Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANDREA BIONDI
vom 30. Oktober 2025(1 )
Verbundene Rechtssachen C ‑440/24 P und C ‑441/24 P
Republik Lettland
gegen
Petr Aven (C ‑440/24 P)
und
Mikhail Fridman (C ‑441/24 P)
„ Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Aufnahme in die Liste der betroffenen Personen, Organisationen und Einrichtungen – Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und d des Beschlusses 2014/145/GASP – Kriterium der Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen – Kriterium der materiellen oder finanziellen Unterstützung der verantwortlichen russischen Entscheidungsträger – Kriterium des Profitierens von russischen Entscheidungsträgern – Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz – Umfassende Kontrolle der restriktiven Maßnahmen durch die Unionsgerichte – Relevanz des Kontexts bei der Prüfung der Stichhaltigkeit der Aufnahmegründe – Fehlende Distanzierung “
1. Die vorliegenden Rechtsmittel der Republik Lettland – Streithelferin vor dem Gericht der Europäischen Union – bieten dem Gerichtshof Gelegenheit, erneut auf den Umfang des Ermessensspielraums des Rates der Europäischen Union, die ihm obliegende Beweislast und den Standard der gerichtlichen Kontrolle, den die Unionsgerichte zu gewährleisten haben, einzugehen und diese Gesichtspunkte weiter zu präzisieren.
2. So beantragt die Republik Lettland die Nichtigerklärung der Urteile Aven/Rat(2 ) und Fridman/Rat(3 ) (im Folgenden zusammen: angefochtene Urteile), mit denen das Gericht den Klagen von Herrn Petr Aven bzw. Herrn Mikhail Fridman, die beide auf die Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2022/337(4 ) und der Durchführungsverordnung (EU) 2022/336(5 ) (im Folgenden zusammen: streitige ursprüngliche Rechtsakte) einerseits und des Beschlusses (GASP) 2022/1530(6 ) und der Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529(7 ) (im Folgenden zusammen: streitige Beibehaltungsrechtsakte) andererseits abzielten, stattgegeben hat, soweit diese Rechtsakte (im Folgenden zusammen: streitige Rechtsakte) sie betreffen.
3. Die Herren Aven und Fridman wurden in die Listen der Personen aufgenommen, deren Vermögenswerte auf der Grundlage zweier Kriterien von Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2014/145/GASP des Rates vom 17. März 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16), in der durch den Beschluss (GASP) 2022/329 des Rates vom 25. Februar 2022 (ABl. 2022, L 50, S. 1) geänderten Fassung eingefroren werden sollen. Der Rat nahm die Herren Aven und Fridman in die Liste auf, weil er der Ansicht war, dass sie Handlungen oder politische Maßnahmen „unterstütz[t]en oder umsetz[t]en“, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit sowie die Stabilität und die Sicherheit der Ukraine untergrüben oder bedrohten (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des geänderten Beschlusses 2014/145, im Folgenden: Kriterium a) und „russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich [seien], materiell oder finanziell unterstütz[t]en“ oder „von diesen Entscheidungsträgern profitier[t]en“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d des geänderten Beschlusses 2014/145, im Folgenden: Kriterium d).
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Urteile
4. Hinsichtlich der Vorgeschichte des Rechtsstreits verweise ich auf die Rn. 2 bis 14 des Urteils Aven/Rat und die Rn. 2 bis 14 des Urteils Fridman/Rat.
5. In seiner Klage vor dem Gericht machte Herr Aven zwei Klagegründe geltend, wobei mit dem ersten Beurteilungsfehler gerügt wurden, die den Rat dazu veranlasst hätten, ihn zu Unrecht in die streitigen Listen aufzunehmen und dort zu belassen, während sich der zweite, der gegen die Beibehaltungsrechtsakte gerichtet war, auf eine Verletzung der Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung seiner Situation und der Begründungspflicht bezog. Das Gericht prüfte die Richtigkeit der Aufnahme von Herrn Aven in diese Listen und seiner Beibehaltung in den Listen anhand der Kriterien a und d insbesondere in Anbetracht der angeblich fehlerhaften Beurteilung des Sachverhalts durch den Rat(8 ). Am Ende seiner Prüfung kam es zu dem Schluss, dass keiner der Gründe in den vor ihm angefochtenen Rechtsakten rechtlich hinreichend untermauert und somit weder die Aufnahme von Herrn Aven in die Listen noch seine Beibehaltung in diesen Listen gerechtfertigt war(9 ). Daher gab das Gericht dem ersten Klagegrund statt und erklärte die streitigen Rechtsakte insoweit für nichtig, als sie Herrn Aven betrafen.
6. Herr Fridman brachte die gleichen zwei Klagegründe vor dem Gericht vor, das jedoch nur den ersten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler gerügt wurden, untersuchte. Nach Prüfung der als fehlerhaft beanstandeten Beurteilung des Sachverhalts durch den Rat kam das Gericht zu dem Schluss, dass keiner der Gründe in den angefochtenen Rechtsakten rechtlich hinreichend untermauert und weder die Aufnahme von Herrn Fridman in die streitigen Listen noch seine Beibehaltung in diesen Listen gerechtfertigt war(10 ). Daher gab das Gericht dem ersten Klagegrund statt und erklärte die streitigen Rechtsakte insoweit für nichtig, als sie Herrn Fridman betrafen.
II. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien
7. In der Rechtssache C‑440/24 P beantragt die Republik Lettland, das Urteil Aven/Rat aufzuheben und jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. Herr Aven beantragt, das Rechtsmittel als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das Rechtsmittel zurückzuweisen und jedenfalls der Republik Lettland die Kosten aufzuerlegen.
8. In der Rechtssache C‑441/24 P beantragt die Republik Lettland, das Urteil Fridman/Rat aufzuheben und jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. Herr Fridman beantragt, das Rechtsmittel als teilweise offensichtlich unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das Rechtsmittel zurückzuweisen und jedenfalls der Republik Lettland die Kosten aufzuerlegen.
9. Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. Oktober 2024 und vom 6. November 2024 sind die Republik Estland und die Republik Litauen als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Republik Lettland in den vorliegenden Rechtssachen, die anschließend zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden sind(11 ), zugelassen worden.
III. Zu den Rechtsmitteln
10. In jedem ihrer beiden Rechtsmittel macht die Republik Lettland vier ähnliche Gründe geltend.
11. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird eine Missachtung der aus dem Urteil Kadi(12 ) hervorgegangenen Rechtsprechung gerügt, der zweite betrifft eine Verfälschung der vom Rat vorgelegten Beweise, mit dem dritten wird ein Rechtsfehler bei der Anwendung des Kriteriums d beanstandet, und der vierte bezieht sich auf einen Rechtsfehler, den das Gericht begangen haben soll, als es die fehlende Distanzierung nicht als Unterstützung im Sinne des Kriteriums a gewertet habe.
A. Einleitende Bemerkungen
12. Ich möchte der Würdigung der vorliegenden Rechtsmittel zwei einleitende Überlegungen voranstellen.
1. Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle und zum Prüfungsrahmen
13. Die verschiedenen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens geltend gemachten Gründe ließen sich in einer einzigen Frage zusammenfassen: Der Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit der vom Rat erlassenen restriktiven Maßnahmen durch die Unionsgerichte. Diese Frage ist nicht neu. Von den Unionsgerichten wird erwartet, dass sie ein empfindliches, letztlich aber gerechtes Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen und potenziell widersprüchlichen Rechtsgrundsätzen und ‑normen herstellen.
14. Die beiden Seiten der Waage sind auf der einen Seite die Befugnis des Rates zum Erlass restriktiver Maßnahmen und auf der anderen der Schutz der Rechte der von diesen Maßnahmen betroffenen Personen.
15. Darüber hinaus kann nicht ignoriert werden, dass die vorliegenden Rechtsmittel im Zusammenhang mit der Invasion der Ukraine stehen – einem eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht und die Charta der Vereinten Nationen(13 ), der eine der größten Bedrohungen für die europäische Sicherheit und die internationale Ordnung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs darstellt. Dies ist eine allgegenwärtige Sorge in der Argumentation der Republik Lettland.
16. Die Bedeutung der vom Rat verfolgten Ziele, die sich in das umfassendere Ziel der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Einklang mit den in Art. 21 EUV genannten Zielen des auswärtigen Handelns der Union und der schrittweisen Ausweitung der vom Rat als Reaktion auf die destabilisierenden Handlungen der Russischen Föderation in der Ukraine ergriffenen restriktiven Maßnahmen in Abhängigkeit von deren Wirksamkeit einfügen, ist bereits anerkannt worden(14 ). Die restriktiven Maßnahmen, die sich aus den streitigen Rechtsakten ergeben, zielen darauf ab, maximalen Druck auf die Russische Föderation auszuüben, indem die Kosten ihrer Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben sollen, erhöht werden.
17. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Rat über einen großen Ermessensspielraum verfügt, wenn es darum geht, über die Zweckmäßigkeit restriktiver Maßnahmen zu entscheiden und deren Bedingungen festzulegen. Ich möchte hinzufügen, dass sich dieser Ermessensspielraum auch auf die Schwere der Maßnahmen sowie auf deren praktisch unbegrenzten Charakter erstreckt, damit festgestellt werden kann, ob sie geeignet sind, den äußerst schwerwiegenden Verstoß der Russischen Föderation gegen das Völkerrecht zu beenden.
18. Ein solcher Ermessensspielraum kann den Rat jedoch nicht von der Verpflichtung entbinden, sich von der Stichhaltigkeit der Gründe, die zur Aufnahme und Beibehaltung von Personen geführt haben, denen gegenüber restriktive Maßnahmen – d. h. Einzelentscheidungen, die sie erheblich beeinträchtigen – erlassen werden, zu überzeugen und diese nachzuweisen(15 ).
19. Ich stelle insoweit fest, dass das Gericht seiner Prüfung der Richtigkeit der Aufnahme und Beibehaltung der Herren Aven und Fridman gemäß den Kriterien a und d einleitende Bemerkungen vorangestellt hat, die den vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Prüfungsrahmen vollständig widerspiegeln.
20. Der Gerichtshof hat noch unlängst zum einen darauf hingewiesen, dass „im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Gründe, auf der die Entscheidung, den Namen einer Person in die Liste der Personen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufzunehmen oder dort zu belassen, beruht, die in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Effektivität der gerichtlichen Kontrolle u. a. erfordert, dass das Unionsgericht sich vergewissert, dass diese Entscheidung, die eine individuelle Betroffenheit der betreffenden Person begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um die Entscheidung zu stützen – erwiesen sind“(16 ).
21. Zum anderen hat er bekräftigt, dass bei dieser Beurteilung „die Beweise nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang zu prüfen [sind], in dem sie stehen. Der Rat erfüllt die ihm obliegende Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Person, die einer Maßnahme des Einfrierens ihrer Gelder unterworfen ist, und dem bekämpften Regime besteht … Des Weiteren ist es im Streitfall Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person vorliegenden Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind. Zwar braucht die betreffende Behörde dem Unionsgericht nicht sämtliche Informationen und Beweise vorzulegen, die mit der Begründung zusammenhängen, doch müssen die vorgelegten Informationen oder Beweise die Gründe stützen, die gegen die betroffene Person vorliegen“(17 ).
22. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht darüber hinaus hervor, dass die Unionsgerichte im Rahmen der Kontrolle restriktiver Maßnahmen im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund der Verträge zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union gewährleisten müssen, was auch für die Kontrolle von Rechtsakten zur Einführung restriktiver Maßnahmen gilt(18 ).
23. Die vorliegenden Rechtsmittel sind somit vor dem Hintergrund dieses Prüfungsrahmens zu untersuchen.
2. Zu den Aufnahmekriterien
24. Sodann soll kurz auf die Kriterien eingegangen werden, die der Rat herangezogen hat, um die Namen der Herren Aven und Fridman in die Liste der Personen aufzunehmen, deren Vermögenswerte eingefroren werden sollen, und sie dort zu belassen.
25. Diese Kriterien sind vom Rat festgelegt worden, der dazu von dem ihm in diesem Bereich zuerkannten weiten Ermessen Gebrauch gemacht hat(19 ), das hier nicht bestritten wird. Mit dem Beschluss 2022/329 sind die Aufnahmekriterien in einem Kontext geändert worden, der durch die dringende Notwendigkeit gekennzeichnet ist, angesichts der sehr ernsten Lage zusätzliche restriktive Maßnahmen zu erlassen(20 ).
26. Das Gericht hat die Möglichkeit, die vorliegenden Aufnahmen und Beibehaltungen – also sowohl für Herrn Aven als auch für Herrn Fridman – auf andere Kriterien zu stützen, ausdrücklich ausgeschlossen(21 ), wie der Rat im Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht hatte. Diese Schlussfolgerung wird im Rahmen der vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht in Frage gestellt. Somit ist davon auszugehen, dass die einzigen für die Würdigung relevanten Kriterien die Kriterien a und d sind.
27. So geht aus dem Kriterium a hervor, dass Gelder und wirtschaftliche Ressourcen(22 ) natürlicher Personen, die Handlungen oder politische Maßnahmen „unterstützen oder umsetzen“, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit bzw. die Stabilität oder die Sicherheit der Ukraine untergraben oder bedrohen, eingefroren werden sollen.
28. Das Kriterium d zielt seinerseits u. a. darauf ab, Gelder natürlicher Personen einzufrieren, die entweder russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen Entscheidungsträgern profitieren.
29. Diese Rechtsakte enthalten weder eine Definition der Begriffe „Unterstützung“, „materielle oder finanzielle Unterstützung“ und „russische Entscheidungsträger“ noch dessen, was unter dem Ausdruck „profitieren“ zu verstehen ist. Sie enthalten auch keine weiteren Informationen über die Art der Beweisführung(23 ).
30. Wie sich aus Rn. 41 der angefochtenen Urteile ergibt, hat das Gericht entschieden, dass das Kriterium a „voraussetzt, dass ein direkter oder indirekter Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten oder Handlungen der betroffenen Personen … und der Lage in der Ukraine, die zum Erlass der fraglichen restriktiven Maßnahmen geführt hat, nachgewiesen wird … Diese Personen müssen durch ihr Verhalten Personen unterstützt haben, die für Handlungen oder politische Maßnahmen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen“.
31. Wie aus Rn. 42 dieser Urteile hervorgeht, hat das Gericht festgestellt, dass das Kriterium d „gezielt und selektiv auf natürliche Personen … abstellt, die, auch [wenn sie] als solche keine Verbindung zur Annexion der Krim oder zur Destabilisierung der Ukraine haben, die dafür verantwortlichen russischen Entscheidungsträger materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen Entscheidungsträgern profitieren“. Das Kriterium d besteht nach Ansicht des Gerichts aus zwei Elementen, nämlich der materiellen oder finanziellen Unterstützung der für diese Annexion oder Destabilisierung verantwortlichen russischen Entscheidungsträger und der Tatsache, dass ein Vorteil aus diesen Entscheidungsträgern gezogen wird. Die beiden Kriterien sind nicht kumulativ; was den Vorteil betrifft, so reicht es aus, dass die betreffende Person von den russischen Entscheidungsträgern profitiert, ohne dass ein Zusammenhang zwischen den Vorteilen, in deren Genuss die benannten Personen oder Organisationen kommen, und der Annexion der Krim oder der Destabilisierung der Ukraine hergestellt werden muss.
B. Zum ersten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C ‑440/24 P und C ‑441/24 P, mit dem ein Rechtsfehler geltend gemacht wird, den das Gericht begangen haben soll, indem es die aus dem Urteil Kadi hervorgegangene Rechtsprechung missachtet habe
1. Zusammenfassung der Argumentation der Verfahrensbeteiligten
32. Die Republik Lettland, unterstützt durch die Republik Estland und die Republik Litauen, stellt ihrer Argumentation eine Reihe allgemeiner Bemerkungen voran, die sich auf die Notwendigkeit beziehen, eine einheitliche Rechtsprechung zu schaffen und den größeren Kontext des russischen Regimes und seines Einflusses zu berücksichtigen. Eine solche Beurteilung müsse vor dem Hintergrund der sich aus Art. 3 Abs. 1 und 5 sowie Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und c EUV ergebenden Anforderungen vorgenommen werden.
33. Das Gericht habe die in Rn. 31 der angefochtenen Urteile wiedergegebene Rechtsprechung falsch angewandt, indem es eine einzige individuelle und isolierte Prüfung der vom Rat vorgelegten Beweise vorgenommen habe, obwohl diese Prüfung durch eine gemeinsame und umfassende Analyse unter Berücksichtigung des Kontexts, in den sich diese Beweise einfügten, hätte ergänzt werden müssen.
34. So trägt die Republik Lettland vor, die gerichtliche Kontrolle restriktiver Maßnahmen habe in drei Schritten zu erfolgen. Zunächst hätte das Gericht prüfen müssen, ob einer der vom Rat angeführten Gründe als solcher die Aufnahme rechtfertige. Könne keiner der Gründe für sich genommen die Aufnahme rechtfertigen, hätte das Gericht die Beweise mithin in ihrer Gesamtheit würdigen müssen. Sodann müsse auf vorhandene Informationen außerhalb der Grenzen der vorgelegten Beweise, die für die Prüfung der Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung seien, zurückgegriffen werden. Der externe Kontext sei ein dem Gericht zur Verfügung stehendes Instrument, das ihm eine Würdigung der Beweise ermögliche, wenn diese untrennbar mit einer bestimmten Situation verknüpft seien(24 ) und wenn der Rat Schwierigkeiten habe, die Beweise zusammenzutragen, wie es im russischen Kontext der Fall sei. Beweise für die Nähe einer Person zu einer Regierung und ihren Status als „Oligarch“ in einem autoritären Regime müssten im Licht dieses spezifischen Kontexts geprüft werden, einschließlich der Unterwerfung der Geschäftswelt unter die Politik eines autoritären Regimes. Das Gericht habe Informationen, die diesen Kontext beleuchteten und in der Gegenerwiderung des Rates vor dem Gericht enthalten seien, nicht berücksichtigt. Die Republik Lettland führt insbesondere einen Presseartikel aus dem Jahr 2012, einen Bericht des Bank of Finland Institute for Emerging Economies sowie eine Erklärung von Herrn Aven zum wirtschaftlichen Umfeld in Russland und zur Beteiligung der Entscheidungsträger an dessen Entwicklung an. Schließlich hätte das Gericht entsprechend dem Urteil Rat/Bamba(25 ) zu dem Schluss kommen müssen, dass sich die Begründung der angefochtenen Rechtsakte in Anbetracht des Kontexts, der die untrennbare Verbindung zwischen dem wirtschaftlichem Umfeld in Russland und der politischen Führung belege, als hinreichend erweise.
35. Einleitend schlagen die Herren Aven und Fridman dem Gerichtshof vor, von Art. 181 der Verfahrensordnung Gebrauch zu machen. Außerdem machen sie geltend, die von der Republik Lettland im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes entwickelte Argumentation sei unklar, und schließen auf deren Unzulässigkeit. Hilfsweise vertreten sie die Auffassung, die Argumentation der Rechtsmittelführerin laufe darauf hinaus, das Gericht zu ersuchen, die Begründung des Urhebers des angefochtenen Rechtsakts durch seine eigene zu ersetzen, was nach der Rechtsprechung ausgeschlossen sei(26 ). Die Begründung des Rates sei allein anhand der Gesichtspunkte zu prüfen, auf die sich dieser bei seiner Entscheidung gestützt habe(27 ). Die Herren Aven und Fridman tragen vor, das Gericht dürfe nicht über die Dokumentationsbasis des Rates hinausgehen, wenn es darum gehe, die Funktionsweise des russischen Regimes zu berücksichtigen. Selbst wenn das Gericht eine solche Prüfung hätte vornehmen müssen, wäre die Schlussfolgerung jedenfalls unverändert geblieben.
2. Würdigung
36. Vorab ist festzustellen, dass die vorliegenden Rechtsmittel entgegen dem Vorbringen der Herren Aven und Fridman weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet erscheinen und sich nicht für eine Behandlung im Wege eines auf der Grundlage von Art. 181 der Verfahrensordnung erlassenen Beschlusses eignen.
37. Auch die Rüge der Unzulässigkeit des vorliegenden ersten Rechtsmittelgrundes ist zurückzuweisen. Entgegen dem Vorbringen der Herren Aven und Fridman ist die Argumentation der Rechtsmittelführerin nämlich völlig klar und leicht verständlich, wovon im Übrigen die Tatsache zeugt, dass es den Herren Aven und Fridman gelungen ist, zu diesem Rechtsmittelgrund in der Sache Stellung zu nehmen und zu dem Schluss zu kommen, dass er unbegründet sei.
38. Was die Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes in der Sache angeht, so beanstandet die Republik Lettland allgemein die Art und Weise, in der das Gericht seine Würdigung vorgenommen hat. Sie wirft ihm vor, die Aufnahmegründe und die Beweise, die diese vermeintlich stützen, isoliert betrachtet zu haben, obwohl es eine gemeinsame und umfassende Analyse dieser Gründe und Beweise im Licht ihres Kontexts hätte durchführen müssen. In diesem Sinne ist der erste Rechtsmittelgrund eng mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund verknüpft.
39. Ich schlage vor, das Vorbringen der Republik Lettland zum vorliegenden ersten Rechtsmittelgrund in zwei Problemkreise zusammenzufassen: Erstens die Frage nach der Berücksichtigung der mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele und zweitens die Rüge einer Missachtung der Rechtsprechung in der Rechtssache Kadi aufgrund einer isolierten Prüfung der Beweise und einer Nichtberücksichtigung des externen Kontexts.
40. Erstens geht es bei dem Argument der Republik Lettland, wonach die Prüfung der Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen vor dem Hintergrund der sich aus den Art. 3 und 21 EUV ergebenden Anforderungen vorzunehmen sei, nicht darum, die Bedeutung restriktiver Maßnahmen für die Verwirklichung der Ziele und Maßnahmen der Union auf internationaler Ebene zu leugnen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass auch die Strenge der gerichtlichen Kontrolle durch die Unionsgerichte, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs definiert ist, einem normativen Erfordernis von vorrangiger Bedeutung entspricht, da sie sich aus Art. 47 der Charta der Grundrechte ergibt. Mit anderen Worten: Auch wenn die Art. 3 und 21 EUV geltend gemacht werden, bleibt die gerichtliche Kontrolle in vollem Umfang wirksam.
41. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass mit dieser gerichtlichen Kontrolle sichergestellt werden soll, dass der Rat seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Ich weise insoweit darauf hin, dass er beim Erlass restriktiver Maßnahmen die Grundrechte beachten muss(28 ), zu denen das Recht auf eine gute Verwaltung gehört, aus dem sich das Recht jeder Person darauf ergibt, dass ihre Angelegenheiten unparteiisch und gerecht behandelt werden(29 ).
42. Zweitens möchte ich in Bezug auf die Pflichten, die dem Gericht obliegen, wenn es sich zur Stichhaltigkeit der Gründe für die Aufnahme einer Person in die Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden sollen, oder ihre Beibehaltung in dieser Liste äußert, daran erinnern, dass es Sache des Gerichts ist, sich zu vergewissern, dass Entscheidungen über eine Aufnahme oder Beibehaltung auf einer hinreichend soliden tatsächlichen Grundlage beruhen. Die in der Begründung behaupteten Tatsachen müssen überprüft werden, und es darf nicht allein auf die Beurteilung ihrer abstrakten Plausibilität abgestellt werden. Die vom Rat vorgelegten Informationen und Beweise müssen zumindest einen der Aufnahmegründe stützen können, und das Unionsgericht hat ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen und ihre Beweiskraft nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls und im Licht der Stellungnahme der betroffenen Person zu beurteilen.
43. Darüber hinaus kann die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufnahmegründe auch vorgenommen werden, indem die Beweise nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang geprüft werden, in dem sie stehen. Der Rat erfüllt die ihm obliegende Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Person, die einer Maßnahme des Einfrierens ihrer Gelder unterworfen ist, und dem bekämpften Regime besteht(30 ). So kann der Rat die Beweislast durch einen Rückgriff auf den Kontext in Situationen erfüllen, in denen der Zugang zu Informationen schwierig ist, wie beispielsweise im Urteil Anbouba/Rat(31 ).
44. Unbestreitbar kann der Kontext zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufnahmekriterien(32 ), aber auch der Stichhaltigkeit der Aufnahmegründe herangezogen werden. Dagegen kann er einen Grund oder Beweis zwar immer anreichern, ihn aber niemals ersetzen.
45. Im Urteil Anbouba/Rat bezogen sich die Gründe für die Aufnahme der betroffenen Person auf eine ganze Reihe von Indizien, die insbesondere mit bestimmten Funktionen dieser Person in der syrischen Wirtschaft zusammenhingen. Die Gründe beruhten auf zum Zeitpunkt der Aufnahme anerkannten und relevanten Tatsachen. Für sich genommen stellten diese Tatsachen keinen Hinweis auf eine Unterstützung dar; in ihrer Gesamtheit und ihrem Kontext betrachtet ergaben sie jedoch ein Bündel von Indizien, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend waren und die Feststellung ermöglichten, dass diese Person das syrische Regime in wirtschaftlicher Hinsicht unterstütze(33 ).
46. Nach meinem Dafürhalten liegt die Schwierigkeit in den vorliegenden Rechtsmittelverfahren darin begründet, dass die Gründe für die Aufnahme der Herren Aven und Fridman und die sie stützenden Beweise auf Gesichtspunkten beruhten, die weder eine Unterstützung im Sinne des Kriteriums a oder d noch einen Vorteil im Sinne des Kriteriums d erkennen ließen. Mit anderen Worten gab es nach der Würdigung durch das Gericht in den angefochtenen Urteilen nichts mehr, was durch den Kontext geklärt werden musste.
47. Die Republik Lettland vertritt folgenden Standpunkt: Da die Herren Aven und Fridman russische Oligarchen seien, hätten sie ihren wirtschaftlichen Erfolg nur erzielen können, indem sie das russische Regime im Allgemeinen und Herrn Putin im Besonderen unterstützten oder von diesen unterstützt würden – und somit von ihnen profitierten.
48. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Behauptung tatsächlich zutreffend ist.
49. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der europäische Standard für den gerichtlichen Rechtsschutz anspruchsvoller ist und eine vollständige Überprüfung den Inhalt der Aufnahmekriterien berücksichtigen sowie sicherstellen muss, dass die Aufnahmegründe, die sie stützenden Beweise und das Kriterium selbst übereinstimmen. Eine vollständige Überprüfung ist mit der Feststellung einer Vermutung durch einen Rückgriff auf den Kontext nicht vereinbar.
50. Eine Auslegung der Beweise im Licht des Kontexts darf nicht so weit gehen, dass sie das Kriterium selbst verfälschen würde.
51. Im Übrigen dürfen die von der Republik Lettland vorgebrachten Kontextelemente, die teilweise denen aus der Gegenerwiderung des Rates vor dem Gericht entsprechen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kontext in den streitigen Rechtsakten nicht erwähnt worden ist(34 ). Der Rat war somit verpflichtet, genaue und konkrete Gründe – gegebenenfalls ein Bündel konkreter, genauer und übereinstimmender Indizien – im Zusammenhang mit Tatsachen vorzubringen, die ein Verhalten darstellen könnten, wie es unter den Kriterien a und d genannt ist, die ich zu Beginn der Würdigung in Erinnerung gerufen habe.
52. Meines Erachtens hat das Gericht somit zu Recht entschieden, dass die verschiedenen in Rn. 44 der angefochtenen Urteile angeführten Gründe zwar geeignet waren, eine gewisse Nähe zu Herrn Putin oder seinem Umfeld zu belegen, sich mit ihnen aber weder der Nachweis erbringen ließ, dass die Herren Aven und Fridman im Sinne des Kriteriums a Handlungen oder politische Maßnahmen unterstützt hatten, die die Ukraine untergraben, noch, dass sie im Sinne des Kriteriums d von diesen Entscheidungsträgern profitiert hatten(35 ).
53. Da die herangezogenen Kriterien allgemeiner Art sind und die sie festlegenden Vorschriften weder definieren, was unter den Wendungen „Unterstützung“ von Handlungen oder politischen Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, und „russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen“ oder dem Ausdruck „profitieren“ zu verstehen ist, noch Erläuterungen dazu enthalten, wie das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale zu beweisen ist, besteht meines Erachtens kein Grund, von der Rechtsprechung abzuweichen, wonach die Beurteilung der Begründetheit der Aufnahme einer Person in die Liste der Personen und Organisationen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, immer den Nachweis von Umständen verlangt, anhand deren sich dartun lässt, dass die betroffene Person das Regime in wirtschaftlicher Hinsicht unterstützt oder von ihm profitiert hat(36 ). Aus der Formulierung der Kriterien a und d ergibt sich nämlich keine Vermutung dahin, dass die Herren Aven und Fridman allein wegen ihrer Stellung in der russischen Wirtschaft das russische Regime unterstützen oder von den russischen Entscheidungsträgern profitieren(37 ).
54. Zu dem Argument, wonach die gerichtliche Kontrolle restriktiver Maßnahmen eine Kontrolle in drei Schritten wie den von der Rechtsmittelführerin beschriebenen sei, stelle ich fest, dass es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Stütze findet.
55. Insbesondere die Behauptung, dass das Gericht, wenn keiner der Gründe für sich genommen die Aufnahme rechtfertigen könne, die Beweise in ihrer Gesamtheit prüfen müsse, scheint mir nur schwer mit dem wiederholt bekräftigten Grundsatz vereinbar zu sein, wonach, wenn die Unionsgerichte zu der Auffassung gelangen, dass zumindest einer der angeführten Gründe hinreichend präzise und konkret ist, nachgewiesen ist und für sich genommen eine hinreichende Grundlage für diese Entscheidung darstellt, der Umstand, dass dies auf andere der Gründe nicht zutrifft, die Nichtigerklärung der Entscheidung nicht rechtfertigen kann(38 ). Wenn ein einziger Grund ausreichen kann, muss zumindest ein Grund stichhaltig sein. Wenn aber keiner der Gründe substantiiert wird, könnte das Ergebnis einer Analyse, die alle Gründe zusammen betrachtet, nicht anders ausfallen.
56. Das Argument, das aus dem Urteil National Iranian Oil Company/Rat(39 ) hergeleitet wird, kann nicht überzeugen. Die Republik Lettland macht geltend, der Gerichtshof habe in Rn. 78 dieses Urteils anerkannt, dass der sogenannte „externe“ Kontext ein dem Gericht zur Verfügung stehendes Instrument sei, das ihm eine Würdigung der Beweise ermögliche, wenn diese untrennbar mit einer bestimmten Situation verknüpft seien und wenn der Rat Schwierigkeiten habe, die Beweise zusammenzutragen, wie es im russischen Kontext der Fall sei.
57. Zum einen erkennt der Gerichtshof in Rn. 78 des Urteils National Iranian Oil Company/Rat zwar an, dass bei der Auslegung von Beschlüssen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf den Kontext zurückgegriffen werden kann, doch geschieht dies im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Aufnahmekriterien und nicht der Beweise, die die Aufnahmegründe vermeintlich stützen. Zum anderen geht aus den angefochtenen Urteilen nicht hervor, dass sich der Rat auf Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Beweisen berufen hätte(40 ).
58. Das Argument, wonach das Gericht den externen Kontext der restriktiven Maßnahmen gegen die Herren Aven und Fridman und die vom Rat in seiner Gegenerwiderung vor dem Gericht vorgelegten Informationen als Beweise hätte berücksichtigen müssen, mit denen dargetan werden könne, dass sich die Begründung der angefochtenen Rechtsakte angesichts des Kontexts als ausreichend erweise, ist wiederum offensichtlich auf eine Verwechslung zwischen der Prüfung der Beachtung der Begründungspflicht einerseits und der Prüfung der sachlichen Richtigkeit der Aufnahme andererseits zurückzuführen, bei der zu untersuchen ist, ob die vom Rat für die Aufnahme angeführten Gesichtspunkte zutreffen und geeignet sind, den Erlass der genannten Maßnahmen zu rechtfertigen(41 ). Die vom Gericht in den beiden angefochtenen Urteilen vorgenommene Prüfung hat sich aber nur auf diese Untersuchung bezogen.
59. Nach alledem schlage ich vor, den ersten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
C. Zum zweiten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C ‑440/24 P und C ‑441/24 P, mit dem eine Verfälschung der vom Rat vorgelegten Beweise geltend gemacht wird
1. Zusammenfassung der Argumentation der Verfahrensbeteiligten
60. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund, den sie als eng mit dem ersten verknüpft ansieht, macht die Republik Lettland, unterstützt durch die Streithelferinnen, im Wesentlichen geltend, das Gericht habe die vom Rat vorgelegten Beweise verfälscht, indem es sie nicht in ihrem Kontext geprüft habe.
61. Was Rn. 74 des Urteils Aven/Rat betreffe, so laufe die gewählte Auslegung der Beweisstücke Nrn. 3 und 7 dem Ziel der vom Rat erlassenen Maßnahmen zuwider; auf die Frage, ob letztendlich US-Sanktionen verhängt worden seien oder nicht, komme es bei der Bestimmung des Beweiswerts der vom Rat vorgebrachten Gesichtspunkte, mit denen die enge Beziehung zwischen Herrn Aven und Herrn Putin sowie die Tatsache hervorgehoben werden sollten, dass Herr Aven zu einem integralen Bestandteil des russischen Regimes geworden sei, nicht an.
62. In Bezug auf die Beweisstücke Nrn. 4 und 12 habe sich das Gericht auf eine mechanische Auslegung des Sachverhalts beschränkt, obwohl sowohl die sogenannte „Salié“-Untersuchungskommission als auch die Lobbyarbeit von Herrn Putin zugunsten der Alfa Bank, einer der größten Privatbanken Russlands, die engen, langjährigen und besonderen Beziehungen zwischen Herrn Aven und dem russischen Regime sowie eine gegenseitige und untrennbare Unterstützung verdeutlichten.
63. Die Beweisstücke Nrn. 10 und 11 verdeutlichten erneut die Nähe zwischen Herrn Aven und Herrn Putin, sobald es um die Tochter des Letzteren gehe.
64. Die Beweisstücke Nrn. 2 und 3 belegten die Beteiligung von Herrn Aven an den Bemühungen des Kremls zur Aufhebung der westlichen Sanktionen und an einer Reihe von Gesprächen mit der russischen Regierung.
65. Aus all diesen Beweisen ergebe sich, dass Herr Aven nicht unabhängig von der russischen Regierung handle, sondern vielmehr Teil des russischen Regimes sei, mit dem er untrennbar verbunden sei, und dass er die Politik, Ausrichtung und Prioritäten dieses Regimes nicht ignorieren könne, da er als Gesandter tätig gewesen sei. Dies werde durch die Herrn Aven übertragenen Verantwortlichkeiten und Aufgaben belegt.
66. Bei den Beweisstücken Nrn. 8 und 9 hätte eine Prüfung dieser Beweise in ihrem Kontext dem Gericht die Feststellung ermöglicht, dass es sich in Anbetracht der Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit des Generalstaatsanwalts sowie der Konzentration der Macht in den Händen des russischen Präsidenten hierbei nicht um die bloße Ausübung eines verfassungsmäßig garantierten Rechtsbehelfs handle. Das Gericht scheine eher vom Beweiswert eines Rechtsgutachtens überzeugt gewesen zu sein, in dem das Schreiben von Herrn Aven an den russischen Präsidenten bewertet werde, ohne die Umstände zu berücksichtigen, unter denen dieses Gutachten eingeholt worden sei.
67. Was das Urteil Fridman/Rat angehe, so habe das Gericht zu Unrecht den Beweiswert des Beweisstücks Nr. 7 verneint, das doch eine Lobbyarbeit von Herrn Putin zugunsten der Alfa Group Türkei belege, mit der die Loyalität der Alfa Group – einem 1989 gegründeten Konglomerat, zu dem auch die Alfa Bank gehöre – gegenüber dem russischen Regime belohnt werde. Eine solche Lobbyarbeit veranschauliche aber eindeutig die engen, langjährigen und besonderen Beziehungen zwischen Herrn Fridman und dem russischen Regime. Entgegen der Auffassung des Gerichts in Rn. 49 des Urteils Fridman/Rat müsse der Grund einer politischen Unterstützung im Jahr 2005 bei der Rechtfertigung der Aufnahme von Herrn Fridman berücksichtigt werden.
68. Bei den Beweisstücken Nrn. 1 und 2, die sich auf die Eigenschaft von Herrn Fridman als milliardenschwerer Aktionär der Alfa Bank bezögen, habe das Gericht erneut den größeren Kontext, den es hätte berücksichtigen müssen(42 ), außer Acht gelassen, obwohl diese Beweisstücke den Status von Herrn Fridman in der russischen Wirtschaft belegten.
69. Die Nähe von Herrn Fridman zum russischen Präsidenten werde durch die Beweisstücke Nrn. 5 und 6 weiter veranschaulicht.
70. Das Beweisstück Nr. 2 deute eindeutig darauf hin, dass Herr Fridman an den Bemühungen des Kremls zur Aufhebung der westlichen Sanktionen beteiligt gewesen sei. Es werde untermauert, dass Herr Fridman nicht unabhängig von der russischen Regierung handle, sondern vielmehr Teil des russischen Regimes sei, mit dem er untrennbar verbunden sei. Er könne die Politik, Ausrichtung und Prioritäten dieses Regimes nicht ignorieren, da er als dessen Gesandter tätig gewesen sei. Die Herrn Fridman übertragenen Verantwortlichkeiten und Aufgaben belegten enge und untrennbare Beziehungen zwischen Herrn Putin und Herrn Fridman.
71. Letztendlich sei die Prüfung sämtlicher Beweise fehlerhaft gewesen, da das Gericht diese nur durch eine grundlegend verzerrte Brille betrachtet habe.
72. Die Herren Aven und Fridman kommen zu dem Schluss, dass der vorliegende zweite Rechtsmittelgrund unzulässig, hilfsweise offensichtlich unbegründet sei.
2. Würdigung
73. Es sei an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs erinnert, wonach das Rechtsmittel gemäß Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auf Rechtsfragen beschränkt ist. Das Gericht allein ist zuständig für die Feststellung der Tatsachen – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für die Würdigung dieser Tatsachen sowie der Beweismittel. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel stellt daher, sofern diese nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt. Behauptet ein Rechtsmittelführer eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweismitteln durch das Gericht, muss er außerdem genau angeben, welche Tatsachen oder Beweismittel das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben. Schließlich muss sich aus einer solchen Verfälschung die Unrichtigkeit der Würdigung der vorhandenen Tatsachen oder Beweismittel in offensichtlicher Weise ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf(43 ).
74. Entgegen dem Vorbringen der Herren Aven und Fridman ist der zweite Rechtsmittelgrund zulässig, da die von mir soeben in Erinnerung gerufenen Anforderungen bei der Argumentation der Republik Lettland erfüllt sind, die genau und substantiiert geltend macht, dass eine ganze Reihe von Beweisen verfälscht worden sei, weil das Gericht den Kontext, in den sie sich einfügten, nicht berücksichtigt habe.
a) Zur Behauptung einer Verfälschung der Beweise betreffend Herrn Aven
75. Was die sich aus den Schriftstücken Nrn. 3 und 7 ergebenden Beweise betrifft, so hat das Gericht den Grund geprüft, wonach Herr Aven im Jahr 2016 ein Gespräch mit Herrn Putin gehabt haben soll, in dem dieser ihn vor möglichen zusätzlichen US-Sanktionen gegen ihn oder die Alfa Bank gewarnt haben soll. Es ist mithin davon ausgegangen, dass mit diesen Beweisen dargetan werden sollte, dass Herr Aven im Sinne des Kriteriums d von russischen Entscheidungsträgern profitiert hatte(44 ). Das Gericht ist in Rn. 74 des Urteils Aven/Rat allerdings zu dem Schluss gekommen, dass Herr Aven den Sachverhalt zwar nicht bestreitet, aus der Beweismittelakte jedoch nicht hervorgeht, dass die zusätzlichen US-Sanktionen letztendlich verhängt worden waren.
76. Eine einfache Information über eine Möglichkeit ohne konkrete Verwirklichung eines Vorteils ist aber nicht als geeignet angesehen worden, den Vorteil zu begründen, und eine Berücksichtigung des Kontexts würde nichts an dieser Schlussfolgerung ändern. Das Kriterium d ist nicht so formuliert, dass es die bloße Möglichkeit eines Vorteils abdecken würde. Es ist festzustellen, dass die Schlussfolgerung, zu der das Gericht in Rn. 74 des Urteils Aven/Rat gelangt ist, nicht offensichtlich fehlerhaft ist und folglich keine Verfälschung darstellt.
77. Wie die Republik Lettland vorträgt, könnte zwar argumentiert werden, dass eine größere Wirksamkeit der restriktiven Maßnahmen und eine schnellere Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele es erforderlich machten, Aufnahmen von Personen auch in solchen Fällen zu gestatten. Es wäre gleichwohl Sache des Rates, das entsprechende Kriterium zu formulieren.
78. Was die sich aus den Schriftstücken Nrn. 4 und 12 ergebenden Beweise angeht , so wirft die Republik Lettland dem Gericht vor, eine mechanische Auslegung des Sachverhalts vorgenommen zu haben. Ich kann nur schwer nachvollziehen, wie sich eine mechanische Auslegung des Sachverhalts – d. h. eine Auslegung, die sich unverhältnismäßig eng an die Tatsachen hält – als offensichtlich fehlerhaft erweisen könnte.
79. Zu dem Grund, mit dem geltend gemacht wird, Herr Putin habe die Alfa Group, von der Herr Aven ein bedeutender Anteilseigner sein soll, für ihre Loyalität belohnt, indem er die Investitionspläne der Gruppe in der Türkei im Jahr 2005 politisch unterstützt habe, hat das Gericht jedenfalls als Erstes festgestellt, dass mit diesem Grund nachgewiesen werden sollte, dass Herr Aven im Sinne des Kriteriums d von russischen Entscheidungsträgern profitiert hat. Es hat entschieden, dass die russischen Entscheidungsträger, die die in diesem Kriterium genannten Vorteile gewährt hatten, mit den Vorbereitungen für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine begonnen haben mussten, damit davon ausgegangen werden kann, dass die durch die Vorteile begünstigten Personen die Beteiligung der Entscheidungsträger an den Vorbereitungen nicht ignorieren konnten. Da diese politischen Maßnahmen und Handlungen ab Ende Februar 2014 umgesetzt worden sind, hat das Gericht entschieden, dass der Grund der im Jahr 2005 erhaltenen politischen Unterstützung nicht berücksichtigt werden konnte. Die Frage nach der Richtigkeit der sich aus Rn. 48 des Urteils Aven/Rat ergebenden Beurteilung des Gerichts ist eine Rechtsfrage, die Gegenstand des dritten Rechtsmittelgrundes ist, auf dessen Würdigung ich verweise. Die weitere Prüfung des Beweisstücks Nr. 12 hat keine Verfälschung aufgrund der Nichtberücksichtigung des Kontexts ergeben.
80. Als Zweites hat das Gericht darüber hinaus entschieden, dass der Grund, der daraus hergeleitet wird, dass Herr Aven Herrn Putin im Rahmen der Salié-Untersuchungskommission geholfen haben soll, darauf abzielte, eine materielle oder finanzielle Unterstützung russischer Entscheidungsträger im Sinne des Kriteriums d nachzuweisen.
81. Das Gericht hat festgestellt, dass der Sachverhalt bis in die Jahre 1991 und 1992 zurückreichte, und den Grund zurückgewiesen, da es der Ansicht war, dass er sich auf einen Zeitraum bezog, der zu weit von der Aufnahme und Beibehaltung von Herrn Aven entfernt war, um berücksichtigt werden zu können, und zwar insbesondere deshalb, weil die Vorbereitungen für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatten. Die Berücksichtigung des Kontexts ist nicht geeignet, eine solche Schlussfolgerung zu ändern.
82. Vorbehaltlich der Prüfung des dritten Rechtsmittelgrundes ist der Schluss zu ziehen, dass in Bezug auf die Beweisstücke Nrn. 4 und 12 keine Verfälschung vorliegt.
83. Was die sich aus den Schriftstücken Nrn. 8 und 9 ergebenden Beweise betrifft , so ist zunächst anzumerken, dass sich die Würdigung durch das Gericht nicht auf das Beweisstück Nr. 9 bezogen hat(45 ).
84. Hinsichtlich des Grundes, mit dem geltend gemacht wird, Herr Aven habe einen Brief an Herrn Putin geschrieben, um sich über eine Entscheidung des Moskauer Schiedsgerichts zu beschweren, die im Rahmen eines Verfahrens getroffen worden war, das die Interessen seines Unternehmens betraf, und Herr Putin habe den Generalstaatsanwalt Russlands angewiesen, diesen Fall zu untersuchen, ist das Gericht davon ausgegangen, dass mit ihm nachgewiesen werden sollte, dass Herr Aven im Sinne des Kriteriums d von russischen Entscheidungsträgern profitiert hatte(46 ).
85. Das Beweisstück Nr. 8 besteht aus einem im Jahr 2019 auf einer Website erschienenen Artikel, dessen Inhalt in Rn. 62 des Urteils Aven/Rat näher erläutert wird. Aus der folgenden Randnummer dieses Urteils geht hervor, dass Herr Aven die betreffenden Informationen nicht bestreitet.
86. Das Gericht hat jedoch nicht die Auffassung vertreten, dass ein solcher Gesichtspunkt geeignet war, einen Vorteil im Sinne des Kriteriums d zu begründen, da die Möglichkeit, sich unter den gegebenen Umständen und zu diesem Zweck an den russischen Präsidenten zu wenden, in der Verfassung vorgesehen ist und mit dem Beweisstück Nr. 8 nicht nachgewiesen werden konnte, dass Herr Aven aus seinem Vorgehen einen besonderen Vorteil gezogen hatte.
87. Es mag vielleicht naiv erscheinen, zu urteilen, dass der im Beweisstück Nr. 8 geschilderte Sachverhalt letztlich nichts anderes ist als die Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfs, während die Russische Föderation kein Rechtsstaat mehr ist. Ich verstehe sehr gut, was die Republik Lettland mit ihrer Argumentation sagen will. Nach meinem Dafürhalten macht dies das Versagen des Rates jedoch umso offensichtlicher. Es war seine Aufgabe, den Grund durch einen Rückgriff auf Gesichtspunkte zu untermauern, mit denen sich, um die Worte der Rechtsmittelführerin zu verwenden, die fehlende Gewaltenteilung, die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz oder die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit veranschaulichen ließ, was ihm vermutlich leicht hätte gelingen können.
88. Die Würdigung des Beweisstücks Nr. 8 durch das Gericht scheint somit keine Verfälschung zu beinhalten.
89. Was schließlich den Beweiswert des von Herrn Aven vorgelegten Rechtsgutachtens angeht, so ist festzustellen, dass die Republik Lettland Rn. 66 des Urteils Aven/Rat falsch auslegt, da sich aus dieser Randnummer lediglich ergibt, dass der bloße Umstand, dass ein Dokument von einer Partei zu ihrer Verteidigung vorgelegt worden ist, diesem nicht jeglichen Beweiswert nehmen kann. Eine andere Beurteilung würde die Verteidigungsmittel der betroffenen Personen erheblich einschränken. Ein solches Dokument hat relative Beweiskraft, was das Gericht ausdrücklich anerkannt hat. Jedenfalls ist das Gericht nicht allein auf der Grundlage dieses Gutachtens zu dem Schluss gelangt, dass der Grund nicht substantiiert war. Es hat nämlich nicht nur aufgrund des vorgelegten Rechtsgutachtens, sondern auch aufgrund der auf der Website der russischen Präsidentschaft verfügbaren Informationen die Ansicht vertreten, dass der vom Rat festgestellte Sachverhalt nicht für den Nachweis ausreichte, dass das Ersuchen von Herrn Aven und die sich daraus ergebenden Folgen einen Vorteil begründeten, der über die Ausübung eines ordentlichen Rechtsbehelfs hinausging(47 ). Das Beweisstück Nr. 8 ist mit gegenteiligen Hinweisen abgeglichen worden, was dem Grundsatz der Verteidigungsrechte entspricht, ist deshalb aber noch lange nicht verfälscht worden.
90. Die Beweisstücke Nrn. 10 und 11 sollten den Grund untermauern, wonach über die Tochter von Herrn Putin Verbindungen zwischen diesem und der Alfa Group bestanden(48 ).
91. Aus den betreffenden Beweisstücken geht hervor, dass die älteste Tochter von Herrn Putin ein Wohltätigkeitsprojekt geleitet hat, das von dem Forschungszentrum durchgeführt wurde, an dem sie als Doktorandin tätig war und das sich zum Ziel gesetzt hatte, kranken Kindern zu helfen. Dieses Projekt wurde von der Alfa Bank finanziert(49 ).
92. Das Gericht hat ohne Verfälschung der Beweise entschieden, dass diese weder ausreichten, um eine materielle oder finanzielle Unterstützung bzw. einen Vorteil für Herrn Aven im Rahmen seiner Beziehungen zu Herrn Putin im Sinne des Kriteriums d nachzuweisen(50 ), noch, um eine Unterstützung im Sinne des Kriteriums a zu belegen(51 ), da etwaige Beziehungen zur Tochter von Herrn Putin bestenfalls eine gewisse Nähe von Herrn Aven zu diesem stützen könnten. Allerdings ergibt sich weder aus dem Kriterium a noch aus dem Kriterium d, dass die bloße Nähe zu russischen Entscheidungsträgern einen Aufnahmegrund darstellt.
93. In Bezug auf die Beweisstücke Nrn. 2 und 3 (52 ) trägt die Republik Lettland im Wesentlichen vor, mit diesen Beweisstücken werde dargetan, dass Herr Aven nicht unabhängig von der russischen Regierung handle, der er angehöre, da er untrennbar mit ihr verbunden sei.
94. Eine solche Argumentation vermag nicht von einer Verfälschung der Beweisstücke Nrn. 2 und 3 zu überzeugen, da der Grund für die Aufnahme von Herrn Aven nicht in der Tatsache zu finden ist, dass er der russischen Regierung angehört, oder gar in der Tatsache, dass er zu dieser eine so enge Beziehung unterhält, dass er untrennbar mit ihr verbunden wäre. Ich erinnere daran, dass das Gericht im Urteil Aven/Rat lediglich die Kriterien a und d geprüft hat und die Verbundenheit unter eine andere Rechtsgrundlage fällt(53 ).
95. Außerdem ergibt sich aus dem Beweisstück Nr. 2, dass das Treffen in Washington DC im Jahr 2018, also vier Jahre vor Erlass der ursprünglichen Rechtsakte, stattgefunden hat. In Anbetracht des zeitlichen Abstands zwischen diesem Ereignis und der erstmaligen Aufnahme von Herrn Aven(54 ) konnte die vorstehend angeführte Tatsache die Aktualität des zum Zeitpunkt der Aufnahme zur Last gelegten Verhaltens allein nicht stützen(55 ).
96. Somit ist der Schluss zu ziehen, dass in Bezug auf die Beweise betreffend Herrn Aven keine Verfälschung vorliegt.
b) Zur Behauptung einer Verfälschung der Beweise betreffend Herrn Fridman
97. Was die Rügen einer Verfälschung der Beweisstücke Nrn. 7, 5 und 6 angeht , so verweise ich mutatis mutandis auf meine Würdigung dieser Beweisstücke, soweit sie Herrn Aven betrafen.
98. In Bezug auf die Beweisstücke Nrn. 1 und 2 trägt die Republik Lettland vor, die Eigenschaft von Herrn Fridman als milliardenschwerer Aktionär sei erwiesen. Das Gericht habe – insbesondere in Rn. 53 des Urteils Fridman/Rat – den Kontext außer Acht gelassen, aus dem sich ergebe, dass allein diese Eigenschaft ausreiche, um eine Unterstützung politischer Maßnahmen im Sinne des Kriteriums a oder eine Unterstützung russischer Entscheidungsträger bzw. einen Vorteil durch diese im Sinne des Kriteriums d darzutun. Die Beweisstücke belegten den Status von Herrn Fridman innerhalb der russischen Wirtschaft und seine Stellung innerhalb des russischen Regimes.
99. Im vorstehend angeführten Vorbringen kommt eindeutig der erste Rechtsmittelgrund zum Ausdruck, auf dessen Würdigung ich verweise.
100. Wie aus Rn. 51 des Urteils Fridman/Rat hervorgeht, deuten die Beweisstücke Nrn. 1 und 2 darauf hin, dass Herr Fridman ein bedeutender Anteilseigner der Alfa Group ist, zu der auch die Alfa Bank gehört, deren Anteilseigner Herr Fridman ebenfalls ist. Herr Fridman wird als einer der Milliardäre der Gruppe und als eine der Führungskräfte der Alfa Group bezeichnet.
101. Das Gericht hat aus diesen Beweisstücken ohne Verfälschung abgeleitet, dass sie die Eigenschaft von Herrn Fridman als bedeutender Aktionär der Alfa Group belegten(56 ), und sie – ebenfalls ohne Verfälschung – mit den Aufnahmekriterien abgeglichen, um daraus zu folgern, dass sich mit ihnen weder untermauern ließ, dass Herr Fridman im Sinne des Kriteriums a Handlungen oder politische Maßnahmen unterstützt hatte, noch, dass er im Sinne des Kriteriums d russische Entscheidungsträger materiell oder finanziell unterstützt oder von ihnen profitiert hatte(57 ). Da die streitigen Rechtsakte keine Anhaltspunkte enthalten, die einen Zusammenhang zwischen der Stellung eines Geschäftsmanns in der russischen Wirtschaft und dem notwendigen Vorliegen einer Unterstützung zur Erreichung und Beibehaltung dieser Stellung herstellen könnten, stützen die durch die Beweisstücke Nrn. 1 und 2 belegten Tatsachen nämlich weder die Aufnahmegründe, noch scheinen sie in einem Zusammenhang mit den Kriterien a und d – den einzigen Kriterien, mit denen die Aufnahme von Herrn Fridman in die Liste der Personen, deren Vermögenswerte eingefroren werden sollen, begründet worden ist – zu stehen.
102. Aus der vorstehenden Gesamtwürdigung ergibt sich, dass der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen ist.
D. Zum dritten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C ‑440/24 P und C ‑441/24 P, mit dem ein Rechtsfehler bei der Auslegung und Anwendung des Kriteriums d geltend gemacht wird
103. Die Republik Lettland, in ihrer Argumentation unterstützt durch die Republik Estland und die Republik Litauen, unterteilt den vorliegenden dritten Rechtsmittelgrund in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird dem Gericht vorgeworfen, entschieden zu haben, dass das Kriterium d nur unter der Voraussetzung Anwendung finden könne, dass die russischen Entscheidungsträger bereits mit den Vorbereitungen für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine begonnen hätten. Der zweite Teil bezieht sich auf einen Rechtsfehler, den das Gericht begangen haben soll, indem es den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem russischen Regime und den Oligarchen außer Acht gelassen habe.
1. Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes
104. Die Republik Lettland trägt im Wesentlichen vor, das Gericht habe eine zu enge Auslegung des Urteils Rotenberg/Rat(58 ) gewählt, die der Rechtsprechung zur Beurteilung der Gültigkeit der Aufnahmegründe widerspreche. Eine solche Beurteilung erfordere, dass die Beweise in ihrem Kontext geprüft würden. Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich außerdem, dass der Rat die ihm obliegende Beweislast erfülle, wenn er auf ein Bündel konkreter, genauer und übereinstimmender Indizien hinweise, die die Feststellung ermöglichten, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der betreffenden Person und dem Regime bestehe(59 ). Müssten die Beweise erst ab dem Zeitpunkt herangezogen werden, zu dem die Entscheidungsträger mit den Vorbereitungen für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine begonnen hätten, würde der Kontext der restriktiven Maßnahmen nicht berücksichtigt. Die im Kriterium d genannten Handlungen und politischen Maßnahmen seien vor 2014 geplant worden. Außerdem sei das Urteil Rotenberg/Rat auf nach dem 22. Februar 2022 ergriffene Maßnahmen nicht anwendbar. Vor der russischen Invasion der Ukraine sei das einschlägige Kriterium das der „aktiven Unterstützung“ gewesen. Mit dem Beschluss 2022/329 sei das Kriterium, das nunmehr nur noch auf eine Unterstützung abstelle, geändert worden. Die oben angeführte Rechtsprechung beziehe sich somit auf ein anderes Aufnahmekriterium.
105. Die Herren Aven und Fridman machen geltend, der vorliegende erste Teil sei teilweise unzulässig, da die Republik Lettland bislang nie vorgetragen habe, die politischen Maßnahmen und Handlungen Russlands seien bereits vor Ende Februar 2014 geplant gewesen. Im Übrigen kommen die Herren Aven und Fridman zu dem Schluss, dass dieser Teil unbegründet sei.
106. Das Argument der Unzulässigkeit des vorliegenden ersten Teils ist zurückzuweisen, da der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass ein Rechtsmittelführer zulässigerweise ein Rechtsmittel einlegen kann, mit dem er Rechtsmittelgründe geltend macht, die sich aus dem angefochtenen Urteil ergeben und mit denen dessen Begründetheit aus rechtlichen Erwägungen in Frage gestellt wird(60 ). Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Kritik der Rechtsmittelführerin darauf abzielt, der Auslegung des Urteils Rotenberg/Rat, die das Gericht zur Bestimmung der Tragweite des Kriteriums d vorgenommen hat, entgegenzutreten.
107. In der Sache hat das Gericht in Rn. 48 der angefochtenen Urteile die Ansicht vertreten, dass die russischen Entscheidungsträger, die die Vorteile gewährt haben, in deren Genuss die betroffenen Personen kommen, für eine Anwendbarkeit des Kriteriums d zumindest bereits mit den Vorbereitungen für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ostukraine begonnen haben müssen. Erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidungsträger mit diesen Vorbereitungen begonnen haben, kann davon ausgegangen werden, dass die durch die Vorteile begünstigten Personen von der Beteiligung der Entscheidungsträger wussten und damit rechnen mussten, dass ihre Vermögenswerte von restriktiven Maßnahmen betroffen sein würden, um sie daran zu hindern, diese Entscheidungsträger zu unterstützen. Daraus hat das Gericht auf der Grundlage des Urteils Rotenberg/Rat, wonach die betreffenden politischen Maßnahmen und Handlungen ab Ende Februar 2014 umgesetzt worden sind, abgeleitet, dass der Grund einer politischen Unterstützung durch Herrn Putin im Jahr 2005 – den Nachweis seines Vorliegens unterstellt – nicht berücksichtigt werden durfte, um die Aufnahme der Herren Aven und Fridman in die streitigen Listen zu rechtfertigen(61 ).
108. Aus dem Wortlaut des Kriteriums d geht hervor, dass es insbesondere auf natürliche Personen abstellt, die „russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen“ oder „von diesen [Entscheidungsträgern] profitieren“. Wie das Gericht in Rn. 42 der angefochtenen Urteile entschieden hat, stellt „[dieses] Kriterium … gezielt und selektiv auf natürliche Personen … [ab], die, auch [wenn sie] als solche keine Verbindung zur Annexion der Krim oder zur Destabilisierung der Ukraine haben“, eine solche Unterstützung leisten oder in einer solchen Weise von den Entscheidungsträgern profitieren, wobei die beiden Tatbestandsmerkmale nicht kumulativ sind. Es hat darüber hinaus zutreffend entschieden, dass das Kriterium „nicht verlangt, dass die Personen … persönlich einen Vorteil aus der Annexion der Krim oder der Destabilisierung der Ukraine ziehen“(62 ); allerdings genügt es, dass sie von einem der für diese Ereignisse verantwortlichen russischen Entscheidungsträger profitieren, ohne dass eine Verbindung zwischen den Vorteilen und den Ereignissen hergestellt werden muss.
109. Die vom Gericht gewählte Definition des Kriteriums d erscheint zutreffend.
110. Aus dem Wortlaut des Kriteriums d ergibt sich, dass die materielle und finanzielle Unterstützung den russischen Entscheidungsträgern gewährt worden sein muss, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind. Es muss von denselben Entscheidungsträgern profitiert worden sein. Damit diese Entscheidungsträger – die im Übrigen nicht definiert sind – als verantwortlich angesehen werden können, muss sich die Tat, für die sie zur Verantwortung gezogen werden, tatsächlich ereignet haben.
111. Unter Berufung auf das Urteil Rotenberg/Rat hat das Gericht entschieden, dass die im Kriterium d genannten „politischen Maßnahmen und Handlungen“ ab Ende Februar 2014 umgesetzt worden sind(63 ), ohne sich dazu zu äußern, ab welchem Zeitpunkt davon ausgegangen werden konnte, dass die russischen Entscheidungsträger die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine vorbereitet hatten. Da die Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Salié-Untersuchungskommission (in Bezug auf Herrn Aven) und diejenigen im Zusammenhang mit der politischen Unterstützung der Auslandsinvestitionen der Alfa Group durch Herrn Putin im Jahr 2005 (in Bezug auf die Herren Aven und Fridman) nach seiner Auffassung nicht geeignet waren, die Aufnahme der Herren Aven und Fridman gemäß diesem Kriterium zu untermauern, da sie angeblich aus einer Zeit stammten, in der mit den Vorbereitungen für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine noch nicht begonnen worden war, hat das Gericht den Beginn dieser Vorbereitungen jedoch notwendigerweise auf einen Zeitpunkt nach 2005 datiert.
112. Auch wenn sich der Gerichtshof meines Erachtens nicht zum genauen Zeitpunkt des Beginns der Vorbereitung dieser Ereignisse zu äußern braucht, ist Folgendes festzustellen.
113. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Rat „nicht daran [ge]hindert [ist], bei der Beurteilung, ob eine Person ein Aufnahmekriterium wie das Kriterium a oder das Kriterium d erfüllt, Informationen oder Beweise zu berücksichtigen, die sich auf Umstände aus der Zeit vor dem Erlass des Rechtsakts, mit dem restriktive Maßnahmen verhängt oder aufrechterhalten werden, beziehen, sofern diese Informationen oder Beweise die Gründe untermauern, die diesen Rechtsakt stützen, und zu der Feststellung beitragen, dass die betreffende Person trotz des Zeitablaufs und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls das in Rede stehende Aufnahmekriterium erfüllt … Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass solche Informationen und Beweise berücksichtigt werden können, um im Hinblick auf das betreffende Aufnahmekriterium eine Kontinuität zwischen der früheren und der gegenwärtigen Lage der betreffenden Person nachzuweisen“(64 ).
114. Daher kann das Bündel hinreichend konkreter, genauer und übereinstimmender Indizien, die die Feststellung einer hinreichenden Verbindung zwischen der Person, die von Maßnahmen des Einfrierens von Geldern betroffen ist, und dem bekämpften Regime ermöglichen, auf das sich der Rat berufen kann, selbstverständlich auf älteren Gesichtspunkten aus der Zeit vor dem Erlass der Aufnahmerechtsakte beruhen, sofern jedenfalls auch eine Kontinuität zwischen diesen Gesichtspunkten und der Lage am Tag der Aufnahme nachgewiesen wird.
115. Zudem setzt das Kriterium d, wie das Gericht in Bezug auf das Kriterium a festgestellt hat(65 ), wegen der Verwendung des Präsens Indikativ voraus, dass die materielle oder finanzielle Unterstützung den zum Zeitpunkt der Aufnahme und Beibehaltung verantwortlichen russischen Entscheidungsträgern gewährt wird. Gleiches gilt für den gezogenen Vorteil.
116. Selbst wenn davon hätte ausgegangen werden müssen, dass die politische Unterstützung der Auslandsinvestitionen der Alfa Group durch Herrn Putin im Jahr 2005 zu einem Zeitpunkt erfolgt war, zu dem die Vorbereitungen für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine bereits begonnen hatten, hätte der Rat daher gleichwohl feststellen müssen, dass die Herren Aven und Fridman trotz des Zeitablaufs zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme und Beibehaltung im Sinne des Kriteriums d weiterhin davon profitierten.
117. Folglich geht der vorliegende erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens ins Leere.
2. Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes
118. Mit dem zweiten Teil des vorliegenden Rechtsmittelgrundes trägt die Republik Lettland im Wesentlichen vor, das Gericht habe den sich aus dem Kriterium d ergebenden Ausdruck „profitieren“ zu eng ausgelegt. Die Nähe zu russischen Entscheidungsträgern stelle aufgrund der untrennbaren Verbindung zwischen russischer Regierung und russischer Elite im russischen Kontext bereits einen Vorteil dar. Das russische Wirtschaftsumfeld sowie die Beispiele für die Zusammenarbeit der Herren Aven und Fridman mit Herrn Putin seien zwei Indizien für diesen Sachverhalt. Die Untrennbarkeit zwischen russischem Wirtschaftsumfeld und politischer Führung sei vom Rat in den Rn. 89 und 91 seiner Klagebeantwortung vor dem Gericht sowie in den Rn. 14 und 16 seiner Gegenerwiderung vor dem Gericht hervorgehoben worden. Die zusammen mit den aus dem Kontext gewonnenen Informationen geprüften Beweise belegten eine untrennbare Verbindung zwischen den Herren Aven und Fridman und den russischen Entscheidungsträgern. Diese Nähe werde u. a. in Rn. 45 der angefochtenen Urteile offenbart und anerkannt. Sie werde durch die über einen langen Zeitraum ausgeübten Tätigkeiten, die darauf abzielten, Herrn Putin zu unterstützen oder zu begünstigen, zusätzlich bestätigt, wie die Beweisstücke Nrn. 3, 4, 10 und 11 betreffend Herrn Aven sowie Nrn. 2, 5 und 6 betreffend Herrn Fridman veranschaulichten. Das wohlwollende Handeln der Herren Aven und Fridman gegenüber Herrn Putin habe ihnen eine Vorzugsbehandlung verschafft. Auch wenn sich die Beweisstücke Nr. 12 betreffend Herrn Aven und Nr. 7 betreffend Herrn Fridman auf einen irrelevanten Zeitraum bezögen, gäben sie doch Aufschluss über den Stand ihrer Beziehungen zu russischen Entscheidungsträgern, über ihre Nähe zu diesen und über die Vorteile, die sie daraus zögen. Diese langjährige und gepflegte Nähe habe es ihnen ermöglicht, Unterstützung für Investitionen, Hilfe bei laufenden Verfahren sowie Ratschläge und Informationen von Herrn Putin zu erhalten.
119. Die Herren Aven und Fridman vertreten ihrerseits die Auffassung, das Gericht sei in Rn. 84 des Urteils Aven/Rat und in Rn. 66 des Urteils Fridman/Rat lediglich zu dem Schluss gekommen, dass eine Behauptung im Hinblick auf das Kriterium d unbegründet sei, nachdem es dieselbe Behauptung im Hinblick auf das Kriterium a in der Sache zurückgewiesen habe. Im Übrigen enthalte der vorliegende Teil keinerlei rechtliche Kritik und ziele lediglich darauf ab, den Gerichtshof zu einer erneuten Prüfung des Sachverhalts zu veranlassen.
120. Soweit die Republik Lettland beabsichtigt, die Würdigung der Beweisstücke Nrn. 3, 4, 10, 11 und 12 betreffend Herrn Aven sowie Nrn. 2, 5, 6 und 7 betreffend Herrn Fridman überprüfen zu lassen, verweise ich auf die Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes.
121. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass mit dem Kriterium d ein Aufnahmegrund aufgrund eines Vorteils festgelegt wird, den die betroffene Person von russischen Entscheidungsträgern erhalten und dessen konkreter Charakter belegt werden muss. Die Argumentation der Rechtsmittelführerin geht dahin, dass die Umstände, mit denen eine Nähe der Herren Aven und Fridman zu diesen Entscheidungsträgern dargetan werde, als Nachweis für einen Vorteil im Sinne des Kriteriums d anzusehen seien. Aus dem Wortlaut des besagten Kriteriums geht insoweit nicht hervor, dass die Nähe ein Aufnahmegrund ist. Dies ergibt sich auch nicht aus dem unmittelbaren normativen Umfeld der das Kriterium vorsehenden Bestimmung.
122. Da das Kriterium d allgemein formuliert ist und keine näheren Erläuterungen dazu enthält, wie das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale zu beweisen ist, verlangt die Beurteilung der Begründetheit der Aufnahme einer Person in die Liste der Personen, die restriktiven Maßnahmen unterliegen, immer den Nachweis von Umständen, anhand deren sich dartun lässt, dass die betroffene Person von russischen Entscheidungsträgern profitiert hat(66 ).
123. Entgegen dem Vorbringen der Republik Lettland wird in der Formulierung dieses Kriteriums keine Vermutung dahin aufgestellt, dass die Nähe zu russischen Entscheidungsträgern notwendigerweise Vorteile im Sinne des Kriteriums d mit sich bringt. Die Argumentation der Republik Lettland soll von der untrennbaren Verbindung zwischen russischer Regierung und russischer Wirtschaftselite überzeugen, die von Persönlichkeiten mit einer führenden wirtschaftlichen Position in Russland gegebenenfalls gepflegt wird(67 ). Die beim Rat liegende Beweislast bezog sich aber nicht auf diesen untrennbaren Zusammenhang. Der Rat hatte aus einer bestimmten Zeit stammende Beweise beizubringen, mit denen sich dartun ließ, dass die Herren Aven und Fridman individuell von russischen Entscheidungsträgern profitierten.
124. In Rn. 89 der Klagebeantwortung des Rates vor dem Gericht in der Rechtssache Aven/Rat(68 ) ist der Inhalt des Artikels, der das Beweisstück Nr. 1 bildet, in einem Abschnitt dieses Schriftsatzes dargestellt, der sich mit der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Beweise befasst. Wie aus Rn. 21 der angefochtenen Urteile hervorgeht, belegt dieser Artikel die Kontrolle der Alfa Group durch die Herren Aven und Fridman sowie die Tatsache, dass sie wegen Vorwürfen der Korruption und rechtswidrigen Verhaltens angeblich strafrechtlich verfolgt werden. Im Rechtsmittelverfahren wird diese Darstellung des Beweisstücks Nr. 1 nicht bestritten. Als solche scheinen weder die Kontrolle über die Alfa Group noch die Vorwürfe der Korruption bzw. rechtswidrigen Verhaltens geeignet zu sein, einen Vorteil durch russische Entscheidungsträger im Sinne des Kriteriums d zu begründen.
125. Rn. 91 der Klagebeantwortung des Rates vor dem Gericht in der Rechtssache Aven/Rat(69 ) wiederum bezieht sich auf Anlage A.23 zur Klageschrift von Herrn Aven vor dem Gericht und Anlage B.13 zur Klagebeantwortung des Rates vor dem Gericht in dieser Rechtssache(70 ), in der von der wirtschaftlichen, ja sogar politischen Macht der Herren Aven und Fridman die Rede ist, wobei es sich hierbei wiederum um allgemeine Behauptungen handelt, die keinen Zeitraum betreffen, der nahe an dem der Aufnahme liegt.
126. Die Rn. 14 und 16 der Gegenerwiderungen des Rates vor dem Gericht in den Rechtssachen Aven/Rat und Fridman/Rat enthalten allgemeine Aussagen über die Verbindungen zwischen dem Kreml und den russischen Oligarchen, die, auch wenn sie von Herrn Aven getätigt worden sind(71 ), nichts über den konkreten und individuellen Charakter des von diesem erzielten Vorteils aussagen. Die gleiche Feststellung ist bei der Auslegung von Rn. 16 der Schriftsätze geboten.
127. In Anbetracht des Vorstehenden ist das Gericht rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gekommen, dass bestimmte Gründe gegebenenfalls geeignet waren, eine Nähe der Herren Aven und Fridman zu den verantwortlichen russischen Entscheidungsträgern – die bisweilen nicht einmal bestritten wird – zu belegen, ohne den Nachweis dafür erbringen zu können, dass sie im Sinne des Kriteriums d von diesen russischen Entscheidungsträgern profitiert haben.
128. Sollte das anders zu entscheiden sein, d. h. sollte sich der Vorteil ohne weitere Nachweise notwendigerweise aus der Stellung der Person in der russischen Wirtschaft ergeben müssen, könnte man sich fragen, inwiefern sich das Kriterium d noch vom Kriterium g unterscheiden soll(72 ).
129. Die geltend gemachte Untrennbarkeit wiederum scheint mir ebenfalls auf ein anderes Kriterium abzustellen, das vom Gericht in den angefochtenen Urteilen verworfen worden ist, ohne dass dies im Rahmen der Rechtsmittelverfahren beanstandet wird(73 ).
130. Ich schlage dem Gerichtshof somit vor, den vorliegenden zweiten Teil und damit auch den dritten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
E. Zum vierten Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C ‑440/24 P und C ‑441/24 P, mit dem ein Rechtsfehler geltend gemacht wird, den das Gericht begangen haben soll, indem es die Behauptung in Bezug auf die fehlende Distanzierung nicht im Kontext geprüft habe
131. Die Republik Lettland, unterstützt durch die Republik Estland und die Republik Litauen, macht im Wesentlichen geltend, das Gericht habe die in Rn. 82 des Urteils Aven/Rat und Rn. 64 des Urteils Fridman/Rat erwähnte Rechtsprechung(74 ) falsch ausgelegt, da es die Behauptung des Rates, dass sich die Herren Aven und Fridman nicht vom russischen Regime distanziert hätten, nicht im Kontext der übrigen Beweise geprüft habe. Die Distanzierung einer Person vom russischen Regime stelle eines der Mittel dar, mit denen eine von restriktiven Maßnahmen betroffene Person deren Anwendbarkeit einschränken könne. Die Wirkung der Distanzierung rechtfertige deren strenge Auslegung, d. h. die Einstellung jeglicher Unterstützung oder Zusammenarbeit mit dem betreffenden Regime aufgrund einer Entscheidung der Person, gegen die sich die restriktiven Maßnahmen, deren Folgen in naher Zukunft unumkehrbar seien, richteten. Auch wenn eine fehlende Distanzierung allein die Verhängung restriktiver Maßnahmen nicht rechtfertigen könne, unterscheide die Rechtsprechung des Gerichts bestimmte Fälle. Die vom Rat vorgelegten Beweise zeigten eine so enge Verbindung zwischen den Herren Aven und Fridman und dem Regime auf, dass es unmöglich sei, die restriktiven Maßnahmen aufzuheben, wenn keine Distanzierung von diesem Regime erfolge. Das Gericht habe die fehlende Distanzierung der Herren Aven und Fridman vom russischen Regime somit nicht in der besonderen Situation von Personen mit einer besonderen Stellung innerhalb dieses Regimes und im Kontext der Untrennbarkeit von politischem und wirtschaftlichem System Russlands gewürdigt. Die Untätigkeit solcher Personen könne nur als Unterstützung des Regimes angesehen werden. Die Republik Lettland fügt hinzu, dass es sich auch bei der Teilnahme von Herrn Aven an dem von Herrn Putin am 24. Februar 2022 einberufenen Treffen der Oligarchen infolge der Invasion der Ukraine um einen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt handle. Sie fordert die Unionsgerichte auf, das Ausmaß der Herausforderung angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Lage zu begreifen und festzustellen, dass eine rein formale und vom Kontext losgelöste Lagebeurteilung dieser Herausforderung nicht gerecht werde.
132. Nachdem die Herren Aven und Fridman darauf hingewiesen haben, dass sie zu den wenigen russischen Geschäftsleuten gehörten, die öffentlich gegen den Krieg Stellung bezogen hätten, tragen sie erstens vor, das in Rn. 82 des Urteils Aven/Rat und Rn. 64 des Urteils Fridman/Rat erwähnte Urteil begründe keine Verpflichtung, das Argument des Rates zu prüfen, wonach sie sich nicht vom russischen Regime distanziert hätten. Aus denselben Randnummern gehe hervor, dass das Gericht das Argument des Rates gleichwohl geprüft und daraus den Schluss gezogen habe, dass das angebliche Fehlen einer Stellungnahme gegen die Invasion der Ukraine nicht als Unterstützungshandlung im Sinne des Kriteriums a angesehen werden könne. Die Herren Aven und Fridman halten den vorliegenden vierten Rechtsmittelgrund jedenfalls für überflüssig, da die Kritik des Rates, auf die in den Rn. 82 und 64 der angefochtenen Urteile eingegangen werde, nicht geeignet sei, die Würdigung des Beweises für ihre Teilnahme an einer nach Washington entsandten Delegation durch das Gericht in Frage zu stellen. Da der Rechtsmittelgrund im Übrigen wiederum lediglich eine Aufforderung an den Gerichtshof darstelle, den Sachverhalt erneut zu prüfen, beantragen die Herren Aven und Fridman, diesen Rechtsmittelgrund als teilweise unzulässig und teilweise offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
133. Der von den Herren Aven und Fridman geltend gemachte Unzulässigkeitsgrund ist von vornherein zurückzuweisen. Die Republik Lettland ersucht den Gerichtshof nämlich nicht um eine erneute Prüfung des Sachverhalts. Der vierte Rechtsmittelgrund bezieht sich auf die Rechtsfrage, ob im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Aufnahme in die Liste der Personen, gegen die gemäß Kriterium a restriktive Maßnahmen zu ergreifen sind, die fehlende Distanzierung als „Unterstützung“ gewertet werden kann(75 ). Was die rechtliche Einstufung einer solchen Unterlassung im Hinblick auf das Kriterium a betrifft, so ist das Rechtsmittel als zulässig anzusehen.
134. In der Sache ergibt sich aus den angefochtenen Urteilen, dass das Gericht das Argument des Rates geprüft hat, wonach die Herren Aven und Fridman im Kontext der Prüfung des Grundes der Beteiligung an den Bemühungen des Kremls zur Aufhebung der westlichen Sanktionen durch Teilnahme an der Sitzung des Atlantic Council im Mai 2018 keine entschiedene Haltung gegen die Invasion der Ukraine eingenommen hätten. Ich erinnere daran, dass diese Teilnahme nach Auffassung des Gerichts am Tag des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte keine Unterstützung(76 ) von die Souveränität der Ukraine untergrabenden Handlungen und politischen Maßnahmen durch die Herren Aven und Fridman darstellen konnte.
135. Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer Distanzierung ein „zur Stützung der Aufrechterhaltung restriktiver Maßnahmen“ zu berücksichtigender Gesichtspunkt sein kann(77 ), sofern dieses Fehlen nur eines der Indizien des Bündels darstellt, das der Rat geltend zu machen hatte. Das jüngste Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Timchenko/Rat scheint das zu bestätigen(78 ). In diesem Stadium der Würdigung durch das Gericht erschien aber keiner der untersuchten Gründe stichhaltig. Folglich hätte eine andere als die vom Gericht in Rn. 82 des Urteils Aven/Rat und Rn. 64 des Urteils Fridman/Rat vorgenommene Beurteilung zwangsläufig dazu geführt, dass die fehlende Distanzierung als ein individuelles Verhalten angesehen worden wäre, das einer positiven und aktuellen Unterstützungshandlung gleichkommt. Dies entspricht aber nicht der Tragweite des Kriteriums a, was auch die Republik Lettland anerkennt(79 ).
136. Das Argument des Rates hinsichtlich der fehlenden Distanzierung kann nicht dazu führen, dass die Wirkungen der behaupteten Unterstützung von 2018 bis zum Tag der Aufnahme verlängert werden.
137. Ich verstehe zwar, dass die Rechtsmittelführerin an der Verwirklichung der Ziele der restriktiven Maßnahmen festhält, die sie hier erneut geltend macht; eine solche Verwirklichung kann aber nicht rechtfertigen, dass die fehlende Distanzierung von den bekämpften Regimen oder Situationen als solche automatisch schuldhaft oder jedenfalls Ausdruck einer Unterstützung im Sinne des Kriteriums a ist, und zwar insbesondere deshalb nicht, weil diese Regimes im Allgemeinen durch die brutale Unterdrückung jeder abweichenden Meinung gekennzeichnet sind.
138. Darüber hinaus wäre eine tatsächliche Grundlage, die lediglich aus einer fehlenden Distanzierung besteht, meines Erachtens nicht hinreichend gesichert und entspräche nicht den durch die Rechtsprechung festgelegten Standards(80 ).
139. Was schließlich die Teilnahme von Herrn Aven am Treffen vom 24. Februar 2022 im Kreml betrifft, so wird dieses in der Begründung der streitigen Rechtsakte nicht erwähnt. Als Beweis hätte es den Grund betreffend die Oligarchenstellung von Herrn Aven(81 ) aufgrund der Nähe zum Kreml und der dadurch veranschaulichten Verflechtung von Politik und Wirtschaft möglicherweise untermauert; eine solche Unterstützung war aber nachzuweisen. Auch die Teilnahme am Treffen deutet darauf hin, dass Herr Aven mit Personen in Verbindung steht, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt worden sind; das Gericht hat aber entschieden, dass die Aufnahme der Herren Aven und Fridman, wie aus der Begründung der streitigen Rechtsakte hervorgeht, allein auf der Grundlage der Kriterien a und d beschlossen worden ist(82 ). Vor allem hat der Rat, wie sich aus Rn. 144 seiner Klagebeantwortung vor dem Gericht ergibt, die Teilnahme am Treffen vom 24. Februar 2022 im Wesentlichen erwähnt, um die Dementis von Herrn Aven zu widerlegen, mit denen dieser sich gegen die Behauptung wehrte, Teil der Gruppe der 50 Oligarchen zu sein.
140. Ich schlage somit vor, den vierten Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
F. Schlussbemerkungen
141. Aus meiner Würdigung der in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen eingelegten Rechtsmittel ergibt sich, dass diese zurückgewiesen werden sollten. Es ist mithin festzustellen, dass die Herren Aven und Fridman, wie das Gericht entschieden hat, zu Unrecht in die Listen der Personen, die durch die streitigen Rechtsakte restriktiven Maßnahmen unterliegen, aufgenommen und dort belassen worden sind.
142. Der Vorrang des Unionsrechts, der auf ihm beruhenden Rechtsgemeinschaft und der Werte der Union, die es verkörpert, muss beharrlich bekräftigt werden, wenn kriegerische Geister an unsere Türen klopfen.
143. Es ist klar zu sagen, dass vom Rat weder ein übertriebener Standard noch ein unmöglicher Beweis erwartet wurde(83 ). Die Würdigung des Gerichts in den angefochtenen Urteilen steht in einer Linie mit der vom Gerichtshof seit dem Urteil Kadi eingegangenen Verpflichtung, restriktive Maßnahmen einer umfassenden Kontrolle zu unterziehen und ein angemessenes Gleichgewicht zu wahren. Sobald Einzelentscheidungen ergehen, mit denen Personen restriktive Maßnahmen auferlegt werden, bröckelt der politische Anstrich dieser Maßnahmen und gibt den Blick frei auf die gesamte Schutzkraft, die das Unionsrecht dem Einzelnen bietet. Und diese Kraft darf weder von der wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung der betroffenen Personen noch davon abhängen, was in der jeweiligen Angelegenheit auf dem Spiel steht(84 ).
IV. Kosten
144. Aus Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß deren Art. 184 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ergibt sich, dass die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.
145. Da die Herren Aven und Fridman die Verurteilung der Republik Lettland zur Tragung der Kosten beantragt haben, hat diese in den verbundenen Rechtssachen C‑440/24 P und C‑441/24 P die Kosten zu tragen.
146. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 ebenfalls auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Republik Estland und die Republik Litauen ihre eigenen Kosten.
V. Ergebnis
147. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen:
1. Die Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Die Republik Lettland trägt die Kosten in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen.
3. Die Republik Estland und die Republik Litauen tragen ihre eigenen Kosten.