Vorläufige Fassung
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
TAMARA ĆAPETA
vom 9. Oktober 2025(1 )
Rechtssache C ‑519/24
Nitrogénművek Vegyipari Zrt.
gegen
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
(Vorabentscheidungsersuchen des Veszprémi Törvényszék [Stuhlgericht Veszprém, Ungarn])
„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Umweltschutz – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – EU-EHS – Ziele der Richtlinie 2003/87 – Kostenlose Emissionszertifikate – Verlagerung von CO2-Emissionen – Nationale CO2-Steuer auf Emissionen aus der Nutzung kostenloser Zertifikate “
I. Einleitung
1. Das mit der Richtlinie 2003/87/EG(2 ) eingeführte Emissionshandelssystem (im Folgenden: EU-EHS) ist eines der Instrumente, mit denen die Union ihre Umweltziele erreichen will. Die Richtlinie zielt darauf ab, durch Regelung der Treibhausgasemissionen (im Folgenden: THG-Emissionen) innerhalb der Union ein kohlenstoffarmes Wirtschaftssystem zu schaffen. Gleichzeitig soll auf diese Verringerung auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Union hingewirkt werden(3 ).
2. Die vorliegende Rechtssache wirft die Frage auf, inwieweit die Mitgliedstaaten dieses auf Unionsebene eingerichtete System ergänzen können.
II. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
3. Im Nachgang der Covid-19-Pandemie und infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verabschiedete Ungarn am 17. Juli 2023 das A jelentős térítésmentes kibocsátásiegység-kiosztásban részesülő létesítmény üzemeltetőjét érintő egyes veszélyhelyzeti szabályokról szóló 320/2023. (VII. 17.) Kormányrendelet (Regierungsdekret Nr. 320/2023 über bestimmte Dringlichkeitsregelungen für Betreiber von Anlagen, die eine erhebliche kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten erhalten, im Folgenden: Regierungsdekret).
4. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ersucht das Veszprémi Törvényszék (Stuhlgericht Veszprém, Ungarn, im Folgenden: vorlegendes Gericht) den Gerichtshof um Klärung des einschlägigen Unionsrechts, um über die Vereinbarkeit dieses Regierungsdekrets mit den Zielen und Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 entscheiden zu können.
5. Die Nitrogénművek Vegyipari Zrt., eine in Ungarn ansässige Gesellschaft, die Stickstoffdünger herstellt (im Folgenden: Klägerin), wendet sich vor dem vorlegenden Gericht gegen eine Entscheidung der nationalen Steuerbehörde, mit der diese der Klägerin die Zahlung einer CO2-Steuer nach Maßgabe des Regierungsdekrets aufgab.
6. Gemäß dem Regierungsdekret wird „Betreiber[n] einer Anlage, der in erheblichem Umfang kostenlos Emissionszertifikate zugeteilt werden“, eine nach der Emissionsmenge berechnete CO2-Steuer auferlegt. Die Steuer wird erhoben, wenn diese Betreiber zum einen in den drei Jahren vor dem betreffenden Jahr durchschnittliche jährliche zertifizierte Kohlendioxidemissionen von mehr als 25 000 Tonnen erzeugten und sie zum anderen im Jahr vor dem betreffenden Jahr eine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten erhielten, die mindestens 50 % des Durchschnitts ihrer gesamten zertifizierten Kohlendioxidemissionen in den drei Jahren vor dem betreffenden Jahr entsprach(4 ).
7. Der persönliche Anwendungsbereich des Regierungsdekrets erstreckt sich nur auf jene Betreiber einer Anlage, die für eine erhebliche kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in Frage kommen und die über einen „Anlagenteil mit Produkt-Benchmark“ oder einen „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2019/331 der Kommission verfügen(5 ).
8. Da die Klägerin in den Anwendungsbereich des Regierungsdekrets fiel, wurde ihr die Zahlung der Steuer auf Kohlendioxidemissionen auferlegt.
9. Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass das Regierungsdekret, auf dem die steuerliche Abgabe beruhte, gegen das Magyarország Alaptörvénye (ungarisches Grundgesetz) und Unionsrecht verstoße, und ersuchte daher die Steuerbehörden, ihr die Änderung ihrer Steuererklärung zu gestatten.
10. Die Nemzeti Adó- és Vámhivatal Veszprém Vármegyei Adó- és Vámigazgatósága (Nationale Steuer- und Zollverwaltung – Steuer- und Zollamt, Provinz Veszprém, Ungarn, im Folgenden: Steuerbehörde erster Ebene) lehnte die von der Klägerin am 21. Dezember 2023 eingereichte Steuererklärung ab, da ihrer Auffassung nach die Vorschriften des Regierungsdekrets gültig und auf die Klägerin anwendbar waren.
11. Daraufhin legte die Klägerin bei der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn, im Folgenden: Steuerbehörde zweiter Ebene bzw. Beklagte) gegen die Entscheidung der Steuerbehörde erster Ebene Verwaltungsbeschwerde ein.
12. Die Steuerbehörde zweiter Ebene bestätigte die Entscheidung der ersten Ebene. Zur Begründung gab sie an, dass die Steuerverwaltung als Rechtsanwendungsorgan nicht befugt sei, über die Rechtmäßigkeit einer Rechtsvorschrift wegen deren angeblicher Unvereinbarkeit mit der ungarischen Verfassung oder mit dem Unionsrecht zu entscheiden. Eine Entscheidung über die Frage, ob eine Verletzung von Unionsrecht vorliege, müsse im Rahmen eines Verfahrens zur gerichtlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung erfolgen.
13. Daraufhin erhob die Klägerin beim vorlegenden Gericht Klage und beantragte, die auf erster und zweiter Ebene ergangenen Entscheidungen der Steuerverwaltung (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) dahin abzuändern, dass das Gericht ihre Steuererklärung für zulässig erklärt. Hilfsweise beantragte sie, die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, ein neues Verfahren einzuleiten und eine neue Entscheidung zu erlassen. Die Klägerin stützte ihr Vorbringen darauf, dass die angefochtenen Entscheidungen gegen das ungarische Grundgesetz und das EU-EHS verstießen und den Zielen der Richtlinie 2003/87 zuwiderliefen.
14. In Bezug auf letztere Behauptung machte die Klägerin vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass die CO2-Steuer mit dem Ziel unvereinbar sei, die Verlagerung von CO2-Emissionen (Carbon Leakage) zu vermeiden, das die Union mit der Einführung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen des EU-EHS erreichen wolle. Da die Erhebung dieser Steuer direkt mit den nach der Richtlinie 2003/87 zugeteilten kostenlosen Zertifikaten zusammenhänge, habe dies in der Praxis zur Folge, dass diese Zertifikate ihren Charakter als kostenlos zugeteilte Zertifikate verlören.
15. Zudem behindere das Regierungsdekret die Ausübung der durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AEUV) garantierten Grundfreiheiten. Ferner sei die betreffende Regelung diskriminierend. In diesem Zusammenhang machte die Klägerin geltend, dass die Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs des Regierungsdekrets völlig willkürlich sei und Betreiber, die in seinen Anwendungsbereich fielen, gegenüber Betreibern, die nicht in seinen Anwendungsbereich fielen, sowie in seinen Anwendungsbereich fallende Betreiber, die in Ungarn ansässig seien, gegenüber Betreibern aus anderen Mitgliedstaaten benachteilige.
16. Ferner führte die Klägerin an, dass das Regierungsdekret sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch der Dienstleistungsfreiheit zuwiderlaufe, da es unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eine unverhältnismäßige Beschränkung enthalte, die nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, auch im Hinblick auf den Begriff „Betreiber“ in Art. 3 Buchst. f der Richtlinie 2003/87. Außerdem verschaffe das Regierungsdekret anderen Wirtschaftsteilnehmern einen selektiven Vorteil und stelle dadurch eine nicht angemeldete staatliche Beihilfe dar, die gegen die Art. 107 und 108 AEUV verstoße.
17. Schließlich stelle das Regierungsdekret auch eine unverhältnismäßige Beschränkung des Eigentumsrechts dar und verletze daher den durch Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gewährleisteten Schutz des Eigentumsrechts. In diesem Zusammenhang betonte die Klägerin, dass bei jeder Beschränkung der Grundfreiheiten die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu beachten seien, d. h., die Einschränkung müsse vorhersehbar sein und den Betroffenen genügend Zeit für die durch Gesetzesänderungen erforderlichen Anpassungen lassen. Das Fehlen einer angemessenen Übergangsfrist verstoße gegen diese Grundsätze.
18. Die Beklagte beantragte die Abweisung der verwaltungsgerichtlichen Klage durch das vorlegende Gericht und berief sich erneut auf die in den Gründen der angefochtenen Entscheidungen dargelegten rechtlichen Erwägungen. Insbesondere vertrat die Beklagte die Ansicht, das Regierungsdekret verstoße nicht gegen die Richtlinie 2003/87.
19. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte stützten ihre Rechtsauffassungen hinsichtlich der (Nicht‑)Vereinbarkeit des Regierungsdekrets mit der Richtlinie 2003/87 auf dieselbe Rechtsprechung des Gerichtshofs, nämlich Iberdrola u. a.(6 ), ŠKO-Energo(7 ) und PPC Power(8 ).
20. Zum Vorbringen der Klägerin, das Regierungsdekret verletze die Niederlassungsfreiheit, führte die Beklagte aus, es sei nicht nachvollziehbar, inwiefern diese Freiheit habe verletzt werden können, da die Klägerin eine bereits in Ungarn ansässige Gesellschaft sei und ihre Niederlassung oder die Aufnahme oder Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat überhaupt nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei(9 ). Schließlich verwies die Beklagte auf das Urteil Adusbef u. a.(10 ), um ihr Argument zu untermauern, dass die unternehmerische Freiheit nicht schrankenlos gelte und einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden könne, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken könnten. Auch das Eigentumsrecht gelte nicht schrankenlos, und seine Ausübung könne ebenfalls Beschränkungen unterworfen werden.
21. Unter diesen Umständen hat das Veszprémi Törvényszék (Stuhlgericht Veszprém, Ungarn) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Müssen – oder können – die Bestimmungen der Richtlinie 2003/87 – insbesondere, aber nicht nur, ihre Art. 1, 10 und 11 sowie die Erwägungsgründe 5, 7 und 20 – dahin ausgelegt werden, dass sie einer nationalen Maßnahme (Regierungsdekret) entgegenstehen, die
– die Emissionen aus der Nutzung von Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft (Erhebung einer Abgabe);
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft (Erhebung einer Abgabe);
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft (Erhebung einer Abgabe), die bewirkt, dass die kostenlosen Zertifikate ihren Wert und ihre Ausgleichswirkung verlieren;
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft (Erhebung einer Abgabe), die bewirkt, dass die Betreiber davon abgehalten werden, ihre Emissionen zu verringern, ihre Umwelteffizienz zu verbessern oder in umweltfreundlichere Technologien zu investieren;
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft (Erhebung einer Abgabe), deren Erhebung in keinerlei Zusammenhang mit dem Umweltschutz oder dem Emissionshandelssystem der Europäischen Union und seinen Zielen steht, sondern deren einziger Zweck und einzige Ermächtigungsgrundlage vielmehr darin besteht, die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts und der humanitären Katastrophe in der Nachbarschaft Ungarns zu bewältigen?
2. Muss – oder kann – der Begriff des „Betreibers“ in Art. 3 Buchst. f der Richtlinie 2003/87 im Licht des Diskriminierungsverbots der Art. 18, 49 und 56 AEUV, des Art. 21 der Charta und des Art. 14 EMRK dahin ausgelegt werden, dass er einer nationalen Maßnahme (Regierungsdekret) entgegensteht, die ungerechtfertigt und willkürlich und ohne dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses vorliegt, eine bestimmte Kategorie von Betreibern gegenüber Betreibern diskriminiert, die nicht in ihren Anwendungsbereich fallen?
3. Müssen – oder können – die Art. 18, 49 und 56 AEUV dahin ausgelegt werden, dass sie einer nationalen Maßnahme (Regierungsdekret) entgegenstehen, die die Ausübung dieser Freiheiten einschränkt und die
– eine bestimmte Kategorie von Betreibern im Sinne von Art. 3 Buchst. f der Richtlinie 2003/87 ungerechtfertigt und willkürlich diskriminiert, ohne dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses vorliegt, indem sie diese einer anderen (belastenderen) Regelung unterwirft,
– willkürlich, und ohne dass ein zwingender Grund des Allgemeininteresses vorliegt, einen persönlichen Anwendungsbereich festlegt, und nicht geeignet ist, die Ziele der Ermächtigung, aufgrund derer sie erteilt wurde, zu erreichen, und
– plötzlich und unvorhersehbar eingeführt wird, wobei nur drei Tage zwischen ihrer Veröffentlichung und ihrem Inkrafttreten liegen, und gleichzeitig nachträglich rückwirkende Verpflichtungen in Bezug auf Ereignisse festlegt, die vor ihrem Inkrafttreten eingetreten sind?
4. Muss – oder kann – der durch Art. 17 der Charta und Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK gewährleistete Schutz des Eigentumsrechts dahin ausgelegt werden, dass er einer nationalen Maßnahme (Regierungsdekret) entgegensteht, die enteignenden Charakter hat und die den in ihren Anwendungsbereich fallenden Betreibern ihre Einkünfte in naher Zukunft vollständig entzieht und damit einen unverhältnismäßigen und unerträglichen Eingriff darstellt?
22. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die ungarische Regierung und die Europäische Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht.
23. In der Sitzung vom 25. Juni 2025 haben diese Verfahrensbeteiligten mündliche Ausführungen gemacht.
III. Würdigung
A. Zu den Vorlagefragen
24. Zur ersten Vorlagefrage sind einige Vorbemerkungen geboten.
25. Erstens ersucht das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage um Klärung, wie u. a. Art. 10 der Richtlinie 2003/87 auszulegen ist. In der ursprünglichen Fassung dieser Richtlinie war nämlich Art. 10 die Bestimmung, die die Zuteilung kostenloser Zertifikate betraf. In der Zwischenzeit wurde diese Richtlinie jedoch mehrfach geändert(11 ), so dass die Zuteilung kostenloser Zertifikate nunmehr in ihrem Art. 10a vorgesehen ist. Daher ist die erste Frage des vorlegenden Gerichts so zu verstehen, dass damit um die Auslegung von Art. 10a der Richtlinie und nicht ihres Art. 10 ersucht wird.
26. Zweitens bezieht sich die erste Frage auf verschiedene Situationen, die als fünf Teilfragen dargestellt werden. Die im ersten Teil dargestellte Situation, die allgemein die Besteuerung von Emissionen aus der Nutzung von Zertifikaten betrifft, ist lediglich hypothetisch, da sie nicht dem Sachverhalt der beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtssache entspricht. Vielmehr bezieht sich die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Steuer, die durch das Regierungsdekret erhoben wird, auf eine Abgabe auf Kohlendioxidemissionen aus Anlagen, denen eine erhebliche Menge kostenloser Zertifikate zugeteilt werden, und betrifft ausschließlich derartige Anlagen. Aus diesem Grund kann der Gerichtshof diesen Teil der ersten Frage nicht beantworten.
27. Die übrigen Teile der ersten Frage betreffen die Besteuerung von Emissionen aus der Nutzung kostenloser Zertifikate. Diese Teile der Frage implizieren eigentlich bereits, dass die streitige nationale Rechtsvorschrift die kostenlosen Emissionszertifikate ihres Wertes und ihrer Ausgleichswirkung beraubt und bewirkt, dass die Betreiber davon abgehalten werden, ihre Emissionen zu verringern, ihre Umwelteffizienz zu verbessern und/oder in umweltfreundlichere Technologien zu investieren. Das vorlegende Gericht möchte sodann wissen, ob die nationale Rechtsvorschrift, die solche Wirkungen hat, nach der Richtlinie 2003/87 zulässig oder unzulässig ist.
28. Ob die streitige nationale Rechtsvorschrift tatsächlich derartige Wirkungen hat, ist keine Frage, die der Gerichtshof im Rahmen von Vorabentscheidungsverfahren prüfen kann. Da jede nationale Rechtsvorschrift, die die Ziele einer Richtlinie konkret beeinträchtigt, von dieser zwangsläufig ausgeschlossen wird, sind die dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Fragen so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht in der Tat um Bestätigung ersucht, dass die von ihm genannten Ziele tatsächlich die Ziele sind, die mit der Richtlinie 2003/87 durch die Beibehaltung der kostenlosen Zertifikate im EU-EHS verfolgt werden.
29. Im Rahmen meiner Analyse werde ich mich daher bei der Beantwortung der Frage auf die Ziele der Beibehaltung der kostenlosen Zertifikate im EU-EHS sowie den rechtlichen Rahmen konzentrieren, durch den diese Ziele gewährleistet werden.
30. Der letzte Teil der ersten Frage geht dahin, ob eine steuerliche Belastung, deren Zweck darin besteht, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu bewältigen, dadurch ausgeschlossen ist, dass sie in keinerlei Zusammenhang mit dem Umweltschutz oder dem EU-EHS und seinen Zielen steht. Meines Erachtens bedarf diese Frage nur dann einer Beantwortung, wenn die in Rede stehende Steuer nicht den Zielen der kostenlosen Zertifikate im Rahmen des EU-EHS zuwiderläuft. Läuft sie ihnen jedoch zuwider, so ist dies nach der Richtlinie 2003/87 – unabhängig vom innerstaatlichen Haushaltszweck dieser Steuer – unzulässig.
31. Was die zweite, dritte und vierte Vorlagefrage angeht, so halte ich diese nicht für relevant. Die Richtlinie 2003/87 wurde auf der Grundlage von Art. 192 Abs. 1 AEUV (seinerzeit Art. 175 Abs. 1 EGV) erlassen, der die Rechtsgrundlage für den Erlass von Rechtsvorschriften im Umweltbereich darstellt. Gleichwohl sind laut dem siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ihre Vorschriften auch notwendig, um die Integrität des Binnenmarktes zu erhalten und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Sofern also die streitige nationale Rechtsvorschrift gegen diese Richtlinie verstößt, bedarf es mithin keiner Prüfung, ob sie ebenfalls gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit verstößt, da sie bereits nach der Richtlinie selbst unzulässig ist.
32. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen wende ich mich nunmehr den Zielen der Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate an bestimmte Marktteilnehmer zu. Stellt das vorlegende Gericht fest, dass das Regierungsdekret und die auf seiner Grundlage erlassenen Entscheidungen diesen Zielen zuwiderlaufen, muss es die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift außer Kraft setzen.
B. Ziele der kostenlosen Emissionszertifikate
33. Wie bereits in der Einleitung ausgeführt und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, zielt das EU-EHS darauf ab, die Treibhausgasemissionen in der Union erheblich zu verringern, jedoch ohne die wirtschaftliche Entwicklung, die Beschäftigungslage und die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industriezweige zu beeinträchtigen(12 ).
34. Grundsätzlich funktioniert das EU-EHS so, dass alle darunter fallenden Treibhausgasemissionen der abzugebenden Anzahl an Emissionszertifikaten entsprechen müssen. Bis spätestens 30. April jeden Jahres muss der Betreiber für jede Anlage eine Anzahl von Zertifikaten abgeben, die den Treibhausgasemissionen der Anlagen im entsprechenden Zeitraum entspricht(13 ).
35. Die Zertifikate können im Wege der Versteigerung, d. h. entgeltlich, oder unentgeltlich erworben werden. Gleichzeitig wird die Obergrenze für die zulässigen Gesamtemissionen schrittweise gesenkt.
36. Das EU-EHS in seiner heutigen Form wurde stufenweise eingeführt. Bislang gab es vier Handelsperioden innerhalb des EU-EHS(14 ).
37. In der ersten Handelsperiode von 2005 bis 2007 wurden fast alle Zertifikate, die die Emissionen der in das System einbezogenen Anlagen abdeckten, auf der Grundlage der früheren Emissionen der betreffenden Industriezweige kostenlos zugeteilt. Für diese Periode oblag es den einzelnen Mitgliedstaaten, die jeweilige Obergrenze festzulegen, so dass die nationalen Behörden damit betraut waren, die Menge der jeder Anlage zugeteilten Zertifikate auf der Grundlage ihres nationalen Zuteilungsplans zu bestimmen.
38. In der zweiten Handelsperiode – von 2008 bis 2012 – ging der Anteil der zugeteilten kostenlosen Zertifikate auf rund 90 % zurück. Wie in der vorangegangenen Periode wurde über die Zuteilung von Zertifikaten auf Ebene der Mitgliedstaaten entschieden, was zu unterschiedlichen nationalen Ansätzen führte. Um die daraus resultierenden Diskrepanzen zu vermeiden, passte der Unionsgesetzgeber das System ein drittes Mal an.
39. Die grundlegende Änderung des Systems erfolgte in der dritten Handelsperiode, die von 2013 bis 2020 dauerte. Ab Beginn dieser Periode waren die Mitgliedstaaten nicht mehr verpflichtet, nationale Zuteilungspläne zu erstellen. Stattdessen wurde eine einheitliche unionsweite Obergrenze für Zertifikate eingeführt. Diese Obergrenze wurde seither jedes Jahr im Einklang mit dem Klimaziel der Union gesenkt, um sicherzustellen, dass die Gesamtemissionen innerhalb der Union mit der Zeit zurückgehen.
40. Zwar wurde die Versteigerung der Emissionszertifikate in der dritten Handelsperiode zum Standardsystem für ihre Zuteilung, doch wurden auch weiterhin kostenlose Zertifikate zugeteilt.
41. Während in den ersten beiden Perioden die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden konnte, den neuen Markt für Zertifikate einzuführen und den teilnehmenden Wirtschaftsakteuren die Möglichkeit zu geben, sich darauf vorzubereiten, stellt sich nunmehr die Frage, warum die kostenlosen Zertifikate in der dritten und vierten Handelsperiode beibehalten wurden.
42. Der wichtigste Grund, der – wie die Rechtsprechung zu diesen Zeiträumen bestätigt(15 ) – auch in den ersten beiden Perioden galt, bestand darin, einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Industriezweigen in der Union zu verhindern, der zu dem als Verlagerung von CO2-Emissionen bekannten Phänomen führen könnte(16 ).
43. Unter „Verlagerung von CO2-Emissionen“ ist das Risiko einer Verlagerung der Produktion und damit der Treibhausgasemissionen über die Unionsgrenzen hinaus zu verstehen, das sich auf die wirtschaftliche Belastung durch die Dekarbonisierung in der Union gründet(17 ).
44. Wie bereits ausgeführt, wurden die Regulierung und Verwaltung des EU-EHS in der dritten Handelsperiode zentralisiert, was harmonisierte unionsrechtliche Vorschriften erforderte. Seitdem beruht die Zuteilung kostenloser Zertifikate auf einer auf Unionsebene durchgeführten Bewertung des Risikos einer Verlagerung von CO2-Emissionen. Auf der Grundlage der Richtlinie 2003/87 erstellt die Kommission eine sogenannte Carbon-Leakage-Liste(18 ), in der die Sektoren und Teilsektoren aufgeführt sind, die für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten in Frage kommen, weil in ihnen das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen besonders hoch ist. In diesen Sektoren betriebenen Anlagen und Anlagenteilen können kostenlose Zertifikate in Höhe von bis zu 100 % ihrer Emissionen zugeteilt werden.
45. Die Vermeidung der Verlagerung von CO2-Emissionen ist jedoch nicht das einzige Ziel, das mit den im Rahmen des EU-EHS eingeführten kostenlosen Zertifikaten verfolgt wird. Die Zuteilung kostenloser Zertifikate kann das Hauptziel des EU-EHS, also die Dekarbonisierung, nicht unterlaufen. Das andere Ziel, das mit der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten erreicht werden soll, besteht nämlich darin, Anreize zu schaffen, damit die Anlagen, die solche Zertifikate erhalten, gleichwohl neue, sauberere Technologien einführen. Hierzu sieht die Unionsgesetzgebung vor, dass Anlagen, die für eine kostenlose 100%ige Erfassung ihrer Emissionen in Frage kommen, diese kostenlosen Zertifikate nur erhalten können, wenn sie bei der Dekarbonisierung entsprechende Leistungen erbringen, die auf der Grundlage von unionsweit harmonisierten Ex-ante -Benchmarks ermittelt werden. Die Anzahl der jeder Anlage kostenlos zugeteilten Zertifikate wird nicht mehr allein auf der Grundlage früherer Emissionen berechnet, sondern anhand der für jedes Produkt entwickelten THG-Emissions-Benchmarks bestimmt. Wie von der Kommission erläutert, werden die Benchmarks auf der Grundlage der 10 % im Hinblick auf die Dekarbonisierung effizientesten Anlagen in der Union festgelegt(19 ); auf diese Weise sollen Anlagen belohnt werden, die sauberer arbeiten, und Anreize für andere Anlagen geschaffen werden, diesem Beispiel zu folgen.
46. Um Einklang mit dem europäischen Grünen Deal herzustellen(20 ) und das Klimaziel der Union für 2030 zu erreichen, also die Nettoemissionen gegenüber dem Stand von 1990 um mindestens 55 % zu senken, wurde das EU-EHS im Jahr 2021 zum vierten Mal angepasst(21 ).
47. Die vorliegende Rechtssache betrifft die vierte Handelsperiode, die von 2021 bis 2030 läuft.
48. Im Vergleich zu der dritten Handelsperiode gab es keine wesentlichen Änderungen in Bezug auf die Ziele der Zuteilung kostenloser Zertifikate oder die zentralen Methoden zur Erreichung dieser Ziele.
49. In der vierten Periode bleibt die in Art. 10 der Richtlinie 2003/87 geregelte Versteigerung von Emissionszertifikaten die Hauptmethode für ihre Aufteilung. Zertifikate können jedoch auch weiterhin kostenlos aufgeteilt werden; ihre Zuteilung ist in den Art. 10a und 10b der Richtlinie 2003/87 geregelt, wobei Art. 10a die Vorschriften für die Festlegung der unionsweiten Ex-ante -Benchmarks enthält und Art. 10b die Vorschriften über die Bestimmung der Sektoren, bei denen das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen besteht.
50. Zudem ging in diesem Zeitraum die Zahl der Sektoren, denen kostenlose Zuteilungen gewährt wurden, auf 63 zurück. Damit entfiel immer noch ein großer Teil der unionsweiten Emissionen, nämlich 94 %, auf diese Sektoren(22 ). Doch auch wenn diese Sektoren theoretisch kostenlose Zertifikate erhalten können, um 100 % ihrer Emissionen zu decken, müssten sie gleichwohl die restlichen Zertifikate auf dem Markt zukaufen, um ihre Produktionskosten zu decken, es sei denn, dass sie ebenso gut abschneiden wie die 10 % effizientesten Anlagen. Im Übrigen wurde das System zur Berechnung dieser Benchmarks in der vierten Periode teilweise geändert(23 ).
51. Trotz einiger Änderungen, die in der vierten Handelsperiode gegenüber der dritten Handelsperiode vorgenommen wurden, gelten weiterhin dieselben maßgeblichen Gründe für die Beibehaltung der kostenlosen Zuteilungen. Zum einen dienen sie der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Industriezweige in der Union und der Verhinderung der Verlagerung von CO2-Emissionen, und zum anderen sollen sie in den Sektoren, die für kostenlose Zertifikate in Frage kommen, einen Anreiz für Dekarbonisierungsbemühungen schaffen.
52. Diese beiden Ziele erfordern gegebenenfalls unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Maßnahmen. Das harmonisierte unionsweite System für kostenlose Zertifikate im Rahmen des EU-EHS bezweckt daher, diese beiden Ziele miteinander zu vereinbaren.
53. Solange es keine Dekarbonisierungsmaßnahmen auf globaler Ebene gibt, wird die Wettbewerbsfähigkeit der unter das EU-EHS fallenden Industriezweige in der Union beeinträchtigt, da aus anderen Ländern, in denen es keine derartigen Umweltschutzmaßnahmen gibt, Produkte zu niedrigeren Preisen auf den Markt der Union gelangen könnten. Das mag sich mit der Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems (carbon border adjustment mechanism, im Folgenden: CBAM) ändern, durch das im Lauf der Zeit die Gründe für die Beibehaltung kostenloser Zertifikate entfallen könnten(24 ). Die übergangsweise Einführung des CBAM im Jahr 2023 hat jedoch keinen Einfluss auf den Sachverhalt, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht, da die Klägerin Betreiberin einer Anlage blieb, die bei Einhaltung der Benchmarks Anspruch auf vollständige Abdeckung ihrer Emissionen durch kostenlose Zertifikate für ihre Produktion hatte.
C. Die verbleibenden Befugnisse der Mitgliedstaaten bezüglich der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen des EU-EHS
54. Um die Ziele des Systems der kostenlosen Zertifikate im Rahmen des EU-EHS zu erreichen, werden die Vorschriften für ihre Zuteilung auf Unionsebene vollständig harmonisiert(25 ). Das wichtigste Instrument zu diesem Zweck ist die Richtlinie 2003/87, die der Kommission die Befugnis überträgt, Durchführungsrechtsakte sowie bestimmte delegierte Rechtsakte zur Ergänzung dieser Richtlinie zu erlassen. Art. 10a Abs. 1 dieser Richtlinie bezieht sich auf die Fälle, in denen die Kommission berechtigt ist, die vom Unionsgesetzgeber harmonisierten Vorschriften für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten zu ergänzen.
55. Auf Grundlage der ihr übertragenen Befugnisse verabschiedete die Kommission somit den Delegierten Beschluss 2019/708 zur Änderung der Liste der Sektoren und Teilsektoren, bei denen davon ausgegangen wird, dass für sie im Zeitraum von 2021 bis 2030 ein Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht(26 ).
56. Ein weiterer Bereich, in dem die Kommission ermächtigt ist, die Richtlinie 2003/87 durch delegierte Rechtsakte zu ergänzen, ist die Festlegung von Benchmarks für die Zuteilung kostenloser Zertifikate an die in der Carbon-Leakage-Liste aufgeführten Anlagen, für die sie gemeinsame Vorschriften erlassen kann. Der für die aktuelle Handelsperiode und für ortsfeste Anlagen wie die Anlage der Klägerin maßgebliche delegierte Rechtsakt ist die Delegierte Verordnung 2019/331. Darüber hinaus führte die Kommission mit der Durchführungsverordnung (EU) 2021/447 die überarbeiteten Benchmarks für den Zeitraum 2021 bis 2025 ein(27 ).
57. Auf der Grundlage dieser Rechtsakte übermittelten die Mitgliedstaaten der Kommission im Rahmen ihrer nationalen Umsetzungsmaßnahmen ihre jeweiligen nationalen Listen der Anlagen und Teilanlagen, die Anspruch auf eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten gemäß den harmonisierten unionsrechtlichen Vorschriften haben. Daraufhin genehmigte die Kommission diese nationalen Listen, sofern sie als konform mit den in dem Beschluss (EU) 2021/355 vorgesehenen harmonisierten unionsrechtlichen Vorschriften angesehen wurden(28 ).
58. Selbst wenn die Kommission detaillierte Regeln erlässt, legt der Unionsgesetzgeber die Kriterien für die Bestimmung des Risikos einer Verlagerung von CO2-Emissionen und für die Festlegung der Benchmarks sowie die Liste der in Frage kommenden Anlagen und die Anzahl der kostenlosen Zertifikate fest, die sie in einem bestimmten Zeitraum erhalten können. Diese rechtlichen Kriterien sind für die Kommission verbindlich, wenn sie Durchführungsbestimmungen und ergänzende Regeln erlässt. Wie der Gerichtshof im Urteil DK Recycling(29 ) ausgeführt hat, muss die Kommission demnach bei der Festlegung der Benchmarks und der Carbon-Leakage-Liste die Regelungen der Richtlinie 2003/87 beachten(30 ).
59. Soweit es die Zuteilung kostenloser Zertifikate betrifft, hat die Richtlinie 2003/87 daher auf Unionsebene vollständige Harmonisierung geschaffen und es dem Unionsgesetzgeber so ermöglicht, sicherzustellen, dass Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt minimiert werden(31 ).
60. Daraus folgt eindeutig, dass die Mitgliedstaaten die auf Unionsebene harmonisierten Vorschriften, die die Zuteilung kostenloser Zertifikate regeln, nicht einseitig ändern dürfen.
61. Wie die Kommission in der Sitzung erläutert hat, ist das Verfahren zur Erstellung der Listen der Sektoren, in denen das Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, sowie der Listen, in denen die 10 % effizientesten Anlagen aufgeführt sind, um auf dieser Basis Benchmarks festzulegen, ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess. Dieses Verfahren zielt darauf ab, einen angemessenen Ausgleich zwischen Regelungen herzustellen, die einerseits die Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten und die Verlagerung von CO2-Emissionen verhindern und andererseits Anreize für die Wirtschaftsteilnehmer schaffen, sich um Dekarbonisierung zu bemühen.
62. Wie bereits ausgeführt, spielen die Mitgliedstaaten durchaus eine Rolle bei der Gestaltung des Systems kostenloser Zertifikate, und zwar mittels der Umsetzungsmaßnahmen, die ihnen nach Art. 11 der Richtlinie 2003/87 obliegen. Sie legen der Kommission ausführliche Verzeichnisse der in ihrem Hoheitsgebiet betriebenen Anlagen vor, die die Kommission dann nach einer Prüfung, ob diese Anlagen den durch das EU-EHS eingeführten harmonisierten unionsrechtlichen Vorschriften entsprechen, entweder akzeptiert oder ablehnt.
63. Sobald jedoch die Verzeichnisse der in Frage kommenden Anlagen und die Anzahl der ihnen zustehenden kostenlosen Zertifikate auf Unionsebene feststehen, können die Mitgliedstaaten nicht mehr in dieses System eingreifen. Das gilt selbst dann, wenn die harmonisierten unionsrechtlichen Vorschriften ihrer Ansicht nach nicht zu einer ausreichenden Dekarbonisierung führen.
64. Den Mitgliedstaaten steht hinsichtlich der auf Unionsebene festgelegten kostenlosen Zertifikate nur eine einzige Maßnahme zur Verfügung. Gemäß Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 können die Mitgliedstaaten finanzielle Maßnahmen zugunsten bestimmter Sektoren oder Teilsektoren erlassen, die aufgrund hoher indirekter Stromkosten einem hohen Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, vorausgesetzt, dass diese finanziellen Maßnahmen mit den Vorschriften für staatliche Beihilfen im Einklang stehen und insbesondere keine ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt verursachen.
65. Diese Bestimmung gründet sich auf die Auswirkungen, die der Ausschluss des Stromsektors vom System der kostenlosen Zertifikate in der dritten Handelsperiode auf andere Teilnehmer am EU-EHS hatte. In dieser Handelsperiode mussten die Unternehmen des Stromsektors ihre Zertifikate ersteigern, was zu höheren Strompreisen führte, da die mit der Ersteigerung verbundenen Kosten an die Verbraucher weitergegeben wurden. Höhere Strompreise stellen indirekte Kosten für CO2-ausstoßende Anlagen dar und sind nicht durch die kostenlosen Zertifikate gedeckt, die diese Anlagen erhalten. Daher gestattet die Richtlinie 2003/87 es den Mitgliedstaaten – oder verpflichtet sie möglicherweise sogar dazu –, Subventionen für diejenigen Anlagen einzuführen, die nicht in der Lage sind, solche indirekten Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen, ohne an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Dementsprechend ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 10a Abs. 6 der Richtlinie 2003/87 unbenommen, zusätzlich zu den kostenlosen Zertifikaten Maßnahmen zu ergreifen, um der Verlagerung von CO2-Emissionen entgegenzuwirken.
66. Meines Erachtens spricht der Umstand, dass die Richtlinie 2003/87 selbst die Mitgliedstaaten ermächtigt, zusätzliche Maßnahmen in Form finanzieller Beihilfen zu erlassen, um der durch das EU-EHS verursachten Verlagerung von CO2-Emissionsquellen entgegenzuwirken, dafür, dass das System kostenloser Zertifikate im Rahmen dieser Richtlinie als ein auf Unionsebene vollständig harmonisiertes System anzusehen ist. Die Mitgliedstaaten können nicht in dieses System eingreifen, es sei denn, sie sind durch die betreffende unionsrechtliche Vorschrift ausdrücklich dazu ermächtigt.
67. Die Tatsache, dass die Zuteilung kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-EHS vollständig harmonisiert ist, bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten keine zusätzlichen, ehrgeizigeren Dekarbonisierungsziele durch Instrumente wie CO2-Steuern festlegen können, die bei den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Wirtschaftsteilnehmern erhoben werden. Derartige Steuern dürfen sich allerdings nicht negativ auf die Zuteilung kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-EHS auswirken. Darüber hinaus dürfen diese Steuern – auch wenn sie nicht in dieses System eingreifen – die innerhalb des Binnenmarktes gewährleisteten Freiheiten nicht ungerechtfertigt behindern.
68. Nach meinem Dafürhalten kann ein Mitgliedstaat folglich eine – die Produktionskosten allgemein erhöhende – CO2-Steuer einführen, die auf jedes in seinem Hoheitsgebiet ansässige Unternehmen, das Treibhausgase ausstößt, erhoben wird, und somit auch Anlagen betrifft, die im Rahmen des EU-EHS Anspruch auf kostenlose Zuteilungen haben(32 ). Der höhere Produktionspreis könnte zwar die Betreiber von Anlagen davon abhalten, sich in dem betreffenden Mitgliedstaat niederzulassen, doch beeinträchtigt dies nicht die Niederlassungsfreiheit, so wie auch z. B. höhere Mindestlöhne in einem Mitgliedstaat im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten diese Freiheit nicht beeinträchtigen. Überdies hat eine solche Steuer keine negativen Auswirkungen auf die Ziele des EU-EHS, auch wenn sie die Ausgleichswirkung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten beeinträchtigt. Ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der CO2-Steuern erhebt, könnte beschließen, seine Produktion in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern, der keine CO2-Steuern neben dem EU-EHS erhebt, in dem es aber weiterhin von kostenlosen Zertifikaten profitiert. Daher schafft eine solche allgemeine Steuer nicht zwangsläufig einen Anreiz, den Binnenmarkt der Union zu verlassen, und steht daher nicht im Widerspruch zum Ziel, die Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern.
69. Dagegen wäre eine von einem Mitgliedstaat eingeführte steuerliche Abgabe nach der Richtlinie 2003/87 unzulässig, wenn sie das auf Unionsebene geschaffene Gleichgewicht innerhalb des Systems der kostenlosen Zuteilung im Rahmen des EU-EHS störte.
D. Zur Anwendung auf den vorliegenden Fall
70. Die vorangegangene Analyse lässt den Schluss zu, dass die Richtlinie 2003/87 die Mitgliedstaaten daran hindert, Maßnahmen wie etwa eine CO2-Steuer zu erlassen, die in das harmonisierte System der Zuteilung kostenloser Zertifikate eingreifen und den Zielen eines solchen Systems zuwiderlaufen.
71. Damit ist die erste Frage des vorlegenden Gerichts beantwortet.
72. Das vorlegende Gericht muss daher prüfen, ob die durch das Regierungsdekret eingeführte Steuer tatsächlich in das für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten eingerichtete System eingreift und ob sie einem seiner Ziele zuwiderläuft, wie insbesondere dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der in der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zu wahren und ihnen Anreize zur Dekarbonisierung ihrer Produktion zu bieten.
73. Auch wenn es Sache des nationalen Gerichts ist, eine solche Beurteilung vorzunehmen, kann der Gerichtshof insoweit Hinweise geben, um das nationale Gericht bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Ich werde daher erläutern, warum die Richtlinie 2003/87 meinem Verständnis nach der Auferlegung steuerlicher Belastungen, wie sie mit dem Regierungsdekret eingeführt wurden, entgegensteht.
74. Es sei daran erinnert, dass die Anlage der Klägerin zu der Gruppe der Sektoren und Teilsektoren gehört, die in Nr. 1 des Anhangs des Delegierten Beschlusses 2019/708 aufgeführt wird, bei denen gemäß Art. 10b Abs. 1 der Richtlinie 2003/87 davon ausgegangen wird, dass ein Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht. Den dort aufgeführten Anlagen werden für den Zeitraum bis 2030 kostenlose Zertifikate in Höhe von 100 % der Menge zugeteilt, die den gemäß Art. 10a der Richtlinie 2003/87 und den EU-Durchführungsvorschriften bestimmten Benchmarks entspricht.
75. Die durch das Regierungsdekret eingeführte steuerliche Abgabe wirkt sich negativ auf die Zuteilung kostenloser Zertifikate an die Klägerin aus, auf die sie im Rahmen des EU-EHS Anspruch hatte. Da die Abgabe nur für Betreiber gilt, die für eine erhebliche kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in Frage kommen, macht das Regierungsdekret die kostenlosen Zuteilungen faktisch zu entgeltlichen Zuteilungen. Zudem wird die steuerliche Abgabe auf die früheren Emissionen der betroffenen Betreiber erhoben; folglich hatte die Klägerin keine Möglichkeit, diese Abgabe in den Preis ihrer Erzeugnisse einzubeziehen, um sie so auszugleichen. Daher widerspricht die Erhebung der in Rede stehenden steuerlichen Abgabe dem Ziel der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit kohlenstoffintensiver Industrien in der Union, das durch die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten erreicht wird.
76. Überdies gilt die durch das Regierungsdekret eingeführte steuerliche Abgabe nicht für alle Verursacher von THG-Emissionen, obwohl sie auf Grundlage der Menge der verursachten Treibhausgase berechnet wird.
77. Tatsächlich gilt diese Abgabe nur für diejenigen THG-Erzeuger, die Anspruch auf die vollständige Abdeckung ihrer Produktion durch kostenlose Zertifikate im Rahmen des EU-EHS hatten. Die Abgabe erhöht also nicht generell die Geschäftskosten in Ungarn, sondern betrifft ausschließlich diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die nach Ansicht des Unionsgesetzgebers vor einer Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit und der Verlagerung von CO2-Emissionen geschützt werden müssen.
78. Ferner nimmt die streitige steuerliche Abgabe offenbar eine zusätzliche Differenzierung zwischen Betreibern vor, die Anspruch auf kostenlose Zertifikate haben, indem diejenigen ausgeschlossen werden, die solche Zertifikate auf der Grundlage von Wärme- und Brennstoff-Benchmarks erhalten. Auf Verlangen hat die ungarische Regierung in der Sitzung die Gründe für diese Unterscheidung erläutert und darauf hingewiesen, dass die Dekarbonisierungsziele in einigen Sektoren nicht erreicht worden seien, weshalb der Gesetzgeber beschlossen habe, mit der Einführung der Abgabe gegenzusteuern.
79. Wie bereits erläutert, darf jedoch den Anlagen, deren Anspruch auf kostenlose Zertifikate durch die Durchführungsbeschlüsse der Kommission auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten gemachten Angaben bestätigt wurde, dieser Anspruch nicht durch einseitige nationale Maßnahmen entzogen werden. Die in Rede stehende steuerliche Abgabe steht im Widerspruch zu der Liste der Anlagen, die aufgrund eines hohen Risikos der Verlagerung von CO2-Emissionen Anspruch auf kostenlose Zertifikate haben. Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, dass eine Liste geändert werden müsse, muss er eine solche Änderung auf Unionsebene anstoßen.
80. Bei der Erstellung der Listen, die anschließend der Kommission vorgelegt wurden, mussten die Mitgliedstaaten berücksichtigen, ob ein unter eine Benchmark fallendes Produkt in mehreren Anlagen hergestellt wurde, ob mehrere unter eine Benchmark fallende Produkte in derselben Anlage hergestellt wurden und ob Zwischenprodukte über die Anlagengrenzen hinaus ausgetauscht wurden. Wie in der Delegierten Verordnung 2019/331 hervorgehoben, war dies wichtig, um die Gleichbehandlung von Anlagen zu fördern und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden(33 ).
81. Die Liste, in der auch die Klägerin aufgeführt ist, wurde auf der Grundlage solcher Informationen erstellt.
82. Indem sie den Anspruch der Klägerin – oder den anderer Anlagen in ähnlicher Lage – auf kostenlose Zuteilungen beeinträchtigt, wirkt sich die streitige steuerliche Abgabe daher negativ auf das unionsweite System kostenloser Zertifikate aus, das auf der Gleichbehandlung aller teilnehmenden Betreiber beruht.
83. Die Beklagte macht geltend, dass die streitige steuerliche Abgabe nicht auf der Grundlage des Wertes der den abgabepflichtigen Betreibern kostenlos zugeteilten Zertifikate berechnet werde, sondern vielmehr auf der Grundlage der Menge der erzeugten Treibhausgasemissionen. Gestützt auf das Urteil Iberdrola u. a. führt sie an, dass die Richtlinie 2003/87 Abgaben auf die Inanspruchnahme kostenloser Zuteilungen zulasse und nur solche Abgaben verbiete, die unmittelbar auf kostenlose Zuteilungen erhoben würden.
84. Die Situation in der Rechtssache Iberdrola u. a. war jedoch eine andere: in jener Rechtssache hatte die spanische Regierung Abgaben eingeführt, um die Praxis, den Wert der Zertifikate auf die Verbraucher im Elektrizitätssektor abzuwälzen, zu unterbinden. Dieser Sektor, der zu jenem Zeitpunkt (der zweiten Handelsperiode) noch für diese Zertifikate in Frage kam, bezog den Wert dieser Zertifikate in die Verbraucherpreise ein und wälzte ihn so auf die Verbraucher ab, selbst wenn diese Zertifikate kostenlos zugeteilt wurden. Wenn Zertifikate versteigert werden und ihr Preis an die Verbraucher weitergegeben wird, stehen die infolge von Treibhausgasemissionen generierten Gewinne dem Staat zu. Werden Zertifikate hingegen kostenlos zugeteilt, ihr Wert aber dennoch auf die Verbraucher abgewälzt, fließen die Gewinne aus den CO2-Emissionen einzig dem Wirtschaftsteilnehmer zu, der diese Emissionen verursacht hat. Dies verstößt offenkundig gegen das Verursacherprinzip. Da das Ziel der Abgaben in jener Rechtssache darin bestand, die Erzielung derartiger den Zielen der Richtlinie 2003/87 zuwiderlaufenden Gewinne zu verhindern, waren jene Abgaben nach Auffassung des Gerichtshofs nicht mit dieser Richtlinie unvereinbar.
85. Im vorliegenden Fall stellt die in Rede stehende nationale Rechtsvorschrift jedoch keine solche Korrektur der Wirkung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten dar. Die streitige steuerliche Abgabe hebt vielmehr die Ausgleichswirkung dieser Zuteilungen auf und steht dadurch im Widerspruch zu dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und eine Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern.
86. Zwar könnte die streitige steuerliche Abgabe die ihr unterliegenden Betreiber durchaus dazu veranlassen, die Menge ihrer CO2-Emissionen zu verringern, sofern es dem betreffenden Unternehmen gelingt, den Rückgang seiner Wettbewerbsfähigkeit zu überwinden, und es beschließt, in dem jeweiligen Staat zu bleiben. Das unionsweite System kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-EHS schafft jedoch einen Ausgleich zwischen diesen beiden Zielen. Daher läuft ein Eingriff in dieses Gleichgewicht durch selektive CO2-Steuern dem harmonisierten System auf Unionsebene zuwider.
87. In zwei weiteren von der Beklagten angeführten Rechtssachen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die betreffende nationale Regelung im Widerspruch zu einem der Ziele des Systems der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten stand. So liefen die in der Rechtssache ŠKO-Energo unmittelbar auf den Wert der kostenlosen Zertifikate erhobenen Abgaben nach Ansicht des Gerichtshofs dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, zuwider. In der Rechtssache PPC Power sah der Gerichtshof eine slowakische Steuer, die auf nicht verwendete kostenlose Zertifikate erhoben wurde, als mit dem Ziel der Förderung von Dekarbonisierungsbemühungen unvereinbar an.
88. Daher ist es ausreichend, dass die nationalen Vorschriften nur einem der Ziele des Systems der Zuteilung kostenloser Zertifikate im Rahmen des EU-EHS widersprechen, um die Unvereinbarkeit einer nationalen Maßnahme, wie beispielsweise einer selektiven CO2-Abgabe, mit der Richtlinie 2003/87 festzustellen.
89. Im Übrigen finden die vorstehenden Überlegungen auf jede nationale Maßnahme – unabhängig von ihrem Zweck – Anwendung. Selbst wenn, wie aus dem letzten Teil der ersten Vorlagefrage hervorgeht, die in Rede stehende Abgabe nicht auf eine Verringerung der CO2-Emissionen abzielt, sondern vielmehr auf die Bewältigung der Folgen der Covid-19-Pandemie und des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, wäre eine solche Maßnahme als unvereinbar mit dem durch die Richtlinie 2003/87 eingeführten EU-EHS anzusehen, da sie den Zielen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten zuwiderlaufen und/oder das auf Unionsebene zur Erreichung dieser Ziele geschaffene Gleichgewicht stören würde.
IV. Ergebnis
90. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage des Veszprémi Törvényszék (Stuhlgericht Veszprém, Ungarn) wie folgt zu antworten:
Die Ziele und Bestimmungen der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 geänderten Fassung, insbesondere ihre Art. 1, 10a und 11,
sind dahin auszulegen, dass sie einer durch eine nationale Regelung auferlegten steuerlichen Abgabe entgegenstehen, die
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft, die bewirkt, dass die kostenlosen Zertifikate ihren Wert und ihre Ausgleichswirkung verlieren, oder
– die Emissionen aus der Nutzung von kostenlosen Zertifikaten nachträglich einer steuerlichen Belastung unterwirft, die bewirkt, dass Betreiber davon abgehalten werden, ihre Emissionen zu verringern, ihre Umwelteffizienz zu verbessern oder in umweltfreundlichere Technologien zu investieren,
und zwar ungeachtet des proklamierten Zwecks einer solchen Abgabe nach nationalem Recht.