Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTHONY MICHEAL COLLINS
vom 16. März 2023(1 )
Verbundene Rechtssachen C ‑508/21 P und C ‑509/21 P
Europäische Kommission
gegen
Dansk Erhverv (C ‑508/21 P)
und
Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG)
gegen
Dansk Erhverv,
Europäische Kommission (C ‑509/21 P)
„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfe – Verkauf von Getränken in Einwegbehältern durch Grenzhändler in Deutschland an Personen mit Wohnsitz in Dänemark und in Schweden – Beschwerde – Befreiung von der Pfandpflicht für Einwegbehälter, sofern die gekauften Getränke außerhalb Deutschlands verzehrt werden – Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag – Nichtverhängung von Geldbußen – Beschluss der Kommission, keine Einwände zu erheben – Nichtvorliegen einer Beihilfe – Richtlinie 94/62/EG – Ernsthafte Schwierigkeiten“
I. Einleitung
1. Schon seit jeher ist es der Unterschied im Preis, von dem der Handel lebt, und der Preisunterschied bei Getränken zwischen dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland macht da keine Ausnahme. Der starke Wettbewerb zwischen Händlern in diesen beiden Mitgliedstaaten führte dazu, dass Dansk Erhverv, ein Berufsverband, der die Interessen dänischer Unternehmen vertritt, bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde wegen staatlicher Beihilfe einreichte. Dansk Erhverv machte u. a. geltend, seinen deutschen Konkurrenten würde durch die nachgiebige Haltung der deutschen Behörden bei der Durchsetzung der deutschen Rechtsvorschriften über das Recycling von Verpackungsabfällen eine staatliche Beihilfe gewährt. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Deutschland keine staatliche Beihilfe gewährt habe. Dansk Erhverv klagte gegen diesen Beschluss der Kommission und überzeugte das Gericht der Europäischen Union, das den Beschluss für nichtig erklärte. Gegen das Urteil des Gerichts haben die Kommission und die Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG), eine Vereinigung, die die Interessen von Händlern an der deutschen Grenze vertritt, Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt. Mit den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof einen Entscheidungsvorschlag für die sich in den beiden Rechtsmittelverfahren stellenden Fragen unterbreiten. Zu ihnen gehört eine neuartige Frage: Ist die Kommission verpflichtet, ein förmliches Prüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, wenn die staatliche Beihilfe, gegen die sich die Beschwerde richtet, darin besteht, dass gegen Wirtschaftsteilnehmer bei mutmaßlichen Verstößen gegen eine nicht eindeutige Rechtspflicht keine Geldbußen verhängt werden?
II. Sachverhalt und Verfahren
A. Vorgeschichte der Rechtsmittelverfahren
2. Das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Dansk Erhverv/Kommission(2 ) enthält in den Rn. 1 bis 27 eine ausführliche Darstellung der Vorgeschichte der vorliegenden Rechtsmittel, die nachstehend zusammengefasst ist.
3. Am 14. März 2016 reichte Dansk Erhverv bei der Kommission eine Beschwerde mit der Begründung ein, Deutschland habe einer Gruppe von Einzelhandelsunternehmen nahe der dänischen Grenze (im Folgenden: Grenzhändler) eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe gewährt. Ohne das nach deutschem Recht vorgeschriebene Pfand für diese Verpackungen zu erheben, verkauften die Grenzhändler Getränke in Einwegbehältern an Verbraucher, die hauptsächlich in Dänemark und Schweden ansässig seien und eine „Exporterklärung“ unterzeichneten, dass sie die Getränke außerhalb Deutschlands verzehren und die leeren Verpackungen außerhalb Deutschlands als Abfall entsorgen würden. Die mutmaßliche Beihilfe bestehe darin, dass die Behörden zweier Bundesländer, nämlich die Behörden Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns (Deutschland) (im Folgenden: Landesbehörden), de facto eine Befreiung von der Pflicht zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag gewährten und den Grenzhändlern, die das Pfand nicht erheben würden, keine Geldbußen auferlegten.
4. Am 4. Oktober 2018 erließ die Kommission den Beschluss C(2018) 6315 final über die staatliche Beihilfe SA.44865 (2016/FC) – Deutschland – Mutmaßliche staatliche Beihilfe an grenznahe norddeutsche Getränkehändler (im Folgenden: streitiger Beschluss).
5. Der streitige Beschluss untersucht in Abschnitt 3.1 die Nichterhebung des Pfands von der oben genannten Kundengruppe durch die Grenzhändler (im Folgenden: erste Maßnahme)(3 ). Das Pfandsystem werde vom Einzelhandel verwaltet, und die eingesammelten Pfandbeträge unterlägen zu keiner Zeit einer staatlichen Kontrolle. Die staatliche Intervention beschränke sich auf die in der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom 21. August 1998 (im Folgenden: Verpackungsverordnung)(4 ), mit der die Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle(5 ) umgesetzt werde, enthaltene Verpflichtung, das Pfand von den Käufern im Einzelhandel unter bestimmten Umständen zu erheben und bei Rückgabe der Verpackung zu erstatten(6 ). Da das Pfandsystem nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werde, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die erste Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstelle(7 ).
6. Im streitigen Beschluss wurde in Abschnitt 3.2 die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag geprüft (im Folgenden: zweite Maßnahme). Die Kommission kam zu dem Schluss, dass durch die zweite Maßnahme kein Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt werde, da die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag die normale Folge der Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuervorschriften in Fällen sei, in denen kein Pfand erhoben worden sei(8 ).
7. Im streitigen Beschluss wurde in Abschnitt 3.3 geprüft, ob die Nichtverhängung von Geldbußen gegen die Grenzhändler wegen deren mutmaßlichen Verstöße gegen die Verpackungsverordnung (im Folgenden: dritte Maßnahme) eine staatliche Beihilfe darstelle. Die Kommission akzeptierte, dass eine Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße grundsätzlich einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellen könne. Sie stellte jedoch fest, dass es jedem Rechtssystem innewohne, dass der Einzelne nicht dem Risiko ausgesetzt werden dürfe, für gesetzeskonformes Verhalten bestraft zu werden(9 ). Schwierigkeiten bei der Gesetzesauslegung gebe es in jeder Rechtsordnung. Daher könne es für Behörden, die begründete Zweifel an der Auslegung eines Gesetzes hätten, unangebracht sein, bei einen mutmaßlichen Verstoß Geldbußen zu verhängen(10 ). Die Kommission stellte fest, dass die Landesbehörden die Grenzhändler nicht von der Zahlung von Geldbußen befreit hätten, die nach Ansicht dieser Behörden eigentlich fällig gewesen wären. Die Behörden hätten vielmehr die Auffassung vertreten, dass die Grenzhändler nach dem Gesetz nicht verpflichtet seien, das Pfand zu erheben, und dass sie daher keinen Rechtsverstoß begangen hätten(11 ).
8. Die Kommission stellte fest, dass die Verpackungsverordnung der effektiven Sammlung von Verpackungsabfällen in Deutschland diene. Dieses Ziel erfordere nicht die Erhebung eines Pfands auf Einwegverpackungen, die nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entsorgt würden. Die Grenzhändler befänden sich in der gleichen Situation wie die Exporteure von Dosengetränken, die ausdrücklich von der Pfandpflicht ausgenommen seien(12 ). Da die Getränke für den Verzehr außerhalb Deutschlands gekauft würden, sei es unwahrscheinlich, dass die Erhebung des Pfands für die Verbraucher einen Anreiz darstelle, die gekauften Verpackungen dem deutschen Recyclingsystem zuzuführen(13 ). Unter diesen Umständen sei es nicht unangemessen, dass die Grenzhändler von diesen Verbrauchern kein Pfand erheben(14 ). Auch die Richtlinie 94/62 verpflichte die Mitgliedstaaten nicht, die Erhebung von Pfand auf Getränke, die in Einwegverpackungen zum Verbrauch außerhalb ihres Hoheitsgebiets verkauft würden, sicherzustellen(15 ). Die Kommission vertrat die Ansicht, dass die Vorgehensweise der Landesbehörden als angemessener Mittelweg erscheine, um dem mit der Richtlinie 94/62 verfolgten Ziel des Umweltschutzes und des freien Warenverkehrs gerecht zu werden(16 ).
9. Zwar hätten die Bundesbehörden der Auslegung des Gesetzes durch die Landesbehörden widersprochen, doch scheine die vorhandene Rechtsprechung den von den Landesbehörden verfolgten Ansatz zu bestätigen(17 ). Die Kommission gelangte daher zu dem Schluss, dass sich für die Landesbehörden im Rahmen der normalen Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse begründete und ernste Zweifel hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Auslegung der Pfanderhebungspflicht der Grenzhändler ergeben hätten(18 ). Der streitige Beschluss kam daher zu dem Ergebnis, dass keine der drei in ihm identifizierten und geprüften Maßnahmen eine staatliche Beihilfe darstelle.
B. Angefochtenes Urteil
10. Am 23. Januar 2019 erhob Dansk Erhverv beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses. IGG trat dem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der Kommission bei. Dansk Erhverv machte geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie trotz ernsthafter Schwierigkeiten hinsichtlich der Prüfung der Maßnahmen nicht das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV eingeleitet habe, die ihm als Beteiligten nach dieser Bestimmung zustehenden Verfahrensrechte verletzt(19 ). Mit dem ersten Teil des einzigen Klagegrundes von Dansk Erhverv wurde gerügt, dass die Kommission die Vereinbarkeit der Befreiung von der Pfandpflicht mit Art. 4 Abs. 3 EUV, der Richtlinie 94/62, dem „Verursacherprinzip“ und verschiedenen Bestimmungen des deutschen Rechts nicht hinreichend geprüft habe. Mit dem zweiten Teil dieses einzigen Klagegrundes wurde geltend gemacht, die Kommission habe die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag nicht hinreichend geprüft. Mit dem dritten Teil wurde gerügt, im streitigen Beschluss sei die Nichtverhängung einer Geldbuße durch die Landesbehörden nicht hinreichend geprüft worden(20 ).
11. Zum ersten Teil stellte das Gericht fest, dass die Nichtvereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit anderem Unionsrecht als demjenigen, das sich auf staatliche Beihilfen beziehe, zwar für die Beurteilung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt relevant sein könne, aber keinen Einfluss auf das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe habe, die ausschließlich unter Bezugnahme auf Art. 107 Abs. 1 AEUV zu ermitteln sei(21 ). Die gleiche Argumentation gelte erst recht für die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem nationalen Recht(22 ). Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Prüfung der Nichterhebung des Pfands durch die Kommission fehlerhaft gewesen sei, könne dieser Fehler nicht zur Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses führen. Das Gericht wies daher den ersten Teil des einzigen Klagegrundes als ins Leere gehend zurück(23 ).
12. Das Gericht wies das Vorbringen zum Verstoß gegen verschiedene Vorschriften des Unionsrechts und des deutschen Rechts im Rahmen des zweiten Teils des einzigen Klagegrundes aus denselben Gründen zurück, wie sie in Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt sind(24 ). Die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag sei die mittelbare, wenngleich logische Folge der Nichterhebung des Pfands(25 ). Das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme staatlicher Mittel sei somit nicht erfüllt(26 ).
13. In Bezug auf den dritten Teil des einzigen Klagegrundes stellte das Gericht fest, dass die Landesbehörden aufgrund ihrer Auslegung des deutschen Rechts, wonach die Grenzhändler unter den in Nr. 3 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Umständen nicht zur Erhebung des Pfands verpflichtet gewesen seien, keine Geldbußen verhängt hätten. Damit unterscheide sich die Situation von der Rechtsprechung zu Geldbußen als eine Art staatlicher Mittel für die Genehmigung von Verhaltensweisen, die andernfalls mit Geldbußen belegt worden wären(27 ), und für die Befreiung von der Zahlung von Geldbußen bei solchen Verhaltensweisen(28 ). Die Kommission habe sich daher zu Recht auf ein neues rechtliches Kriterium gestützt, wonach das Bestehen von Schwierigkeiten bei der Auslegung des nationalen Rechts grundsätzlich die Feststellung rechtfertigen könne, dass die Nichtverhängung von Geldbußen keine staatliche Beihilfe darstelle. Der Wertungsspielraum der Behörden bei der Verhängung von Geldbußen, die ein Instrument im Bereich der öffentlichen Ordnung seien, müsse gewahrt bleiben, insbesondere wenn für die Behörden Schwierigkeiten bei der Auslegung des geltenden Rechts bestünden(29 ).
14. Das Gericht grenzte dann dieses Kriterium ein, indem es ausführte, dass derartige Schwierigkeiten die Nichterhebung einer Geldbuße nur während eines begrenzten Zeitraums von angemessener Dauer rechtfertigen könnten, in dem eine Klärung der anwendbaren Regelung erfolgen müsse(30 ). Wenn mit dieser Regelung wie im vorliegenden Fall eine Richtlinie umgesetzt werden solle, so könne eine Uneindeutigkeit in der Auslegung dieser Regelung umso weniger die Feststellung rechtfertigen, dass keine staatliche Beihilfe vorliege(31 ). In dem streitigen Beschluss sei kein besonderer Umstand genannt, der den Zustand der Rechtsunsicherheit zwischen 2005, als die Praxis der Nichtverhängung von Geldbußen begann, und 2018, als der streitige Beschluss erlassen wurde, gerechtfertigt hätte(32 ). Die Bundesbehörden hätten von der Möglichkeit, die Rechtslage durch eine Befassung des Bundesrats (Deutschland) zu klären, keinen Gebrauch gemacht(33 ). Die Urteile der nationalen Gerichte, die die Auslegung der Landesbehörden stützten, seien im Rahmen von Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen(34 ). Die nationalen Gerichte hätten dem Gerichtshof im Rahmen dieser Verfahren zu Fragen der Vereinbarkeit der Nichtverhängung einer Geldbuße mit dem Unionsrecht Vorabentscheidungsersuchen vorlegen können(35 ).
15. Aus diesen Gründen gelangte das Gericht zu dem Schluss, dass der streitige Beschluss rechtsfehlerhaft sei, da die Kommission nicht geprüft habe, ob die von den Landesbehörden angeführten Auslegungsschwierigkeiten temporär und Teil der schrittweisen Klärung der Rechtsvorschriften gewesen seien(36 ). Jedenfalls könne der angefochtene Beschluss nicht auf das Vorliegen von Schwierigkeiten bei der Auslegung des anwendbaren Rechts gestützt werden, da die Landesbehörden sich nicht auf solche Schwierigkeiten berufen hätten, um die Nichtverhängung von Geldbußen zu rechtfertigen, sondern stattdessen die Auffassung vertreten hätten, dass die Grenzhändler rechtlich nicht verpflichtet gewesen seien, das Pfand zu erheben(37 ).
16. Das Gericht gab somit dem dritten Teil des einzigen Klagegrundes von Dansk Erhverv mit der Begründung statt, dass für die Kommission erhebliche Schwierigkeiten bei der Prüfung bestanden hätten, inwieweit die Nichtverhängung von Geldbußen durch die Landesbehörden eine staatliche Beihilfe darstelle(38 ). Da die Nichterhebung der Mehrwertsteuer eine immanente Folge der Nichterhebung des Pfands sei, von der sich wiederum die Nichtverhängung einer Geldbuße nicht trennen lasse, hat das Gericht den angefochtenen Beschluss in vollem Umfang für nichtig erklärt(39 ).
C. Rechtsmittelverfahren
17. Am 18. August 2021 haben die Kommission und IGG gegen das Urteil des Gerichts in den Rechtssachen C‑508/21 P und C‑509/21 P Rechtsmittel eingelegt. IGG ist in der Folge dem Rechtsmittel der Kommission in der Rechtssache C‑508/21 P als Streithelferin zu deren Unterstützung beigetreten. Dansk Erhverv ist im Rechtsmittelverfahren Rechtsmittelgegner und beantragt, beide Rechtsmittel zurückzuweisen. Der Gerichtshof hat die Rechtssachen C‑508/21 P und C‑509/21 P zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2022 haben die Parteien mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.
III. Würdigung
18. Ich werde die Rechtsmittelgründe in der folgenden Reihenfolge prüfen: erstens die angeblich unzureichende und widersprüchliche Begründung des angefochtenen Urteils, zweitens den Rechtsfehler, den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären, drittens die rechtsfehlerhafte Feststellung, dass für die Kommission bei der Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen durch die Landesbehörden ernsthafte Schwierigkeiten bestanden hätten.
A. Begründung des angefochtenen Urteils
1. Vorbringen der Parteien
19. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission, unterstützt von IGG, geltend, das angefochtene Urteil sei unzureichend und widersprüchlich begründet, da es den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt habe, und zwar aufgrund der Feststellung, dass für die Kommission bei der Beurteilung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe in Form der Nichtverhängung von Geldbußen durch die Landesbehörden erhebliche Schwierigkeiten bestanden hätten. Das Gericht habe nicht dargelegt, warum es die drei Maßnahmen, aus denen sich der streitige Beschluss zusammensetze, für untrennbar miteinander verbunden halte, und insbesondere nicht, inwiefern die in Bezug auf die dritte Maßnahme festgestellten Fehler die Gültigkeit der Beurteilung der ersten und der zweiten Maßnahme durch die Kommission beeinträchtigten.
20. Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund macht IGG geltend, dass das angefochtene Urteil in sich selbst widersprüchlich sei, da es den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erkläre, obwohl es gleichzeitig zu dem Schluss gekommen sei, dass die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag keine Verwendung staatlicher Mittel beinhalte.
21. Dansk Erhverv vertritt die Ansicht, dass der Gerichtshof den Rechtsmittelgrund betreffend die Begründung zurückweisen müsse, da aus Rn. 238 des angefochtenen Urteils hervorgehe, warum das Gericht die drei in dem streitigen Beschluss geprüften Maßnahmen als untrennbar miteinander verbunden angesehen habe.
2. Würdigung
22. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Begründungspflicht für den Erlass einer Maßnahme ein wesentliches Formerfordernis, das von der materiellen Rechtmäßigkeit dieser Begründung zu unterscheiden ist(40 ).
23. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Begründung eines Urteils des Gerichts klar und eindeutig sein, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann(41 ). Das Vorliegen von Widersprüchen oder Unzulänglichkeiten in der Begründung eines Urteils des Gerichts ist eine Rechtsfrage, die mit einem Rechtsmittel überprüft werden kann(42 ).
24. Während in Rn. 237 des angefochtenen Urteils der dritte Teil des einzigen Klagegrundes wegen der ernsthaften Schwierigkeiten, denen sich die Kommission bei der Prüfung der Frage der Nichtverhängung von Geldbußen gegenübergesehen habe, bejaht wird, werden in der anschließenden Randnummer die Folgen dieser Feststellung für den streitigen Beschluss behandelt. Dies erfolgt mit den Worten: „Da die Nichterhebung der Mehrwertsteuer eine immanente Folge der Nichterhebung des Pfands ist, von der sich wiederum die Nichtverhängung einer Geldbuße gegen die Unternehmen, die das Pfand nicht erheben, nicht trennen lässt, ist der [streitige] Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären …“
25. Aus Rn. 238 des angefochtenen Urteils ergibt sich somit die Auffassung des Gerichts, dass die drei Maßnahmen untrennbar miteinander verbunden seien, so dass das Durchgreifen des dritten Teils des einzigen Klagegrundes zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses insgesamt führe. In dieser Randnummer wird zwar nicht ausdrücklich festgestellt, dass die drei von der Kommission genannten Maßnahmen untrennbar miteinander verbunden seien, aber diese Schlussfolgerung lässt sich aus der dort angeführten Rechtsprechung ableiten(43 ). Diese Feststellung ist auch eine Voraussetzung für die Entscheidung, den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären.
26. Die Kommission, unterstützt von IGG, macht geltend, dass das Urteil keine Begründung dafür enthalte, wie das Gericht zu diesem Ergebnis gekommen sei.
27. Um festzustellen, ob diese Rüge begründet ist, sind die in den Nrn. 5 bis 9 der vorliegenden Schlussanträge genannten Bestandteile des streitigen Beschlusses zu prüfen. Sowohl aus seinem Inhalt als auch aus seiner Struktur geht hervor, dass die Kommission das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe in Bezug auf drei getrennte und unterschiedliche Maßnahmen geprüft und darüber befunden hat. Das angefochtene Urteil enthält keine Erklärung dafür, ob sich die Feststellung, dass eine dieser drei Maßnahmen als staatliche Beihilfe angesehen werden könnte, auf das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe bei einer der beiden anderen Maßnahmen derart auswirken kann, dass die Nichtigerklärung des Beschlusses in seiner Gesamtheit gerechtfertigt wäre. Ferner sei darauf hingewiesen, dass die Art und der Umfang des Rechtsmittels der Kommission in der Rechtssache C‑508/21 P überzeugend zeigen, dass die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses in seiner Gesamtheit – und nicht nur des vom Gericht für rechtswidrig erklärten Teils – praktische Auswirkungen auf die Art und Weise hat, in der dieses Organ seine Befugnisse nach Art. 108 Abs. 3 AEUV gegebenenfalls ausüben müsste.
28. Es gibt zwei weitere Anhaltspunkte für erhebliche Widersprüche im Ansatz des Gerichts. Erstens wird in den Rn. 74 und 75 des angefochtenen Urteils der erste Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem gerügt wird, dass die Kommission die in der Nichterhebung des Pfands bestehende Maßnahme nicht ausreichend geprüft habe, als ins Leere gehend zurückgewiesen. Zweitens wird in den Rn. 89 bis 105 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass „die Kommission zu Recht … zu dem Schluss gelangt ist, dass das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme staatlicher Mittel hinsichtlich der Nichterhebung der auf das Pfand entfallenden Mehrwertsteuer nicht erfüllt ist“, und infolgedessen der zweite Teil des einzigen Klagegrundes zurückgewiesen. Im Urteil wird nicht erläutert, wie diese Feststellung mit der Nichtigerklärung der ersten und der zweiten Maßnahme in Verbindung mit der dritten Maßnahme in Einklang gebracht werden kann. Mangels klarer gegenteiliger Begründung stehen diese Feststellungen offenbar im Widerspruch zu der Schlussfolgerung, die das Gericht in Rn. 238 seines Urteils gezogen hat.
29. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, sowohl dem zweiten Rechtsmittelgrund der Kommission, der von IGG unterstützt wird, als auch dem ersten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes von IGG, wonach das angefochtene Urteil eine unzureichende und widersprüchliche Begründung enthält, stattzugeben und es auf dieser Grundlage aufzuheben.
B. Rechtsfehler bei der Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses in seiner Gesamtheit
1. Vorbringen der Parteien
30. Mit dem ersten und dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt habe, obwohl es nur den Klagegrund hinsichtlich der Nichtverhängung von Geldbußen für begründet erachtet habe. Die Kommission macht geltend, dass die drei in dem streitigen Beschluss geprüften Maßnahmen als voneinander getrennt anzusehen seien. Die drei Maßnahmen beinhalteten die Anwendung unterschiedlicher rechtlicher Regelungen und beträfen unterschiedliche Akteure. In dem streitigen Beschluss würden die Maßnahmen in drei getrennten Abschnitten als eigenständig und unabhängig voneinander geprüft. Die vom Gericht in Bezug auf die dritte Maßnahme festgestellten Fehler könnten sich daher nicht auf die Feststellung der Kommission auswirken, dass die erste und die zweite Maßnahme gültig seien. Die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses müsse sich daher auf die Feststellung beschränken, dass sich die Kommission bei der Beurteilung der Nichtverhängung von Geldbußen ernsthaften Schwierigkeiten gegenübergesehen habe. Mit dem zweiten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes macht IGG in gleicher Weise geltend, dass das angefochtene Urteil, indem es den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt habe, zu Unrecht das Konzept der Trennbarkeit nicht angewendet habe.
31. Dansk Erhverv beantragt die Zurückweisung dieser Rechtsmittelgründe aus drei Gründen. Erstens sei die Trennbarkeit des streitigen Beschlusses davon abhängig, dass zwischen den drei geprüften Maßnahmen ein untrennbarer Zusammenhang bestehe, und nicht von der Struktur des streitigen Beschlusses. Im 71. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses werde deutlich, dass die Auslegung der Verpackungsverordnung durch die Landesbehörden einen gemeinsamen Bezugsrahmen für diese Maßnahmen enthalte. Bei den drei Maßnahmen würden keine unterschiedlichen rechtlichen Regelungen angewendet oder unterschiedliche Akteure einbezogen. Die Pflicht zur Erhebung des Pfands, die Erhebung der Mehrwertsteuer darauf und die Verhängung von Geldbußen bei Verstößen gegen diese Pflichten könnten nur von den zuständigen deutschen Behörden durchgesetzt werden. Zweitens erfordere die Trennbarkeit des streitigen Beschlusses nicht die Feststellung, dass jedes einzelne Element einer mutmaßlichen Beihilfemaßnahme, wenn man sie unabhängig voneinander betrachte, eine staatliche Beihilfe enthalte. Drittens ergebe sich aus den Rn. 96 und 132 des angefochtenen Urteils, dass die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag und die Nichtverhängung von Geldbußen eine Folge der Nichterhebung des Pfands seien.
2. Würdigung
32. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs führt die Stattgabe eines Klagegrundes nicht automatisch zur Nichtigerklärung des gesamten angefochtenen Rechtsakts; die Nichtigerklärung eines Rechtsakts in seiner Gesamtheit ist nicht möglich, wenn ein erfolgreicher Klagegrund, der sich auf einen bestimmten Teil des angefochtenen Rechtsakts bezieht, nur dessen teilweise Nichtigerklärung rechtfertigt(44 ). Eine solche teilweise Nichtigerklärung ist möglich, soweit sich die Teile, die Gegenstand der Nichtigerklärung sind, vom Rest der angefochtenen Maßnahme trennen lassen. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass dessen Wesensgehalt verändert würde, was anhand objektiver Kriterien und nicht anhand der subjektiven Absicht der Behörde, die ihn erlassen hat, zu beurteilen ist(45 ).
33. Rn. 238 des angefochtenen Urteils impliziert, dass die drei Maßnahmen untrennbar miteinander verbunden seien. Wie aus den Nrn. 5 bis 9 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, wurden in dem streitigen Beschluss drei Maßnahmen in drei getrennten Abschnitten geprüft, und es wurde festgestellt, dass jede dieser Maßnahmen aus unterschiedlichen Gründen keine staatliche Beihilfe darstelle. Auch wenn das Bestehen einer Verpflichtung der Grenzhändler zur Erhebung des Pfands für die Beurteilung der drei Maßnahmen im Hinblick auf die Beihilfevorschriften von Bedeutung ist, folgt daraus nicht, dass jede dieser Maßnahmen automatisch die Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt(46 ). Bei der ersten Maßnahme handelt es sich um private Vereinbarungen zwischen privaten Unternehmen, bei denen keine staatlichen Mittel eingesetzt werden, was von den Parteien nicht bestritten wird. Die zweite betrifft die Rechtsfolge, wenn von den Verbrauchern beim Kauf von Getränkeverpackungen kein Pfand erhoben wird. Bei der dritten handelt es sich um die Ausübung ordnungspolizeilicher Befugnisse durch eine Behörde in Bezug auf die Verhängung von Geldbußen gegen Personen für ein Verhalten, das deren Ansicht nach keinen Gesetzesverstoß darstellt, und zwar unter Umständen, bei denen die Auslegung dieses Gesetzes ungewiss war. Entgegen dem Vorbringen von Dansk Erhverv führt eine objektive Betrachtung der Art und des Inhalts der drei im streitigen Beschluss untersuchten Maßnahmen zu dem Ergebnis, dass jede von ihnen einen eigenen Charakter und unterschiedliche Folgen hatte. Unter diesen Umständen würde eine teilweise Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses nichts am Wesensgehalt jeder der drei in ihm enthaltenen Feststellungen ändern.
34. Die Schlussfolgerung, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es den streitigen Beschluss insgesamt für nichtig erklärt hat, wird durch zwei weitere Feststellungen gestützt, die sich auf die erste und die zweite Maßnahme beziehen. Erstens richtete sich, wie die Kommission geltend macht, keiner der drei Teile des einzigen Klagegrundes von Dansk Erhverv gegen die Feststellung, dass es sich bei der ersten Maßnahme nicht um einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstelle. Zweitens wird in den Rn. 96 und 97 des angefochtenen Urteils der zweite Teil des einzigen Klagegrundes von Dansk Erhverv eindeutig zurückgewiesen, da die Kommission gestützt auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Sloman Neptun(47 ) völlig zu Recht zu dem Schluss gekommen sei, dass die zweite Maßnahme nicht darauf abziele, bestimmten Unternehmen einen Vorteil aus staatlichen Mitteln zu verschaffen. Es ist unerfindlich, wie es dazu kommen sollte, dass Rechtsfehler, die das Gericht in seiner Überprüfung in Bezug auf die Bewertung der Nichtverhängung von Geldbußen durch die Kommission festgestellt hat, die Gültigkeit einer dieser Schlussfolgerungen beeinflussen könnten.
35. Das von Dansk Erhverv vorgebrachte Argument, dass es für die Prüfung der Trennbarkeit nicht erforderlich sei, dass jede der untersuchten Maßnahmen für sich genommen eine staatliche Beihilfe darstelle, beruht auf einer unzutreffenden Auslegung der zur Stützung dieser These angeführten Rechtsprechung.
36. Die Rechtssache Kommission/Niederlande und ING Groep(48 ) betraf einen Sachverhalt, in dem die niederländische Regierung bei der Kommission einen Umstrukturierungsplan für ein Kreditinstitut angemeldet hatte, der drei Maßnahmen umfasste: eine Kapitalzuführung, eine Entlastungsmaßnahme für wertgeminderte Aktiva und danach eine Änderung der Rückzahlungsbedingungen für die Kapitalzuführung. Die Kommission hatte die Maßnahmen vorbehaltlich bestimmter Zusagen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt. Nachdem das Gericht festgestellt hatte, dass die Kommission die Änderung der Rückzahlungsbedingungen der Kapitalzuführung, die sie als „zusätzliche Beihilfe“ angesehen hatte, fehlerhaft beurteilt hatte, erklärte es den gesamten verfügenden Teil ihrer Entscheidung für nichtig. Im Rechtsmittelverfahren hat der Gerichtshof entschieden, dass eine teilweise Nichtigerklärung des verfügenden Teils der streitigen Entscheidung deren Wesensgehalt verändern würde, da es unmöglich sei, den genauen Betrag der „zusätzlichen Beihilfe“ festzulegen(49 ). Die „zusätzliche Beihilfe“ war integraler Bestandteil der Prüfung durch die Kommission gewesen, als sie über das für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt erforderliche Maß an Verpflichtungszusagen entschieden hatte(50 ). Hätte es sich bei der „zusätzlichen Beihilfe“ nicht oder in geringerem Umfang um eine staatliche Beihilfe gehandelt, wären möglicherweise weniger Zusagen erforderlich gewesen, um die anderen Maßnahmen als vereinbar anzusehen. Dieser Sachverhalt weist keine Ähnlichkeit mit dem der vorliegenden Rechtssache auf, in der bei einem Erfolg des dritten Teils des einzigen Klagegrundes von Dansk Erhverv die Kommission verpflichtet wäre, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV nur in Bezug auf die dritte Maßnahme zu eröffnen. Das Urteil in der Rechtssache Trapeza Eurobank Ergasias(51 ) vermag das Vorbringen von Dansk Erhverv nicht zu stützen, da es in diesem Urteil nicht um die teilweise Nichtigerklärung einer Maßnahme ging.
37. Letztlich macht Dansk Erhverv geltend, dass ein Zusammenhang zwischen den drei Maßnahmen bestehe, da die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf den Pfandbetrag und die Nichtverhängung von Geldbußen untrennbar mit der Nichterhebung des Pfands verbunden seien. Ich schlage vor, dass der Gerichtshof dieses Argument aus den in Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen zurückweist.
38. Ich schlage daher vor, dass der Gerichtshof sowohl dem ersten und dem dritten Rechtsmittelgrund der Kommission als auch dem zweiten Teil des sechsten Rechtsmittelgrundes von IGG stattgibt. Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben, weil das Gericht das Konzept der Trennbarkeit rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet hat, indem es den streitigen Beschluss in seiner Gesamtheit für nichtig erklärt hat.
C. Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten bei der Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen
39. In ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑509/21 P macht IGG fünf Gründe dafür geltend, dass das Gericht mehrere Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten begangen habe, denen sich die Kommission bei der Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen durch die Landesbehörden gegenübergesehen habe.
40. Diese fünf Rechtsmittelgründe sind im Licht der Verpflichtungen zu beurteilen, die der Kommission obliegen, wenn sie auf ein Vorprüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV zurückgreift. Das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV kommt immer dann zur Anwendung, wenn die Kommission ernsthafte Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt. Die Kommission kann sich nur dann auf das Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV beschränken, wenn sie sich nach einer vorläufigen Prüfung vergewissern kann, dass keine Beihilfe vorliegt oder dass eine solche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Führt diese vorläufige Prüfung die Kommission zu einem gegenteiligen Ergebnis oder ermöglicht sie es ihr nicht, alle Schwierigkeiten bei der Feststellung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt auszuräumen, ist sie verpflichtet, die Stellungnahmen der Beteiligten einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten(52 ). Die Kommission ist verpflichtet, das Verfahren zur Prüfung der fraglichen Maßnahmen sorgfältig und unparteiisch durchzuführen, damit sie bei ihrer endgültigen Entscheidung über das Vorliegen einer Beihilfe bzw. deren Unvereinbarkeit oder Rechtswidrigkeit über möglichst vollständige und zuverlässige Informationen verfügt(53 ). Die Kommission kann zwar bei der Prüfung des Vorliegens und der Rechtmäßigkeit einer staatlichen Beihilfe über die Prüfung der ihr zur Kenntnis gebrachten tatsächlichen und rechtlichen Elemente hinausgehen, es obliegt ihr jedoch nicht, von sich aus und ohne entsprechende Anhaltspunkte alle Informationen zusammenzutragen, die einen Bezug zu dem Fall aufweisen könnten, mit dem sie befasst ist(54 ).
41. Bei einer Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV müssen die Unionsgerichte prüfen, ob die Bewertung der Informationen und Beweise, über die die Kommission während der Vorprüfung verfügte, objektive Zweifel an der Einstufung einer Maßnahme hätte aufkommen lassen müssen, da das Vorliegen solcher Schwierigkeiten die Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV ist(55 ). Da das Kriterium der ernsthaften Schwierigkeiten seinem Wesen nach objektiv ist, ist die Frage, ob solche Schwierigkeiten vorgelegen haben, anhand der Umstände zu prüfen, unter denen die Kommission den Beschluss am Ende der Vorprüfungsphase erlassen hat, und der Bewertungen, auf die sie sich dabei gestützt hat(56 ).
1. Rechtsfehler in Bezug auf die Nichtverhängung von Geldbußen in Fällen, in denen Schwierigkeiten bei der Rechtsauslegung bestehen
a) Vorbringen der Parteien
42. Mit ihrem ersten, ihrem zweiten und ihrem dritten Rechtsmittelgrund, die zusammen geprüft werden können, macht IGG geltend, das Gericht habe den Inhalt des streitigen Beschlusses verfälscht und bei der Prüfung der Nichtverhängung von Geldbußen gegen die Grenzhändler durch die Landesbehörden einen Rechtsfehler begangen. Das Gericht habe bei seiner Beurteilung nicht beachtet, dass ein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Vorteil und dem Staatshaushalt bestehen müsse. Die Verhängung von Geldbußen sei zudem unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen. Erstens hätten die Landesbehörden die Auffassung vertreten, dass die Grenzhändler rechtlich nicht verpflichtet seien, das Pfand zu erheben. Zweitens hätten, wenn diese Verpflichtung bestanden hätte, etwaige Sanktionen wegen ihrer Verletzung nur verhängt werden können, wenn die Beteiligten sie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hätten, wie in den Rn. 140 bis 142 des angefochtenen Urteils festgestellt worden sei.
43. Das Gericht habe zwar eingeräumt, dass es grundsätzlich angemessen sei, dass die Kommission ein neues rechtliches Kriterium heranziehe, um festzustellen, ob in Fällen, in denen Schwierigkeiten bei der Auslegung des Gesetzes bestünden, ein Vorteil aus staatlichen Mitteln gewährt werde, doch sei es zu Unrecht davon ausgegangen, dass dieses Kriterium nicht anwendbar sei, da sich die Landesbehörden nicht auf solche Schwierigkeiten berufen hätten. Das Gericht habe auch rechtsfehlerhaft angenommen, dass solche Schwierigkeiten die Nichtverhängung von Geldbußen nur für einen begrenzten Zeitraum rechtfertigen könnten, in dem die Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschriften zu klären sei. Das Gericht habe einen weiteren Rechtsfehler begangen, da es von der Kommission verlangt habe, das Bestehen einer Verpflichtung zur Erhebung des Pfands nach deutschem Recht umfassend zu prüfen, was einem Eingriff in die Befugnisse der nationalen Behörden und Gerichte gleichkomme.
44. Dansk Erhverv macht geltend, dass der erste, der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund von IGG zurückzuweisen seien. Soweit IGG den Inhalt der deutschen Rechtsvorschriften beanstande, sei ihre Rechtsmittelbegründung unzulässig. Diese Frage falle nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs, es sei denn, IGG könne nachweisen, dass das angefochtene Urteil das geltende deutsche Recht verfälsche.
45. Das Gericht habe, so Dansk Erhverv, zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Verhängung von Geldbußen wahrscheinlich sei, wenn sich ein Unternehmen beharrlich weigere, das Pfand zu erheben. Es habe auch zu Recht die Möglichkeit abgelehnt, dass die Kommission sich auf berechtigte Schwierigkeiten der nationalen Behörden bei der Gesetzesauslegung in Fällen berufen könne, in denen diese selbst solche Schwierigkeiten nicht geltend gemacht hätten. Jedenfalls könnten sich diese Behörden nicht unbegrenzt auf Schwierigkeiten dieser Art berufen. Im vorliegenden Fall hätten die deutschen Behörden nichts unternommen, um die Rechtslage zu klären. Das angefochtene Urteil habe der Kommission keinen übermäßig hohen Prüfungsaufwand abverlangt.
46. Dansk Erhverv beantragt außerdem, die in den Rn. 135 bis 138 des angefochtenen Urteils angeführte Begründung dahin zu ersetzen, dass die Einführung eines neuen Kriteriums durch die Kommission selbst ein Beleg dafür sei, dass sie sich bei der Beurteilung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe im Rahmen ihrer Vorprüfung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV ernsthaften Schwierigkeiten gegenübergesehen habe.
b) Würdigung
47. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Befreiung von der Verpflichtung zur Zahlung fälliger Geldbußen einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellen(57 ). Es besteht auch Einigkeit darüber, dass in einem Rechtssystem niemand dem Risiko von Sanktionen für ein als rechtmäßig geltendes Verhalten ausgesetzt sein darf(58 ).
48. Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren stellt sich die Frage, ob die Grenzhändler rechtlich verpflichtet waren, das Pfand zu erheben, und, wenn ja, ob die Nichterhebung des Pfands zur Verhängung von Geldbußen durch die zuständigen Behörden hätte führen müssen. Wäre das Bestehen einer solchen rechtlichen Verpflichtung eindeutig festgestellt worden, wäre das angefochtene Urteil hinsichtlich der Feststellung, dass die Kommission ihren Verpflichtungen im Rahmen des Verfahrens nach Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht nachgekommen sei, nicht zu beanstanden.
49. Vorab weise ich darauf hin, dass in Rn. 172 des angefochtenen Urteils festgestellt wird: „Zum Unionsrecht führt die Kommission im [streitigen] Beschluss (67[. Erwägungsgrund]) aus, dass die Richtlinie 94/62 keine Ausnahme von der Pfanderhebungspflicht für die Grenzhändler vorsehe.“ Der streitige Beschluss kam tatsächlich zu dem Ergebnis, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 einen Mitgliedstaat nicht dazu verpflichte, von den Käufern von Einwegverpackungen im Einzelhandel die Erhebung eines Pfands für den Verzehr von Getränken außerhalb seines Hoheitsgebiets zu verlangen, was die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat(59 ).
50. Ich halte die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 im streitigen Beschluss für zutreffend. Nach dieser Bestimmung ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für die Rückgabe und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher. Diese Systeme gelten auch für Importprodukte, die keine Benachteiligung erfahren dürfen, und sie müssen so beschaffen sein, dass keine Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen entstehen. In Beantwortung von Fragen des Gerichtshofs hat die Kommission die Ansicht geäußert, dass, wenn Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat Getränkeverpackungen in einem anderen Mitgliedstaat kaufen, um den Inhalt in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat zu verzehren, die leeren Verpackungen in letzterem Mitgliedstaat als Abfall gelten(60 ). Auf diese Weise bringt Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 die Erfordernisse des Umweltschutzes mit denjenigen des freien Warenverkehrs in Einklang.
51. Nach dieser Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 sind die nationalen Behörden unter Umständen wie denen, die den Hintergrund des vorliegenden Rechtsmittels bilden, nicht verpflichtet, die Erhebung eines Pfandbetrags zu verlangen. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass ein Pfandsystem die mit der Richtlinie 94/62 verfolgten Ziele nur dann erreichen kann, wenn die Verbraucher, die ein Pfand bezahlt haben, dieses problemlos zurückerhalten können, ohne sich an den Ort des ursprünglichen Einkaufs zurückbegeben zu müssen(61 ). So gesehen ist der Verkauf der Grenzhändler von Getränken in Dosen an Verbraucher, die eine Ausfuhranmeldung unterzeichnen, mit dem Verkauf von Waren an Händler zur Ausfuhr vergleichbar, für die der Verkäufer nicht verpflichtet ist, ein Pfand zu erheben.
52. In den Erwägungsgründen 50 bis 53 des streitigen Beschlusses wird ausgeführt, dass die Landesbehörden die Grenzhändler nicht von der Verhängung von Geldbußen befreit hätten, da sie der Auffassung gewesen seien, dass sie aufgrund der Verpackungsverordnung nicht zur Erhebung des Pfands verpflichtet gewesen seien, und dass sie daher keine Rechtsverletzung begangen hätten. Das Ziel der Verpackungsverordnung, die effektive Sammlung von Verpackungsabfällen in Deutschland zu fördern, erfordere nicht die Erhebung eines Pfands auf Verpackungen, deren Inhalt zum Verbrauch außerhalb Deutschlands erworben würde. Wie in Nr. 51 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, befanden sich die Grenzhändler in einer ähnlichen Situation wie Exporteure von Dosengetränken, die zur Erhebung eines Pfands nicht verpflichtet wären.
53. Im streitigen Beschluss wurde zwar die Auffassung vertreten, dass die Auslegung der anwendbaren Vorschriften durch die Landesbehörden aus den in Nr. 8 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen sowohl nach Unionsrecht als auch nach deutschem Recht vertretbar sei, es wurde jedoch auch berücksichtigt, dass die Bundesbehörden dieser Auslegung entgegengetreten waren. In diesem Zusammenhang wurde im streitigen Beschluss geprüft, ob die dritte Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellen würde, falls sich die Auslegung der Landesbehörden als unzutreffend herausstellen sollte. In den Erwägungsgründen 56 bis 60 des streitigen Beschlusses wird darauf hingewiesen, dass es zwei gegensätzliche Rechtsauffassungen über die Verpflichtung zur Erhebung eines Pfands gibt. Im 61. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es, dass die geltende Rechtsprechung die Auffassung der Landesbehörden stützt. Im 62. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wird festgestellt, dass die Bundesbehörden nicht ein Verfahren genutzt hätten, das es dem Bundesrat ermöglicht hätte, über die Auslegung des nationalen Rechts bei Streitigkeiten zwischen Bundes- und Landesbehörden zu entscheiden.
54. Nach diesen Überlegungen wird in den Erwägungsgründen 69 und 70 des streitigen Beschlusses der Schluss gezogen, dass, selbst wenn die Grenzhändler nach deutschem Recht verpflichtet wären, das Pfand zu erheben, die Nichtverhängung von Geldbußen aus vier Gründen keinen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellen würde. Erstens bestünden ernsthafte und begründete Zweifel an der Auslegung der Verpackungsverordnung. Zweitens gebe es keine Klärung dieser Auslegung durch Verfahren vor den nationalen Gerichten oder anderer hierfür vorgesehener Verfahren. Drittens hätten die Landesbehörden ihre Auslegung auf alle Marktteilnehmer angewendet, die sich in einer ähnlichen Situation befunden hätten. Viertens habe die Auslegung der Verpackungsverordnung durch die Landesbehörden nicht gegen die Richtlinie 94/62 verstoßen.
55. Lässt man die Fragen beiseite, ob das angefochtene Urteil das Verhalten der Landesbehörden zu Recht als Gewährung einer „Ausnahme“ ohne konkrete Rechtsgrundlage qualifiziert(62 ) und ob diese Auslegung, wie IGG geltend macht, unzutreffend ist(63 ), wird in den Rn. 135 bis 138 des Urteils anerkannt, dass die anwendbare nationale Rechtslage jedenfalls ungewiss war. Das Gericht räumte somit ein, dass der streitige Beschluss das Vorliegen von Schwierigkeiten bei der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zur Feststellung, ob die Nichtverhängung von Geldbußen gegen die Grenzhändler eine staatliche Beihilfe darstellte, berücksichtigen konnte.
56. In den Rn. 140 und 141 des angefochtenen Urteils wird darauf hingewiesen, dass der Grundsatz, dass Straftatbestände und Strafen eine ordnungsgemäße Rechtsgrundlage haben müssen, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ist, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und der erfordert, dass Straftatbestände und die für sie geltenden Strafen klar definiert sind. In Rn. 147 des angefochtenen Urteils wird festgestellt, dass nach dem Urteil AC‑Treuhand(64 ) dieser Grundsatz der schrittweisen, fallweisen Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Wege der richterlichen Auslegung nicht entgegensteht, sofern die Auslegung dieser Vorschrift zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat hinreichend vorhersehbar war. In den Rn. 146 und 148 des angefochtenen Urteils fügt das Gericht jedoch hinzu, dass solche Schwierigkeiten geltend gemacht werden können, um das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe zu bejahen, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind: dass die Auslegungsschwierigkeiten temporärer Natur sind und dass sie Teil eines Prozesses sind, der zu einer schrittweisen Klärung des Rechts führt. Das angefochtene Urteil kommt in den Rn. 149 bis 156 zu dem Ergebnis, dass der streitige Beschluss diese beiden Voraussetzungen nicht erfülle.
57. Meines Erachtens verletzen die Feststellungen in den Rn. 146 bis 156 des angefochtenen Urteils den Grundsatz, dass das Gesetz den Rechtsverstoß und die Sanktion klar definieren muss(65 ). Dass Sanktionen eine angemessene Rechtsgrundlage haben müssen, ergibt sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der u. a. verlangt, dass jede Rechtsvorschrift, insbesondere diejenige, die zur Verhängung von Sanktionen ermächtigt, klar und bestimmt sein muss, damit die Betroffenen die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten unmissverständlich erkennen und ihre Angelegenheiten entsprechend regeln können(66 ). In seinem Urteil in der Rechtssache AC‑Treuhand(67 ) hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass der Grundsatz, dass Straftatbestände und Sanktionen gesetzlich festgelegt werden müssen, einer schrittweisen Klärung dieser Vorschriften durch die Auslegung der Gerichte nicht entgegensteht. Man kann sich also nicht auf einen angeblichen Mangel an Klarheit von Vorschriften berufen, wenn deren Bedeutung im Rahmen späterer Verfahren geklärt worden war. Daraus lässt sich aber nicht wie im angefochtenen Urteil ableiten, dass stets ein Prozess der schrittweisen Klärung erfolgt sein muss. Solange die Bedeutung von Vorschriften nicht durch Einleitung der betreffenden Verfahren geklärt ist, können Rechtsunterworfene die Verhängung einer Sanktion wegen derartiger Unbestimmtheit ablehnen. Alles andere würde den Grundsatz untergraben, dass Rechtsverstöße und Sanktionen auf einer klaren Grundlage beruhen und genau bestimmt sein müssen.
58. Im Übrigen stützt die vom Gericht angeführte Rechtsprechung nicht die Annahme, dass etwaige Auslegungsschwierigkeiten temporärer Natur sein müssen und dass sich die Betroffenen nur während eines begrenzten Zeitraums auf eine Situation der Rechtsunsicherheit berufen können. In Rn. 149 des angefochtenen Urteils wird von einer Situation der Rechtsunsicherheit zwischen 2005 und 2018 gesprochen. Meines Erachtens bedeutet die implizierte Rechtmäßigkeit einer bestimmten Verhaltensweise (indem sie nicht mit Geldbußen geahndet wurde) und die Ungewissheit über ihre Rechtmäßigkeit während eines so langen Zeitraums eher eine Stärkung als eine Schwächung der Rechtfertigung, keine Sanktionen zu verhängen.
59. Anders als in den Rn. 151 und 152 des angefochtenen Urteils festgestellt, kann das Zögern der Bundesbehörden, den Bundesrat mit der Klärung des anwendbaren Rechts zu befassen, die Betroffenen nicht daran hindern, sich auf Umstände der Rechtsunsicherheit zu berufen, um die Verhängung etwaiger Sanktionen gegen sie anzufechten. Das Zögern der Behörden, dieses Verfahren in Gang zu setzen, kann nicht den Betroffenen nachteilig angelastet werden, da sie keinen Zugang zu diesem Verfahren haben.
60. Die in den Rn. 144 und 145 des angefochtenen Urteils angeführten Gründe sind nicht geeignet, die darin getroffenen Feststellungen zu stützen. Zwar kann man sich nicht darauf berufen, dass die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften unklar sind, doch enthält die Richtlinie 94/62 für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung, von Grenzhändlern die Erhebung eines Pfands zu verlangen, wie in den Nrn. 49 bis 51 der vorliegenden Schlussanträge erläutert wird.
61. Entgegen den Feststellungen in den Rn. 160 bis 163 des angefochtenen Urteils war es der Kommission nicht verwehrt, das Vorhandensein begründeter Schwierigkeiten bei der Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts im Rahmen ihrer Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob die Nichtverhängung von Geldbußen eine staatliche Beihilfe darstellt. Dabei ist es unerheblich, ob die Landesbehörden von der Verhängung von Geldbußen abgesehen haben, weil sie sich auf das Vorliegen solcher Schwierigkeiten berufen haben oder weil sie der Auffassung waren, dass kein Gesetzesverstoß vorliege. Selbst wenn sich im Nachhinein herausgestellt hätte, dass das deutsche Recht die Erhebung eines Pfands verlangt, stellen die begründeten Schwierigkeiten, auf die die Landesbehörden bei der Feststellung des Bestehens dieser Verpflichtung gestoßen sind, die materielle Rechtfertigung für die Nichtverhängung von Geldbußen gegen die Grenzhändler dar. Wie IGG geltend gemacht hat, sind die vorgenannten Feststellungen des angefochtenen Urteils ebenfalls rechtsfehlerhaft.
62. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es gemäß den Grundsätzen der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV, der Übertragung von Zuständigkeiten und des institutionellen Gleichgewichts gemäß Art. 13 Abs. 2 EUV in erster Linie Sache der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist, die Bedeutung ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch die von ihnen vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren zu klären. Die Kommission kann zwar verpflichtet sein, das nationale Recht u. a. im Zusammenhang mit der Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe und ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt auszulegen und diese Auslegung in Verfahren vor den Unionsgerichten zu verteidigen(68 ), doch ist sie nicht in jedem Fall, in dem sie das Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV anwendet, rechtlich verpflichtet, diese Aufgabe zu übernehmen. Aus denselben Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, den Antrag von Dansk Erhverv auf Ersetzung der Rn. 135 bis 138 des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.
63. In Anbetracht der in den Nrn. 40 und 41 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung und der vorstehenden Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es in Rn. 157 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der streitige Beschluss eine unzureichende und unvollständige Prüfung der Nichtfestsetzung von Geldbußen gegenüber den Grenzhändlern enthalte.
64. Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, den ersten, den zweiten und den dritten Rechtsmittelgrund von IGG für begründet zu erklären und das angefochtene Urteil auf dieser Grundlage aufzuheben.
65. Sollte der Gerichtshof diesem Vorschlag zustimmen, bedarf es keiner Prüfung des vierten und des fünften Rechtsmittelgrundes von IGG. Für den Fall, dass der Gerichtshof meinem Vorschlag nicht folgt, prüfe ich diese beiden Rechtsmittelgründe.
2. Rechtsfehler in Bezug auf zusätzliche Erwägungen, die das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten für die Kommission belegen
a) Vorbringen der Parteien
66. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund von IGG wird geltend gemacht, das Gericht habe bei seiner Prüfung der zusätzlichen Argumente von Dansk Erhverv zur Begründung der Feststellung, dass die Kommission in Bezug auf die Frage, ob die Nichtverhängung von Geldbußen einen Vorteil aus staatlichen Mitteln darstelle, ernsthafte Schwierigkeiten gehabt habe, einen Rechtsfehler begangen.
67. Das Gericht habe zunächst die im streitigen Beschluss getroffenen Feststellungen verfälscht, indem es befunden habe, dass die Landesbehörden die Grenzhändler ohne Rechtsgrundlage von den Geldbußen befreit hätten. In dem streitigen Beschluss sei stattdessen festgestellt worden, dass die Grenzhändler nicht verpflichtet gewesen seien, das Pfand zu erheben, so dass es für die Landesbehörden keinen Grund gegeben habe, Geldbußen zu verhängen.
68. Zweitens verfälsche das angefochtene Urteil den Inhalt des streitigen Beschlusses und wende den Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten falsch an, da die Kommission hinreichend dargelegt habe, warum die unterschiedliche Auslegung durch die Bundes- und die Landesbehörden nicht zur Eröffnung des förmlichen Prüfungsverfahrens führe.
69. Drittens sei im angefochtenen Urteil nicht festgestellt worden, dass die Ausnahme von der Pfanderhebungspflicht in allen deutschen Grenzgebieten einheitlich angewendet worden sei. Damit habe das Gericht den streitigen Beschluss verfälscht und den Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten falsch angewendet, da die betreffenden Grenzhändler allesamt in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ansässig seien.
70. Viertens habe das angefochtene Urteil die Beweise verfälscht, indem es sich selektiv auf den Wortlaut eines Entwurfs zur Änderung der Verpackungsverordnung aus dem Jahr 2004 gestützt habe, in dem erklärt worden sei, dass sie darauf abziele, die Ziele der Richtlinie 94/62 zu fördern und den Grenzhändlern die Verpflichtung aufzuerlegen, sich an Pfandsystemen anderer Mitgliedstaaten zu beteiligen.
71. Fünftens habe das Gericht den Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten unzutreffend angewendet, indem es von der Kommission verlangt habe, den nationalen rechtlichen Rahmen für die Pflicht zur Erhebung eines Pfands erschöpfend zu untersuchen.
72. Sechstens habe das Gericht den streitigen Beschluss verfälscht, indem es die für die Erhebung des Pfands gezogene Analogie zwischen den für die Ausfuhr bestimmten Waren und den für den Verzehr im Ausland erworbenen Getränken in Einwegverpackungen zurückgewiesen habe.
73. Dansk Erhverv beantragt die Zurückweisung des vierten Rechtsmittelgrundes.
b) Würdigung
74. Die Nrn. 47 bis 64 der vorliegenden Schlussanträge betreffen die im ersten, zweiten, fünften und sechsten Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes aufgeworfenen Fragen. Ich beschränke mich daher auf die beiden Elemente, die den Rest des Rechtsmittelgrundes ausmachen.
75. IGG macht geltend, dass die Rn. 178 bis 182 des angefochtenen Urteils den angefochtenen Beschluss verfälscht hätten, indem darin festgestellt werde, dass die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Auslegung des deutschen Rechts in den betreffenden Grenzgebieten einheitlich angewendet worden sei.
76. Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel ausschließlich auf Rechtsfragen beschränkt. Allein das Gericht ist für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweise, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt(69 ). Die Rüge einer Verfälschung von Beweisen durch das Gericht muss gemäß Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d seiner Verfahrensordnung die Beweise, die verfälscht worden sein sollen, und die Beurteilungsfehler, die zu dieser Verfälschung geführt haben, genau bezeichnen. Eine solche Verfälschung muss aus den Akten des Gerichts ersichtlich sein, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf(70 ).
77. Wie IGG ausführt, wird im elften Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass es in den beiden in Rede stehenden Bundesländern einen Grenzhandel gibt, der auf das Preisgefälle bei Bier und anderen Getränken zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden zurückzuführen ist. Die schriftlichen Ausführungen der Kommission bestätigten diese Tatsache, wie aus Rn. 179 des angefochtenen Urteils hervorgeht. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es in anderen Bundesländern einen ähnlichen Grenzhandel gegeben hat. Die Feststellungen in den Rn. 178 bis 182 des angefochtenen Urteils beruhen somit auf einer Verfälschung sowohl des Inhalts des streitigen Beschlusses als auch der dem Gericht vorgelegten Nachweise.
78. IGG macht außerdem geltend, dass die Rn. 183 bis 190 des angefochtenen Urteils die Beweise verfälschten, indem sie sich selektiv auf den Text eines von den beiden Bundesländern im Jahr 2004 vorgelegten Entwurfs zur Änderung der Verpackungsverordnung stützten.
79. Aus dem Wortlaut dieses Entwurfs geht hervor, dass er mit Erwägungen der Wirtschaft, der Beschäftigung und des Umweltschutzes begründet war und eine Verpflichtung der Grenzhändler zur Teilnahme an Pfandsystemen in anderen Mitgliedstaaten beinhaltete. Daraus folgt, dass das Gericht die ihm vorgelegten Beweise verfälscht hat, indem es übersehen hat, dass der Vorschlag darauf abzielte, den Umweltschutz dadurch zu fördern, dass die Grenzhändler verpflichtet werden, sich an den in anderen Mitgliedstaaten bestehenden Pfandsystemen zu beteiligen.
80. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den vierten Rechtsmittelgrund von IGG für begründet zu erklären.
3. Rechtsfehler in Bezug auf zusätzliche Erwägungen, die das Nichtvorliegen ernsthafter Schwierigkeiten für die Kommission belegen
a) Vorbringen der Parteien
81. Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht IGG geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es zwei Argumente zurückgewiesen habe, die IGG vorgebracht habe, um das Fehlen ernsthafter Schwierigkeiten hinsichtlich des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe zum Zeitpunkt der Prüfung durch die Kommission zu belegen.
82. Erstens heiße es entgegen der Feststellung des Gerichts, dass die zuständigen Behörden im Fall der Nichteinhaltung der Pflicht zur Erhebung des Pfands Geldbußen verhängen „konnten“. Daraus folge, dass diese Behörden befugt, aber nicht verpflichtet gewesen seien, Geldbußen zu verhängen. Das angefochtene Urteil verfälsche somit den Inhalt des streitigen Beschlusses und die dem Gericht vorgelegten Nachweise.
83. Zweitens habe das Gericht zu Unrecht das auf das Urteil Radlberger(71 ) gestützte Vorbringen von IGG zurückgewiesen, wonach die Erhebung des Pfands eine gegen Art. 34 AEUV verstoßende Ausfuhrabgabe dargestellt hätte. In diesem Urteil, das den Übergang von einem Sammelsystem zu einem obligatorischen Pfand- und Rücknahmesystem für die stoffliche Verwertung von Einwegverpackungen in Deutschland betroffen habe, habe der Gerichtshof entschieden, dass ein Mitgliedstaat sicherstellen müsse, dass eine ausreichende Zahl von Rücknahmestellen vorhanden sei, damit die Verbraucher, die ein Pfand entrichtet hätten, dieses zurückerhalten könnten, ohne sich an den Ort des ursprünglichen Einkaufs der Verpackung zurückbegeben zu müssen(72 ).
84. Dansk Erhverv beantragt die Zurückweisung des fünften Rechtsmittelgrundes.
b) Würdigung
85. Im Rahmen des ersten Teils des fünften Rechtsmittelgrundes macht IGG geltend, dass die Landesbehörden bei der Verhängung von Sanktionen über einen Wertungsspielraum verfügten, unabhängig von der Klarheit oder Unklarheit der anzuwendenden Vorschriften.
86. Wie es im 22. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses und in Rn. 4 des angefochtenen Urteils heißt, stellt die Nichterhebung des Pfands unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 der Verpackungsverordnung gemäß deren § 15 Abs. 1 Nr. 14 eine Ordnungswidrigkeit dar. Gemäß § 69 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts vom 24. Februar 2012(73 ) kann eine solche Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 100 000 Euro geahndet werden.
87. Zwar wird in Rn. 136 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Mitgliedstaaten im Bereich der öffentlichen Ordnung über einen Wertungsspielraum in Bezug auf die Verhängung von Geldbußen verfügen, insbesondere auch in dem Fall, dass Schwierigkeiten bei der Auslegung der anwendbaren Rechtsvorschrift bestehen, doch wird in Rn. 223 dieses Urteils zu Recht festgestellt, dass der streitige Beschluss nicht damit begründet wird. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den ersten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes von IGG zurückzuweisen.
88. Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes angeht, so stützt das Urteil Radlberger(74 ) nicht die Auffassung, dass die Erhebung des Pfands unter den hier zu prüfenden Umständen gegen Art. 34 AEUV verstoßen würde, wie IGG geltend macht. Art. 34 AEUV findet keine Anwendung auf Geldbußen, da er nicht für Handelshemmnisse gilt, für die andere Vertragsbestimmungen gelten. Die Art. 28 AEUV, 30 AEUV und 110 AEUV betreffen Hindernisse finanzieller Art oder mit gleicher Wirkung wie Zölle und fallen daher nicht unter das Verbot von Art. 34 AEUV(75 ). Nach ständiger Rechtsprechung stellt jede finanzielle Belastung unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung, die einseitig auf Waren wegen des Überschreitens einer Grenze auferlegt wird und die kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, eine Abgabe gleicher Wirkung im Sinne der Art. 28 AEUV und 30 AEUV dar(76 ). IGG hat sich nicht auf diese Vertragsbestimmungen berufen. Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, den zweiten Teil des fünften Rechtsmittelgrundes der IGG zurückzuweisen.
89. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, den fünften Rechtsmittelgrund der IGG in vollem Umfang zurückzuweisen.
IV. Klage vor dem Gericht
90. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann dieser, wenn die Entscheidung des Gerichts aufgehoben wird, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.
91. In Anbetracht der in den Nrn. 47 bis 64 und 75 bis 80 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Klage im angefochtenen Urteil auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, mit dem die Kommission beschlossen hat, das förmliche Prüfungsverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV nicht zu eröffnen, abzuweisen.
V. Kosten
92. Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit endgültig entscheidet.
93. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
94. Da die Kommission und IGG mit ihren Rechtsmitteln erfolgreich sind, schlage ich vor, Dansk Erhverv neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Rechtsmittelführerinnen sowohl im ersten Rechtszug als auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren aufzuerlegen.
VI. Ergebnis
95. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:
– Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 9. Juni 2021, Dansk Erhverv/Kommission (T‑47/19, EU:T:2021:331), wird aufgehoben;
– die von Dansk Erhverv vor dem Gericht der Europäischen Union erhobene Klage in der Rechtssache T‑47/19 wird abgewiesen;
– Dansk Erhverv trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission und der Interessengemeinschaft der Grenzhändler (IGG) in dem Verfahren vor dem Gericht und dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren.