C-389/21 P – EZB/ Crédit lyonnais

C-389/21 P – EZB/ Crédit lyonnais

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Language of document : ECLI:EU:C:2023:368

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

4. Mai 2023(*)

„Rechtsmittel – Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Verordnung (EU) Nr. 575/2013 – Berechnung der Verschuldungsquote – Risikomessgröße – Art. 429 Abs. 14 – Ausschluss von Risikopositionen, die bestimmte Anforderungen erfüllen – Teilweise Verweigerung der Erlaubnis – Ermessen der Europäischen Zentralbank (EZB) – Nichtigkeitsklage – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Gerichtliche Kontrolle“

In der Rechtssache C‑389/21 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Juni 2021,

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch F. Bonnard, M. Ioannidis, R. Ugena und C. Zilioli als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Crédit lyonnais mit Sitz in Lyon (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwältinnen A. Champsaur und A. Delors,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2022,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. April 2021, Crédit lyonnais/EZB (T‑504/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:185), mit dem das Gericht der Klage von Crédit lyonnais auf Nichtigerklärung des nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) sowie nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1, berichtigt in ABl. 2013, L 321, S. 6) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/62 der Kommission vom 10. Oktober 2014 (ABl. 2015, L 11, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 575/2013) ergangenen Beschlusses ECB‑SSM‑2019‑FRCAG‑39 der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 3. Mai 2019 (im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit dieser Beschluss Crédit lyonnais nicht erlaubt, bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote bestimmte Risikopositionen unberücksichtigt zu lassen, stattgegeben hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Verordnung Nr. 575/2013

2        Die Erwägungsgründe 90, 91 und 94 der Verordnung Nr. 575/2013 lauten:

„(90)      Die Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise waren durch ein exzessives Wachstum der Risikopositionen von Instituten im Verhältnis zu ihren Eigenmitteln (Verschuldung) gekennzeichnet. Während der Finanzkrise sahen sich Institute aufgrund von Verlusten und Refinanzierungsengpässen gezwungen, diese Verschuldung innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums deutlich zu verringern. Dies verstärkte den Abwärtsdruck auf Vermögenspreise und führte zu weiteren Verlusten für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, so dass sich deren Eigenmittel weiter verringerten. Infolge dieser Negativspirale kam es zu einer Kreditknappheit in der Realwirtschaft und es entstand eine tiefere und länger andauernde Krise.

(91)      Risikobasierte Eigenmittelanforderungen sind von wesentlicher Bedeutung, um sicherzustellen, dass genügend Eigenmittel zur Deckung unerwarteter Verluste zur Verfügung stehen. Die Krise hat jedoch gezeigt, dass diese Anforderungen alleine nicht ausreichen, um Institute davon abzuhalten, exzessive, auf Dauer nicht tragbare Verschuldungsrisiken einzugehen.

(94)      Die Verschuldungsquote ist ein neues Regelungs- und Aufsichtsinstrument der [Europäischen] Union. Es sollte im Einklang mit internationalen Vereinbarungen zunächst als ergänzendes Werkzeug eingeführt werden, das nach Ermessen der Aufsichtsbehörden auf einzelne Institute angewandt werden kann. Die Meldepflichten der Institute würden eine angemessene Überprüfung und Kalibrierung und einen Übergang zu einer verbindlichen Maßnahme im Jahr 2018 ermöglichen.“

3        Art. 4 Abs. 1 Nrn. 93 und 94 dieser Verordnung sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

93.      ‚Verschuldung‘ die an den Eigenmitteln eines Instituts gemessene relative Höhe der Aktiva, außerbilanziellen Verpflichtungen und Eventualverpflichtungen zu Zahlung[,] Lieferung oder dem Stellen von Sicherheiten, einschließlich Verpflichtungen aus erhaltenen Finanzierungen, gegebenen Zusagen, Derivaten oder Rückkaufsvereinbarungen, aber ausschließlich Verpflichtungen, die nur bei Liquidation des Instituts eingefordert werden können;

94.      ‚Risiko einer übermäßigen Verschuldung‘ das Risiko, das aus der Anfälligkeit eines Instituts aufgrund von Verschuldung oder Eventualverschuldung erwächst, die möglicherweise unvorgesehene Korrekturen seines Geschäftsplans erfordert, einschließlich der Veräußerung von Aktiva in einer Notlage, was zu Verlusten oder Bewertungsanpassungen der verbleibenden Aktiva führen könnte[.]“

4        Art. 116 Abs. 4 der Verordnung Nr. 575/13 bestimmt:

„In Ausnahmefällen können Risikopositionen gegenüber öffentlichen Stellen behandelt werden wie Risikopositionen gegenüber dem Zentralstaat oder der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft, in dessen bzw. deren Hoheitsgebiet sie ansässig sind, sofern nach Ansicht der zuständigen Behörden des betreffenden Hoheitsgebiets aufgrund einer vom Zentralstaat oder der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft gestellten angemessenen Garantie kein Unterschied zwischen den Risiken der Positionen besteht.“

5        In Art. 412 Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

„Institute müssen über liquide Aktiva verfügen, deren Gesamtwert die Liquiditätsabflüsse abzüglich der Liquiditätszuflüsse unter Stressbedingungen abdeckt, damit gewährleistet wird, dass sie über angemessene Liquiditätspuffer verfügen, um sich einem möglichen Ungleichgewicht zwischen Liquiditätszuflüssen und ‑abflüssen unter erheblichen Stressbedingungen während 30 Tagen stellen zu können. …“

6        Art. 429 Abs. 2 und 14 der Verordnung Nr. 575/2013 sieht vor:

„(2)      Die Verschuldungsquote ist der Quotient aus der Kapitalmessgröße eines Instituts und seiner Gesamtrisikopositionsmessgröße und wird als Prozentsatz angegeben.

(14)      Die zuständigen Behörden dürfen einem Institut erlauben, in seinen Risikomessgrößen Risikopositionen unberücksichtigt zu lassen, die folgende Anforderungen erfüllen:

a)      Es handelt sich um Risikopositionen gegenüber einer öffentlichen Stelle.

b)      Sie werden in Übereinstimmung mit Artikel 116 Absatz 4 behandelt.

c)      Sie stammen aus Einlagen, zu deren Übertragung an die unter Punkt a erwähnte öffentliche Stelle das Institut rechtlich verpflichtet ist, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren.“

7        Art. 429a Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 575/2013 in der durch die Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und Rates vom 20. Mai 2019 (ABl. 2019, L 150, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 575/2013), die gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verordnung 2019/876 ab dem 28. Juni 2021 gilt, sieht vor:

„(1)      Abweichend von Artikel 429 Absatz 4 kann ein Institut die folgenden Risikopositionen aus seiner Gesamtrisikopositionsmessgröße ausschließen:

j)      Risikopositionen, die alle folgenden Bedingungen erfüllen:

i)      Es handelt sich um Risikopositionen gegenüber einer öffentlichen Stelle;

ii)      sie werden in Übereinstimmung mit Artikel 116 Absatz 4 behandelt;

iii)      sie stammen aus Einlagen, zu deren Übertragung an die unter Ziffer i erwähnte öffentliche Stelle das Institut rechtlich verpflichtet ist, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren[.]“

 Verordnung Nr. 1024/2013

8        Im 55. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 heißt es:

„Die Übertragung von Aufsichtsaufgaben geht mit einer erheblichen Verantwortung der EZB für den Schutz der Finanzmarktstabilität in der Union und mit der Verpflichtung einher, die Aufsichtsbefugnisse auf möglichst wirksame und verhältnismäßige Weise auszuüben. …“

9        Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 3 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:

d)      Gewährleistung der Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte, die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute in Bezug auf Eigenmittelanforderungen, Verbriefung, Beschränkungen für Großkredite, Liquidität, Verschuldungsgrad sowie Meldung und Veröffentlichung entsprechender Informationen festlegen;

(3)      Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. …“

10      Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 lautet:

„Die EZB nimmt ihre Aufgaben innerhalb eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus wahr, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht. Die EZB ist dafür verantwortlich, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

11      Crédit lyonnais ist eine als Kreditinstitut zugelassene Aktiengesellschaft französischen Rechts. Das Institut ist eine Tochtergesellschaft der Crédit agricole SA und unterliegt als solche der unmittelbaren Aufsicht der EZB.

12      Am 5. Mai 2015 beantragte Crédit agricole bei der EZB im eigenen Namen und im Namen der Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe, zu denen Crédit lyonnais gehört, die Erlaubnis, bei der Berechnung der Verschuldungsquote die Risikopositionen gegenüber der Caisse des dépôts et consignations (Hinterlegungs- und Konsignationszentralkasse, Frankreich, im Folgenden: CDC) in ihren Risikomessgrößen unberücksichtigt zu lassen, die aus den Einlagen auf das Livret A (Sparbuch A), das Livret d’épargne populaire (Volkssparbuch) und das Livret de développement durable et solidaire (Sparbuch für nachhaltige und solidarische Entwicklung) stammen, die nach der geltenden französischen Regelung zwingend an die CDC übertragen werden müssen (im Folgenden zusammen: reglementierte Sparformen).

13      Mit Beschluss vom 24. August 2016 verweigerte die EZB Crédit agricole die begehrte Erlaubnis. Dieser Beschluss wurde durch das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472) für nichtig erklärt.

14      Am 26. Juli 2018 beantragte Crédit agricole im eigenen Namen und im Namen der Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe, zu denen Crédit lyonnais gehört, bei der EZB erneut die Erlaubnis, bei der Berechnung der Verschuldungsquote die Risikopositionen gegenüber der CDC in ihren Risikomessgrößen unberücksichtigt zu lassen, die aus den Einlagen auf die Sparbücher für reglementierte Sparformen (im Folgenden: reglementierte Sparbücher) stammen.

15      Nachdem die EZB einen Beschlussentwurf an Crédit agricole übermittelt und deren Stellungnahme hierzu erhalten hatte, erließ sie am 3. Mai 2019 den streitigen Beschluss.

16      Mit diesem Beschluss wurde Crédit agricole und den Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe – mit Ausnahme von Crédit lyonnais – erlaubt, bei der Berechnung der Verschuldungsquote alle ihre Risikopositionen gegenüber der CDC in ihren Risikomessgrößen unberücksichtigt zu lassen, die aus den Einlagen auf die reglementierten Sparbücher stammen. Crédit lyonnais hingegen wurde lediglich erlaubt, 66 % hiervon unberücksichtigt zu lassen.

17      Zur Stützung dieses Beschlusses führte die EZB aus, dass die Anforderungen von Art. 429 Abs. 14 Buchst. a bis c der Verordnung Nr. 575/2013 vorliegend erfüllt seien. Da die EZB der Auffassung war, dass sie bei der Gewährung einer Ausnahme nach dieser Bestimmung über ein Ermessen verfüge, wandte sie eine Methodik an, die drei Gesichtspunkte berücksichtigte: die Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung, das Risiko von Notverkäufen und den Grad der Konzentration der Risikopositionen gegenüber der CDC aus Einlagen auf reglementierte Sparbücher.

18      Im Ergebnis war die EZB der Ansicht, dass Risikopositionen der ihrer Aufsicht unterliegenden Institute gegenüber der CDC ein geringes Risiko aufwiesen. Im Hinblick auf Crédit lyonnais vertrat die EZB auf der Grundlage der Bewertung der drei Gesichtspunkte ihrer Methodik und insbesondere des zehntägigen Anpassungszeitraums zwischen den Positionen dieses Kreditinstituts und den Positionen der CDC, auf der Grundlage der erhöhten und zunehmenden Konzentration der Risikopositionen dieses Kreditinstituts gegenüber der CDC in Verbindung mit reglementierten Sparformen sowie auf der Grundlage des Umstands, dass Crédit lyonnais von dem auf der Ebene der Crédit-agricole-Gruppe existierenden Solidaritätsmechanismus nicht erfasst sei, jedoch die Auffassung, dass es ein Gleichgewicht zwischen dem Interesse daran, eine neutrale Verschuldungsquote im Hinblick auf Risiken anzuwenden, und dem Interesse, bestimmte Risikopositionen mit geringem Risiko auszunehmen, rechtfertige, Crédit lyonnais zu erlauben, bei der Berechnung der Verschuldungsquote lediglich 66 % ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC unberücksichtigt zu lassen.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

19      Mit am 12. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Crédit lyonnais Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses, soweit es dieser ihr nicht erlaubt, bei der Berechnung der Verschuldungsquote alle ihre Risikopositionen gegenüber der CDC, die aus den Einlagen auf die reglementierten Sparbücher stammen, in ihrer Risikomessgröße unberücksichtigt zu lassen.

20      Crédit lyonnais stützte ihre Klage auf drei Gründe: erstens einen Verstoß gegen Art. 266 AEUV wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), durch die EZB, zweitens einen Verstoß gegen Art. 429 Abs. 14 und Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 sowie drittens offensichtliche Beurteilungsfehler der EZB.

21      Das Gericht wies den ersten und den zweiten Klagegrund zurück, führte aber in Rn. 69 des angefochtenen Urteils aus, dass das im dritten Teil des ersten Klagegrundes enthaltene Vorbringen hinsichtlich der Frage, ob die von der EZB vorgenommene Beurteilung mit Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), im Einklang stehe, zusammen mit dem dritten Klagegrund zu prüfen sei.

22      In den Rn. 101 bis 123 des angefochtenen Urteils prüfte das Gericht den ersten Teil des dritten Klagegrundes betreffend einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, den die EZB im streitigen Beschluss bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen begangen habe.

23      Im Rahmen dieser Prüfung führte das Gericht als Erstes in den Rn. 107 bis 114 des angefochtenen Urteils aus, dass reglementierte Sparformen bestimmte wesentliche Merkmale aufwiesen: erstens ihre Eigenschaft als „Fluchtwert“ im Fall einer Bankenkrise, die im streitigen Beschluss nicht erwähnt werde, zweitens die Existenz einer zweifachen Garantie der Französischen Republik in Bezug auf die Einlagen reglementierter Sparformen sowie drittens den Umstand, dass diese Sparformen kaum geeignet seien, zur Bildung einer übermäßigen Verschuldung beizutragen, da sie an die CDC zu übertragen seien und somit im Unterschied zu anderen Arten von Bankeinlagen nicht in risikobehaftete oder nicht liquide Vermögenswerte investiert werden könnten.

24      Als Zweites stellte das Gericht in Rn. 105 sowie in den Rn. 115 bis 117 des angefochtenen Urteils fest, dass in Anbetracht der in den Rn. 107 bis 114 jenes Urteils dargelegten Gesichtspunkte die Begründung des streitigen Beschlusses, die zur Rechtfertigung auf die besondere Liquidität der reglementierten Sparformen verweise, für sich genommen nicht ausreiche, die Schlussfolgerung zu stützen, zu der die EZB im Hinblick auf Crédit lyonnais gelangt sei und wonach im vorliegenden Fall ein Risiko von Notverkäufen bestehe, so dass die Stichhaltigkeit dieser Schlussfolgerung von dem anderen Gesichtspunkt abhänge, auf den sich die EZB wesentlich gestützt habe, nämlich die Erfahrung aus den jüngsten Bankenkrisen.

25      Als Drittes führte das Gericht in den Rn. 118 bis 122 des angefochtenen Urteils in diesem Zusammenhang aus, dass das Beispiel, das die EZB herangezogen habe, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Erfahrung der jüngsten Bankenkrisen zeige, dass es massive Abhebungen gegeben habe, keine Einlagen betreffe, die in Anbetracht der in Rn. 23 des vorliegenden Urteils genannten Gesichtspunkte Merkmale aufwiesen, die denen der Einlagen reglementierter Sparformen hinreichend ähnlich seien.

26      In Rn. 123 des angefochtenen Urteils kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass dem ersten Teil des dritten Klagegrundes stattzugeben sei, da die EZB bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen nicht alle Merkmale der reglementierten Sparformen berücksichtigt habe. Hieraus leitete das Gericht in Rn. 124 seines Urteils ab, dass die EZB Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), nicht „zutreffend angewandt“ habe und dass damit dem Vorbringen hierzu im dritten Teil des ersten Klagegrundes stattzugeben sei.

27      In Rn. 125 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass der im streitigen Beschluss angegebene Grund hinsichtlich der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen rechtswidrig sei.

28      In Rn. 126 seines Urteils ging das Gericht in Anbetracht der von der EZB im streitigen Beschluss angewandten Methodik davon aus, dass die anderen Gründe des Beschlusses, die sich auf die Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung und auf den Konzentrationsgrad der Risikopositionen gegenüber der CDC beziehen, selbst wenn sie nicht rechtswidrig wären, die Weigerung der EZB gegenüber Crédit lyonnais nicht rechtfertigen könnten. Auf der Grundlage dieser Methodik hätte die Berücksichtigung allein dieser Gründe nämlich nach Ansicht des Gerichts nicht dazu geführt, dass es Crédit lyonnais verweigert worden wäre, ihr die in Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Ausnahme in vollem Umfang zu gewähren.

29      Folglich erklärte das Gericht, o hne das Vorbringen zu den anderen Gründen des streitigen Beschlusses zu prüfen, diesen Beschluss insoweit für nichtig, als die EZB es der Crédit lyonnais verweigert hatte, 34 % ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC, die aus Einlagen auf reglementierte Sparbücher stammen, bei der Berechnung der Verschuldungsquote in der Risikomessgröße unberücksichtigt zu lassen.

 Anträge der Parteien

30      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die EZB,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        Crédit lyonnais die Kosten aufzuerlegen.

31      Crédit lyonnais beantragt,

–        das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

32      Die EZB stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten Grund wird gerügt, das Gericht habe die Grenzen der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle missachtet. Der zweite, der dritte und der vierte Grund betreffen einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, die Verfälschung der vor dem Gericht vorgebrachten Beweismittel bzw. einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Nr. 94 und Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013.

 Vorbringen der Parteien

33      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund vertritt die EZB die Ansicht, das Gericht habe die Grenzen der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle missachtet.

34      Vorab führt die EZB aus, dass die Kontrollbefugnis der Unionsgerichte eingeschränkt sei, wenn die Organe oder Einrichtungen der Union insbesondere wegen den von ihnen vorzunehmenden komplexen wirtschaftlichen Bewertungen über ein weites Ermessen verfügten. Abgesehen von einer fehlenden oder mangelhaften Begründung, der Verfälschung von Tatsachen, einem Rechtsfehler und Befugnismissbrauch könnten die Unionsgerichte nur einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sanktionieren, den das betreffende Organ bzw. die betreffende Einrichtung beim Erlass des ihnen vorgelegten Beschlusses begangen habe, ohne jedoch die Beurteilung des Organs bzw. der Einrichtung durch ihre eigene zu ersetzen.

35      Aus dem Wortlaut von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 gehe hervor, dass die in dieser Bestimmung genannten zuständigen Behörden über ein weites Ermessen verfügten, insbesondere im Hinblick auf ihre technische Kompetenz auf dem Gebiet der Bankenaufsicht und die vertraulichen Informationen, zu denen sie dadurch Zugang haben können. Nach dieser Bestimmung könnten die zuständigen Behörden den von einem Institut beantragten Ausschluss von der Risikomessgröße erlauben oder verweigern, selbst wenn die betreffenden Risikopositionen die dort genannten Anforderungen erfüllten.

36      Das Gericht habe insoweit nicht dargetan, dass die Schlussfolgerungen der EZB im Hinblick auf die von ihr festgestellten Tatsachen ganz offensichtlich nicht stichhaltig gewesen seien. Tatsächlich habe es sich auf andere Gründe gestützt als diejenigen, die von der EZB zur Stützung des streitigen Beschlusses vorgebracht worden seien. Abgesehen davon, dass die vom Gericht herangezogenen Gründe unzutreffend seien, führe die von ihm im vorliegenden Fall ausgeübte Kontrolle dazu, dass ihm die Durchführung komplexer wirtschaftlicher Bewertungen übertragen werde.

37      Obwohl die EZB im streitigen Beschluss die Auffassung vertreten habe, dass das Risiko von Notverkäufen, auch wenn es wenig wahrscheinlich sei, dennoch existiere und dann, wenn es sich im Fall von Crédit lyonnais realisiere, in Anbetracht der Höhe der Risikopositionen dieses Kreditinstituts gegenüber der CDC zu hohen Verlusten führen könnte, habe das Gericht somit auf der Grundlage seiner eigenen Beurteilung bestimmter Merkmale der reglementierten Sparbücher den Schluss gezogen, dass ein solches Risiko im Fall von Crédit lyonnais nicht erwiesen sei. Daher habe das Gericht die von der EZB vorgenommene Beurteilung durch seine eigene ersetzt.

38      Eine solche Ersetzung sei im Hinblick auf mehrere Gründe des streitigen Beschlusses vorgenommen worden.

39      Die EZB wirft dem Gericht erstens vor, in den Rn. 107 bis 110 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen zu sein, dass Einlagen auf reglementierten Sparbüchern von den Einlegern nicht oder wahrscheinlich nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums in großer Höhe abgehoben würden, weil reglementierte Sparformen eine „Fluchtwert“-Eigenschaft aufwiesen. Die EZB habe diese Eigenschaft als „Fluchtwert“ im Fall einer Bankenkrise aber nicht ignoriert, sei jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Merkmal das Risiko massiver Abhebungen nicht vollständig ausschließen könne, da es an einer rechtlichen Regelung fehle, die die Möglichkeit der Einleger zur Vornahme von Abhebungen einschränke.

40      Nach Auffassung der EZB sind – trotz der kohärenten Argumentation zur Stützung des streitigen Beschlusses – die Beweismittel, auf die sich das Gericht im angefochtenen Urteil gestützt habe, wegen ihres zeitlichen Aspekts oder ihres allgemeinen Charakters nicht einschlägig. Sie seien vom Gericht falsch ausgelegt worden und seien nicht geeignet, die Schlussfolgerungen zu untermauern, die das Gericht in seinem Urteil aus ihnen ziehe.

41      Zweitens bringt die EZB vor, das Gericht sei in Rn. 113 des angefochtenen Urteils zu Unrecht davon ausgegangen, dass Einlagen auf reglementierten Sparbüchern, die von Crédit lyonnais an die CDC übertragen würden, kein Risiko einer übermäßigen Verschuldung hervorrufen könnten, obwohl sie im streitigen Beschluss die Ansicht vertreten habe, dass dieses Risiko, wenngleich es gering sei, nicht außer Acht gelassen werden dürfe.

42      Insoweit weist die EZB darauf hin, dass die Pflicht zur Übertragung eines Teils der Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern an die CDC eine der Anforderungen ist, die von den Risikopositionen nach Art. 429 Abs. 14 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/13 erfüllt werden müssen, damit sie bei der Berechnung der Verschuldungsquote aus der Risikomessgröße ausgeschlossen werden können. Indem das Gericht davon ausgegangen sei, dass diese Anforderung ausreiche, um jedwedes Risiko einer übermäßigen Verschuldung auszuschließen, habe es die Beurteilung der EZB durch seine eigene ersetzt und die Definition dieses Risikos in Art. 4 Abs. 1 Nr. 94 der Verordnung Nr. 575/2013 verkannt, die nicht darauf Bezug nehme, ob die Einlagen frei verwendet werden können. Um zu bestimmen, ob das Risiko einer übermäßigen Verschuldung im Sinne dieser Bestimmung besteht, ist nach Ansicht der EZB zu ermitteln, ob das Institut in der Lage ist, eine Verpflichtung zu dem Zeitpunkt zu erfüllen, an dem sie erfüllt werden muss, und, sollte dies nicht der Fall sein, ob es Notverkäufe vornehmen muss, um die Verpflichtung erfüllen zu können. Im vorliegenden Fall habe das Risiko einer übermäßigen Verschuldung nicht ausgeschlossen werden können, da es zum einen nicht gewiss gewesen sei, dass die von den Einlegern vorgenommenen Abhebungen der Beträge auf den reglementierten Sparbüchern zeitgleich durch die CDC in dieser Höhe erstattet würden, und es zum anderen an einer rechtlichen Regelung fehle, die die Möglichkeit zur Abhebung dieser Beträge einschränke.

43      Drittens führt die EZB aus, das Gericht sei in Rn. 122 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass die Einleger den Grad der Sicherheit der reglementierten Sparbücher als höher ansähen als denjenigen der Einlagen, die allein durch den Sicherungsmechanismus geschützt würden, der aus der Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) hervorgegangen sei, weil diese Sparbücher durch eine zweifache Garantie der Französischen Republik geschützt würden. Nach Ansicht des Gerichts trage diese zweifache Garantie dazu bei, zu verhindern, dass diese Sparformen von massiven Abhebungen innerhalb eines kurzen Zeitraums betroffen würden. Im streitigen Beschluss habe die EZB aber festgestellt, dass diese zweifache Garantie nicht jedwedes Risiko massiver Abhebungen innerhalb eines solchen Zeitraums verhindern könne und dass dieses Risiko daher bei der Bewertung des Risikos einer übermäßigen Verschuldung zu berücksichtigen sei.

44      Viertens macht die EZB geltend, das Gericht habe in Rn. 116 des angefochtenen Urteils ihre Beurteilung durch seine eigene ersetzt, als es davon ausgegangen sei, dass der liquide Charakter der Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern dazu beitrage, dass diese Sparbücher in Krisenzeiten die Eigenschaft als „Fluchtwert“ besäßen. Die EZB habe aber festgestellt, dass dem Umstand Rechnung zu tragen sei, dass es der liquide Charakter reglementierter Sparformen verhindere, jedwedes Risiko massiver Abhebungen innerhalb eines kurzen Zeitraums auszuschließen.

45      Darüber hinaus stütze sich das Gericht auf einen Auszug aus dem Jahresbericht des Observatoire de l’épargne réglementée (Institut zur Beobachtung der reglementierten Sparformen, Frankreich), dessen Inhalt die Schlussfolgerungen, die das Gericht daraus ziehe, nicht untermauern könne.

46      Crédit lyonnais hält das Vorbringen der EZB für unbegründet.

47      Nach ihrem Dafürhalten hat das Gericht die Maßstäbe für die gerichtliche Kontrolle erfüllt, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Bereichen, in denen der Verfasser des Beschlusses, dessen Nichtigerklärung begehrt wird, über ein Ermessen verfügt, aufgestellt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bedeute diese Kontrolle – auch im Bereich der Währungspolitik –, dass geprüft werde, ob bestimmte verfahrensrechtliche Anforderungen eingehalten werden, zu denen die Pflicht zähle, sorgfältig und unparteiisch alle Gesichtspunkte des betreffenden Einzelfalls zu prüfen.

48      Das Gericht sei im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass sich die EZB im Rahmen ihrer Analyse der Merkmale der reglementierten Sparbücher, mit der das aufsichtsrechtliche Risiko in Verbindung mit den Risikopositionen von Crédit lyonnais gegenüber der CDC habe beurteilt werden sollen, ganz offensichtlich auf insoweit nicht einschlägige Gesichtspunkte gestützt habe und relevante Gesichtspunkte nicht berücksichtigt – oder bewusst außer Acht gelassen – habe, nämlich die Eigenschaft dieser Sparbücher als „Fluchtwert“ in Krisenzeiten, den Umstand, dass das Institut, bei dem die Einlagen auf diese Sparbücher eingezahlt würden, über diese nicht frei verfügen könne, sowie die zweifache Garantie der Französischen Republik.

49      Crédit lyonnais bestreitet das Vorbringen, das von der EZB gegen die Argumentation des Gerichts vorgetragen worden ist.

50      Crédit lyonnais macht erstens geltend, dass das Gericht eine Lücke in der Argumentation der EZB aufgezeigt habe. Denn die EZB habe sich ausschließlich darauf gestützt, dass die Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern liquide seien, ohne den „Fluchtwert“-Charakter zu berücksichtigen, den diese Sparbücher in Krisenzeiten hätten. Dieser Charakter, den die EZB nicht bestreite, bedeute, dass diese Sparbücher das Institut, bei dem auf diese Sparformen eingezahlt worden sei, nur in geringem Maße dem Risiko massiver Abhebungen in Krisenzeiten aussetzten.

51      Außerdem habe die EZB die Beweismittel, die Crédit lyonnais in ihrer Klage vorgelegt habe und die in die Begründung des angefochtenen Urteils eingeflossen seien, vor dem Gericht nicht beanstandet.

52      Zweitens habe das Gericht im Hinblick auf die Beurteilung des Verschuldungsrisikos zu Recht den Willen des Gesetzgebers, wie er in den Rn. 48 bis 51 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), dargestellt worden sei, und die Analysen der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) berücksichtigt. Darüber hinaus habe es lediglich festgestellt, dass die Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern den Instituten, bei denen sie eingezahlt würden, nicht zur freien Verfügung überlassen würden.

53      Drittens habe das Gericht hinsichtlich der zweifachen Garantie der Französischen Republik für die Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern in den Rn. 114 und 122 des angefochtenen Urteils lediglich festgestellt, dass das durch die Richtlinie 2014/49 eingerichtete Einlagensicherungssystem nicht dieselben Merkmale wie diese zweifache Garantie aufweise, insbesondere was die Wahrnehmung der Sicherheit der Einlagen durch die Sparer angehe. Mithin sei das Gericht davon ausgegangen, dass die Argumentation der EZB für die Beurteilung des Verschuldungsrisikos, dem Crédit lyonnais durch die Beträge auf den reglementierten Sparbüchern ausgesetzt werde, nicht einschlägig sei, da sie ausschließlich auf das durch diese Richtlinie eingerichtete System gestützt sei und die zweifache Garantie der Französischen Republik nicht berücksichtige.

54      Viertens habe das Gericht in Rn. 115 des angefochtenen Urteils alle Beweismittel berücksichtigt, die ihm im Rahmen der Prüfung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits vorgelegt worden seien, und keinen Rechtsfehler bei ihrer Auslegung begangen. Die EZB habe ihrerseits keine Beweise vorgelegt, die ihr Argument untermauerten, wonach der liquide Charakter der Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern für sich genommen ein Risiko für Notverkäufe schaffe. Mithin habe das Gericht in Rn. 116 des angefochtenen Urteils den Umstand berücksichtigt, dass der liquide Charakter tatsächlich Abhebungen durch die Sparer begünstigen könne; es habe aber eine Lücke in der Begründung des streitigen Beschlusses festgestellt, da dieser insoweit ausschließlich auf diesem Charakter gründe und die vorgelegten gegenteiligen Beweismittel außer Acht lasse.

 Würdigung durch den Gerichtshof

55      Wie das Gericht in Rn. 98 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt hat, darf, da die EZB über einen weiten Spielraum bei der Entscheidung verfügt, ob sie die Vergünstigung des Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 gewährt oder nicht, die richterliche Kontrolle, die das Unionsgericht über die Stichhaltigkeit der Gründe eines Beschlusses wie des streitigen Beschlusses ausüben muss, nicht dazu führen, dass es seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung durch die EZB setzt; vielmehr soll mit der Kontrolle überprüft werden, ob der Beschluss nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob er nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, EU:C:1979:14, Rn. 5, vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 76, vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 46, und vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 24).

56      Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter insbesondere nicht nur die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der angeführten Beweise prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 104, und vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen, C‑933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 117).

57      Wenn ein Organ über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügt, kommt nämlich der Beachtung der verfahrensrechtlichen Garantien eine große Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 11. Dezember 2018, Weiss u. a., C‑493/17, EU:C:2018:1000, Rn. 30).

58      Im vorliegenden Fall hat das Gericht, um über die Stichhaltigkeit der Beurteilung der EZB hinsichtlich des Bestehens eines Risikos von Notverkäufen zu befinden, zunächst in den Rn. 107 bis 114 des angefochtenen Urteils bestimmte Gesichtspunkte in Bezug auf die Merkmale der reglementierten Sparbücher beurteilt, die von Crédit lyonnais in ihrer Klageschrift vorgebracht worden waren, nämlich ihre Eigenschaft als „Fluchtwert“ in Zeiten von Bankenkrisen, den Umstand, dass das Institut, bei dem die Einlagen auf diese Sparbücher eingezahlt werden, über diese nicht frei verfügen könne sowie die zweifache Garantie der Französischen Republik, die diesen Einlagen zugutekomme.

59      Für diese Beurteilung hat das Gericht insbesondere die Merkmale der Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern und die Merkmale normaler Einlagen verglichen. So hat es in den Rn. 111 und 113 seines Urteils ausgeführt, dass letztere in Vermögenswerte investiert werden könnten, die zur Bildung einer übermäßigen Verschuldung beitragen könnten, während erstere kaum geeignet seien, zur Bildung einer solchen Verschuldung beizutragen.

60      Sodann hat das Gericht in Rn. 115 seines Urteils in Anbetracht der seiner Beurteilung der in den Rn. 107 bis 114 jenes Urteils dargelegten Gesichtspunkte festgehalten, dass die Begründung, die zur Rechtfertigung auf die besondere Liquidität der Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern verweise, für sich genommen nicht nachweisen könne, dass die Schlussfolgerung der EZB, wonach die Risikopositionen gegenüber der CDC für diese Einlagen ein Risiko für Notverkäufe darstellten, stichhaltig sei.

61      In Rn. 116 seines Urteils hat das Gericht weiter ausgeführt, dass aus den von Crédit lyonnais vorgelegten Beweisen hervorgehe, dass die Beurteilung der EZB über die Auswirkung der besonderen Liquidität dieser Einlagen auf das Risiko von Notverkäufen nicht berücksichtige, dass diese Liquidität auch die Eigenschaft der reglementierten Sparbücher als „Fluchtwert“ bei einer Bankenkrise ausmache, ebenso wie ihr höherer Grad an Sicherheit.

62      Schließlich hat das Gericht in Rn. 120 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Beispiel, auf dem die Schlussfolgerung der EZB beruhe, wonach die Risikopositionen gegenüber der CDC für die Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern ein Risiko für Notverkäufe darstelle, keine Einlagen betreffe, die Merkmale aufwiesen, die denen dieser Spareinlagen hinreichend nahekämen, um in relevanter Weise berücksichtigt werden zu können.

63      Insoweit hat das Gericht in Rn. 122 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf die Beurteilungen in den Rn. 107 bis 110 und 114 jenes Urteils festgestellt, dass sich die Eventualität, dass diese Einlagen im Krisenfall zum Gegenstand massiver und plötzlicher Abhebungen würden, von der Eventualität unterscheide, die die von der EZB im streitigen Beschluss als Beispiele herangezogenen Einlagen betreffe.

64      Hieraus hat das Gericht in den Rn. 125 und 126 des angefochtenen Urteils abgeleitet, dass der Grund des streitigen Beschlusses betreffend den Grad des Risikos von Notverkäufen „rechtswidrig“ sei und dass folglich die beiden anderen Gesichtspunkte der auch in Rn. 17 des vorliegenden Urteils genannten Methodik – nämlich die Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung und der Grad der Konzentration der Risikopositionen von Crédit lyonnais gegenüber der CDC – nicht dazu hätten führen dürfen, dass die EZB es Crédit lyonnais im streitigen Beschluss verweigerte, dieser die in Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Ausnahme für alle Risikopositionen dieses Kreditinstituts gegenüber der CDC zu gewähren. Daher hat es in Rn. 127 des angefochtenen Urteils den streitigen Beschluss insoweit für nichtig erklärt, als dieser es Crédit lyonnais verweigerte, 34 % dieser Risikopositionen bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen.

65      Aus den in den Rn. 58 bis 64 des vorliegenden Urteils genannten Randnummern des angefochtenen Urteils geht hervor, dass das Gericht zur Begründung der teilweisen Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zum einen eine eigene Beurteilung der Merkmale der reglementierten Sparformen vorgenommen hat. Dabei ist es insbesondere davon ausgegangen, dass die „Fluchtwert“-Eigenschaft der reglementierten Sparformen die Liquidität dieser Sparformen aufwiege. Zum anderen ist das Gericht der Ansicht gewesen, dass die EZB ihre sich auf die Erfahrung der jüngsten Bankenkrisen stützende Begründung auf ein Beispiel für Abhebungen von Einlagen gegründet habe, die Merkmale aufwiesen, die denen der reglementierten Sparformen nicht hinreichend ähnlich seien. Denn letztere unterschieden sich von den in diesem Beispiel genannten Einlagen durch den Umstand, dass das Institut, bei dem die Einlagen auf reglementierte Sparbücher eingezahlt werden, über diese nicht frei verfügen könne, und dadurch, dass sie eine „Fluchtwert“-Eigenschaft bei Bankenkrisen aufwiesen, die mit der zweifachen Garantie der Französischen Republik für diese Einlagen in Verbindung stehe.

66      Mithin ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Grad des Risikos von Notverkäufen, der aus seiner eigenen Beurteilung der Merkmale reglementierter Sparformen hervorgeht, und ihr kumulierter Effekt nicht hoch genug sei, um die Weigerung, bei der Berechnung der Verschuldungsquote alle Risikopositionen von Crédit lyonnais gegenüber der CDC aus der Risikomessgröße auszunehmen, zu rechtfertigen.

67      Als Erstes ist jedoch festzustellen, dass das Gericht die von der EZB vorgenommenen Feststellungen hinsichtlich der Merkmale der reglementierten Sparformen nicht in Frage gestellt hat; diese Feststellungen hatten sie zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass es diese Merkmale nicht erlaubten, jedwedes Risiko massiver Abhebungen gänzlich auszuschließen, die Crédit lyonnais dazu zwingen könnten, während des zehntägigen Zeitraums für die Anpassung ihrer eigenen Positionen und der Positionen der CDC Notverkäufe vorzunehmen.

68      So geht aus Rn. 116 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht bei der Beurteilung der Merkmale reglementierter Sparformen angenommen hat, dass die große Liquidität dieser Sparformen und die zweifache Garantie der Französischen Republik für die Einlagen auf den reglementierten Sparbüchern dazu beitrügen, ihnen die Eigenschaft eines „Fluchtwerts“ im Fall einer Bankenkrise zu verleihen. Wie aber die EZB vor dem Gerichtshof geltend macht, hatte diese im streitigen Beschluss bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen die Merkmale berücksichtigt, die ebendiesen Sparformen nach Ansicht des Gerichts die Eigenschaft eines „Fluchtwerts“ verleihen.

69      In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das Gericht die im streitigen Beschluss enthaltenen Feststellungen der EZB nicht in Frage gestellt hat, die die große Liquidität der reglementierten Sparformen wegen fehlender rechtlicher Vorschriften zur Begrenzung ihrer Abhebungen sowie die Crédit lyonnais obliegende Verpflichtung betreffen, die Einlagen während des zehntätigen Anpassungszeitraums zwischen ihren Positionen und denen der CDC zu erstatten.

70      Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Argumentation, auf deren Grundlage das Gericht den streitigen Beschluss teilweise für nichtig erklärt hat, die sachliche Richtigkeit, die Zuverlässigkeit und die Kohärenz der in diesem Beschluss berücksichtigten Beweise in Frage stellt, oder dass sie nachweist, dass diese Beweise nicht alle relevanten Daten darstellen, die vorliegend von der EZB heranzuziehen waren.

71      Soweit das Gericht gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der EZB berücksichtigten Daten nicht geeignet gewesen seien, die Schlussfolgerungen zu untermauern, die aus ihnen im streitigen Beschluss gezogen worden seien, ist als Zweites festzustellen, dass sich dieses Ergebnis des Gerichts aus seiner eigenen Beurteilung des Grades des Risikos von Notverkäufen ergibt; diese Beurteilung weicht, auch wenn sie auf denselben Gesichtspunkten beruht wie denen, die von der EZB berücksichtigt wurden, von der Beurteilung der EZB ab, ohne nachzuweisen, dass letztere offensichtlich fehlerhaft wäre.

72      Durch diese Argumentation hat das Gericht nicht kontrolliert, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorlag, was ihm nach der in den Rn. 55 bis 57 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung oblag, sondern hat in einem Fall, in dem der EZB ein weiter Ermessensspielraum zusteht, seine eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen dieses Organs gesetzt.

73      Was die vom Gericht in den Rn. 117 bis 122 des angefochtenen Urteils vorgenommene Beurteilung der auf der Erfahrung der jüngsten Bankenkrisen beruhenden Begründung der EZB anbelangt, hat das Gericht in seinem Urteil zudem nicht dargetan, inwieweit die in Rn. 121 jenes Urteils angeführten Erwägungen, wonach die Einlagen reglementierter Sparformen im Unterschied zu den in Rn. 118 seines Urteils genannten Sichteinlagen nicht in risikobehaftete oder nicht liquide Vermögenswerte investiert werden könnten, geeignet sind, zu belegen, dass die von der EZB vorgenommene Beurteilung des Szenarios massiver Abhebungen, von dem auszugehen sei, um das für Crédit lyonnais bestehende Risiko von Notverkäufen zu analysieren, offensichtlich fehlerhaft ist. Gleiches gilt für die Erwägungen in Rn. 122 des angefochtenen Urteils, die auf dem Unterschied zwischen der zweifachen Garantie der Französischen Republik für die reglementierten Sparbücher und dem aus der Richtlinie 2014/49 hervorgegangenen Sicherungsmechanismus beruhen.

74      Hieraus folgt, dass das Gericht den streitigen Beschluss, soweit er Crédit lyonnais betrifft, für nichtig erklärt hat, indem es seine eigene Beurteilung des für Crédit lyonnais bestehenden Risikos von Notverkäufen an die Stelle derjenigen der EZB gesetzt hat, ohne darzutun, inwieweit die in diesem Beschluss enthaltene Beurteilung der EZB insofern mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei. Dadurch hat es die in Rn. 55 des vorliegenden Urteils genannten Grenzen seiner gerichtlichen Kontrolle überschritten. Das Gericht ist ferner zu Unrecht davon ausgegangen, dass die EZB gegen ihre sich aus der in Rn. 57 des vorliegenden Urteils genannten Rechtsprechung ergebende Verpflichtung, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, verstoßen habe.

75      Nach alledem ist, ohne dass die anderen Gründe des Rechtsmittels geprüft zu werden brauchen, dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und folglich das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es dem ersten Teil des dritten Klagegrundes und teilweise dem dritten Teil des ersten Klagegrundes stattgibt sowie den streitigen Beschluss teilweise für nichtig erklärt.

 Zur Klage im ersten Rechtszug

76      Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

77      Dies ist in der vorliegenden Rechtssache der Fall, da der Gerichtshof über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über die Klage von Crédit lyonnais zu entscheiden.

78      Die Klage wird auf drei Klagegründe gestützt, die in Rn. 20 des vorliegenden Urteils aufgeführt sind.

79      Wie aus Rn. 21 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hat das Gericht den ersten Klagegrund mit Ausnahme des Vorbringens in dessen dritten Teil, mit dem ein Verstoß gegen Art. 266 AEUV gerügt wird, der sich aus einer fehlerhaften Durchführung von Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), durch die EZB ergibt, sowie den zweiten Klagegrund zurückgewiesen, ohne dass Crédit lyonnais die Begründetheit der vom Gericht im Hinblick hierauf vorgenommenen Beurteilungen im Rahmen eines Anschlussrechtsmittels in Abrede stellte. Unter diesen Umständen ist das angefochtene Urteil trotz der teilweisen Aufhebung dieses Urteils, die sich daraus ergibt, dass dem ersten Rechtsmittelgrund der EZB stattgegeben worden ist, hinsichtlich dieser Beurteilungen rechtskräftig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2021, Kommission/Fútbol Club Barcelona, C‑362/19 P, EU:C:2021:169, Rn. 109 bis 111).

80      Daraus folgt, dass nur der dritte Klagegrund sowie das in der vorstehenden Randnummer genannte Argument des dritten Teils des ersten Klagegrundes vom Gerichtshof zu prüfen sind.

 Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes und zum ersten Teil des dritten Klagegrundes

 Vorbringen der Parteien

81      Mit dem dritten Teil des ersten Klagegrundes und dem ersten Teil des dritten Klagegrundes, die zusammen zu prüfen sind, macht Crédit lyonnais geltend, dass die EZB bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen keine eingehende Analyse der Merkmale der reglementierten Sparbücher angestellt habe, obwohl sie eine solche gemäß der auch in Rn. 57 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hätte anstellen müssen.

82      Crédit lyonnais bringt als Erstes vor, dass mehrere ökonomische Studien und Berichte zeigten, dass diese Sparbücher bei Bankenkrisen wegen der Garantie der Französischen Republik zugunsten der Einlagen auf diesen Sparbüchern einen „Fluchtwert“ darstellten, was sie zu einem besonders sicheren Sparprodukt mache. Die Hypothese massiver Abhebungen dieser Einlagen in Krisenzeiten sei somit nicht glaubhaft.

83      Insoweit bestreitet Crédit lyonnais die Bezugnahme der EZB auf ein Szenario, bei dem 10 % bis 30 % der garantierten Einlagen innerhalb von weniger als fünf Tagen abgehoben würden; dies stelle eine Hypothese dar, die sich nicht nachweisen lasse und die nicht relevant sei.

84      Außerdem weise die EZB nicht nach, inwiefern der Zeitraum von zehn Tagen zwischen den Abhebungen der Einleger, die reglementierte Sparbücher besäßen, und der Erstattung der diesen Abhebungen entsprechenden Beträge durch die CDC an Crédit lyonnais im Rahmen der Beurteilung der Verschuldungsquote zu einem Liquiditätsrisiko führe, obwohl er im Rahmen der Liquiditätsquote kein solches Risiko darstelle, wie die EZB anerkannt habe.

85      Als Zweites ist Crédit lyonnais der Ansicht, dass die reglementierten Sparbücher unter einen Mechanismus fielen, der in der Bilanz ein strukturelles Gleichgewicht aufweise, da die auf diese Sparbücher eingezahlten Einlagen, die bei der CDC zentralisiert seien, Forderungen entsprächen, die Crédit lyonnais in gleicher Höhe gegen die CDC habe. Die auf diese Sparbücher eingezahlten Beträge könnten nicht in risikobehaftete Vermögenswerte investiert werden und seien vollumfänglich von der Pflicht der CDC zur Erstattung der Beträge der von den Sparern abgehobenen Einlagen gedeckt, so dass ein Institut wie Crédit lyonnais, bei dem diese Einlagen eingezahlt würden, keine Notverkäufe von Vermögenswerten durchführen müsse, um sich die erforderliche Liquidität für die Abhebungen zu verschaffen.

86      Als Drittes bringt Crédit lyonnais vor, dass der Umfang der auf die reglementierten Sparbücher eingezahlten Einlagen nicht von der Strategie des Kreditinstituts abhänge, bei dem sie eingezahlt würden, sondern von Faktoren außerhalb seiner Kontrolle. Das Institut fungiere als bloße Durchgangsstation zwischen dem Einleger und der CDC.

87      Diese Merkmale der reglementierten Sparbücher belegten, dass sie die Institute, bei denen die entsprechenden Einzahlungen vorgenommen würden, keinem Risiko einer übermäßigen Verschuldung aussetzten. Dies werde durch einen Bericht der EBA vom 3. August 2016 über Risikopositionen, denen spezifische Mechanismen gesetzlicher Garantien zugutekämen, bestätigt sowie durch Art. 429a Abs. 1 Buchst. j der geänderten Verordnung Nr. 575/2013.

88      Nach Ansicht der EZB ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

89      Wie in den Rn. 55 bis 57 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, verfügt die EZB über einen weiten Spielraum bei der Bestimmung, ob die Vergünstigung des Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 gewährt wird oder nicht, so dass die richterliche Kontrolle, die das Unionsgericht über die Stichhaltigkeit der Gründe eines Beschlusses wie des streitigen Beschlusses ausüben muss, nicht dazu führen darf, dass es seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung durch die EZB setzt; vielmehr soll mit der gerichtlichen Kontrolle überprüft werden, ob der Beschluss nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob er nicht mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist.

90      Im vorliegenden Fall war die EZB der Ansicht, dass die Risikopositionen gegenüber der CDC, die aus den auf reglementierte Sparbücher eingezahlten Einlagen stammen, für die ihrer Aufsicht unterliegenden Institute ein geringes Risiko darstellten, dass aber im Hinblick auf Crédit lyonnais ein aufsichtsrechtliches Risiko bestehe, dem dadurch Rechnung zu tragen sei, dass bei der Berechnung der Verschuldungsquote dieses Instituts der Ausschluss dieser Risikopositionen aus der Risikomessgröße auf 66 % zu begrenzen sei.

91      Im Rahmen der diesem Ergebnis zugrunde liegenden Analyse beurteilte die EZB unter Berücksichtigung der Merkmale der reglementierten Sparbücher – einschließlich, wie aus der Beurteilung der von Crédit agricole vorgelegten Stellungnahmen Nr. 2 und Nr. 4 explizit hervorgeht, der Merkmale betreffend das Vorliegen einer zweifachen Garantie der Französischen Republik –, ob die der Aufsicht durch die EZB unterliegenden Institute in einer Bankenkrise massiven Abhebungen innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgesetzt sein könnten, was es erforderlich machen könnte, im Geschäftsplan nicht vorgesehene Korrekturen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 94 der Verordnung Nr. 575/2013 vorzunehmen, einschließlich der Veräußerung von Aktiva in einer Notlage, um über die notwendigen Mittel für die Auszahlungsanfragen zu verfügen.

92      Hieraus geht hervor, dass die EZB eine voraussichtliche aufsichtsrechtliche Prüfung durchgeführt hat, indem sie ermittelte, welche Auswirkungen Ereignisse, deren Eintreten nicht gewiss ist, auf die Fähigkeit eines Instituts zur Bewältigung dieser Ereignisse haben könnten.

93      Um diese Analyse durchzuführen, muss sich zwar die EZB im Rahmen des weiten Ermessensspielraums, über den sie verfügt, auf Szenarien stützen, die im Hinblick auf die verfügbaren Daten nicht unwahrscheinlich sind, jedoch kann in Anbetracht der voraussichtlichen Natur dieser Analyse nicht davon ausgegangen werden, dass sie beweisen muss, dass es in der Vergangenheit Ereignisse mit denselben Merkmalen wie das analysierte Szenario gab.

94      Was die Bezugnahme auf ein Szenario von Abhebungen über 10 % bis 30 % der garantierten Einlagen innerhalb von weniger als fünf Tagen betrifft, von dem die EZB im streitigen Beschluss ausging, so ist nicht ersichtlich, dass dieses Szenario, das auf einem Beispiel beruht, das sich tatsächlich in einer Situation ereignet hat, die Gesichtspunkte aufweist, die mit den Risikopositionen gegenüber der CDC, die aus den Einlagen auf reglementierten Sparbüchern stammen, vergleichbar sind, offensichtlich unwahrscheinlich ist.

95      In diesem Zusammenhang lassen zwar die von Crédit lyonnais vorgetragenen Argumente und Gesichtspunkte hinsichtlich der „Fluchtwert“-Eigenschaft dieser Sparbücher, die insbesondere damit in Verbindung stehe, dass ihnen eine Garantie der Französischen Republik zugutekomme, die Feststellung zu, dass bei bestimmten Bankenkrisen in der Vergangenheit die Gesamthöhe von Einlagen auf bestimmten reglementierten Sparbüchern tendenziell zunahm.

96      Diese allgemeine Feststellung kann jedoch nicht dazu führen, dass das von der EZB im Rahmen ihrer voraussichtlichen Analyse des Risikos von Notverkäufen herangezogene Szenario einer wenn auch beschränkten Wahrscheinlichkeit, dass es im Fall einer Bankenkrise zu massiven Abhebungen reglementierter Sparformen kommt, die bei Crédit lyonnais eingezahlt wurden, jedwede Wahrscheinlichkeit verliert.

97      Zwar können, wie die EZB eingeräumt hat, die von Crédit lyonnais vorgebrachten Argumente und Gesichtspunkte, die diese Feststellung zulassen, erklären, dass Sparer unter Stressbedingungen oder bei Krisen auf den Finanzmärkten im Allgemeinen zulasten anderer Investitionsformen, die mehr risikobehaftet und weniger liquide sind, zu diesen sicheren und liquiden Anlageformen neigen. Gleichwohl können diese Argumente und Gesichtspunkte nicht dartun, dass jedwedes Risiko, dass die Einleger kurzfristig massive Abhebungen dieser Spareinlagen vornehmen, um sie etwa bei gesünderen Instituten zu reinvestieren, offenkundig ausgeschlossen sei. Das Vorbringen ist mithin zurückzuweisen.

98      Hinsichtlich des Vorhandenseins einer zweifachen Garantie der Französischen Republik in Bezug auf die reglementierten Sparformen weist Crédit lyonnais nicht nach, inwieweit die EZB im streitigen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als sie nicht davon ausgegangen sei, dass dieses Merkmal angesichts der Erfahrung der jüngsten Bankenkrisen dergestalt sei, dass es dieses Kreditinstitut vor jedwedem Risiko massiver Abhebungen und mithin vor jedwedem Risiko von Notverkäufen schützen könnte.

99      Was darüber hinaus das Vorbringen von Crédit lyonnais anbelangt, wonach die reglementierten Sparformen durch Vorgänge gekennzeichnet seien, die in der Bilanz des Instituts, bei dem solche Einlagen eingezahlt werden, ein strukturelles Gleichgewicht aufwiesen, ist darauf hinzuweisen, dass die EZB davon ausgegangen ist, dass in einem System zur Übertragung wie dem in der Anforderung nach Art. 429 Abs. 14 Buchst. c der Verordnung Nr. 575/13 vorgesehenen, die von den Risikopositionen gegenüber der CDC aus solchen Einlagen erfüllt wird, massive Abhebungen nicht an sich unzureichende Aktiva des Instituts, das diesen Auszahlungsanfragen nachkommen muss, zur Folge hätten, wenn das Institut in Ermangelung eines Mechanismus zur Begrenzung der Abhebungsmöglichkeit von den öffentlichen Stellen, an die diese Einlagen übertragen wurden, sofort diejenigen Beträge fordern und erhalten könnte, die den abgehobenen Beträgen entsprechen. Die EZB stellte jedoch im streitigen Beschluss fest, dass dies vorliegend nicht der Fall sei.

100    Sie berücksichtigte nämlich den Umstand, dass die auf die reglementierten Sparbücher eingezahlten Beträge an die CDC übertragen wurden, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren, und dass eine von der Französischen Republik garantierte Verpflichtung der CDC bestand, die von den Einlegern abgehobenen Beträge denjenigen Instituten zu erstatten, bei denen diese Einlagen eingezahlt werden. Die EZB war jedoch der Ansicht, dass der zehntägige Anpassungszeitraum zwischen der Abhebung der eingezahlten Beträge und der Erstattung der abgehobenen Beträge durch die CDC ein Risiko von Notverkäufen fortbestehen lasse.

101    Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Entscheidung der EZB, die auf einem nicht offenkundig unwahrscheinlichen Szenario von Abhebungen beruht und darin besteht, die Folgen zu berücksichtigen, die dieser zehntägige Anpassungszeitraum darauf haben könnte, dass das betroffene Institut auf im Geschäftsplan nicht vorgesehene Korrekturen – einschließlich eines Verkaufs von Aktiva in einer Notlage – zurückgreifen muss, die Grenzen des weiten Ermessensspielraums überschritten hat, über den dieses Organ verfügte, um den Grad des aufsichtsrechtlichen Risikos zu beurteilen, das für die Anwendung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 als relevant angesehen wird.

102    Diese Erwägung wird durch das Vorbringen von Crédit lyonnais nicht in Frage gestellt, wonach die EZB nicht dartue, inwieweit dieser zehntägige Anpassungszeitraum geeignet sei, im Rahmen der zur Bestimmung der Verschuldungsquote durchgeführten Beurteilung ein Liquiditätsrisiko entstehen zu lassen, obwohl dies im Rahmen der zur Bestimmung der Liquiditätsdeckungsanforderung vorgenommenen Beurteilung nicht der Fall sei.

103    Im streitigen Beschluss rechtfertigte die EZB nämlich die Berücksichtigung dieses zehntägigen Zeitraums, indem sie betonte, dass – anders als bei der Berechnung der Liquiditätsquote – bei der Berechnung der Verschuldungsquote kein angemessener spezifischer Zeithorizont bestimmt sei.

104    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie die EZB vor dem Gericht hervorgehoben hat, die insbesondere in Art. 412 der Verordnung Nr. 575/2013 geregelte Liquiditätsdeckungsanforderung darauf abzielt, dass der Gesamtwert der liquiden Aktiva „die Liquiditätsabflüsse abzüglich der Liquiditätszuflüsse unter Stressbedingungen abdeckt“, damit gewährleistet wird, dass die Institute „über angemessene Liquiditätspuffer verfügen, um sich einem möglichen Ungleichgewicht zwischen Liquiditätszuflüssen und ‑abflüssen unter erheblichen Stressbedingungen während 30 Tagen stellen zu können“. Die Verschuldungsquote wird ihrerseits insbesondere in Art. 429 der Verordnung Nr. 575/2013 geregelt und soll das Institut vor dem Risiko einer übermäßigen Verschuldung schützen, also vor dem Risiko, „das aus … Verschuldung oder Eventualverschuldung erwächst, die möglicherweise unvorgesehene Korrekturen seines Geschäftsplans erfordert, einschließlich der Veräußerung von Aktiva in einer Notlage, was zu Verlusten oder Bewertungsanpassungen der verbleibenden Aktiva führen könnte“. Während die Liquiditätsanforderung eine angemessene Abdeckung von Liquiditätsabflüssen unter erheblichen Stressbedingungen in einem Zeithorizont von 30 Tagen sicherstellen soll, zielt mithin die Verschuldungsquote ihrerseits darauf ab, zu vermeiden, dass ein Institut, das über keine angemessene Liquidität verfügt, gezwungen ist, Korrekturen vorzunehmen, wie etwa die Veräußerung von Aktiva „in einer Notlage“ zu wertgeminderten Bedingungen.

105    Die EZB führte aus, dass, falls 30 % der Einlagen reglementierter Sparformen innerhalb von weniger als fünf Tagen abgehoben werden sollten, dies für Crédit lyonnais ein Volumen von 5,4 Mrd. Euro bedeuten würde. Ihres Erachtens konnte die Eventualität dieses Volumens und solcher schnell erfolgenden Abhebungen für dieses Kreditinstitut nicht ausgeschlossen werden. Die EZB ist der Ansicht, dass das Kreditinstitut in diesem Fall möglicherweise im Geschäftsplan nicht vorgesehene Maßnahmen ergreifen müsste, einschließlich einer Veräußerung von Aktiva in einer Notlage, um über die erforderlichen Mittel für die Bedienung der Auszahlungsanträge zu verfügen.

106    Hieraus folgt, dass es in Anbetracht dieser sich aus der Verordnung Nr. 575/2013 ergebenden unterschiedlichen Zeithorizonte nicht ersichtlich ist, dass die Beurteilung der EZB in Bezug auf die Berücksichtigung des zehntägigen Zeitraums zwischen den Abhebungen der Einleger und der Erstattung durch die CDC im Rahmen der Anwendung von Art. 429 Abs. 14 dieser Verordnung mit einem offensichtlichen Fehler behaftet ist.

107    Darüber hinaus ist zum Vorbringen von Crédit lyonnais, wonach der Umfang der reglementierten Sparformen nicht von der Strategie des Instituts abhänge, bei dem sie eingezahlt würden, sondern von Faktoren außerhalb seiner Kontrolle, festzustellen, dass Crédit lyonnais lediglich Gesichtspunkte vorgetragen hat, die dartun können, dass Faktoren außerhalb ihres Handelns auch einen Einfluss auf diesen Umfang hatten. Crédit lyonnais hat weder behauptet noch nachgewiesen, dass sie keinerlei Einfluss auf den Umfang der Einlagen hatte, die auf die reglementierten Sparbücher eingezahlt wurden.

108    Unter diesen Umständen ist dieses Vorbringen von Crédit lyonnais zurückzuweisen.

109    Ebenso ist die Argumentation von Crédit lyonnais zurückzuweisen, die auf Art. 429a Abs. 1 Buchst. j der geänderten Verordnung Nr. 575/2013 und auf den in Rn. 87 des vorliegenden Urteils genannten Bericht der EBA gestützt ist.

110    Zum einen ist nämlich diese Bestimmung nach Erlass des streitigen Beschlusses in Kraft getreten und somit im Rahmen der vorliegenden Rechtssache in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar. Zudem hat diese Bestimmung ausweislich ihres Wortlauts nicht zum Gegenstand, bestimmte Risikopositionen, wie diejenigen in Verbindung mit reglementierten Sparformen, bei der Berechnung der Verschuldungsquote automatisch aus der Gesamtrisikopositionsmessgröße auszuschließen; vielmehr hat sie zum Gegenstand, die Verpflichtung der betreffenden Institute, die Erlaubnis der zuständigen Behörden für einen solchen Ausschluss einzuholen, zu beseitigen, indem sie diesen die Verantwortung überträgt, zu beurteilen, ob ein solcher Ausschluss für die Risikopositionen, die die Anforderungen der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllen, gerechtfertigt ist.

111    Sofern diese legislative Änderung bedeuten könnte, dass der Gesetzgeber der Ansicht war, dass Risikopositionen in Verbindung mit reglementierten Sparformen nicht zu einem Verschuldungsrisiko führten, ließe diese Feststellung zudem nicht die Annahme zu, dass die EZB die Situation von Crédit lyonnais anhand der Hinweise, die Art. 429a Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 575/2013 auf den Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf die künftige Regelung dieser Risikopositionen gebe, hätte behandeln müssen.

112    Was zum anderen den in Rn. 87 des vorliegenden Urteils genannten Bericht der EBA betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser für andere Risikopositionen als diejenigen, die aus Einlagen auf reglementierte Sparbücher stammen, die Anwendung eines Ausschlusses forderte, der dem aus Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 hervorgehenden entsprach.

113    In jedem Fall erlaubt es dieser Bericht, der für die EZB nicht verbindlich ist, wenn sie einen Beschluss auf der Grundlage dieses Artikels erlässt, allenfalls, darauf hinzuweisen, dass die EBA der Ansicht war, dass diese anderen Risikopositionen ebenfalls ein geringes Risikoprofil hätten, was – wie in Rn. 90 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist – der von der EZB im streitigen Beschluss hinsichtlich der reglementierten Sparbücher festgehaltenen Gesamtbeurteilung entspricht.

114    Nach alledem belegt Crédit lyonnais mit ihrem Vorbringen nicht, dass die Beurteilung der EZB hinsichtlich des durch die Risikopositionen dieses Instituts gegenüber der CDC, die aus den Einlagen auf reglementierte Sparbücher stammen, entstandenen Risikos von Notverkäufen, das dazu beigetragen hat, zu begründen, dass bei der Berechnung der Verschuldungsquote nur 66 % dieser Risikopositionen bei der Risikomessgröße unberücksichtigt gelassen werden, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet ist.

115    Folglich sind der erste Teil des dritten Klagegrundes und der dritte Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes

 Vorbringen der Parteien

116    Nach Ansicht von Crédit lyonnais legt die EZB keine Beweise vor, die die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Französischen Republik glaubhaft machen könnten und die eine – selbst teilweise – Verweigerung der Erlaubnis des in Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Ausschlusses begründen könnten.

117    Nach Meinung der EZB ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

118    In Nr. 2.2.1 des streitigen Beschlusses berücksichtigte die EZB die Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung, um zu beurteilen, ob bei einem Ausfall der CDC das Risiko besteht, dass diese Verwaltung nicht in der Lage ist, den unter Aufsicht stehenden Unternehmen die Beträge zu erstatten, die an die CDC übertragen wurden und die den auf die reglementierten Sparbücher eingezahlten Einlagen entsprachen, die von den Sparern abgehoben würden.

119    Aus dieser Nummer des streitigen Beschlusses ergibt sich zudem, dass die EZB nicht davon ausging, dass dieses Risiko für sich genommen „aufsichtsrechtliche Probleme“ aufwerfe, die rechtfertigten, dass sie den begehrten Ausschluss nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 nicht erlaubt.

120    Dennoch ging die EZB in Anbetracht der Beurteilung, die der Französischen Republik von externen Ratingagenturen, darunter Standard & Poor‘s, erteilt wurde und die nicht die „bestmögliche“ war, sowie angesichts der Notierung der Credit Default Swaps mit fünfjähriger Laufzeit, die eine „Ausfallwahrscheinlichkeit [dieses Landes implizierte], die nicht gleich null ist“, davon aus, dass die Höhe der Risikopositionen der ihrer Aufsicht unterliegenden Institute gegenüber der CDC ein relevantes Element darstelle, das für die Bewertung des aufsichtsrechtlichen Gesamtrisikos, das die Situation dieser Institute darstelle, zu berücksichtigen sei.

121    Hieraus ergibt sich, dass die EZB das Ausfallrisiko der Französischen Republik auf der Grundlage von Gesichtspunkten beurteilte, die vernünftigerweise den Schluss zuließen, dass das Risiko in Verbindung mit der Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung nicht gleich null war, ohne dass es Crédit lyonnais gelungen wäre, darzutun, dass diese Beurteilung mit einem offensichtlichen Fehler behaftet sei.

122    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend Sache der EZB war, im Rahmen der Umsetzung des ihr zur Verfügung stehenden weiten Ermessensspielraums zu bestimmen, ob das geringe Ausfallrisiko der Französischen Republik, das sie auf der Grundlage einer Beurteilung feststellte, die keinen offensichtlichen Fehler aufwies, bei der von ihr vorzunehmenden Beurteilung zu berücksichtigen ist.

123    Daraus folgt, dass in Anbetracht dieses weiten Ermessensspielraums nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Grad des festgehaltenen Risikos und dessen Auswirkung auf die Situation der ihrer Aufsicht unterliegenden Institute mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sind.

124    Daher ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes und mithin dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

125    Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

126    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

127    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

128    Da im vorliegenden Fall Crédit lyonnais unterlegen ist und die EZB sowohl vor dem Gerichtshof als auch vor dem Gericht beantragt hat, Crédit lyonnais die Kosten aufzuerlegen, sind dieser neben ihren eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die der EZB in Verbindung mit dem Verfahren im ersten Rechtszug und mit dem vorliegenden Rechtsmittel entstanden sind.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 14. April 2021, Crédit lyonnais/EZB (T504/19, EU:T:2021:185), wird aufgehoben, soweit es dem ersten Teil des dritten Klagegrundes und teilweise dem dritten Teil des ersten Klagegrundes stattgegeben hat und den Beschluss ECBSSM2019FRCAG39 der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 3. Mai 2019 insoweit für nichtig erklärt hat, als die EZB es darin der Crédit lyonnais verweigert hat, 34 % ihrer Risikopositionen gegenüber der Caisse des dépôts et consignations bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen.

2.      Die von Crédit lyonnais erhobene Klage in der Rechtssache T504/19 wird abgewiesen.

3.      Crédit lyonnais trägt die Kosten.

Unterschriften



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