die Bestimmungen des BWG oder anderer dort genannter Gesetze(8) verletzt,

‘1.      dem Kreditinstitut, der Finanzholdinggesellschaft, der gemischten Finanzholdinggesellschaft oder der gemischten Holdinggesellschaft unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;

2.      im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden kann; in diesem Fall ist die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;

3.      die Konzession eines Kreditinstitutes zurückzunehmen, wenn andere Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz die Funktionsfähigkeit des Kreditinstitutes nicht sicherstellen können. …“

9.        § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG bestimmt, dass „[b]ei Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 2 und 3 [FM-GwG] die FMA … die von der FMA erteilte Konzession … widerrufen [kann]“.

10.      Schließlich ist festzustellen, dass § 34 Abs. 2 und 3 FM-GwG die Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie(9) umsetzt und insbesondere schwerwiegende, wiederholte oder systematische Verstöße gegen § 6 Abs. 1, 2 bis 4, 6 und 7, § 7 Abs. 7, § 9 und § 23 Abs. 3 FM-GwG betrifft.

III. Vorgeschichte des Rechtsstreits vor dem Gericht

11.      Der für das vorliegende Rechtsmittel relevante Sachverhalt kann wie folgt zusammengefasst werden.

12.      Die Rechtsmittelführerin, die AAB Bank, war ein in Österreich niedergelassenes weniger bedeutendes Kreditinstitut. Die Belegging-Maatschappij „Far-East“ BV (im Folgenden: Aktionärin) ist eine Finanzholding, die 99,99 % der Aktien der AAB Bank hielt.

13.      Am 26. April 2019 übermittelte die FMA der EZB gemäß Art. 80 Abs. 1 der SSM-Rahmenverordnung(10) einen Entwurf eines Beschlusses, mit dem der AAB Bank die Zulassung als Kreditinstitut entzogen werden sollte.

14.      Mit Beschluss vom 14. November 2019 entzog die EZB der AAB Bank die Zulassung als Kreditinstitut mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Beschlusses.

15.      Die EZB stellte auf der Grundlage der von der FMA getroffenen Feststellungen zur anhaltenden und wiederholten Missachtung der Anforderungen hinsichtlich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie der internen Unternehmensführung durch die AAB Bank fest, dass die AAB Bank kein solides Risikomanagement gewährleisten könne.

16.      Die EZB befand daher, dass die in Art. 18 Buchst. f der Richtlinie 2013/36(11) vorgesehenen in das österreichische Recht umgesetzten Kriterien für den Entzug der Zulassung der AAB Bank zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts erfüllt seien, da die AAB Bank gegen Art. 67 Abs. 1 Buchst. d und o dieser Richtlinie in ihrer Umsetzung in das österreichische Recht verstoßen habe, und dass dieser Entzug verhältnismäßig sei.

17.      Außerdem lehnte es die EZB ab, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses für einen Zeitraum von 30 Tagen auszusetzen, da die Stellungnahme der AAB Bank nicht geeignet sei, die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses in Frage zu stellen, dieser keinen nicht wiedergutzumachenden Schaden verursachen könne und das öffentliche Interesse am Schutz der Einleger, Anleger und Gegenparteien der AAB Bank sowie die Stabilität des Finanzsystems die sofortige Anwendung des Beschlusses rechtfertigten.

IV.    Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18.      Mit Schriftsatz, der am 19. November 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die AAB Bank und die Aktionärin Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

19.      Das Gericht hat sich dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache EZB u. a./Trasta Komercbanka(12) angeschlossen und die Klage der Aktionärin für unzulässig erklärt. Die Klage der AAB Bank hat es insgesamt als unbegründet abgewiesen.

V.      Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Mit ihrem am 1. September 2022 eingereichten Rechtsmittel beantragt die AAB Bank,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den Beschluss vom 14. November 2019, durch den die EZB der Rechtsmittelführerin die Konzession als Kreditinstitut entzogen hat, für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise die Sache an das Gericht der Europäischen Union zurückzuverweisen, soweit sich der Gerichtshof zu einer Entscheidung in der Sache nicht in der Lage sieht; und

–        die Kosten der Rechtsmittelführerin der EZB aufzuerlegen.

21.      Die EZB beantragt,

–         das Rechtsmittel zurückzuweisen; und

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten der EZB, aufzuerlegen.

22.      Die Aktionärin ist als Streithelferin zur Unterstützung der Rechtsmittelführerin beigetreten.

VI.    Würdigung

23.      Die Rechtsmittelführerin macht sieben Rechtsmittelgründe geltend.

24.      Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten, Unionsrecht verletzt und die Tatsachen verfälscht. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, dass das Gericht fälschlicherweise die Zuständigkeit der EZB in Geldwäscheangelegenheiten angenommen habe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wird gerügt, dass das Gericht Unionsrecht und nationales Recht fehlerhaft ausgelegt oder zumindest die Tatsachen verfälscht habe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund wird dem Gericht eine fehlerhafte Auslegung von Art. 67 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36 und des nationalen Rechts vorgeworfen. Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, dass das Gericht sich nicht mit den Argumenten zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auseinandergesetzt habe. Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerin durch das Gericht geltend gemacht. Mit dem siebten Rechtsmittelgrund werden dem Gericht schließlich Verfahrensfehler vorgeworfen, die die Interessen der Rechtsmittelführerin beeinträchtigten.

25.      Da sich viele Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerin auf Fragen der korrekten Rolle und Auslegung des nationalen Rechts beziehen, werde ich im Folgenden zunächst auf die Stellung des nationalen Rechts im Rechtsrahmen des SSM eingehen (Abschnitt A). Anschließend werde ich die Rechtsmittelgründe der Reihe nach einzeln prüfen und darlegen, warum der Gerichtshof das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückweisen sollte (Abschnitt B).

A.      Nationales Recht als Teil des Rechtsrahmens des SSM

26.      In der SSM-Verordnung wird eine Trennung zwischen Bankenregulierung und Bankenaufsicht beibehalten. Sie betrifft hauptsächlich, wenn auch nicht ausschließlich, letztere.

27.      Bei der Regelung der Bankenaufsicht sieht die SSM-Verordnung keine Harmonisierung der für Kreditinstitute geltenden nationalen materiell-rechtlichen Vorschriften vor. Stattdessen stützt sie sich auf die verschiedenen nationalen Entscheidungen über den Inhalt der geltenden Vorschriften und konzentriert sich auf die „Aufsichtsmodalitäten“ und das „Zusammenspiel der Aufsichtsbehörden“(13).

28.      Die gemeinsame Regelung eines Rechtsgebiets durch die Europäische Union und die Mitgliedstaaten ist die übliche Regelungsmethode in der Europäischen Union. Die Verflechtung von Unionsrecht und nationalem Recht kommt in der Rechtsordnung der Union häufig vor. Sie ist der Regelfall, wenn die Regulierung durch Richtlinien erfolgt. Das Gleiche wird jedoch häufig auch durch Verordnungen erreicht, die den Mitgliedstaaten zusätzliche Regelungsmöglichkeiten einräumen oder vorschreiben.

29.      In den meisten Fällen wird eine solche Mischung aus Unionsrecht und nationalem Recht von den Behörden der Mitgliedstaaten angewandt. Die gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen nationaler Stellen erfolgt durch die nationalen Gerichte, die das nationale Recht auslegen und anwenden und dem Gerichtshof Fragen vorlegen können, die das Unionsrecht betreffen.

30.      Der SSM ist insofern einzigartig, als er den ersten Fall im Unionsrecht darstellt, in dem anstelle eines nationalen Organs ein Unionsorgan unmittelbar zur Anwendung nationalen Rechts verpflichtet ist(14).

31.      In den meisten Fällen wird die Aufgabe der Beaufsichtigung von der EZB und den nationalen zuständigen Behörden gemeinsam wahrgenommen(15). Bei den meisten Aufsichtsaufgaben erfolgt die Arbeitsteilung zwischen den beiden nach bedeutenden und weniger bedeutenden Institutionen(16).

32.      Ungeachtet der Unterscheidung zwischen bedeutend und weniger bedeutend hat die EZB jedoch zwei ausschließliche Zuständigkeiten in Bezug auf alle Kreditinstitute: erstens die Erteilung und der Entzug einer Bankenzulassung und zweitens die Beurteilung von Anzeigen über den Erwerb oder die Veräußerung von qualifizierten Beteiligungen an Kreditinstituten (außer im Falle einer Bankenabwicklung)(17). Von Interesse ist im vorliegenden Fall die erste Befugnis.

33.      Bei der Entscheidung über die Erteilung oder den Entzug der Zulassung muss die EZB sowohl die Vorschriften des Unionsrechts als auch das Recht des Mitgliedstaats des betreffenden Kreditinstituts anwenden. Nach Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung ist ausdrücklich das nationale Recht maßgeblich, wenn es um bestimmte Entscheidungen der EZB geht(18).

34.      Es stellt sich daher die Frage, wer die Ausübung dieser Befugnis durch die EZB überprüft und auf der Grundlage welchen Rechts dies erfolgt.

35.      Die Frage nach dem „Wer“ hat der Gerichtshof in der Rechtssache Berlusconi bereits beantwortet: Nach Art. 263 AEUV ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane ausschließlich der Unionsrichter zuständig. Somit ist er auch in Bezug auf die Beschlüsse der EZB ausschließlich zuständig(19).

36.      Die Beantwortung der Frage „auf der Grundlage welchen Rechts“ ist ein wenig komplizierter.

37.      Da die EZB bei ihrer Entscheidung über die Erteilung oder den Entzug einer Zulassung nicht nur Unionsrecht, sondern auch die Vorschriften des nationalen Rechts anwendet, ist es unerlässlich, dass die Unionsgerichte als Grundlage für die richterliche Überprüfung solcher EZB-Beschlüsse nationales Recht anwenden.

38.      Vor den Unionsgerichten kann nationales Recht auf zwei Arten behandelt werden: als Tatsache oder als Recht.(20)

39.      Die Logik von Vertragsverletzungsverfahren, Vorabentscheidungsersuchen(21) und bisweilen auch Nichtigkeitsklagen(22) führt dazu, dass das nationale Recht in der Regel als Tatsachenfrage(23) behandelt wird. In einem solchen Fall würde die Überprüfung der vom Gericht zu nationalen Rechtsvorschriften getroffenen Feststellungen eine Überprüfung seines Verfahrens zur Tatsachenfeststellung mit sich bringen, wozu der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nur dann befugt ist, wenn die Parteien geltend machen, dass das Gericht Tatsachen verfälscht habe(24).

40.      Es gibt jedoch Fälle im Unionsrecht, in denen Fragen des nationalen Rechts als Rechtsfragen behandelt werden. Insoweit ist der SSM nicht der einzige Fall, in dem das Unionsrecht ausdrücklich auf das nationale Recht als das maßgebliche Recht verweist.

41.      Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Unionsmarkenverordnung(25), die umfassend und ausdrücklich auf nationales Recht verweist(26). Generalanwalt Mengozzi(27) erwähnte ferner den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, bei der die Unionsorgane bisweilen die maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften des Staates einhalten müssten, in dem der öffentlich-rechtliche Vertrag durchzuführen sei, sowie den Fall der Zuständigkeit des Gerichtshofs nach Art. 272 AEUV, in dem nationales Recht aufgrund einer vertraglichen Schiedsklausel Anwendung finden könne.

42.      Generalanwalt Mengozzi vertrat in Bezug auf Fälle, in denen nationales Recht Teil des maßgeblichen rechtlichen Rahmens ist, die Auffassung, „sei es auch mit allen fallbezogenen Vorbehalten, dass das Unionsgericht sich der Verpflichtung nicht entziehen kann, alle Verwaltungsakte zu prüfen, die seiner Kontrolle unterliegen, unter Einschluss des Teils dieser Akte, in dem eine Beurteilung des nationalen Rechts vorgenommen worden ist“(28).

43.      Für den Bereich des Markenrechts vertrat Generalanwalt Bot die Auffassung, dass das Gericht „sich, erforderlichenfalls von Amts wegen, mit dem Inhalt, den Tatbestandsvoraussetzungen und der Tragweite der nationalen Rechtsnormen, die von den Beteiligten zur Stützung ihres Vorbringens geltend gemacht werden, befassen kann“(29).

44.      Meines Erachtens ist nationales Recht auch im Bereich der Bankenaufsicht als Rechtsfrage zu behandeln, wenn die EZB nach Unionsrecht verpflichtet ist, die Regeln des nationalen Rechts anzuwenden. Bei der Bestimmung und Anwendung des nationalen Rechts im Rahmen des SSM müssen die Unionsgerichte daher ihre Standardmethode der Rechtsauslegung anwenden und dabei das nationale Recht in den jeweiligen nationalen Kontext einordnen, der von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann. Nur so können die Unionsgerichte der vom SSM-System gestützten regulatorischen Vielfalt in den Mitgliedstaaten gerecht werden(30), was für die EZB einen zentralen Aspekt bei der Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse darstellt(31).

45.      Ich stimme mit den Generalanwälten Mengozzi und Bot überein, dass das Gericht, um die Bedeutung des nationalen Rechts im Kontext des SSM zu verstehen, erforderlichenfalls von Amts wegen sowohl den nationalen gesetzgeberischen Rahmen als auch die nationale Rechtsprechung berücksichtigen muss, die für die korrekte Auslegung der jeweiligen nationalen Vorschriften maßgeblich sind(32).

46.      Da das nationale Recht als Rechtsfrage behandelt wird, ist der Gerichtshof befugt, im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen, wie das Gericht dieses Recht angewendet hat.

47.      Zu entscheiden bleibt, welchen Prüfungsmaßstab der Gerichtshof bei der Beurteilung des Vorbringens im Rechtsmittelverfahren, dass das Gericht das anwendbare nationale Recht falsch ausgelegt habe, anzuwenden hat.

48.      Für den Bereich des Markenrechts(33) hat der Gerichtshof einen Prüfungsmaßstab festgelegt, der sich auf die Suche nach einer Bedeutungsverfälschung in der Darstellung des nationalen Rechts durch das Gericht zu konzentrieren scheint, wobei die Art und Weise, wie dieses Recht von den Parteien des Rechtsstreits dargestellt wurde, berücksichtigt wird. Das könnte darin begründet liegen, dass der Gerichtshof nie ausdrücklich bestätigt hat, dass nationalem Recht in diesem Bereich die Bedeutung von Recht zukommt und nicht die Bedeutung einer Tatsache(34).

49.      Ich stimme dem insoweit zu, als der Gerichtshof sich im Rechtsmittelverfahren nicht auf eine neue Auslegung des nationalen Rechts einlassen, sondern vielmehr prüfen sollte, welche Elemente das Gericht bei der Auslegung dieses Rechts berücksichtigt hat, um zu seinem Ergebnis zu gelangen.

50.      Allerdings greift meines Erachtens eine bloße Konzentration auf den Wortlaut der maßgeblichen nationalen Bestimmungen, selbst wenn sie als Rechtsfrage behandelt werden, im Rahmen des SSM unter Umständen zu kurz, da insoweit, wie oben dargelegt, in der Regel eine regulatorische Vielfalt in den verschiedenen Mitgliedstaaten gegeben ist.

51.      Die Überprüfung des Gerichtshofs sollte sich daher auf die Überprüfung der pflichtgemäßen Sorgfalt konzentrieren, die das Gericht bei der Ermittlung der richtigen Bedeutung des nationalen Rechts angewandt hat. Der Gerichtshof sollte sich auf die Faktoren konzentrieren, die das Gericht bei der Beurteilung der Bedeutung des nationalen Rechts berücksichtigt hat, sowie auf die Klarheit seiner Argumentation, mit der es einer Auslegung gegenüber einer anderen den Vorzug gibt.

B.      Würdigung der Rechtsmittelgründe

52.      Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen wende ich mich nun der Prüfung der sieben Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerin zu. In meiner Prüfung werde ich die Reihenfolge des ersten und des zweiten Rechtsmittelgrundes vertauschen und mich sodann den übrigen Rechtsmittelgründen in der Reihenfolge zuwenden, in der sie vorgebracht wurden.

1.      Zweiter Rechtsmittelgrund: Zuständigkeit der EZB

53.      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die AAB Bank erstens geltend, dass das Gericht fälschlicherweise nicht von Amts wegen geprüft habe, ob die EZB für geldwäscherechtliche Entscheidungen zuständig bzw. zur Anwendung nationalen Rechts in diesem Bereich befugt sei, zweitens, dass die EZB lediglich bei Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht Sanktionen verhängen dürfe, und drittens, dass die Aufsicht durch die EZB auf das Einlagen- und Kreditgeschäft beschränkt sei.

54.      Ich verstehe diesen Rechtsmittelgrund als Rüge dahingehend, dass die EZB nicht in Fragen des Entzugs einer Bankzulassung (für die sie ausschließlich zuständig sei), sondern in Fragen der Geldwäschebekämpfung (einer Befugnis, die den nationalen zuständigen Behörden zustehe) tätig geworden sei.

55.      Hinsichtlich des ersten Arguments beruft sich die Rechtsmittelführerin auf den 28. Erwägungsgrund der SSM-Verordnung, den sie dahingehend auslegt, dass der FMA eine ausschließliche Zuständigkeit in Fragen der Geldwäschebekämpfung zugewiesen werde. Das Gericht habe fälschlicherweise die Entscheidungsfindung in diesem Bereich in zwei Teile aufgespalten: zum einen die Feststellung von Verstößen, die Sache der FMA sei, und zum anderen die Sanktion in Form eines Entzugs einer Banklizenz, die Sache der EZB sei.

56.      Zur Unterstützung dieses Arguments macht die Rechtsmittelführerin außerdem geltend, dass Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung bei anderer Auslegung rechtswidrig wäre, da es zu einem Verstoß gegen die Gewaltenteilung käme.

57.      Was den 28. Erwägungsgrund der SSM-Verordnung betrifft, so hat sich der Gerichtshof bereits gegen die Auslegung entschieden, die die Rechtsmittelführerin in der vorliegenden Rechtssache befürwortet.

58.      In der Rechtssache Versobank/EZB betonte der Gerichtshof, dass der Entzug einer Zulassung ausschließlich der EZB vorbehalten ist(35). Darüber hinaus stellte der Gerichtshof fest, dass die EZB nach Art. 14 Abs. 5 der SSM-Verordnung eine Zulassung unter anderem auf Vorschlag einer nationalen zuständigen Behörde entziehen kann(36). Schließlich bestätigte der Gerichtshof, dass diese Zuständigkeit der EZB auch dann ausschließlich bleibt, wenn die Gründe für den Entzug der Zulassung beispielsweise Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Unternehmensführung und der Bekämpfung von Geldwäsche betreffen(37).

59.      Das Gericht hat daher zu Recht dieselben Schlussfolgerungen in Bezug auf die Befugnis der EZB gezogen, der AAB Bank aufgrund der von der FMA festgestellten Verstöße nach Art. 18 Buchst. f und Art. 67 Abs. 1 Buchst. d und o der Richtlinie 2013/36 die Zulassung zu entziehen(38).

60.      Daher ist das erste Argument des zweiten Rechtmittelgrundes meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen.

61.      Hinsichtlich des zweiten Arguments macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die EZB nach dem 36. Erwägungsgrund und Art. 18 der SSM-Verordnung nur auf der Grundlage unmittelbar anwendbaren Unionsrechts Sanktionen verhängen dürfe, nicht aber wegen Verstößen gegen nationale Rechtsvorschriften.

62.      Aus denselben Gründen wie beim ersten Argument dieses Rechtsmittelgrundes hat der Gerichtshof jedoch eindeutig bestätigt, dass die EZB auch das maßgebliche nationale Recht anwendet. Das Gericht hat daher meines Erachtens zu Recht festgestellt, dass mit den Verpflichtungen aus § 34 Abs. 2 und 3 FM-GwG die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2005/60 umgesetzt würden und ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen somit unter § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG falle, der als Konsequenz den Widerruf der Konzession eines Kreditinstituts vorschreibe(39). Das Gericht hat daher zu Recht festgestellt, dass die EZB, die über die ausschließliche Befugnis zum Entzug einer Zulassung nach der SSM-Verordnung verfüge, diese Entscheidung auf Verstöße gegen nationales Recht habe stützen dürfen(40).

63.      Das Argument, mit dem die Rechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung geltend gemacht wird, ist vor dem Gericht nicht erörtert worden und ist daher im Rechtsmittelverfahren als neu und somit unzulässig anzusehen(41).

64.      Schließlich macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die EZB nur für die Ausübung der Aufsicht über das Einlagen- und Kreditgeschäft zuständig sei.

65.      Dieses Argument ist erstmals im Rechtsmittelverfahren eingeführt worden und ist somit unzulässig.

66.      Das Argument wäre jedoch ohnehin zurückzuweisen, da die EZB, wie ich zum ersten Argument des vorliegenden Rechtsmittelgrundes ausgeführt habe, die ausschließliche Befugnis hat, eine Bankzulassung zu entziehen, und zwar ohne jede Beschränkung hinsichtlich der von einer solchen Zulassung erfassten Tätigkeiten.

67.      Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund, soweit er zulässig ist, als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Erster Rechtsmittelgrund: Zuständigkeit des Gerichts

68.      Die Rechtsmittelführerin macht mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht seine Zuständigkeit überschritten und gegen Art. 263 AEUV verstoßen habe, da es sich mit Fragen der Auslegung und Anwendung des österreichischen Rechts zur Bekämpfung der Geldwäsche befasst habe. Hilfsweise macht sie geltend, dass diese Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts fehlerhaft gewesen sei. Schließlich macht die Rechtsmittelführerin für den Fall, dass der Gerichtshof in der Behandlung nationalen Rechts durch das Gericht eine bloße Tatsachenfeststellung sehen sollte, geltend, dass insoweit eine Verfälschung seiner Bedeutung vorliege.

69.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, diese Argumente als unbegründet anzusehen. Insbesondere wurde, wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, mit Art. 4 Abs. 3 der SSM-Verordnung nationales Recht in den maßgeblichen Rechtsrahmen einbezogen.

70.      Die EZB ist somit verpflichtet, ihre Entscheidungen auch auf der Grundlage nationalen Rechts zu treffen.

71.      Wie in der Rechtssache Berlusconi bestätigt wurde, obliegt es dem Unionsrichter, auf der Grundlage von Art. 263 AEUV die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Union zu überprüfen(42). Dabei muss er, wie in Nr. 44 dieser Schlussanträge vorgeschlagen, nationales Recht als Recht anwenden. Da das BWG, das den Entzug der Zulassung regelt, auf das FM-GwG verweist, das die Geldwäsche regelt, wurde letzteres Teil des nationalen Rechts, das das Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung der EZB über den Entzug der Zulassung anwendet.

72.      Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, dass das Gericht fälschlicherweise die Grundsätze des Verwaltungsrechts der Union entsprechend auf die Bestands- bzw. Rechtskraft der Entscheidungen nationaler Verwaltungsbehörden (hier der FMA) über den Verstoß gegen § 31 Abs. 3 Nr. 2 und § 34 Abs. 2 und 3 FM-GwG angewendet habe(43).

73.      Die Rechtsmittelführerin führt zutreffend aus, dass das Gericht bei der Beurteilung der Bestands- bzw. Rechtskraft eines nationalen Verwaltungsakts die österreichischen Grundsätze des Verwaltungsrechts berücksichtigen müsse. Die Rechtsmittelführerin legt jedoch nicht dar, inwiefern sich die vom Gericht angewandten Grundsätze von den österreichischen Verwaltungsvorschriften unterscheiden. Ich schlage daher vor, das Argument, dass das Gericht eine materiell fehlerhafte Entscheidung getroffen habe, zurückzuweisen(44).

74.      Schließlich macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die Argumentation des Gerichts widersprüchlich sei, da es einerseits die Auffassung vertrete, dass die Entscheidung über die Voraussetzungen für den Entzug einer Zulassung in die Zuständigkeit der nationalen Verwaltungsorgane falle, andererseits aber selbst eine gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen durchführe.

75.      Meines Erachtens ist diese Feststellung des Gerichts in keiner Weise widersprüchlich. Das Unionsrecht (die SSM-Verordnung) schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Erteilung der Zulassung an Kreditinstitute festlegen. Sobald diese Voraussetzungen jedoch festgelegt sind, müssen sie von der Institution berücksichtigt werden, die eine solche Zulassung erteilt (oder entzieht), und das ist die EZB. Da die Unionsgerichte für die Überprüfung der Entscheidung der EZB zuständig sind, ist die einzig mögliche Schlussfolgerung, dass sie die durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen berücksichtigen müssen.

76.      Folglich ist der erste Rechtsmittelgrund, soweit er zulässig ist, als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Dritter Rechtsmittelgrund: Auslegung und Anwendung nationalen Rechts

77.      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der in neun Teile unterteilt ist, macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG, Art. 67 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 sowie nationale behördliche und gerichtliche Entscheidungen falsch ausgelegt habe.

a)      Erster Teil: § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG

78.      Im ersten Teil macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG falsch ausgelegt und angewandt habe, indem es in Rn. 44 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass es nicht notwendig sei, die Rechtskraft der entsprechenden nationalen Entscheidungen abzuwarten, um festzustellen, dass die Voraussetzungen für den Entzug einer Zulassung erfüllt seien. Außerdem habe das Gericht eine „radikale“ Auslegung des österreichischen Rechts vorgenommen, da es kein Problem darin gesehen habe, dass zwei getrennte Entscheidungen denselben Verstoß behandelt hätten, von denen die eine (die nationale) ihn festgestellt und die andere (die der EZB) ihn durch den Entzug der Zulassung sanktioniert habe.

79.      Ferner sei die Annahme des Gerichts in Rn. 61 des angefochtenen Urteils fehlerhaft, da es § 70 Abs. 4 BWG falsch ausgelegt habe, der von § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG ausdrücklich für anwendbar erklärt werde.

80.      Was das erste Argument angeht, so ist nicht eindeutig, dass das Gericht tatsächlich die ihm von der Rechtsmittelführerin unterstellte Feststellung getroffen hat. Das Gericht hat auf ein Vorbringen geantwortet, wonach schwere Pflichtverletzungen nur nach dem Verwaltungsstrafrecht oder Strafrecht festgestellt werden könnten, und zwar im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens durch rechtskräftiges Urteil(45).

81.      Das Gericht hat hierauf erwidert, dass, wenn nach nationalem Recht die Feststellung und Ahndung eines Verstoßes gegen die fraglichen Bestimmungen (§ 34 Abs. 2 FM-GwG) in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde falle, das Erfordernis der Rechtskraft darauf hinausliefe, dass die Anwendung einer solchen Sanktion von der Entscheidung des betroffenen Instituts abhängig gemacht würde, ob es gegen die Entscheidung dieser Behörde Klage erhebt oder nicht.

82.      Meines Erachtens hat das Gericht daher entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelführerin nicht festgestellt, dass die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, mit der ein Verstoß gegen die fraglichen Bestimmungen festgestellt werde, nicht bestands- bzw. rechtskräftig zu werden brauche. Das Gericht hat lediglich festgestellt, dass eine solche Entscheidung Bestands- bzw. Rechtskraft erlange, wenn kein Rechtsmittel eingelegt werde.

83.      Die Argumentation der Rechtsmittelführerin betreffend die „radikale“ Auslegung des nationalen Rechts, wonach die Feststellung eines Verstoßes und die Verhängung einer Sanktion nicht in zwei verschiedenen Entscheidungen erfolgen könnten, greift meines Erachtens nicht, da die ausschließliche Befugnis zum Entzug einer Zulassung nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der SSM-Verordnung bei der EZB liegt.

84.      Es mag durchaus zutreffen, dass eine solche Aufteilung der Zuständigkeiten eine Veränderung der Funktionsweise des Verwaltungsrechts in den Mitgliedstaaten gegenüber der Zeit vor der Schaffung der Bankenunion mit sich bringt. Sie kann jedoch nicht als fehlerhafte Auslegung des nationalen Rechts angesehen werden.

85.      Schließlich macht die Rechtsmittelführerin geltend, die Annahme des Gerichts in Rn. 61 des angefochtenen Urteils sei fehlerhaft, da es § 70 Abs. 4 BWG falsch ausgelegt habe. Diese nationale Vorschrift, die von § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG ausdrücklich für anwendbar erklärt werde, verlange eine schrittweise Ahndung in drei aufeinanderfolgenden Eskalationsstufen.

86.      Meines Erachtens hat das Gericht in Rn. 61 des angefochtenen Urteils keine entsprechende Auslegung vorgenommen. Dort hat es festgestellt, dass Verstöße, auch wenn sie zwischenzeitlich behoben worden seien, den Entzug der Zulassung in Anbetracht des Ziels der Sicherung des europäischen Bankensystems rechtfertigten.

87.      Von Bedeutung sind hier auch die Rn. 79 bis 92 des angefochtenen Urteils: Dort hat das Gericht meines Erachtens zu Recht festgestellt, dass die EZB den Entzug der Zulassung zu Recht im Rahmen der Ahndung systematischer, schwerwiegender und kontinuierlicher Verstöße beschlossen habe.

88.      Wie in Nr. 45 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, muss das Gericht auch die maßgebliche nationale Rechtsprechung zur Auslegung des nationalen Rechts berücksichtigen(46). In diesem Zusammenhang hat die Rechtsmittelführerin dem Gericht eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesfinanzgericht, Österreich)(47) vorgelegt, in der die Verstöße nicht als schwerwiegend oder systematisch eingestuft worden seien.

89.      Das Gericht ist in dem angefochtenen Urteil nicht auf dieses Argument eingegangen und hat sich stattdessen auf die von der EZB angeführten Gründe konzentriert, die auf den ihr vorgelegten Feststellungen der FMA beruhten. Das Gericht hat auch auf die von der EZB angeführte Liste der Entscheidungen verwiesen, die die Grundlage für die Empfehlung der FMA und den Beschluss der EZB über den Entzug einer Zulassung bildeten, darunter das von der Rechtsmittelführerin angeführte Urteil(48).

90.      Auch wenn ich ebenfalls der Auffassung bin, dass das Gericht den Einfluss dieses Urteils auf seine Entscheidung deutlicher hätte darlegen können, so ist dennoch klar, dass das Gericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in seine Beurteilung einbezogen hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass es die Feststellung der FMA und der EZB, dass die Verstöße der AAB Bank systematisch, schwerwiegend und kontinuierlich gewesen seien, nicht entkräfte.

91.      Ferner hat das Gericht festgestellt, dass die Bedeutung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, die besondere Verantwortung der Kreditinstitute in dieser Hinsicht und die Notwendigkeit, schnellstmöglich die Konsequenzen aus der Begehung von Verstößen gegen diese Vorschriften zu ziehen, den Entzug der Zulassung rechtfertigten(49).

92.      Der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist daher meines Erachtens zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil: nationale Entscheidungen

93.      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung über die Feststellung eines Verstoßes auf nationaler Ebene erforderlich sei. Die Rechtsmittelführerin verweist jedoch auf keine einzige Randnummer des angefochtenen Urteils, in der das Gericht eine solche Feststellung getroffen haben soll.

94.      Außerdem ist unklar, welcher Fehler dem Gericht vorgeworfen wird, weshalb der Gerichtshof dieses Argument meines Erachtens als unzulässig erachten sollte.

95.      Die Rechtsmittelführerin analysiert sodann die in Rn. 26 des angefochtenen Urteils aufgeführten Schriftstücke einzeln und macht geltend, dass das Gericht ihnen in dieser Randnummer eine falsche rechtliche Relevanz beigemessen habe.

96.      In Rn. 26 des angefochtenen Urteils wird jedoch lediglich auf die verschiedenen Unterlagen verwiesen, auf die sich die FMA und die EZB bei der Entscheidung über den Entzug einer Zulassung bezogen haben. Die Rechtsmittelführerin konkretisiert nicht, welchen Fehler das Gericht mit der Anführung dieser Liste begangen haben soll.

97.      Meines Erachtens ist daher dieser Teil des dritten Rechtsmittelgrundes vom Gerichtshof zurückzuweisen.

c)      Dritter Teil: verwaltungsrechtliche Grundsätze

98.      Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht in den Rn. 46 und 47 des angefochtenen Urteils fälschlicherweise die unionsrechtlichen Grundsätze des Verwaltungsrechts analog auf einen durch österreichisches Recht geregelten Sachverhalt angewandt habe.

99.      Das Gericht hat festgestellt, dass „der Beweis der Schuld einer Person, der eine Zuwiderhandlung zur Last gelegt wird, als endgültig erbracht angesehen werden kann, wenn die Entscheidung, in der diese Zuwiderhandlung festgestellt wird, bestandskräftig geworden ist“(50).

100. Die Rechtsmittelführerin legt jedoch nicht dar, inwiefern dieser Grundsatz im Widerspruch zum maßgeblichen österreichischen Recht stehen soll. Mit anderen Worten, sie hat nicht dargelegt, was das österreichische Recht seinerseits vorschreibt. Im Gegenteil und in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der EZB folgt der vom Gericht angeführte Grundsatz einer allgemeinen Rechtslogik, nach der eine Feststellung endgültig wird, wenn die Entscheidung, in der diese Feststellung getroffen wurde, selbst endgültig wird.

101. Meines Erachtens ist daher dieser Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

d)      Vierter Teil: Wirkungen nationaler behördlicher Entscheidungen

102. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht in den Rn. 149 und 150 des angefochtenen Urteils rechtsirrig nationalen behördlichen Entscheidungen bestimmte Wirkungen unterstellt habe, die dem nationalen Recht zuwiderliefen(51).

103. Meines Erachtens verfälscht dieses Vorbringen die Argumentation, auf die sich die angeführten Randnummern des angefochtenen Urteils stützen, in denen das Gericht lediglich den internen Prüfbericht der AAB Bank als ausreichenden Nachweis dafür zurückgewiesen hat, dass keine schwerwiegenden Verstöße vorlagen, wie sie in den einschlägigen behördlichen Entscheidungen auf nationaler Ebene festgestellt worden waren.

104. Meines Erachtens ist daher dieser Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

e)      Fünfter Teil: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer

105. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht nach dem Prinzip „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“ entschieden habe, indem es sich mit großer Oberflächlichkeit auf eine Vielzahl von Dokumenten berufen habe, die im weitesten Sinne geldwäscherechtliche Themen berührten.

106. Die Rechtsmittelführerin bezieht sich allerdings nicht konkret auf einen bestimmten Teil des angefochtenen Urteils, so dass dieser Teil des dritten Rechtsmittelgrundes unzulässig ist, da der Gerichtshof das Vorbringen im Rahmen des Rechtsmittels nicht für die Rechtsmittelführerin formulieren kann.

107. Ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Feststellungen einzelner Verstöße konkret überprüft hat, die die FMA und sodann die EZB zu der Feststellung veranlasst haben, dass schwerwiegende, systematische und kontinuierliche Verstöße gegen § 34 Abs. 2 und 3 FM-GwG vorlagen, die den Entzug einer Zulassung rechtfertigen(52).

108. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, diesen Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

f)      Sechster Teil: umfassende Würdigung

109. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht die einschlägigen nationalen Entscheidungen nicht umfassend gewürdigt habe, und beruft sich dabei auf drei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.

110. Dieses Argument ist jedoch vor dem Gericht nicht vorgebracht worden und ist daher im Rechtsmittelverfahren neu. Ein solches Vorbringen ist, wie bereits oben erwähnt, unzulässig(53).

111. Soweit sich die Rechtsmittelführerin auf die Würdigung des Gerichts bezieht, das sich ihrer Ansicht nach mit „sehr spezifischen und eher historischen“ Themen beschäftigt habe, ist unklar, auf welche Teile des angefochtenen Urteils sich dieses Vorbringen bezieht und worin genau der dem Gericht vorgeworfene Rechtsfehler bestehen soll. Ich habe den Eindruck, die Rechtsmittelführerin erwartet vom Gerichtshof eine Tatsachenfeststellung auf Rechtsmittelebene.

112. Der Gerichtshof ist jedoch nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, Beweise zu prüfen, es sei denn, der Rechtsmittelführer macht geltend, dass das Gericht die Tatsachen verfälscht habe und dass sich diese Verfälschung in offensichtlicher Weise aus den Akten ergebe(54).

113. Außerdem muss die Partei, die eine Verfälschung behauptet, genau angeben, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht ihres Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben(55).

114. Die Rechtsmittelführerin beschränkt sich darauf, den bereits vom Gericht beurteilten Sachverhalt zu schildern, ohne darzulegen, dass das Gericht Beweise verfälscht habe.

115. Meines Erachtens ist daher der sechste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes vom Gerichtshof in vollem Umfang für unzulässig zu erachten.

g)      Siebter Teil: Art. 67 Abs. 1 Buchst. o der Richtlinie 2013/36

116. Mit dem siebten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht fälschlicherweise festgestellt habe, dass schwerwiegende Verstöße begangen worden seien, wie sie von Art. 67 Abs. 1 Buchst. o der Richtlinie 2013/36 vorausgesetzt würden. Außerdem habe das Gericht das von ihm zitierte Urteil(56) über den Entzug von Lizenzen von Glücksspielanbietern falsch ausgelegt. Schließlich macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass nicht erkennbar sei, warum sich die Auslegung österreichischen Rechts nach europäischem und nicht österreichischem Recht richten sollte.

117. Mit ihrem Vorbringen betreffend einen schwerwiegenden Verstoß fordert die Rechtsmittelführerin das Gericht auf, die Tatsachen neu zu beurteilen, was nicht in seine Zuständigkeit fällt. Wie oben in den Nrn. 112 bis 114 ausgeführt, ist Vorbringen, das sich auf Tatsachen bezieht, als unzulässig anzusehen, es sei denn, der Rechtsmittelführer beruft sich auf eine Verfälschung von Tatsachen, was hier nicht der Fall ist.

118. Hinsichtlich der Auslegung des vom Gericht in Rn. 49 des angefochtenen Urteils angeführten Urteils erläutert die Rechtsmittelführerin nicht, worin der Fehler bestehen soll oder welche Auslegung das Gericht richtigerweise hätte vornehmen müssen. Auch dieses Vorbringen ist daher als unsubstantiiert und damit unzulässig zurückzuweisen.

119. Schließlich erläutert die Rechtsmittelführerin nicht, in welchem konkreten Teil des angefochtenen Urteils das Gericht das österreichische Recht ausschließlich unter Bezugnahme auf das Unionsrecht ausgelegt haben soll, während es dies angeblich ausschließlich auf der Grundlage des österreichischen Rechts hätte tun müssen. In Ermangelung einer konkreteren Darlegung kann der Gerichtshof nicht mehr tun, als allgemein auszuführen, dass das Gericht die als Teil des SSM-Rahmens anwendbaren nationalen Vorschriften im Lichte sowohl des österreichischen Rechts als auch des Unionsrechts anzuwenden hat, so wie es das nationale Gericht bei der Auslegung nationalen Rechts täte.

120. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den siebten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zu erachten.

h)      Achter Teil: § 70 Abs. 4 BWG

121. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht die Voraussetzungen des § 70 Abs. 4 BWG unzureichend geprüft habe, wonach die Sanktionen in drei aufeinanderfolgenden Eskalationsstufen zu verhängen seien, wobei jeder Stufe jeweils ein eigener Verstoß zugrunde liegen müsse. Das Gericht habe in Rn. 158 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, dass die verschiedenen Maßnahmen, die die FMA in der Vergangenheit ergriffen habe, ausreichend seien; da erforderlich sei, dass ein Verstoß zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung noch andauere, seien die Ausführungen des Gerichts in den Rn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils daher rechtsfehlerhaft. Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, dass das Gericht das österreichische Recht nach seinen eigenen rechtspolitischen Präferenzen umgestaltet habe, was rechtsstaatliche Bedenken aufwerfe. Schließlich räume Art. 127 Abs. 6 AEUV, die Rechtsgrundlage der SSM-Verordnung, dem Rat nicht die Befugnis ein, die durch nationales Recht geregelten Voraussetzungen für den Entzug einer Konzession umzugestalten.

122. Zum ersten Argument ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin den Gerichtshof ersucht, die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts, insbesondere die Bedeutung, die es den von der AAB Bank zur Behebung der Verstöße ergriffenen Maßnahmen und den verschiedenen von der FMA erlassenen Aufsichtsbeschlüssen beigemessen hat, neu zu bewerten.

123. Wie oben in den Nrn. 112 bis 114 erläutert, ist Vorbringen, das sich auf Tatsachen bezieht, als unzulässig anzusehen, es sei denn, der Rechtsmittelführer beruft sich auf eine Verfälschung von Tatsachen, was hier nicht der Fall ist.

124. Was das übrige Vorbringen betrifft, so benennt die Rechtsmittelführerin nicht die konkret angegriffenen Teile des angefochtenen Urteils und führt auch nicht näher aus, worin der angeblich vom Gericht begangene Fehler bestehen soll, sondern beschränkt sich auf eine allgemeine Bezugnahme auf die Rechtspolitik und die Rechtsstaatlichkeit. Ein solches Vorbringen ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(57) unzulässig.

125. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den achten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zu erachten.

i)      Neunter Teil: Verhältnis zwischen § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GWG und § 70 Abs. 4 BWG

126. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass das Gericht sich in den Rn. 105 ff. des angefochtenen Urteils im Hinblick auf das Verhältnis zwischen § 31 Abs. 3 Nr. 2 FM-GwG und § 70 Abs. 4 BWG geirrt habe. Konkret habe die EZB ihre Entscheidung auf § 70 Abs. 4 BWG gestützt, während die Befugnis zur Sanktionierung von Handlungen, die gegen die Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung verstießen, ausschließlich im FM-GwG geregelt sei, auf das § 70 Abs. 4 BWG gerade nicht verweise. Die EZB habe sich daher bei ihrer Entscheidung über den Entzug der Zulassung auf die falsche Rechtsgrundlage berufen.

127. Das Gericht hat in Rn. 103 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die EZB auf § 70 Abs. 4 BWG verwiesen habe, der bei einem Verstoß gegen die Geldwäschebestimmungen dieses Gesetzes die Rücknahme der Konzession vorsehe. In Rn. 104 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ferner festgestellt, dass die EZB auch darauf verwiesen habe, dass die AAB Bank gegen mehrere Bestimmungen des FM‑GwG verstoßen habe. Schließlich hat das Gericht in Rn. 109 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die AAB Bank nicht geltend gemacht habe, dass die Wahl einer anderen Rechtsgrundlage zu einer anderen Beurteilung durch die EZB geführt hätte.

128. Meines Erachtens hat das Gericht in den Rn. 105 bis 107 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass § 39 Abs. 2 und 2b BWG auch auf das Risiko von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verweise und dass sowohl das FM-GwG als auch das BWG bei der Feststellung solcher Verstöße berücksichtigt werden und zum Entzug einer Zulassung führen könnten.

129. Ferner hat das Gericht meines Erachtens zu Recht befunden, dass eine falsche Rechtsgrundlage nicht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen könne, wenn dieser Fehler nur rein formelle Bedeutung habe(58).

130. Das Gericht verweist auf sein eigenes früheres Urteil, das es im weiteren Verlauf als ständige Rechtsprechung bezeichnete(59).

131. Dieser Ansatz des Gerichts findet sich auch vor mehr als drei Jahrzehnten in den Schlussanträgen des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Gestetner Holdings(60), wo er argumentierte, dass die Wahl der falschen Rechtsgrundlage nicht (zwangsläufig) zu einem anderen Ergebnis führe, als es bei Wahl der richtigen Rechtsgrundlage der Fall gewesen wäre(61).

132. Ich schlage dem Gerichtshof vor, der Logik sowohl des Gerichts als auch des Generalanwalts Mischo zu folgen und festzustellen, dass die Wahl einer „falschen“ Rechtsgrundlage für eine Einzelentscheidung nur dann für deren Gültigkeit ausschlaggebend sein sollte, wenn die „richtige“ Rechtsgrundlage zu einem anderen Ergebnis in der Entscheidung selbst geführt hätte.

133. Insoweit hat das Gericht meines Erachtens nicht zu Unrecht festgestellt, dass eine andere Rechtsgrundlage die Beurteilung durch die EZB und ihre Befugnis, der AAB Bank die Zulassung zu entziehen, nicht beeinflusst hätte.

134. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den neunten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

4.      Vierter Rechtsmittelgrund: Art. 67 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36

135. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 132 bis 144 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt habe, dass erstens vor drei oder fünf Jahren begangene und in der Zwischenzeit behobene Verstöße für den Entzug einer Zulassung ausreichten, dass zweitens der Entzug einer Zulassung nicht voraussetze, dass die Verstöße gravierend seien, dass das Gericht drittens zu Unrecht entgegen dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Berlusconi festgestellt habe, dass eine nationale Entscheidung, mit der Verstöße hinsichtlich der internen Unternehmensführung festgestellt worden seien, endgültig sei und auf nationaler Ebene hätte angefochten werden müssen, und dass das Gericht viertens die in Rn. 122 des angefochtenen Urteils aufgeführten Unterlagen falsch beurteilt habe.

136. Was das erste Argument betrifft, verlangt die Rechtsmittelführerin damit meines Erachtens vom Gerichtshof, dass er die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts zu der Bedeutung, die es den von der FMA und der EZB festgestellten Verstößen beigemessen hat, neu bewertet(62).

137. Wie oben in den Nrn. 112 bis 114 ausgeführt, ist Vorbringen, das sich auf Tatsachen beziehet als unzulässig anzusehen, es sei denn, der Rechtsmittelführer beruft sich auf eine Verfälschung von Tatsachen, was hier nicht der Fall ist.

138. Für den Fall, dass sich der Gerichtshof dieser Beurteilung nicht anschließen sollte, hat das Gericht meines Erachtens in Rn. 134 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt, dass sich aus Art. 67 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36 nicht ergibt, dass vergangene oder abgemilderte Verstöße einen Entzug der Zulassung ausschließen.

139. In Rn. 135 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ferner festgestellt, dass eine gegenteilige Auslegung bedeuten würde, dass die zuständigen Behörden neue Entscheidungen treffen müssten, um nachzuweisen, dass das Kreditinstitut tatsächlich gegen die Unternehmensführungsregelungen verstoßen habe, die das europäische Bankensystem schützen sollen.

140. Ich sehe keinen Fehler in der Argumentation des Gerichts. Abgesehen davon, dass es nicht erforderlich ist, dass die Verstöße gegen die Unternehmensführungsregelungen systematisch oder schwerwiegend sind, ist hervorzuheben, dass die EZB die Zulassung nicht nur wegen wiederholter Verstöße gegen Art. 67 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36, sondern auch wegen entsprechender Verstöße gegen Art. 67 Abs. 1 Buchst. o dieser Richtlinie entzogen hat.

141. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, dieses Argument als unbegründet zurückzuweisen.

142. Was das zweite Argument betrifft, hat das Gericht meines Erachtens in Rn. 138 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, dass aus Art. 67 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2013/36 nicht hervorgeht, dass ein Verstoß gegen die Unternehmensführungsregelungen gravierend, grob oder systemisch sein muss, um den Entzug einer Zulassung zu rechtfertigen. Diese Bestimmung verlangt im Gegensatz zu Art. 67 Abs. 1 Buchst. o der Richtlinie 2013/36 nicht, dass der Verstoß schwerwiegend sein muss. Dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

143. Mit dem dritten Argument lastet die Rechtsmittelführerin dem Gericht an, in den Rn. 142 bis 145 des angefochtenen Urteils rechtsirrig festgestellt zu haben, dass die Entscheidungen der FMA über Verstöße gegen Unternehmensführungsregelungen auf nationaler Ebene hätten angefochten werden müssen, während der Gerichtshof im Urteil Berlusconi festgestellt habe, dass es den nationalen Gerichten verwehrt sei, vorbereitende Handlungen zu überprüfen, für die die EZB die endgültige Entscheidungsbefugnis habe.

144. In der Rechtssache Berlusconi stellte der Gerichtshof in der Tat fest, dass Art. 263 AEUV dem entgegensteht, dass die nationalen Gerichte vorbereitende Handlungen nationaler zuständiger Behörden überprüfen, die diese im Rahmen des Verfahrens nach den Art. 22 und 23 der Richtlinie 2013/36, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 15 der SSM-Verordnung sowie den Art. 85 bis 87 der SSM-Rahmenverordnung vorgenommen haben(63).

145. Das Gericht hat jedoch in den Rn. 145 und 146 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass es sich bei der Entscheidung der FMA zum Versäumnis der AAB Bank, die erforderlichen Unternehmensführungsregelungen umzusetzen, um eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung handelt. Die Feststellungen aus der Rechtssache Berlusconi sind daher nicht anwendbar.

146. Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht die in Rn. 122 des angefochtenen Urteils aufgeführten Unterlagen falsch gewürdigt habe, ohne die in § 70 Abs. 4 BWG vorgesehenen drei Eskalationsstufen hinsichtlich der Folgemaßnahmen zu prüfen.

147. Wie jedoch auch von der EZB ausgeführt wurde, erforderte das Ausmaß der insoweit begangenen wiederholten Verstöße gerade den Entzug der Zulassung als Folge, da es keine weniger restriktive Maßnahme gab, mit der der großen Zahl der wiederholten Verstöße gegen die Vorschriften zu den Unternehmensführungsregelungen gleichermaßen begegnet worden wäre.

148. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den vierten Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

5.      Fünfter Rechtsmittelgrund: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und nationales Recht

149. Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und sich nicht mit § 70 Abs. 4 BWG auseinandergesetzt habe.

150. Diese Argumente wurden bereits im Rahmen des achten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes vorgebracht, und ich verweise daher auf die dort vorgenommene Würdigung(64).

151. Ferner macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die EZB durch den Entzug der Zulassung die Anwendbarkeit des FM-GwG letztlich aufgehoben habe, während dieses Gesetz im Rahmen einer freiwilligen Liquidation weiter anwendbar geblieben wäre. Es ist unklar, welcher Fehler dem Gericht mit diesem Vorbringen vorgeworfen wird, so dass es nach der oben genannten Rechtsprechung als unzulässig zu erachten ist(65).

152. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den fünften Rechtsmittelgrund, soweit er zulässig ist, zurückzuweisen.

6.      Sechster Rechtsmittelgrund: Verteidigungsrechte

153. Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht in den Rn. 227 ff. des angefochtenen Urteils ihre Verteidigungsrechte in Bezug auf die Akteneinsicht und die Verpflichtung der EZB zur Ermittlung des Sachverhalts verletzt habe.

154. Erstens hat das Gericht in den Rn. 245 bis 248 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die EZB nicht verpflichtet gewesen sei, den vertraulichen Teil der Akte gegenüber der AAB Bank offenzulegen.

155. Das Gericht hat dies mit einem Verweis auf Art. 32 Abs. 1 und 5 der SSM-Rahmenverordnung begründet, wonach sich das Recht auf Akteneinsicht nicht auf vertrauliche Informationen wie die Korrespondenz zwischen der EZB und den zuständigen nationalen Behörden erstrecke(66). Darüber hinaus hat das Gericht festgestellt, dass die AAB Bank, da sie Adressatin der Entscheidungen der FMA oder Partei eines nationalen Gerichtsverfahrens gewesen sei, ausreichend über den Inhalt dieser Entscheidungen, auf denen der Entzug der Zulassung beruht habe, informiert gewesen sei(67).

156. Was zweitens die Ermittlung des Sachverhalts durch die EZB betrifft, hat das Gericht diese Verpflichtung in den Rn. 251 bis 273 des angefochtenen Urteils, die von der Rechtsmittelführerin nicht angegriffen werden, eingehend geprüft.

157. Meines Erachtens ist daher der sechste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

7.      Siebter Rechtsmittelgrund: Verfahrensfehler

158. Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht Verfahrensfehler begangen habe, die ihre Interessen beeinträchtigt hätten.

159. Erstens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Auffassung des Gerichts hätte gegeben werden müssen, wonach die in den nationalen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen angegebenen Gründe Bindungswirkung auch hinsichtlich des Entzugs der Zulassung entfalteten.

160. Die Rechtsmittelführerin benennt jedoch weder die einschlägigen Randnummern des angefochtenen Urteils noch die Fehler, die das Gericht begangen haben soll.

161. Es ist unklar, welcher Fehler dem Gericht mit diesem Vorbringen vorgeworfen wird, so dass es nach der oben genannten Rechtsprechung als unzulässig zu erachten ist(68).

162. Zweitens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht im Rahmen seiner prozessleitenden Maßnahme vom 27. April 2021, bei der das Vorliegen schwerer Straftaten im Hinblick auf die Verpflichtungen zur Bekämpfung der Geldwäsche vorausgesetzt worden sei, hätte mitteilen müssen, dass es seine Meinung insoweit geändert habe.

163. Mit seiner prozessleitenden Maßnahme vom 27. April 2021 hat das Gericht jedoch keinen Rechtsstandpunkt eingenommen, sondern zwei schriftliche Fragen an die EZB gerichtet. Dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

164. Drittens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass das Gericht ihrem Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme vom 8. April 2021 ersichtlich deshalb nicht stattgegeben habe, weil die Voraussetzungen für den Entzug einer Zulassung mangels der erforderlichen schweren Straftaten nicht vorgelegen hätten.

165. Dieses Argument ist meines Erachtens unzulässig, da der Fehler, den das Gericht begangen haben soll, nicht benannt wird(69).

166. Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin, dass das Gericht seine Begründungspflicht verletzt habe, insbesondere wenn man sein Urteil mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vergleiche.

167. Wie bei ihrem vorangegangenen Argument benennt die Rechtsmittelführerin weder die konkreten Randnummern des angefochtenen Urteils noch die dem Gericht konkret vorgeworfenen Fehler. Dieses Argument ist daher für unzulässig zu erklären.

168. Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, den siebten Rechtsmittelgrund, soweit er zulässig ist, zurückzuweisen.

VII. Ergebnis

169. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

–        Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

–        Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten.







































































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