Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ATHANASIOS RANTOS
vom 6. Februar 2025(1 )
Rechtssache C ‑423/23
Secab Soc. coop.
gegen
Autorità di Regolazione per Energia Reti e Ambiente (ARERA),
Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA,
Beteiligte:
Presidenza del Consiglio dei Ministri,
Ministero della Transizione Ecologica,
Ministero dello Sviluppo Economico,
Associazione Italia Solare ETS,
Assoidroelettrica,
Elettricità Futura – Unione delle imprese elettriche italiane
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia [Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei, Italien])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie (EU) 2019/944 – Gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt – Art. 5 – Marktorientierte Lieferpreise – Richtlinie (EU) 2018/2001 – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Verordnung (EU) 2022/1854 – Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise – Art. 6 – Verbindliche Obergrenze für Markterlöse – Art. 8 – Nationale Krisenmaßnahmen – Obergrenze für Markterlöse von Stromerzeugern, die bestimmte erneuerbare Energien nutzen – Nationale Regelung, die nicht gewährleistet, dass die Erzeuger 10 % der Erlöse oberhalb einer solchen Obergrenze einbehalten können – Schutz von Investitionen im Sektor der erneuerbaren Energien “
I. Einleitung
1. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei, Italien) betrifft insbesondere die Auslegung von Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/944(2 ), der Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie (EU) 2018/2001(3 ) sowie der Erwägungsgründe 27, 28, 29, 39, von Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung (EU) 2022/1854(4 ).
2. Dieses Ersuchen geht zurück auf einen Rechtsstreit zwischen der Secab Soc. coop., einer im Sektor der Stromerzeugung tätigen Genossenschaft, auf der einen Seite und der Autorità di Regolazione per Energia Reti e Ambiente (ARERA) (Regulierungsbehörde für Strom, Netze und Umwelt, Italien, im Folgenden: ARERA) sowie der Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA (Gesellschaft zur Verwaltung von Energiedienstleistungen, Italien, im Folgenden: GSE) auf der anderen Seite; dieser Rechtsstreit betrifft die Rechtmäßigkeit einer nationalen Regelung, mit der eine Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von aus bestimmten erneuerbaren Energiequellen erzeugtem Strom festgelegt wird.
3. Entsprechend dem Ersuchen des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Prüfung der zweiten Vorlagefrage konzentrieren. Bei dieser Frage geht es im Wesentlichen darum, ob eine nationale Regelung, die eine Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von Strom nach Modalitäten vorsieht, die Investitionen im Sektor der erneuerbaren Energien weder schützen noch fördern, mit den genannten Vorschriften vereinbar ist.
4. Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, die Kriterien zu präzisieren, die die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Modalitäten für die Berechnung einer Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von Strom in einem besonderen Kontext zu berücksichtigen haben, der durch den drastischen Anstieg der Energie- und insbesondere der Strompreise gekennzeichnet ist, die kürzlich vor allem aufgrund des Krieges in der Ukraine ein außergewöhnlich hohes Niveau erreicht haben.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Richtlinie 2018/2001
5. In den Erwägungsgründen 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001 heißt es:
„(2) Gemäß Artikel 194 Absatz 1 [AEUV] ist die Förderung erneuerbarer Energiequellen eines der Ziele der Energiepolitik der Union. Dieses Ziel wird mit dieser Richtlinie verfolgt. …
(3) Die verstärkte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen spielt auch eine tragende Rolle, wenn es darum geht, auf eine höhere Energieversorgungssicherheit, auf nachhaltige Energie zu erschwinglichen Preisen … hinzuwirken …
…
(12) Um ehrgeizige Beiträge der Mitgliedstaaten zum Unionsziel zu unterstützen, sollte, auch unter Nutzung von Finanzierungsinstrumenten, ein Finanzrahmen eingerichtet werden, mit dem Investitionen in Projekte im Bereich erneuerbare Energie in diesen Mitgliedstaaten erleichtert werden.“
2. Richtlinie 2019/944
6. Art. 5 („Marktgestützte Lieferpreise“) der Richtlinie 2019/944 bestimmt:
„(1) Den Versorgern steht es frei, den Preis, zu dem sie ihre Kunden mit Elektrizität beliefern, zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um für wirksamen Wettbewerb zwischen den Versorgern zu sorgen.
…
(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 dürfen die Mitgliedstaaten in die Festsetzung der Stromversorgungspreise für von Energiearmut betroffene oder schutzbedürftige Haushaltskunden eingreifen. Staatliche Eingriffe dieser Art unterliegen den Bedingungen der Absätze 4 und 5.
(4) Für staatliche Eingriffe in die Festsetzung der Stromversorgungspreise gelten folgende Bedingungen:
a) Sie müssen einem allgemeinen wirtschaftlichen Interesse dienen und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Verfolgung dieses allgemeinen wirtschaftlichen Interesses erforderlich ist;
b) sie müssen klar festgelegt, transparent, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein;
c) mit ihnen muss der gleichberechtigte Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Union zu den Kunden sichergestellt werden;
d) sie müssen zeitlich begrenzt und für ihre Begünstigten verhältnismäßig sein;
e) sie dürfen nicht in diskriminierender Weise zu Zusatzkosten der Marktteilnehmer führen.
…“
3. Verordnung 2022/1854
7. In den Erwägungsgründen 24, 25, 27 bis 29, 39, 41 und 48 der Verordnung 2022/1854 hieß es:
„(24) Da der Preis auf dem Day-Ahead-Markt als Referenzpreis für andere Stromgroßhandelsmärkte dient und alle Marktteilnehmer denselben Clearingpreis erhalten, wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchweg hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen.
(25) In einer Situation, in der die Verbraucher extrem hohen Preisen ausgesetzt sind, die auch der Wirtschaft der Union schaden, müssen die außergewöhnlichen Markterlöse von Erzeugern mit niedrigeren Grenzkosten vorübergehend begrenzt werden, indem auf diese Markterlöse aus dem Stromverkauf in der Union die Obergrenze für Markterlöse angewandt wird.
…
(27) Die Höhe der Obergrenze für Markterlöse sollte die Möglichkeiten der betroffenen Erzeuger, einschließlich der Erzeuger erneuerbarer Energien, nicht beeinträchtigen, ihre Investitions- und Betriebskosten zu decken, und künftige Investitionen in die erforderlichen Kapazitäten für ein emissionsarmes und zuverlässiges Elektrizitätssystem erhalten sowie Anreize dafür schaffen. Die Obergrenze für Markterlöse, als eine unionsweit einheitliche Obergrenze, ist am besten dafür geeignet, das Funktionieren des Strombinnenmarkts aufrechtzuerhalten, da dadurch der Preiswettbewerb zwischen den Stromerzeugern, die verschiedene Technologien nutzen, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, gewahrt wird.
(28) Gelegentliche und kurzfristige Preisspitzen sind auf einem Strommarkt zwar normal und können für einige Investoren nützlich für die Deckung ihrer Investitionen in die Stromerzeugung sein; der seit Februar 2022 zu beobachtende extreme und andauernde Preisanstieg hebt sich jedoch deutlich von einer normalen Marktsituation mit gelegentlichen Preisspitzen ab. Daher sollte die Obergrenze für Markterlöse nicht unter den begründeten Erwartungen der Marktteilnehmer vor [dem Angriffskrieg] Russlands gegen die Ukraine hinsichtlich des durchschnittlichen Strompreisniveaus während der Tageszeiten, zu denen die Stromnachfrage am höchsten war, liegen. Bis Februar 2022 lagen die erwarteten durchschnittlichen Preisspitzen auf dem Stromgroßhandelsmarkt der Union in den vergangenen Jahrzehnten durchgehend deutlich unter 180 EUR pro MWh, und das trotz der Preisunterschiede in den verschiedenen Regionen der Union. Da die ursprüngliche Investitionsentscheidung der Marktteilnehmer auf der Erwartung beruhte, dass die Preise im Durchschnitt unter dem Niveau der Spitzenzeiten liegen würden, entspricht die Obergrenze für Markterlöse bei 180 EUR pro MWh einem Preisniveau, das deutlich über den ursprünglichen Markterwartungen liegt. Damit die Obergrenze für Markterlöse nicht der ursprünglichen Bewertung der Investitionsrentabilität zuwiderläuft, muss eine Marge zu dem von den Investoren vernünftigerweise zu erwartenden Preis hinzugerechnet werden.
(29) Darüber hinaus ist die Obergrenze für Markterlöse von 180 EUR pro MWh durchweg höher – einschließlich einer angemessenen Marge – als die derzeitigen Stromgestehungskosten für die einschlägigen Erzeugungstechnologien und erlaubt es den betroffenen Erzeugern, ihre Investitions- und Betriebskosten zu decken. Da durch die Obergrenze für Markterlöse eine beträchtliche Marge zwischen den zu erwartenden Stromgestehungskosten und der Obergrenze für Markterlöse bleibt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Investitionen in neue inframarginale Kapazitäten beeinträchtigt.
…
(39) Um Bedenken hinsichtlich der Versorgungssicherheit Rechnung zu tragen, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die Obergrenze für Markterlöse so festzulegen, dass die Stromerzeuger 10 % der Überschusserlöse oberhalb der Obergrenze für Markterlöse einbehalten können.
…
(41) [Die Mitgliedstaaten sollten] weiterhin die Möglichkeit haben, die Erlöse der Erzeuger, für die die Obergrenze für Markterlöse gilt, weiter zu begrenzen …
…
(48) Öffentliche Eingriffe in die Festsetzung der Stromversorgungspreise sind grundsätzlich eine marktverzerrende Maßnahme. Derartige Eingriffe dürfen daher nur als gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vorgenommen werden und sollten besonderen Bedingungen unterliegen. Gemäß der Richtlinie (EU) 2019/944 sind regulierte Preise derzeit für Haushalte und Kleinstunternehmen möglich sowie – und das selbst zu Preisen unterhalb der Kosten – für von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige Kunden. Angesichts des derzeitigen außergewöhnlichen Anstiegs der Strompreise sollte das Instrumentarium möglicher Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Verbraucher vorübergehend erweitert werden, indem die Möglichkeit geschaffen wird, regulierte Preise auch für KMU einzuführen und regulierte Preise auch unterhalb der Kosten festzusetzen. Diese Ausweitung der Maßnahmen könnte über die Obergrenze für Markterlöse finanziert werden.“
8. Art. 6 („Verbindliche Obergrenze für Markterlöse“) Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmte:
„(1) Die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus den in Artikel 7 Absatz 1 genannten Quellen erzielen, werden auf höchstens 180 EUR je MWh erzeugter Elektrizität begrenzt.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Obergrenze für Markterlöse auf alle Markterlöse der Erzeuger … angewandt wird …“
9. Art. 7 („Anwendung der Obergrenze für Markterlöse auf Stromerzeuger“) Abs. 1 der Verordnung sah vor:
„Die Obergrenze für Markterlöse gemäß Artikel 6 gilt für die mit dem Verkauf von Strom aus folgenden Quellen erzielten Markterlöse:
…
d) Wasserkraft ohne Speicher;
…“
10. Art. 8 („Nationale Krisenmaßnahmen“) dieser Verordnung bestimmte:
„(1) Die Mitgliedstaaten können
a) Maßnahmen aufrechterhalten oder einführen, durch die die Markterlöse der Erzeuger, die Strom aus den in Artikel 7 Absatz 1 genannten Quellen erzeugen, weiter begrenzt werden, wobei auch zwischen Technologien unterschieden werden kann, …
…
d) für Markterlöse aus dem Verkauf von aus Steinkohle erzeugtem Strom eine gesonderte Obergrenze festlegen;
…
(2) Für die in Absatz 1 genannten Maßnahmen gilt im Einklang mit dieser Verordnung Folgendes: Sie
a) sind verhältnismäßig und diskriminierungsfrei;
b) dürfen Investitionssignale nicht gefährden;
c) stellen sicher, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind;
d) dürfen das Funktionieren der Stromgroßhandelsmärkte nicht verzerren und insbesondere keine Auswirkungen auf die Einsatzreihenfolge (Merit Order) und die Preisbildung auf dem Großhandelsmarkt haben;
e) sind mit dem Unionsrecht vereinbar.“
11. Art. 10 („Verteilung der Überschusserlöse“) Abs. 1 der Verordnung 2022/1854 bestimmte:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern.“
12. Art. 22 („Inkrafttreten und Anwendung“) Abs. 2 dieser Verordnung sah vor:
„…
c) Die Artikel 6, 7 und 8 gelten vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023;
…“
B. Italienisches Recht
1. Gesetzesdekret Nr. 4/2022
13. Das Gesetzesdekret Nr. 4/2022 in der durch die Legge n. 25 – Conversione in legge, con modificazioni, del decreto-legge 27 gennaio 2022, n. 4, recante misure urgenti in materia di sostegno alle imprese e agli operatori economici, di lavoro, salute e servizi territoriali, connesse all’emergenza da COVID-19, nonché per il contenimento degli effetti degli aumenti dei prezzi nel settore elettrico (Gesetz Nr. 25 zur Umwandlung und Änderung des Gesetzesdekrets Nr. 4 vom 27. Januar 2022 über dringende Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen und Wirtschaftsteilnehmern, Arbeit, Gesundheit und territorialen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Covid‑19-Krise und zur Eindämmung der Auswirkungen von Preiserhöhungen im Elektrizitätssektor) vom 28. März 2022 geänderten Fassung(5 ) (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 4/2022) enthält einen Art. 15bis („Zusätzliche Maßnahmen für Strom aus Anlagen, die erneuerbare Energiequellen nutzen“), der bestimmte:
„(1) Vom 1. Februar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 wird ein zweiseitiger Ausgleichsmechanismus auf die Energiepreise angewandt, der für Strom gilt, der auf folgende Weise in das Netz eingespeist wird:
a) durch Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 kW, für die feste Prämien nach dem Einkaufstarif-Mechanismus (Conto Energia) gezahlt werden, die nicht von Marktpreisen abhängig sind;
b) durch Anlagen mit einer Leistung von mehr als 20 kW, die Solarenergie, Wasserkraft, Erdwärme und Windkraft nutzen und nicht von den Anreizmechanismen profitieren, die vor dem 1. Januar 2010 in Betrieb genommen wurden.
…
3. Für die Zwecke von Abs. 1 berechnet GSE die Differenz zwischen den im Folgenden unter Buchst. a und b genannten Werten:
a) einem Referenzpreis in Höhe des in der Tabelle [im Anhang dieses] Gesetzesdekrets angegebenen Referenzpreises für jedes Marktgebiet [zwischen 56 und 58 Euro pro MWh (mit Ausnahme der Inseln Sardinien und Sizilien, für die er jeweils auf 61 Euro pro MWh bzw. 75 Euro pro MWh festgesetzt wird)];
b) einem Marktpreis in folgender Höhe:
1) für die in Abs. 1 Buchst. a genannten Anlagen sowie für die in Abs. 1 Buchst. b genannten Anlagen, die Sonnenenergie, Windenergie, Erdwärme und Laufwasserkraft nutzen, in Höhe des Stundenpreises für Strom im Marktgebiet bzw. bei vor dem 27. Januar 2022 geschlossenen Lieferverträgen, die die in Abs. 7 genannten Bedingungen nicht erfüllen, in Höhe des in diesen Verträgen angegebenen Preises;
2) für die in Abs. 1 Buchst. b genannten Anlagen, die nicht unter Nr. 1 fallen, in Höhe des monatlichen arithmetischen Mittels der Stundenpreise für Strom in den Marktgebieten bzw. bei vor dem 27. Januar 2022 geschlossenen Lieferverträgen, die die in Abs. 7 genannten Bedingungen nicht erfüllen, in Höhe des in diesen Verträgen angegebenen Preises.
4. Ist die Differenz gemäß Abs. 3 positiv, so zahlt GSE den entsprechenden Betrag an den Erzeuger. Ist diese Differenz negativ, so nimmt GSE eine Abrechnung vor oder verlangt vom Erzeuger den entsprechenden Betrag.
…“
14. Art. 11 Abs. 2 des Decreto Legge n. 115 – Misure urgenti in materia di energia, emergenza idrica, politiche sociali e industriali (Gesetzesdekret Nr. 115 über Notfallmaßnahmen in den Bereichen Energie, Wasserkrise, Sozial- und Industriepolitik) vom 9. August 2022(6 ) in der durch das Gesetz Nr. 142 vom 21. September 2022 geänderten Fassung verlängerte die Anwendung des in diesem Art. 15bis vorgesehenen Ausgleichsmechanismus bis zum 30. Juni 2023.
2. Gesetz Nr. 197/22
15. Die Legge n. 197 – Bilancio di previsione dello Stato per l’anno finanziario 2023 e bilancio pluriennale per il triennio 2023‑2025 (Gesetz Nr. 197 über den Haushaltsplan des Staates für das Haushaltsjahr 2023 und mehrjähriger Haushaltsplan für den Dreijahresplan 2023‑2025) vom 29. Dezember 2022(7 ) (im Folgenden: Gesetz Nr. 197/22) bestimmt in Art. 1 Abs. 30:
„Gemäß der Verordnung [2022/1854] wird ab dem 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 durch einen einseitigen Ausgleichsmechanismus eine Obergrenze auf Markterlöse von Stromerzeugern angewandt, was Strom betrifft, der wie folgt in das Netz eingespeist wird:
a) von Anlagen, die erneuerbare Energiequellen, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 15bis des [Gesetzesdekrets Nr. 4/2022] fallen, nutzen;
…“
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
16. Secab ist eine im Bereich der Stromerzeugung tätige Genossenschaft, die Anlagen betreibt, die Wasserkraft aus Laufkraftwerken nutzen. Da diese Gesellschaft in den Anwendungsbereich von Art. 15bis des Gesetzesdekrets Nr. 4/2022 („streitige Vorschrift“) fällt, wurde auf sie die in dieser Vorschrift vorgesehene Maßnahme zur Begrenzung der Erlöse angewandt. Nachdem sie mehrere Rechnungen von GSE erhalten hatte, erhob sie beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Nichtigerklärung insbesondere der ihr von GSE am 18. Oktober und 15. November 2022 gemäß dieser Vorschrift ausgestellten Rechnungen. Zur Stützung ihrer Klage macht Secab geltend, dass die streitige Vorschrift gegen das Unionsrecht verstoße.
17. In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Anwendung der streitigen Vorschrift, die ursprünglich für den Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 vorgesehen gewesen sei, durch das Gesetzesdekret Nr. 115/2022 vom 9. August 2022 in der Fassung des Gesetzes Nr. 142 vom 21. September 2022 bis zum 30. Juni 2023 verlängert worden sei; dass die Verordnung 2022/1854 erst am 8. Oktober 2022 in Kraft getreten sei; dass Letztere eine höhere Obergrenze für Erlöse und einen weiteren Anwendungsbereich als die in der streitigen Vorschrift genannten vorsehe und dass mit Art. 1 Abs. 30 bis 38 des Gesetzes Nr. 197/22 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 die Art. 6 bis 8 dieser Verordnung umgesetzt worden seien, wobei jedoch Anlagen ausgeschlossen worden seien, die erneuerbare Energiequellen, die bereits in den Anwendungsbereich der streitigen Vorschrift fielen, nutzten. Daher stelle diese Vorschrift, obwohl sie vor der Verordnung 2022/1854 erlassen worden sei, im Wesentlichen die Vorschrift des nationalen Rechts dar, mit der diese Verordnung in Bezug auf Energie aus erneuerbaren Quellen im Sinne dieser Vorschrift umgesetzt worden sei.
18. Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass die streitige Vorschrift ebenso wie die Verordnung 2022/1854 erlassen worden sei, um außergewöhnliche Markterlöse von Energieerzeugern vorübergehend zu begrenzen, deren Kosten von der Entwicklung der Erdgaspreise unabhängig seien, da sie kein Erdgas für die Erzeugung verwendeten; zu diesem Zweck werde eine Obergrenze auf diese außergewöhnlichen Erlöse angewandt und würden die entsprechenden Beträge an die Endkunden verteilt. Das vorlegende Gericht äußert jedoch Zweifel hinsichtlich der konkreten Modalitäten, die der italienische Gesetzgeber für die Festlegung dieser Obergrenze festgelegt hat.
19. Erstens ist das vorlegende Gericht in Bezug auf die Höhe der in der streitigen Vorschrift vorgesehenen Obergrenze für Erlöse der Ansicht, dass der in Abs. 3 Buchst. a dieser Vorschrift genannte Referenzpreis, obwohl er weit von dem von der Union festgelegten abweiche(8 ), angemessen sei, da er einem arithmetischen Mittel der Preise in jedem Marktgebiet entspreche, die zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2020 erfasst und an die Inflation angepasst worden seien. Es fragt sich jedoch, ob in Anbetracht des 28. Erwägungsgrundes der Verordnung 2022/1854 nicht eher auf die Stunden hätte abgestellt werden müssen, in denen die Nachfrage vor dem Krieg in der Ukraine am höchsten war. Das vorlegende Gericht weist auch darauf hin, dass der vom italienischen Gesetzgeber zugrunde gelegte Durchschnitt das Jahr 2020 berücksichtigt habe, in dem es aufgrund der Covid‑19-Epidemie zu Störungen gekommen und der nationale Einheitspreis historisch niedrig gewesen sei. In diesem Zusammenhang bezweifelt das vorlegende Gericht, dass die in der streitigen Vorschrift vorgesehene Obergrenze verhältnismäßig und angemessen ist, da sie den Erzeugern nicht garantiere, dass sie 10 % der Erlöse oberhalb der Obergrenze einbehielten, was jedoch nach dem 39. Erwägungsgrund dieser Verordnung erforderlich sei.
20. Zweitens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die streitige Vorschrift geeignet ist, die im Bereich der erneuerbaren Energien getätigten Investitionen und die Durchführung solcher Investitionen in der Zukunft zu schützen(9 ). Dieses Gericht verweist zudem auf die Erwägungsgründe 28 und 29 der Verordnung 2022/1854, wonach bei der Festlegung der Obergrenze zu dem von den Investoren zu dem Preis, den sie hätten erwarten können, eine „angemessene Marge“ hinzugerechnet werden müsse, damit sich diese Obergrenze nicht auf die ursprüngliche Bewertung der Investitionsrentabilität auswirke, was vom italienischen Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden sei. Die streitige Vorschrift beschränke nicht nur die finanziellen Möglichkeiten von Unternehmen, die Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugten, Investitionen zu tätigen, sondern untergrabe auch das Vertrauen der Investoren in das Wachstum dieses Sektors, wohingegen der Gerichtshof bereits anerkannt habe, dass es erforderlich sei, „langfristige Investitionen in neue Anlagen fördern“(10 ).
21. Drittens möchte dieses Gericht schließlich wissen, ob die streitige Vorschrift mit der Verordnung 2022/1854 vereinbar ist, insbesondere in Bezug auf das Vorliegen einer etwaigen Ungleichbehandlung von Erzeugern, die andere Energiequellen nutzen und nicht derselben Obergrenze unterliegen, was zu einer Diskriminierung bestimmter Erzeuger wie Secab führen und folglich eine Beeinträchtigung des Funktionierens des Marktes zur Folge haben könnte(11 ).
22. Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Stehen Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944, die Erwägungsgründe 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001, die Erwägungsgründe 27, 28, 29 und 39 sowie Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 der Verordnung 2022/1854 einer nationalen Regelung entgegen, die eine Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von Strom mit den in Art. 15bis des Decreto-legge Nr. 4 vorgesehenen Modalitäten festlegt und nicht gewährleistet, dass die Erzeuger 10 % der Erlöse oberhalb dieser Obergrenze einbehalten können?
2. Stehen Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944, die Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001, die Erwägungsgründe 27, 28, 29 und 39 sowie Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung 2022/1854 einer nationalen Regelung entgegen, die eine Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von Strom mit den in Art. 15bis des Decreto-legge Nr. 4 vorgesehenen Modalitäten festlegt und Investitionen im Sektor der erneuerbaren Energien nicht schützt und fördert?
3. Stehen der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2018/2001, die Erwägungsgründe 27 und 41, Art. 7 Abs. 1 Buchst. h, i und j sowie Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und d und Abs. 2 der Verordnung 2022/1854 einer nationalen Regelung entgegen, die eine Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von Strom mit den in Art. 15bis des Decreto-legge Nr. 4 vorgesehenen Modalitäten festlegt und weder eine gesonderte Obergrenze für Markterlöse aus dem Verkauf von aus Steinkohle erzeugtem Strom noch eine differenzierte Regelung für die verschiedenen Quellen der Stromerzeugung vorsieht?
23. Secab, GSE, die italienische, die belgische und die griechische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Secab, ARERA, GSE, Associazione Italia Solare ETS, Assoidroelettrica, Elettricità Futura – Unione delle imprese elettriche italiane, die italienische und die griechische Regierung sowie die Kommission haben auch in der Sitzung vom 6. November 2024 mündlich verhandelt.
IV. Würdigung
A. Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
24. Vor der Prüfung der zweiten Vorlagefrage, auf die sich die vorliegenden Schlussanträge auf Ersuchen des Gerichtshofs konzentrieren werden, ist auf die von GSE und der italienischen Regierung erhobenen Einreden der Unzulässigkeit einzugehen.
25. GSE und die italienische Regierung machen geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil die Anforderungen von Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs nicht erfüllt seien, da die Vorlageentscheidung nicht die tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalte, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof erforderlich seien. Was insbesondere die zweite Vorlagefrage betrifft, machen diese Parteien geltend, das vorlegende Gericht beschränke sich darauf, das Vorbringen von Secab in ihrer bei diesem Gericht eingereichten Klageschrift wiederzugeben, und habe dem Gerichtshof keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die auf nationaler Ebene vorgesehene Obergrenze für Erlöse (Geldgeber) von Investitionen in den Sektor der erneuerbaren Energien abgehalten habe.
26. Das vorlegende Gericht wiederholt zwar weitgehend das Vorbringen von Secab, doch bin ich der Ansicht, dass dieser Umstand für sich genommen nicht ausreicht, um das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig zu erklären. Nach ständiger Rechtsprechung ist es allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen, die es dem Gerichtshof vorlegt(12 ). Daraus folgt, dass für die von den nationalen Gerichten gestellten Fragen eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt und dass der Gerichtshof die Beantwortung dieser Fragen nur ablehnen kann, wenn die erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung dieser Fragen erforderlich sind(13 ).
27. Dies ist hier nicht der Fall. Die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits und die in diesem Rechtsstreit aufgeworfene Problematik ist nicht hypothetisch, sondern real. Außerdem verfügt der Gerichtshof über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der vorgelegten Fragen erforderlich sind.
B. Zur zweiten Vorlagefrage
28. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die zweite Vorlagefrage, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert worden ist, auf der Prämisse zu beruhen scheint, dass die streitige Vorschrift Investitionen im Sektor der erneuerbaren Energien weder schützt noch fördert. Es ist jedoch festzustellen, dass das Vorabentscheidungsersuchen, wie in Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, hierzu keine Beurteilung enthält.
29. Daher bin ich der Ansicht, dass die zweite Vorlagefrage umzuformulieren ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, und dass davon auszugehen ist, dass das vorlegende Gericht mit dieser Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944, die Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001 sowie die Erwägungsgründe 27, 28, 29, 39, Art. 6 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung 2022/1854 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine Obergrenze für die Markterlöse festlegt, indem sie diese Obergrenze anhand des arithmetischen Mittels der Preise bestimmt, die in dem entsprechenden Marktgebiet im letzten Jahrzehnt erfasst und an die Inflation angepasst wurden.
1. Zur Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit der Richtlinie 2018/2001
30. In Bezug auf die Richtlinie 2018/2001 ist zunächst festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seiner zweiten Vorlagefrage nur auf die Auslegung ihrer Erwägungsgründe 2, 3 und 12 abzielt, ohne eine bestimmte andere Vorschrift dieser Richtlinie zu nennen, die geeignet wäre, diese Erwägungsgründe zu konkretisieren, und die im vorliegenden Fall für den Ausgangsrechtsstreit relevant wäre oder verletzt worden sein soll.
31. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Erwägungsgründe eines Unionsrechtsakts zwar ein wichtiges Auslegungselement, das den Willen des Gesetzgebers erhellen kann, allerdings sind sie rechtlich nicht verbindlich(14 ). Folglich können sie isoliert betrachtet weder geltend gemacht werden, um Rechte oder Pflichten zu begründen, wenn es im verfügenden Teil der Richtlinie keine gleichwertigen oder ergänzenden Bestimmungen gibt, noch, um von den Bestimmungen dieses Rechtsakts abzuweichen oder um diese Bestimmungen in einem Sinn auszulegen, der ihrem Wortlaut zuwiderliefe(15 ).
32. Der Vollständigkeit halber ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass aus keinem der Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001 hervorgeht, dass sie einer nationalen Regelung wie der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden entgegenstehen könnten. Aus diesen Erwägungsgründen lässt sich nämlich nur ableiten, dass die Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen ein Ziel der Energiepolitik der Union darstellt und dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen sollten, um Investitionen in Projekte im Bereich erneuerbare Energie zu erleichtern(16 ).
33. Daraus folgt, dass die Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001, auf die sich die zweite Vorlagefrage bezieht, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen können.
2. Zur Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit der Richtlinie 2019/944
34. In Bezug auf die Richtlinie 2019/944 ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ihr Art. 5 darauf abzielt, einen wirksamen Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher zu gewährleisten und gleichzeitig für den Schutz der von Energiearmut betroffenen und der schutzbedürftigen Haushaltskunden zu sorgen.
35. Konkret heißt es in Abs. 1, dass es den Versorgern freisteht, den Preis, zu dem sie ihre Kunden mit Elektrizität beliefern, zu bestimmen, und dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, um für wirksamen Wettbewerb zwischen den Versorgern zu sorgen. In Abs. 3 dieses Artikels wird jedoch anerkannt, dass es unter bestimmten Umständen erforderlich sein könnte, von diesem allgemeinen Grundsatz abzuweichen. So sieht Art. 5 Abs. 3 vor, dass die Mitgliedstaaten in die Festsetzung der Stromversorgungspreise für von Energiearmut betroffene oder schutzbedürftige Haushaltskunden unter Beachtung der Bedingungen der Abs. 4 und 5 eingreifen dürfen. Dieser in der zweiten Vorlagefrage speziell angesprochene Abs. 4 sieht eine Reihe allgemeiner Kriterien für staatliche Eingriffe in die Festsetzung der Stromversorgungspreise vor(17 ).
36. Es ist jedoch festzustellen, dass dieser Art. 5 Eingriffe der Mitgliedstaaten auf dem Endkundenelektrizitätsmarkt betrifft und sich auf die Preise für den Verkauf von Strom an Endverbraucher durch die Stromversorger bezieht. Folglich steht diese Vorschrift in keinem Zusammenhang mit einem Eingriff wie dem, der in der streitigen Vorschrift vorgesehen ist, die ihrerseits die Festlegung einer Obergrenze für die von den Stromerzeugern auf dem Großhandelsmarkt erzielten Erlöse betrifft, die speziell durch die Verordnung 2022/1854 geregelt wird(18 ).
37. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zwar nicht ausgeschlossen ist, dass die Festlegung einer solchen Obergrenze eine mittelbare Auswirkung auf die Verkaufspreise für Endverbraucher hat, allerdings lassen die begrenzten Informationen, die insoweit in der Vorlageentscheidung enthalten sind, nicht den Schluss zu, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einem staatlichen Eingriff in die Festlegung des Preises für die Lieferung von Strom an Kunden gleichgestellt werden müsste, der nach Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944 grundsätzlich verboten ist(19 ).
38. Außerdem ist festzustellen, dass mit der Verordnung 2022/1854 Ziele des Allgemeininteresses verfolgt werden, die den mit Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944 verfolgten und insbesondere dem des Verbraucherschutzes ähnlich sind, indem sie u. a. die Eingriffsmöglichkeiten erweitert, über die die Mitgliedstaaten verfügen, um die von der Energiekrise betroffenen Verbraucher zu unterstützen(20 ).
39. Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht.
3. Zur Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit der Verordnung 2022/1854
40. In Bezug auf die Verordnung 2022/1854 ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung eine Notfallmaßnahme als Reaktion auf den Anstieg der Energiepreise darstellt, mit der der Unionsgesetzgeber einen harmonisierten Rahmen für die Umverteilung überhöhter Erlöse schaffen möchte, um Bedenken hinsichtlich der Verzerrungen zwischen Erzeugern zu zerstreuen, die den Energiemarkt ungünstig beeinflussen könnten(21 ).
41. Während Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2022/1854 somit vorsieht, dass die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus den in Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Quellen erzielen, auf höchstens 180 Euro je MWh erzeugter Elektrizität begrenzt werden, können die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung Maßnahmen aufrechterhalten oder einführen, durch die diese Erlöse weiter begrenzt werden.
42. Im Übrigen ist festzustellen, dass zwar keine Vorschrift der Verordnung 2022/1854 genaue Angaben dazu enthält, wie die letztlich von den Mitgliedstaaten festgelegte Obergrenze zu berechnen ist, dass jedoch in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat beschließt, eine Obergrenze festzulegen, die unter der in der Verordnung 2022/1854 festgelegten Obergrenze liegt, diese Obergrenze die Bedingungen erfüllen müsste, die in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung aufgeführt sind. Nur wenn feststeht, dass die von einem Mitgliedstaat festgelegte Obergrenze gegen die nach dieser Vorschrift festgelegten Kriterien verstößt, kann diese Obergrenze somit als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen werden.
43. Nach diesen Klarstellungen ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen die Frage nach der Festlegung des Preisniveaus aufwirft, auf dessen Grundlage die Obergrenze für Erlöse gilt, wobei dieses Gericht der Ansicht ist, dass die streitige Vorschrift nicht geeignet sei, Investitionen im Sektor der erneuerbaren Energien zu schützen und zu fördern, und dass die Obergrenze für Markterlöse nicht verhältnismäßig und angemessen sei(22 ).
44. Als Erstes ist festzustellen, dass, wie in Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, der bloße Umstand, dass der Betrag der von der italienischen Regierung festgelegten Obergrenze niedriger ist als der in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2022/1854 festgelegte, an sich nicht geeignet ist, die Unvereinbarkeit der streitigen Bestimmung mit dieser Verordnung zu begründen. Schon aus dem Wortlaut dieser Verordnung und genauer gesagt aus ihrem Art. 8 Abs. 1 geht hervor, dass die Mitgliedstaaten zum einen die Möglichkeit haben, eine Obergrenze unterhalb der vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen maximalen Obergrenze von 180 Euro pro MWh festzulegen, und dass sie zum anderen über ein gewisses Ermessen verfügen, das es ihnen ermöglicht, den Betrag dieser Obergrenze unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale ihres nationalen Marktes festzulegen(23 ). Im Übrigen kann der Umstand, dass diese Obergrenze von dem in der Verordnung 2022/1854 festgelegten Betrag beträchtlich abweicht, wie das vorlegende Gericht ausführt, für sich genommen nicht ausreichen, um eine Unvereinbarkeit mit dieser Verordnung festzustellen(24 ).
45. Auch die Erwägungsgründe 27 bis 29 und 39 der Verordnung 2022/1854, auf die sich das vorlegende Gericht in seiner zweiten Frage bezieht, können nicht dahin verstanden werden, dass sie den Mitgliedstaaten eine genaue Methode zur Berechnung der Obergrenze vorschreiben. Diese Erwägungsgründe können zwar nützliche Hinweise für die Festlegung der Modalitäten für die Festlegung der fraglichen Obergrenze sowie für die Art und Weise liefern, wie etwaige negative Auswirkungen auf die Investitionen vermieden werden können, doch können sie nicht so verstanden werden, dass sie zwingende Regeln aufstellen, die sich von den Pflichten unterscheiden, denen die Mitgliedstaaten nach den genannten Bestimmungen dieser Verordnung unterliegen, oder die über diese Pflichten hinausgehen(25 ).
46. Was insbesondere die vom vorlegenden Gericht geäußerten Zweifel an der Vereinbarkeit der von der italienischen Regierung angewandten Methode zur Festlegung des Betrags der Obergrenze mit den Erwägungsgründen 28 und 29 der Verordnung 2022/1854 betrifft, ist festzustellen, dass diese Vorschriften in erster Linie darauf abzielen, die Wahl des Betrags der Obergrenze von 180 Euro je MWh durch den Unionsgesetzgeber in Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung zu erläutern und den Mitgliedstaaten im Rahmen der Berechnung ihrer nationalen Obergrenze Hinweise zu geben, ohne jedoch irgendeine konkrete Modalität für die Einführung einer solchen Obergrenze vorzuschreiben(26 ); die einzige Verpflichtung ist insoweit die Erfüllung der in Art. 8 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Bedingungen(27 ).
47. Was als Zweites andere Kriterien als die des Betrags der Obergrenze im eigentlichen Sinne und die Modalitäten ihrer Berechnung betrifft, die von den Mitgliedstaaten bei der Einführung dieser Obergrenze zu berücksichtigen sind, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c der Verordnung 2022/1854 die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Höhe der Obergrenze so festgelegt wird, dass die Investitionssignale nicht gefährdet sind und dass sichergestellt ist, dass die Investitions- und Betriebskosten gedeckt sind, wobei es den Investoren gleichzeitig erlaubt sein muss, eine angemessene Marge in Bezug auf die Preise, die sie hätten erwarten können, zu erzielen.
48. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung der Vereinbarkeit der Höhe der von der italienischen Regierung gewählten Obergrenze im Hinblick auf die oben genannten Parameter auf einer tatsächlichen Beurteilung beruht, die die Besonderheiten des nationalen Marktes berücksichtigt, zu der letztlich allein das vorlegende Gericht befugt ist, das im Übrigen über die insoweit erforderlichen tatsächlichen Angaben verfügt(28 ). Obwohl es Sache des vorlegenden Gerichts ist, die möglichen negativen Auswirkungen zu beurteilen, die die streitige Vorschrift auf die Investitionen haben kann, und insbesondere der Frage nachzugehen, ob der Referenzpreis in einer Höhe festgesetzt wurde, die über diese Erwartungen hinausgeht und die Grenzen dessen überschreitet, was als erforderlich und verhältnismäßig angesehen werden konnte, kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht gleichwohl Hinweise dazu geben. Folgende Kriterien sind meines Erachtens im Rahmen der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung relevant.
49. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der zeitliche Anwendungsbereich der streitigen Vorschrift auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist, da es um eine Notfallmaßnahme im Zusammenhang mit den besonderen Marktbedingungen infolge des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine geht(29 ). Insoweit ist festzuhalten, dass die von der Verordnung 2022/1854 vorgesehenen Maßnahmen für sich betrachtet keine ständigen Eingriffe in den Markt sind, sondern punktuelle Eingriffe darstellen, die dazu bestimmt sind, außergewöhnliche Umstände zu bewältigen.
50. Die Dauer einer Maßnahme und ihr außergewöhnlicher Charakter sind Kriterien, die bei der Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit einer bestimmten Maßnahme zu berücksichtigen sind, um das Ausmaß ihrer Auswirkungen zu beurteilen(30 ), insbesondere wenn es, wie im vorliegenden Fall, darum geht, die Auswirkungen auf bestehende Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu prüfen, bei denen es sich ihrem Wesen nach um langfristige Investitionen handelt. Dies gilt im Übrigen umso mehr, wenn sich die Prüfung auf die Auswirkungen der streitigen Vorschrift auf künftige Investitionen bezieht, die in Anbetracht des Umstands, dass die fragliche Obergrenze zeitlich beschränkt ist, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dieser Obergrenze unterliegen werden, da der Produktionszyklus der meisten dieser Anlagen erst nach dem Auslaufen der fraglichen Regelung beginnt(31 ).
51. Zweitens ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Verordnung 2022/1854, dass die Obergrenze für Markterlöse so festzulegen ist, dass sie Überschusserlöse abdeckt, wobei Überschusserlöse, die von den Investoren zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung nicht erwartet werden konnten, zu berücksichtigen sind. Solche außergewöhnlichen Gewinne könnten jedoch per definitionem nicht den Erlösen entsprechen, mit denen die betroffenen Unternehmen hätten rechnen können, wenn die unvorhersehbaren Umstände auf den Energiemärkten nicht eingetreten wären(32 ).
52. Insoweit ist klarzustellen, dass der von Secab geltend gemachte Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer darauf bei jedem Eingriff der Behörden berufen kann, der darauf abzielt, ein Marktversagen zu beheben, insbesondere wenn dieser Eingriff in Form einer Notfallmaßnahme nach einem beispiellosen und damit unvorhersehbaren Ereignis erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs steht die Möglichkeit, sich auf diesen Grundsatz zu berufen, jedem Wirtschaftsteilnehmer offen, bei dem eine nationale Behörde begründete Erwartungen geweckt hat(33 ). Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Maßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen. Insbesondere können Wirtschaftsteilnehmer nach dieser Rechtsprechung nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen, die die nationalen Behörden im Rahmen ihres Ermessens ändern könnten.
53. Im vorliegenden Fall konnte jedoch bei den betroffenen Unternehmen durch das Verhalten der nationalen Behörden keine Erwartung hinsichtlich der Erzielung solch außergewöhnlicher Erlöse entstehen, da diese Behörden unverzüglich tätig wurden, um Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um dem unvorhersehbaren Anstieg der Gaspreise zu begegnen. Ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer hätte nämlich angesichts der außergewöhnlichen Situation und ihrer erheblichen Auswirkungen nicht nur auf den Energiemarkt, sondern ganz allgemein auf die Wirtschaft, mit einem solchen Eingriff rechnen müssen. Ebenso wenig konnte eine Erwartung bestehen, die auf der Erzielung von Gewinnen aufgrund einer außergewöhnlichen Situation beruhte, mit der ein solcher Wirtschaftsteilnehmer zum Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung nicht rechnen konnte(34 ).
54. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Rückgriff der italienischen Regierung auf ein objektives Kriterium, das auf die Marktgegebenheiten vor der Energiekrise gestützt ist, wie das arithmetische Mittel der Preise in den zehn Jahren vor der Energiekrise, zur Festlegung der Obergrenze meines Erachtens geeignet ist, die Anforderungen der Verordnung 2022/1854 in Bezug auf Erwartungen der Investoren zum Zeitpunkt ihrer Investition zu erfüllen, um sicherzustellen, dass die fragliche Obergrenze auf einem Preisniveau festgelegt wird, das die Investoren vernünftigerweise vorhersehen konnten(35 ).
55. Drittens ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Wortlaut der Verordnung 2022/1854 ergibt, dass zu den Umständen, die bei der Bewertung der Auswirkungen der streitigen Vorschrift auf die Investitionen zu berücksichtigen sind, die Kostenstruktur der betreffenden Anlagen und insbesondere die Stromgestehungskosten (levelised cost of energy)(36 ) für die in Rede stehende Technologie gehören(37 ). Es scheint, dass Energieanlagen, die mit erneuerbaren Quellen betrieben werden und auf die die streitige Vorschrift abzielt, vor allem Fixkosten zu bestreiten haben, während die variablen Kosten viel geringer sind. Im Übrigen tragen diese Anlagen, wie auch das vorlegende Gericht ausgeführt hat, Kosten, die von der Entwicklung der Erdgaspreise unabhängig sind, da sie nicht Erdgas als Rohstoff für die Energieerzeugung verwenden. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen scheint es, dass die Kostenstruktur der Erzeuger erneuerbarer Energien wie Secab trotz des unvorhersehbaren Anstiegs der Preise für fossile Brennstoffe und insbesondere für Gas, der keine Auswirkungen auf die Energieerzeugungskosten dieser Betreiber hat, weitgehend unverändert geblieben ist(38 ).
56. Viertens ist darauf hinzuweisen, dass der in der streitigen Vorschrift vorgesehene Begrenzungsmechanismus in Wirklichkeit „zweiseitig“ ist, da er zum einen nicht nur die Begrenzung der Erlöse im Fall eines übermäßigen Anstiegs der Marktpreise ermöglicht, sondern auch eine gesetzliche Verpflichtung schafft, die betreffenden Erzeuger im Fall eines übermäßigen Rückgangs der Marktpreise zu entschädigen, insbesondere wenn die Großhandelspreise unter den angegebenen Durchschnittspreis fallen(39 ). Wenn jedoch dieser (Referenz‑)Preis in einer Höhe festgelegt wird, die es den betreffenden Unternehmen ermöglicht, ihre Kosten zu decken und eine „angemessene Marge“ in Bezug auf den Preis zu erzielen, den die Investoren hätten erwarten können – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat –, so ist ein solcher Mechanismus geeignet, die Investitionen in erneuerbare Energien zu schützen.
57. Als Drittes schließlich weise ich darauf hin, dass die mit der Verordnung 2022/1854 eingeführten Maßnahmen nicht nur darauf abzielen, die Struktur und das Funktionieren der Energiemärkte in der Union aufrechtzuerhalten, sondern ganz allgemein auch darauf, die negativen Auswirkungen der Energiekrise auf die Wirtschaft der Mitgliedstaaten und die europäischen Bürger abzumildern. Was speziell den Verbraucherschutz betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 der Verordnung 2022/1854 ausdrücklich vorsieht, dass Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden können, mit denen Endkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern(40 ).
58. Wenngleich das vorlegende Gericht den Aspekt des Verbraucherschutzes nicht erwähnt hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung 2022/1854 als Notfallmaßnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses einen Ausgleich der Interessen zum einen der Energieerzeuger, einschließlich des Schutzes ihrer Investitionen in erneuerbare Energien, und zum anderen der Verbraucher vornimmt. Daher ist der Mechanismus der Abschöpfung und Umverteilung von Überschusserlösen gerechtfertigt, weil es erforderlich ist, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen diesen Erzeugern und insbesondere jenen, die unerwartet von dem unvorhersehbaren Anstieg der Energiepreise profitiert haben, und den Stromverbrauchern, die durch den Anstieg der Strompreise infolge der Energiekrise besonders belastet wurden(41 ).
59. Nach alledem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage in ihrer umformulierten Fassung zu antworten, dass Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2019/944, die Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie 2018/2001 sowie die Erwägungsgründe 27, 28, 29, 39 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2022/1854 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass die Obergrenze für Markterlöse anhand des arithmetischen Mittels der Preise bestimmt wird, die in dem entsprechenden Marktgebiet im letzten Jahrzehnt erfasst und an die Inflation angepasst wurden, sofern die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Bedingungen erfüllt sind.
V. Ergebnis
60. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Vorlagefrage des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht der Lombardei, Italien) wie folgt zu beantworten:
Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU, die Erwägungsgründe 2, 3 und 12 der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie die Erwägungsgründe 27, 28, 29, 39 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom 6. Oktober 2022 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise
sind dahin auszulegen, dass
dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass die Obergrenze für Markterlöse anhand des arithmetischen Mittels der Preise bestimmt wird, die in dem entsprechenden Marktgebiet im letzten Jahrzehnt erfasst und an die Inflation angepasst wurden, sofern die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b und c genannten Bedingungen erfüllt sind.