T-797/22 – Ordre néerlandais des avocats du barreau de Bruxelles u. a./ Rat

T-797/22 – Ordre néerlandais des avocats du barreau de Bruxelles u. a./ Rat

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2024:670

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)

2. Oktober 2024(*)

„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren – Verbot der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung für die Regierung Russlands oder für in Russland niedergelassene Organisationen – Grundlegende Aufgabe der Anwälte in einer demokratischen Gesellschaft – Recht der Anwälte, Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung zu erbringen – Recht, sich von einem Anwalt beraten zu lassen – Art. 7 und 47 sowie Art. 52 Abs. 2 der Charta der Grundrechte – Anwaltliche Unabhängigkeit – Rechtsstaatlichkeit – Verhältnismäßigkeit – Rechtssicherheit “

In der Rechtssache T‑797/22,

Ordre néerlandais des avocats du barreau de Bruxelles, mit Sitz in Brüssel (Belgien) und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten Kläger(1), vertreten durch Rechtsanwalt P. de Bandt, Rechtsanwältin T. Ghysels, Rechtsanwalt T. Bontinck und Rechtsanwältin A. Guillerme,

Kläger,

unterstützt durch

Bundesrechtsanwaltskammer mit Sitz in Berlin (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte J.‑P. Buyle, D. Van Gerven und N. Azizollahoff,

und durch

Ordre des avocats de Genève mit Sitz in Genf (Schweiz), vertreten durch Rechtsanwalt F. Zimeray,

Streithelfer,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch V. Piessevaux und S. Lejeune als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Estland, vertreten durch M. Kriisa als Bevollmächtigte,

durch

Europäische Kommission, vertreten durch J.‑F. Brakeland, C. Giolito, M. Carpus Carcea und C. Georgieva als Bevollmächtigte,

und durch

Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, vertreten durch F. Hoffmeister, L. Havas und M. A. De Almeida Veiga als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Große Kammer),

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter S. Papasavvas, R. da Silva Passos, A. Kornezov, L. Truchot und S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richterin N. Półtorak, der Richter P. Nihoul, U. Öberg und C. Mac Eochaidh, der Richterin T. Pynnä, des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares, der Richterin M. Brkan sowie der Richter P. Zilgalvis und I. Gâlea,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der am 26. Dezember 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

–        der am 4. Mai, 12. Mai, 22. Juni, 25. Juli und 21. August 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Streithilfeschriftsätze der Kommission, des Hohen Vertreters der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, der Republik Estland, der Bundesrechtsanwaltskammer und des Ordre des avocats de Genève,

–        des am 5. Mai 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Schriftsatzes zur Anpassung der Klageschrift,

–        der schriftlichen Frage des Gerichts an die Kläger und ihrer am 27. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort auf diese Frage,

auf die gemeinsame mündliche Verhandlung vom 12. März 2024

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Kläger, der Ordre néerlandais des avocats du barreau de Bruxelles (Niederländische Rechtsanwaltskammer der Brüsseler Anwaltschaft) und die weiteren im Anhang namentlich aufgeführten natürlichen und juristischen Personen erstens die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 12 der Verordnung (EU) 2022/1904 des Rates vom 6. Oktober 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2022, L 259 I, S. 3), soweit er Art. 5n Abs. 2 und 4 bis 12 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 1) in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung ersetzt und ändert, zweitens die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 13 der Verordnung (EU) 2022/2474 des Rates vom 16. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung Nr. 833/2014 (ABl. 2022, L 322 I, S. 1), soweit er Art. 5n Abs. 2 und 4 bis 11 der Verordnung Nr. 833/2014 in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung ersetzt und ändert, und drittens die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 13 der Verordnung (EU) 2023/427 des Rates vom 25. Februar 2023 zur Änderung der Verordnung Nr. 833/2014 (ABl. 2023, L 59 I, S. 6), soweit er einen Art. 12b Abs. 2a in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung in die Verordnung Nr. 833/2014 einfügt.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Kläger sind Anwaltskammern und belgische Anwälte.

3        Im März 2014 annektierte die Russische Föderation rechtswidrig die Autonome Republik Krim sowie die Stadt Sewastopol (Ukraine) und nimmt seitdem kontinuierlich Handlungen vor, die die Lage im Osten der Ukraine destabilisieren. Als Reaktion auf dieses Vorgehen führte die Europäische Union restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen der Russischen Föderation, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, sowie restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol durch Annexion seitens der Russischen Föderation ein.

4        So wurden am 17. März 2014 der Beschluss 2014/145/GASP des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 16) und die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (ABl. 2014, L 78, S. 6) erlassen.

5        In der Folge wurde der Beschluss 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 13) erlassen, um in den Bereichen des Zugangs zu den Kapitalmärkten, der Verteidigung, der Güter mit doppeltem Verwendungszweck und der sensiblen Technologien, unter Einschluss des Energiesektors, zielgerichtete Maßnahmen einzuführen. Da der Rat der Europäischen Union der Auffassung war, dass diese Maßnahmen in den Geltungsbereich des AEU-Vertrags fielen und für ihre Umsetzung Rechtsvorschriften auf Unionsebene erforderlich seien, erließ er die Verordnung Nr. 833/2014, die detailliertere Vorschriften enthält, um die Vorgaben des Beschlusses 2014/512 sowohl auf Unionsebene als auch in den Mitgliedstaaten umzusetzen.

6        Am 15. Februar 2022 stimmte die Gossudarstwennaja Duma Federalnogo Sobranija Rossiiskoi Federazi (Staatsduma der Föderationsversammlung der Russischen Föderation) einer Resolution zu, mit der der Präsident der Russischen Föderation aufgefordert wurde, die von Separatisten beanspruchten Teile des Ostens der Ukraine als unabhängige Staaten anzuerkennen. Am 21. Februar 2022 unterzeichnete der Präsident der Russischen Föderation ein Dekret, mit dem die selbstproklamierte Unabhängigkeit und Souveränität der „Volksrepublik Donezk“ und der „Volksrepublik Lugansk“ anerkannt wurde, und ordnete die Entsendung russischer Streitkräfte in diese Gebiete an. Am 24. Februar 2022 kündigte der Präsident der Russischen Föderation eine Militäroperation in der Ukraine an, und am selben Tag griffen russische Streitkräfte die Ukraine an mehreren Stellen des Landes an.

7        Ebenfalls am 24. Februar 2022 veröffentlichte der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik im Namen der Union eine Erklärung, in der er die „grundlose Invasion“ der Ukraine durch Streitkräfte der Russischen Föderation auf das Schärfste verurteilte und ankündigte, dass die Reaktion der Union sowohl sektorspezifische als auch individuelle restriktive Maßnahmen umfassen werde. Der Europäische Rat verurteilte in den am selben Tag auf seiner außerordentlichen Tagung angenommenen Schlussfolgerungen diese „grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression“ auf das Schärfste und vertrat die Auffassung, dass die Russische Föderation durch ihre rechtswidrigen militärischen Handlungen, für die sie zur Rechenschaft gezogen werde, massiv gegen das Völkerrecht und die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen verstoße und die Sicherheit und Stabilität Europas und der Welt gefährde.

8        In seinen Schlussfolgerungen vom 23. und 24. Juni 2022 erklärte der Europäische Rat, dass die Arbeit an „Sanktionen“ fortgeführt werde, u. a., um die Durchführung der Sanktionen zu stärken und deren Umgehung zu verhindern.

9        Am 21. September 2022 beschloss die Russische Föderation, ihre Aggression gegen die Ukraine weiter zu eskalieren, indem sie in den von Russland besetzten Teilen der Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja die Organisation illegaler „Referenden“ unterstützte, eine Mobilmachung in Russland ankündigte und erneut mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen drohte. Im Anschluss an diese „Referenden“ bestätigte der Präsident der Russischen Föderation offiziell die Annexion der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson durch Russland.

10      Am 30. September 2022 nahmen die Mitglieder des Europäischen Rates eine Erklärung an, in der sie die illegale Annexion der ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson verurteilten und erklärten, dass Russland die Sicherheit der Welt gefährde. Die Mitglieder des Europäischen Rates erklärten, dass sie ihre restriktiven Maßnahmen gegen die illegalen Handlungen Russlands verschärfen und den Druck auf Russland, seinen Angriffskrieg zu beenden, weiter verstärken würden.

11      Am 6. Oktober 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/1909 zur Änderung des Beschlusses 2014/512 (ABl. 2022, L 259 I, S. 122). Ebenfalls am 6. Oktober 2022 erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung 2022/1904.

12      Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904 grenzt die nach dieser Verordnung verbotenen Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung wie folgt ab:

„[M]it dem Beschluss (GASP) 2022/1909 [wird] das bestehende Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen für die Russische Föderation ausgeweitet, indem die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen sowie IT‑Beratung und Rechtsberatung verboten wird. … ‚Rechtsberatungsdienstleistungen‘ umfassen die Rechtsberatung für Mandanten in nichtstreitigen Angelegenheiten, einschließlich Handelsgeschäften, bei denen es um die Anwendung oder Auslegung von Rechtsvorschriften geht; die Teilnahme mit oder im Namen von Mandanten an Handelsgeschäften, Verhandlungen und sonstigen Geschäften mit Dritten; die Ausarbeitung, Ausfertigung und Überprüfung von Rechtsdokumenten. ‚Rechtsberatungsdienstleistungen‘ umfass[en] nicht die Vertretung, Beratung, Ausarbeitung von Dokumenten oder Überprüfung von Dokumenten im Rahmen von Rechtsvertretungsdienstleistungen, insbesondere in Angelegenheiten oder Verfahren vor Verwaltungsbehörden, Gerichten, anderen ordnungsgemäß eingerichteten offiziellen Gerichten oder in Schieds- oder Mediationsverfahren.“

13      Mit Art. 1 Nr. 12 der Verordnung 2022/1904 wurde ein neuer Art. 5n in die Verordnung Nr. 833/2014 eingefügt, der den alten Art. 5n ersetzte und u. a. ein Verbot der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung (im Folgenden: streitiges Verbot) mit folgendem Wortlaut vorsah:

„(2)      Es ist verboten, unmittelbar oder mittelbar Dienstleistungen in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung und IT‑Beratung zu erbringen für

a)      die Regierung Russlands oder

b)      in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen.

(4)      Absatz 2 gilt nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die unbedingt erforderlich sind, um vor dem 7. Oktober 2022 geschlossene Verträge, die mit diesem Artikel nicht vereinbar sind, oder für deren Erfüllung erforderliche akzessorische Verträge bis zum 8. Januar 2023 zu beenden.

(5)      Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die für die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung in Gerichtsverfahren und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf unbedingt erforderlich sind.

(6)      Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren in einem Mitgliedstaat oder für die Anerkennung oder Vollstreckung eines Gerichtsurteils oder eines Schiedsspruchs aus einem Mitgliedstaat unbedingt erforderlich sind, sofern … die Erbringung dieser Dienstleistungen mit den Zielen dieser Verordnung und der Verordnung … Nr. 269/2014 des Rates im Einklang steht.

(7)      Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die zur ausschließlichen Nutzung durch in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen bestimmt sind, welche sich im Eigentum oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes, der Schweiz oder eines in Anhang VIII aufgeführten Partnerlandes gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden.

(8)      Absatz 2 gilt nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die für Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die dringende Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses, das voraussichtlich schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Umwelt haben wird, oder für die Bewältigung von Naturkatastrophen erforderlich sind.

(9)      Absatz 2 gilt nicht für die Erbringung von Dienstleistungen, die für Softwareaktualisierungen für nichtmilitärische Zwecke und für nichtmilitärische Endnutzer, die gemäß Artikel 2 Absatz 3 Buchstabe d und Artikel 2a Absatz 3 Buchstabe d hinsichtlich der in Anhang VII aufgeführten Erzeugnisse erlaubt sind, erforderlich sind.

(10)      Abweichend von den Absätzen 1 und 2 können die zuständigen Behörden die dort genannten Dienstleistungen unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese erforderlich sind für

a)      humanitäre Zwecke wie die Durchführung oder die Erleichterung von Hilfsleistungen einschließlich der Versorgung mit medizinischen Hilfsgütern und Nahrungsmitteln oder den Transport humanitärer Helfer und damit verbundener Hilfe oder für Evakuierungen,

b)      zivilgesellschaftliche Aktivitäten zur direkten Förderung der Demokratie, der Menschenrechte oder der Rechtsstaatlichkeit in Russland … oder

c)      die Tätigkeit der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Union und der Mitgliedstaaten oder von Partnerländern in Russland, einschließlich Delegationen, Botschaften und Missionen, oder internationaler Organisationen in Russland, die nach dem Völkerrecht Immunität genießen.

(11)      Abweichend von den Absätzen 1 und 2 können die zuständigen Behörden die dort genannten Dienstleistungen unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese erforderlich sind für

a)      die Sicherstellung der kritischen Energieversorgung in der Union und den Kauf von Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz oder deren Einfuhr oder Beförderung in die Union;

b)      die Gewährleistung des kontinuierlichen Betriebs von Infrastrukturen, Hardware und Software, die für die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Sicherheit der Umwelt von grundlegender Bedeutung sind;

c)      die Einrichtung und den Betrieb ziviler nuklearer Kapazitäten, ihre Instandhaltung, ihre Versorgung mit und die Wiederaufbereitung von Brennelementen und ihre Sicherheit und die Weiterführung der Planung, des Baus und die Abnahmetests für die Indienststellung ziviler Atomanlagen, die Lieferung von Ausgangsstoffen zur Herstellung medizinischer Radioisotope und ähnlicher medizinischer Anwendungen oder kritischer Technologien zur radiologischen Umweltüberwachung sowie für die zivile nukleare Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung, oder

d)      die Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste durch Telekommunikationsbetreiber der Union, die für den Betrieb, die Instandhaltung und die Sicherheit, einschließlich der Cybersicherheit, elektronischer Kommunikationsdienste in Russland, der Ukraine, der Union, zwischen Russland und der Union sowie zwischen der Ukraine und der Union sowie für Rechenzentrumsdienste in der Union erforderlich sind.

(12)      Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über jede nach den Absätzen 10 und 11 erteilte Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach deren Erteilung.“

14      Am 16. Dezember 2022 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2022/2478 zur Änderung des Beschlusses 2014/512 (ABl. 2022, L 322 I, S. 614) und – auf der Grundlage von Art. 215 AEUV – die Verordnung 2022/2474.

15      Mit Art. 1 Nr. 13 der Verordnung 2022/2474 wurde Art. 5n der Verordnung Nr. 833/2014 in Bezug auf das Verbot der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung rein formal geändert. Art. 5n Abs. 10 der Verordnung Nr. 833/2014 führte somit die früheren Abs. 10 und 11 ohne Änderung des normativen Inhalts dieser Absätze zusammen.

16      Am 25. Februar 2023 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2023/434 zur Änderung des Beschlusses 2014/512 (ABl. 2023, L 59 I, S. 593) und – auf der Grundlage von Art. 215 AEUV – die Verordnung 2023/427.

17      Die Verordnung 2023/427 hat den Wortlaut von Art. 5n der Verordnung Nr. 833/2014 nicht geändert. Art. 1 Nr. 13 der Verordnung 2023/427 führte jedoch eine weitere Ausnahme von dem streitigen Verbot ein, und zwar durch einen in Art. 12b der Verordnung Nr. 833/2014 eingefügten neuen Abs. 2a, der wie folgt lautet:

„(2a) Abweichend von Artikel 5n [der Verordnung Nr. 833/2014] können die zuständigen Behörden die weitere Erbringung der darin genannten Dienstleistungen bis zum 31. Dezember 2023 genehmigen, wenn diese Dienstleistungen für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich sind, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Die Dienstleistungen werden für die aus dem Abzug von Investitionen hervorgehenden juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen und ausschließlich zu deren Gunsten erbracht[,] und

b)      die zuständigen Behörden haben bei der Entscheidung über Anträge auf Genehmigungen keine hinreichenden Gründe zu der Annahme, dass die Dienstleistungen mittelbar oder unmittelbar für die Regierung Russlands oder für einen militärischen Endnutzer erbracht werden oder eine militärische Endverwendung in Russland haben könnten.“

II.    Anträge der Parteien

18      Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und den Ordre des avocats de Genève (Anwaltskammer Genf, Schweiz) beantragen,

–        Art. 1 Nr. 12 der Verordnung 2022/1904, soweit er Art. 5n Abs. 2 und 4 bis 12 der Verordnung Nr. 833/2014 in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung ersetzt und ändert, Art. 1 Nr. 13 der Verordnung 2022/2474, soweit er Art. 5n Abs. 2 und 4 bis 11 der Verordnung Nr. 833/2014 in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung ersetzt und ändert, und Art. 1 Nr. 13 der Verordnung 2023/427, soweit er einen Art. 12b Abs. 2a in Bezug auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung in die Verordnung Nr. 833/2014 einfügt, für nichtig zu erklären;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

19      Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, beantragt im Wesentlichen,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 5n Abs. 10 und Art. 12b Abs. 2a der Verordnung Nr. 833/2014 (im Folgenden: Befreiungsbestimmungen) gerichtet ist;

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

20      Die Republik Estland, die Kommission und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik beantragen außerdem, die Klage als insgesamt unzulässig abzuweisen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit

21      Der Rat hält die Klage für zulässig, soweit sie sich auf Art. 5n Abs. 2, 4 bis 9 und 11 der Verordnung Nr. 833/2014 bezieht. Dagegen bestreitet er die Zulässigkeit der Klage, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Befreiungsbestimmungen gerichtet ist. Nur die Republik Estland, die Kommission und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sind der Ansicht, dass die Klage insgesamt unzulässig sei.

22      Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ist außerdem der Auffassung, dass der von den Klägern eingereichte Anpassungsschriftsatz, mit dem die Rechtmäßigkeit des durch die Verordnung 2023/427 eingeführten Art. 12b Abs. 2a der Verordnung Nr. 833/2014 in Abrede gestellt werde, unzulässig sei.

23      Es ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsgericht prüfen kann, ob es unter den Umständen des Einzelfalls nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt ist, die Klage als unbegründet zurückzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 52).

24      Unter den Umständen des vorliegenden Falles und aus Gründen der Verfahrensökonomie ist die Klage in der Sache zu prüfen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden, da die Klage aus den nachstehend dargelegten Gründen jedenfalls unbegründet ist.

B.      Zur Begründetheit

25      Die Kläger stützen ihre Klage auf drei Gründe, mit denen sie im Wesentlichen erstens einen Verstoß gegen die Art. 7 und 47 sowie Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), zweitens einen Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit und in die Werte der Rechtsstaatlichkeit sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend machen.

1.      Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 7 und 47 sowie Art. 52 Abs. 1 der Charta

26      Der erste Klagegrund gliedert sich in drei Teile, die einen Verstoß gegen die Charta betreffen und im Folgenden geprüft werden.

27      Mit dem ersten und dem zweiten Teil machen die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, geltend, das streitige Verbot führe zum einen zu einem Verstoß gegen das Grundrecht auf Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung und zum anderen zu einem Eingriff in das anwaltliche Berufsgeheimnis. Das streitige Verbot verstoße somit gegen die Art. 7 und 47 der Charta.

28      Mit dem dritten Teil machen die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, geltend, dass die mit dem streitigen Verbot einhergehenden Eingriffe in die durch die Charta garantierten Rechte nicht im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gerechtfertigt werden könnten.

29      Dieser dritte Teil wird im Rahmen der Antwort des Gerichts auf den ersten und den zweiten Teil geprüft.

a)      Zum ersten Teil: Verletzung des Rechts, sich an einen Rechtsanwalt zu wenden, um Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen

30      Der erste Teil des ersten Klagegrundes besteht aus zwei Rügen. Mit der ersten Rüge wird ein Verstoß gegen Art. 47 der Charta geltend gemacht. Die zweite Rüge ist auf einen Verstoß gegen Art. 7 der Charta gestützt. Nach Auffassung der Kläger begründen diese beiden Artikel nämlich ein Grundrecht auf Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung, das jeder Person sowohl in streitigen als auch in nicht streitigen Angelegenheiten garantiert werde.

31      Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, machen geltend, dass das Recht, Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, untrennbar mit dem Recht auf Zugang zu einem Anwalt im Rahmen eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens verbunden sei. Im Übrigen sei das Recht, sich an einen Anwalt zu wenden, auch um Rechtsrat einzuholen und die eigene Rechtslage beurteilen zu lassen, in allen Mitgliedstaaten anerkannt und sei in einem Rechtsstaat wesentlich. Die Kläger berufen sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), um geltend zu machen, dass ein Recht darauf bestehe, sich an einen Anwalt zu wenden, um – auch außerhalb der Aufgabe, einen Mandanten in einem Gerichtsverfahren zu vertreten – Rechtsrat einzuholen.

32      Der durch Art. 7 der Charta gewährte Schutz gelte auch außerhalb eines streitigen Verfahrens. Die vom Rat vorgenommene Unterscheidung, wonach Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung, die für die Ausübung des durch Art. 47 der Charta geschützten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf erforderlich seien, unter die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des streitigen Verbots fielen, sei künstlich und unangemessen. Es könne nicht von vornherein festgestellt werden, ob die Rechtsberatung, bevor sie dem Mandanten erteilt werde, einen Bezug zu einem künftigen Rechtsstreit habe. Das Recht auf Inanspruchnahme von Rechtsrat könne untrennbar mit dem Recht auf Zugang zu einem Anwalt verbunden sein.

33      Die Anwaltskammer Genf fügt hinzu, dass die Rechtsberatung in der Praxis erst im Nachhinein als Teil einer streitigen oder „nichtstreitigen“ Angelegenheit eingestuft werden könne. Ganz allgemein gehe es um den Zugang zum Recht, der im vorliegenden Fall aufgrund der Mehrdeutigkeit des Wortlauts des streitigen Verbots – das in der Praxis zu einer Selbstzensur durch die Anwälte führe – eingeschränkt sei.

34      Der Umstand, dass den Anwälten ein Monopol für die Vertretung ihrer Mandanten vor Gericht zustehe, könne das Bestehen eines Grundrechts auf Inanspruchnahme von Rechtsberatung durch einen Anwalt, auch in nicht streitigen Angelegenheiten, nicht in Frage stellen. Das Recht auf Zugang zu einem Anwalt sei als ein unteilbares Ganzes anzusehen, das sich sowohl auf die Verteidigungs- und Vertretungsaufgabe des Anwalts als auch seine Aufgabe als Berater erstrecke.

35      Außerdem begründe das streitige Verbot keine Pflicht zur Zurückhaltung, sondern schlicht und einfach ein Verbot. Dass Anwälte verpflichtet seien, einen Genehmigungsantrag zu stellen, hindere sie jedenfalls daran, selbst zu entscheiden und zu beurteilen, welche Situationen in den Anwendungsbereich der Befreiungsbestimmungen fielen.

36      Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

37      Insoweit stellt das Gericht fest, dass die von den Klägern im ersten Teil des vorliegenden Klagegrundes aufgeworfene Frage im Wesentlichen auf die Prüfung hinausläuft, ob die Anwendung von Art. 7 in Verbindung mit Art. 47 der Charta das Bestehen eines Grundrechts auf Zugang zu einem Anwalt auch in Situationen begründen kann, die nicht mit einem Gerichtsverfahren zusammenhängen. Da das streitige Verbot u. a. Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung erfasse, die von Anwälten in nicht streitigen Angelegenheiten erbracht würden, stelle es einen Eingriff in das Grundrecht auf Zugang zu einem Anwalt dar.

38      Die Antwort auf diese Frage erfordert eine Prüfung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 47 der Charta und zu Art. 7 der Charta sowie der Rechtsprechung des EGMR.

39      Gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta, der die notwendige Kohärenz zwischen den in der Charta enthaltenen Rechten und den entsprechenden durch die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) garantierten Rechten gewährleisten soll, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts berührt wird, muss das Gericht bei der Auslegung der durch die Art. 7 und 47 der Charta garantierten Rechte die entsprechenden durch Art. 8 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 EMRK in deren Auslegung durch den EGMR garantierten Rechte als Mindestschutzstandard berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Für den Gerichtshof kommt dem in Art. 47 der Charta vorgesehenen Grundrecht als Garant für den Schutz sämtlicher dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsender Rechte und für die Wahrung der in Art. 2 EUV genannten Werte, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind, u. a. des Wertes der Rechtsstaatlichkeit, grundlegende Bedeutung zu (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 51). Der in Art. 2 EUV verankerte Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit verlangt einen freien Zugang zum Unionsrecht für alle natürlichen und juristischen Personen der Union sowie die Möglichkeit für den Einzelnen, seine Rechte und Pflichten eindeutig zu erkennen (Urteil vom 5. März 2024, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission u. a., C‑588/21 P, EU:C:2024:201, Rn. 81).

41      Das Recht auf ein faires Verfahren umfasst nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 der Charta die jeder Person gewährleistete Möglichkeit, sich anwaltlich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen. Dieses Recht besteht aus verschiedenen Elementen. Es umfasst u. a. die Verteidigungsrechte, den Grundsatz der Waffengleichheit, das Recht auf Zugang zu den Gerichten und das Recht auf Zugang zu einem Anwalt sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 60).

42      Art. 47 der Charta trägt die Überschrift „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“. Abs. 3 dieses Artikels sieht eine Prozesskostenhilfe vor, um „den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten“. In diesem Zusammenhang ist die in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehene Möglichkeit, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, nur dann anzuerkennen, wenn ein Bezug zu einem Gerichtsverfahren besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 61).

43      In diesem Sinne hat der Gerichtshof die grundlegende Aufgabe der Anwälte in einem Rechtsstaat nur insoweit anerkannt, als sie zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Rechtspflege beitragen und den Schutz und die Verteidigung der Interessen des Mandanten gewährleisten. Der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass es „dem Einzelnen“, d. h. jedem, der seine Rechte gerichtlich anerkennen lassen und ausüben möchte, möglich sein muss, sich völlig frei an seinen Anwalt zu wenden, zu dessen Beruf schon dem Wesen nach die Aufgabe gehört, all denen unabhängig Rechtsberatung zu erteilen, die sie benötigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, EU:C:1982:157, Rn. 18). Der Gerichtshof hat die Aufgabe der Anwälte, die in völliger Unabhängigkeit und im vorrangigen Interesse der Rechtspflege dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren haben, die dieser benötigt, allgemein anerkannt (Urteil vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, EU:C:1982:157, Rn. 24). Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass die in der Vertretung einer Partei bestehende Aufgabe eines Anwalts zwar im Interesse einer geordneten Rechtspflege auszuüben ist, dass diese Aufgabe aber vor allem darin besteht, die Interessen des Mandanten bestmöglich zu schützen und zu verteidigen, damit dieser sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 2020, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA, C‑515/17 P sowie C‑561/17 P, EU:C:2020:73, Rn. 62). Der Anwalt erfüllt somit in einer demokratischen Gesellschaft eine grundlegende Aufgabe, nämlich die Verteidigung der Rechtsuchenden (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 28).

44      Im Gegensatz zu Art. 47 der Charta zielt ihr Art. 7 nicht auf den Schutz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf ab, sondern auf den Schutz des Privatlebens einer jeden Person, insbesondere ihrer Kommunikation, unabhängig von jedem Bezug zu einem Gerichtsverfahren. Aus dieser Bestimmung ergibt sich der Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses, das grundsätzlich gewährleistet wird, wenn der Anwalt seine Aufgabe der Verteidigung oder Vertretung der Interessen seines Mandanten vor Gericht ausübt oder wenn er einer Person die von ihr erbetene Rechtsberatung erteilt.

45      Insoweit hat der EGMR festgestellt, dass sich der Schutz des Berufsgeheimnisses nach Art. 8 EMRK, dem Art. 7 der Charta entspricht, unabhängig vom Vorliegen eines Rechtsstreits auf die Rechtsberatungstätigkeit im Allgemeinen erstreckt (vgl. in diesem Sinne Urteil des EGMR vom 9. April 2019, Altay/Türkei [Nr. 2], CE:ECHR:2019:0409JUD001123609, § 49).

46      Ebenso hat der Gerichtshof ausdrücklich entschieden, dass Personen, die einen Anwalt konsultieren, abgesehen von Ausnahmefällen „mit Recht darauf vertrauen dürfen, dass ihr Anwalt ohne ihre Zustimmung niemandem offenlegen wird, dass sie ihn konsultieren“ (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 27).

47      Der in Art. 7 der Charta verankerte Schutz des Berufsgeheimnisses ermöglicht es einem Anwalt zwar, seinen Aufgaben bei der Beratung, der Verteidigung und der Vertretung seines Mandanten in angemessener Weise gerecht zu werden, um dessen in Art. 47 der Charta verankertes Recht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 60).

48      Der Schutz von Art. 47 der Charta und der von Art. 7 der Charta haben jedoch nicht die gleiche Tragweite. Zum einen wird der in Art. 7 der Charta verankerte Schutz des Berufsgeheimnisses unabhängig von einem Bezug zu einem Gerichtsverfahren anerkannt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 61 bis 65). Zum anderen hat der Gerichtshof nicht festgestellt, dass dieser Schutz – unabhängig von jedem Bezug zu einem Gerichtsverfahren – ein Grundrecht auf Zugang zu einem Anwalt und auf Rechtsberatung durch diesen gewährleisten soll, sondern dass er im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privatlebens allein den Zweck hat, die Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten zu wahren.

49      Folglich kann aus der Rechtsprechung des EGMR oder der des Gerichtshofs nicht abgeleitet werden, dass der durch die Art. 7 und 47 der Charta gewährleistete Schutz, einzeln oder zusammen betrachtet, die Grundlage für ein Grundrecht jeder Person bilden kann, außerhalb des Kontexts eines gegenwärtigen oder zu erwartenden Rechtsstreits Zugang zu einem Anwalt und Rechtsberatung durch diesen zu erhalten.

50      Im Übrigen ist im Verfahren vor dem Gericht nicht nachgewiesen worden, dass sich ein solches Recht aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 6 Abs. 3 EUV ergibt.

51      Das in Art. 47 der Charta verankerte Grundrecht auf Zugang zu einem Anwalt und auf Rechtsberatung durch diesen ist daher nur dann anzuerkennen, wenn ein Bezug zu einem Gerichtsverfahren besteht, unabhängig davon, ob dieses bereits eingeleitet wurde oder ob ihm aufgrund von Umständen, die in der Phase, in der der Anwalt die Rechtslage des Mandanten beurteilt, greifbar sind, vorgebeugt werden oder es abgewendet werden kann.

52      Im vorliegenden Fall verbietet das in Art. 5n Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014 enthaltene streitige Verbot die unmittelbare oder mittelbare Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung für die russische Regierung und für in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen.

53      Nach dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904 umfassen die verbotenen Rechtsberatungsdienstleistungen nicht „die Vertretung, Beratung, Ausarbeitung von Dokumenten oder Überprüfung von Dokumenten im Rahmen von Rechtsvertretungsdienstleistungen, insbesondere in Angelegenheiten oder Verfahren vor Verwaltungsbehörden, Gerichten, anderen ordnungsgemäß eingerichteten offiziellen Gerichten oder in Schieds- oder Mediationsverfahren“. Dagegen umfassen die verbotenen Rechtsberatungsdienstleistungen „die Rechtsberatung für Mandanten in nichtstreitigen Angelegenheiten, einschließlich Handelsgeschäften, bei denen es um die Anwendung oder Auslegung von Rechtsvorschriften geht“, „die Teilnahme mit oder im Namen von Mandanten an Handelsgeschäften, Verhandlungen und sonstigen Geschäften mit Dritten“ und „die Ausarbeitung, Ausfertigung und Überprüfung von Rechtsdokumenten“.

54      Zwar sind die Erwägungsgründe eines Rechtsakts der Union nicht rechtlich verbindlich und können nicht herangezogen werden, um von den eigentlichen Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen (Urteil vom 19. November 1998, Nilsson u. a., C‑162/97, EU:C:1998:554, Rn. 54), doch ermöglicht es der 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904, eine erste Abgrenzung des streitigen Verbots zu verdeutlichen. Nach seinem Wortlaut fallen Rechtsberatungsdienstleistungen, die im Rahmen eines Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahrens erbracht werden, nicht unter dieses Verbot.

55      In Art. 5n Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 833/2014 wird die Tragweite des streitigen Verbots im Licht des 19. Erwägungsgrundes der Verordnung 2022/1904 genauer eingegrenzt. In den vorgenannten Abs. 5 und 6 heißt es, dass das streitige Verbot nicht für die Erbringung von Dienstleistungen gilt, die „für die Wahrnehmung des Rechts auf Verteidigung in Gerichtsverfahren und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf unbedingt erforderlich sind“, bzw. für die Erbringung von Dienstleistungen, die „zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren in einem Mitgliedstaat oder für die Anerkennung oder Vollstreckung eines Gerichtsurteils oder eines Schiedsspruchs aus einem Mitgliedstaat unbedingt erforderlich sind, sofern … die Erbringung dieser Dienstleistungen mit den Zielen dieser Verordnung und der Verordnung … Nr. 269/2014 des Rates im Einklang steht“.

56      Somit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014, insbesondere soweit er sich auf Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung bezieht, die „zur Gewährleistung des Zugangs zu Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren … unbedingt erforderlich sind“, dass das streitige Verbot nicht für Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung gilt, die ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Anwalt um Beistand im Zusammenhang mit der Verteidigung, der Vertretung vor Gericht oder einer Beratung über das Betreiben oder Vermeiden eines Gerichtsverfahrens ersucht wird (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑305/05, EU:C:2007:383, Rn. 34). Dieser Artikel steht daher nicht der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung entgegen, deren einziger Zweck in diesem Vorstadium darin besteht, die Rechtslage des Betroffenen zu beurteilen, um festzustellen, ob ein – insbesondere gerichtliches – Verfahren in Anbetracht der Situation dieser Person auszuschließen ist oder ob es im Gegenteil wahrscheinlich oder sogar unvermeidlich ist. Im Übrigen wäre es ohne eine solche vorläufige Beurteilung, wie die Kläger hervorgehoben haben, nicht möglich, den Gegenstand der Beratung in Erfahrung zu bringen und zu ermitteln, ob der erbetene Rechtsrat einen Bezug zu einem Gerichtsverfahren haben und damit, wie oben in Rn. 51 ausgeführt, unter das Grundrecht auf Zugang zu einem Anwalt fallen könnte.

57      Dagegen gilt das streitige Verbot u. a. dann, wenn ein Anwalt einen Mandanten in nicht streitigen Angelegenheiten unterstützt oder in dessen Namen und Auftrag bei der Vorbereitung oder Durchführung bestimmter Geschäfte im Wesentlichen finanzieller und kommerzieller Art tätig wird. Diese Tätigkeiten finden in der Regel schon aufgrund ihrer Art in einem Rahmen statt, der keinen Bezug zu einem Gerichtsverfahren aufweist, und fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der durch Art. 47 der Charta garantierten Rechte auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren. Wenn ein Anwalt in einem derart frühen Stadium eine juristische Dienstleistung erbringt und nicht als Verteidiger seines Mandanten in einem Rechtsstreit handelt, bedeutet der bloße Umstand, dass die Ratschläge des Anwalts oder der Gegenstand seiner Konsultation in einem späteren Stadium zu einem Rechtsstreit führen können, nicht, dass das Tätigwerden des Anwalts im Rahmen oder im Interesse des Rechts auf Verteidigung seines Mandanten erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 63 und 64).

58      Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsakt der Union so weit wie möglich in einer seine Gültigkeit nicht in Frage stellenden Weise und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht und insbesondere mit den Bestimmungen der Charta auszulegen ist. Lässt nämlich eine Vorschrift des abgeleiteten Unionsrechts mehr als eine Auslegung zu, ist die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Primärrecht vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Primärrecht führt (vgl. Urteile vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑305/05, EU:C:2007:383, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. Juni 2022, Ligue des droits humains, C‑817/19, EU:C:2022:491, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Es ist daher zu prüfen, ob das streitige Verbot so ausgelegt werden kann, dass das in Art. 47 der Charta garantierte Recht, sich anwaltlich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, gewahrt bleibt.

60      Nach den Ausführungen des Rates in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung soll das in Art. 5n Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 833/2014 enthaltene Kriterium der unbedingten Erforderlichkeit nur eine missbräuchliche Inanspruchnahme der in diesen Absätzen vorgesehenen Ausnahmen verhindern und kann nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass dieses Verbot das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand für die Zwecke eines Gerichtsverfahrens beeinträchtige.

61      Wie der Rat zutreffend ausführt, spricht der Wortlaut von Art. 5n Abs. 5 der Verordnung Nr. 833/2014 dafür, dass Rechtsberatungsdienstleistungen im Zusammenhang mit einem vorgerichtlichen Verfahren, d. h. einem Verwaltungsverfahren, oder der ersten Phase eines Gerichtsverfahrens, die die Parteien nach dem anwendbaren nationalen Recht notwendigerweise durchlaufen müssen, nicht unter das streitige Verbot fallen.

62      Ebenso wenig steht der Wortlaut von Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014 der Durchführung einer vorläufigen rechtlichen Beurteilung, die zu dem Ergebnis führt, dass die Einleitung eines Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahrens erforderlich ist oder nicht, oder der Erbringung von Beratungsdienstleistungen entgegen, die es ermöglichen, ein solches Verfahren – u. a. durch einen Vergleich – zu vermeiden. Der Rat weist zu Recht darauf hin, dass diese Auslegung mit dem Urteil vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑305/05, EU:C:2007:383), im Einklang steht.

63      Art. 5n Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 833/2014 erlaubt es einem Anwalt daher, eine vorherige Bewertung der rechtlichen Situation der in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen vorzunehmen, die ihn konsultieren, um festzustellen, ob die Beratung, um die er gebeten wird, unbedingt erforderlich ist, um den Zugang u. a. zu einem Gerichtsverfahren zu gewährleisten, einem solchen Verfahren vorzubeugen oder es abzuwenden oder sicherzustellen, dass es, sofern es bereits eingeleitet wurde, ordnungsgemäß durchgeführt wird.

64      Aus dem Vorstehenden ergibt sich zum einen, dass das streitige Verbot nicht das durch Art. 47 der Charta geschützte Recht verletzt, sich anwaltlich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen. Da Art. 7 der Charta weder im Rahmen eines Gerichtsverfahrens noch in einem nicht streitigen Kontext ein Recht auf Zugang zu einem Anwalt gewährleistet, kann das streitige Verbot zum anderen keinen Eingriff in ein sich aus diesem Artikel ergebendes Recht darstellen.

65      Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen die Art. 7 und 47 der Charta, jeweils einzeln oder in Verbindung miteinander, gerügt wird, zurückzuweisen.

66      Da das Gericht nicht festgestellt hat, dass durch das streitige Verbot in das durch Art. 47 der Charta garantierte Recht eingegriffen wurde, sich anwaltlich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, um Rechtsberatung zu erhalten, ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen, soweit damit geltend gemacht wird, dass das streitige Verbot einen solchen Eingriff darstelle, der nicht im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gerechtfertigt werden könne.

b)      Zum zweiten Teil: Eingriff in das anwaltliche Berufsgeheimnis

67      Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, sind der Ansicht, dass die in den Befreiungsbestimmungen vorgesehenen Genehmigungsverfahren zu einem Eingriff in das anwaltliche Berufsgeheimnis führten, das in Art. 7 der Charta, in Art. 8 EMRK und in der Rechtsprechung verankert sei.

68      Ein Anwalt, der eine Genehmigung beantragen wolle, müsse der zuständigen Behörde nämlich Einzelheiten über seinen potenziellen Mandanten und die Art der gewünschten Beratung mitteilen. Es werde bereits offengelegt, dass eine Konsultation stattgefunden habe. Dies stelle einen unmittelbaren Eingriff in das Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant dar. Außerdem könnten nur Anwälte als Erbringer der von dem streitigen Verbot erfassten Rechtsberatungsdienstleistungen einen Befreiungsantrag stellen.

69      Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

70      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 der Charta jeder Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation zuerkennt. Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta muss das Gericht bei der Prüfung dieses Rechts die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 EMRK durch den EGMR berücksichtigen.

71      Ebenso wie diese Bestimmung der EMRK garantiert Art. 7 der Charta notwendigerweise das Geheimnis der Rechtsberatung, und zwar sowohl im Hinblick auf ihren Inhalt als auch im Hinblick auf ihre Existenz. Abgesehen von Ausnahmefällen muss jede Person daher mit Recht darauf vertrauen dürfen, dass ihr Anwalt ohne ihre Zustimmung niemandem offenlegen wird, dass sie ihn konsultiert (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 27).

72      Weder Art. 7 der Charta noch Art. 8 EMRK verbieten es jedoch, Anwälten eine Reihe von Verpflichtungen aufzuerlegen, die die Beziehungen zu ihren Mandanten betreffen können, insbesondere wenn plausible Indizien für die Beteiligung eines Anwalts an einer Straftat vorliegen oder im Rahmen der Bekämpfung bestimmter Praktiken. Solche Maßnahmen müssen jedoch streng eingegrenzt sein und ausreichende Verfahrensgarantien gegen Willkür bieten (vgl. in diesem Sinne Urteil des EGMR vom 16. November 2021, Särgava/Estland, CE:ECHR:2021:1116JUD000069819, § 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass eine Meldepflicht, die einem Anwalt vorschreibt, einem Drittintermediär, der nicht sein Mandant war, seine Identität, seine Beurteilung zu der in Rede stehenden Meldepflicht sowie die Tatsache selbst, dass er konsultiert wurde, zu offenbaren, zu einem Eingriff in das in Art. 7 der Charta garantierte Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant führt (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 29 und 30). Im Übrigen führt diese Meldepflicht dadurch, dass sie den Drittintermediär zwingt, der Verwaltung die Identität und die Tatsache mitzuteilen, dass der betreffende Anwalt konsultiert wurde, zu einem weiteren Eingriff in das in Art. 7 der Charta garantierte Recht (Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 31). Daraus folgt, dass es einen Eingriff in das in Art. 7 der Charta garantierte Recht darstellt, wenn ein Anwalt u. a. seine Identität oder den Umstand offenlegt, dass eine Konsultation, mit der er betraut war, stattgefunden hat, sofern diese Offenlegung zwingend ist und ohne die Zustimmung seines Mandanten erfolgt.

74      Nach Art. 5n Abs. 10 der Verordnung Nr. 833/2014 „können“ die zuständigen Behörden Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung „unter ihnen geeignet erscheinenden Bedingungen“ genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese für die in diesem Absatz abschließend aufgeführten Zwecke erforderlich sind.

75      Art. 12b Abs. 2a der Verordnung Nr. 833/2014 sieht vor, dass die zuständigen Behörden die Erbringung von Dienstleistungen, die dem streitigen Verbot unterliegen, genehmigen „können“, wenn diese Dienstleistungen für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich sind, sofern zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Voraussetzungen bestehen im Wesentlichen darin, dass die in Rede stehende Beratung nur für die aus dem Abzug von Investitionen hervorgehenden Organisationen erbracht wird und dass „keine hinreichenden Gründe zu der Annahme [bestehen], dass die Dienstleistungen mittelbar oder unmittelbar für die Regierung Russlands oder für einen militärischen Endnutzer erbracht werden oder eine militärische Endverwendung in Russland haben könnten“.

76      Die Befreiungsbestimmungen erlauben es den zuständigen Behörden somit, das streitige Verbot in genau umschriebenen Situationen aufzuheben.

77      Diese Befreiungsbestimmungen lassen den zuständigen Behörden einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Modalitäten, nach denen ein Antrag auf Befreiung zu stellen, einzureichen und zu bearbeiten ist. Beispielsweise regeln diese Bestimmungen nicht, durch wen der Antrag bei den zuständigen nationalen Behörden gestellt wird. So steht es den Mitgliedstaaten frei, vorzusehen, dass dieser Antrag vom Anwalt oder einem Dritten oder sogar von der russischen Regierung oder der betreffenden in Russland niedergelassenen Organisation selbst gestellt werden kann, wobei diese im letztgenannten Fall weiterhin die Möglichkeit haben, gemäß Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014 die – auch informelle – Unterstützung eines Anwalts in Anspruch zu nehmen.

78      Ebenso wenig legen die streitigen Bestimmungen ausdrücklich oder auch nur implizit nahe, dass der Anwalt verpflichtet wäre, den zuständigen Behörden ohne Zustimmung seines Mandanten Informationen mitzuteilen, die unter das durch Art. 7 der Charta garantierte Berufsgeheimnis fallen.

79      Was die für die Bearbeitung des Befreiungsantrags erforderlichen Informationen angeht, wird in den Befreiungsbestimmungen auch nicht erwähnt, über welche Informationen die zuständige Behörde verfügen muss, um ihre Prüfung durchzuführen. Zwar erfordern die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen die Befreiungen gewährt werden können, dass diese Behörde im Rahmen der Anwendung von Art. 5n Abs. 10 der Verordnung Nr. 833/2014 den ihr unterbreiteten Sachverhalt sorgfältig prüft, da die zuständige Behörde für die Erteilung einer Genehmigung „feststellen“ muss, dass diese für einen der in den Befreiungsbestimmungen genannten Zwecke erforderlich ist. Gleiches gilt für Art. 12b Abs. 2a dieser Verordnung, da er vorsieht, dass sich die zuständige Behörde vergewissern muss, dass die Erbringung der Dienstleistungen für die festgelegten Tätigkeiten unbedingt erforderlich ist und die hierfür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt.

80      Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 51 Abs. 1 der Charta verpflichtet sind, bei der Durchführung des Rechts der Union die in der Charta verankerten Rechte zu achten. Sie haben daher bei der Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Befreiungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass Art. 7 der Charta unter Einhaltung der Voraussetzungen ihres Art. 52 Abs. 1 beachtet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2020, Privacy International, C‑623/17, EU:C:2020:790, Rn. 62 und 63).

81      Folglich führen die Befreiungsbestimmungen für sich genommen nicht zu einem Eingriff in das in Art. 7 der Charta garantierte Recht.

82      Darüber hinaus machen die Kläger geltend, dass Art. 5n Abs. 4 der Verordnung Nr. 833/2014, da er die Anwälte verpflichte, alle Verträge mit in Russland niedergelassenen juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen – auch solche, die vor dem 7. Oktober 2022 abgeschlossen worden seien – zu beenden, der durch Art. 7 der Charta geschützte Loyalitätspflicht des Anwalts jeden Inhalt nehme.

83      Da die Kläger ihr Vorbringen jedoch nicht weiter untermauert haben, haben sie nicht dargelegt, inwiefern Art. 5n Abs. 4 der Verordnung Nr. 833/2014 zu einem Eingriff in die Loyalitätspflicht des Rechtsanwalts und in das in Art. 7 der Charta garantierte Recht führen soll.

84      Somit ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

85      Selbst wenn sich aus den Befreiungsbestimmungen ein Eingriff in das in Art. 7 der Charta garantierte anwaltliche Berufsgeheimnis ergeben sollte, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte zulässt, sofern die betreffenden Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind. Diese müssen auch den Wesensgehalt des in Rede stehenden Grundrechts achten sowie unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich sein und den von der Europäischen Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148, vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 34, und vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 77 und 144).

86      Was erstens das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte angeht, bedeutet dieses, dass der Rechtsakt, der den Eingriff in die Grundrechte ermöglicht, den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss. Dieses Erfordernis schließt zum einen aber nicht aus, dass die fragliche Einschränkung hinreichend offen formuliert ist, um Anpassungen an verschiedene Fallgruppen und an Änderungen der Lage zu erlauben. Zum anderen kann der Gerichtshof gegebenenfalls die konkrete Tragweite der Einschränkung im Wege der Auslegung präzisieren, und zwar anhand sowohl des Wortlauts als auch der Systematik und der Ziele der fraglichen Unionsregelung, wie sie im Licht der durch die Charta garantierten Grundrechte auszulegen sind (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Insoweit begrenzen Art. 5n Abs. 4 bis 9 der Verordnung Nr. 833/2014 (im Folgenden: Ausnahmebestimmungen) und die Befreiungsbestimmungen den Umfang des in Art. 5n Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014 aufgestellten Verbots für Anwälte, Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung für die russische Regierung und für in Russland niedergelassene Organisationen zu erbringen. Entgegen dem Vorbringen der Anwaltskammer Genf ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 52 bis 63, dass die dem streitigen Verbot unterliegenden Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung ausdrücklich bezeichnet werden.

88      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das streitige Verbot im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen ist.

89      Was zweitens die Achtung des Wesensgehalts des in Art. 7 der Charta garantierten Rechts auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Befreiungsbestimmungen weder eine Verpflichtung noch auch nur eine Erlaubnis für den Anwalt vorsehen, der zuständigen Behörde ohne die Zustimmung seines Mandanten Informationen über den Inhalt ihrer Kommunikation oder den genauen Inhalt der erbetenen Konsultation mitzuteilen. Im Übrigen können die Befreiungsbestimmungen nur in Situationen geltend gemacht werden, die keinen Bezug zu einem Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren aufweisen, so dass sie in keiner Weise zur Offenlegung von Informationen im Zusammenhang mit solchen gegenwärtigen oder zu erwartenden Verfahren führen können.

90      Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Befreiungsbestimmungen den Wesensgehalt des in Art. 7 der Charta verankerten Rechts auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant beeinträchtigen.

91      Drittens ist hinsichtlich der Geeignetheit der Befreiungsbestimmungen zu prüfen, ob die Beschränkungen des Berufsgeheimnisses, zu denen sie führen können, durch von der Europäischen Union anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen gerechtfertigt sind und ob sie diesen dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprechen.

92      Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Befreiungsbestimmungen ist untrennbar mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des streitigen Verbots selbst verbunden. Die Befreiungsbestimmungen stellen nämlich nur eine Eingrenzung des streitigen Verbots dar.

93      In diesem Zusammenhang hat das Gericht entschieden, dass die Bedeutung der mit den Verordnungen 2022/1904, 2022/2474 und 2023/427 verfolgten Ziele, nämlich der Schutz der territorialen Unversehrtheit, der Souveränität und der Unabhängigkeit der Ukraine und die Unterstützung einer friedlichen Beilegung der Krise in diesem Land – die sich in das übergeordnete Ziel der Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit in Einklang mit den in Art. 21 EUV genannten Zielen des auswärtigen Handelns der Union einfügen –, auch erhebliche negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigt, die für die Situation, die zum Erlass der Sanktionen geführt hat, nicht verantwortlich sind (Urteil vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat, T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 171; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 202).

94      Aus dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/1909 ergibt sich, dass „[d]ie Union … nach wie vor uneingeschränkt die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine [unterstützt]“. In den Erwägungsgründen 3 bis 8 dieses Beschlusses wird der Ernst der Lage in der Ukraine dargelegt und der Schluss gezogen, dass die „Mitglieder des Europäischen Rates erklärten, dass sie die restriktiven Maßnahmen der Union gegen die illegalen Handlungen Russlands verschärfen und den Druck auf Russland, seinen Angriffskrieg zu beenden, weiter verstärken werden“. Ferner heißt es im neunten Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/1909, dass „[es a]ngesichts des Ernstes der Lage … angezeigt [ist], neue restriktive Maßnahmen einzuführen“, zu denen gemäß den Erwägungsgründen 12 und 13 dieses Beschlusses auch das streitige Verbot gehört.

95      Aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904 geht im Übrigen hervor, dass diese neuen restriktiven Maßnahmen „[a]ngesichts der weiteren Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ angenommen wurden. Im 19. Erwägungsgrund dieser Verordnung, der den 13. Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/1909 aufgreift, werden sodann die Arten der verbotenen Rechtsberatungsdienstleistungen dargelegt.

96      Der Rat trägt vor, aus den einschlägigen Erwägungsgründen des Beschlusses 2022/1909 und der Verordnung 2022/1904 gehe hervor, dass das streitige Verbot zum Ziel habe, den Druck auf die Russische Föderation weiter zu verstärken, damit sie ihren Angriffskrieg beende. Zu diesem Zweck ziele das streitige Verbot darauf ab, die Schwierigkeit für die russische Regierung und die in Russland niedergelassenen Organisationen bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen oder Kapital in der Union zu erhöhen, indem ihnen die für solche Geschäfte erforderliche technisch-rechtliche Unterstützung vorenthalten werde.

97      Aus den vorgenannten Erwägungsgründen ergibt sich, dass die Mitglieder des Europäischen Rates und damit der Rat angesichts der sich verschlechternden Lage in der Ukraine den Druck auf die Russische Föderation durch zusätzliche restriktive Maßnahmen erhöhen wollten, deren Ziel darin bestand, zur Beendigung des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine beizutragen. Da die von Juristen der Union erbrachten Rechtsberatungsdienstleistungen für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeiten der russischen Regierung und jeder in Russland niedergelassenen Organisation in der Union wesentlich sind, ist ein Verbot dieser Dienstleistungen geeignet, die Ausübung solcher Tätigkeiten zu beschränken. Eine solche Beschränkung kann daher die wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen des russischen Regimes begrenzen und dadurch die Kosten für die Handlungen der Russischen Föderation zur Untergrabung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine in die Höhe treiben.

98      In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das fragliche Verbot mit den Ausnahme- und den Befreiungsbestimmungen versehen ist, die die Auswirkungen dieses Verbots hinsichtlich seines sowohl sachlichen als auch persönlichen Anwendungsbereichs abschwächen können.

99      Zunächst beschränken nämlich die Ausnahmebestimmungen die Tragweite des allgemeinen Verbots der Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen, indem sie u. a. Rechtsberatungsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einem Gerichts‑, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren erbracht werden, vom sachlichen Anwendungsbereich dieses Verbots ausnehmen. Somit unterliegt diesem Verbot nur die Rechtsberatung in nicht streitigen Angelegenheiten.

100    Sodann sieht zum einen Art. 5n Abs. 10 der Verordnung Nr. 833/2014 die Möglichkeit vor, für bestimmte Rechtsberatungsdienstleistungen, die sich in Anbetracht der dort aufgeführten Bereiche als besonders notwendig oder nützlich für die Union erweisen können und mit den Zielen des auswärtigen Handelns der Union in Einklang stehen, vom streitigen Verbot abzuweichen, indem in diesem Absatz Sektoren aufgeführt sind, die nicht unter die sektorspezifischen restriktiven Maßnahmen fallen.

101    Zum anderen sieht Art. 12b Abs. 2a der Verordnung Nr. 833/2014 ferner die Möglichkeit vor, für bestimmte Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung von dem streitigen Verbot abzuweichen, wenn diese Dienstleistungen für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich sind, sofern zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass diese Befreiung zwar zeitlich begrenzt war (ursprünglich bis zum 31. Dezember 2023), jedoch durch die Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung der Verordnung Nr. 833/2014 (ABl. 2023, L 159 I, S. 1) bis zum 31. März 2024 und anschließend durch die Verordnung (EU) 2023/2878 des Rates vom 18. Dezember 2023 zur Änderung der Verordnung Nr. 833/2014 (ABl. L, 2023/2878) bis zum 31. Juli 2024 verlängert wurde.

102    Schließlich ist auch der persönliche Anwendungsbereich dieses Verbots begrenzt. Es betrifft nämlich nur juristischen Dienstleistungen, die für die russische Regierung und in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen erbracht werden. Somit fallen Rechtsberatungen, die u. a. für natürliche Personen erbracht werden, nicht unter dieses Verbot.

103    Folglich entspricht das streitige Verbot in angemessener und kohärenter Weise dem Ziel, den Druck auf die Russische Föderation weiter zu verstärken, damit sie ihren Angriffskrieg beendet. Da die Befreiungsbestimmungen es erlauben, das streitige Verbot in genau umschriebenen Situationen aufzuheben, verfolgen sie selbst diese dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung.

104    Viertens ist zu prüfen, ob der Eingriff in das Grundrecht auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant, der sich aus den Befreiungsbestimmungen ergeben kann, auf das beschränkt ist, was zur Erreichung der mit den Verordnungen 2022/1904, 2022/2474 und 2023/427 verfolgten Ziele erforderlich ist.

105    Insoweit ist festzustellen, dass die Befreiungsbestimmungen, wie insbesondere oben in Rn. 100 dargelegt, darauf abzielen, das streitige Verbot aus politischen, humanitären, strategischen und wirtschaftlichen Gründen – insbesondere in Situationen, die sich als vorteilhaft für die Union erweisen können – aufzuheben. Wie sich oben aus den Rn. 100 und 101 ergibt, beschränken diese Befreiungsbestimmungen insoweit die Tragweite des streitigen Verbots und gewährleisten somit dessen Verhältnismäßigkeit. Im Übrigen können diese Bestimmungen insofern, als sie die Strenge des streitigen Verbots mildern, die Verfolgung des mit diesem Verbot verfolgten legitimen Gesamtziels beeinträchtigen, das darin besteht, die wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen des russischen Regimes zu begrenzen, damit dieses seinen Angriffskrieg in der Ukraine beendet. Daher ist es gerechtfertigt, dass die zuständigen Behörden das streitige Verbot erst aufheben können, nachdem sie festgestellt haben, dass dies erforderlich ist und die in den Befreiungsbestimmungen aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind.

106    Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Befreiungsbestimmungen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Ziele des streitigen Verbots wirksam zu erreichen und zugleich dessen Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten.

107    Der dritte Teil des ersten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, dass das streitige Verbot einen Eingriff in Art. 7 der Charta darstelle, ist somit jedenfalls unbegründet. Folglich ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zum zweiten Klagegrund: Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit und die Werte der Rechtsstaatlichkeit sowie Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

108    Der zweite Klagegrund gliedert sich in zwei Teile.

a)      Zum ersten Teil: Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit und die Werte der Rechtsstaatlichkeit

109    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes umfasst zwei Rügen. Mit diesen beiden Rügen ersuchen die Kläger das Gericht, die Rechtmäßigkeit des streitigen Verbots im Licht von Art. 2 EUV zu prüfen.

110    Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, hält das auf die in Art. 2 EUV verankerten Werte der Union gestützte Vorbringen der Kläger für unzulässig, da es nicht hinreichend untermauert sei.

111    Daher ist zunächst die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen, sodann die Rüge eines Eingriffs in die anwaltliche Unabhängigkeit und schließlich die Rüge eines Eingriffs in die Werte der Rechtsstaatlichkeit.

1)      Zur Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 76 der Verfahrensordnung

112    Nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Darstellung muss zudem nach ständiger Rechtsprechung so klar und genau sein, dass der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht – gegebenenfalls, ohne weitere Angaben einholen zu müssen – über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist nämlich für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass Klagegründe, die in der Klageschrift nicht hinreichend substantiiert angeführt worden sind, als unzulässig anzusehen sind. Entsprechende Erfordernisse gelten für eine zur Stützung eines Klagegrundes vorgebrachte Rüge (vgl. Urteil vom 12. Februar 2020, Kampete/Rat, T‑164/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:54, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Im vorliegenden Fall machen die Kläger unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR und des Gerichtshofs geltend, dass die Wahrung der grundlegenden Aufgabe des Anwalts, nämlich der Verteidigung der Rechtsuchenden, erforderlich sei, um innerhalb der Union die in Art. 2 EUV aufgeführten Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder auch die Menschenrechte sowie die Gewährleistung der in den Art. 7 und 47 der Charta verankerten Grundrechte zu fördern.

114    Der Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit ergebe sich insbesondere daraus, dass das streitige Verbot durch seine Befreiungsbestimmungen die Möglichkeit für Anwälte einschränke, Mandate anzunehmen und anschließend auszuführen. Insoweit beeinträchtige das streitige Verbot die grundlegende Aufgabe des Anwalts und damit die in Art. 2 EUV aufgeführten Grundwerte.

115    Die Kläger machen somit geltend, dass das streitige Verbot dadurch, dass es die Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen durch Anwälte grundsätzlich einschränke, gegen die in Art. 2 EUV aufgeführten Grundwerte verstoßen könne.

116    Daraus folgt, dass die Kläger die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sie sich stützen, wenn auch in gedrängter Form, zusammenhängend und verständlich in der Klageschrift dargelegt haben.

117    Folglich ist die auf Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung gestützte Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

2)      Zur ersten Rüge: Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit

118    Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, machen geltend, dass die Pflicht, eine Genehmigung zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung einzuholen, einen Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit darstelle, die notwendig sei, um die Achtung der in Art. 2 EUV verankerten Werte der Union wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu gewährleisten. Die anwaltliche Unabhängigkeit sei somit notwendig, um die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

119    Die angefochtenen Bestimmungen beeinträchtigten die Unabhängigkeit von Anwälten sowohl gegenüber der staatlichen Behörde als auch gegenüber ihren Mandanten und hinderten sie daran, ihren Loyalitätspflichten diesen gegenüber nachzukommen. Die in diesen Vorschriften vorgesehenen Ausnahmen seien begrenzt und beträfen nur einen Teil der Rechtsberatungsdienstleistungen. Die Kläger weisen darauf hin, dass die vom Rat der Europäischen Anwaltschaften verfassten Berufsregeln der europäischen Rechtsanwälte dem entgegenstünden, dass ein Dritter, und erst recht eine Behörde, Einfluss auf das Verfahren zur Annahme und Durchführung der Mandate des Anwalts ausübe.

120    Die Kläger weisen außerdem darauf hin, dass die Behörden keine Maßnahmen ergreifen dürften, die die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdeten. Der Umstand, dass nationale oder europäische Behörden die Bereiche, in denen Anwälte tätig werden dürften, oder den Personenkreis, den sie beraten dürften, beschränken könnten, sei ein Eingriff in die Unabhängigkeit der Anwälte und nicht nur in ihre Freiheit, bestimmte Dienstleistungen zu erbringen.

121    Die Anwaltskammer Genf fügt hinzu, dass die Unabhängigkeit des Anwalts gegenüber Behörden, Dritten und seinen Mandanten durch Art. 47 der Charta und Art. 2 EUV geschützt sei. Das streitige Verbot beeinträchtige diese Unabhängigkeit in ungerechtfertigter Weise; der Anwalt müsse jedoch frei entscheiden können, ob er einen Fall bearbeite oder nicht, um für niemanden die Möglichkeit zu beschränken, seine Rechte geltend zu machen.

122    Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, bestreitet jeden Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit.

123    Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass aus Art. 2 EUV insbesondere hervorgeht, dass sich die Union auf Werte wie die Rechtsstaatlichkeit gründet, die allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft, die sich u. a. durch Gerechtigkeit auszeichnet, gemeinsam sind (Urteil vom 20. April 2021, Repubblika, C‑896/19, EU:C:2021:311, Rn. 62). Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, da eine wirksame, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienende gerichtliche Kontrolle dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124    Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass der Anwalt ein Hilfsorgan der Rechtspflege ist, der dem Mandanten in völliger Unabhängigkeit die von diesem benötigte rechtliche Unterstützung gewährt. Der Gerichtshof hat nämlich die Aufgabe der Anwälte anerkannt, die darin besteht, in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren, die dieser benötigt (Urteil vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, EU:C:1982:157, Rn. 24). Ferner weist der Gerichtshof darauf hin, dass die grundlegende Aufgabe des Anwalts zum einen das Erfordernis, dessen Bedeutung in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird, umfasst, wonach es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an seinen Anwalt zu wenden, zu dessen Beruf es schon seinem Wesen nach gehört, all denen unabhängig Rechtsberatung zu erteilen, die sie benötigen, und zum anderen das damit zusammenhängende Erfordernis der Loyalität des Anwalts seinem Mandanten gegenüber (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2022, Orde van Vlaamse Balies u. a., C‑694/20, EU:C:2022:963, Rn. 28).

125    Außerdem ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Unabhängigkeit des Anwalts für die Wahrung des Rechts seines Mandanten auf einen wirksamen Rechtsbehelf von besonderer Bedeutung ist und macht die Zulässigkeit von Klagen, die von Privatpersonen erhoben werden, davon abhängig, dass der Kläger durch einen unabhängigen Dritten vertreten wird. Das Ziel der in Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten, in der Vertretung einer Partei bestehenden Aufgabe eines Anwalts besteht nämlich vor allem darin, unter Beachtung der Berufs- und Standesregeln die Interessen des Mandanten zu schützen und zu verteidigen. Das Unabhängigkeitserfordernis ist nicht nur negativ, d. h. durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern auch positiv, d. h. unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten, zu definieren. In Bezug auf den letztgenannten Punkt ist die Unabhängigkeit nicht als das Fehlen jeglicher Verbindung des Anwalts zu seinem Mandanten zu verstehen, sondern lediglich dahin, dass es keine Verbindung geben darf, die offensichtlich seine Fähigkeit beeinträchtigt, seiner Aufgabe nachzukommen, die darin besteht, die Verteidigung seines Mandanten durch den bestmöglichen Schutz von dessen Interessen unter Beachtung der Berufs- und Standesregeln sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. März 2022, PJ und PC/EUIPO, C‑529/18 P und C‑531/18 P, EU:C:2022:218, Rn. 65, 66 und 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Das Recht des Rechtsuchenden auf in völliger Unabhängigkeit erteilte Rechtsberatung durch einen Anwalt ist somit untrennbar mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verbunden.

126    Schließlich hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98), ergangen ist, nach der Feststellung, dass es keine Unionsvorschriften zur anwaltlichen Unabhängigkeit gibt, den anwendbaren nationalen Rechtsrahmen, nämlich die vom Nederlandse Orde van Advocaten (Niederländische Anwaltskammer) erlassene Samenwerkingsverordening 1993 (Zusammenarbeitsverordnung von 1993) herangezogen, um die Grenzen der anwaltlichen Unabhängigkeit zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a., C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 99 bis 102).

127    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Gerichtshof trotz des Fehlens einer primärrechtlichen Norm, in der die anwaltliche Unabhängigkeit verankert und definiert wird, die Bedeutung einer solchen Unabhängigkeit für die Gewährleistung des Rechts des Einzelnen auf einen wirksamen Rechtsbehelf in Situationen, die einen Bezug zu einem Gerichtsverfahren aufweisen, anerkannt hat.

128    Zwar ergibt sich aus den von den Klägern angeführten Bestimmungen der Berufsregeln der europäischen Rechtsanwälte, wonach die anwaltliche Unabhängigkeit „für die außergerichtliche Tätigkeit ebenso wichtig [ist] wie für die Tätigkeit vor Gericht“, dass sich die Unabhängigkeit auch auf Rechtsberatungstätigkeiten erstrecken kann, die keinen Bezug zu einem Gerichtsverfahren aufweisen.

129    Die Bestimmungen der Berufsregeln für europäische Rechtsanwälte sind jedoch keine unionsrechtlichen Vorschriften und können keine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der anwaltlichen Unabhängigkeit auf Unionsebene darstellen. Außerdem beeinträchtigen diese Bestimmungen nicht die Freiheit der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausübung des Anwaltsberufs in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln. Die für diesen Beruf geltenden Regeln können daher in den einzelnen Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen (Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a., C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 99). Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kläger nicht angegeben haben, wie die anwaltliche Unabhängigkeit in Belgien konkret aufgefasst wird. Jedenfalls ergibt sich aus den Bestimmungen der Berufsregeln für europäische Rechtsanwälte, dass mit der dort vertretenen Unabhängigkeit im Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit sichergestellt werden soll, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht aus Gefälligkeit, unabhängig von jedem persönlichen Interesse und ohne Druck dritter Personen berät. Diese Bestimmungen betreffen somit die Art und Weise, in der der Anwalt seine Beratungstätigkeit ausüben muss. Die Bestimmungen der Berufsregeln für europäische Rechtsanwälte können daher nicht als Rechtfertigung dafür angeführt werden, dass die anwaltliche Unabhängigkeit, die vom Gerichtshof als notwendig für den Schutz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf anerkannt wird, den Anwälten völlige Freiheit bei der Wahl ihres Mandats in allen Bereichen der Rechtsberatung garantieren kann.

130    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes, dass das streitige Verbot nicht für anwaltliche Rechtsberatungsdienstleistungen gilt, die einen Bezug zu einem Gerichtsverfahren aufweisen, und dass es daher keinen Eingriff in das durch Art. 47 der Charta gewährleistete Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf darstellt.

131    Somit ist nicht erwiesen, dass das streitige Verbot zu einem Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit führen kann, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Schutz dieses Rechts anerkannt ist.

132    Selbst wenn man davon ausginge, dass die anwaltliche Unabhängigkeit – ebenso wie der Schutz des Berufsgeheimnisses nach Art. 7 der Charta – auch außerhalb eines Rechtsstreits anerkannt werden müsste und ein Eingriff in diese Unabhängigkeit festgestellt würde, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass eine solche Unabhängigkeit nicht bedeutet, dass der Anwaltsberuf keinen Einschränkungen unterworfen werden darf. Diese Unabhängigkeit kann nämlich Beschränkungen unterworfen werden, die durch im Allgemeininteresse liegende Ziele der Union gerechtfertigt sind, sofern diese Beschränkungen keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die anwaltliche Unabhängigkeit in ihrem Wesensgehalt antasten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148).

133    Zum einen ergibt sich jedoch aus den vorstehenden Rn. 94 bis 103, dass das streitige Verbot, wie es u. a. durch die Befreiungsbestimmungen abgegrenzt wird, dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen verfolgt.

134    Zum anderen ermöglichen es die Befreiungsbestimmungen den zuständigen Behörden zwar, das streitige Verbot für bestimmte Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung aufzuheben, erlauben ihnen jedoch nicht, auf den Inhalt der Beratung, die der Anwalt gegebenenfalls für die russische Regierung oder eine in Russland niedergelassene Organisation erbringt, Einfluss zu nehmen. Gleiches gilt für das streitige Verbot selbst. Kann der Anwalt eine Befreiung oder sogar eine Ausnahme in Anspruch nehmen, so bleibt er bei der Ausübung seiner Beratungstätigkeit für seinen Mandanten frei. Das streitige Verbot und insbesondere die Befreiungsbestimmungen stellen somit keinen unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff dar, der die anwaltliche Unabhängigkeit in ihrem Wesensgehalt antasten würde.

135    Selbst wenn ein Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit vorliegen sollte, wäre dieser daher gerechtfertigt und verhältnismäßig.

136    Folglich ist die erste Rüge des ersten Teils des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen

3)      Zur zweiten Rüge: Eingriff in die Werte der Rechtsstaatlichkeit

137    Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, machen geltend, dass die Wahrung der Aufgabe der Anwälte zur Förderung der in Art. 2 EUV verankerten Grundwerte erforderlich sei. Das streitige Verbot untergrabe somit die Rechtsstaatlichkeit, die mehrere Grundsätze umfasse, einschließlich der Grundsätze der Rechtssicherheit, des Zugangs zu Gerichten und der Gerechtigkeit sowie die Achtung der Menschenrechte. Der Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung, auch in nicht streitigen Angelegenheiten, ermögliche es, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, was durch eine Vielzahl von Dokumenten politischer und rechtlicher Art bestätigt werde. Diese Beeinträchtigung der Rechtsstaatlichkeit sei offensichtlich unverhältnismäßig, und das streitige Verbot könne nicht im Einklang mit höherrangigen Rechtsnormen ausgelegt werden.

138    Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, tritt dem Standpunkt der Kläger entgegen. Insbesondere ist der Rat der Ansicht, dass die von den Klägern im Stadium der Erwiderung hinzugefügten Angaben über eine bloße Erweiterung hinausgingen und daher nach Art. 84 der Verfahrensordnung unzulässig seien.

139    Nacheinander sind die Einrede der Unzulässigkeit des Rates und die Begründetheit der zweiten Rüge des ersten Teils des zweiten Klagegrundes der Kläger zu prüfen.

i)      Zur Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 84 der Verfahrensordnung

140    Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

141    Im vorliegenden Fall haben die Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen, dass die Beurteilung der rechtlichen Situation einer Person, die durch die Rechtsberatung ermöglicht werde, eine wesentliche Tätigkeit in einem Rechtsstaat sei. Die Erteilung einer solchen Beratung durch einen Anwalt sei daher durch die Art. 7 und 47 der Charta garantiert und stelle zudem einen allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Wert dar.

142    Die Kläger haben sodann in der Erwiderung darauf hingewiesen, dass der Begriff „Rechtsstaatlichkeit“ u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Zugangs zu Gerichten und der Gerechtigkeit umfasse, wie der Rat in seiner Klagebeantwortung selbst festgestellt habe. Im Anschluss an ihre Klageschrift haben sie ferner darauf hingewiesen, dass die Menschenrechte in Art. 2 EUV verankert seien.

143    Weiter führten die Kläger aus, dass der – durch das streitige Verbot eingeschränkte – Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung notwendig sei, um die Achtung der genannten Rechte und Grundsätze sicherzustellen. Der Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung sei daher erforderlich, um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu garantieren.

144    Damit stellen die von den Klägern in der Erwiderung vorgetragenen Argumente eine Erweiterung der in der Klageschrift enthaltenen Klagegründe und Rügen dar und sind daher zulässig.

145    Die Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

ii)    Zum Eingriff in die Werte der Rechtsstaatlichkeit

146    Das Gericht weist darauf hin, dass der Grundsatz, wonach sich die Union namentlich auf den Wert des Rechtsstaats gründet, sowohl aus Art. 2 EUV, der zu den gemeinsamen Bestimmungen des EU-Vertrags gehört, als auch aus dem das auswärtige Handeln der Union betreffenden Art. 21 EUV hervorgeht, auf den der die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) betreffende Art. 23 EUV Bezug nimmt (Urteil vom 22. Juni 2021, Venezuela/Rat [Betroffenheit eines Drittstaats], C‑872/19 P, EU:C:2021:507, Rn. 49).

147    Wie oben in den Rn. 40 und 41 ausgeführt, kommt dem in Art. 47 der Charta verankerten Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren als Garant des Wertes der Rechtsstaatlichkeit, die verlangt, dass alle natürlichen und juristischen Personen der Union freien Zugang zum Unionsrecht und die Einzelnen die Möglichkeit haben, ihre Rechte und Pflichten eindeutig zu erkennen, grundlegende Bedeutung zu.

148    Das Gericht hat im Übrigen darauf hingewiesen, dass es eine nicht erschöpfende Aufzählung der Grundsätze und Normen gibt, die die „Rechtsstaatlichkeit“ ausmachen. Dazu gehören u. a. die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Rechtssicherheit, das Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle einschließlich der Wahrung der Grundrechte sowie der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Klyuyev/Rat, T‑340/14, EU:T:2016:496, Rn. 88).

149    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger mit ihrem Vorbringen keinen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit als solche rügen, sondern einen Verstoß gegen die Werte, die die Rechtsstaatlichkeit ausmachen und in den Grundsätzen des Unionsrechts ihre rechtliche Ausprägung finden.

150    Mit ihrem ersten Argument machen die Kläger geltend, dass die Möglichkeit für jede Person, sowohl in streitigen als auch in nicht streitigen Angelegenheiten freien Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung zu erhalten, durch den Grundsatz der Rechtssicherheit gewährleistet sei.

151    Dieser elementare Grundsatz des Unionsrechts verlangt insbesondere, dass eine Regelung klar und deutlich ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und sich somit in ihrem Verhalten darauf einstellen können (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 161).

152    Der Grundsatz der Rechtssicherheit bezieht sich mithin auf die Merkmale, die Rechtsvorschriften ihrem Wesen nach aufweisen müssen. Wie der Rat zu Recht ausführt, besteht dieser Grundsatz dagegen nicht darin, Anwälten oder anderen Angehörigen der Rechtsberufe die Möglichkeit zu garantieren, Beratung dazu zu erteilen, wie diese Regeln zu verstehen sind.

153    Das erste Argument der Kläger ist daher zurückzuweisen.

154    Mit ihrem zweiten Argument tragen die Kläger vor, dass die Möglichkeit für jede Person, sowohl in streitigen als auch in nicht streitigen Angelegenheiten freien Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung zu erhalten, den Zugang zu Gerichten sicherstelle.

155    Wie der Rat feststellt, wird das Recht auf Zugang zu Gerichten durch Art. 47 der Charta garantiert. Wie sich aus der Antwort auf den ersten Teil des ersten Klagegrundes ergibt, wird das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand zur Wahrung der sich aus Art. 47 der Charta ergebenden Garantien nur anerkannt, wenn ein Bezug zu einem Gerichtsverfahren besteht. Im vorliegenden Fall gilt das streitige Verbot nach der oben in den Rn. 51 und 60 bis 63 dargestellten Auslegung jedoch gerade nicht für Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung, die einen solchen Bezug aufweisen.

156    Wie in der Antwort auf den ersten Klagegrund dargelegt, ist im Übrigen in keiner Vorschrift des Unionsrechts, einschließlich Art. 2 EUV, ein Grundrecht auf Einholung anwaltlicher Beratung in nicht streitigen Angelegenheiten verankert.

157    Das zweite Argument der Kläger ist daher zurückzuweisen.

158    Mit ihrem dritten Argument machen die Kläger geltend, dass die Möglichkeit für jede Person, sowohl in streitigen als auch in nicht streitigen Angelegenheiten freien Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung zu erhalten, in einer Gesellschaft die Achtung der Menschenrechte, insbesondere des in Art. 7 der Charta verankerten Grundrechts auf Achtung des Privatlebens, gewährleiste.

159    Es ist festzustellen, dass die Kläger neben dem in Art. 7 der Charta verankerten Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant hinaus keine anderen Rechte benennen, die durch das streitige Verbot und die Befreiungsbestimmungen beeinträchtigt sein sollen. Wie jedoch im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ausgeführt, bewirkt dieses Verbot, einschließlich der Befreiungsbestimmungen, keinen Eingriff in das in Art. 7 der Charta verankerte Grundrecht.

160    Das dritte Argument der Kläger ist daher nicht stichhaltig.

161    Mit ihrem vierten Argument tragen die Kläger vor, dass die Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen in nicht streitigen Angelegenheiten Teil der wesentlichen, durch die Werte der Rechtsstaatlichkeit geschützten anwaltlichen Tätigkeit sei.

162    Wie sich oben aus den Rn. 52 bis 63 ergibt, kann aus der Rechtsprechung des EGMR oder des Gerichtshofs jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Art. 7 und 47 der Charta, einzeln oder zusammen betrachtet, ein Recht auf anwaltliche Beratung in nicht streitigen Angelegenheiten verleihen. Das in Art. 47 der Charta garantierte Recht auf anwaltliche Beratung findet nur Anwendung, wenn ein Bezug zu einem Gerichtsverfahren besteht.

163    Außerdem wird die Erbringung von Rechtsberatung durch einen Anwalt in nicht streitigen Angelegenheiten weder durch Art. 2 EUV noch durch das Unionsrecht im weiteren Sinn gewährleistet.

164    Das vierte Argument der Kläger ist daher nicht stichhaltig.

165    Mit ihrem fünften Argument machen die Kläger geltend, das streitige Verbot könne nicht in einem Sinn ausgelegt werden, der mit der Rechtsstaatlichkeit vereinbar sei. Dieses Verbot bestehe nämlich darin, die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung vollständig zu verbieten, was mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit, des Zugangs zu Gerichten, der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte unvereinbar sei.

166    Wie der Rat vorträgt, ist der Anwendungsbereich des streitigen Verbots jedoch begrenzt. Es ist durch die Ausnahme- und die Befreiungsbestimmungen eingegrenzt worden. In Anbetracht dieser Bestimmungen hat das Gericht in Beantwortung des ersten Klagegrundes festgestellt, dass das streitige Verbot keinen Eingriff in die durch die Art. 7 und 47 der Charta garantierten Rechte darstellt und dass ein Eingriff, sein Vorliegen in Bezug auf Art. 7 der Charta unterstellt, nicht gegen Art. 52 Abs. 1 der Charta verstieße. Aus denselben Gründen verkennt das streitige Verbot daher auch nicht die von Klägern geltend gemachten Grundsätze des Zugangs zu Gerichten, der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte. Im Übrigen ist festzustellen, dass das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend gemacht wird, im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ins Leere geht.

167    Das fünfte Argument der Kläger ist daher zurückzuweisen.

168    Mit ihrem sechsten und letzten Argument machen die Kläger geltend, die behauptete Beeinträchtigung der Werte der Rechtsstaatlichkeit stelle eine Maßnahme dar, die zur Verfolgung der vom Rat genannten Ziele offensichtlich ungeeignet sei.

169    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich jedoch, dass keine Beeinträchtigung der Werte der Rechtsstaatlichkeit nachgewiesen worden ist.

170    Das sechste Argument der Kläger ist daher zurückzuweisen.

171    Nach alledem ist die zweite Rüge des ersten Teils des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

b)      Zum zweiten Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

172    Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, machen hilfsweise geltend, dass die Verordnungen 2022/1904, 2022/2474 und 2023/427 gegen den in Art. 5 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstießen. Die Einführung einer allgemeinen Regelung zum Verbot der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung sei nämlich nicht geeignet, die verfolgten legitimen Ziele zu erreichen, und gehe über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele unbedingt erforderlich sei.

173    Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

174    Hierzu weist das Gericht darauf hin, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt, dass die von einer Bestimmung des Unionsrechts eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 13. März 2012, Melli Bank/Rat, C‑380/09 P, EU:C:2012:137, Rn. 52).

175    Ferner ist in Bezug auf die gerichtliche Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber in Bereichen, in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Beurteilungen vornehmen muss, über einen großen Wertungsspielraum verfügt. Eine in einem solchen Bereich erlassene Maßnahme ist nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des vom zuständigen Organ verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist (Urteile vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 146, und vom 15. Februar 2023, Belaeronavigatsia/Rat, T‑536/21, EU:T:2023:66, Rn. 68).

176    Wie oben in den Rn. 93 bis 103 ausgeführt, entspricht das streitige Verbot in angemessener und kohärenter Weise dem Ziel, den Druck auf die Russische Föderation weiter zu verstärken, damit sie ihren Angriffskrieg beendet, und kann jedenfalls nicht als im Hinblick auf dieses Ziel offensichtlich ungeeignet angesehen werden. Schon aus diesem Grund ist festzustellen, dass das streitige Verbot nicht gegen Art. 5 EUV verstößt.

177    Selbst wenn die Kläger mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes einen unverhältnismäßigen Eingriff in die grundlegende Aufgabe der Anwälte, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und zu verteidigen, geltend machen sollten, ist darüber hinaus jedenfalls festzustellen, dass diese Aufgabe nicht uneingeschränkt besteht und Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch im Allgemeininteresse liegende Ziele der Union gerechtfertigt sind, sofern die Beschränkungen keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die Aufgabe, die Anwälten in einem Rechtsstaat anvertraut wird, in ihrem Wesensgehalt antasten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 148).

178    Da die Kläger weder einen Eingriff in die anwaltliche Unabhängigkeit, wie sie im Hinblick auf das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf anerkannt ist, noch in die Werte der Rechtsstaatlichkeit dargetan haben, ist auch nicht erwiesen, dass das streitige Verbot den Wesensgehalt der von Anwälten in einem Rechtsstaat wahrgenommenen Aufgabe antastet.

179    Somit ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes unbegründet und ist zurückzuweisen.

3.      Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

180    Die Kläger, unterstützt durch die Bundesrechtsanwaltskammer und die Anwaltskammer Genf, machen geltend, dass die Bestimmungen, durch die das streitige Verbot eingeführt werde, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstießen. Sie seien weder klar noch präzise und ließen keine Vorhersehbarkeit hinsichtlich ihrer Anwendung zu.

181    Erstens lasse sich dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904 in Verbindung mit Art. 5n Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 833/2014 in geänderter Fassung nicht entnehmen, welche Dienstleistungen vom streitigen Verbot ausgenommen seien.

182    Zweitens sei die in Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014 in Bezug auf den Einklang mit den Zielen der Verordnungen 2022/2474 und 2023/427 sowie der Verordnung Nr. 269/2014 vorgesehene Ausnahme nicht hinreichend bestimmt, da in diesen Verordnungen nicht festgelegt sei, welche Ziele sie verfolgten.

183    Drittens sei der in Art. 5n Abs. 7 der Verordnung Nr. 833/2014 verwendete Begriff der „gemeinsamen oder alleinigen Kontrolle“ durch eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats, eines dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörenden Landes, der Schweiz oder eines Partnerlands gegründete oder eingetragene juristische Person, Organisation oder Einrichtung unverständlich.

184    Viertens lasse sich dem Wortlaut des streitigen Verbots nicht entnehmen, ob Tätigkeiten wie die Rechtsvertretungsdienstleistungen in vorgerichtlichen Verfahren, Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Abzug von Investitionen oder der Abwicklung von Geschäftstätigkeiten von Unternehmen in Russland, die Erstellung einer Anteilsübertragungsurkunde im Zusammenhang mit einem von einer Organisation der Union vorgenommenen Erwerb eigener Anteile von russischen Anteilsinhabern, die Fortführung einer Konsultation auf der Grundlage einer vor dem 7. Oktober 2022 geschlossenen Vereinbarung oder auch ein Wortbeitrag auf einer Konferenz zu Rechtsfragen oder die Organisation einer solchen Konferenz, wenn es sich bei den Teilnehmern um Beschäftigte einer in Russland niedergelassenen Organisation handele, verboten seien oder nicht.

185    Die Kläger fügen hinzu, dass der Rat Anpassungen und Klarstellungen der Tragweite der Bestimmungen vorgenommen habe, durch die das streitige Verbot eingeführt werde, ohne damit jedoch den Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beheben. Es handele sich um Klarstellungen, die nach dem Erlass des streitigen Verbots vorgenommen und größtenteils nicht veröffentlicht worden seien, während der Begriff der – verbotenen – „Rechtsberatungsdienstleistungen in nichtstreitigen Angelegenheiten“ noch immer nicht klar bestimmt sei.

186    Der Rat, unterstützt durch die Republik Estland, die Europäische Kommission und den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen.

187    In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtssicherheit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, insbesondere gebietet, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sind. Eine Sanktion, selbst wenn sie keinen strafrechtlichen Charakter besitzt, darf nur dann verhängt werden, wenn sie auf einer klaren und eindeutigen Rechtsgrundlage beruht. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt u. a., dass jede Unionsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat, T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

188    Ebenso ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Existenz vager Begriffe in einer Bestimmung nicht zwangsläufig zu einem Verstoß gegen Art. 7 EMRK führt und die Tatsache, dass ein Gesetz einen Wertungsspielraum verleiht, als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit verletzt, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Wertungsspielraums im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu bieten. Dabei berücksichtigt die Rechtsprechung neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden (vgl. Urteil vom 4. September 2015, NIOC u. a./Rat, T‑577/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:596, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

189    Außerdem steht das mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen – der verlangt, dass das Gesetz die Straftaten und die Strafen klar definieren muss – einhergehende Erfordernis der Vorhersehbarkeit einem durch das Gesetz verliehenen Wertungsspielraum, dessen Umfang und Ausübungsmodalitäten hinreichend deutlich festgelegt sind, nicht entgegen. Diese Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch für restriktive Maßnahmen, die zwar an und für sich keine Maßnahmen zur Ahndung von Zuwiderhandlungen, sondern Präventivmaßnahmen darstellen, aber die Rechte und Freiheiten der Betroffenen stark beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 4. September 2015, NIOC u. a./Rat, T‑577/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:596, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung).

190    Das Vorbringen der Kläger ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.

191    Mit ihrem ersten Argument machen die Kläger geltend, dass dem Wortlaut des 19. Erwägungsgrundes der Verordnung 2022/1904 und der Bestimmungen über das streitige Verbot nicht zu entnehmen sei, welche Rechtsberatungsdienstleistungen verboten seien.

192    Der 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2022/1904 beschränkt sich zwar darauf, die weit gefassten Kategorien von Rechtsberatungsdienstleistungen, die dem streitigen Verbot unterliegen, und diejenigen, die diesem Verbot nicht unterliegen, zu bestimmen, doch wird das streitige Verbot in Art. 5n Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 833/2014 genauer eingegrenzt.

193    Selbst wenn man annimmt, dass die Rechtsanwälte die fraglichen Bestimmungen eng ausgelegt haben könnten, indem sie keine zur Vorbeugung, Abwendung oder Vorbereitung eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens erforderliche Rechtsberatung erbracht haben, genügt jedenfalls der Hinweis, dass, wie in Beantwortung des ersten Klagegrundes ausgeführt wurde, der Wortlaut von Art. 5n der Verordnung Nr. 833/2014, insbesondere dessen Abs. 5 und 6, es den Klägern jedenfalls ermöglicht, zwischen Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung, die nicht unter das streitige Verbot fallen, und denjenigen, die davon erfasst werden, zu unterscheiden.

194    Das erste Argument der Kläger greift daher nicht durch.

195    Mit ihrem zweiten Argument tragen die Kläger vor, das in Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014 vorgesehene Erfordernis des Einklangs mit den Zielen der Verordnung Nr. 833/2014 und der Verordnung Nr. 269/2014 sei ungenau.

196    Im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 833/2014 heißt es, dass die Annahme restriktiver Maßnahmen es ermöglichen soll, „die Kosten für die Handlungen Russlands zu erhöhen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben, und … eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen“.

197    Darüber hinaus wird im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 269/2014 klargestellt, dass „eine Lösung der Krise durch Verhandlungen zwischen den Regierungen der Ukraine und der Russischen Föderation gefunden werden sollte … und dass die Union über weitere Maßnahmen, wie beispielsweise Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögenswerten und die Absage des Gipfeltreffens EU-Russland, entscheiden wird, falls innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens keine Ergebnisse zu verzeichnen sind“. Der sechste Erwägungsgrund weist darauf hin, dass diese Verordnung „im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen [steht], die insbesondere mit der Charta … anerkannt wurden, insbesondere mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten“.

198    Mit dem in Art. 5n Abs. 6 der Verordnung Nr. 833/2014 vorgesehenen Erfordernis des Einklangs mit den mit der Verordnung Nr. 833/2014 und der Verordnung Nr. 269/2014 verfolgten Zielen soll somit sichergestellt werden, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme nicht das Ziel in Frage stellt, unter Wahrung der durch die Charta garantierten Grundsätze Druck auf die Russische Föderation auszuüben, damit sie ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet. Wie der Rat hervorhebt, soll dieses Erfordernis jede missbräuchliche Inanspruchnahme der im vorgenannten Abs. 6 genannten Ausnahme verhindern und ist somit hinreichend deutlich.

199    Das zweite Argument der Kläger ist daher zurückzuweisen.

200    Mit ihrem dritten Argument machen die Kläger geltend, der Begriff „Kontrolle“ in Art. 5n Abs. 7 der Verordnung Nr. 833/2014, der die Begriffe „alleinige Kontrolle“ und „gemeinsame Kontrolle“ umfasse, sei unverständlich, da er nicht in dieser Verordnung definiert sei.

201    Der Rat weist jedoch zu Recht darauf hin, dass der Gerichtshof im Bereich der restriktiven Maßnahmen bereits entschieden hat, dass eine „Gesellschaft als Gesellschaft, die ‚im Eigentum oder unter der Kontrolle‘ einer anderen Einrichtung steht, eingestuft werden kann, wenn Letztere in der Lage ist, auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft Einfluss zu nehmen, auch wenn zwischen den beiden Wirtschaftsteilnehmern weder in rechtlicher Hinsicht noch in Bezug auf das Eigentum oder die Kapitalbeteiligung Beziehungen bestehen“ (Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 75).

202    Folglich ist das dritte Argument der Kläger zurückzuweisen.

203    Mit ihrem vierten Argument machen die Kläger geltend, dass das angefochtene Verbot eine Reihe von Ungenauigkeiten hinsichtlich seiner Tragweite enthalte.

204    Keine der behaupteten Ungenauigkeiten kann jedoch zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit führen.

205    Zunächst erlaubt der Wortlaut von Art. 5n Abs. 5 der Verordnung Nr. 833/2014, wie oben aus Rn. 61 hervorgeht, Rechtsberatungsdienstleistungen im Rahmen vorgerichtlicher Verfahren zu erbringen.

206    Was sodann den Abzug von Investitionen oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten von Unternehmen in Russland anbelangt, ergibt sich aus Art. 5n Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014, dass die Rechtsberatung in Bezug auf solche Geschäfte verboten ist, wenn sie für die russische Regierung und für in Russland niedergelassene Organisationen bestimmt ist. Ein solches Verbot kann nur unter den Voraussetzungen aufgehoben werden, die zum einen in Art. 5n Abs. 7 und zum anderen in Art. 12b Abs. 2a der Verordnung Nr. 833/2014 vorgesehen sind.

207    Im Übrigen verbietet Art. 5n Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014 die Rechtsberatung in Bezug auf eine Anteilsübertragungsurkunde für und im Zusammenhang mit einem von einer Organisation der Union vorgenommenen Erwerb eigener Anteile von aktuellen russischen Anteilsinhabern, sofern diese Beratung unmittelbar oder mittelbar für die russische Regierung oder für in Russland niedergelassene Organisationen bestimmt ist. Insoweit ist es unerheblich, ob das in Rede stehende, auf der Grundlage dieser Rechtsberatung durchgeführte Geschäft letztlich mittelbar der russischen Regierung oder in Russland niedergelassenen Organisationen zugutekommen kann.

208    Darüber hinaus ist das streitige Verbot gemäß Art. 2 der Verordnung 2022/1904 am 7. Oktober 2022 in Kraft getreten. Daraus folgt, dass es Anwälten grundsätzlich untersagt ist, der russischen Regierung oder in Russland niedergelassenen Organisationen im Rahmen der Fortführung einer Konsultation auf der Grundlage einer Mandatsvereinbarung oder eines vor dem 7. Oktober 2022 geschlossenen Vertrags Rechtsberatung zu erteilen. Dieses Verbot kann nur unter den in Art. 5n Abs. 4 der Verordnung Nr. 833/2014 festgelegten Voraussetzungen aufgehoben werden, d. h. für Rechtsberatung, die gerade deshalb zu erbringen ist, um vor dem 7. Oktober 2022 geschlossene Verträge vor dem in diesem Absatz genannten Stichtag zu beenden.

209    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5n Abs. 2 der Verordnung Nr. 833/2014 verbietet, für die russische Regierung oder in Russland niedergelassene Organisationen auch nur mittelbar Dienstleistungen im Bereich der Rechtsberatung zu erbringen. Dieses Verbot steht jedoch einem Wortbeitrag auf einer Konferenz, an dem ein Beschäftigter der russischen Regierung oder einer in Russland niedergelassenen Organisation teilnimmt, nicht entgegen, sofern dieser Wortbeitrag allgemein gehalten ist und nicht darauf hinausläuft, eine Beratung zur Auslegung und Anwendung einer Rechtsnorm auf eine bestimmte Situation zu erteilen, die die Entscheidungsfindung der russischen Regierung, einer russischen Organisation oder einer bestimmten Kategorie russischer Organisationen erleichtern kann.

210    Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

211    Da die drei von den Klägern geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen worden sind, ist die Klage jedenfalls abzuweisen, ohne dass über ihre Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.

IV.    Kosten

212    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

213    Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.

214    Nach Art. 138 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung tragen die Bundesrechtsanwaltskammer, die Anwaltskammer Genf, die Republik Estland, die Kommission und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Der Ordre néerlandais des avocats du barreau de Bruxelles und die weiteren Kläger, die im Anhang des Urteils namentlich aufgeführt sind, tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.

3.      Die Bundesrechtsanwaltskammer, der Ordre des avocats de Genève, die Republik Estland, die Europäische Kommission und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik tragen ihre eigenen Kosten.

van der Woude

Papasavvas

da Silva Passos

Kornezov

Truchot

Gervasoni

Półtorak

Nihoul

Öberg

Mac Eochaidh

Pynnä

Martín y Pérez de Nanclares

Brkan

Zilgalvis

Gâlea

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. Oktober 2024.

Unterschriften




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