URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)
26. Juni 2025(* )
„ Rechtsmittel – Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Beschluss, mit dem ein Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Klage eines Dritten – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis “
In der Rechtssache C‑469/23 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. Juli 2023,
eins energie in sachsen GmbH & Co. KG mit Sitz in Chemnitz (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Heymann und Rechtsanwältin I. Zenke,
Rechtsmittelführerin,
andere Parteien des Verfahrens:
Europäische Kommission , vertreten durch G. Meessen und I. Zaloguin als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt T. G. Funke,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
E.ON SE mit Sitz in Essen (Deutschland), zunächst vertreten durch Rechtsanwälte C. Barth, C. Grave, D.‑J. dos Santos Goncalves und R. Seifert, dann durch Rechtsanwälte C. Barth, A. Fuchs, C. Grave und D.‑J. dos Santos Goncalves,
RWE AG mit Sitz in Essen, zunächst vertreten durch Rechtsanwälte U. Scholz und J. Siegmund sowie Rechtsanwältin J. Ziebarth, dann durch Rechtsanwälte U. Scholz und J. Siegmund sowie Rechtsanwältin M. von Armansperg,
Streithelferinnen im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter D. Gratsias, E. Regan, J. Passer (Berichterstatter) und B. Smulders,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die eins energie in sachsen GmbH & Co. KG die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Mai 2023, eins energie in sachsen/Kommission (T‑318/20, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2023:262), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 1711 final der Kommission vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (ABl. 2020, C 111, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) als unzulässig abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 2 bis 11 des angefochtenen Urteils dargestellt worden und lässt sich wie folgt zusammenfassen.
Kontext des Zusammenschlusses
3 Die RWE AG ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette tätig war, u. a. in den Bereichen Stromerzeugung, ‑übertragung und ‑verteilung, im Stromgroß‑ und ‑einzelhandel sowie in energiebezogenen Kundenlösungen. RWE und ihre Tochtergesellschaften, darunter die innogy SE, sind in mehreren Mitgliedstaaten tätig.
4 Die E.ON SE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum genannten Zeitpunkt auf den verschiedenen Stufen der Stromversorgungskette, und zwar der Stromerzeugung und ‑verteilung sowie dem Stromgroß‑ und ‑einzelhandel, tätig war. E.ON besitzt und betreibt Stromerzeugungsanlagen in mehreren Mitgliedstaaten.
5 Die Rechtsmittelführerin ist ein kommunales Unternehmen deutschen Rechts, das sowohl mittels seines Heizkraftwerks Strom aus konventionellen Energiequellen erzeugt als auch über seine Windkraft- und Fotovoltaikanlagen aus erneuerbaren Energiequellen. Die Erzeugungsanlagen der Rechtsmittelführerin befinden sich in Deutschland.
6 Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Zusammenschluss fügt sich in den Rahmen eines komplexen Austauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON ein, der von den beiden beteiligten Unternehmen am 11. und 12. März 2018 angekündigt wurde (im Folgenden: Gesamttransaktion). Dabei möchte RWE mit der ersten Transaktion, dem hier in Rede stehenden Zusammenschluss, die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben. Die zweite Transaktion besteht darin, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Gesellschaft innogy erwirbt. Die dritte Transaktion sieht vor, dass RWE eine Beteiligung in Höhe von 16,67 % an E.ON erwirbt.
7 Die zweite Transaktion (im Folgenden: Zusammenschluss M.8870) wurde am 31. Januar 2019 bei der Europäischen Kommission angemeldet. Die Kommission erließ den Beschluss C(2019) 6530 final vom 17. September 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) (ABl. 2020, C 379, S. 16).
8 Die dritte Transaktion wurde beim Bundeskartellamt (Deutschland) angemeldet, das sie mit Bescheid vom 26. Februar 2019 genehmigte (Sache B8-28/19).
Verwaltungsverfahren
9 Am 22. Januar 2019 ging bei der Kommission die Anmeldung eines beabsichtigten Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein, mit dem RWE im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben wollte.
10 Am 31. Januar 2019 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 die vorherige Anmeldung dieses Zusammenschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (ABl. 2019, C 38, S. 22, im Folgenden: Zusammenschluss M.8871).
11 Im Rahmen ihrer Prüfung des Zusammenschlusses M.8871 führte die Kommission eine Marktbefragung durch und übermittelte daher bestimmten Unternehmen einen Fragebogen; die Rechtsmittelführerin nahm an dieser Befragung jedoch nicht teil.
Streitiger Beschluss
12 Am 26. Februar 2019 erließ die Kommission den streitigen Beschluss, mit dem der Zusammenschluss M.8871 in der Prüfungsphase gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 und Art. 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde.
Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
13 Mit Klageschrift, die am 27. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.
14 Sie stützte ihre Klage auf sechs Klagegründe, und zwar erstens auf eine fehlerhafte Aufspaltung der Analyse der Gesamttransaktion, zweitens auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, drittens auf eine Verletzung des Rechts auf Anhörung, viertens auf eine Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, fünftens auf offensichtliche Beurteilungsfehler und sechstens auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht.
15 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass die Rechtsmittelführerin von dem streitigen Beschluss nicht individuell betroffen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV und folglich nicht klagebefugt sei.
16 Hierzu hat das Gericht in den Rn. 24 bis 31 des angefochtenen Urteils ausgeführt:
„24 … [N]ach ständiger Rechtsprechung [können] Personen, die nicht Adressat eines Beschlusses sind, nur dann geltend machen …, individuell betroffen zu sein, wenn dieser Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten des Beschlusses (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Wird in einem Beschluss die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt, so ist bei der Prüfung, ob ein Drittunternehmen individuell betroffen ist, zum einen darauf abzustellen, ob es am Verwaltungsverfahren beteiligt war, und zum anderen darauf, ob seine Marktstellung beeinträchtigt ist. Die bloße Teilnahme am Verfahren genügt zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von dem Beschluss individuell betroffen ist, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handelt, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordert, doch ist die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, den die Rechtsprechung bei Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebietes der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtigt, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit der Klage festzustellen (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Im Hinblick auf die oben in Rn. 25 angeführte Rechtsprechung hat das Gericht die Parteien im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme ersucht, in der mündlichen Verhandlung zur Prozessvoraussetzung Stellung zu nehmen, die es von Amts wegen zu prüfen beabsichtigte.
27 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin am 18. Februar 2019 ein Schreiben an die Kommission gesandt hat, in diesem entgegen ihrem Vorbringen aber nur zum Zusammenschluss M.8870 Stellung genommen hat. Außerdem hat sie nicht an der im Rahmen des den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahrens durchgeführten Marktbefragung teilgenommen, sondern an jener betreffend den Zusammenschluss M.8870. Zur individuellen Besprechung mit der Kommission am 15. April 2019 ist festzustellen, dass diese nach dem Erlass des [streitigen] Beschlusses stattgefunden und jedenfalls den Zusammenschluss M.8870 betroffen hat. Aus den Akten geht hingegen nicht hervor, dass die Klägerin ein Schreiben an die Kommission gesandt habe, um zum Zusammenschluss M.8871 Stellung zu nehmen oder dieser mitzuteilen, dass sie sich am diesen Zusammenschluss betreffenden Verfahren vor Erlass des angefochtenen Beschlusses beteiligen möchte.
28 Insoweit trifft es zu, dass die Kommission in ihrer Klagebeantwortung zum dritten Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf Anhörung gerügt wird, ausgeführt hat, dass der Klägerin die Gelegenheit geboten worden sei, sich uneingeschränkt am Verfahren zu beteiligen, insbesondere im Wege der Marktbefragung, auf die sie geantwortet habe, und dass die Klägerin von ihr angehört worden sei. Die Kommission hat jedoch in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass hier ein Redaktionsversehen vorliege und dass die Klägerin weder an der Marktbefragung teilgenommen habe noch auf einen entsprechenden Antrag hin von der Kommission angehört worden sei.
29 Somit hat sich die Klägerin nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt.
30 Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen, was belegen würde, dass sie mit der Kommission Kontakt aufgenommen hätte, um sich am Verwaltungsverfahren zu beteiligen.
31 Da sich die Klägerin nicht aktiv am den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren beteiligt hat, ist ferner unter Berücksichtigung dessen, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Klägerin keine besonderen Umstände vorliegen, festzustellen, dass sie vom [streitigen] Beschluss im Sinne der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung nicht individuell betroffen ist.“
Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens
17 Mit Rechtsmittelschrift, die am 21. Juli 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.
18 Am selben Tag hat die Rechtsmittelführerin, die überdies im Jahr 2021 eine Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 6530 final erhoben hatte (Rechtssache T‑59/21), die am 21. Juli 2023 noch beim Gericht anhängig war, beantragt, die Prüfung des vorliegenden Rechtsmittels bis zur Verkündung des Urteils des Gerichts über diese Nichtigkeitsklage auszusetzen.
19 Mit Beschluss vom 19. September 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs nach Anhörung der Parteien zu diesem Aussetzungsantrag sowie zu einer etwaigen Verbindung von neun Rechtsmitteln – darunter das vorliegende Rechtsmittel – in den Rechtssachen C‑464/23 P, C‑465/23 P, C‑466/23 P, C‑467/23 P, C‑468/23 P, C‑469/23 P, C‑470/23 P, C‑484/23 P und C‑485/23 P, die sich gegen die Urteile des Gerichts in den Rechtssachen T‑312/20, T‑313/20, T‑314/20, T‑315/20, T‑317/20, T‑318/20, T‑319/20, T‑320/20 und T‑321/20 richten, den Antrag auf Aussetzung zurückgewiesen und die Verbindung allein der Rechtsmittel in den Rechtssachen C‑464/23 P, C‑465/23 P, C‑467/23 P, C‑468/23 P und C‑470/23 P, die Sachurteile des Gerichts betreffen, angeordnet, unter Ausschluss der vier anderen, gegen Urteile des Gerichts, mit denen die Klagen für unzulässig erklärt wurden, eingelegten Rechtsmittel, zu denen das vorliegende gehört.
20 Die Rechtsmittelführerin beantragt,
– das angefochtene Urteil aufzuheben und den streitigen Beschluss für nichtig zu erklären,
– hilfsweise und jedenfalls die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und
– der Kommission die Kosten einschließlich der der Rechtsmittelführerin durch das Verfahren vor dem Gericht entstandenen Anwalts- und Reisekosten aufzuerlegen.
21 Die Kommission und die anderen Parteien beantragen,
– das Rechtsmittel zurückzuweisen und
– der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.
Zum Rechtsmittel
22 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf sechs Gründe, mit denen sie eine Verletzung der Begründungspflicht, die Verfälschung von Tatsachen und die Verletzung ihrer Verfahrensrechte (erster Rechtsmittelgrund), die fehlerhafte Anwendung von Art. 263 Abs. 4 AEUV (zweiter Rechtsmittelgrund), die fehlerhafte Anwendung von Art. 101 AEUV (dritter Rechtsmittelgrund), die fehlerhafte Anwendung von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 (vierter Rechtsmittelgrund), die fehlerhafte Anwendung von Art. 2 dieser Verordnung (fünfter Rechtsmittelgrund) und einen Verstoß gegen die Grundsätze der Beweislastverteilung (sechster Rechtsmittelgrund) rügt.
23 Zunächst ist der zweite Rechtsmittelgrund zu prüfen und dann der erste Rechtsmittelgrund.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund: fehlerhaf te Anwendung von Art. 263 Abs. 4 A E UV
Zum ersten Teil
– Vorbringen der Parteien
24 Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, im Fall eines Beschlusses, mit dem die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt werde, setze die individuelle Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV eines dritten Unternehmens von diesem Beschluss nicht voraus, dass es sich förmlich am Verwaltungsverfahren beteiligt habe. Es reiche in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus, dass ihm wegen möglicher Beeinträchtigung seiner materiellen Interessen Mitwirkungs‑, Informations- und Anhörungsrechte eingeräumt worden seien.
25 Das Gericht habe in den Rn. 27 bis 31 des angefochtenen Urteils nur darauf abgestellt, dass sie an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren nicht förmlich beteiligt gewesen sei. Die Beteiligung an einem Verfahren könne zwar als Indiz für die mögliche individuelle Betroffenheit einer Person von einer Handlung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV herangezogen werden, doch könne diese Beteiligung bei einem komplexen und mehrteiligen Vorgang wie der Gesamttransaktion keine zwingende Voraussetzung darstellen. Entscheidend sei, dass die Rechtsmittelführerin über eine von ihr mitfinanzierte Studie eines Wirtschaftsberatungsunternehmens zum Residual Supply Index (Index bezüglich der verbleibenden Lieferkapazität) den streitigen Beschluss inhaltlich beeinflusst habe, wie durch dessen Wortlaut bestätigt werde. Überdies sei das den Zusammenschluss M.8871 betreffende Verfahren von der Kommission künstlich von dem den Zusammenschluss M.8870 betreffenden Verfahren abgespalten worden.
26 Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.
– Würdigung durch den Gerichtshof
27 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine natürliche oder juristische Person nur dann Klage gegen einen an eine andere Person gerichteten Beschluss erheben kann, wenn der Beschluss sie unmittelbar und individuell betrifft.
28 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Person, die nicht Adressat eines Beschlusses ist, nur dann geltend machen, von ihm individuell betroffen zu sein, wenn der Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines solchen Beschlusses (Urteil vom 14. September 2023, Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Wird in einem Beschluss die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt, so ist bei der Prüfung der individuellen Betroffenheit eines Drittunternehmens auf ein Bündel übereinstimmender Indizien oder Tatsachen abzustellen, zu denen seine Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Beeinträchtigung seiner Marktstellung gehören können. Die bloße Teilnahme am Verfahren genügt zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von dem Beschluss individuell betroffen ist, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handelt, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordert, doch ist die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, der in der Rechtsprechung zu Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebietes der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtigt wird, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen über die Zulässigkeit der Klage zu befinden. Außerdem setzt die individuelle Betroffenheit eines an einem Zusammenschluss nicht beteiligten Unternehmens von dem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, voraus, dass seine gegenwärtige und künftige Stellung auf einem von diesem Zusammenschluss möglicherweise beeinflussten Markt spürbar beeinträchtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, C‑68/94 und C‑30/95, EU:C:1998:148, Rn. 54 bis 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
30 Daraus folgt, dass das Gericht mit seinen Erwägungen in den Rn. 24 und 25 des angefochtenen Urteils, die im Wesentlichen diese Rechtsprechung – aus der sich ergibt, dass die bloße Beteiligung am Verwaltungsverfahren nicht ausreicht, um die individuelle Betroffenheit eines Drittunternehmens im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu bejahen – aufgreifen, keinen Rechtsfehler begangen hat.
31 Sodann hat das Gericht in Rn. 29 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich die Rechtsmittelführerin nicht an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren beteiligt habe, und in Rn. 30 hinzugefügt, dass sie in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen habe, was belegen würde, dass sie mit der Kommission Kontakt aufgenommen hätte, um sich daran zu beteiligen. Die Rechtsmittelführerin stellt diese Feststellungen des Gerichts nicht in Abrede.
32 Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerin, entscheidend sei nicht die Frage ihrer förmlichen Beteiligung an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren, sondern der konkrete Einfluss, den sie über die oben in Rn. 25 erwähnte Studie auf den Inhalt des streitigen Beschlusses gehabt habe, ist festzustellen, dass die Kommission zwar in den Erwägungsgründen 59 bis 65 des Beschlusses mehrere Studien zum Residual Supply Index geprüft hat, die ihr sowohl von den Parteien des Zusammenschlusses als auch von Dritten vorgelegt wurden. Der bloße Umstand, dass die Rechtsmittelführerin eine dieser Studien mitfinanziert hat, genügt jedoch nicht, um ihre aktive Beteiligung am Verwaltungsverfahren im Sinne der oben in Rn. 29 angeführten Rechtsprechung zu bejahen.
33 Ferner ist zu dem Vorbringen, das den Zusammenschluss M.8871 betreffende Verfahren sei künstlich von dem den Zusammenschluss M.8870 betreffenden Verfahren abgespalten worden, festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin insoweit nichts vorträgt, was einen Rechtsfehler des Gerichts bei der Auslegung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen belegen könnte. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Rechtsmittelführerin nämlich in Wirklichkeit nicht gegen bestimmte Randnummern des angefochtenen Urteils, sondern gegen die von der Kommission in der Sache getroffene Entscheidung, jeden der beiden Zusammenschlüsse individuell zu genehmigen. Das Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
34 Unter diesen Umständen ist der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil
– Vorbringen der Parteien
35 Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin erstens geltend, das Gericht habe verkannt, dass auch „andere spezifische Umstände“ die individuelle Betroffenheit einer Person von der Handlung, deren Nichtigerklärung sie begehre, begründen könnten. Insbesondere habe das Gericht es unterlassen, die in der Klageschrift vorgebrachten Gesichtspunkte wie die Besonderheiten des Marktes, ihre erheblichen eigenen Investitionen, ihre Stellung als direkte Konkurrentin von RWE oder die Folgen des Zusammenschlusses für ihre Wettbewerbsposition zu prüfen.
36 Zweitens sei bei mehreren Klägern die Zulässigkeit der Klage im Ganzen gegeben, wenn nur einer von ihnen individuell betroffen sei; dies gelte auch für separat erhobene Klagen mehrerer Kläger. Das Gericht habe daher einen Fehler im Hinblick auf Art. 263 Abs. 4 AEUV begangen, als es ihre Klage nicht mit anderen für zulässig erklärten Parallelklagen verbunden habe.
37 Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin entgegen.
– Würdigung durch den Gerichtshof
38 Zum ersten Argument der Rechtsmittelführerin ist festzustellen, dass sie mit ihm dem Gericht im Wesentlichen vorwirft, die in ihrer Klageschrift vorgebrachten Gesichtspunkte dafür, dass in ihrem Fall spezifische Umstände vorlägen, mit denen sich nachweisen lasse, dass sie vom streitigen Beschluss individuell betroffen sei, nicht geprüft zu haben.
39 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum einen, dass sich im Rechtsmittelverfahren die Kontrolle durch den Gerichtshof insbesondere darauf richtet, zu prüfen, ob das Gericht auf alle vom Kläger vorgebrachten Argumente rechtlich hinreichend eingegangen ist, und zum anderen, dass mit einem Rechtsmittelgrund, mit dem geltend gemacht wird, das Gericht sei auf im ersten Rechtszug vorgebrachte Argumente nicht eingegangen, im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird (Urteil vom 14. September 2023, Land Rheinland-Pfalz/Deutsche Lufthansa, C‑466/21 P, EU:C:2023:666, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Dieses erste Argument betrifft somit die Begründungspflicht des Gerichts, die Gegenstand des ersten Rechtsmittelgrundes ist, und wird daher in dessen Rahmen geprüft.
41 Zum zweiten Argument, wonach die Entscheidung des Gerichts, die Klage nicht mit anderen, ebenfalls gegen den streitigen Beschluss gerichteten und für zulässig erklärten Klagen zu verbinden, einen Fehler im Hinblick auf Art. 263 Abs. 4 AEUV dargestellt habe, der die aus Gründen der Prozessökonomie gebotene Bejahung der Zulässigkeit verhindert habe, ist festzustellen, dass eine Entscheidung über die Verbindung oder Trennung von Rechtssachen eine interne Organisationsmaßnahme des Gerichts darstellt, die nicht der Kontrolle durch den Gerichtshof unterliegt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 14. Dezember 1995, Hogan/Gerichtshof, C‑173/95 P, EU:C:1995:461, Rn. 15).
42 Da ein Verbindungsbeschluss die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der davon betroffenen Rechtssachen nicht berührt (Urteil vom 21. Juni 2001, Moccia Irme u. a./Kommission, C‑280/99 P bis C‑282/99 P, EU:C:2001:348, Rn. 66), ist zudem die von einem Kläger, der die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht erfüllt, erhobene Klage unzulässig, unabhängig von ihrer etwaigen Verbindung nach Art. 68 der Verfahrensordnung des Gerichts mit einer anderen, vom Gericht für zulässig befundenen Klage.
43 Unter diesen Umständen ist, unter dem oben in Rn. 40 geäußerten Vorbehalt, der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes und damit der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Begründungspflicht, Verfälschung von Tatsachen und Verletzung der Verfahrensrechte der Rechtsmittelführerin
Vorbringen der Parteien
44 Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe ihre Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sie sich nicht an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verwaltungsverfahren beteiligt habe. Aus dem angefochtenen Urteil gehe nicht hervor, ob bzw. warum die von ihr vorgetragene materielle Beeinträchtigung ihrer Marktstellung irrelevant sein solle, sondern in Rn. 31 heiße es lediglich, dass „in Bezug auf die Beeinträchtigung [ihrer] Marktstellung … keine besonderen Umstände vorliegen“. Aus dieser Randnummer gehe nicht hervor, dass das Gericht geprüft habe, ob eine Partei nach Art. 263 Abs. 4 AEUV auch ohne förmliche Beteiligung am Verfahren individuell betroffen sein könne. Sie habe ihre direkte Konkurrenz zu RWE sowie die konkrete Beeinträchtigung ihrer Interessen angeführt. Eine Begründung, die auf derartige Argumente nicht eingehe, sei fehlerhaft.
45 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, die Klageschrift, die u. a. durch ihre schriftliche Stellungnahme vom 7. Juli 2021 zum Streithilfeschriftsatz von RWE und ihre Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ergänzt worden sei, habe eine umfassende Darstellung ihrer umfangreichen Investitionen, ihrer Aktivitäten in Konkurrenz zu RWE bei der Stromerzeugung, ihrer speziellen Betroffenheit sowie der Beeinträchtigung ihrer Marktstellung enthalten. Mit seiner Feststellung in Rn. 31 des angefochtenen Urteils habe das Gericht jedoch angedeutet, dass sie keinen besonderen Umstand geltend gemacht habe, und damit ihr Vorbringen verfälscht.
46 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, zu dem in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Recht auf wirksamen Rechtsbehelf und Unparteilichkeit in einem fairen Verfahren gehöre, dass das Gericht Stellungnahmen Beteiligter zur Kenntnis nehme und bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehe, auch wenn es inhaltlich nicht an sie gebunden sei. Ausfluss dieses Rechts sei ferner, dass das Gericht die maßgeblichen Gründe seiner Entscheidung angeben und Einwände ausräumen müsse. Je bedeutsamer ein Umstand oder ein Rechtsargument sei, umso wichtiger sei es, dass sich die Begründung mit dem Parteivortrag auseinandersetze. Die materielle Betroffenheit sei ein für die Zulässigkeit zentraler Aspekt, zu dem sich das Gericht im Rahmen seiner von Amts wegen vorgenommenen Prüfung hätte äußern müssen.
47 Die Kommission, unterstützt durch E.ON und RWE, trägt vor, das Gericht habe hinreichend begründet, warum die Marktstellung der Rechtsmittelführerin nicht beeinträchtigt sei, wobei es den Anforderungen des Gerichtshofs an die Begründung der Urteile genügt habe. Es habe deutlich gemacht, dass keine besonderen Umstände in Bezug auf die Beeinträchtigung dieser Stellung ersichtlich seien, und damit festgestellt, dass kein Umstand vorliege, der die Rechtsmittelführerin aus dem Kreis der übrigen Wettbewerber heraushebe.
Würdigung durch den Gerichtshof
48 Mit den drei Teilen des ersten Rechtsmittelgrundes und dem oben in Rn. 38 erwähnten, im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argument, die zusammen zu prüfen sind, macht die Rechtsmittelführerin in Wirklichkeit einen Verstoß des Gerichts gegen die Begründungspflicht in Bezug auf ihre Klagebefugnis geltend.
49 Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen (Urteil vom 11. Juni 2015, EMA/Kommission, C‑100/14 P, EU:C:2015:382, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung), während die dem Gericht nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegende Begründungspflicht nicht bedeutet, dass es bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandeln müsste. Die Begründung kann daher zwar implizit erfolgen, doch muss sie es den Betroffenen ermöglichen, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefern, damit er seine Kontrolle im Rahmen eines Rechtsmittels ausüben kann (Urteil vom 18. Juni 2020, Primart/EUIPO, C‑702/18 P, EU:C:2020:489, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Im vorliegenden Fall hat das Gericht nach dem Hinweis in Rn. 21 des angefochtenen Urteils, dass nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen einen an eine andere Person gerichteten Beschluss erheben könne, wenn dieser Beschluss sie unmittelbar und individuell betreffe, in den Rn. 24 bis 31 des Urteils dargelegt, auf welche Gründe es seine Schlussfolgerung gestützt hat, dass die Rechtsmittelführerin von dem streitigen Beschluss nicht im Sinne dieser Bestimmung individuell betroffen ist.
51 Insbesondere hat das Gericht in Rn. 24 seines Urteils auf die oben in Rn. 28 angeführte ständige Rechtsprechung hingewiesen.
52 In Rn. 25 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, bei der Prüfung, ob ein Drittunternehmen von einem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt werde, individuell betroffen sei, sei zum einen darauf abzustellen, ob es am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen sei, und zum anderen darauf, ob seine Marktstellung beeinträchtigt sei. Die bloße Teilnahme am Verfahren genüge zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von der Entscheidung individuell betroffen sei, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handele, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordere, doch sei die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, den die Rechtsprechung bei Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebiets der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtige, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit der Klage festzustellen.
53 Sodann hat das Gericht in den Rn. 27 bis 30 des angefochtenen Urteils geprüft, ob davon ausgegangen werden könne, dass sich die Rechtsmittelführerin an dem den Zusammenschluss M.8871 betreffenden Verfahren beteiligt habe, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sie sich nicht aktiv an diesem Verfahren beteiligt habe.
54 Schließlich hat das Gericht in Rn. 31 des angefochtenen Urteils ausgeführt, da sich die Rechtsmittelführerin nicht aktiv an diesem Verfahren beteiligt habe, sei unter Berücksichtigung dessen, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung ihrer Marktstellung keine besonderen Umstände vorlägen, festzustellen, dass sie vom streitigen Beschluss nicht individuell betroffen sei.
55 Wie die Rechtsmittelführerin zur Stützung ihres Rechtsmittels vorträgt, hatte sie aber sowohl in der Klageschrift als auch in der Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz von RWE eine Reihe von Gesichtspunkten zu der nach ihren Angaben spürbaren Beeinträchtigung ihrer Marktstellung infolge des Zusammenschlusses M.8871 angeführt, die ihres Erachtens belegten, dass der streitige Beschluss sie im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betrifft.
56 Das Gericht hat sich somit auf die Feststellung beschränkt, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin keine besonderen Umstände vorlägen, und daher keinen – sei es auch nur knappen – Begründungsansatz geliefert, anhand dessen zum einen die Rechtsmittelführerin nachvollziehen konnte, ob ihr Vorbringen, dass ihre Marktstellung spürbar beeinträchtigt worden sei, geprüft wurde und, wenn ja, aus welchen Gründen es als ungeeignet angesehen wurde, den Nachweis einer solchen Beeinträchtigung zu erbringen, und der zum anderen dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrolle ausüben kann, wie es die oben in Rn. 49 angeführte Rechtsprechung verlangt.
57 Unter diesen Umständen hat das Gericht gegen die ihm nach Art. 36 und Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union obliegende Begründungspflicht verstoßen.
58 Mithin ist dem ersten Rechtsmittelgrund und dem oben in Rn. 38 erwähnten, im Rahmen des zweiten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argument stattzugeben.
59 Infolgedessen ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht in dessen Rn. 31 festgestellt hat, dass in Bezug auf die Beeinträchtigung der Marktstellung der Rechtsmittelführerin keine besonderen Umstände vorlägen, und u. a. aus diesem Umstand in Rn. 32 geschlossen hat, dass die Rechtsmittelführerin vom streitigen Beschluss nicht individuell betroffen sei, so dass ihre Klage als unzulässig abzuweisen sei.
Zur Klage vor dem Gericht
60 Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.
61 Dies ist hier der Fall.
62 Zur Beurteilung der Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin ist darauf hinzuweisen, dass die individuelle Betroffenheit eines an einem Zusammenschluss nicht beteiligten Unternehmens von dem Beschluss, mit dem die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, voraussetzt, dass seine gegenwärtige und künftige Stellung auf einem von diesem Zusammenschluss möglicherweise beeinflussten Markt spürbar beeinträchtigt werden kann (siehe oben, Rn. 29). Insoweit kann ein Unternehmen jedenfalls nicht schon dann als durch eine Handlung wie den streitigen Beschluss individuell betroffen angesehen werden, wenn diese Handlung geeignet ist, die auf dem relevanten Markt bestehenden Wettbewerbsverhältnisse in gewissem Maß zu beeinflussen, und das betreffende Unternehmen in einer irgendwie gearteten Wettbewerbsbeziehung zu dem durch die Handlung Begünstigten steht (vgl. entsprechend Urteil vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, EU:C:2007:698, Rn. 32).
63 Die von der Rechtsmittelführerin in ihrer Klageschrift angeführten Gegebenheiten bestehen jedoch, soweit sie ihre eigene Marktstellung betreffen, im Wesentlichen in Angaben zu ihren Anteilseignern, zur Zahl ihrer Beschäftigten sowie zu ihren Tätigkeiten auf dem Markt oder zu dessen Besonderheiten, ohne dass sie dartut, inwiefern diese Gegebenheiten und Tätigkeiten, ob als Wettbewerber oder Investor, geeignet sind, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren wie die Adressaten des streitigen Beschlusses. Derartige Gegebenheiten und Tätigkeiten können nämlich auch bei jedem anderen Energieerzeuger vorliegen, so dass sich die Rechtsmittelführerin dadurch nicht in singulärer Weise von den übrigen Wettbewerbern auf dem Markt unterscheidet.
64 Das Gleiche gilt für das übrige Vorbringen der Rechtsmittelführerin in ihrer Klageschrift, wonach sie erstens Strom aus dem vorgelagerten Netz beziehen müsse, um die sichere Versorgung ihrer Kunden zu gewährleisten, die die dafür anfallenden, in den letzten Jahren ständig gestiegenen Kosten tragen müssten, und zweitens die Rolle von RWE als Partner der Energieversorger gestärkt worden sei, sowie für ihr Vorbringen im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 7. Juli 2021 zum Streithilfeschriftsatz von RWE, das sich auf die Schaffung eines „wettbewerbsschädlichen Erzeugungsriesen“ stützt.
65 Somit hat die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen, dass ihre Marktstellung durch den betreffenden Zusammenschluss spürbar beeinträchtigt wird. Überdies kann, wie oben in Rn. 29 dargelegt, selbst eine aktive Beteiligung an dem einen Zusammenschluss betreffenden Verwaltungsverfahren – die zudem hier nicht erwiesen ist (siehe oben, Rn. 31 und 32) – nicht als ausreichender Nachweis dafür angesehen werden, dass ein Unternehmen von einem Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen ist.
66 Folglich hat die Rechtsmittelführerin nicht dargetan, dass sie von dem streitigen Beschluss im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen ist. Da die in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit beide vorliegen müssen (siehe oben, Rn. 27), ist ihre Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen.
67 Unter diesen Umständen ist über die Rechtsmittelgründe drei bis sechs, mit denen aufgrund der falschen Prämisse, dass die Klage zulässig sei, Sachargumente vorgebracht werden, nicht zu entscheiden.
Kosten
68 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten.
69 Da im vorliegenden Fall dem ersten Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin sowie dem oben in Rn. 38 erwähnten Argument stattgegeben und ihre Nichtigkeitsklage abgewiesen worden ist, ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.
70 Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der ebenfalls auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt daher ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Mai 2023, eins energie in sachsen/Kommission (T ‑318/20, EU:T:2023:262), wird aufgehoben.
2. Die auf die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 1711 final der Kommission vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) gerichtete Klage der eins energie in sachsen GmbH & Co. KG wird als unzulässig abgewiesen.
3. Die eins energie in sachsen GmbH & Co. KG, die E.ON SE, die RWE AG und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen durch das Verfahren im ersten Rechtszug und das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
4. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.
Arastey Sahún
Gratsias
Regan
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juni 2025.
Der Kanzler
Die Kammerpräsidentin
A. Calot Escobar
M. L. Arastey Sahún