Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
2. April 2025(* )
„ Gemeinsame Außen – und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen – Einfrieren von Geldern – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen eingefroren wurden – Beschränkung der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten – Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen, deren Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten Beschränkungen unterliegt – Belassung des Namens des Klägers auf den Listen – Begründungspflicht – Begriff ‚in Russland tätige führende Geschäftsleute‘ – Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145/GASP – Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 – Einrede der Rechtswidrigkeit – Beurteilungsfehler – Anspruch auf rechtliches Gehör – Unionsbürgerschaft – Freizügigkeit – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit “
n der Rechtssache T‑297/23,
Gennady Nikolayevich Timchenko, wohnhaft in Moskau (Russland), vertreten durch Rechtsanwälte T. Bontinck und S. Bonifassi sowie Rechtsanwältinnen E. Federova, J. Goffin und J. Bastien,
Kläger,
gegen
Rat der Europäischen Union, vertreten durch M.‑C. Cadilhac und V. Piessevaux als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters R. Mastroianni in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin M. Brkan sowie der Richter I. Gâlea, T. Tóth (Berichterstatter) und S. L. Kalėda,
Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere
– der am 24. Mai 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
– des am 24. November 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anpassungsschriftsatzes,
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2024
folgendes
Urteil
1 Mit seiner Klage beantragt der Kläger, Herr Gennady Nikolayevich Timchenko, zum einen, nach Art. 263 AEUV erstens den Beschluss (GASP) 2023/572 des Rates vom 13. März 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 75 I, S. 134), sowie die Durchführungsverordnung (EU) 2023/571 des Rates vom 13. März 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 75 I, S. 1) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom März 2023) und zweitens den Beschluss (GASP) 2023/1767 des Rates vom 13. September 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 104) sowie die Durchführungsverordnung (EU) 2023/1765 des Rates vom 13. September 2023 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2023, L 226, S. 3) (im Folgenden zusammen: Rechtsakte vom September 2023) für nichtig zu erklären, soweit diese Rechtsakte (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) ihn betreffen, und zum anderen, nach Art. 268 AEUV für den immateriellen Schaden, den er aufgrund des Erlasses dieser Rechtsakte erlitten habe, Ersatz zu leisten.
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits und nach Klageerhebung eingetretene Umstände
2 Der Kläger ist ein Geschäftsmann mit russischer und finnischer Staatsangehörigkeit.
3 Hintergrund der vorliegenden Rechtssache sind die von der Europäischen Union erlassenen restriktiven Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen.
4 Am 17. März 2014 erließ der Rat der Europäischen Union auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/145/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16).
5 Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6).
6 Nach dem Angriff auf die Ukraine durch die Streitkräfte der Russischen Föderation erließ der Rat am 25. Februar 2022 den Beschluss (GASP) 2022/329 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 50, S. 1), um u. a. die Kriterien anzupassen, nach denen natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen unterworfen werden können.
7 Art. 2 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung sieht vor:
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum stehen oder gehalten oder kontrolliert werden von:
a) natürlichen Personen, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich sind oder solche Handlungen oder politischen Maßnahmen unterstützen oder umsetzen oder die die Arbeit von internationalen Organisationen in der Ukraine behindern;
…
d) natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die russische Entscheidungsträger, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, materiell oder finanziell unterstützen oder von diesen profitieren;
…
g) führenden Geschäftsleuten oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, darstellen,
und den mit ihnen verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Anhang aufgeführt sind, werden eingefroren.
(2) Den im Anhang aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen.“
8 Die Einzelheiten dieses Einfrierens von Geldern werden in den weiteren Absätzen dieses Artikels festgelegt.
9 Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung verwehrt natürlichen Personen, die Kriterien erfüllen, welche im Wesentlichen den in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und d dieses Beschlusses genannten entsprechen, die Einreise in oder die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten.
10 Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung (EU) 2022/330 des Rates vom 25. Februar 2022 (ABl. 2022, L 51, S. 1) geänderten Fassung sieht den Erlass von Maßnahmen des Einfrierens von Geldern vor und regelt die Modalitäten dieses Einfrierens im Wesentlichen wortgleich mit dem Beschluss 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung. Insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und d dieser Verordnung übernimmt nämlich im Wesentlichen die gleichen Kriterien wie diejenigen, die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und d des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung genannt sind (im Folgenden: Kriterium a bzw. Kriterium d).
A. Erstmalige Aufnahme und Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen bis 13. März 2023
11 Am 28. Februar 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/337 zur Änderung des Beschlusses 2014/145/GASP (ABl. 2022, L 59, S. 1) sowie die Durchführungsverordnung (EU) 2022/336 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 58, S. 1) (im Folgenden: Rechtsakte vom Februar 2022).
12 Mit diesen Rechtsakten wurde der Name des Klägers unter der Nr. 694 in die Liste im Anhang des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung bzw. unter derselben Nummer in die Liste in Anhang I der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung (im Folgenden: streitige Listen) aufgenommen, und zwar aus folgenden Gründen:
„[Der Kläger] ist ein langjähriger Bekannter des Präsidenten der Russischen Föderation[, des Herrn] Vladimir Putin[,] und wird weithin zu dessen Vertrauten gezählt.
Er profitiert von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern. Er ist Gründer und Anteilseigner der Volga Group, einer Beteiligungsgesellschaft, die über ein Portfolio an Investitionen in wichtigen Sektoren der russischen Volkswirtschaft verfügt. Die Volga Group trägt wesentlich zur russischen Wirtschaft und deren Entwicklung bei.
Er ist außerdem Anteilseigner der Bank Rossiya, die als persönliche Bank hochrangiger Beamter der Russischen Föderation gilt. Seit der rechtswidrigen Annexion der Krim hat die Bank Rossiya Zweigstellen auf der Krim und in Sevastopol eröffnet und so deren Eingliederung in die Russische Föderation verfestigt.
Außerdem hält die Bank Rossiya große Anteile der Nationalen Mediengruppe, die ihrerseits Fernsehsender kontrolliert, die aktiv die Politik der russischen Regierung zur Destabilisierung der Ukraine unterstützen.
Daher ist er für die Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen verantwortlich, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben.
Darüber hinaus [stellt er russischen Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, finanzielle und materielle Unterstützung bereit und profitiert von diesen Entscheidungsträgern].“
13 Mit Schreiben vom 25. März 2022 beantragte der Kläger beim Rat, ihm Einsicht in die gesamte ihn betreffende Akte zu gewähren, was am 13. April 2022 durch Übermittlung des Dossiers WK 2807/2022 INIT (im Folgenden: erstes WK-Dossier) geschah.
14 Nach einem Antrag des Klägers vom 15. April 2022 auf Übermittlung zusätzlicher Dokumente übermittelte der Rat dem Kläger diese Dokumente, die in dem Dossier WK 12005/2019 INIT enthalten waren, sowie Dokumente, die unter der Bezeichnung MD 2015 293, 294, 296 und 297 Kovalchuk geführt wurden, am 28. April 2022 (im Folgenden: ergänzendes erstes WK-Dossier).
15 Mit am 9. Mai 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob der Kläger eine unter dem Aktenzeichen T‑252/22 in das Register eingetragene Klage auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom Februar 2022.
16 Am 14. September 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/1530 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2022, L 239, S. 149) und die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1529 zur Durchführung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 239, S. 1) (im Folgenden: Rechtsakte vom September 2022), in denen der Name des Klägers auf den streitigen Listen belassen wurde.
17 Am 25. November 2022 reichte der Kläger auf der Grundlage von Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts und im Rahmen der Rechtssache T‑252/22 einen Anpassungsschriftsatz ein, um auch die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom September 2022, soweit sie ihn betreffen, zu beantragen.
18 Mit Urteil vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2023:496), wies das Gericht insbesondere den Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom Februar 2022 und der Rechtsakte vom September 2022 zurück.
B. Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen bis 15. September 2023
19 Am 22. Dezember 2022 unterrichtete der Rat den Kläger von seiner Absicht, die restriktiven Maßnahmen gegen ihn aufrechtzuerhalten, und übermittelte ihm das Dossier WK 17609/2022 INIT (im Folgenden: WK-Dossier 1 zur fortgesetzten Listung) sowie das Dossier WK 17683/2022 INIT.
20 Mit den Rechtsakten vom März 2023 wurde der Name des Klägers aus folgenden Gründen weiterhin auf den streitigen Listen belassen:
„[Der Kläger] ist ein langjähriger Bekannter des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin und wird weithin zu dessen Vertrauten gezählt.
Er profitiert von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern. Er ist Gründer und Anteilseigner der Volga Group, einer Beteiligungsgesellschaft, die über ein Portfolio an Investitionen in wichtigen Sektoren der russischen Volkswirtschaft verfügt. Die Volga Group trägt wesentlich zur russischen Wirtschaft und deren Entwicklung bei.
Er ist außerdem Anteilseigner der Bank Rossiya, die als die Bank Putins und der mit ihm verbundenen Personen gilt. Seit der rechtswidrigen Annexion der Krim hat die Bank Rossiya Zweigstellen auf der Krim und in Sevastopol eröffnet und so deren Eingliederung in die Russische Föderation verfestigt.
Außerdem hält die Bank Rossiya große Anteile der National Media Group, einer Medienholding, die 28 Medienunternehmen in Russland kontrolliert, die aktiv Propaganda und Desinformation im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verbreiten.
Daher ist er für die Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen verantwortlich, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben.
Darüber hinaus [stellt er russischen Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, finanzielle und materielle Unterstützung bereit und profitiert von diesen Entscheidungsträgern].“
21 Am 14. März 2023 unterrichtete der Rat den Kläger von seiner Entscheidung, seinen Namen auf den streitigen Listen zu belassen, und beantwortete seine Schreiben vom 31. Oktober 2022 und 20. Januar 2023, indem er ihm im Wesentlichen mitteilte, dass seine Beteiligungen an der Bank Rossiya und der National Media Group darauf schließen ließen, dass er die gegen die Ukraine gerichteten Aktionen unterstütze, und dass die von ihm beanstandeten Maßnahmen verhältnismäßig seien, da sie sich auf die Situation in der Ukraine sowie auf die Entscheidungsfindung der russischen Führung auswirken könnten.
22 Mit Schreiben vom 31. Mai 2023 übermittelte der Kläger dem Rat einen Antrag auf neuerliche Prüfung.
C. Änderung der Kriterien für die Aufnahme in die streitigen Listen
23 Am 5. Juni 2023 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2023/1094 zur Änderung des Beschlusses 2014/145 (ABl. 2023, L 146, S. 20) und die Verordnung (EU) 2023/1089 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2023, L 146, S. 1).
24 Durch diesen Beschluss wurde Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 wie folgt geändert (im Folgenden: geändertes Kriterium g):
„(1) Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die … im Eigentum stehen … von:
g) in Russland tätigen führenden Geschäftsleuten und ihren unmittelbaren Familienangehörigen oder anderen natürlichen Personen, die von ihnen profitieren, oder Geschäftsleuten, juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich ist, als wichtige Einnahmequelle dienen …“
25 Der vierte Erwägungsgrund dieses Beschlusses lautet:
„Der Rat ist zu der Einschätzung gelangt, dass zwischen der Regierung der Russischen Föderation und führenden, in Russland tätigen Geschäftsleuten eine Beziehung zum beiderseitigen Nutzen und zur gegenseitigen Unterstützung besteht. So gestattete die Regierung der Russischen Föderation insbesondere prominenten russischen Geschäftsleuten systematisch, durch die Ausbeutung natürlicher und anderer öffentlicher Ressourcen Reichtum anzuhäufen. Angesichts dieser wechselseitigen Abhängigkeit zwischen führenden Geschäftsleuten und der Regierung der Russischen Föderation gelangt der Rat zu der Auffassung, dass die Benennungskriterien auch für führende Geschäftsleute gelten sollten, die in einem beliebigen russischen Wirtschaftszweig tätig sind. Darüber hinaus ist der Rat der Auffassung, dass die Benennungskriterien dahin gehend erweitert werden sollten, dass gegebenenfalls Geschäftsleute in die Liste aufgenommen werden können, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation als wesentliche Einnahmequelle dienen, um so den Druck auf die Regierung der Russischen Föderation, ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden, zu erhöhen.“
26 Die Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2023/1089 geänderten Fassung sieht Änderungen vor, die im Wesentlichen den gleichen Wortlaut haben wie der Beschluss 2014/145 in der durch den Beschluss 2023/1094 geänderten Fassung. So enthält Art. 3 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung im Wesentlichen das gleiche Kriterium wie Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in der durch Beschluss 2023/1094 geänderten Fassung.
D. Belassung des Namens des Klägers auf den streitigen Listen bis 13. März 2024
27 Am 19. Juni 2023 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, seinen Namen auf der Grundlage einer geänderten Begründung und eines neuen Benennungskriteriums auf den streitigen Listen zu belassen. Am 10. Juli 2023 übermittelte er ihm ein neues Arbeitsdokument mit der Bezeichnung WK 5142/2023 INIT (im Folgenden: WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung), dem er am 18. August 2023 ein zusätzliches Arbeitsdokument mit der Bezeichnung WK 5142/2023 ADD 1 (im Folgenden: ergänzendes WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung) beifügte (im Folgenden zusammen: zusätzliche WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung).
28 Mit Schreiben vom 27. Juni und 21. Juli 2023 übermittelte der Kläger dem Rat seine Stellungnahmen zu der geplanten Verlängerung der restriktiven Maßnahmen in Bezug auf seine Person.
29 Am 18. August 2023 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er beabsichtige, die gegen ihn verhängten restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten. Der Kläger äußerte sich am 31. August 2023 zu dieser Absicht.
30 Am 13. September 2023 verabschiedete der Rat die Rechtsakte vom September 2023.
31 Mit diesen Rechtsakten beließ der Rat den Namen des Klägers aus folgenden Gründen auf den streitigen Listen:
„[Der Kläger] ist ein langjähriger Bekannter des Präsidenten der Russischen Föderation[, des Herrn] Wladimir Putin[,] und wird weithin zu dessen Vertrauten gezählt.
Er profitiert von seinen Verbindungen zu russischen Entscheidungsträgern. Er ist Gründer und Anteilseigner der Volga Group, einer Beteiligungsgesellschaft, die über ein Portfolio an Investitionen in wichtigen Sektoren der russischen Volkswirtschaft verfügt. Die Volga Group trägt wesentlich zur russischen Wirtschaft und deren Entwicklung bei.
Er ist außerdem Anteilseigner der Bank Rossiya, die als die Bank [von Herrn Wladimir] Putin … und der mit ihm verbundenen Personen gilt. Seit der rechtswidrigen Annexion der Krim hat die Bank Rossiya Zweigstellen auf der Krim und in Sewastopol eröffnet und so deren Eingliederung in die Russische Föderation verfestigt.
Außerdem hält die Bank Rossiya große Anteile der National Media Group, einer Medienholding, die 28 Medienunternehmen in Russland kontrolliert, die aktiv Propaganda und Desinformation im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verbreiten.
Daher ist er einer der führenden in Russland tätigen Geschäftsleute und für die Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen verantwortlich, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben.
Darüber hinaus [stellt er russischen Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, finanzielle und materielle Unterstützung bereit und profitiert von diesen Entscheidungsträgern].“
32 Am 15. September 2023 antwortete der Rat auf die Schreiben des Klägers vom 31. Mai, vom 27. Juni, vom 21. Juli und vom 31. August 2023 und teilte ihm u. a. mit, dass das geänderte Kriterium g nicht unverhältnismäßig weit gefasst sei und auch nicht dazu diene, willkürliche Maßnahmen zu ergreifen.
II. Anträge der Parteien
33 Der Kläger beantragt,
– die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären;
– den Rat zur Zahlung von 1 000 000 Euro als Ersatz für seinen immateriellen Schaden zu verurteilen;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
34 Der Rat beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
III. Rechtliche Würdigung
A. Zum Antrag auf Nichtigerklärung
35 Der Kläger stützt seine Klage auf sechs Klagegründe, mit denen er erstens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, zweitens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, drittens eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fünftens eine Verletzung des in Art. 21 AEUV vorgesehenen Grundrechts auf Freizügigkeit, von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und sechstens eine Verletzung des Eigentumsrechts, von Art. 52 Abs. 1 der Charta, der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre rügt.
36 Im Anpassungsschriftsatz macht der Kläger einen siebten Klagegrund geltend, mit dem er eine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen das geänderte Kriterium g erhebt, soweit es sich auf „in Russland tätige führende Geschäftsleute“ (im Folgenden: erster Teil des geänderten Kriteriums g) bezieht.
1. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht
37 Mit seinem zweiten Klagegrund macht der Kläger geltend, dass der Rat seiner Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV nicht nachgekommen sei. Aufgrund der fehlenden Begründung des Beschlusses, die ihn betreffenden Gelder einzufrieren und seine Freizügigkeit mit Blick auf die mit dem Beschluss 2014/145 verfolgten Ziele zu beschränken, habe der Rat nicht aufgezeigt, wie die Umsetzung der angefochtenen Rechtsakte es ermöglichen solle, diese Ziele zu erreichen.
38 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
39 Nach der Rechtsprechung dient die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, die aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte folgt, dem Zweck, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Die nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, angepasst sein. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt dieses Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen insbesondere weder alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden noch muss auf die Erwägungen des Betroffenen bei seiner Anhörung vor Erlass des Rechtsakts im Einzelnen eingegangen werden, da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Ein beschwerender Rechtsakt ist folglich hinreichend begründet, wenn er in einem Kontext ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahmen zu verstehen (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Somit müssen die an die Genauigkeit der Begründung eines Rechtsakts zu stellenden Anforderungen den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt zu ergehen hat (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Nach der Rechtsprechung muss in der Begründung eines Rechtsakts des Rates, mit dem eine restriktive Maßnahme verhängt wird, nicht nur die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme genannt werden, sondern es müssen auch die besonderen und konkreten Gründe angegeben werden, aus denen der Rat es in Ausübung seines Ermessens für angebracht hielt, den Betroffenen einer solchen Maßnahme zu unterwerfen (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung.
43 Die Verpflichtung, einen Rechtsakt zu begründen, stellt im Übrigen eine wesentliche Formvorschrift dar und ist von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des betreffenden Rechtsakts gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, EU:C:1998:154, Rn. 67). Die Begründung eines Rechtsakts soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen er beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit des Rechtsakts, nicht aber dessen Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 18. Juni 2015, Ipatau/Rat, C‑535/14 P, EU:C:2015:407, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Im vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass sowohl der Beschluss 2014/145 als auch die Verordnung Nr. 269/2014 auf die Rechtsgrundlage verweisen, auf der sie beruhen, d. h. auf Art. 29 EUV bzw. Art. 215 AEUV. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der allgemeine Kontext, der den Rat zum Erlass der angefochtenen Rechtsakte veranlasst hat, in den Erwägungsgründen der angefochtenen Rechtsakte dargelegt wird.
45 Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Rat in Bezug auf das Kriterium a in den oben in den Rn. 20 und 31 wiedergegebenen Begründungen der angefochtenen Rechtsakte erstens insbesondere hervorgehoben hat, dass der Kläger Anteilseigner der Bank Rossiya sei, die Zweigstellen auf der Krim und in Sewastopol eröffnet habe, wodurch die Eingliederung dieser Region in die Russische Föderation verfestigt worden sei, und zweitens, dass er Eigentümer der Volga Group sei, die „wesentlich zur russischen Wirtschaft … [beiträgt]“, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass er „für die Unterstützung von Handlungen oder politischen Maßnahmen verantwortlich [ist], die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben“.
46 In Bezug auf das Kriterium d hat der Rat in der Begründung der angefochtenen Rechtsakte zum einen hervorgehoben, dass der Kläger „ein langjähriger Bekannter des Präsidenten der Russischen Föderation“ sei, und zum anderen, dass die Bank Rossiya, bei der er Anteilseigner sei, „als die Bank [von Wladimir] Putin und der mit ihm verbundenen Personen gilt“, und hat daraus den Schluss gezogen, dass der Kläger „die Verantwortung für die Bereitstellung finanzieller oder materieller Unterstützung [trägt] und … von russischen Entscheidungsträgern [profitiert], die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind“.
47 Was schließlich das geänderte Kriterium g betrifft, so hat der Rat in der Begründung der Rechtsakte vom September 2023 insbesondere zum einen hervorgehoben, dass der Kläger ein langjähriger Bekannter des Präsidenten der Russischen Föderation sei, und zum anderen, dass er nicht nur Anteilseigner der Bank Rossiya sei, sondern auch „Gründer und Anteilseigner der Volga Group [ist], einer Beteiligungsgesellschaft, die über ein Portfolio an Investitionen in wichtigen Sektoren der russischen Volkswirtschaft verfügt … [und die] wesentlich zur russischen Wirtschaft und deren Entwicklung [beiträgt]“, um daraus den Schluss zu ziehen, dass er einer der führenden in Russland tätigen Geschäftsleute sei.
48 Aus dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2014/145, den Erwägungsgründen 3 und 4 der Verordnung Nr. 269/2014 sowie den Erwägungsgründen 10 und 11 des Beschlusses 2022/329 ergibt sich, dass der Rat der Auffassung war, dass für Personen, die unter die im Beschluss 2014/145 vorgesehenen Aufnahmekriterien fielen, das Verbot der Einreise in das Hoheitsgebiet der Union sowie das Einfrieren ihrer Gelder und Ressourcen Maßnahmen darstellten, die zur Erreichung der Ziele der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erforderlich seien. Darüber hinaus wird in den Erwägungsgründen 10 und 11 des Beschlusses 2022/329 sowie in den Erwägungsgründen 3 und 4 des Beschlusses 2023/1094 im Wesentlichen erklärt, dass die Ausweitung des persönlichen Anwendungsbereichs der restriktiven Maßnahmen angesichts der Entwicklung des Konflikts als notwendig erachtet worden sei, um eine schrittweise und abgestufte Reaktion auf die sich verschlechternde Lage in der Ukraine zu ermöglichen, mit dem letztendlichen Ziel, größtmöglichen Druck auf die russischen Stellen auszuüben, damit diese ihre Handlungen und ihre politischen Maßnahmen, die die Ukraine destabilisierten, sowie die militärische Aggression gegen dieses Land beendeten.
49 Im Übrigen ist der Vorwurf, dass der Rat nicht dartue, wie durch die Anwendung der ihm gegenüber erlassenen Maßnahmen die Ziele erreicht werden könnten, die dieses Organ mit dem Beschluss 2014/145 und der Verordnung Nr. 269/2014 verfolge, weil er die Gründe dafür nicht darlege, zurückzuweisen, da er darauf hinausläuft, die Rechtfertigung der streitigen Maßnahmen in Frage zu stellen, wobei es sich um eine Frage der Stichhaltigkeit der Begründung und keine Frage ihrer förmlichen Begründung handelt (vgl. oben, Rn. 43).
50 Da sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, dass sowohl der Kontext als auch die Begründung der angefochtenen Handlungen dem Kläger ermöglicht haben, die Rechtsgrundlage der gegen ihn gerichteten restriktiven Maßnahmen sowie die besonderen und konkreten Gründe zu erkennen, aufgrund deren der Rat in Ausübung seines Ermessens der Auffassung war, dass der Betroffene solchen Maßnahmen unterworfen werden solle, ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
2. Zum dritten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
51 Mit seinem dritten Klagegrund rügt der Kläger, dass der Rat die Argumente, die der Kläger in seinen verschiedenen Schreiben, insbesondere in seinem Schreiben vom 20. Januar 2023, vorgetragen habe, nicht berücksichtigt habe.
52 Der Kläger betont, dass der Rat keinen Beweis dafür erbringe, dass er seine Stellungnahmen und Anträge auf erneute Prüfung an die Mitgliedstaaten weitergeleitet habe, und zieht daraus den Schluss, dass sein Recht auf Anhörung instrumentalisiert worden sei.
53 Hinsichtlich des Verfahrens, das zum Erlass der Rechtsakte vom September 2023 führte, rügt der Kläger, dass der Rat ihm lediglich eine Frist von elf Arbeitstagen für die Prüfung des WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung und von neun Arbeitstagen für die Prüfung des ergänzenden WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung eingeräumt habe.
54 Er führt aus, dass in diesem Dossier nicht die Passagen angegeben seien, auf die sich der Rat habe stützen wollen, um die Anwendung des geänderten Kriteriums g in Bezug auf ihn zu rechtfertigen. Schließlich macht er geltend, dass allein schon die kurze Zeitspanne zwischen dem Datum der Übermittlung seiner Stellungnahmen zum ergänzenden WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung und dem Datum des Erlasses der Rechtsakte im September 2023 zeige, dass der Rat sich nicht genügend Zeit genommen habe, um seine Stellungnahmen angemessen zu prüfen.
55 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
56 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta vorgesehene Anspruch auf rechtliches Gehör in jedem Verfahren, der untrennbar zur Wahrung der Verteidigungsrechte gehört, jeder Person die Möglichkeit garantiert, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU: C:2014:2431, Rn. 34 und 36, und vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 65 und 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
57 Im Rahmen eines Verfahrens, das den Erlass der Entscheidung betrifft, den Namen einer Person in eine Liste im Anhang eines Rechtsakts mit restriktiven Maßnahmen aufzunehmen oder auf dieser Liste zu belassen, erfordert die Achtung der Verteidigungsrechte und des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die ihr vorliegenden, die betroffene Person belastenden Informationen, auf die sie ihre Entscheidung stützt, mitteilt, damit diese Person ihre Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, den Unionsrichter anzurufen. Im Zusammenhang mit dieser Mitteilung muss die zuständige Unionsbehörde diese Person in die Lage versetzen, ihren Standpunkt zu den gegen sie herangezogenen Gründen in sachdienlicher Weise vorzutragen (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 111 und 112; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat, T‑228/02, EU:T:2006:384, Rn. 93).
58 Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt jedoch Einschränkungen der Ausübung der in ihr verankerten Rechte zu, sofern die betreffende Einschränkung den Wesensgehalt des fraglichen Grundrechts achtet sowie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, ist zudem anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, insbesondere des Inhalts des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Recht, vor dem Erlass von Rechtsakten, mit denen der Name einer Person oder Organisation auf einer Liste von restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen oder Organisationen belassen wird, gehört zu werden, muss gewahrt werden, wenn der Rat in dem Beschluss, mit dem ihr Name auf dieser Liste belassen wird, der Person gegenüber neue Umstände anführt, d. h. solche, die im ursprünglichen Beschluss über ihre Aufnahme in diese Liste nicht enthalten waren (vgl. Urteil vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 7. April 2016, Central Bank of Iran/Rat, C‑266/15 P, EU:C:2016:208, Rn. 33).
60 Nimmt die betroffene Person zu der Begründung Stellung, ist die zuständige Unionsbehörde verpflichtet, die Stichhaltigkeit der angeführten Gründe im Licht dieser Stellungnahme und der ihr gegebenenfalls beigefügten entlastenden Gesichtspunkte sorgfältig und unparteiisch zu prüfen (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 114).
61 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die vom Kläger am 31. Mai 2023 beim Rat gestellten Anträge auf erneute Prüfung in Bezug auf die Rechtsakte vom März 2023 sowie die Schreiben vom 27. Juni und 21. Juli 2023, in denen die erklärte Absicht des Rates, diese Rechtsakte aufrechtzuerhalten, angefochten wurde, allen Delegationen dieses Organs mitgeteilt worden sind.
62 Der Rat hat dem Kläger außerdem am 22. Dezember 2022 und am 19. Juni 2023 mitgeteilt, dass er beabsichtige, die gegen ihn verhängten restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten. In seinen Schreiben vom 14. März und 15. September 2023 hat der Rat im Wesentlichen auf alle vom Kläger erhobenen Einwände geantwortet, indem er insbesondere auf die Schriftsätze verwies, die er anlässlich des Verfahrens eingereicht hatte, das zum Erlass des Urteils vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2023:496), führte, und indem er fundierter auf das Vorbringen zur fehlenden Begründetheit der gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen einging, insbesondere im Hinblick auf eine angebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie auf die Begründetheit der Aufnahme seines Namens in die streitigen Listen gemäß dem ersten Teil des geänderten Kriteriums g.
63 Was die dem Kläger eingeräumten Fristen für die Prüfung des ergänzenden WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung, das nach der an ihn gerichteten Mitteilung des Rates vom 19. Juni 2023 über dessen Absicht, den Namen des Klägers gemäß dem ersten Teil des geänderten Kriteriums g in die streitigen Listen aufzunehmen, übermittelt wurde, betrifft, so war unabhängig vom Umfang dieses 192 Seiten umfassenden Dossiers die dem Kläger eingeräumte Frist von mehr als zehn Tagen, d. h. vom 18. bis 31. August 2023, ausreichend, um ihm die Möglichkeit zu geben, es zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen, was er auch getan hat. Dies gilt auch für das WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung, da der Rat dem Kläger in seinem Schreiben vom 10. Juli 2023 die Möglichkeit gegeben hatte, bis zum 25. Juli 2023 Stellung zu nehmen. Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass im Rahmen des Verfahrens zur Verlängerung restriktiver Maßnahmen eine Frist von zwölf Tagen ausreichend sein kann, um Personen oder Organisationen, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, die Möglichkeit zu geben, ihre Stellungnahme abzugeben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 8. Juli 2020, Ocean Capital Administration u. a./Rat, T‑332/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:308, Rn. 191).
64 Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Rat entgegen den Angaben des Klägers, und wie aus dem Schreiben vom 15. September 2023 hervorgeht, auf die vom Kläger in seinem Schreiben vom 18. August 2023 erhobenen Einwände geantwortet hat, indem er insbesondere darauf hinwies, dass die im WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung aufgeführten Informationen „spezifische Verweise auf [den Kläger enthalten], die seine in den Rechtssachen T‑252/22 und T‑297/23 vorgetragenen Anmerkungen und Argumente [bestätigen]“.
65 Da somit keines der vom Kläger vorgetragenen Argumente eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör belegt, ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
3. Zum siebten Klagegrund: Einrede der Rechtswidrigkeit gegen den ersten Teil des geänderten Kriteriums g
66 Mit seinem siebten Klagegrund macht der Kläger im Wege der Einrede geltend, der erste Teil des geänderten Kriteriums g sei rechtswidrig. Dieser Klagegrund ist in drei Teile gegliedert, mit denen im Wesentlichen erstens eine Unzulänglichkeit der Beweise, die die Verabschiedung des ersten Teils des geänderten Kriteriums g rechtfertigen sollten, und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler im Rahmen des Erlasses dieses Kriteriums, zweitens ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Rechtmäßigkeit sowie drittens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt werden.
67 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
68 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Art. 277 AEUV jede Partei in einem Rechtsstreit, bei dem die Rechtmäßigkeit eines von einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung angefochten wird, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union die Unanwendbarkeit dieses Rechtsakts aus den in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Gründen geltend machen kann.
69 Art. 277 AEUV ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung einer sie unmittelbar und individuell betreffenden Rechtshandlung die Gültigkeit derjenigen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung in Frage zu stellen, die die Rechtsgrundlage für einen solchen Rechtsakt bilden, falls die betreffende Partei nicht das Recht hatte, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können. Der allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, muss unmittelbar oder mittelbar auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein, und es muss ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Rechtsakt und dem allgemeinen Rechtsakt, dessen Gesetzmäßigkeit angefochten wird, bestehen (vgl. Urteil vom 17. Februar 2017, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, T‑14/14 und T‑87/14, EU:T:2017:102, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 145 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
70 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Unionsgerichte im Einklang mit den Befugnissen, die ihnen aufgrund des AEU-Vertrags zustehen, eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union im Hinblick auf die Grundrechte als Bestandteil der Unionsrechtsordnung gewährleisten. Dieses Erfordernis ist in Art. 275 Abs. 2 AEUV ausdrücklich verankert. (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71 Gleichwohl verfügt der Rat bei der allgemeinen und abstrakten Bestimmung der Benennungskriterien und der Einzelheiten des Erlasses restriktiver Maßnahmen über ein weites Ermessen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. April 2015, Anbouba/Rat, C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher sind allgemeine Regeln über diese Kriterien und diese Einzelheiten, wie die Bestimmungen der angefochtenen Rechtsakte, die das von der Einrede der Rechtswidrigkeit betroffene Kriterium enthalten, Gegenstand einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, die sich auf die Prüfung beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde, kein Rechtsfehler vorliegt und weder ein offensichtlicher Fehler in der Beurteilung der Tatsachen noch Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. April 2015, Bank of Industry and Mine/Rat, T‑10/13, EU:T:2015:235, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 149 [nicht veröffentlicht]).
72 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollen die drei Teile des siebten Klagegrundes untersucht werden.
a) Zum ersten Teil des siebten Klagegrundes: Fehlen von Beweisen für den Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g und Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers
73 Mit dem ersten Teil des siebten Klagegrundes macht der Kläger geltend, dass der Rat durch den Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g, wie der vierte Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 zeige, eine Vermutung der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen den führenden Geschäftsleuten einerseits und der russischen Regierung andererseits aufgestellt habe.
74 Er führt aus, dass die in den zusätzlichen WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung enthaltenen Beweise den Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g nicht rechtfertigen könnten, da insbesondere das ergänzende WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung nach dem Erlass dieses Kriteriums erstellt worden sei.
75 Er fügt hinzu, dass im Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Rates liege, da die Beweise im ergänzenden WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung deutlich machten, dass Geschäftsleute, die dem Präsidenten der Russischen Föderation nahestünden, seit Beginn des Krieges in der Ukraine keinen Einfluss mehr auf den Präsidenten der Russischen Föderation ausübten.
76 Daraus folgert der Kläger, dass die durch den ersten Teil des geänderten Kriteriums g geschaffene Vermutung nicht belegt und unbegründet sei und dass der Rat, indem er eine solche Vermutung aufgestellt habe, folglich einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.
77 Es ist darauf hinzuweisen, dass vor der Änderung des Kriteriums g dieses nur auf „[führende Geschäftsleute] …, die in Wirtschaftssektoren tätig sind, die eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation … darstellen“, abzielte. Die Änderung dieses Kriteriums durch den Beschluss 2023/1094 bewirkte, dass der Geltungsbereich dieses Kriteriums auf das vom Kläger angefochtene Kriterium „in Russland tätige[r] führende[r] Geschäftsleute“ sowie auf „Geschäftsleute …, die in Bereichen der Wirtschaft tätig sind, die der Regierung der Russischen Föderation … als wichtige Einnahmequelle dienen“, ausgeweitet wurde.
78 Im vorliegenden Fall geht der Kläger unter Berufung auf den vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 davon aus, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g eine Vermutung wechselseitiger Abhängigkeiten zwischen führenden Geschäftsleuten und Personen, die die politische Macht in der Russischen Föderation ausübten, begründe.
79 Hierzu ist festzustellen, dass das geänderte Kriterium g den Begriff „führende Geschäftsleute“, der vor den Änderungen verwendet wurde, wieder aufgreift, so dass dieser Begriff in gleicher Weise auszulegen ist, nämlich so, dass er auf die Bedeutung dieser Geschäftsleute abstellt, und zwar je nach Fall im Hinblick auf ihren beruflichen Status, auf die Bedeutsamkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten, auf das Ausmaß ihres Besitzes an Kapital oder auf ihre Funktionen innerhalb eines oder mehrerer Unternehmen, in denen sie diese Tätigkeiten ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 143).
80 Mit anderen Worten: Die Änderung von Kriterium g betrifft nicht die Definition des Begriffs „führende Geschäftsleute“ als solche, sondern diente lediglich dazu, den Anwendungsbereich der restriktiven Maßnahmen auf alle führenden Geschäftsleute auszuweiten, einschließlich derjenigen, die nicht in einem Wirtschaftszweig tätig sind, der eine wesentliche Einnahmequelle für die Regierung der Russischen Föderation darstellt.
81 Die Gründe für die Ausweitung des in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung vorgesehenen Kriteriums werden im vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 dargelegt. In diesem Erwägungsgrund wird nämlich die Funktionsweise der russischen Wirtschaft beschrieben, die durch eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen führenden, in Russland tätigen Geschäftsleuten und der Regierung der Russischen Föderation gekennzeichnet sei. Der Rat beabsichtigt also, den Einfluss, den diese Personengruppe auf das russische Regime ausüben kann, auszunutzen, indem er sie dazu veranlasst, Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie ihre Politik gegenüber der Ukraine ändere.
82 Was das Vorbringen betrifft, der Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g sei nicht durch hinreichende Beweise belegt, so ist zum einen daran zu erinnern, dass der Erlass eines Kriteriums für die Aufnahme einer Person oder Organisation in die streitigen Listen einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung darstellt, mit dem ein unter die GASP fallendes Ziel erreicht werden soll, nämlich im vorliegenden Fall die Beendigung des von Russland in der Ukraine geführten Angriffskriegs; zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Rat bei der Festlegung solcher Kriterien über einen weiten Ermessensspielraum verfügt.
83 Daraus folgt, dass der Rat entgegen der Auffassung des Klägers nicht verpflichtet ist, Beweise für das Vorliegen von wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen der Regierung der Russischen Föderation und führenden Geschäftsleuten zum Zweck des Erlasses des ersten Teils des geänderten Kriteriums g vorzulegen. Es ist nämlich Sache des Klägers, zur Begründung seiner Einrede der Rechtswidrigkeit alle Umstände vorzutragen, die belegen können, dass eine solche Erwägung hinsichtlich des Bestehens dieser Verbindungen offensichtlich falsch ist und somit der Rechtmäßigkeit des genannten Teils Abbruch tut.
84 Hierzu ist festzustellen, dass die Beweise aus den zusätzlichen WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung, auf die sich der Kläger beruft, um die Begründetheit des geänderten Kriteriums g in Frage zu stellen, selbst wenn sie geeignet wären, zu beweisen, dass eine gewisse Schwächung der Einflussmöglichkeiten führender Geschäftsleute auf die Regierung der Russischen Föderation infolge des Krieges in der Ukraine vorliegt, gleichwohl nicht geeignet sind, zu belegen, dass es offensichtlich fehlerhaft war, dass der Rat für den ersten Teil des geänderten Kriteriums g berücksichtigte, dass wechselseitige Abhängigkeiten zwischen der russischen Regierung und führenden Geschäftsleuten bestanden.
85 Somit ist das Vorbringen des Klägers, wonach der erste Teil des geänderten Kriteriums g mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei, zurückzuweisen. Aus denselben Gründen wie in Rn. 83 oben ist auch das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, wonach die im ergänzenden WK-Dossier 2 zur fortgesetzten Listung enthaltenen Beweise den Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g nicht rechtfertigen könnten, da dieses Dossier nach dem Erlass dieses Kriteriums erstellt worden sei.
86 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass es im Hinblick auf die Anwendung des ersten Teils des geänderten Kriteriums g auf die individuelle Situation jeder Person, deren Name auf den streitigen Listen steht, dem Rat obliegt, zum einen nachzuweisen, dass eine natürliche Person als führende Geschäftsfrau oder führender Geschäftsmann in dem oben in Rn. 79 genannten Sinne eingestuft werden kann, und zum anderen, dass diese natürliche Person eine Tätigkeit in Russland ausübt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu betonen, dass allein die Zugehörigkeit zur Kategorie der in Russland tätigen führenden Geschäftsleute ausreicht, um die erforderlichen restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage des ersten Teils des geänderten Kriteriums g zu rechtfertigen: Es muss insoweit nicht der Nachweis erbracht werden, dass eine Verbindung zwischen der Eigenschaft als führende Geschäftsfrau oder führender Geschäftsmann und dem russischen Regime bestehe, oder dafür, dass die fragliche Person dieses Regime unterstützt und von ihm profitiert (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat, C‑241/19 P, EU:C:2020:545, Rn. 66, und Beschluss vom 6. September 2022, Haikal/Rat, C‑113/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:640, Rn. 41).
87 Da somit der erste Teil des geänderten Kriteriums g lediglich darauf abzielte, ein objektives und eigenständiges Kriterium einzuführen, das die Aufnahme von Personen in die streitigen Listen hinreichend rechtfertigen kann und vom Rat verlangt, dass er das Vorliegen von zwei kumulativen Elementen nachweist, nämlich zum einen, dass es sich bei der aufgeführten Person um eine führende Geschäftsfrau oder einen führenden Geschäftsmann handelt, und zum anderen, dass diese Person eine Tätigkeit in der Russischen Föderation ausübt, kann der Kläger nicht geltend machen, dass mit diesem Teil eine Vermutung aufgestellt worden sei (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 9. Juli 2020, Haswani/Rat, C‑241/19 P, EU:C:2020:545, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).
88 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der erste Teil des siebten Klagegrundes zurückzuweisen.
b) Zum zweiten Teil des siebten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit
89 Mit dem zweiten Teil des siebten Klagegrundes macht der Kläger geltend, dass, selbst wenn das geänderte Kriterium g als widerlegbare Vermutung angesehen werden könnte, eine solche Vermutung aufgrund ihres Wortlauts gleichwohl unverhältnismäßig weit gefasst sei und daher sowohl gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch gegen den in Art. 52 Abs. 1 der Charta niedergelegten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verstoße.
90 Was als Erstes die erste Rüge betrifft, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße, so ist daran zu erinnern, dass nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtssicherheit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, insbesondere gebietet, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind. Eine Sanktion darf, selbst wenn sie keinen strafrechtlichen Charakter besitzt, nur dann verhängt werden, wenn sie auf einer klaren und eindeutigen Rechtsgrundlage beruht. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt u. a., dass jede Unionsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre aus dieser Regelung folgenden Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können. Dieses Erfordernis einer klaren und bestimmten Rechtsgrundlage wurde für den Bereich der restriktiven Maßnahmen bestätigt (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 112 und 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).
91 Darüber hinaus ist entschieden worden, dass der Ermessensspielraum, der dem Rat durch das in Art. 2 Abs. 1 Buchst. g des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung vorgesehene Kriterium übertragen wurde, nicht gegen das Erfordernis der Vorhersehbarkeit verstößt, da dieses Kriterium hinreichend klar und vorhersehbar ist und sich in einem rechtlichen Rahmen verortet, der durch die Ziele, die mit den Vorschriften für die fraglichen restriktiven Maßnahmen verfolgt werden, klar abgesteckt ist, nämlich im Wesentlichen die angesichts des Ernstes der Lage in der Ukraine bestehende Notwendigkeit, Druck auf die russischen Behörden auszuüben, damit sie ihre Handlungen und ihre politischen Maßnahmen, die die Ukraine destabilisieren, sowie den militärischen Angriff, dem sie zum Opfer fällt, beenden. Unter diesem Blickwinkel entsprechen die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen der in Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV genannten Zielsetzung, im Einklang mit den Zielen und Grundsätzen der am 26. Juni 1945 in San Francisco unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken. Dieses Kriterium ist daher als mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar angesehen worden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 45 bis 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).
92 Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf den Begriff „führende Geschäftsleute“ im Sinne des ersten Teils des geänderten Kriteriums g daran zu erinnern, dass dieser Begriff sich auf die Bedeutung dieser Personen insbesondere im Hinblick auf ihren beruflichen Status, die Bedeutsamkeit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten, das Ausmaß ihres Besitzes an Kapital oder ihre Funktionen innerhalb eines oder mehrerer Unternehmen, in denen sie ihre Tätigkeiten ausüben, bezieht (vgl. oben, Rn. 79).
93 Was die Bedingung anbelangt, dass diese Geschäftsleute Tätigkeiten in Russland ausüben müssen, so ist festzustellen, dass sie hinreichend genau umschrieben und definiert ist, um nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu verstoßen.
94 Aus den obigen Rn. 92 und 93 ergibt sich somit, dass die Vorschriften des ersten Teils des geänderten Kriteriums g hinreichend klar, bestimmt und vorhersehbar sind, um zu bestimmen, auf welche Personen sie Anwendung finden sollen, und dass sie sich in einem rechtlichen Rahmen verorten, der durch die Ziele, die mit der Regelung der restriktiven Maßnahmen verfolgt werden, klar abgesteckt ist und auf den oben in Rn. 91 hingewiesen wurde. Außerdem wird der dem Rat durch den ersten Teil des geänderten Kriteriums g eingeräumte Ermessensspielraum durch eine Begründungspflicht und durch gestärkte Verfahrensrechte ausgeglichen (vgl. entsprechend Urteile vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 122, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 47).
95 Was als Zweites die zweite Rüge betrifft, mit der ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit geltend gemacht wird, so ist festzustellen, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g durch den Beschluss 2023/1094 eingeführt worden ist, d. h. einem auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassenen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung. Daher kann der Kläger nicht geltend machen, dass dieses Kriterium gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verstoße.
96 Da im Hinblick auf den ersten Teil des geänderten Kriteriums g nicht gerügt werden kann, dass er gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit verstoße, ist somit der zweite Teil des siebten Klagegrundes zurückzuweisen.
c) Zum dritten Teil des siebten Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch das geänderte Kriterium g
97 Mit dem dritten Teil des siebten Klagegrundes macht der Kläger geltend, dass das geänderte Kriterium g gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.
98 Hierzu macht er erstens geltend, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g durch seine sehr weit gefasste Formulierung die willkürliche Benennung einer Vielzahl von Personen ermögliche, so dass die auf diese Weise ergriffenen Maßnahmen nicht als zielgerichtet angesehen werden könnten. Zweitens führt er an, dass dieser Teil es erlaube, restriktive Maßnahmen zu ergreifen, ohne das persönliche Verhalten der betroffenen Personen in Bezug auf die Politik der russischen Regierung in der Ukraine zu berücksichtigen, selbst wenn die bloße Eigenschaft eines führenden Geschäftsmanns keine Verbindung zu dieser Regierung begründe oder Einfluss auf diese Regierung verleihe. Drittens macht er geltend, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g – während die vom Rat vorgelegten Beweise geeignet seien, zu belegen, dass selbst führende Geschäftsleute keinen Einfluss auf die russische Regierung hätten – offensichtlich ungeeignet dazu sei, das vom Rat verfolgte Ziel zu erreichen, und zwar umso mehr, als dieses neue Kriterium dadurch, dass es nicht mehr darauf abstelle, dass die ins Auge gefassten Personen eine wesentliche Einnahmequelle bereitstellten, augenscheinlich bar jeder Schlagkraft sei.
99 Es ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt, dass die von einer Bestimmung des Unionsrechts eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und offensichtlich nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 13. März 2012, Melli Bank/Rat, C‑380/09 P, EU:C:2012:137, Rn. 52).
100 Im Übrigen muss der Rat nicht den Nachweis erbringen, dass die von ihm eingeführten restriktiven Maßnahmen die mit der betreffenden Regelung beabsichtigten Wirkungen haben, sondern nur, dass diese Maßnahmen geeignet sind, die mit dieser Regelung verfolgten Ziele zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2020, VTB Bank/Rat, C‑729/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:499, Rn. 66).
101 Im vorliegenden Fall wurde der erste Teil des geänderten Kriteriums g vom Rat eingeführt, weil er es in Ausübung seines weiten Ermessensspielraums und angesichts der sich verschlechternden Lage in der Ukraine für angebracht hielt, führende Geschäftsleute, die in der Russischen Föderation tätig sind, in die streitigen Listen aufnehmen zu können, um Druck auf die Regierung der Russischen Föderation auszuüben.
102 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Vorgehen des Rates, den Kreis der von den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen angesichts der Verschärfung der Lage in der Ukraine zu erweitern, um die verfolgten Ziele zu erreichen, auf eine Abstufung der Rechtsbeeinträchtigung nach Maßgabe der Wirksamkeit der Maßnahmen gestützt ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).
103 Sodann ist festzustellen, dass der Rat mit dem Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g, wie sich aus der obigen Rn. 81 ergibt, darauf abzielt, den Einfluss, den diese Personengruppe auf das russische Regime ausüben kann, zu nutzen, indem er sie dazu bringt, Druck auf diese Regierung auszuüben, damit sie ihre Politik gegenüber der Ukraine ändert. Hierzu ist hervorzuheben, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht undifferenziert und allgemein auf alle in der Russischen Föderation tätigen Geschäftsleute gerichtet ist, sondern gezielt auf führende Geschäftsleute, die in diesem Land tätig sind. Daher ist davon auszugehen, dass der Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g dazu geeignet war, die mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele zu erreichen.
104 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g erforderlich ist, um die in Art. 21 EUV genannten Ziele zu erreichen und umzusetzen. Aus dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/1094 geht nämlich hervor, dass der Rat durch die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der restriktiven Maßnahmen auf führende Geschäftsleute, die in einem beliebigen russischen Wirtschaftszweig tätig sind, ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgehen konnte, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, den Druck auf diese Regierung, die für die Invasion in der Ukraine verantwortlich ist, zu erhöhen. Insoweit ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass ein anderes Kriterium mit einer geringeren Reichweite die mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele ebenso wirksam hätte erreichen können.
105 Im Übrigen können die vom Kläger erhobenen Einwände, mit denen er den ersten Teil des geänderten Kriteriums g mit der Begründung in Frage stellt, dass er das persönliche Verhalten der von den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen betroffenen Geschäftsleute nicht berücksichtige und dass diese keinen Einfluss auf die Regierung der Russischen Föderation ausübten, nicht durchgreifen. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass die Erwägungen des Rates, die sich auf das Bestehen von wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen führenden Geschäftsleuten und der Regierung der Russischen Föderation beziehen, mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet waren (vgl. oben, Rn 84). Folglich hat der Kläger auch nicht nachgewiesen, dass diese Personengruppe nicht in der Lage wäre, Druck auf die Regierung der Russischen Föderation mit dem Ziel auszuüben, dass diese ihre Politik gegenüber der Ukraine ändere. Dass führende Geschäftsleute, die in Russland tätig sind, weder für die Annexion und Invasion der Ukraine verantwortlich sind noch diesen Konflikt unterstützen oder daraus Nutzen ziehen, vermag mithin nicht zu belegen, dass der erste Teil des geänderten Kriteriums g zur Erreichung der mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele offensichtlich unverhältnismäßig wäre.
106 Da der Kläger somit nicht nachgewiesen hat, dass der Erlass des ersten Teils des geänderten Kriteriums g geeignet war, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen, ist der dritte Teil des siebten Klagegrundes und damit der siebte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
4. Zum ersten Klagegrund: o ffensichtlicher Beurteilungsfehler
107 Mit seinem ersten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Rat habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als er die Auffassung vertreten habe, dass der Kläger die Kriterien a und d in den Rechtsakten vom März 2023 und die Kriterien a, d und g in den Rechtsakten vom September 2023 erfüllt habe.
108 Der Rat beantragt die Zurückweisung dieses Klagegrundes.
109 Im vorliegenden Fall hält es das Gericht für sinnvoll, die Begründetheit der Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen im Hinblick auf alle Kriterien zu prüfen, die in den angefochtenen Rechtsakten in Bezug auf ihn herangezogen wurden, d. h. zum einen Kriterium a und zum anderen Kriterium d in Bezug auf die angefochtenen Rechtsakte sowie schließlich Kriterium g in Bezug auf die Rechtsakte vom September 2023.
110 Vorab ist hervorzuheben, dass davon auszugehen ist, dass mit dem ersten Klagegrund ein Beurteilungsfehler und nicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler gerügt wird. Denn es trifft zwar zu, dass der Rat ein gewisses Ermessen hat, um im Einzelfall festzustellen, ob die rechtlichen Kriterien, auf die die betreffenden restriktiven Maßnahmen gestützt werden, erfüllt sind, doch müssen die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle sämtlicher Handlungen der Union gewährleisten (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).
111 Es ist auch daran zu erinnern, dass die durch Art. 47 der Charta gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle es insbesondere erfordert, dass sich das Unionsgericht vergewissert, dass der Beschluss, mit dem restriktive Maßnahmen erlassen oder aufrechterhalten werden und eine individuelle Betroffenheit der betroffenen Person oder Organisation begründet wird, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der tatsächlichen Umstände voraus, die in der diesem Beschluss zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diesen Beschluss zu tragen – erwiesen sind (Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 122).
112 Im Streitfall ist es Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person oder Organisation angeführten Gründe nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den negativen Nachweis zu erbringen, dass diese Gründe nicht stichhaltig sind (Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 121, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 123).
113 Im Übrigen sind bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit der Gründe die Beweise und Informationen nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang zu prüfen, in dem sie stehen. Denn der Rat genügt der ihm obliegenden Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Person, die einer Maßnahme des Einfrierens ihrer Gelder unterworfen ist, und dem bekämpften Regime oder ganz allgemein den bekämpften Situationen besteht (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).
114 Des Weiteren haben restriktive Maßnahmen Sicherungscharakter und sind definitionsgemäß vorläufiger Natur, so dass ihre Gültigkeit immer von der Fortdauer der tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die ihrem Erlass zugrunde gelegen haben, sowie von der Notwendigkeit abhängig ist, sie zur Erreichung des mit ihnen verbundenen Ziels aufrechtzuerhalten. Insoweit obliegt es dem Rat bei der regelmäßigen Überprüfung dieser restriktiven Maßnahmen, eine aktualisierte Bewertung der Lage vorzunehmen und eine Bilanz der Auswirkungen dieser Maßnahmen zu ziehen, um festzustellen, ob sie es ermöglicht haben, die mit der ursprünglichen Aufnahme der Namen der betreffenden Personen und Organisationen in die streitigen Listen verfolgten Ziele zu erreichen, oder ob im Hinblick auf diese Personen und Organisationen nach wie vor dieselbe Schlussfolgerung gezogen werden kann (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
115 Es ist dem Rat nicht verwehrt, sich zur Rechtfertigung der Belassung des Namens einer Person auf den streitigen Listen auf die gleichen Beweise zu stützen, die die erste Aufnahme, die erneute Aufnahme oder die frühere Belassung des Namens der betroffenen Person auf diesen Listen gerechtfertigt haben, sofern zum einen die Gründe für die Aufnahme unverändert sind und sich zum anderen der Kontext nicht in einer Weise weiterentwickelt hat, dass diese Beweise obsolet geworden wären. Der genannte Kontext umfasst nicht nur die Situation des Landes, gegenüber dem das System restriktiver Maßnahmen errichtet wurde, sondern auch die besondere Situation der betroffenen Person. Auch ist die Belassung auf den streitigen Listen in Anbetracht aller relevanten Umstände und insbesondere der Tatsache gerechtfertigt, dass die mit den restriktiven Maßnahmen angestrebten Ziele nicht erreicht worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 169 und die dort angeführte Rechtsprechung).
116 In einem solchen Kontext kann der Rat die Belassung der Namen von betroffenen Personen auf den streitigen Listen unter Beibehaltung der Gründe beschließen, die sich auf vergangene Ereignisse beziehen und in früheren Beschlüssen über diese Personen berücksichtigt wurden, vorausgesetzt, dass diese fortgesetzte Listung in Anbetracht aller relevanten Umstände und insbesondere der Tatsache weiterhin gerechtfertigt ist, dass die mit den restriktiven Maßnahmen angestrebten Ziele nicht erreicht worden sind (vgl. entsprechend Urteil vom 8. März 2023, Mutondo/Rat, T‑94/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:120, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
117 Anhand dieser Erwägungen werden die Argumente, die der Kläger gegen die angefochtenen Rechtsakte vorgebracht hat, untersucht.
a) Zum in Bezug auf die Rechtsakte vom März 2023 angeführten Beurteilungsfehler
118 Im vorliegenden Fall wurden die Rechtsakte vom März 2023 auf der Grundlage der Kriterien a und d erlassen. Der Kläger macht geltend, dass er sie nicht erfülle: Der Rat habe keine ausreichenden Beweise vorgelegt. Es muss daher jedes dieser Kriterien der Reihe nach geprüft werden.
1) Zum Beurteilungsfehler in Bezug auf Kriterium a
119 Im vorliegenden Fall macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die im ersten WK-Dossier und dem ergänzenden ersten WK-Dossier sowie im WK-Dossier 1 zur fortgesetzten Listung und dem Dossier WK 17683/2022 INIT (vgl. oben, Rn. 19) enthaltenen Beweise nicht ausreichten, um zu belegen, dass er persönlich und individuell die von der Russischen Föderation durchgeführten Handlungen oder politischen Maßnahmen, die die Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergrüben oder bedrohten, unterstützt oder umgesetzt habe.
120 Diesbezüglich trägt der Kläger vor, dass entgegen dem Urteil vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2023:496), nicht davon ausgegangen werden könne, dass er persönlich Handlungen oder politische Maßnahmen unterstützt habe, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine bzw. die Stabilität oder Sicherheit in der Ukraine untergrüben oder bedrohten, wenn eine solche Unterstützung wie im vorliegenden Fall nicht von ihm selbst, sondern über die Bank Rossiya erfolge, in der er zum einen keine Funktion als Verwaltungsratsmitglied ausübe und zum anderen ein indirekter Minderheitsanteilseigner sei.
121 Eine solche Argumentation laufe darauf hinaus, der Rechtspersönlichkeit von Gesellschaften jegliche Realität abzusprechen und somit gegen „ein grundlegendes und universelles Prinzip des Gesellschaftsrechts“ zu verstoßen, wo er doch als Minderheitsanteilseigner nur an einer begrenzten Anzahl von Entscheidungen teilhaben könne, da die wesentlichen Entscheidungen der Gesellschaft vom Verwaltungsrat getroffen würden.
122 Der Kläger fügt hinzu, dass er nicht persönlich für die Errichtung von Zweigstellen auf der Krim durch die Bank Rossiya verantwortlich gemacht werden könne: Eine solche Entscheidung falle vielmehr in die ausschließliche Zuständigkeit des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft. Zu den Kapitalbeziehungen zwischen der Bank Rossiya und dem Medienkonzern National Media Group führt er aus, dass seine tatsächliche Beteiligung an diesem Konzern lediglich 1,7 % des Kapitals betrage, da die Bank Rossiya 17 % des Kapitals dieses Konzerns halte.
123 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
124 Im Hinblick auf das Kriterium a ist darauf hinzuweisen, dass es das Vorhandensein einer mittelbaren oder unmittelbaren Verbindung zwischen den Tätigkeiten oder Handlungen der betreffenden Person oder Organisation und der Situation in der Ukraine voraussetzt, aufgrund deren die betreffenden restriktiven Maßnahmen erlassen wurden. Anders gesagt müssen diese Personen oder diese Organisationen aufgrund ihres Verhaltens für Handlungen oder politische Maßnahmen verantwortlich sein, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 74).
125 Im vorliegenden Fall ist, wie oben in Rn. 45 erwähnt, festzustellen, dass in der Begründung der angefochtenen Rechtsakte die Umstände, die dem Kriterium a zuzuordnen sind, darin bestehen, dass der Kläger Anteilseigner der Bank Rossiya ist und dass diese Bank erstens bedeutende Beteiligungen an der National Media Group hält: Diese kontrolliert Fernsehsender, die die Politik der russischen Regierung aktiv unterstützen. Zweitens betreibt die fragliche Bank eine aktive Investitionspolitik auf der Krim, indem sie dort Zweigstellen errichtet. Darüber hinaus bezieht sich die genannte Begründung auf die Volga Group, die „wesentlich zur … [Entwicklung der russischen Wirtschaft beiträgt]“. Angesichts dieser Umstände ist der Rat der Ansicht, dass der Kläger über die genannte Bank die von der russischen Regierung betriebene Politik der Annexion der Ukraine unterstütze.
126 Im vorliegenden Fall stützt sich der Rat zur Begründung der auf der Grundlage des Kriteriums a fortgesetzten Listung des Klägers auf die Aktenstücke, die im ersten und im ergänzenden ersten WK-Dossier sowie im WK-Dossier 1 zur fortgesetzten Listung enthalten sind, und zwar insbesondere auf die folgenden:
– Aktenstück 6 des ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website der Volga Group; undatiert, Aufruf durch den Rat im Februar 2022; Vorstellung der Gruppe insbesondere im Hinblick auf ihre Kapitalbeteiligungen;
– Aktenstück 7 des ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website einer NGO; online gestellt im Juli 2017; Aufruf durch den Rat im Februar 2022; Darstellung der Zusammensetzung der Anteilseigner der Bank Rossiya;
– Aktenstück 1 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website des russischen Mediums ABR; online gestellt im Januar 2019 und vom Rat im Oktober 2019 besucht;
– Aktenstück 2 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website des russischen Mediums RBC; online gestellt im August 2016; Kenntnisnahme des Rats im Oktober 2019;
– Aktenstück 4 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website der Agentur TASS; undatiert; Aufruf durch den Rat am 23. Februar 2015; Darstellung von Ereignissen nach dem 1. März 2014;
– Aktenstück 5 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website des russischen Mediums RIA vom 10. September 2014; Artikel mit dem Titel „Die Bank Rossiya nimmt ihre Tätigkeit auf der Krim auf“; Aufruf durch den Rat am 23. Februar 2015;
– Aktenstück 6 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website der Bank Rossiya; Aufruf durch den Rat am 23. Februar 2015;
– Aktenstück 7 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Screenshot der Website des russischen Mediums Novaya Gazeta ; Artikel mit der Überschrift „15 Jahre der undurchsichtigsten Seen der Welt“; Aufruf durch den Rat im Februar 2015;
– Aktenstück 8 des WK-Dossiers 1 zur zur fortgesetzten Listung: entstammt der Website „eastwest.eu“ und zeigt einen Artikel mit dem Titel „Die Bank Rossiya, Putins Bank“; veröffentlicht im Juni 2016; Aufruf durch den Rat im November 2022.
127 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Rat sich auch auf zwei der Klagebeantwortung beigefügte Artikel der Zeitung The Guardian (Anlagen B 19 A und B 19 B) gestützt hat, um das Vorliegen des Kriteriums a in Bezug auf den Kläger zu belegen: Der erste, undatierte Artikel trägt den Titel „Die Bank Rossiya, die Lieblingsbank des Kreml, soll aus dem Dollarsystem verbannt werden“, und der zweite, auf den Monat April 2016 datierte Artikel trägt den Titel „Aufgedeckt: die 2-Milliarden-Dollar-Offshore-Spur zu Wladimir Putin“. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Rat vor dem Erlass der Rechtsakte vom März 2023 Zugriff auf diese beiden Artikel hatte, da in den Rn. 82 und 83 des Urteils vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2023:496), auf diese Artikel Bezug genommen wird.
128 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass der Kläger den Beweiswert keines der oben in den Rn. 126 und 127 erwähnten Dokumente bestreitet.
129 Zu der Frage, ob der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er annahm, dass der Kläger die Annexionspolitik der Ukraine unterstütze und daher unter das Kriterium a falle, ist festzustellen, dass aus den Aktenstücken 5 und 6 des ergänzenden ersten WK-Dossiers hervorgeht, dass die Bank Rossiya auf der Krim investiert hat, um ein Netz von 30 Zweigstellen in dieser Region der Ukraine aufzubauen.
130 Diese Investitionspolitik der Bank Rossiya in den von der Russischen Föderation annektierten Gebieten der Ukraine wird zum einen durch die Informationen im Aktenstück 1 des ergänzenden ersten WK-Dossiers bestätigt, die belegen, dass die Bank Rossiya im Jahr 2019 der Krim-Eisenbahngesellschaft ein Darlehen in Höhe von 1 Mrd. russischer Rubel (RUB) (ca. 14 Mio. Euro) gewährt hat, und zum anderen durch die Informationen im Aktenstück 2 des ergänzenden ersten WK-Dossiers: Aus diesen Informationen geht nämlich hervor, dass diese Bank Anteilseigner des Flughafens von Sewastopol geworden ist.
131 Solche Ereignisse, die nach der Invasion der Krim durch die Russische Föderation stattgefunden haben, sind geeignet, zu beweisen, dass diese Investitionen bei der Umsetzung der Politik der Annexion der Krim durch die Russische Föderation eine Rolle spielen.
132 Was darüber hinaus die Frage betrifft, ob der Kläger aufgrund der von der Bank Rossiya betriebenen Investitionspolitik, die zur wirtschaftlichen Annexion der Krim beiträgt, im Sinne des Kriteriums a als Unterstützer von Handlungen oder politischen Maßnahmen angesehen werden kann, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, ist zu beachten, dass der Kläger einräumt, der einzige Anteilseigner der Volga Group zu sein, die wiederum 100 % von Transoil hält, das wiederum 10,323 % der Bank Rossiya hält.
133 Ein solches Kapitalbeteiligungsmuster impliziert jedoch, dass die Zwischenschaltung von Transoil zwischen dem Kläger und der Bank Rossiya nichts daran ändert, dass der Kläger in Wirklichkeit und unter Berücksichtigung der 100%igen Beteiligung an Transoil als Inhaber von 10,323 % der Aktien der Bank Rossiya angesehen werden kann, was ihn zum zweitgrößten Anteilseigner dieser Bank macht.
134 Insoweit ist festzustellen, dass die Bank Rossiya, wie aus der gemeinsamen Betrachtung des Aktenstücks 7 des ersten WK-Dossiers, des Aktenstücks 8 des WK-Dossiers 1 zur fortgesetzten Listung und von Anlage B 19 B hervorgeht, als ein Bankinstitut bekannt ist, das dem Umfeld von Herrn Putin sehr nahesteht, was durch die Zusammensetzung ihrer Anteilseigner bestätigt wird (Herr Kovalchuk hält eine Beteiligung von 37 %, Herr Shamalov 9,64 % und Herr Rolduguin 3,03 %). Wie aus dem Aktenstück 4 des ergänzenden ersten WK-Dossiers hervorgeht, bildet dieser Personenkreis seit über zehn Jahren eine stabile Aktionärsgruppe der Bank Rossiya, deren Wert sich im Jahr 2010 auf 231 Mrd. RUB (ca. 3 Mrd. Euro) belief.
135 Diese Gesichtspunkte reichen aus, um davon auszugehen, dass der Kläger einer der größten Anteilseigner der Bank Rossiya ist und auch zu einer Gruppe von langjährigen, beständigen Anteilseignern dieser Bank gehört.
136 Da der Kläger ein bedeutender Anteilseigner der Bank Rossiya ist und diese Bank an der Unterstützung oder Umsetzung der von der Regierung der Russischen Föderation gegen die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine durchgeführten Handlungen oder politischen Maßnahmen beteiligt ist, ist somit davon auszugehen, dass der Rat eine direkte oder indirekte Verbindung zwischen den Tätigkeiten oder Handlungen des Klägers und der Lage in der Ukraine im Sinne der oben in Rn. 124 angeführten Rechtsprechung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat.
137 Insoweit ist hervorzuheben, dass entgegen den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung die oben in den Rn. 132 bis 136 angeführten Gesichtspunkte nicht als im Widerspruch zu den Urteilen vom 10. April 2024, Aven/Rat (T‑301/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:214), und vom 10. April 2024, Fridman/Rat (T‑304/22, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2024:215), stehend angesehen werden können. In diesen beiden Urteilen hat das Gericht nämlich im Wesentlichen festgestellt, dass in Ermangelung jeglicher Tatsachen, die auf unter die Kriterien a und d fallende Handlungen einer Bank schließen ließen, nicht geschlussfolgert werden kann, dass die Namen der Anteilseigner einer solchen Bank, auch wenn sie bedeutend sind, in die Listen der restriktiven Maßnahmen aufgenommen werden können.
138 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Rat beurteilungsfehlerfrei davon ausgehen konnte, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom März 2023 die Voraussetzungen des Kriteriums a erfüllt habe.
2) Zum Beurteilungsfehler in Bezug auf Kriterium d
139 In Bezug auf das Kriterium d macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass sämtliche Beweismittel, auf die sich der Rat berufe, nicht belegten, dass er den Präsidenten der Russischen Föderation materiell oder finanziell unterstütze oder von ihm profitiere.
140 Er führt aus, dass entgegen der Entscheidung des Gerichts im Urteil vom 6. September 2023, Timchenko/Rat (T‑252/22, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2023:496), keines der Dokumente, auf die sich der Rat berufe, die finanzielle Unterstützung des Präsidenten der Russischen Föderation durch die Bank Rossiya konkret kenntlich mache, da ein solcher Umstand nicht allein aus der Tatsache abgeleitet werden könne, dass die Bank Rossiya die Bank des Präsidenten der Russischen Föderation sei.
141 Hinsichtlich der Behauptungen des Rates, wonach der Kläger die für die Invasion der Ukraine verantwortlichen russischen Entscheidungsträger durch seine Aktionen sowohl während der Covid-19-Krise als auch durch seine Teilnahme am Russisch-Chinesischen Wirtschaftsrat materiell oder finanziell unterstütze, gibt er an, dass er nur aufgrund von Geschäftsinteressen handele, die nicht vom Staat organisiert sein müssten, und dass er, wie er stets erklärt habe, niemals Vorgaben gefolgt sei, die ihm von den russischen Regierungsstellen diktiert worden seien.
142 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
143 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Aktenstück 8 des WK-Dossiers 1 zur fortgesetzten Listung, bei dem es sich um einen Artikel der Website „eastwest.eu“ handelt, insbesondere feststellt, dass die Analyse der Panama Papers die Finanztechniken aufgezeigt habe, die von der Bank Rossiya angewandt worden seien, um „Ströme“ von Dollars zugunsten von Personen aus dem Umfeld von Herrn Putin abzuzweigen.
144 Diese Information wird durch den in Anhang B 19 B beigefügten Artikel der Zeitung The Guardian mit dem Titel „Die 2-Milliarden-Dollar-Offshore-Spur zu Wladimir Putin“ bestätigt, der auf der Grundlage der Ermittlungsarbeit mehrerer Journalisten auf der Grundlage der Panama Papers aufzeigt, wie Gelder, die ursprünglich aus Krediten stammten, über Offshore-Firmen liefen sowie über die Bank Rossiya vermittelt wurden, dem Präsidenten der Russischen Föderation und seinen Freunden, den Herren Kovalchuk und Rolduguin, zugutekamen.
145 Insoweit ist festzustellen, dass die Verbindung, die zwischen der beständigen Anteilseignergruppe der Bank Rossiya und – im Ergebnis mittels dieser Bank – dem Präsidenten der Russischen Föderation besteht, durch Beweisstück 7 des ergänzenden ersten WK-Dossiers, nämlich den Artikel der Nowaja Gazeta mit dem Titel „15 Jahre der undurchsichtigsten Seen der Welt“, bestätigt wird. Dieser Zeitungsartikel wurde zwar vor der Invasion der Krim durch die Russische Föderation verfasst, enthält jedoch relevante Informationen. Er zeigt auf, dass die internen Verbindungen des engeren Freundeskreises des Präsidenten der Russischen Föderation, der allgemein als „Dascha-Ozero-Kreis“ bekannt ist und dem insbesondere der Kläger sowie die Herren Kovalchuk und Shamalov angehören oder nahestehen, auf einer alten Freundschaft beruhen, die seit fast 30 Jahren den gesamten russischen Kapitalismus strukturiert. Was Herrn Rolduguin betrifft, so wird er in dem oben in Rn. 139 genannten Artikel des Guardian als der beste Freund des Präsidenten der Russischen Föderation beschrieben.
146 Aus den oben in den Rn. 143 bis 145 aufgeführten Umständen ergibt sich, dass die Bank Rossiya den Präsidenten der Russischen Föderation finanziell unterstützt.
147 Daraus folgt, dass der Rat beurteilungsfehlerfrei annehmen konnte, dass der Kläger als bedeutender Anteilseigner der Bank Rossiya den Präsidenten der Russischen Föderation finanziell unterstützt habe, und daraus folgern konnte, dass er die im Kriterium d festgelegten Voraussetzungen erfülle.
148 Aus den oben genannten Gründen ist der Antrag auf Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2023 zurückzuweisen.
b) Zum angeblichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die Rechtsakte vom September 2023
149 Hinsichtlich der Rechtsakte vom September 2023 ist festzustellen, dass der Antrag auf Nichtigerklärung dieser Rechtsakte auf zwei Teile gestützt wird: Mit dem ersten wird der fehlende Beweiswert der in den zusätzlichen WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung zusammengestellten Unterlagen und mit dem zweiten ein Beurteilungsfehler des Rates in Bezug auf die Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen aufgrund der geänderten Kriterien a, d und g geltend gemacht.
1) Zum Beweiswert der Aktenstücke in den zusätzlichen WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung
150 Um den Beweiswert der Aktenstücke zu bestreiten, die in den zusätzlichen WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung enthalten sind, macht der Kläger geltend, dass es sich bei den darin enthaltenen Dokumenten im Allgemeinen nicht um vom Rat durchgeführte Analysen oder Berichte handele, sondern um einfache Zusammenstellungen von Dokumenten, Screenshots und Auszügen, die aneinandergereiht würden, ohne dass der Kläger feststellen könne, was der Rat mit Hilfe dieser Dokumente konkret belegen wolle, und ohne dass er die Schlussfolgerungen, die der Rat daraus ziehe, bestimmen könne.
151 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung für Unionsrichter der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich ist. Insoweit ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu untersuchen. Dabei sind insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung sowie sein Adressat zu berücksichtigen, und es ist die Frage zu beantworten, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. Urteile vom 31. Mai 2018, Kaddour/Rat, T‑461/16, EU:T:2018:316, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 95 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
152 Die Unionsbehörden müssen sich, da ihnen in Drittstaaten keine Ermittlungsbefugnisse zustehen, bei ihrer Beurteilung de facto auf öffentlich zugängliche Informationsquellen, Berichte, Presseartikel, Geheimdienstberichte oder andere ähnliche Informationsquellen stützen (Urteile vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 107, und vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 59).
153 Darüber hinaus macht es die Konfliktsituation, in der sich die Russische Föderation und die Ukraine befinden, praktisch ausgesprochen schwierig, Zugang zu bestimmten Quellen zu erhalten, die Primärquelle bestimmter Informationen ausdrücklich anzugeben und etwaige Zeugenaussagen von Personen einzuholen, die bereit sind, namhaft gemacht zu werden. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten bei der Ermittlung können somit dazu beitragen, die Erbringung präziser Beweise und die Beibringung objektiver Informationen zu behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).
154 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Rechtsakte vom September 2023 die auf den S. 227 bis 232 des WK-Dossiers 2 zur fortgesetzten Listung enthaltenen Auszüge aus dem von Frau Iwona Wisniewska verfassten und im Oktober 2018 veröffentlichten Bericht mit dem Titel Priceless Friendship (Unbezahlbare Freundschaft), auf den der Rat im April 2023 zugriff, für die Prüfung der Begründetheit der gegen den Kläger gerichteten restriktiven Maßnahmen von Nutzen sind.
155 Es ist festzustellen, dass der Kläger im vorliegenden Fall keinen objektiven Umstand vorträgt, der den Beweiswert dieses Dokuments in Frage stellen könnte, dessen Lektüre deutlich macht, dass sich die darin entwickelte Analyse auf objektive und seriöse Gesichtspunkte stützt, die vom Kläger nicht in Frage gestellt werden.
156 Darüber hinaus kann dem Rat in Anbetracht der oben in den Rn. 152 und 153 genannten Erwägungen nicht vorgeworfen werden, dass er – wie im vorliegenden Fall – auf Berichte über die Lage in der Russischen Föderation zurückgreife, um den Beweis für die Begründetheit der Aufnahme des Namens des Klägers in die streitigen Listen zu erbringen.
157 Insoweit ist das Argument des Klägers zurückzuweisen, dass der Rat sich auf seine eigene Analyse der Situation in der Russischen Föderation hätte stützen müssen, da eine solche Analyse aufgrund der Tatsache, dass sie nicht von einem Dritten stammt, nicht als Beweis hätte angesehen werden können.
158 In Anbetracht dieser Umstände sind die Rügen des Klägers in Bezug auf den Beweiswert des oben in Rn. 154 erwähnten Dokuments zurückzuweisen.
2) Zum Beurteilungsfehler in Bezug auf das Kriterium a
159 In Bezug auf das Kriterium a ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass sich seine persönliche Situation geändert hätte, da er insbesondere weiterhin ein wichtiger indirekter Anteilseigner der Bank Rossiya ist, und dass er auch nicht nachgewiesen hat, dass diese Bank ihre Politik, die darauf gerichtet ist, einen Beitrag zur wirtschaftlichen Annexion der Krim zu leisten, eingestellt hätte.
160 Somit ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass seine Benennung auf der Grundlage des Kriteriums a mit einem Beurteilungsfehler behaftet war.
3) Zum Beurteilungsfehler in Bezug auf das Kriterium d
161 In Bezug auf das Kriterium d ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass sich seine persönliche Situation geändert hätte, da er insbesondere weiterhin ein wichtiger indirekter Anteilseigner der Bank Rossiya ist, und dass er auch nicht nachgewiesen hat, dass diese Bank ihre finanzielle Unterstützung für den Präsidenten der Russischen Föderation eingestellt hätte.
162 Darüber hinaus zeigen die Auszüge aus dem oben in Rn. 154 genannten Bericht Priceless Friendship (Unbezahlbare Freundschaft), dass der Kläger nach den gegen ihn verhängten Sanktionen im April 2017 von einem Gesetz profitiert hat, das von einigen als „Timchenko-Gesetz“ bezeichnet wurde und durch das ihm Steuerbefreiungen zugutekamen. In diesen Auszügen wird außerdem erwähnt, dass die Unternehmen Novatek und Sakhatrans von der Regierung der Russischen Föderation im Jahr 2015 Beihilfen in Höhe von 150 Mrd. RUB (damals ca. 2,2 Mrd. Euro) und im Jahr 2016 Beihilfen in Höhe von 1,5 Mrd. RUB (damals ca. 20 Mio. Euro) erhalten haben. Dem Aktenstück 6 des ersten WK-Dossiers zufolge ist der Kläger über die Volga Group, an der er 100 % der Anteile hält, an beiden Unternehmen zu 23 % bzw. 89 % beteiligt; insoweit hat er keinen Gegenbeweis erbracht.
163 Diese Gesichtspunkte belegen somit, dass der Kläger im Sinne des Kriteriums d von russischen Entscheidungsträgern profitiert, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind.
164 Da die oben in den Rn. 143 bis 148 bereits genannten Umstände zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsakte vom September 2023 fortbestanden und der Rat darüber hinaus nachgewiesen hat, dass der Kläger von den russischen Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim oder die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind, profitierte, konnte der Rat mithin bei Erlass der genannten Rechtsakte zutreffend davon ausgehen, dass der Kläger die Voraussetzungen des Kriteriums d erfülle.
4) Zum Beurteilungsfehler in Bezug auf das geänderte Kriterium g
165 Wie aus den obigen Rn. 92 und 93 hervorgeht, verlangt der erste Teil des geänderten Kriteriums g das kumulative Vorliegen von zwei Voraussetzungen, nämlich erstens, dass die betreffende Person zu den „führenden Geschäftsleuten“ gezählt werden kann – was bedeutet, dass sie in der russischen Wirtschaft eine wichtige Rolle spielt, und zwar im Hinblick auf ihren beruflichen Status, die Bedeutsamkeit ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten, das Ausmaß ihres Besitzes an Kapital oder ihre Funktionen in einem oder mehreren Unternehmen, in denen sie ihre Tätigkeiten ausübt –, und zweitens, dass die betreffende Person ihre Tätigkeiten in der Russischen Föderation ausübt.
166 Zur ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass der Kläger im vorliegenden Fall ein Geschäftsmann ist, der über die Holdinggesellschaft Volga Group, deren einziger Anteilseigner er ist, Beteiligungen an mehreren in Russland ansässigen Gesellschaften hält.
167 Hierzu ist festzustellen, dass aus dem Aktenstück 6 des ersten WK-Dossiers sowie aus der Klageschrift zum einen hervorgeht, dass der Kläger über die Volga Group hauptsächlich 100 % von Transoil, 10,323 % der Bank Rossiya, 89 % von Sakhatrans, 23 % von Novatek sowie 12,5 % von Sogaz hält, und zum anderen, dass die Gesellschaften, die diese Gruppe bilden, mit 90 000 Beschäftigten konsolidierte Jahreseinkünfte von umgerechnet 116 Mrd. US-Dollar erwirtschaften.
168 Da sich der Kläger jedoch nicht auf Umstände beruft, die den Wahrheitsgehalt und die Aktualität der oben in Rn. 167 erwähnten Informationen in Frage stellen würden, ist festzustellen, dass der Rat den Beweis erbracht hat, dass der Kläger aufgrund des Umfangs seiner Kapitalbeteiligungen ein führender Geschäftsmann ist.
169 Zur zweiten Voraussetzung, der Ausübung von Tätigkeiten in der Russischen Föderation, ist festzustellen, dass sie erfüllt ist, da die oben in Rn. 167 genannten Unternehmen alle in der Russischen Föderation ansässig sind und dort ihre Aktivitäten ausüben.
170 Daraus folgt, dass der Rat beurteilungsfehlerfrei beim Erlass der Rechtsakte vom September 2023 davon ausgegangen ist, dass der Kläger die Voraussetzungen des ersten Teils des geänderten Kriteriums g erfülle.
171 Der erste Klagegrund ist somit in seiner Gesamtheit zurückzuweisen.
5. Zum fünften Klagegrund: Verletzung des Grundrechts des Klägers auf Freizügigkeit als Unionsbürger
172 Mit seinem fünften Klagegrund macht der Kläger geltend, dass die gegen ihn gerichteten restriktiven Maßnahmen gegen Art. 21 AEUV sowie gegen Art. 45 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 der Charta verstießen.
173 Er betont, dass es auf der Grundlage von Art. 29 EUV in Ermangelung einer dahin gehenden speziellen Bestimmung nicht möglich sei, den Anwendungsbereich von Art. 21 AEUV, der sich auf die Freizügigkeit eines Unionsbürgers beziehe, einzuschränken.
174 Insoweit macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass entgegen dem, was bereits im Urteil vom 5. November 2014, Mayaleh/Rat (T‑307/12 und T‑408/13, EU:T:2014:926), entschieden worden sei, restriktive Maßnahmen, die auf der Grundlage von Art. 29 EUV ergriffen würden, nicht als lex specialis und nicht als zulässige Abweichung von normativen Texten, die auf der Grundlage von Art. 21 AEUV erlassen worden seien – darunter insbesondere die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77), deren Art. 27 es ermögliche, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Freizügigkeit nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu beschränken –, angesehen werden könnten.
175 Der Kläger bringt außerdem vor, dass die Analyse der Rechtsvorschriften verschiedener EU-Staaten deutlich mache, dass es eine gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten gebe, kraft deren die Freizügigkeit nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit und unter strenger richterlicher Kontrolle beschränkt werden dürfe.
176 Der Kläger folgert hieraus, dass der bestehende Widerspruch zwischen der Praxis der Union und der genannten gemeinsamen Verfassungsüberlieferung bedeute, dass die angefochtenen Rechtsakte gegen Art. 21 AEUV und die Art. 45 und 52 der Charta verstießen.
177 Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.
178 Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung angegeben und bestätigt hat, dass er keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen Art. 1 des Beschlusses 2014/145 erhebe, soweit diese Bestimmung vorsehe, dass die Mitgliedstaaten den Personen, die Gegenstand restriktiver Maßnahmen seien, die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet verbieten müssten. Er ziehe hingegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die gegen ihn verhängt worden seien, insofern in Zweifel, als sie insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachteten.
179 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ausübung des in Art. 45 Abs. 1 der Charta verankerten Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, gemäß Art. 52 Abs. 2 der Charta im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt. Wie aus den Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 17) hervorgeht, ist das durch Art. 45 Abs. 1 der Charta garantierte Recht das durch Art. 20 Abs. 2 Buchst. a AEUV garantierte Recht. Die Reichweite dieses Rechts wird in Art. 21 AEUV erläutert.
180 Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV gilt das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen. Der genannte Vorbehalt, der im zweiten Teil des Satzes von Art. 21 Abs. 1 AEUV enthalten ist und sich auf die Verträge im Plural bezieht, schließt auch den EU-Vertrag und die zu seiner Durchführung erlassenen Bestimmungen ein. Daraus folgt, dass Einschränkungen der Ausübung des in Art. 45 Abs. 1 der Charta verankerten Rechts der Unionsbürger auf Freizügigkeit und Aufenthalt durch GASP-Beschlüsse, die auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassen werden, wie etwa die Beschlüsse 2023/572 und 2023/1767, vorgenommen werden können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 5. November 2014, Mayaleh/Rat, T‑307/12 und T‑408/13, EU:T:2014:926, Rn. 195 und 196, und vom 4. Dezember 2015, Sarafraz/Rat, T‑273/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:939, Rn. 194 und 195).
181 Hierzu ist festzustellen, dass im Bereich der GASP der weit gefasste Art. 29 EUV dem Rat die Befugnis verleiht, Beschlüsse zu erlassen, mit denen der Standpunkt der Union zu einer bestimmten Frage geografischer oder thematischer Art unter Verfolgung der in Art. 21 Abs. 2 EUV genannten Ziele bestimmt wird, auch wenn dies eine Einschränkung der Freizügigkeit der Unionsbürger im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, zur Folge hat. Dies bedeutet, dass diese Freiheit in Anwendung der Bestimmungen dieses Artikels aus anderen als den in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Gründen eingeschränkt werden kann.
182 Dies ist vorliegend gerade der Fall, da mit den betreffenden restriktiven Maßnahmen ein Druck auf die russischen Behörden ausgeübt werden soll, damit diese ihre Handlungen und politischen Maßnahmen, die die Ukraine destabilisieren, beenden. Denn es handelt sich hier um eines der Gemeinwohlziele, die im Rahmen der GASP verfolgt werden und auf die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV Bezug genommen wird, wie etwa Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern sowie den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit und den Schutz der Zivilbevölkerung zu stärken (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU: T:2016:689, Rn. 176).
183 Um jedoch mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, müssen Einschränkungen der Ausübung der in Art. 45 Abs. 1 der Charta verankerten Rechte die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Voraussetzungen erfüllen, was bedeutet, dass sie gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte achten und ein von der Union als solches anerkanntes, dem Gemeinwohl dienendes Ziel verfolgen müssen sowie nicht unverhältnismäßig sein dürfen. Diese Erwägung gilt auch für die in der Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Delvigne, C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 46, und Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Agenzia delle dogane e dei monopoli und Ministero dell’Economia e delle Finanze, C‑452/20, EU:C:2021:855, Nr. 60). Folglich müssen die Einschränkungen der Ausübung des in Art. 45 Abs. 1 der Charta verankerten Rechts, die im Rahmen der Umsetzung der GASP vorgenommen werden, diese Bedingungen erfüllen.
184 Im vorliegenden Fall sind erstens die Einschränkungen des Rechts des Klägers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, die sich aus den Beschlüssen 2023/572 und 2023/1767 ergeben, „gesetzlich vorgesehen“, da sie in einem Rechtsakt mit insbesondere allgemeiner Geltung, nämlich dem Beschluss 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung, festgelegt sind, der über eine klare Rechtsgrundlage im Unionsrecht, nämlich Art. 29 EUV, verfügt.
185 Zweitens ist bei der Frage, ob die oben in Rn. 184 genannten Einschränkungen den „Wesensgehalt“ des Rechts des Klägers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, beachten, auf die Art und den Umfang der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen abzustellen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 153).
186 Insoweit ist festzustellen, dass die oben in Rn. 184 genannten Einschränkungen den „Wesensgehalt“ des Rechts des Klägers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, beachten. Denn zunächst beachten diese Einschränkungen gemäß Art. 1 Abs. 2 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung den völkerrechtlichen Grundsatz, wonach ein Staat seinen eigenen Staatsangehörigen das Recht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen und dort zu verweilen, nicht verweigern darf. Sodann werden die streitigen Listen gemäß Art. 6 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung regelmäßig überprüft, um die Namen von Personen zu streichen, die die Kriterien für die Aufnahme in die Listen nicht mehr erfüllen. Schließlich stellen diese Einschränkungen dieses Recht als solches nicht in Frage, da sie bewirken, dass unter ganz bestimmten Voraussetzungen und aufgrund der individuellen Situation bestimmter Personen deren Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen, vorübergehend ausgesetzt wird, und zwar nur, sofern die genannten Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Delvigne, C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 48).
187 Drittens soll mit den oben in Rn. 184 genannten Einschränkungen ein Druck auf die russischen Behörden ausgeübt werden, damit diese ihre Handlungen und politischen Maßnahmen, die die Ukraine destabilisieren, beenden. Es handelt sich hier um eines der dem Gemeinwohl dienenden Ziele, die im Rahmen der GASP verfolgt werden und auf die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. b und c EUV Bezug genommen wird, nämlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern sowie den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit und den Schutz der Zivilbevölkerung zu stärken (vgl. entsprechend Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 176).
188 Viertens ist in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darauf hinzuweisen, dass nach diesem als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. So ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen, und die verursachten Nachteile müssen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. Urteil vom 30. November 2016, Rotenberg/Rat, T‑720/14, EU:T:2016:689, Rn. 178 und die dort angeführte Rechtsprechung).
189 Was die Erforderlichkeit der oben in Rn. 184 genannten Einschränkungen betrifft, ist festzustellen, dass der Kläger nicht nachgewiesen hat, dass der Rat es in Erwägung hätte ziehen können, weniger einschneidende, aber ebenso geeignete Maßnahmen wie die vorgesehenen zu erlassen. Darüber hinaus geht die Anwendung der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen mit einer Regelung für Ausnahmen nach Art. 1 Abs. 6 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung einher, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, von den verhängten Maßnahmen abzuweichen, insbesondere wenn die Reise einer Person aus dringenden humanitären Gründen gerechtfertigt ist.
190 Darüber hinaus ist – auch wenn die sich aus der Anwendung der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen ergebenden negativen Folgen, wie sie von ihm beschrieben werden, eingeräumt werden – davon auszugehen, dass die oben in Rn. 184 genannten Einschränkungen angesichts der Bedeutung der mit diesen Maßnahmen verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, EU:T:2009:401, Rn. 71).
191 Insoweit ist hervorzuheben, dass der Umstand, dass der Kläger aufgrund der Beschränkung der Freizügigkeit, der er unterliegt, die Immobilien, die er in der Union besitzt, nicht nutzen kann, keine Beschränkung darstellt, die im Hinblick auf die Bedeutung der mit diesen Maßnahmen verfolgten Ziele unverhältnismäßig wäre (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, EU:T:2009:401, Rn. 71).
192 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen des Klägers die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten kein Recht der Unionsbürger begründen, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Staates als dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zu bewegen. Daraus folgt, dass der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen kann, dass die genannten Verfassungsüberlieferungen geeignet wären, die Zuständigkeit des Rates zu begrenzen, im Rahmen der GASP Beschränkungen der Freizügigkeit der Bürger aus anderen Gründen als denen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu erlassen.
193 Die Einschränkungen des Rechts des Klägers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, erfüllen somit die in den Verträgen vorgesehenen Voraussetzungen.
194 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.
6. Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 7 und 17 der Charta im Hinblick auf das Eigentumsrecht, das Recht auf Achtung des Privatlebens und die gemeinsamen Verfassungs überlieferungen der Mitgliedstaaten
195 Mit seinem sechsten Klagegrund macht der Kläger geltend, dass die restriktiven Maßnahmen, denen er unterliege, gegen die Art. 7 und 17 der Charta verstießen, die das Eigentumsrecht und das Recht auf Achtung des Privatlebens schützten.
196 Er hebt hervor, dass die Verletzung des Eigentumsrechts dadurch verstärkt worden sei, dass der Rat mit der Verordnung (EU) 2022/1273 vom 21. Juli 2022 zur Änderung der Verordnung Nr. 269/2014 (ABl. 2022, L 194, S. 1) in die Verordnung Nr. 269/2014 einen neuen Art. 9 eingefügt habe, nach dessen Abs. 2 und 3 die Personen, deren Namen in den streitigen Listen aufgeführt seien, verpflichtet seien, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats, die in ihrem Eigentum oder Besitz seien oder von ihnen gehalten oder kontrolliert würden, zu melden, wobei das Unterlassen einer solchen Meldung als Umgehung der restriktiven Maßnahmen angesehen werde.
197 Der Kläger trägt vor, dass die Anwendung der Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/1273 geänderten Fassung zusammen mit den Bestimmungen von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung (EU) 2022/880 des Rates vom 3. Juni 2022 (ABl. 2022, L 153, S. 75) geänderten Fassung geeignet sei, die Gefahr der Einziehung seines Eigentums und seiner Vermögenswerte zu begründen.
198 Er macht geltend, dass die Verletzung des Eigentumsrechts durch die restriktiven Maßnahmen einen rechtswidrigen Eingriff im Hinblick auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten darstelle.
199 Insoweit weist er darauf hin, dass die nationalen Rechtsordnungen das Einfrieren von Eigentum und Vermögenswerten nur unter der Bedingung erlaubten, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem persönlichen Verhalten des Einzelnen und dem eingefrorenen Eigentum oder den eingefrorenen Vermögenswerten bestehe, was beispielsweise dann der Fall sein könne, wenn ein Vermögenswert die Begehung einer Straftat ermöglicht habe oder das Produkt einer solchen Straftat darstelle.
200 Er macht außerdem geltend, dass die restriktiven Maßnahmen, denen er unterliege, seinem Ruf schadeten und daher eine Verletzung des Rechts auf Achtung seines Privatlebens bedeuteten, da die Tatsache, dass er als verantwortlich für die Unterstützung von Handlungen und politischen Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine untergrüben, bezeichnet werde, seine Person aufgrund von Handlungen, für die er nicht verantwortlich sei, in ein schlechtes Licht rücke.
201 Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 269/2014 und die Bestimmungen des Beschlusses 2014/145 erhebt, die das Einfrieren des Eigentums und der Vermögenswerte von Personen, deren Namen in den streitigen Listen aufgeführt werden, und Ausnahmen in Bezug auf diese Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern vorsehen; er bestreitet auch nicht im Wege der Einrede die Rechtmäßigkeit der Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/1273 geänderten Fassung sowie die der Bestimmungen von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/880 geänderten Fassung.
202 Wenn der Kläger also nicht im Wege der Einrede die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht, kann das Gericht die gegen ihn verhängten restriktiven Maßnahmen nicht mit der Begründung für ungültig erklären, dass die Bestimmungen, auf denen diese Maßnahmen beruhen, rechtswidrig wären.
203 Was ferner die Verletzung des Rechts auf Privatleben und des Eigentumsrechts durch die restriktiven Maßnahmen betrifft, denen der Kläger unterliegt, ist festzustellen, dass es sich bei den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen um Sicherungsmaßnahmen handelt, die nicht darauf abzielen, den betreffenden Personen diese Rechte, die in Art. 7 bzw. Art. 17 der Charta verankert sind, zu entziehen. Gleichwohl sind diese Maßnahmen im vorliegenden Fall unbestreitbar mit einer Einschränkung dieser Grundrechte verbunden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 12. März 2014, Al Assad/Rat, T‑202/12, EU:T:2014:113, Rn. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung).
204 Wie jedoch oben in Rn. 183 in Erinnerung gerufen wurde, müssen, um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Voraussetzungen erfüllen, d. h., diese Maßnahmen müssen gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Rechte achten und ein von der Union als solches anerkanntes, dem Gemeinwohl dienendes Ziel verfolgen, und sie dürfen nicht unverhältnismäßig sein.
205 Im vorliegenden Fall ist indessen festzustellen, dass diese vier Bedingungen erfüllt sind.
206 Erstens ist festzustellen, dass die Einschränkungen, denen die Ausübung des Eigentumsrechts durch den Kläger unterliegt, sowie die Beeinträchtigung seines Rechts auf Achtung des Privatlebens „gesetzlich vorgesehen“ sind, da sie in Rechtsakten aufgeführt sind, die insbesondere eine allgemeine Geltung haben – nämlich dem Beschluss 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung und der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung – und die über eine klare Rechtsgrundlage im Unionsrecht, nämlich Art. 29 EUV bzw. Art. 215 AEUV, verfügen.
207 Zweitens sind die oben in Rn. 206 genannten Einschränkungen, da die angefochtenen Rechtsakte für sechs Monate gelten und Gegenstand einer ständigen Überwachung sind, wie in Art. 6 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung vorgesehen, befristet und reversibel. Daher ist davon auszugehen, dass sie den Wesensgehalt des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und des Eigentumsrechts nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus sehen die angefochtenen Rechtsakte die Möglichkeit vor, Ausnahmen von den angewendeten restriktiven Maßnahmen zu gewähren. Insbesondere in Bezug auf das Einfrieren von Geldern sehen Art. 2 Abs. 3 und 4 des Beschlusses 2014/145 in der durch den Beschluss 2022/329 geänderten Fassung sowie Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 269/2014 in der durch die Verordnung 2022/330 geänderten Fassung die Möglichkeit vor, zum einen die Verwendung eingefrorener Gelder zur Deckung von Grundbedürfnissen oder zur Erfüllung bestimmter Verpflichtungen zu genehmigen und zum anderen besondere Genehmigungen zu erteilen, mit denen das Einfrieren von Geldern, anderen finanziellen Vermögenswerten oder anderen wirtschaftlichen Ressourcen aufgehoben werden kann.
208 Drittens verfolgen die oben in Rn. 206 genannten Einschränkungen das oben in Rn. 187 genannte, dem Gemeinwohl dienende Ziel.
209 Viertens ist in Bezug auf die Geeignetheit dieser Beschränkungen zunächst festzustellen, dass sie geeignet sind, das oben in Rn. 187 genannte, dem Gemeinwohl dienende Ziel zu erreichen, da sie zu seiner Verwirklichung beitragen. Sodann ist in Bezug auf ihre Erforderlichkeit festzustellen, dass der Kläger keine alternativen und weniger einschneidenden Maßnahmen anführt, mit denen die verfolgten Ziele ebenso wirksam erreicht werden könnten. Schließlich handelt es sich um befristete und reversible Einschränkungen, die die Möglichkeit von Ausnahmen vorsehen. Folglich ist festzustellen, dass die dem Kläger entstandenen Nachteile im Vergleich zur Bedeutung des mit diesen Rechtsakten verfolgten Ziels nicht unverhältnismäßig sind.
210 Im Übrigen ist die Argumentation des Klägers, die auf das Bestehen gemeinsamer Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf das Eigentumsrecht gestützt ist, zurückzuweisen. Abgesehen davon, dass sich der Kläger auf eine begrenzte Anzahl von Analysen des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten stützt, ist nämlich festzustellen, dass er nicht nachgewiesen hat, dass diese nationalen Rechte die Einhaltung von Bedingungen erfordern würden, die sich wesentlich von den in Art. 52 Abs. 1 der Charta vorgesehenen unterschieden.
211 Nach alledem ist der sechste Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.
7. Zum vierten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
212 Mit seinem vierten Klagegrund macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die in Rede stehenden Maßnahmen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen, da sie erstens weder geeignet noch erforderlich seien, zweitens die vom Rat vorgenommene Auslegung der Kriterien a und d dazu führe, dass jeder Anteilseigner einer russischen Gesellschaft, der durch seine Tätigkeit zur Schaffung von Wohlstand beitrage, potenziell Sanktionen unterworfen werde, und er drittens keinen persönlichen Einfluss auf den Präsidenten der Russischen Föderation ausübe.
213 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen aus den bereits oben in den Rn. 189, 190 und 209 genannten Gründen erforderlich und geeignet sind und somit nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
214 Sodann ist in Bezug auf die Rüge der zu weiten Auslegung der Kriterien a und d festzustellen, dass entgegen den Ausführungen des Klägers die Auslegung dieser Kriterien durch den Rat nicht dazu führt, dass sie auf jeden Anteilseigner einer Gesellschaft, die zur russischen Wirtschaft beiträgt, Anwendung findet, sondern, wie sich aus den Rn. 135 und 136 oben ergibt, auf jeden bedeutenden Anteilseigner einer Gesellschaft, der die in diesen beiden Kriterien vorgesehenen Bedingungen erfüllt.
215 Schließlich ist in Bezug auf die restriktiven Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen wurden, unabhängig davon, dass der Kläger bestreitet, hinter den Handlungen oder politischen Maßnahmen der Führung der Russischen Föderation zu stehen oder irgendeinen persönlichen Einfluss auf sie ausüben zu können, festzustellen, dass die Beschränkungen der Freizügigkeit in den Mitgliedstaaten der Union, ebenso wie das Einfrieren von Geldern oder Ressourcen von Personen, deren Namen auf den streitigen Listen verzeichnet sind, geeignet ist, Druck nicht nur auf diese Personen, sondern auch auf das allgemeine Funktionieren der russischen Wirtschaft und letztlich zumindest indirekten Druck auf die Führung der Russischen Föderation auszuüben, was, wie oben in Rn. 182 erwähnt, mit dem mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziel im Einklang steht.
216 Daraus folgt, dass der vierte Klagegrund sowie der Antrag auf Nichtigerklärung insgesamt zurückzuweisen sind.
B. Zum Schadensersatzantrag
217 Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend, dass die angefochtenen Rechtsakte ihm einen immateriellen Schaden zugefügt hätten, für den er eine Entschädigung verlange.
218 Der Rat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
219 Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 340 Abs. 2 AEUV vorgesehene außervertragliche Haftung der Union für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Einrichtungen nur dann eintritt, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Da diese drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung kumulativ sind, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt, ohne dass es erforderlich wäre, die übrigen Voraussetzungen zu prüfen (vgl. Urteil vom 22. Juni 2022, Haswani/Rat, T‑479/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:383, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).
220 Was den angeblich durch den Erlass der angefochtenen Rechtsakte entstandenen Schaden angeht, ergibt sich aus den Feststellungen zu den Nichtigkeitsanträgen, dass die fortgesetzte Listung des Namens des Klägers nicht rechtswidrig ist. Da somit eine der oben in Rn. 219 genannten Voraussetzungen fehlt, ist der Antrag auf Schadensersatz zurückzuweisen.
221 Nach alledem ist dieser Antrag zurückzuweisen und ist die Klage zur Gänze abzuweisen.
IV. Kosten
222 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag des Rates seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Herr Gennady Nikolayevich Timchenko trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. April 2025.
Unterschriften