C-118/24 – Laboratoires Eurogenerics und Theramex France

C-118/24 – Laboratoires Eurogenerics und Theramex France

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2025:815

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 23. Oktober 2025(1)

Rechtssache C118/24

EG Labo Laboratoires Eurogenerics SAS,

Theramex France SAS

gegen

Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM),

Biogaran SAS,

Beteiligte:

Eli Lilly Nederland BV,

Lilly France SAS

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums – Im dezentralisierten und abgekürzten Verfahren erteilte Genehmigung – Biologisches Arzneimittel als Referenzarzneimittel eines chemischen Arzneimittels – Richtlinie 2001/83/EG – Zuständigkeit des nationalen Gerichts eines betroffenen Mitgliedstaats für die Überprüfung der Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen “

I.      Einführung

1.        Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, bestimmte Aspekte des dezentralisierten Genehmigungsverfahrens für Arzneimittel zu präzisieren. Dieses Verfahren, das in der Richtlinie 2001/83/EG(2) geregelt ist, ermöglicht das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehreren Mitgliedstaaten und kann in vereinfachter Form durchgeführt werden, was den Antragsteller von der Verpflichtung zur Durchführung vorklinischer und klinischer Versuche befreit. Diese Möglichkeit besteht, kurz gesagt, wenn das betreffende Arzneimittel die Voraussetzungen erfüllt, um als Generikum eines bereits genehmigten Arzneimittels (im Folgenden: Referenzarzneimittel) angesehen zu werden.

2.        Die dem Gerichtshof vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) vorgelegten Fragen betreffen zwei Aspekte dieses Genehmigungsverfahrens.

3.        Der erste Aspekt ist der Umfang der in einem Mitgliedstaat zulässigen gerichtlichen Kontrolle der (Verwaltungs‑)Entscheidung, mit der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wird. Wie ich genauer ausführen werde, ist diese Frage einigermaßen komplex, weil das dezentralisierte Verfahren die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten erfordert; die sich daraus ergebenden nationalen Genehmigungen für das Inverkehrbringen werden erst nach Einholung des Einverständnisses dieser Behörden in Bezug auf das betreffende Arzneimittel erteilt. In der Vergangenheit warf dieser Aspekt des dezentralisierten Verfahrens Fragen hinsichtlich der Gerichte auf, die für die Kontrolle einer bestimmten im Rahmen dieses Verfahrens erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen zuständig sind, und hinsichtlich des Umfangs dieser Kontrolle. Der Gerichtshof hat diese Fragen in seinem Urteil in der Rechtssache Astellas Pharma(3) teilweise geklärt, und der vorliegende Fall gibt ihm die Gelegenheit, diese Rechtsprechung weiterzuentwickeln.

4.        Der zweite zu erörternde Aspekt betrifft den Begriff „Generikum“. Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob das den Generika vorbehaltene abgekürzte Verfahren (auch „vereinfachtes Verfahren“ genannt) auf ein durch chemische Synthese entwickeltes Erzeugnis Anwendung finden kann, obwohl das vom Antragsteller angegebene Referenzarzneimittel biologisch gewonnen wurde.

II.    Rechtlicher Rahmen

5.        Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 müssen „[a]lle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten“.

6.        Im dritten Erwägungsgrund wird ergänzt: „Dieses Ziel muss jedoch mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen können.“

7.        Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, „dass jene Fälle noch genauer bestimmt werden müssen, in denen für die Genehmigung eines Arzneimittels, das im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Arzneimittel gleicht, die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche und ärztlichen oder klinischen Prüfungen nicht angegeben werden brauchen, wobei darauf zu achten ist, dass innovative Unternehmen nicht benachteiligt werden“.

8.        Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie lautet: „Aus Gründen des Gemeinwohls ist es nicht möglich, Versuche an Menschen oder Tieren ohne zwingende Notwendigkeit durchzuführen.“

9.        Art. 8 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/83 sieht im Wesentlichen vor, dass dem Genehmigungsantrag die Ergebnisse von pharmazeutischen (physikalisch-chemischen, biologischen oder mikrobiologischen) Versuchen, vorklinischen (toxikologischen und pharmakologischen) Versuchen sowie klinischen Versuchen beizufügen sind.

10.      Art. 10 der Richtlinie 2001/83 sieht vor:

„(1)      Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der Gemeinschaft genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht.

Der in Unterabsatz 2 vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.

(2)      Im Sinne dieses Artikels bedeutet:

a)      ‚Referenzarzneimittel‘: ein gemäß Artikel 6 in Übereinstimmung mit Artikel 8 genehmigtes Arzneimittel;

b)      ‚Generikum‘: ein Arzneimittel, das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit. In diesem Fall müssen vom Antragsteller ergänzende Daten vorgelegt werden, die die Sicherheit und/oder Wirksamkeit der verschiedenen Salze, Ester oder Derivate eines zugelassenen Wirkstoffs belegen. Die verschiedenen oralen Darreichungsformen mit sofortiger Wirkstofffreigabe gelten als ein und dieselbe Darreichungsform. Dem Antragsteller können die Bioverfügbarkeitsstudien erlassen werden, wenn er nachweisen kann, dass das Generikum die relevanten Kriterien erfüllt, die in den entsprechenden ausführlichen Leitlinien festgelegt sind.

(4)      Erfüllt ein biologisches Arzneimittel, das einem biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist, die in der Definition von Generika enthaltenen Bedingungen nicht, weil insbesondere die Rohstoffe oder der Herstellungsprozess des biologischen Arzneimittels sich von dem des biologischen Referenzarzneimittels unterscheiden, so sind die Ergebnisse geeigneter vorklinischer oder klinischer Versuche hinsichtlich dieser Bedingungen vorzulegen …“.

11.      Art. 28 betrifft die gegenseitige Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren und lautet wie folgt:

„(1)      Im Hinblick auf die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehr als einem Mitgliedstaat reicht der Antragsteller einen auf einem identischen Dossier beruhenden Antrag in diesen Mitgliedstaaten ein. Das Dossier enthält die in den Artikeln 8, 10, 10a, 10b, 10c und 11 genannten Informationen und Unterlagen. Die vorgelegten Unterlagen umfassen eine Liste der Mitgliedstaaten, auf die sich der Antrag bezieht.

Der Antragsteller ersucht einen Mitgliedstaat, als ‚Referenzmitgliedstaat‘ zu fungieren und einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel gemäß den Absätzen 2 und 3 zu erstellen.

(2)      Liegt für das Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vor, so erkennen die betroffenen Mitgliedstaaten die von dem Referenzmitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen an. Zu diesem Zweck ersucht der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen den Referenzmitgliedstaat, entweder einen Beurteilungsbericht über das Arzneimittel zu erstellen oder, falls erforderlichen, einen bereits bestehenden Beurteilungsbericht zu aktualisieren. Der Referenzmitgliedstaat erstellt oder aktualisiert den Beurteilungsbericht innerhalb von 90 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags. Der Beurteilungsbericht und die gebilligte Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie die Etikettierung und Packungsbeilage werden den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller übermittelt.

(3)      Liegt zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels vor, so ersucht der Antragsteller den Referenzmitgliedstaat, einen Entwurf des Beurteilungsberichts, einen Entwurf der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und einen Entwurf der Etikettierung und der Packungsbeilage zu erstellen. Der Referenzmitgliedstaat arbeitet die Entwürfe dieser Unterlagen innerhalb von 120 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags aus und übermittelt sie den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Antragsteller.

(4)      Innerhalb von 90 Tagen nach Eingang der in den Absätzen 2 und 3 genannten Unterlagen billigen die betroffenen Mitgliedstaaten den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels sowie die Etikettierung und die Packungsbeilage und setzen den Referenzmitgliedstaat davon in Kenntnis. Der Referenzmitgliedstaat stellt das Einverständnis aller Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller.

(5)      Jeder Mitgliedstaat, in dem ein Antrag gemäß Absatz 1 gestellt wurde, trifft innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung des Einverständnisses eine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Beurteilungsbericht, der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, der Etikettierung und der Packungsbeilage in ihrer genehmigten Form.“

12.      Art. 29 regelt das Verfahren in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat aus Gründen einer potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit den Beurteilungsbericht, die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, die Etikettierung und die Packungsbeilage nicht innerhalb der in Artikel 28 Absatz 4 genannten Frist genehmigen kann.

13.      Anhang I Teil II Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 sieht vor: „Anträge, die auf Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer iii) beruhen (im Wesentlichen [gleiche] Arzneimittel, d. h. Generika) [jetzt Art. 10 Abs. 1] müssen die in Modul 1, 2 und 3 von Teil I dieses Anhangs beschriebenen Angaben sowie Angaben enthalten, die die Bioverfügbarkeit und Bioäquivalenz zu dem Originalarzneimittel belegen, sofern dieses kein biologisches Arzneimittel ist (siehe Teil II, Absatz 4: Im Wesentlichen gleiche biologische Arzneimittel).“

14.      In Anhang 1 Teil II Abs. 4 heißt es: „Die Bestimmungen von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer iii) reichen gegebenenfalls für biologische Arzneimittel nicht aus. Gestatten die Angaben, die für im Wesentlichen gleiche Arzneimittel (Generika) erforderlich sind, einen solchen Nachweis jedoch nicht für zwei biologische Arzneimittel, sind zusätzliche Angaben, insbesondere das toxikologische und klinische Profil, vorzulegen.

…“

15.      Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (in der in zeitlicher Hinsicht anwendbaren Fassung(4)) bestimmt:

„Ein Generikum eines von der Gemeinschaft genehmigten Referenzarzneimittels kann von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter folgenden Bedingungen gemäß der Richtlinie [2001/83] genehmigt werden:

a)      Der Antrag auf Genehmigung wird gemäß Artikel 10 der Richtlinie [2001/83] eingereicht;

b)      die Zusammenfassung der Produktmerkmale entspricht in allen einschlägigen Punkten der des von der Gemeinschaft genehmigten Arzneimittels, außer bei jenen Teilen der Zusammenfassung der Produktmerkmale, die sich auf Indikationen oder Dosierungen beziehen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Generikums noch unter das Patentrecht fielen, …

…“

III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

16.      Am 10. Juni 2003 erteilte die Europäische Kommission der Eli Lilly Nederland B.V. (im Folgenden: Lilly Nederland) eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Forsteo, einem biologischen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Teriparatid zur Behandlung von Osteoporose als Injektionslösung in einem Fertigpen (20 Mikrogramm/80 Mikroliter).

17.      Mit Beschlüssen vom 11. Januar 2017 und vom 27. August 2020 erteilte die Kommission der EG Labo Laboratoires Eurogenerics SAS (im Folgenden: Laboratoires Eurogenerics) und der Theramex France SAS (im Folgenden: Theramex) Genehmigungen für das Inverkehrbringen von zwei Biosimilars von Forsteo, nämlich Movymia und Livogiva. Wie Forsteo enthalten beide Arzneimittel den Wirkstoff Teriparatid, der aus einer biologischen Quelle gewonnen wird.

18.      Am 31. Januar 2019 stellte die Biogaran SAS (im Folgenden: Biogaran) einen auf Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 (der das abgekürzte Verfahren regelt) gestützten Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Teriparatid Biogaran (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehendes Arzneimittel), das als Generikum von Forsteo bezeichnet wurde. Wie Forsteo enthält Teriparatid Biogaran den Wirkstoff Teriparatid in Form einer Injektionslösung (20 Mikrogramm/80 Mikroliter) in einem Fertigpen. Anders als bei Forsteo wird das in Biogaran verwendete Teriparatid jedoch aus einer chemischen Synthese gewonnen. Dieser Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen unterlag dem dezentralisierten Verfahren nach Art. 28 der Richtlinie 2001/83.

19.      Im Rahmen dieses Verfahrens bestimmte Biogaran die Bundesrepublik Deutschland als Referenzmitgliedstaat und die Französische Republik als einen der betroffenen Mitgliedstaaten.

20.      Auf der Grundlage der im Rahmen dieses Verfahrens erzielten Einigung aller Parteien erteilte der Generaldirektor der Agence nationale de sécurité du medicament et des produits de santé (Nationale Agentur für die Sicherheit von Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten, im Folgenden: ANSM) mit Entscheidung vom 1. September 2020 eine Genehmigung für das Inverkehrbringen von Teriparatid Biogaran und erkannte es als Generikum von Forsteo an.

21.      Laboratoires Eurogenerics und Theramex erhoben beim Conseil d’État (Staatsrat) Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

22.      Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beantragen beim Conseil d’État (Staatsrat), zu überprüfen, ob die in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens in Bezug auf Teriparatid Biogaran erfüllt waren, damit festgestellt werden kann, ob die Anwendung eines solchen Verfahrens eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Sie machen im Wesentlichen geltend, Teriparatid Biogaran sei mittels einer chemischen Synthese entwickelt worden, so dass es nicht als Generikum des biologisch gewonnenen Forsteo angesehen werden könne.

23.      Vor diesem Hintergrund fragt sich das vorlegende Gericht zum einen, ob es eine solche Überprüfung durchführen kann. Es ist sich der Klarstellungen bewusst, die der Gerichtshof in seinem Urteil Astellas Pharma zum Umfang der nationalen gerichtlichen Kontrolle einer nach Abschluss eines dezentralisierten Verfahrens erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen vorgenommen hat, erklärt aber, dass sich die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache von denen der Rechtssache unterschieden, in der dieses Urteil ergangen sei(5).

24.      Zum anderen hegt das vorlegende Gericht auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der für Teriparatid Biogaran erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen. Es weist darauf hin, dass diese Genehmigung im Rahmen eines den Generika vorbehaltenen abgekürzten Verfahrens erteilt worden sei. In diesem Zusammenhang fragt es sich, ob das betreffende Verfahren im Fall eines chemischen Arzneimittels angewandt werden kann, dessen Referenzarzneimittel biologisch gewonnen wurde.

25.      Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, der nicht der Referenzmitgliedstaat ist, das mit der Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen diese von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Gerichtshofs im Urteil Astellas Pharma erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen befasst ist, in diesem Fall befugt ist, zu prüfen, ob das dezentralisierte Verfahren unter Beachtung der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 durchgeführt wurde und ob das Inverkehrbringen des Arzneimittels keine potenzielle schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellt?

2.      Ist Art. 10 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er es verwehrt, dass für ein chemisches Arzneimittel eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem in Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen vereinfachten Verfahren erteilt werden kann, wenn das Referenzarzneimittel dieses Arzneimittels ein biologisches Arzneimittel ist?

26.      Laboratoires Eurogenerics, Biogaran, Lilly Nederland und Lilly France SAS (im Folgenden zusammen: Lilly), die französische, die estnische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der estnischen Regierung haben diese Beteiligten in der Sitzung vom 7. Mai 2025 mündlich verhandelt.

IV.    Würdigung

27.      Ich möchte meine Würdigung zunächst mit einigen Vorbemerkungen zum anwendbaren Rechtsrahmen und zum Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Astellas Pharma einleiten (A). Auf der Grundlage dieser Ausführungen werde ich sodann auf die erste Vorlagefrage eingehen, die den Umfang der gerichtlichen Kontrolle des Ergebnisses eines dezentralisierten Genehmigungsverfahrens betrifft. Ich werde darlegen, dass die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts nationale Gerichte wie hier das vorlegende Gericht nicht daran hindern, zu prüfen, ob das Arzneimittel, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen im abgekürzten Verfahren erteilt wurde, zu Recht als Generikum im Sinne der Richtlinie 2001/83 (eine der Voraussetzungen für die Anwendung des abgekürzten Verfahrens) angesehen wurde (B).

28.      Sodann werde ich mich der zweiten Vorlagefrage zuwenden und zu dem Ergebnis kommen, dass der Umstand, dass das angegebene Referenzarzneimittel biologisch gewonnen wurde, während das im abgekürzten Verfahren zu prüfende Arzneimittel durch chemische Synthese gewonnen wurde, für sich genommen der Einstufung dieses Arzneimittels als Generikum des Referenzarzneimittels nicht entgegensteht. Ich möchte meine Würdigung der vorliegenden Rechtssache mit einigen Bemerkungen zu Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 beschließen, der für die Frage von Bedeutung ist, ob es richtig war, die zuvor beschriebene „gemischte“ Situation im Rahmen eines nationalen (dezentralisierten) Verfahrens zu prüfen statt im Rahmen des zentralisierten Verfahrens (C).

A.      Vorbemerkungen

29.      In diesem Abschnitt werde ich die relevanten Merkmale des Rechtsrahmens des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden dezentralisierten Verfahrens darstellen (1) und mich entsprechend den Klarstellungen des Gerichtshofs zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle des Ergebnisses eines solchen Verfahrens durch die nationalen Gerichte äußern (2).

1.      Relevanter Rechtsrahmen

30.      Zusammenfassend gibt es zwei Hauptwege zur Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in der Union. Der eine ist ein zentralisiertes Verfahren vor den Unionsorganen, das im Wesentlichen in der Verordnung Nr. 726/2004 geregelt ist. Dieses Verfahren ermöglicht das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses in der gesamten Union. Für bestimmte Arzneimittelkategorien ist dieser Weg zwingend vorgeschrieben, wie bei der Mehrheit der sogenannten biologischen Arzneimittel(6). Dieses Verfahren wurde in Bezug auf Forsteo durchgeführt, das (biologische) Arzneimittel, das Biogaran in seinem Antrag auf Erteilung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Genehmigung für das Inverkehrbringen (des Arzneimittels Teriparatid Biogaran) als „Referenzarzneimittel“ angab. Dasselbe Verfahren wurde auch in Bezug auf die beiden von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vertriebenen Biosimilars von Forsteo durchgeführt.

31.      Der andere Hauptweg zur Erlangung einer Genehmigung besteht in einem in der Richtlinie 2001/83 geregelten „horizontalen“ System, in dem die Behörden der Mitgliedstaaten die einschlägigen Entscheidungen treffen, um das Inverkehrbringen eines bestimmten Arzneimittels in ihrem Hoheitsgebiet zu ermöglichen(7). Auf diesem Weg können Arzneimittel in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden.

32.      Wenn ein Antragsteller mehrere nationale Genehmigungen für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels erhalten möchte, kann der horizontale Weg u. a. die Form eines dezentralisierten Verfahrens annehmen (wie dies im Ausgangsverfahren der Fall ist). Zusammenfassend dient es dazu, mehr als eine nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erhalten, wenn zuvor keine Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels in einem der Mitgliedstaaten erteilt wurde(8).

33.      Die Rechtsgrundlage für das dezentralisierte Verfahren findet sich in Art. 28 der Richtlinie 2001/83(9). Seine Schritte lassen sich wie folgt beschreiben: Der Antragsteller stellt einen auf einem identischen Dossier beruhenden Antrag in den Mitgliedstaaten, in denen er das betreffende Arzneimittel in Verkehr bringen möchte. Diese Mitgliedstaaten handeln als „betroffene Mitgliedstaaten“, um den Wortlaut der Richtlinie 2001/83 zu verwenden. Außerdem wählt der Antragsteller einen dieser Mitgliedstaaten als „Referenzmitgliedstaat“ aus.

34.      Die zuständige Behörde des Referenzmitgliedstaats hat innerhalb einer bestimmten Frist mehrere Unterlagen zu erstellen, die als Grundlage für den späteren Entscheidungsprozess dienen, nämlich einen Entwurf des Beurteilungsberichts, einen Entwurf einer Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und einen Entwurf der Etikettierung und der Packungsbeilage (im Folgenden: arzneimittelbezogene Unterlagen). Nach ihrer Erstellung werden diese Unterlagen dem Antragsteller und den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten zur Genehmigung innerhalb einer bestimmten Frist übermittelt. Wird die Genehmigung erteilt, so stellt der Referenzmitgliedstaat das Einverständnis aller Parteien fest, schließt das Verfahren und informiert den Antragsteller. Auf dieser Grundlage trifft jeder Mitgliedstaat, in dem ein Antrag im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens gestellt wurde (d. h. der Referenzmitgliedstaat und alle betroffenen Mitgliedstaaten), eine Entscheidung, die die eigentliche Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels darstellt.

35.      Es kann jedoch vorkommen, dass eine Einigung im Hinblick auf die arzneimittelbezogenen Unterlagen nicht sofort erzielt werden kann, wenn einer der betroffenen Mitgliedstaaten einen Einwand aufgrund einer „potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ gemäß Art. 29 der Richtlinie 2001/83 erhoben hat. Ein solches Vorgehen löst ein in dieser Bestimmung vorgesehenes besonderes Verfahren aus. Sein Ziel besteht darin, die aufgeworfenen Fragen zu klären, damit das gesamte Genehmigungsverfahren abgeschlossen werden kann.

36.      Zusammenfassend muss, damit ein dezentralisiertes Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels führen kann, unter den zuständigen Behörden aller beteiligten Mitgliedstaaten eine Einigung über die arzneimittelbezogenen Unterlagen erzielt werden (einschließlich der Ausräumung etwaiger Einwände gemäß Art. 29 der Richtlinie 2001/83). In einem zweiten Schritt muss jeder der betroffenen Mitgliedstaaten eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilen, die der Einigung aller Parteien entspricht(10).

37.      Darüber hinaus kann dieses Verfahren in abgekürzter Form durchgeführt werden, was den Antragsteller gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 von der Verpflichtung befreit, zwei der drei Kategorien von Versuchen durchzuführen, die anderenfalls erforderlich wären. Gemäß Art. 8 Abs. 3 Buchst. i der Richtlinie 2001/83 müssen den Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen nämlich (im Allgemeinen) die Ergebnisse pharmazeutischer, vorklinischer und klinischer Versuche beigefügt werden. Nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 wird auf die Vorlage der Ergebnisse vorklinischer und klinischer Versuche verzichtet (die Ergebnisse pharmazeutischer Versuche sind jedoch weiterhin vorzulegen), wenn es sich bei dem Erzeugnis, für das eine Genehmigung beantragt wurde, um ein Generikum eines schon vorhandenen Arzneimittels handelt, das bereits in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Union genehmigt ist (es wird dann, wie schon erwähnt, als Referenzarzneimittel bezeichnet). Wer eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums beantragt, kann jedoch auf die Daten eines solchen Referenzarzneimittels (Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche) erst nach Ablauf der „Ausschließlichkeitsfrist für die Daten“ (im Folgenden: Unterlagenschutzfrist) verweisen, die grundsätzlich acht Jahre beträgt(11). Die Daseinsberechtigung dieser Frist besteht darin, Innovationen in der pharmazeutischen Industrie zu belohnen, indem sichergestellt wird, dass Pharmaunternehmen während eines bestimmten Zeitraums vom Marktexklusivitätsrecht für das konkrete (neue) Arzneimittel profitieren(12).

38.      Der zusammengesetzte Charakter des dezentralisierten Verfahrens (das, wie oben beschrieben, aus zwei Schritten besteht) hat zu der Frage geführt, welche nationalen Gerichte für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer nach Abschluss dieses Verfahrens erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen zuständig sind und in welchem Umfang diese Überprüfung erfolgen darf. Diese Frage wurde im Urteil Astellas Pharma behandelt, auf das ich nun eingehen werde.

2.      Urteil Astellas Pharma

39.      Der Gerichtshof hat das Urteil Astellas Pharma im Kontext eines vom Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels eingeleiteten nationalen Verfahrens erlassen, der die Nichtigerklärung der für ein Generikum erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragte, weil der Ablauf der Unterlagenschutzfrist angeblich falsch berechnet worden war. Zu dem Rechtsstreit kam es nach der Erteilung einer nationalen Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums in Finnland, einem der von einem dezentralisierten Verfahren betroffenen Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund machte der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im Wesentlichen geltend, dass die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Zu den Fragen, die der Gerichtshof zu klären hatte, gehörte die Frage, ob die nach Abschluss dieses Verfahrens erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen in einem der betroffenen Mitgliedstaaten gerichtlich überprüft werden konnte, so dass die Gerichte dieses Mitgliedstaats insbesondere die korrekte Bestimmung der Unterlagenschutzfrist überprüfen konnten.

40.      Im Zuge der Bejahung dieser Frage hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Richtlinie 2001/83 mit Ausnahme der für das betreffende Generikum erteilten nationalen Genehmigungen keinen Erlass anderer Rechtsakte vorsieht, gegen die der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens einen Rechtsbehelf einlegen könnte. Will also der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels das Ergebnis eines dezentralisierten Verfahrens anfechten und eine fehlerhafte Berechnung der Unterlagenschutzfrist geltend machen, kann er (nur) die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Generikums anfechten, und zwar nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats, dessen Behörden diese Genehmigung erteilt haben(13).

41.      Zugleich ergibt sich aus diesem Urteil, dass die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsbehelfs nach dem Unionsrecht bestehen muss. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels das Recht hat, die Einhaltung der Unterlagenschutzfrist durch den Antragsteller (für ein Generikum) sicherzustellen, der auf die für dieses Referenzarzneimittel zusammengestellten Daten verweisen möchte. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass sich dieses Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ergibt, der die Modalitäten dieser Frist festlegt. Die unionsrechtliche Verpflichtung, dieses Recht mit einem wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz auszustatten, ergibt sich folglich aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta)(14).

42.      Diese Schlussfolgerung hat der Gerichtshof auf sein früheres Urteil in der Rechtssache Olainfarm(15) gestützt. In diesem Urteil hat der Gerichtshof das Bestehen eines Rechts des Inhabers einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels bestätigt, in einem anderen verfahrensrechtlichen und tatsächlichen Kontext das Vorliegen der Voraussetzungen in Zweifel zu ziehen, unter denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums erteilt worden war (dieses Recht und damit die Klagebefugnis des Inhabers war in jenem Fall von den zuständigen nationalen Behörden in Abrede gestellt worden).

43.      Im Unterschied zu den soeben genannten Urteilen ist die Frage hinsichtlich des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle im vorliegenden Fall eine andere.

44.      Das Urteil Astellas Pharma betraf die Frage, ob die nationalen Gerichte die Bestimmung der Unterlagenschutzfrist überprüfen durften. In der vorliegenden Rechtssache möchte das vorlegende Gericht jedoch wissen, ob sich der Umfang der gerichtlichen Kontrolle in einem Mitgliedstaat (der betroffen, aber nicht der Referenzmitgliedstaat ist) auf die Prüfung erstreckt, ob das Arzneimittel, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wurde, ein „Generikum“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 ist, und ob folglich das abgekürzte Verfahren (das nur bei der Genehmigung von Generika Anwendung findet) rechtmäßig in Anspruch genommen werden konnte.

45.      Für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist daher zu klären, ob sich die im Urteil Astellas Pharma gezogene Schlussfolgerung – zur Zuständigkeit der nationalen Gerichte für die Überprüfung der Bestimmung der Unterlagenschutzfrist – auf Fälle erstreckt, in denen sich die gerichtliche Kontrolle auf eine andere Rechtsfrage bezieht.

B.      Zur gerichtlichen Kontrolle unter den Umständen des Ausgangsverfahrens

46.      Zur Beantwortung der soeben zusammengefassten Frage (2) ist zunächst eine Vorfrage zu klären, die in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert wurde. Zur Erläuterung: Die Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Astellas Pharma und zuvor im Urteil Olainfarm sind, was den Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle anbelangt, auf das Recht gestützt worden, das die Klägerinnen in diesen Rechtssachen aus der Richtlinie 2001/83 hergeleitet hatten (Recht auf Sicherstellung der Einhaltung der Unterlagenschutzfrist). Dies hat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu einer Diskussion darüber geführt, ob die Richtlinie 2001/83 tatsächlich eine gerichtliche Kontrolle des Ergebnisses eines dezentralisierten Verfahrens erlaubt (unabhängig vom sachlichen Umfang einer solchen Kontrolle), wenn die Klägerinnen nicht die Geltendmachung eines aus dieser Richtlinie hergeleiteten Rechts beabsichtigen (1).

1.      Vorfrage: Kann es eine gerichtliche Kontrolle geben, wenn kein Recht aus der Richtlinie 2001/83 hergeleitet wird?

47.      Anders als in dem Fall, in dem das Urteil Astellas Pharma ergangen ist, sind die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nicht Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Referenzarzneimittels. Sie sind auch nicht Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen, um deren Rechtmäßigkeit es im Ausgangsverfahren geht. Sie sind vielmehr Inhaber zweier Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln, die mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel im Wettbewerb stehen (da diese Genehmigungen, wie ich bereits erläutert habe, zwei Biosimilars des Referenzarzneimittels für das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arzneimittel betreffen)(16).

48.      Zu den Gründen, aus denen die Klägerinnen die Klage erhoben haben, gehört der wirtschaftliche Nachteil, der ihnen durch die Erteilung der in Rede stehenden Genehmigung für das Inverkehrbringen entstanden sein soll. Sie verweisen insbesondere auf die im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Substituierbarkeit der in Rede stehenden Arzneimittel, aus denen sich nach ihrem Vorbringen ergibt, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arzneimittel in Apotheken als Ersatz für sein Referenzarzneimittel verwendet werden könne, während dies bei den von ihnen vertriebenen Biosimilars nicht der Fall sei. Dies führe zu unlauterem Wettbewerb.

49.      Vor diesem Hintergrund ist es zugegebenermaßen schwer zu verstehen, welches aus dem Unionsrecht, insbesondere aus der Richtlinie 2001/83, hergeleitete Recht – ähnlich dem in den Urteilen Astellas Pharma und Olainfarm erörterten Recht aus Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie – die Klägerinnen im Ausgangsverfahren geltend machen wollen oder könnten. Das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Genehmigungsverfahren betrifft nämlich hauptsächlich Biogaran (als Partei, die es eingeleitet hat, um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Arzneimittels zu erlangen). Es betrifft außerdem Lilly Nederland als Inhaberin der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels, auf das Biogaran zur Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens verweist.

50.      Biogaran und die Kommission tragen vor, dass die Richtlinie 2001/83 den Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle ausschließe, da (nach dem Unionsrecht) kein Recht bestehe, das die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens geltend machen könnten. Laboratoires Eurogenerics, Lilly und die französische Regierung vertreten die gegenteilige Auffassung und machen im Wesentlichen geltend, dass das Bestehen eines solchen Rechts keine Voraussetzung für den Zugang zur gerichtlichen Kontrolle sei.

51.      Ich bin ebenfalls dieser Ansicht.

52.      Zwar könnte die Art, in der der Gerichtshof in den Urteilen Astellas Pharma und Olainfarm im Rahmen seiner Schlussfolgerung in Bezug auf den Zugang zu einer gerichtlichen Kontrolle hervorgehoben hat, dass den Klägerinnen ein (aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 hergeleitetes) Recht zustand, tatsächlich den Eindruck erwecken, dass der Zugang zu den Gerichten auch im vorliegenden Fall von dem Bestehen eines solchen (oder ähnlichen) aus der Richtlinie 2001/83 hergeleiteten Rechts abhänge. Diese Schlussfolgerung wäre jedoch verfehlt, da die Relevanz des Bestehens eines sich aus der Richtlinie ergebenden Rechts für die in jenen Urteilen gezogene Schlussfolgerung im Licht der spezifischen Fragen zu beurteilen ist, mit denen sich der Gerichtshof dort befasst hat.

53.      Ich erinnere daran, dass der Gerichtshof im Urteil Olainfarm klargestellt hat, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in Verbindung mit Art. 47 der Charta dem Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Referenzarzneimittels den Zugang zu den nationalen Gerichten nicht verwehren dürfen, indem sie ihm die Klagebefugnis verweigern. Ebenso ergibt sich aus dem Urteil Astellas Pharma, dass das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz nicht, kurz gesagt, wegen der Komplexität des dezentralisierten Verfahrens ausgeschlossen sein kann (d. h. wegen des Umstands, dass eine bestimmte nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen, deren Inhalt durch die von den zuständigen Stellen der betreffenden Mitgliedstaaten getroffene Einigung aller vorgegeben ist, die zweite Stufe dieses Verfahrens darstellt).

54.      Die sich aus dem Unionsrecht ergebende Verpflichtung, den gerichtlichen Rechtsschutz des oben erwähnten Rechts zu gewährleisten, bedeutet jedoch nicht, dass das Fehlen eines sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechts die Mitgliedstaaten automatisch daran hindert, Parteien wie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens Zugang zu den Gerichten zu gewähren. Eine solche Schlussfolgerung könnte nur auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 oder der Erwägung gezogen werden, dass ein spezifischer Aspekt der in einem bestimmten Mitgliedstaat vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle die Wirksamkeit des dezentralisierten Verfahrens als solches beeinträchtige.

55.      Zunächst ist festzuhalten, dass die Richtlinie 2001/83 zu dieser Frage nichts sagt. Sie enthält keine Bestimmungen über gerichtliche Rechtsbehelfe – und erst recht nicht über deren Art –, die die Mitgliedstaaten im Hinblick auf nach Abschluss der in dieser Richtlinie geregelten Verfahren erlassene Entscheidungen einführen müssen (oder dürfen). Folglich ist es mangels diesbezüglicher unionsrechtlicher Vorschriften Sache der Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer Verfahrensautonomie über die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage zu entscheiden, wie die französische Regierung im Wesentlichen ausgeführt hat(17).

56.      Ich möchte darauf hinweisen, dass verschiedene berechtigte Interessen bestehen und insoweit anerkannt werden können, die von wirtschaftlichen Interessen bis hin zur öffentlichen Gesundheit reichen(18). Die französische Regierung hat erläutert, dass die Zulässigkeit der Klage im Ausgangsverfahren (die in dem betreffenden Rechtsstreit offenbar nicht bestritten wurde) auf der unmittelbaren und individuellen Wirkung der in Rede stehenden Genehmigung für das Inverkehrbringen auf die Inhaber der Genehmigungen für das Inverkehrbringen der Biosimilars in ihrer Eigenschaft als Wettbewerber des Inhabers der Genehmigung für das Inverkehrbringen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittels beruhe.

57.      Ich sehe keinen Grund dafür, anzunehmen, dass eine solche verfahrensrechtliche Lösung die Wirksamkeit des mit der Richtlinie 2001/83 eingeführten Genehmigungssystems und insbesondere des dezentralisierten Verfahrens beeinträchtigt(19).

58.      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, die im Wesentlichen geltend macht, die Regelungen über die Klagebefugnis im Rahmen des zentralisierten Genehmigungsverfahrens einerseits und im Rahmen der „horizontalen“ Genehmigungsverfahren andererseits müssten kohärent sein. Konkret hat die Kommission argumentiert, dass, wenn das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arzneimittel Gegenstand eines zentralisierten Verfahrens nach der Verordnung Nr. 726/2004 gewesen wäre, die daraus resultierende Entscheidung (nur) vor den Unionsgerichten im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens nach Art. 263 AEUV hätte angefochten werden können. Unter diesen Umständen sei es wenig wahrscheinlich, dass Parteien wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit erfüllten, die u. a. in diesem Zusammenhang für andere Parteien als die Adressaten der angefochtenen Handlung gelte(20).

59.      Unbeschadet der Frage der Klagebefugnis nach Art. 263 AEUV erkenne ich natürlich die Unterschiede in Bezug auf die Voraussetzungen für die Klagebefugnis an, die sich zeigen können, wenn die beiden Hauptverfahrensarten zur Erlangung einer Genehmigung (zentralisiert und national) miteinander verglichen werden (jeweils abhängig von den betreffenden nationalen Verfahrensvorschriften). Wie jedoch bereits ausgeführt, unterliegen die Vorschriften über die Klagebefugnis, die den Zugang zu den nationalen Gerichten regeln, mangels unionsrechtlicher Regelungen dem nationalen Recht. Dies kann natürlich zu Unterschieden führen, aber solche Unterschiede sind nur die Folge des gegenwärtigen Standes des Unionsrechts und können allenfalls als Erwägung de lege ferenda für ein mögliches zukünftiges Handeln des Unionsgesetzgebers dienen. So lobenswert das Ziel der Kohärenz auch sein mag, stellt es keinen hinreichenden Grund dar, um die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Bereichen zu beschränken, in denen der Unionsgesetzgeber noch nicht tätig geworden ist.

60.      Zusammenfassend ist festzustellen, dass einerseits die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht verpflichtet sind, einem Kläger, der ein – im vorliegenden Kontext aus der Richtlinie 2001/83 hergeleitetes – Recht durchsetzen möchte, Zugang zu dem entsprechenden Rechtsbehelf vor den nationalen Gerichten zu gewähren (das Recht, die Nichtigerklärung der Genehmigung für das Inverkehrbringen zu beantragen). Andererseits ist es, wenn der Kläger keine aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte durchsetzen möchte, Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob ein Recht zur Anfechtung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen besteht.

61.      Nach diesen Erwägungen wende ich mich nun der ersten Vorlagefrage zu, mit der die möglichen Grenzen des sachlichen Umfangs der gerichtlichen Kontrolle des Ergebnisses eines dezentralisierten Verfahrens geklärt werden sollen.

2.      Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle

62.      Mit der ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht klären, ob ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren nach den Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 betroffenen Mitgliedstaats, der nicht der Referenzmitgliedstaat ist, überprüfen kann, ob das dezentralisierte Verfahren unter Beachtung der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 durchgeführt wurde und ob das Inverkehrbringen des Arzneimittels eine potenzielle schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellt.

63.      Die Parteien und die anderen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens haben hierzu recht unterschiedliche Standpunkte vertreten.

64.      Einerseits macht Biogaran im Wesentlichen geltend, dass die Überprüfung durch die nationalen Gerichte nicht über die nichtwissenschaftlichen Aspekte des Falles wie den Ablauf der Unterlagenschutzfrist (um den es im Urteil Astellas Pharma ging) hinausgehen könne.

65.      Nach Ansicht der französischen Regierung sollte das nationale Gericht neben diesen formalen Aspekten auch prüfen können, ob das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Arzneimittels eine potenzielle schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 der Richtlinie 2001/83 darstellt.

66.      Andererseits vertreten Laboratoires Eurogenerics, Lilly, die estnische Regierung und die Kommission im Wesentlichen die Auffassung, dass sich der Umfang der Kontrolle durch die nationalen Gerichte auf die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens erstrecke (die insbesondere in Art. 10 der Richtlinie 2001/83 festgelegt sind). Laboratoires Eurogenerics trägt zudem vor, dass sich der Umfang der gerichtlichen Kontrolle auf alle Aspekte eines dezentralisierten Verfahrens erstrecke, die eine potenzielle schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 der Richtlinie 2001/83 betreffen könnten. Dagegen ist die Kommission der Ansicht, dass eine gerichtliche Kontrolle dieser Frage aufgrund des besonderen Mechanismus, den Art. 29 für die Lösung solcher Probleme einführe, ausgeschlossen sei.

67.      Im Licht dieser verschiedenen Standpunkte möchte ich die genaue Problematik erläutern, zu der das vorlegende Gericht um Klarstellung bittet.

68.      Obwohl die erste Frage allgemein formuliert ist (soweit sie die Möglichkeit betrifft, zu überprüfen, ob bei dem in Rede stehenden Verfahren die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 eingehalten wurden) und auch wenn sie die Möglichkeit herausstellt, zu überprüfen, ob das Inverkehrbringen des Arzneimittels eine potenziell schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass, wie Lilly vorträgt, die Frage, die sich das vorlegende Gericht stellt, enger und einfacher ist.

69.      Erstens ergibt sich aus den Umständen des vorliegenden Falles, dass die Frage zu klären ist, ob das nationale Gericht die Anwendung des Begriffs „Generikum“ im Rahmen eines dezentralisierten und abgekürzten Verfahrens überprüfen kann, um festzustellen, ob diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens erfüllt war. Zweitens geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach Ansicht des vorlegenden Gerichts gerade die Möglichkeit, dass dies nicht der Fall gewesen sein könnte, das Vorliegen einer potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit mit sich bringt. Wie bereits ausgeführt, ist nämlich ein Antragsteller, der ein Generikum in den Verkehr bringen möchte, nicht verpflichtet, vorklinische und klinische Versuche durchzuführen, sondern kann vielmehr auf die Ergebnisse solcher Versuche verweisen, die sich auf das betreffende Referenzarzneimittel beziehen. Stellt sich daher heraus, dass ein Arzneimittel zu Unrecht als Generikum angesehen wurde, bedeutet dies, dass es (nach Durchführung des abgekürzten Verfahrens) in Verkehr gebracht wurde, obwohl einige der für den Nachweis seiner Wirksamkeit und Sicherheit erforderlichen Elemente rechtswidrig weggelassen wurden.

70.      Somit ist zu klären, ob die Richtlinie 2001/83 es einem nationalen Gericht eines betroffenen Mitgliedstaats erlaubt, die Rechtmäßigkeit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu überprüfen, die nach dem Abschluss eines dezentralisierten und abgekürzten Verfahrens erteilt wurde, soweit geltend gemacht wird, dass die Voraussetzungen für die Einstufung des Arzneimittels als Generikum im Sinne der Richtlinie 2001/83 nicht erfüllt gewesen seien.

71.      Ebenso wie Laboratoires Eurogenerics, Lilly, die beteiligten Regierungen, die sich hierzu geäußert haben, und die Kommission bin ich der Ansicht, dass diese Frage zu bejahen ist.

72.      Auf einer Linie mit meinen Ausführungen zu den nationalen Regelungen über die Klagebefugnis bei Nichtigkeitsklagen bedeutet das Fehlen einer Regelung in den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts, d. h. im vorliegenden Kontext in den Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83, zur Frage der gerichtlichen Rechtsbehelfe, mit denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die nach Abschluss eines dezentralisierten Verfahrens erteilt wurde, überprüft werden kann, dass der Umfang dieser Rechtsbehelfe in den Bereich der den Mitgliedstaaten unter solchen Umständen zustehenden Verfahrensautonomie fällt. Dies gilt erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Klägerinnen kein spezifisch unionsrechtliches Recht geltend machen möchten (was die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung zwingend erforderlich machen würde).

73.      Dieser Standpunkt wird durch die verschiedenen im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Argumente nicht in Frage gestellt.

74.      Erstens verweist Biogaran im Wesentlichen auf die Gefahr einander widersprechender Urteile.

75.      Als Antwort auf dieses Vorbringen möchte ich daran erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil Astellas Pharma klargestellt hat, dass der Kläger vor den Gerichten eines bestimmten Mitgliedstaats nur die von den Behörden desselben Mitgliedstaats erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen (erfolgreich) anfechten kann. Eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen kann er hingegen nicht anfechten(21). Folglich muss oder kann die gerichtliche Kontrolle des Ergebnisses eines dezentralisierten Verfahrens (je nach den Umständen) in jedem Mitgliedstaat, der an einem dezentralisierten Verfahren beteiligt ist, zur Verfügung stehen, und sie kann sich nur auf die von den Behörden des betreffenden Mitgliedstaats erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen erstrecken.

76.      Dies birgt zwar die Gefahr voneinander abweichender Ergebnisse (in Bezug auf die Frage, ob die Gültigkeit verschiedener nationaler Genehmigungen, die im Rahmen desselben dezentralisierten Verfahrens erteilt wurden, von den Gerichten bestätigt wird)(22). Es trifft auch zu, dass diese Gefahr größer ist, wenn das nationale Recht weniger strenge Anforderungen an die Klagebefugnis stellt. Diese Gefahr ist jedoch die notwendige Folge der derzeitigen Ausgestaltung des Systems. Sie kann nicht als Argument herangezogen werden, um in Ermangelung harmonisierter Vorschriften die Befugnis der Mitgliedstaaten einzuschränken, die ihnen erforderlich erscheinenden Vorschriften über die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage vorzusehen (selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass andere, allgemeinere Regeln des Unionsrechts eingehalten werden).

77.      Zweitens überzeugt mich das Argument der französischen Regierung nicht, die zusammenfassend vorträgt, dass eine „Parallelität“ zwischen dem Umfang der in das dezentralisierte Verfahren „eingebauten“ verwaltungsbehördlichen Überprüfung und einer späteren gerichtlichen Überprüfung bestehen müsse. Die verwaltungsbehördliche Überprüfung und die gerichtliche Überprüfung sind unterschiedlich. Der Umstand, dass sich ein Einspruch im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens auf den Grund einer „potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ im Sinne von Art. 29 der Richtlinie 2001/83 beschränken muss, bedeutet nicht, dass die gerichtliche Überprüfung den gleichen Umfang haben sollte(23).

78.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof, wie Lilly anmerkt, im Urteil Astellas Pharma klargestellt, dass sich die Zuständigkeit der nationalen Behörden im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens nicht auf die Berücksichtigung einer „potenziellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Gesundheit“ beschränkt, sondern sich auf die Prüfung erstreckt, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens erfüllt sind(24).

79.      Wie die Kommission ausführt, gibt es gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 im Wesentlichen zwei derartige Voraussetzungen: i) den Ablauf der Unterlagenschutzfrist und ii) das Vorliegen eines Generikums. Selbst wenn man also dem Argument der „Parallelität“ zwischen der verwaltungsbehördlichen und der gerichtlichen Überprüfung (die dem Umfang der Überprüfung durch die Verwaltungsbehörden im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens entsprechen muss, aber nicht darüber hinausgehen darf) folgte, würde dies zu dem Ergebnis führen, dass der Zugang zur gerichtlichen Kontrolle gewährt werden muss, da die im Ausgangsverfahren beantragte gerichtliche Kontrolle die zweite dieser beiden Voraussetzungen betrifft.

80.      Drittens vermag auch ein weiteres Argument der französischen Regierung, wonach die gerichtliche Kontrolle aus Gründen der gegenseitigen Anerkennung und des gegenseitigen Vertrauens mit dem Ergebnis des dezentralisierten Verfahrens in Einklang stehen müsse, mich nicht zu überzeugen. Ich halte es nicht für erforderlich, auf die Frage einzugehen, inwieweit das bestehende System des dezentralisierten Verfahrens in der Phase des Verwaltungsverfahrens tatsächlich auf diesen beiden Grundsätzen beruht(25); jedenfalls beschränken sie meiner Ansicht nach nicht den Umfang der nationalen gerichtlichen Kontrolle des Ergebnisses dieser Verfahrensphase. Die technische Natur der im Rahmen des dezentralisierten Verfahrens zu klärenden Fragen kann sicherlich zu einer weniger intensiven gerichtlichen Kontrolle (die sich auf offensichtliche Fehler usw. beschränken kann) führen(26). Gleichwohl kann sie wohl kaum zu dem Ergebnis führen, dass einige Aspekte der verwaltungsbehördlichen Entscheidungsfindung einer gerichtlichen Kontrolle gar nicht zugänglich sein sollten.

81.      Viertens trägt, wie die estnische Regierung anmerkt, eine gerichtliche Kontrolle, deren Umfang sich auf die hier in Rede stehende Frage erstreckt, zur Erreichung eines Ziels der Richtlinie 2001/83, nämlich zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, bei, statt die Wirksamkeit des dezentralisierten Verfahrens zu untergraben. Diesem Ziel dienen nach dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 „in erster Linie“ alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln.

82.      Ich erinnere daran, dass die Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens den Antragsteller von der Verpflichtung befreit, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen. Wenn jedoch, wie bereits ausgeführt, zu Unrecht angenommen wurde, dass es sich bei dem betreffenden Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, wird dies zu einer Situation führen, in der ein Arzneimittel ohne ausreichende vorklinische und klinische Studien in den Verkehr gebracht wird. Folglich dürfte die Möglichkeit der nationalen Gerichte, zu überprüfen, ob der Begriff des Generikums richtig angewandt wurde, zum Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit beitragen.

83.      Abschließend möchte ich anmerken, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage auch wissen möchte, ob die Gerichte eines Mitgliedstaats, der nicht als Referenzmitgliedstaat im Rahmen des betreffenden abgekürzten Verfahrens gehandelt hat, eine solche Kontrolle vornehmen dürfen. Ich verstehe dies so wie die niederländische Regierung, die anmerkt, dass das vorlegende Gericht im Kern wissen möchte, ob die gerichtliche Kontrolle im oben genannten Kontext den Gerichten des Referenzmitgliedstaats (wegen der besonderen Rolle, die dieser Staat bei der Vorbereitung der arzneimittelbezogenen Unterlagen spielt) vorbehalten bleiben sollte, oder ob die Gerichte der betroffenen Mitgliedstaaten insoweit ebenfalls angerufen werden können.

84.      Meines Erachtens ergibt sich die Antwort auf diese Frage aus dem Urteil Astellas Pharma.

85.      Wie bereits erwähnt, hat der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden, dass die gerichtliche Kontrolle (der Bestimmung der Unterlagenschutzfrist) in dem betreffenden Mitgliedstaat zur Verfügung stehen muss. Gleichzeitig hat der Gerichtshof die Möglichkeit ausgeschlossen, dass derselbe Kläger eine von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen vor den Gerichten des betroffenen Mitgliedstaats anfechten kann(27). Folglich muss, wenn es um ein aus dem Unionsrecht hergeleitetes Recht geht, in jedem Mitgliedstaat, der an einem bestimmten dezentralisierten Verfahren beteiligt ist, eine gerichtliche Kontrolle möglich sein. Erst recht muss dies gelten, wenn es nicht um ein solches Recht geht und die Rechtssache somit der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unterliegt, denn in der Richtlinie 2001/83 wird die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle nicht den Gerichten des Referenzmitgliedstaats vorbehalten.

86.      Diese Prüfung führt mich daher zu dem Schluss, dass die Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, der nicht der Referenzmitgliedstaat ist, das mit der Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen die von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen befasst ist, prüft, ob das Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen genehmigt wurde, als „Generikum“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 angesehen werden kann.

87.      Ich wende mich nun der Frage zu, ob der Begriff „Generikum“ auch auf ein chemisches Arzneimittel anwendbar ist, wenn der Antragsteller im abgekürzten Verfahren auf ein biologisch entwickeltes Referenzarzneimittel verweist.

C.      Kann ein chemisches Arzneimittel ein Generikum eines biologischen Arzneimittels sein?

88.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das abgekürzte Verfahren (das Generika vorbehalten ist) Anwendung finden kann, wenn das Arzneimittel, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wurde, durch chemische Synthese gewonnen wurde, während das Referenzarzneimittel biologisch gewonnen wurde.

89.      Ich erinnere daran, dass im Ausgangsverfahren geltend gemacht wird, die Genehmigung für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Arzneimittels beruhe auf einer rechtswidrigen Grundlage, weil eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens, nach dessen Abschluss die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden sei, nicht erfüllt gewesen sei (da geltend gemacht wird, dass das betreffende Arzneimittel nicht als Generikum des angegebenen Referenzarzneimittels angesehen werden könne). Dies macht es erforderlich, darzulegen, was chemische und biologische Arzneimittel allgemein voneinander unterscheidet (1), bevor geprüft wird, ob diese Unterschiede im Licht der Vorschriften der Richtlinie 2001/83 der Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens auf eine „gemischte Situation“ wie im Ausgangsverfahren (d. h. auf einen Fall, in dem ein chemisches Arzneimittel als Generikum eines biologischen Referenzarzneimittels bezeichnet wird) entgegenstehen (2).

1.      Biologische Arzneimittel im Vergleich zu chemischen Arzneimitteln

90.      Anzumerken ist, dass bei Arzneimitteln, wie Lilly in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, im Allgemeinen zwischen solchen, die durch chemische Synthese gewonnen werden (chemischen Arzneimitteln), und solchen, die aus biologischen Quellen stammen, also biologischen Arzneimitteln, unterschieden werden kann(28). Dies vorausgeschickt, wird in der Richtlinie 2001/83 grundsätzlich der Oberbegriff „Arzneimittel“(29) verwendet, und nur die Kategorie der „biologischen Arzneimittel“ wird herausgegriffen und definiert als Arzneimittel, deren „Wirkstoff ein biologischer Stoff ist“(30).

91.      Aus der Diskussion im vorliegenden Verfahren geht hervor, dass biologische Wirkstoffe im Vergleich zu Erzeugnissen, die chemisch hergestellte Wirkstoffe enthalten (manchmal auch als „kleinmolekulare“ Arzneimittel bezeichnet)(31), typischerweise aus größeren, komplexeren Molekularstrukturen bestehen. Zur Untersuchung ihrer Eigenschaften müssen anspruchsvollere Methoden eingesetzt werden, wenn eine Genehmigung für Arzneimittel mit solchen Wirkstoffen beantragt werden soll(32). Darüber hinaus werden biologische Wirkstoffe aus lebenden Organismen hergestellt, die per definitionem Unterschiede aufweisen. Der so hergestellte biologische Wirkstoff zeichnet sich daher häufig durch einen gewissen Grad an inhärenter Variabilität aus, die als „Mikroheterogenität“ bezeichnet wird(33).

92.      Einfach gesagt, bezeichnet dieser Begriff leichte Veränderungen der Molekularstruktur, was bedeutet, dass biologische Arzneimittel nicht identisch reproduziert werden können(34). Diese geringe Variabilität kann innerhalb derselben Charge oder zwischen unterschiedlichen Chargen des gleichen biologischen Arzneimittels auftreten(35). Nach meinem Verständnis entspricht dies einer „Verunreinigung“, die jedoch hinnehmbar ist, solange sie in einem akzeptablen Bereich liegt, in dem die Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels dauerhaft gewährleistet bleibt, also „nicht klinisch bedeutsam“ ist(36).

93.      Gleichwohl hat Lilly in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Mikroheterogenität, die biologischen Erzeugnissen inhärent sei, zur Verträglichkeit der Arzneimittel bei ihrer Einnahme beitragen könne. Während diese Frage natürlich nur von Fachleuten für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann, scheint Mikroheterogenität im Allgemeinen bei chemischen Arzneimitteln nicht vorzukommen, weil die chemische Synthese zur Reproduktion identischer Moleküle führt, sowohl hinsichtlich ihrer Zusammensetzung als auch hinsichtlich ihrer räumlichen Struktur(37).

94.      Dies vorausgeschickt, deutet die Diskussion in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass der oben erwähnte (typische) Unterschied zwischen biologischen und chemischen Arzneimitteln im Ausgangsverfahren möglicherweise nicht relevant ist. Die niederländische Regierung hat nämlich darauf hingewiesen, dass das Teriparatidmolekül (der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Wirkstoff) homogen sei. Somit trete keine Mikroheterogenität auf, und unabhängig davon, ob Teriparatid durch chemische Synthese oder durch ein biologisches Verfahren gewonnen werde, sei seine Molekularstruktur gleich. Dies scheint im Einklang mit dem Vorbringen von Biogaran zu stehen, dass es sich bei Teriparatid um ein einfaches biologisches Molekül handele, das durch einen chemischen Prozess synthetisiert werden könne. Diese Aspekte der Diskussion deuten also darauf hin, dass der Fall Teriparatid eher ein Ausnahmefall ist (was der Grund dafür sein könnte, dass seine chemische Synthese tatsächlich möglich war)(38).

95.      Es ist selbstverständlich Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die vorstehende Beschreibung und das soeben dargelegte Verständnis richtig sind. Ich möchte anmerken, dass die Vorlageentscheidung keine Angaben zu diesem Punkt enthält und dass die Bedenken des vorlegenden Gerichts allgemein formuliert sind, während die (im Allgemeinen bestehende) inhärente Variabilität biologischer Arzneimittel erwähnt wird, um das Vorbringen der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vor diesem Gericht zu beschreiben.

96.      Vor diesem Hintergrund werde ich auf die zweite Vorlagefrage eingehen, die sich nach meinem Verständnis auf die Bedeutung der unterschiedlichen Herstellungsverfahren für die Möglichkeit bezieht, das abgekürzte Verfahren zur Beantragung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen für ein als Generikum bezeichnetes Arzneimittel anzuwenden, wenn das angegebene Referenzarzneimittel biologisch ist (unabhängig davon, ob konkret Mikroheterogenität zu beobachten ist).

2.      Herstellungsverfahren der betreffenden Arzneimittel und Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens

97.      Zur Prüfung der soeben zusammengefassten Frage werde ich auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 (a), den Kontext, in den sie sich einfügen (b), und die Ziele der Richtlinie 2001/83 (c) eingehen.

a)      Analyse des Wortlauts

98.      Wie Biogaran, die französische, die niederländische und die estnische Regierung sowie die Kommission im Kern vortragen, enthalten die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 keine Vorgaben zu dem Herstellungsverfahren, in dem die Arzneimittel gewonnen wurden, und somit auch nicht zur Art des – chemischen oder biologischen – Wirkstoffs, den das Referenzarzneimittel und das Generikum enthalten müssen, damit das abgekürzte Verfahren angewandt werden kann.

99.      Erstens möchte ich darauf hinweisen, dass nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 der Antragsteller beim abgekürzten Verfahren „nachweisen [muss], dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt“, ohne dass auf das Herstellungsverfahren der betreffenden Erzeugnisse Bezug genommen wird.

100. Zweitens trifft dies auch auf die Definition des Begriffs „Referenzarzneimittel“ in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 zu, nach der es sich dabei um ein gemäß Art. 6 in Übereinstimmung mit Art. 8 der Richtlinie 2001/83 genehmigtes Arzneimittel handelt(39).

101. Schließlich gilt dasselbe für die Definition des Begriffs „Generikum“ in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83, wo es heißt, dass dies „ein Arzneimittel [ist], das die gleiche qualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde“(40).

102. Ich werde auf diese drei Elemente in der Reihenfolge der Komplexität eingehen, die sie in das vorliegende Verfahren einbringen, wobei ich mit dem am wenigsten komplexen beginne.

103. Was erstens die Voraussetzung in Bezug auf die Darreichungsform anbelangt, hat der Gerichtshof entschieden, dass für die Feststellung, ob das abgekürzte Verfahren Anwendung findet, auf die Form, in der das Arzneimittel aufgemacht ist, und auf die Form, in der es eingenommen wird, einschließlich der physikalischen Form, abzustellen ist(41). Dieser Standpunkt bietet meines Erachtens keine Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Voraussetzung in einer „gemischten Situation“ wie der vorliegenden nicht erfüllt sein könnte. Ich möchte ebenfalls anmerken, dass im vorliegenden Verfahren nichts Gegenteiliges vorgetragen wird.

104. Was zweitens die Voraussetzung der Bioäquivalenz anbelangt, ist anzumerken, dass diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist, wenn das „Generikum und das Referenzarzneimittel den Wirkstoff in gleicher Höhe und in gleicher Weise unter ähnlichen Bedingungen an den Körper abgeben“(42).

105. Angesichts der vorstehenden Ausführungen und der allgemeinen Formulierung der in Rede stehenden Voraussetzung („dessen Bioäquivalenz mit dem Referenzarzneimittel durch geeignete Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde“) sehe ich keinen rechtlichen Grund dafür, dass die Bioäquivalenz in einer „gemischten“ Situation wie der vorliegenden per se nicht nachgewiesen werden kann.

106. Anzumerken ist, dass Lilly darauf hinweist, dass Biogaran keine Studien zur Bioäquivalenz zu dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittel vorgelegt habe. Zu diesem Punkt hat Biogaran vorgetragen, im Rahmen des in Rede stehenden dezentralisierten Verfahrens sei in der Tat der Schluss gezogen worden, dass auf die Vorlage einer solchen Studie aufgrund der parenteralen Verabreichung des in Rede stehenden Arzneimittels verzichtet werden könne(43).

107. Nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b letzter Satz der Richtlinie 2001/83 können Bioverfügbarkeitsstudien nämlich erlassen werden, wenn der Antragsteller „nachweisen kann, dass das Generikum die relevanten Kriterien erfüllt, die in den entsprechenden ausführlichen Leitlinien festgelegt sind“.

108. Ich weise außerdem darauf hin, dass nach den von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (im Folgenden: EMA) erlassenen einschlägigen Leitlinien Studien zur Bioäquivalenz für durch Injektion verabreichte Arzneimittel – was bei dem in Rede stehenden Arzneimittel der Fall zu sein scheint – im Allgemeinen nicht erforderlich sind(44). Zugleich scheinen die bestehenden Leitlinien der EMA entweder die Bioäquivalenz zweier chemischer Arzneimittel oder im Fall von Biosimilars die Vergleichbarkeit zweier biologischer Arzneimittel zu betreffen(45). Ein gemischtes Szenario wie das vorliegende scheint nicht ausdrücklich in Betracht gezogen worden zu sein, wie Biogaran ebenfalls angemerkt hat.

109. Dies vorausgeschickt, habe ich bereits erläutert, dass die vom vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene Frage keine besonderen Umstände des in Rede stehenden Genehmigungsverfahrens betrifft, die über die unterschiedlichen Herstellungsverfahren hinausgehen. Demzufolge und da das vorlegende Gericht (so scheint es) keine Zweifel an der Vereinbarkeit der Bedingungen geäußert hat, unter denen die Verpflichtung zur Vorlage dieser Studien erlassen wurde, kann dieser Aspekt der Rechtssache meines Erachtens sachdienlich nicht genauer untersucht werden.

110. Was schließlich das Element der gleichen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung aus Wirkstoffen betrifft, verstehen Laboratoires Eurogenerics und Lilly dieses Element dahin, dass es eine molekulare Identität der Wirkstoffe verlange, die in einer gemischten Situation wie der vorliegenden wegen der Unterschiede im Herstellungsprozess und der den biologischen Arzneimitteln inhärenten Variabilität nicht bestehen könne.

111. Erstens ist, wie ich bereits ausgeführt habe, die inhärente Variabilität zwar ein typisches Merkmal biologischer Arzneimittel, doch tritt sie im vorliegenden Fall möglicherweise nicht auf (was wiederum vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist).

112. Zweitens betrifft nach meinem Verständnis die oben angesprochene Mikroheterogenität, sofern sie auftritt, die Molekularstruktur des biologischen Arzneimittels. Da diese Mikroheterogenität in der Regel bei chemischen Arzneimitteln nicht vorkommt, wird es einen Unterschied in der Molekularstruktur der zu vergleichenden Erzeugnisse geben.

113. Drittens bin ich nicht der Ansicht, dass ein solcher Unterschied die Erfüllung der Voraussetzung der „gleichen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung aus Wirkstoffen“ ausschließt.

114. Hierzu möchte ich anmerken, dass der Gerichtshof im Urteil SmithKline(46) entschieden hat, dass die Möglichkeit der Anwendung des abgekürzten Verfahrens keine genaue molekulare Entsprechung der Wirkstoffe der fraglichen Erzeugnisse voraussetzt, sondern dass vielmehr auf die therapeutische Wirksamkeit der beiden zu vergleichenden Arzneimittel abzustellen ist.

115. In dem genannten Urteil ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die soeben erwähnte Voraussetzung erfüllt ist, obwohl die Zusammensetzung der Wirkstoffe der beiden in Rede stehenden Arzneimittel im Hinblick auf die verwendeten Salze Unterschiede aufwies. Der Gerichtshof stellte auf den Umstand ab, dass die Salze Unterschiede im Hinblick auf ihren negativen Teil aufwiesen, der ein inerter Bestandteil und daher im Hinblick auf die therapeutische Wirkung irrelevant war(47).

116. Ich möchte ebenfalls darauf hinweisen, dass die Definition in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 (die dem genannten Urteil zeitlich nachfolgte) die folgende Klarstellung umfasst: „Die verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs gelten als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit.“ In solchen Fällen „müssen vom Antragsteller ergänzende Daten vorgelegt werden, die die Sicherheit und/oder Wirksamkeit der verschiedenen Salze, Ester oder Derivate eines zugelassenen Wirkstoffs belegen“.

117. Nach meinem Verständnis führt ein Unterschied bei Salzen, Estern, Ethern oder Isomeren, der tatsächlich insbesondere bei chemisch hergestellten Arzneimitteln relevant zu sein scheint(48), zu Unterschieden der Molekularstruktur. Nach Ansicht des Gesetzgebers steht dies jedoch der Erfüllung der Voraussetzung der „gleichen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung aus Wirkstoffen“ grundsätzlich nicht entgegen. Es handelt sich vielmehr um einen Aspekt, der dazu führen kann, dass weitere Nachweise für die Sicherheit und Wirksamkeit erforderlich sind, aber er schließt nicht aus, dass ein bestimmtes Erzeugnis als Generikum angesehen wird.

118. Dies deutet meines Erachtens ebenfalls darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht verlangt, dass das Generikum, für das eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt wird, und das Referenzarzneimittel eine identische Molekularstruktur aufweisen. Folglich schließt ein etwaiger Unterschied, sollte er aufgrund der Mikroheterogenität des als Referenzarzneimittel angegebenen biologischen Arzneimittels festgestellt werden, die Anwendbarkeit des abgekürzten Verfahrens in einem Fall wie dem vorliegenden nicht automatisch aus.

119. Bestimmte Vorschriften aus dem einschlägigen normativen Kontext stehen dieser Schlussfolgerung nicht entgegen. Im vorliegenden Verfahren sind insoweit zwei konkrete Vorschriften der Richtlinie 2001/83 angeführt worden, auf die ich im Folgenden eingehen werde.

b)      Kontext

120. Einer der Hauptgründe für die Vorlage der zweiten Frage hängt mit Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 zusammen. Diese Bestimmung betrifft die Kategorie der „Biosimilar-Arzneimittel“, d. h. biologische Erzeugnisse, die einem bereits zugelassenen biologischen Arzneimittel gleichen(49).

121. Diese Bestimmung sieht vor: „Erfüllt ein biologisches Arzneimittel, das einem biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist, die in der Definition von Generika enthaltenen Bedingungen nicht, weil insbesondere die Rohstoffe oder der Herstellungsprozess des biologischen Arzneimittels sich von dem des biologischen Referenzarzneimittels unterscheiden, so sind die Ergebnisse geeigneter vorklinischer oder klinischer Versuche hinsichtlich dieser Bedingungen vorzulegen“(50) (um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels zu erhalten).

122. Diese Bestimmung betrifft also einen Mechanismus, der speziell auf biologische Arzneimittel anzuwenden ist, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen beantragt worden ist und die einem anderen biologischen Referenzarzneimittel gleichen. Laboratoires Eurogenerics und Lilly verstehen diese Bestimmung allerdings so, dass das abgekürzte Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nur Anwendung finde, wenn chemische Arzneimittel betroffen seien (sowohl als Referenzarzneimittel als auch als Anwärter auf eine Einstufung als Generikum). Daraus folgt ihrer Ansicht nach, dass ein gemischtes Szenario wie im vorliegenden Fall vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen sei, da sich die beiden in Art. 10 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Verfahren gegenseitig ausschlössen (mit dem Ergebnis, dass das erste Verfahren nie anwendbar sei, wenn ein vorgeschlagenes Generikum auf ein biologisches Referenzarzneimittel verweise).

123. Ebenso wie die französische und die niederländische Regierung und die Kommission stimme ich diesem Vorbringen nicht zu.

124. Der Wortlaut von Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 geht nämlich in die entgegengesetzte Richtung dessen, was Laboratoires Eurogenerics und Lilly vortragen, weil er impliziert, dass biologische Arzneimittel die Voraussetzungen für die Genehmigung als Generika eines biologischen Referenzarzneimittels erfüllen können. Aus Art. 10 Abs. 4 wird recht deutlich, dass die dort erwähnten zusätzlichen Versuche erforderlich sind, wenn das vorgeschlagene biologische Arzneimittel „die in der Definition von Generika enthaltenen Bedingungen nicht erfüllt“.

125. Folglich spricht Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 nicht gegen die Auslegung, dass das abgekürzte Verfahren gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 chemischen Erzeugnissen vorbehalten ist, vielmehr erkennt er die besondere Schwierigkeit eines biologischen Arzneimittels an, ein anderes biologisches Arzneimittel identisch zu „kopieren“, schließt diese Möglichkeit jedoch nicht vollständig aus(51).

126. Der von Laboratoires Eurogenerics angeführte Anhang I Teil II Nr. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 vermag diese Auffassung nicht in Zweifel zu ziehen. Diese Bestimmung zählt die im abgekürzten Verfahren vorzulegenden Daten auf, „sofern [das Referenzarzneimittel] kein biologisches Arzneimittel ist“.

127. Ähnlich wie bei Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 kann diese Bestimmung des Anhangs I schwerlich dahin verstanden werden, dass sie es ausschließt, biologische Arzneimittel als Referenzarzneimittel anzusehen. Sie beschränkt sich nämlich darauf, den Leser auf einen anderen Teil desselben Anhangs zu verweisen, der sich mit dem besonderen Fall der Biosimilars befasst und vorsieht: „Gestatten die Angaben, die für im Wesentlichen gleiche Arzneimittel (Generika) erforderlich sind, einen solchen Nachweis jedoch nicht für zwei biologische Arzneimittel, sind zusätzliche Angaben, insbesondere das toxikologische und klinische Profil, vorzulegen.“

128. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das besondere Verfahren für Biosimilars eingeführt wurde, um der besonderen Beschaffenheit biologischer Arzneimittel Rechnung zu tragen, bei denen das vorgeschlagene Arzneimittel aufgrund der inhärenten Variabilität der Molekularstruktur in der Regel nicht die in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Bedingungen erfüllt. Damit sollte jedoch nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass ein biologisches Arzneimittel als Referenzarzneimittel im abgekürzten Verfahren dienen kann.

129. Darüber hinaus dürfte dieses Ergebnis auch meine frühere Feststellung bestätigen, dass das abgekürzte Verfahren keine molekulare Identität der betreffenden Arzneimittel voraussetzt. Wie ich bereits erläutert habe, treten bei biologischen Arzneimitteln typischerweise geringfügige Unterschiede in der Molekularstruktur auf, die sogar zwischen den Chargen eines bestimmten Arzneimittels oder innerhalb dieser Chargen vorkommen können, und daher nach meinem Verständnis auch zwischen einem biologischen Arzneimittel und seinem Biosimilar. Dieser Umstand hat jedoch nicht dazu geführt, dass die Genehmigung solcher Arzneimittel auf das in Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83 vorgesehene Verfahren beschränkt wurde. Wenn das mögliche Auftreten solcher molekularen Unterschiede nicht ausschließt, dass in solchen Fällen das abgekürzte Verfahren nach Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie Anwendung findet, ist schwer nachvollziehbar, warum dies in einer gemischten Situation wie der vorliegenden anders sein sollte.

130. Ungeachtet des vorstehenden Arguments wird die Schlussfolgerung, dass das abgekürzte Verfahren auf eine gemischte Situation wie im vorliegenden Fall Anwendung finden kann, durch die mit der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele bestätigt.

c)      Würdigung der mit der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele

131. Erstens verfolgt die Richtlinie 2001/83 mit der Schaffung eines harmonisierten Rahmens für die Genehmigung von Humanarzneimitteln auf dem europäischen Markt insbesondere das wesentliche Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit (auf das ihr zweiter Erwägungsgrund verweist).

132. In Anbetracht dieses Ziels hat der Gerichtshof im Urteil Generics entschieden, dass die (damaligen) Voraussetzungen für die Anwendung des abgekürzten Verfahrens gewährleisten sollten, dass zwischen dem Referenzarzneimittel und dem vorgeschlagenen Generikum (damals als „im Wesentlichen gleiches Erzeugnis“ bezeichnet) in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit keine erheblichen Unterschiede bestehen(52). Es ist ebenfalls dieses übergeordnete Ziel, das den Gerichtshof in jenem Urteil zu der Schlussfolgerung veranlasst hat, dass das Fehlen eines erheblichen Unterschieds in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit anhand der Kriterien der gleichen qualitativen und quantitativen Zusammensetzung aus Wirkstoffen, der gleichen Darreichungsform und der Bioäquivalenz zu prüfen war (die später vom Gesetzgeber in den derzeit geltenden Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 übernommen wurden)(53).

133. Im Gegensatz zu dem, was Laboratoires Eurogenerics und Lilly im Wesentlichen geltend machen, steht das Ergebnis, dass das abgekürzte Verfahren unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles Anwendung finden kann, dem Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit daher nicht entgegen, denn unabhängig von dem jeweiligen Herstellungsverfahren und der chemischen oder biologischen Natur der in Rede stehenden Erzeugnisse wird die Voraussetzung der Sicherheit und Wirksamkeit des vorgeschlagenen Arzneimittels anhand der drei genannten Hauptkriterien geprüft.

134. Ich habe bereits dargelegt, dass sich diese Kriterien nicht auf das Herstellungsverfahren oder die (chemische oder biologische) Natur der daraus gewonnenen Arzneimittel beziehen. Diese Aspekte sind daher für sich genommen nicht maßgeblich für die Feststellung, ob ein Arzneimittel als Generikum eines bestimmten Referenzarzneimittels angesehen werden kann. Meines Erachtens können nur die Merkmale des vorgeschlagenen Arzneimittels nach seiner Prüfung anhand der oben genannten Kriterien zu dem Schluss führen, dass seine Sicherheit und Wirksamkeit nicht mit der Sicherheit und Wirksamkeit des Referenzarzneimittels vergleichbar sind, so dass es dem Antragsteller nicht gestattet wird, auf die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche für das Referenzarzneimittel zu verweisen.

135. Zweitens verfolgt die Richtlinie 2001/83 auch das Ziel, Hindernisse für die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Union zu vermeiden(54).

136. Laboratoires Eurogenerics und Lilly tragen vor, es liefe diesem Ziel zuwider, wenn in einer gemischten Situation wie der vorliegenden die Anwendung des abgekürzten Verfahrens zugelassen würde.

137. Ich bin anderer Ansicht.

138. Unbestreitbar nimmt die Entwicklung neuer Arzneimittel viele Jahre in Anspruch und erfordert umfangreiche wissenschaftliche Forschung und Investitionen. Die Richtlinie 2011/83 belohnt diese Innovationsbemühungen durch Gewährung der Unterlagenschutzfrist, auf die ich im Rahmen der ersten Vorlagefrage eingegangen bin. Die Inanspruchnahme des abgekürzten Verfahrens und die Möglichkeit des Antragstellers, der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums anstrebt, auf die für ein schon genehmigtes Arzneimittel erhobenen relevanten Daten zu verweisen, bestehen nämlich erst nach Ablauf dieser Frist (unbeschadet des Rechtsschutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums).

139. Drittens zeigt die Möglichkeit, nach dem abgekürzten Zulassungsverfahren vorzugehen, dass der Unionsgesetzgeber ein Gleichgewicht herstellen wollte zwischen dem Schutz innovativer Unternehmen und ihren Investitionen, dem allgemeinen Interesse an einem offenen Markt, und dem Wunsch, unnötige Versuche an Tier und Mensch zu vermeiden(55), was ebenfalls zu den Zielen der Regelungen in der Richtlinie 2001/83 gehört. Ein ausgewogener Ansatz bei der Verwirklichung dieser Ziele bedeutet, dass grundsätzlich nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist der Zweck der sich aus diesem Rechtsrahmen ergebenden einschlägigen Vorschriften vom Ziel der Belohnung der Forschung zu den anderen beiden soeben genannten Zielen (d. h. Gewährleistung eines offenen Marktes und Vermeidung unnötiger Versuche an Tieren und Menschen) wechselt.

140. Die Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen des chemischen Generikums eines biologischen Arzneimittels nach Abschluss des abgekürzten Verfahrens, sofern alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind, fördert die Erreichung dieser beiden Ziele. Sie befreit nämlich die Antragsteller von der Verpflichtung, Versuche durchzuführen, wenn auf die betreffenden Daten verwiesen werden kann, um die notwendigen Schlussfolgerungen zur Sicherheit und Wirksamkeit des vorgeschlagenen Arzneimittels zu ziehen. Darüber hinaus bietet sie den Patienten (und den nationalen Systemen der sozialen Sicherheit) eine kostengünstigere Alternative. Würde dagegen die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines chemischen Generikums verhindert, obwohl alle einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind, so würde dies die Verwirklichung der oben genannten Ziele erschweren. Der Antragsteller wäre dann nämlich verpflichtet, erneut vorklinische und klinische Versuche durchzuführen, was entweder dazu führen könnte, dass der Markt auf ein alternatives Arzneimittel verzichten müsste, oder sich negativ auf dessen Preis auswirken würde.

141. Die letzte zu prüfende Frage ist, ob das gemischte Szenario im vorliegenden Fall rechtmäßig im Rahmen des (dezentralisierten) nationalen Verfahrens anstatt im zentralisierten Verfahren beurteilt werden konnte. In diesem Zusammenhang werde ich nun auf Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 eingehen.

D.      Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004

142. Ich erinnere daran, dass Forsteo, das Referenzarzneimittel von Biogaran Teriparatid, im Rahmen des zentralisierten Genehmigungsverfahrens genehmigt wurde. Damit kommt Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 ins Spiel, auf den das vorlegende Gericht hinweist und der vorsieht, dass ein Generikum eines solchen Arzneimittels von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2001/83 genehmigt werden kann. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn u. a. der Antrag auf Genehmigung gemäß Art. 10 dieser Richtlinie gestellt wird und wenn gemäß Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 „die Zusammenfassung der Produktmerkmale … in allen einschlägigen Punkten der des von der [Union] genehmigten Arzneimittels [entspricht] …“(56).

143. Lilly beruft sich auf Art. 3 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung, um im Wesentlichen zu argumentieren, dass die zweite Voraussetzung nicht erfüllt sei, weil solche Zusammenfassungen identisch sein müssten, und zwar auch in Bezug auf das Herstellungsverfahren. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei (und auch nicht erfüllt werden könne), macht Lilly geltend, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Arzneimittels zu Unrecht im Rahmen eines dezentralisierten Verfahrens erteilt worden sei, da auf sie ein zentralisiertes Verfahren anzuwenden gewesen wäre.

144. Ich weise erstens darauf hin, dass die Zusammenfassung der Produktmerkmale (Summary of the product characteristics, im Folgenden: SmPC) „ein Dokument [ist], in dem die Eigenschaften und die offiziell genehmigten Anwendungsbedingungen eines Arzneimittels beschrieben sind“(57). Es bildet „die Grundlage für Informationen für Angehörige der Gesundheitsberufe zur sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels“(58). Es ist gemeinsam mit dem Antrag für das Inverkehrbringen einzureichen(59) und die zuständige Behörde gibt dazu eine Stellungnahme ab. Daher stellt dieses Dokument „einen intrinsischen und integralen Bestandteil der Genehmigung für das Inverkehrbringen dar“(60).

145. Seine obligatorischen Bestandteile sind in Art. 11 der Richtlinie 2001/83 festgelegt und umfassen gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung insbesondere die „[q]ualitative und quantitative Zusammensetzung aus Wirkstoffen und Bestandteilen der Arzneiträgerstoffe, deren Kenntnis für eine zweckgemäße Verabreichung des Mittels erforderlich ist; …“.

146. Es trifft zu, dass nach der einschlägigen Leitlinie bei biologischen Arzneimitteln in der SmPC der biologische Ursprung des Wirkstoffs angegeben werden muss, d. h. „die Art des/der für die Herstellung verwendeten Zellsystems/Zellsysteme und gegebenenfalls die Verwendung rekombinanter DNA-Technologie sollten angegeben werden“(61). Diese Informationen können per definitionem nicht für die entsprechende chemische „Kopie“ eines solchen Produkts angegeben werden.

147. Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 sieht jedoch vor, dass die SmPC „in allen einschlägigen Punkten [der des Referenzarzneimittels] … [entspricht]“, und nicht, dass sie identisch sein muss. Wenn im Zuge der Beurteilung festgestellt wird, dass der Unterschied im Herstellungsprozess und die daraus folgende unterschiedliche Art des Erzeugnisses (chemisch im Unterschied zu biologisch) keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit des vorgeschlagenen Generikums hat, vermag ich nicht zu erkennen, inwiefern dieser Unterschied zu der Schlussfolgerung führen könnte, dass die SmPC eines solchen Generikums nicht „in allen einschlägigen Punkten“ der seines Referenzarzneimittels „entspricht“. Daher bin ich der Ansicht, dass Art. 3 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 nichts an dem Ergebnis ändert, zu dem ich zuvor gelangt bin.

148. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen bin ich der Auffassung, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass er der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines chemischen Arzneimittels nach dem abgekürzten Verfahren gemäß Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie in Fällen, in denen das Referenzarzneimittel ein biologisches Arzneimittel ist, nicht entgegensteht, sofern die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 festgelegten Voraussetzungen dafür, dass das chemische Arzneimittel als Generikum des biologischen Arzneimittels angesehen werden kann, erfüllt sind.

V.      Ergebnis

149. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.      Die Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel

sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass ein Gericht eines von einem dezentralisierten Verfahren für die Genehmigung für das Inverkehrbringen betroffenen Mitgliedstaats, der nicht der Referenzmitgliedstaat ist, das mit der Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen die von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen befasst ist, prüft, ob das Arzneimittel, dessen Inverkehrbringen genehmigt wurde, als „Generikum“ im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 angesehen werden kann.

2.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83

ist dahin auszulegen, dass er der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines chemischen Arzneimittels nach dem abgekürzten Verfahren gemäß Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie in Fällen, in denen das Referenzarzneimittel ein biologisches Arzneimittel ist, nicht entgegensteht, sofern die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 festgelegten Voraussetzungen dafür, dass das chemische Arzneimittel als Generikum des biologischen Arzneimittels angesehen werden kann, erfüllt sind.































































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