Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
6. November 2024(* )
„ Staatliche Beihilfen – Freizone Madeira – Von Portugal angewandte Beihilferegelung – Beschluss, mit dem die Unvereinbarkeit der Regelung mit den Beschlüssen C(2007) 3037 final und C(2013) 4043 final festgestellt, diese Regelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und die Rückforderung der nach dieser Regelung gezahlten Beihilfen angeordnet wird – Begriff ,bestehende Beihilfe‘ im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung (EU) 2015/1589 – Rückforderung – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Niederlassungsfreiheit – Freizügigkeit der Arbeitnehmer “
In den Rechtssachen T‑713/22 und T‑720/22,
Portumo – Madeira – Montagem e Manutenção de Tubaria, SA (Zona Franca da Madeira) mit Sitz in Funchal (Portugal),
Ponticelli – Consultadoria Técnica, SA (Zona Franca da Madeira) mit Sitz in Funchal,
Ponticelli Angoil – Serviços Para a Indústria Petrolífera, SA (Zona Franca da Madeira) mit Sitz in Funchal,
vertreten durch Rechtsanwälte M. Muñoz Pérez und P. Casillas Vázquez,
Klägerinnen in der Rechtssache T‑713/22,
Nova Ship Invest, Unipessoal, Lda (Zona Franca da Madeira) mit Sitz in Funchal, vertreten durch Rechtsanwälte Muñoz Pérez und Casillas Vázquez,
Klägerin in der Rechtssache T‑720/22,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch I. Barcew und P. Caro de Sousa als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen, des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares und der Richterin M. Stancu (Berichterstatterin),
Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der Entscheidungen vom 16. Januar 2023, das Verfahren nicht bis zur abschließenden Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache auszusetzen, in der inzwischen das Urteil vom 4. Juli 2024, Portugal/Kommission (Freizone Madeira) (C‑736/22 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2024:579), ergangen ist,
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2024
folgendes
Urteil
1 Mit ihren Klagen nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Portumo – Madeira – Montagem e Manutenção de Tubaria, SA (Zona Franca da Madeira), die Ponticelli – Consultadoria Técnica, SA (Zona Franca da Madeira) und die Ponticelli Angoil – Serviços Para a Indústria Petrolífera, SA (Zona Franca da Madeira) sowie die Nova Ship Invest, Unipessoal, Lda (Zona Franca da Madeira), die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2022/1414 der Kommission vom 4. Dezember 2020 über die von Portugal durchgeführte Beihilferegelung SA.21259 (2018/C) (ex 2018/NN) zugunsten der Freizone Madeira (Zona Franca da Madeira, ZFM) – Regelung III (ABl. 2022, L 217, S. 49, im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Regelung für die Freizone Madeira (Portugal, im Folgenden: ZFM) besteht in Form verschiedener Steuervergünstigungen, die im Rahmen des Centro Internacional de Negócios da Madeira (Internationales Geschäftszentrum Madeira), des Registo Internacional de Navios da Madeira (Internationales Schiffsregister von Madeira) und der Zona Franca Industrial (industrielle Freizone) gewährt werden.
3 Diese Regelung wurde erstmals 1987 durch die Entscheidung der Kommission vom 27. Mai 1987 in der Sache N 204/86 (SG[87] D/6736) als mit dem Binnenmarkt vereinbare Regionalbeihilfe genehmigt. Ihre Verlängerung wurde anschließend durch die Entscheidung der Kommission vom 27. Januar 1992 in der Sache E 13/91 (SG[92] D/1118) und danach durch die Entscheidung der Kommission vom 3. Februar 1995 in der Sache E 19/94 (SG[95] D/1287) genehmigt.
4 Die Nachfolgeregelung (im Folgenden: Regelung II) wurde durch eine Entscheidung der Kommission vom 11. Dezember 2002 in der Sache N 222A/01 (im Folgenden: Entscheidung von 2002) genehmigt.
5 Auf der Grundlage der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13, im Folgenden: Leitlinien von 2007) wurde eine dritte Regelung (im Folgenden: Regelung III) durch die Entscheidung der Kommission vom 27. Juni 2007 in der Sache N 421/2006 (im Folgenden: Entscheidung von 2007) für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2013 genehmigt. Die Kommission genehmigte diese Regelung als mit dem Binnenmarkt vereinbare Betriebsbeihilfe für die Förderung der regionalen Entwicklung und der Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur von Madeira als Gebiet in äußerster Randlage im Sinne von Art. 299 Abs. 2 EG (jetzt Art. 349 AEUV).
6 Bei der Regelung III handelt es sich um eine reduzierte Körperschaftsteuer auf tatsächlich und materiell aus Aktivitäten auf Madeira erwirtschaftete Gewinne (3 % von 2007 bis 2009, 4 % von 2010 bis 2012 und 5 % von 2013 bis 2020), eine Befreiung von kommunalen und lokalen Steuern sowie eine Befreiung von Grunderwerbsteuern für die Gründung eines Unternehmens in der ZFM, wobei die Beihilfehöchstbeträge sich nach Obergrenzen in Bezug auf die jährliche Bemessungsgrundlage des Begünstigten richten. Diese Obergrenzen werden nach Maßgabe der Zahl der Arbeitsplätze festgelegt, die bei dem Begünstigten im jeweiligen Steuerjahr erhalten werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Unternehmen, die in der industriellen Freizone der ZFM registriert sind, eine weitere Senkung der Körperschaftsteuer um 50 % gewährt werden.
7 Der Zugang zur Regelung III beschränkte sich auf Tätigkeiten gemäß einer der Entscheidung von 2007 beigefügten Liste. Außerdem waren von der Anwendung der Regelung III alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit Finanzintermediationen, Versicherungs- und Hilfstätigkeiten im Finanz- und Versicherungsbereich sowie „konzerninterne Dienstleistungen“ (Koordinierungs‑, Treasury- und Vertriebszentren) als „Dienstleistungen vorrangig für Unternehmen“ ausgenommen.
8 Eine geänderte Fassung der Regelung III wurde durch den Beschluss der Kommission vom 2. Juli 2013 in der Sache SA.34160 (2011/N) (im Folgenden: Beschluss von 2013) für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2013 genehmigt. Diese behält dieselben Voraussetzungen wie die in der Regelung III vorgesehenen bei, vorbehaltlich einer Anhebung der Obergrenzen für die Bemessungsgrundlage, auf die eine ermäßigte Körperschaftsteuer angewandt wird, um 36,7 %.
9 In der Folge wurde die Verlängerung der geänderten Regelung III bis zum 30. Juni 2014 durch den Beschluss der Kommission vom 26. November 2013 in der Sache SA.37668 (2013/N) genehmigt. Die Verlängerung dieser Regelung bis Ende 2014 wurde durch den Beschluss der Kommission vom 8. Mai 2014 in der Sache SA.38586 (2014/N) genehmigt.
10 Am 12. März 2015 leitete die Kommission auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 1 AEUV und Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) eine Überwachung der Regelung III für die Jahre 2012 und 2013 ein.
11 Mit Schreiben vom 6. Juli 2018 setzte die Kommission die Portugiesische Republik von ihrem Beschluss in Kenntnis, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV in Bezug auf die Regelung III einzuleiten (ABl. 2019, C 101, S. 7, im Folgenden: Beschluss über die Einleitung des förmlichen Verfahrens).
12 Dieses Verfahren wurde aufgrund von Zweifeln der Kommission eingeleitet, die zum einen die Anwendung der Steuerbefreiungen auf Einkünfte, die mit tatsächlich und materiell in der Autonomen Region Madeira (im Folgenden: ARM) ausgeübten Tätigkeiten erwirtschaftet werden, und zum anderen den Zusammenhang zwischen der Höhe der Beihilfe und der Schaffung und Erhaltung von echten Arbeitsplätzen auf Madeira betrafen.
13 Nach Abschluss dieses Verfahrens erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss, dessen verfügender Teil wie folgt lautet:
„Artikel 1
Die Beihilferegelung mit dem Titel ‚Zona Franca da Madeira (ZFM) – Regime III‘ (Zona Franca da Madeira (ZFM) – Regelung III) wurde, soweit sie von Portugal unter Verstoß gegen die Entscheidung [von 2007] und den Beschluss [von 2013] durchgeführt wurde, von Portugal unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] rechtswidrig in Kraft gesetzt und ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.
Artikel 2
Einzelbeihilfen, die auf der Grundlage der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt werden, stellen keine Beihilfen dar, sofern sie zum Zeitpunkt ihrer Gewährung die Voraussetzungen erfüllen, die in einer nach Artikel 2 der Verordnung (EU) 2015/1588 erlassenen und zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfen geltenden Verordnung vorgesehen sind.
Artikel 3
Einzelbeihilfen, die auf der Grundlage der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt werden und zum Zeitpunkt ihrer Gewährung die Voraussetzungen der in Artikel 1 genannten Beschlüsse oder die Voraussetzungen, die in einer nach Artikel 1 der Verordnung … 2015/1588 erlassenen Verordnung vorgesehen sind, [erfüllen,] sind bis zu den für diese Art von Beihilfen geltenden Beihilfehöchstintensitäten mit dem Binnenmarkt vereinbar.
Artikel 4
(1) Portugal fordert die mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfen, die auf der Grundlage der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt wurden, von den Begünstigten zurück.
…
(4) Portugal hebt die mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilferegelung in dem in Artikel 1 genannten Umfang auf und stellt mit dem Tag des Erlasses dieses Beschlusses alle Zahlungen für die Beihilfen ein.
Artikel 5
(1) Die Beihilfen, die auf der Grundlage der in Artikel 1 genannten Regelung gewährt wurden, werden sofort in wirksamer Weise zurückgefordert.
(2) Portugal stellt sicher, dass dieser Beschluss innerhalb von acht Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird.
…“
Anträge der Parteien
14 Die Klägerinnen beantragen im Wesentlichen,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– hilfsweise, Art. 4 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses und die darin enthaltene Anordnung zur Rückforderung der Beihilfe für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
15 Die Kommission beantragt,
– die Klagen abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
16 Nach Anhörung der Parteien beschließt das Gericht, die Rechtssachen T‑713/22 und T‑720/22 gemäß Art. 68 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden.
17 Die Klägerinnen stützen ihre Klagen auf vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügen sie im Wesentlichen Rechtsfehler, die der Kommission dadurch unterlaufen seien, dass sie die Auffassung vertreten habe, dass die Regelung III von der Portugiesischen Republik unter Verstoß gegen die Entscheidung von 2007 und den Beschluss von 2013 (im Folgenden: Beschlüsse von 2007 und 2013), gegen die Leitlinien von 2007 und gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV durchgeführt worden sei, sowie dadurch, dass sie die Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Regelung eng und den Art. 21, 45, 49, 54 und 56 AEUV zuwiderlaufend ausgelegt habe. Der zweite Klagegrund betrifft einen Rechtsfehler, den die Kommission dadurch begangen haben soll, dass die Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung III mit dem Binnenmarkt nicht unmittelbar und ausschließlich auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV erfolgt sei, auf einer fehlerhaften Auslegung der Leitlinien von 2007 im Widerspruch zu dieser Bestimmung beruhe und gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoße. Mit dem dritten und dem vierten Klagegrund wird die Rechtswidrigkeit der in Art. 4 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Rückforderungsanordnung geltend gemacht.
Zum ersten Klagegrund: Rechtsfehler der Kommission dadurch, dass sie die Auffassung vertreten habe, dass die Regelung III von der Portugiesischen Republik unter Verstoß gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013, gegen die Leitlinien von 2007 und gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV durchgeführt worden sei, sowie dadurch, dass sie die Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Regelung eng und den Art. 21, 45, 49, 54 und 56 AEUV zuwiderlaufend ausgelegt habe
Gegenstand des ersten Klagegrundes
18 Mit ihrem ersten Klagegrund machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass die portugiesischen Behörden die Regelung III zutreffend ausgelegt und durchgeführt hätten, so wie sie von der Kommission mit den Beschlüssen von 2007 und 2013 genehmigt worden sei. Der Kommission seien daher Rechtsfehler dadurch unterlaufen, dass sie die Auffassung vertreten habe, dass die portugiesischen Behörden im Rahmen der Durchführung dieser Regelung zum einen die Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gelte, und zum anderen die Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM, die beide durch die Regelung II eingeführt worden seien, nicht korrekt angewandt hätten. Die Kommission habe ferner dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie davon ausgegangen sei, dass die portugiesischen Behörden keine geeigneten und wirksamen steuerlichen Kontrollen durchgeführt hätten, um zu prüfen, ob die Begünstigten diese beiden Voraussetzungen eingehalten hätten.
19 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn ein Kläger der Auffassung ist, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Modalitäten der Zahlung von Einzelbeihilfen im Rahmen einer zuvor genehmigten Beihilferegelung nicht mit dieser vorherigen Genehmigung vereinbar seien, das Vorbringen dieser Partei dahin zu verstehen ist, dass mit ihm beanstandet wird, dass die Kommission es abgelehnt habe, diese Beihilfen rechtlich als „bestehende Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) zu beurteilen, also als Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat der Europäischen Union genehmigt wurden (Urteil vom 21. September 2022, Portugal/Kommission [Freizone Madeira], T‑95/21, EU:T:2022:567, Rn. 100).
20 Daher ist der erste Klagegrund sinngemäß dahin zu verstehen, dass mit ihm beanstandet wird, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 150 bis 180 und 228 sowie in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses die Regelung III in der durchgeführten Form nicht einer „bestehenden Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung 2015/1589 gleichgesetzt habe, deren Vereinbarkeit im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung bestehender Beihilferegelungen nach Art. 108 Abs. 1 AEUV zu beurteilen gewesen wäre, sondern sie im 180. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses als „rechtswidrige Beihilfe“ und daher als „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung 2015/1589 eingestuft habe, die gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV verstoße.
Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes
21 Was als Erstes die Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gilt, betrifft, hat die Kommission nach Ansicht der Klägerinnen bei der Auslegung dieser Voraussetzung einen Rechtsfehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass für von in der ZFM registrierten Gesellschaften außerhalb der ARM ausgeübte Tätigkeiten die ermäßigte Körperschaftsteuer nicht in Anspruch genommen werden könne. Diese von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ sei zu eng und widerspreche dem Sinn dieses Ausdrucks nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch bei der Verwendung im Rahmen einer Steuerregelung sowie dem Zusammenhang und den Zielen, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt würden. Bei einer solchen Auslegung würden zudem die Art. 49 und 56 AEUV außer Acht gelassen, da sie mit Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einhergehe, die zur Verwirklichung des mit den Beschlüssen von 2007 und 2013 verfolgten Ziels weder geeignet noch angemessen seien.
22 So sind die Klägerinnen erstens der Meinung, dass bei der Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ der Tragweite Rechnung zu tragen sei, die dieser Wendung im Bereich der internationalen Besteuerung, namentlich im Aktionsplan der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung sowie in den allgemeinen Leitlinien für die Bewertung der Maßnahmen im Rahmen dieses Aktionsplans, zugemessen werde. In diesem Bereich sei es aber weitgehend akzeptiert, dass die Einkünfte aus einer von einer Körperschaft ausgeübten Tätigkeit am Ort des steuerlichen Sitzes oder am Ort des tatsächlichen Verwaltungszentrums der Körperschaft besteuert werden könnten, sofern sie dort eine nennenswerte Tätigkeit ausübe.
23 Was zweitens den Zusammenhang angeht, in dem die Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ verwendet worden sei, führen die Klägerinnen aus, dass die Leitlinien von 2007 – anders als bei regionalen Investitionsbeihilfen – im Fall von Betriebsbeihilfen mit regionaler Zielsetzung wie der Regelung III keine explizite Verknüpfung zwischen den beihilfefähigen Tätigkeiten und der geografischen Zone des fraglichen Gebiets herstellten.
24 Was drittens die Ziele betrifft, die mit der Regelung, in der diese Wendung enthalten ist, verfolgt werden, sind die Klägerinnen der Meinung, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV die Zulässigkeit von Regionalbeihilfen für Gebiete in äußerster Randlage allein davon abhängig mache, dass sie zu deren Entwicklung beitrügen, unabhängig von der Frage des Ausgleichs der sich aus der Abgelegenheit dieser Gebiete ergebenden Mehrkosten. Zudem stehe die enge Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ im Widerspruch zur praktischen Wirksamkeit der Entscheidung von 2007 und zu dem mit dieser verfolgten Ziel, da es ganze Bereiche von Tätigkeiten gebe, für die, obwohl sie in dieser Entscheidung als für die Regelung III in Betracht kommend aufgeführt seien, diese Regelung in der Praxis nicht in Anspruch genommen werden könnte.
25 Viertens impliziere die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ im Widerspruch zu den Art. 49 und 56 AEUV stehende Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, da sie die in der ZFM registrierten Gesellschaften davon abhalte, ihre Tätigkeit außerhalb der ARM auszuüben. Derartige Beschränkungen seien zur Verwirklichung des Ziels, das die Beschlüsse von 2007 und 2013 verfolgen müssten, nämlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der ARM beizutragen, aber weder geeignet noch angemessen.
26 Was als Zweites die Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM angeht, sind der Kommission den Klägerinnen zufolge bei der Auslegung dieser Voraussetzung mehrere Rechtsfehler unterlaufen.
27 Erstens werfen sie der Kommission vor, im angefochtenen Beschluss die Ansicht vertreten zu haben, dass die portugiesischen Behörden für die Berechnung der Zahl der von jedem Begünstigten der Regelung III geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze auf die Methodik der Definition der Arbeitsplätze in „Vollzeitäquivalenten“ (VZÄ) und in der „Zahl der jährlichen Arbeitseinheiten“ (JAE) hätten zurückgreifen müssen.
28 In Ermangelung einer Definition des Begriffs „Arbeitsplatz“ in den Beschlüssen von 2007 und 2013 hätte dieser Begriff gemäß seiner gewöhnlichen Bedeutung verstanden werden müssen, nämlich in Bezug auf jeden Fall eines Arbeitsverhältnisses, das abgabenrechtlich die Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und zu Einbehalten bei der Zahlung von Arbeitsentgelten entstehen lässt, unabhängig davon, welchen zeitlichen Aufwand dieses Verhältnis voraussetzt, und somit unabhängig vom in JAE ausgedrückten Äquivalent der geleisteten Arbeit. Diese gewöhnliche Bedeutung stehe im Übrigen im Einklang mit dem Kontext der Beschlüsse von 2007 und 2013 sowie mit deren Ziel, d. h., zur wirtschaftlichen Entwicklung der ARM beizutragen. Zudem hätten die portugiesischen Behörden in Ermangelung eines einheitlichen Begriffs auf der Ebene der Europäischen Union durchaus auf den Begriff „Arbeitsplatz“ im Sinne des portugiesischen Rechts zurückgreifen können, der ein eindeutiges und objektives Kriterium für die Feststellung sei, ob die Begünstigten Stellen geschaffen hätten oder nicht. Schließlich sei die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM nur ein Nebenziel gegenüber dem erstrangigen Ziel der Regelung III, nämlich zur wirtschaftlichen Entwicklung dieses Gebiets beizutragen.
29 Zweitens beanstanden die Klägerinnen die Beurteilung der Kommission, dass zum Zweck der Überprüfung, ob die Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen ordnungsgemäß angewandt worden sei, allein die in der ARM geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze zu berücksichtigen seien. Diese Beurteilung stehe im Widerspruch zu den Grundsätzen der Freizügigkeit, insbesondere der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 21 und 45 AEUV), indem sie die Möglichkeit erschwere, sei es für einen von einem in der ZFM niedergelassenen Unternehmen eingestellten Arbeitnehmer, außerhalb der ARM zu wohnen und seiner Berufstätigkeit nachzugehen, sei es für ein solches Unternehmen, Arbeitnehmer zu gewinnen, die nicht in dieser Region wohnten oder dort nicht wohnen wollten.
30 Drittens weist Nova Ship Invest, Unipessoal (Zona Franca da Madeira) ergänzend darauf hin, dass Holdinggesellschaften der Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM nicht unterworfen seien, so dass der Kommission im angefochtenen Beschluss ein Rechtsfehler unterlaufen sei, da sie bei der Untersuchung, ob diese Voraussetzung eingehalten worden sei, keinerlei Beschränkung nach Maßgabe der begünstigten Unternehmen festgelegt habe.
31 Was als Drittes die steuerlichen Kontrollen betrifft, die die portugiesischen Behörden durchgeführt hätten, um die ordnungsgemäße Anwendung der Voraussetzungen zu prüfen, und zwar zum einen der Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gilt, und zum anderen der Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM, ist der Kommission nach Ansicht der Klägerinnen ein Rechtsfehler dadurch unterlaufen, dass sie im angefochtenen Beschluss zu der Auffassung gelangt sei, dass sich anhand der durchgeführten steuerlichen Kontrollen nicht habe überprüfen lassen, ob die Begünstigten diese beiden Voraussetzungen für den Zugang zur Regelung III erfüllt hätten.
32 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
– Zur Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gilt
33 Aufgrund des Vorbringens der Klägerinnen ist zu ermitteln, ob trotz des Wortlauts der Regelung III sowie dem der Beschlüsse von 2007 und 2013, die die Gewährung genehmigter Beihilfen von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Gewinne der in der ZFM registrierten Gesellschaften durch „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte“ Tätigkeiten generiert werden, die portugiesischen Behörden – ohne gegen diese Beschlüsse zu verstoßen – die in dieser Regelung vorgesehenen Beihilfen auch für Gewinne gewähren durften, die aus außerhalb der ARM ausgeübten Tätigkeiten stammen.
34 Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem üblichen Sinn und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der Ziele der Regelung, zu der sie gehören, zu bestimmen (vgl. Urteil vom 27. Januar 2022, Zinātnes parks, C‑347/20, EU:C:2022:59, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann die Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ in ihrem üblichen Sinn jedoch selbst dann nicht dahin ausgelegt werden, dass sie Tätigkeiten erfasst, die außerhalb der ARM ausgeübt werden, wenn diese Tätigkeiten von in der ZFM registrierten Gesellschaften ausgeübt werden.
36 Dieses Ergebnis wird durch den Kontext des angefochtenen Beschlusses sowie durch die Ziele bestätigt, die mit der Unionsregelung im Bereich der staatlichen Beihilfen verfolgt werden, insbesondere durch das für Regionalbeihilfen geltende Ziel.
37 Zunächst geht aus den Beschlüssen, mit denen die Regelungen II und III genehmigt wurden, hervor, dass die Kommission und die portugiesischen Behörden in den Verwaltungsverfahren, an deren Ende diese Beschlüsse erlassen wurden, stets die Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ teilten. Diesen Umstand können die Unionsgerichte bei der genauen Abgrenzung des Anwendungsbereichs einer notifizierten Beihilferegelung aber auch dann nicht außer Acht lassen, wenn er den Klägerinnen nicht zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2010, Kahla Thüringen Porzellan/Kommission, C‑537/08 P, EU:C:2010:769, Rn. 45).
38 Aus der Entscheidung von 2002 geht nämlich hervor, dass die portugiesischen Behörden in dem Verwaltungsverfahren, an dessen Ende diese Entscheidung erlassen wurde, angaben, dass „die Steuervorteile auf die tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübten Tätigkeiten beschränkt sind, was es ermöglicht, die außerhalb Madeiras ausgeübten Tätigkeiten auszuschließen“.
39 Ebenso hatte die Kommission, wie aus dem 226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, „die Aufnahme einer ausdrücklichen Bestimmung in den von [der Portugiesischen Republik] am 28. Juni 2006 notifizierten Gesetzesentwurf gefordert …, nach der die Steuerermäßigungen auf die Gewinne aus den auf Madeira ausgeübten Tätigkeiten beschränkt sind“, was die Portugiesische Republik jedoch mit der Begründung ablehnte, dass „eine solche Bestimmung nicht erforderlich sei, da die fragliche Beschränkung sich aus der Rechtsgrundlage der ZFM … ergebe“.
40 Sodann ist der Wortlaut der Beschlüsse von 2007 und 2013, unterstellt, er könnte als mehrdeutig angesehen werden, im Einklang mit deren Rechtsgrundlagen, nämlich Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG (jetzt Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV) und Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV, sowie mit den Leitlinien von 2007 auszulegen.
41 Alle Ausnahmen von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt sind jedoch eng auszulegen (vgl. Urteil vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission, C‑277/00, EU:C:2004:238, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Ferner können – wie die Kommission in den Erwägungsgründen 153 und 154 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat – den Leitlinien von 2007, insbesondere deren Ziff. 6 und 76, zufolge Betriebsbeihilfen ausnahmsweise in Gebieten, die wie die ARM, deren Status als Gebiet in äußerster Randlage von der Kommission anerkannt wird, in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG (jetzt Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV) fallen, gewährt werden, wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sind und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist.
43 Ausweislich des 156. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses besteht die „Daseinsberechtigung“ regionaler Betriebsbeihilfen für Gebiete in äußerster Randlage jedoch darin, die Mehrkosten auszugleichen, die den Unternehmen in diesen Gebieten aufgrund der Nachteile der im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aufgeführten Art entstehen, denen diese Gebiete ausgesetzt sind. Dies bedeutet, dass solche Betriebsbeihilfen nur für die Tätigkeiten gewährt werden können, die von den Nachteilen und damit den diesen Gebieten eigenen Mehrkosten betroffen sind.
44 Somit kann die Inanspruchnahme dieser Beihilfen für Tätigkeiten ausgeschlossen werden, die außerhalb dieser Gebiete ausgeübt werden und daher von diesen Mehrkosten nicht betroffen sind, und zwar selbst dann, wenn sie von in diesen Gebieten ansässigen Unternehmen ausgeübt werden.
45 Schließlich wurde, wie die Kommission im 157. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, die Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung III in der Entscheidung von 2007 auf der Grundlage der Mehrkosten vorgenommen, die den in der ARM, und nicht außerhalb der ARM, tätigen Unternehmen entstanden sind.
46 Aus den Erwägungsgründen 44 bis 53 der Entscheidung von 2007 geht nämlich hervor, dass sich die Kommission auf eine von den portugiesischen Behörden vorgelegte Studie stützte, in der die „Mehrkosten des Privatsektors in der [ARM]“ ermittelt wurden. Außerdem sind die berücksichtigten Mehrkosten, d. h. insbesondere die Transport‑, Lager‑, Personal‑, Finanzierungs- und Vermarktungskosten, diejenigen, denen die Tätigkeiten unterliegen, die tatsächlich und materiell in der ARM ausgeübt werden, und nicht die Tätigkeiten, die außerhalb der ARM von in diesem Gebiet registrierten Gesellschaften ausgeübt werden. Schließlich wird diese Feststellung dadurch bestätigt, dass die Kommission im 48. Erwägungsgrund der Entscheidung von 2007 die fraglichen Mehrkosten als Prozentsatz der bloßen Bruttowertschöpfung des Privatsektors oder des BIP der ARM angesehen hat.
47 Abgesehen davon, dass sie weder im Wortlaut noch im Kontext der Beschlüsse von 2007 und 2013 eine Grundlage findet, widerspricht die von den Klägerinnen vertretene weite Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ folglich nicht nur den Zielen, die von Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG und Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV, den jeweiligen Rechtsgrundlagen für die Beschlüsse von 2007 und 2013, verfolgt werden, sondern auch den Leitlinien von 2007.
48 An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass die von der Kommission vertretene Auslegung nach dem Vorbringen der Klägerinnen von derjenigen abweichen könnte, die im Aktionsplan der OECD zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung sowie insbesondere in den allgemeinen Leitlinien für die Bewertung der Maßnahmen im Rahmen dieses Plans vertreten wird.
49 Denn die Kommission kann zwar im Rahmen der OECD angenommene Texte berücksichtigen, doch kann sie durch diese, namentlich bei der Anwendung der Vorschriften des AEU-Vertrags und insbesondere der Vorschriften über staatliche Beihilfen, in keiner Weise gebunden sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2021, Luxemburg und Amazon/Kommission, T‑816/17 und T‑318/18, EU:T:2021:252, Rn. 154, sowie Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache État luxembourgeois [Informationen über eine Gruppe von Steuerpflichtigen], C‑437/19, EU:C:2021:450, Nr. 67).
50 Die Kommission konnte daher im 167. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gelangen, dass die Regelung III in der durchgeführten Form in Bezug auf die Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, auf die die ermäßigte Körperschaftsteuer angewandt wurde, gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013 verstieß.
51 Dieses Ergebnis kann auch nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, die Kommission habe mit der Auslegung der Wendung „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübte Tätigkeiten“ dahin, dass sie die von in der ZFM registrierten Gesellschaften außerhalb dieses Gebiets ausgeübten Tätigkeiten nicht erfasse, nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Regelung III als Betriebsbeihilfe mit regionaler Zielsetzung für Gebiete in äußerster Randlage im Wesentlichen das Ziel gehabt habe, zur wirtschaftlichen Entwicklung dieses Gebiets beizutragen, wobei die Unternehmen diesen Beitrag unabhängig davon hätten leisten können, an welchem Ort sie ihre Tätigkeiten materiell ausübten, bzw. auch noch gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen.
52 Was erstens die Behauptung betrifft, das mutmaßliche Ziel der Regelung III, das bei einer Betriebsbeihilfe mit regionaler Zielsetzung für Gebiete in äußerster Randlage im Wesentlichen darin bestehe, zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Gebiete beizutragen, nicht aber darin, die Mehrkosten auszugleichen, die von den in diesen Gebieten niedergelassenen Unternehmen aufgrund der strukturellen Nachteile, denen diese Gebiete ausgesetzt seien, hinzunehmen seien, sei unzureichend berücksichtigt worden, ist festzustellen, dass die Klägerinnen damit nicht die Beurteilung der Kommission in Bezug auf die Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form mit den Beschlüssen von 2007 und 2013 und damit die rechtliche Beurteilung dieser Regelung als unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährte „neue Beihilfe“ im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung 2015/1589 in Frage stellen wollen.
53 Die Klägerinnen wollen vielmehr die Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung III anlässlich der Beschlüsse von 2007 und 2013 in Frage stellen, die bestandskräftig geworden sind, wobei sich ihr Vorbringen nicht als Einrede der Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse im Sinne von Art. 277 AEUV auslegen lässt.
54 Jedenfalls beruht das Vorbringen der Klägerinnen auf der falschen Prämisse, dass das Ziel der Regelung III als einer Betriebsbeihilfe mit regionaler Zielsetzung für ein Gebiet in äußerster Randlage im Wesentlichen darin bestehe, zur wirtschaftlichen Entwicklung der ARM beizutragen, und nur nachgeordnet darin, die der ARM eigenen Mehrkosten auszugleichen.
55 Wie oben in den Rn. 35 bis 47 bereits ausgeführt, ist allerdings sowohl dem Wortlaut der Beschlüsse von 2007 und 2013 als auch den Zielen der Unionsregelung im Bereich der staatlichen Beihilfen mit regionaler Zielsetzung in Gebieten in äußerster Randlage, auf die diese Beschlüsse gestützt sind, unzweideutig zu entnehmen, dass der Ausgleich der der ARM eigenen Mehrkosten in angemessenem Verhältnis ein zentrales Element dafür ist, dass die Kommission die Vereinbarkeit der Regelung III festgestellt hat.
56 Zweitens kann auch die Behauptung eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs keinen Erfolg haben.
57 Da das Gericht oben in Rn. 47 festgestellt hat, dass die Voraussetzung der Herkunft der Gewinne von der Kommission im angefochtenen Beschluss im Einklang mit dem Wortlaut und dem Kontext der Beschlüsse von 2007 und 2013, aber auch im Einklang mit den Zielen, die mit der Unionsregelung im Bereich der staatlichen Beihilfen verfolgt werden, ausgelegt wurde, stellen die Klägerinnen nämlich letztlich nicht die Auslegung dieser Voraussetzung im angefochtenen Beschluss in Frage, sondern die Auslegung dieser Voraussetzung, die die Kommission bei der Feststellung der Vereinbarkeit der Regelung III in den Beschlüssen von 2007 und 2013 vertreten hat.
58 Die Klägerinnen haben aber weder stillschweigend noch ausdrücklich eine Einrede der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse von 2007 und 2013 erhoben. Sie haben nämlich nicht erläutert, wodurch diese Beschlüsse gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen haben sollen.
59 Soweit dieses Vorbringen dahin zu verstehen ist, dass auf der Grundlage der oben in Rn. 58 angesprochenen Grundsätze die Feststellung der Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form beanstandet wird, wird dieser Vorwurf nachstehend in den Rn. 98 bis 105 im Rahmen der Beurteilung der Begründetheit des zweiten von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrundes geprüft werden.
60 Nach alledem hat die Kommission bei der Auslegung der in den Beschlüssen von 2007 und 2013 vorgesehenen Voraussetzung dahin, dass sich die in der Regelung III vorgesehenen Körperschaftsteuerermäßigungen nur auf die Gewinne aus „tatsächlich und materiell auf Madeira ausgeübten“ Tätigkeiten erstrecken durften, keinen Rechtsfehler begangen.
– Zur Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM
61 Die Klägerinnen werfen der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe unter Verstoß gegen die Ziele der Regelung III sowie gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Portugiesischen Republik zu Unrecht aufgegeben, bei der Prüfung, ob die Voraussetzung der Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM erfüllt sei, die VZÄ- und die JAE‑Methode unter Ausschluss des Begriffs „Arbeitsplatz“ im Sinne des portugiesischen Rechts anzuwenden. Zumindest habe sie ihr aufgegeben, dabei nach einer objektiven Berechnungsmethode die Arbeitszeit zu ermitteln, die jeder Inhaber eines zur Anwendung der Regelung III berechtigenden Arbeitsplatzes tatsächlich aufgewandt habe.
62 Dieses erste Argument der Klägerinnen beruht jedoch auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Beschlusses.
63 Denn die Schlussfolgerung, dass die Regelung III in der durchgeführten Form gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013 verstoße, beruht nicht darauf, dass die portugiesischen Behörden es versäumt hätten, die VZÄ- und die JAE‑Methode anzuwenden, um zu überprüfen, ob die Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM erfüllt war. Diese Schlussfolgerung beruht auf der Feststellung im 176. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die portugiesischen Behörden aufgrund der von ihnen angewandten Methode für die Berechnung der Zahl der in der ARM geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze nicht in der Lage gewesen seien, das tatsächliche Bestehen und die Dauerhaftigkeit der von den durch die Regelung III Begünstigten gemeldeten Arbeitsplätze zu überprüfen.
64 Diese Schlussfolgerung wird in rechtlich hinreichender Weise durch die Erwägungsgründe 28 und 175 des angefochtenen Beschlusses untermauert, wonach gemäß der von den portugiesischen Behörden angewandten Methode für die Zwecke der Durchführung der Regelung III jede Art von Beschäftigung, gleich welcher rechtlichen Art, die von den Begünstigten angegeben worden sei, unabhängig von der Anzahl der Stunden, Tage oder Monate aktiver Arbeit pro Jahr, einschließlich der Teilzeitbeschäftigungen oder der Beschäftigung von Mitgliedern von Leitungsorganen, die ihre Tätigkeit in mehr als einem von der Regelung III begünstigten Unternehmen ausübten, einen Arbeitsplatz darstelle.
65 Da der angefochtene Beschluss nicht auf die Feststellung gestützt ist, dass die portugiesischen Behörden es versäumt hätten, für die Berechnung der Zahl der Arbeitsplätze die VZÄ- und die JAE‑Methode anzuwenden, ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, mit dem sie der Kommission anlasten wollen, sie habe zu Unrecht die Anwendung dieser Methoden aufgegeben.
66 Darüber hinaus ist auch das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Kommission sei insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM nur ein Nebenziel der Regelung III darstelle, nicht berechtigt gewesen, der Portugiesischen Republik aufzugeben, bei der Prüfung, ob diese Voraussetzung erfüllt sei, eine objektive Berechnungsmethode für die Arbeitszeit anzuwenden, die jeder Inhaber eines zur Anwendung der Regelung III berechtigenden Arbeitsplatzes tatsächlich aufgewandt habe.
67 Denn zum einen geht – wie die Kommission im 169. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat – aus der Entscheidung von 2007 (vgl. insbesondere deren 64. Erwägungsgrund) und dem Beschluss von 2013 (vgl. insbesondere dessen 28. Erwägungsgrund) ausdrücklich hervor, dass diese Voraussetzung eine Bedingung für den Zugang zu der Regelung III gewesen sei und dass sie einen Parameter für die Berechnung des Betrags der im Rahmen der ZFM-Regelung, wie sie von der Portugiesischen Republik angemeldet und mit diesen beiden Beschlüssen genehmigt worden sei, gezahlten Beihilfen dargestellt habe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2022, Portugal/Kommission [Freizone Madeira], T‑95/21, EU:T:2022:567, Rn. 160).
68 Zum anderen sind – wie bereits oben in Rn. 41 ausgeführt – Ausnahmen von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt eng auszulegen. Diese Anforderung bedeutet, dass die Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung einer von der Kommission genehmigten Beihilferegelung nicht unter dem Vorwand insbesondere der Wahrung des Grundsatzes der institutionellen und verfahrensrechtlichen Autonomie zur Gänze dem Ermessen des betreffenden Mitgliedstaats überlassen bleiben kann.
69 Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann, dass die Verpflichtung zur Anwendung einer objektiven Berechnungsmethode für die Arbeitszeit, die jeder Inhaber eines zur Anwendung der Regelung III berechtigenden Arbeitsplatzes tatsächlich aufgewandt hat, mit dem portugiesischen Recht in Konflikt geriete. Diese Verpflichtung zur Anwendung einer objektiven Berechnungsmethode hindert nämlich nicht daran, jede Art von Arbeitsverhältnis, die das portugiesische Recht vorsieht, berücksichtigen zu können. Zudem gilt diese Verpflichtung zur Anwendung einer solchen Berechnungsmethode allein für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung III sowie der ordnungsgemäßen Durchführung der Beschlüsse von 2007 und 2013.
70 Aus denselben wie den oben in den Rn. 56 und 58 genannten Gründen ist die Behauptung zurückzuweisen, dass die von der Kommission vertretene Auslegung der Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer verstoße.
71 Soweit mit diesem Vorbringen allerdings auf der Grundlage der oben in Rn. 70 angesprochenen Grundsätze die Feststellung der Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form beanstandet werden soll, wird dieser Vorwurf nachstehend in den Rn. 98 bis 105 im Rahmen der Beurteilung der Begründetheit des zweiten von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrundes geprüft werden.
72 Schließlich ist das ergänzende Vorbringen von Nova Ship Invest, Unipessoal (Zona Franca da Madeira) als ins Leere gehend zurückzuweisen, wonach der Kommission im angefochtenen Beschluss ein Rechtsfehler unterlaufen sei, da sie bei der Untersuchung, ob die Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM eingehalten worden sei, keinerlei Beschränkung nach Maßgabe der Art der begünstigten Unternehmen festgelegt habe, obwohl die Holdinggesellschaften dieser Voraussetzung nicht unterworfen seien.
73 Insoweit ist nämlich zum einen festzustellen, dass Nova Ship Invest, Unipessoal (Zona Franca da Madeira) in ihrer Klageschrift dieses Argument lediglich vorträgt, ohne jedoch zu behaupten, selbst eine Holdinggesellschaft zu sein.
74 Zum anderen hat Nova Ship Invest, Unipessoal (Zona Franca da Madeira) auf eine entsprechende Frage des Gerichts in der Sitzung zwar bestätigt, eine Holdinggesellschaft zu sein, doch hat sie nichts vorgelegt, was geeignet wäre, diese Behauptung zu untermauern, sondern lediglich auf Anlage A.3 zur Klageschrift verwiesen, und zwar eine Zulassung in der ZFM vom 29. Dezember 2000, die einem Unternehmen erteilt wurde, dessen Rechtsnachfolgerin sie angeblich ist und zu dessen Gegenstand u. a. die Verwaltung von Gesellschaftsanteilen gehört haben soll.
75 Dieses Dokument belegt allerdings nicht, dass die Verwaltung von Gesellschaftsanteilen der ausschließliche Unternehmensgegenstand von Nova Ship Invest, Unipessoal (Zona Franca da Madeira) ist und sie daher eine Holdinggesellschaft darstellt.
76 Somit hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie im 179. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Auffassung vertreten hat, dass die Regelung III in der durchgeführten Form gegen die Voraussetzung der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM verstoße.
– Zur Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen, die durchgeführt wurden, um die ordnungsgemäße Anwendung der Voraussetzung der Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gilt, und der Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM zu prüfen
77 Die Klägerinnen rügen im Wesentlichen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Ansicht vertreten habe, dass die von den Steuerbehörden durchgeführten Kontrollen nicht geeignet gewesen seien, die ordnungsgemäße Anwendung der in der Regelung III vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf die Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gelte, und in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM zu überprüfen. Diese Ungeeignetheit sei die unmittelbare Folge dessen, dass die portugiesischen Behörden diese Voraussetzungen unter Verstoß gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013, gegen die Leitlinien von 2007 und gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV ausgelegt und angewandt hätten. Dies wird von den Klägerinnen bestritten.
78 Insoweit kann es mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass das Gericht oben in den Rn. 60 und 76 befunden hat, dass die Beanstandungen der Kommission in Bezug auf die Auslegung und die Anwendung der beiden oben in Rn. 77 genannten Voraussetzungen begründet waren.
79 Daher hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie im 178. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die von den portugiesischen Behörden bei den Begünstigten der Regelung III durchgeführten Steuerprüfungen sowie die im Rahmen dieser Kontrollen gesammelten Daten es nicht ermöglicht hätten, die Einhaltung der Voraussetzungen der Regelung III in Bezug auf die Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gegolten habe, und die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM wirksam zu kontrollieren, da diese Behörden besagte Voraussetzungen für den Zugang zur Regelung III unter Verstoß gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013 ausgelegt bzw. angewandt hätten.
80 Nach alledem hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Regelung III in der durchgeführten Form mehrere der in den Beschlüssen von 2007 und 2013 aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllte.
81 Da diese Regelung unter Verstoß gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013 durchgeführt wurde, so dass sie gegenüber der mit diesen Beschlüssen genehmigten Regelung erheblich geändert wurde, ist die Kommission im 180. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ebenfalls zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine neue rechtswidrige Beihilfe vorlag (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Kommission/Italien, C‑467/15 P, EU:C:2017:799, Rn. 48).
82 Dementsprechend ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Rechtsfehler, den die Kommission dadurch begangen haben soll, dass die Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung III nicht unmittelbar und ausschließlich auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV erfolgt sei, auf einer fehlerhaften Auslegung der Leitlinien von 2007 im Widerspruch zu Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV beruhe und gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoße
83 Mit ihrem zweiten Klagegrund werfen die Klägerinnen der Kommission vor, im angefochtenen Beschluss die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung nicht unmittelbar und ausschließlich anhand von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV geprüft, sondern bei ihrer Untersuchung den durch die Leitlinien von 2007 eingeführten Anforderungen und Voraussetzungen Rechnung getragen zu haben. Außerdem beruhten die Erwägungsgründe 191 bis 198 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission die Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form festgestellt habe, auf einem falschen Verständnis der Leitlinien von 2007 und stünden auch im Widerspruch zum AEU-Vertrag, insbesondere zu dessen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a, der die Vereinbarkeit von Regionalbeihilfen zur Förderung der Entwicklung von Gebieten in äußerster Randlage allein davon abhängig mache, dass sie unter Berücksichtigung der strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lage dieser Gebiete zur Förderung ihrer Entwicklung bestimmt seien, ohne dass es erforderlich wäre, dass die Beihilfen zum Ausgleich der diesen Gebieten eigenen Nachteile notwendig seien.
84 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
85 Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen, dessen Ausübung komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 79 und 80 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
86 Bei der Ausübung dieses Ermessens kann die Kommission Leitlinien erlassen, um die Kriterien festzulegen, auf deren Grundlage sie die Vereinbarkeit der von den Mitgliedstaaten geplanten Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu beurteilen beabsichtigt (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).
87 Dadurch, dass die Kommission Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, beschränkt sie selbst die Ausübung ihres Ermessens und kann grundsätzlich nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).
88 Zwar kann die Kommission durch Erlass von Verhaltensnormen nicht auf die Ausübung des Ermessens, das ihr Art. 107 Abs. 3 AEUV verleiht, verzichten. Der Erlass der Leitlinien von 2007 entbindet die Kommission also nicht von ihrer Pflicht, die spezifischen außergewöhnlichen Umstände zu prüfen, auf die sich ein Mitgliedstaat in einem bestimmten Fall bei dem Ersuchen um unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV beruft (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juli 2019, Bayerische Motoren Werke und Freistaat Sachsen/Kommission, C‑654/17 P, EU:C:2019:634, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
89 Im vorliegenden Fall hat, wie im 190. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt worden ist, die Portugiesische Republik keine außergewöhnlichen Umstände angeführt, die bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form eine unmittelbare Anwendung von Art. 107 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt hätten. Außerdem fällt die Regelung III als Betriebsbeihilfe mit regionaler Zielsetzung unbestrittenermaßen in den Anwendungsbereich der Leitlinien von 2007, so dass nach der oben in Rn. 87 angeführten Rechtsprechung die Kommission verpflichtet war, bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form diese Leitlinien zu befolgen.
90 Die Kommission hat daher im angefochtenen Beschluss die Regelung III in der durchgeführten Form rechtsfehlerfrei anhand der Leitlinien von 2007 und nicht unmittelbar und ausschließlich auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV geprüft und diese Prüfung dabei in den Erwägungsgründen 188 bis 198 des angefochtenen Beschlusses vorgenommen.
91 Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die Kommission im Rahmen der in den Erwägungsgründen 181 bis 207 des angefochtenen Beschlusses vorgenommenen Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form gegen die Unionsregelung im Bereich der staatlichen Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, insbesondere gegen die Leitlinien von 2007 oder gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV verstoßen hat.
92 Was die Leitlinien von 2007 betrifft, so hängt, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und wie oben in Rn. 42 bereits ausgeführt, die Vereinbarkeit regionaler Betriebsbeihilfen in den Gebieten in äußerster Randlage nicht allein davon ab, dass diese Beihilfen zur Förderung der Entwicklung dieser Gebiete bestimmt sind, sondern setzt auch voraus, dass ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist.
93 Die „Daseinsberechtigung“ regionaler Betriebsbeihilfen für Gebiete in äußerster Randlage besteht nämlich darin, die Mehrkosten auszugleichen, die den Unternehmen in diesen Gebieten aufgrund der Nachteile entstehen, denen diese Gebiete ausgesetzt sind (siehe oben, Rn. 43).
94 Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 184 bis 186 des angefochtenen Beschlusses aber zu Recht festgestellt, dass die Anwendung der Regelung III in der durchgeführten Form nicht mit den in den Rn. 76 und 80 der Leitlinien von 2007 vorgesehenen Bedingungen in Einklang steht. Die Rechtmäßigkeit dieser Leitlinien haben die Klägerinnen nicht in Zweifel gezogen.
95 Diese Schlussfolgerung kann durch das Vorbringen der Klägerinnen, wonach gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV die Vereinbarkeit von Regionalbeihilfen für Gebiete in äußerster Randlage allein davon abhänge, dass sie zur Förderung der Entwicklung dieser Gebiete bestimmt seien, ohne dass es erforderlich wäre, dass die Beihilfen zum Ausgleich der diesen Gebieten eigenen Nachteile notwendig seien, nicht in Frage gestellt werden.
96 Denn in Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, dass Regionalbeihilfen für Gebiete in äußerster Randlage zum Ausgleich der diesen Gebieten eigenen Nachteile notwendig sein müssen, doch setzt die Feststellung der Vereinbarkeit einer staatlichen – insbesondere auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV gewährten – Beihilfe mit dem Binnenmarkt naturgemäß voraus, dass diese Beihilfe dem allgemeinen Erfordernis der Notwendigkeit genügt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 1980, Philip Morris Holland/Kommission, 730/79, EU:C:1980:209, Rn. 17, vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 78, und vom 12. Juli 2018, Österreich/Kommission, T‑356/15, EU:T:2018:439, Rn. 370).
97 Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 191 bis 198 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass die Regelung III in der vorliegenden Form nicht in einer Weise durchgeführt wurde, durch die die strukturellen Schwierigkeiten angegangen worden wären, denen sich die Unternehmen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit auf Madeira tatsächlich ausgesetzt sehen konnten, und deshalb weder als geeignet noch als verhältnismäßig im Hinblick auf das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel der regionalen Entwicklung dieses Gebiets angesehen werden konnte.
98 Soweit die Klägerinnen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs geltend machen, ist festzustellen, dass damit im Wesentlichen die im 198. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltene Feststellung in Frage gestellt werden soll, die die Kommission auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV in Bezug auf die Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form mit dem Binnenmarkt getroffen hat. Diese Rüge wird damit begründet, dass diese Feststellung dazu führe, dass die Ausübung dieser Freiheiten durch die Unternehmen, denen diese Regelung zugutegekommen sei, bzw. durch ihre Beschäftigten schwieriger oder kostspieliger werde.
99 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beihilfe, die als solche oder wegen bestimmter Modalitäten gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden (vgl. Urteil vom 23. November 2023, Ryanair/Kommission, C‑209/21 P, EU:C:2023:905, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
100 Diese Rechtsprechung bedeutet aber nur, dass sich die Kommission, wenn sie eine Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären möchte, vergewissern muss, dass diese Vereinbarkeitserklärung, die dem Mitgliedstaat erlaubt, die betreffende Beihilfe auszuzahlen, nicht gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts, insbesondere gegen die Grundsätze der Freizügigkeit, verstößt.
101 Diese Rechtsprechung kann hingegen nicht, wie es die Klägerinnen sinngemäß nahelegen, die Kommission, die eine Beihilfe für unvereinbar erklären und damit dem betreffenden Mitgliedstaat untersagen möchte, sie auszuzahlen, verpflichten, diese Beihilfe deshalb für vereinbar zu erklären und damit die Auszahlung zu erlauben, weil eine etwaige Unvereinbarkeitsentscheidung beschränkende Wirkungen für die durch diese Beihilfe begünstigten Unternehmen hätte, sei es dadurch, dass sie die Auszahlung der Beihilfe verhindert, oder dadurch, dass sie deren Rückforderung anordnet.
102 Wäre es anders, würde das Verbot unvereinbarer staatlicher Beihilfen durch die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs ausgeschlossen, und das, obwohl den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den Wettbewerb und insbesondere denen über staatliche Beihilfen eine zentrale Stellung zukommt und sie Ausdruck einer der wesentlichen Aufgaben sind, mit denen die Union betraut ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. November 2011, Kommission/Italien, C‑496/09, EU:C:2011:740, Rn. 60).
103 Mithin können die Klägerinnen nicht mit Erfolg die Grundsätze der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gegen den angefochtenen Beschluss ins Feld führen, soweit mit diesem auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 3 Buchst. a AEUV die Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form festgestellt und die Rückforderung angeordnet wird.
104 Selbst unterstellt, die Klägerinnen könnten sich im vorliegenden Fall auf diese Grundsätze – auch die der Freizügigkeit der Bürger und der Arbeitnehmer – sowie darauf berufen, dass der angefochtene Beschluss eine Einschränkung der von ihnen geltend gemachten Freiheiten bewirkt, ist jedenfalls festzustellen, dass diese beschränkende Wirkung eine natürliche Folge der Erklärung der Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form und der Rückforderungsanordnung im angefochtenen Beschluss ist.
105 Überdies sind diese beschränkenden Wirkungen durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt und stehen zu diesem in einem angemessenen Verhältnis (siehe oben, Rn. 97). Im Übrigen halten weder die Feststellung der Unvereinbarkeit der Regelung III in der durchgeführten Form mit dem Binnenmarkt noch die Rückforderung der nach dieser Regelung rechtswidrig gezahlten Beihilfen die in der ZFM registrierten Gesellschaften davon ab, sich außerhalb der ARM niederzulassen bzw. dort Dienstleistungen zu erbringen, geschweige denn davon, Arbeitnehmer einzustellen, die nicht in dieser Region wohnen oder dort tätig sind. Sie sollen lediglich gewährleisten, dass die Gewinne, die tatsächlich und materiell aus außerhalb der ARM entfalteten Aktivitäten stammen, nicht in die Bemessungsgrundlage einfließen können, auf die die in Rede stehende steuerliche Maßnahme Anwendung findet.
106 Was im Übrigen die von den Klägerinnen vorgeschlagene alternative Beihilferegelung betrifft, basierend auf „der Abstufung der Proportionalität des Beihilfebetrags in den Fällen, in denen die Ertragserwerbstätigkeit in einem anderen geografischen Gebiet ausgeübt wird“, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, eine abstrakte Betrachtung aller in Betracht kommenden alternativen Maßnahmen vorzunehmen, da der betreffende Mitgliedstaat zwar die Gründe, die zum Erlass der in Rede stehenden Beihilferegelung geführt haben, insbesondere in Bezug auf die festgelegten Förderkriterien, im Einzelnen darlegen muss, aber nicht darüber hinaus noch positiv belegen muss, dass keine andere vorstellbare, der Natur der Sache nach hypothetische Maßnahme es erlaubte, das angestrebte Ziel besser zu erreichen. Wenn der besagte Mitgliedstaat keiner solchen Verpflichtung unterliegt, können die Klägerinnen nicht verlangen, dass das Gericht die Kommission auffordert, bei dieser normativen Sondierung zur Prüfung denkbarer alternativer Regelungen an die Stelle der nationalen Behörden zu treten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Mai 2019, Scor/Kommission, T‑135/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:287, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).
107 Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten und zum vierten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Rückforderungsanordnung in Art. 4 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses
108 Mit ihrem dritten und ihrem vierten Klagegrund, die hilfsweise geltend gemacht werden und zusammen zu prüfen sind, stellen die Klägerinnen die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsanordnung in Art. 4 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses in Abrede.
109 Das Vorbringen der Klägerinnen besteht im Wesentlichen aus drei Teilen. Die Rückforderungsanordnung verstoße erstens gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, zweitens gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und lasse drittens die Höhe der zurückzuzahlenden Beihilfen auf einer ungeeigneten Berechnungsmethode beruhen.
Erster Teil: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
110 Mit diesem ersten Teil machen die Klägerinnen geltend, dass die durch die Regelung III in der durchgeführten Form Begünstigten keinen Grund zu der Annahme gehabt hätten, dass die in dieser Regelung vorgesehene Körperschaftsteuerermäßigung von einer engen Auslegung der Voraussetzungen zum einen in Bezug auf die Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gegolten habe, und zum anderen in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM abhängig gewesen sei, da diese beiden Voraussetzungen mit ähnlichem Wortlaut in die Entscheidung von 2002 eingeführt worden seien, ohne dass erläutert worden wäre, dass sie in geografischer Hinsicht eng auszulegen seien. Zudem hätten die portugiesischen Behörden die Auslegung der Tragweite dieser Voraussetzungen seit deren Einführung nicht verändert. Der Umstand, dass es die Kommission nicht für nötig gehalten habe, bei der zweimaligen Genehmigung der Regelung III die Bedeutung dieser Voraussetzungen genauer zu erläutern, sei geeignet gewesen, bei den Begünstigten ein berechtigtes Vertrauen darauf zu begründen, dass die Durchführung der Regelung III durch die portugiesischen Behörden von der Kommission nicht als eine neue staatliche Beihilfe angesehen worden sei.
111 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
112 Was den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Recht, sich auf diesen Grundsatz zu berufen, voraussetzt, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben (vgl. Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).
113 Außerdem entspricht es ständiger Rechtsprechung im Bereich der staatlichen Beihilfen, dass, da die Überwachung derartiger Beihilfen durch die Kommission in Art. 108 AEUV zwingend vorgeschrieben ist, zum einen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen dürfen, wenn sie unter Einhaltung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde, und dass es zum anderen einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig möglich ist, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde (vgl. Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).
114 Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen aber nicht dargetan, dass die Kommission ihnen in Bezug auf die unter Verstoß gegen die Beschlüsse von 2007 und 2013 – und daher unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV – gezahlten Beihilfen klare, unbedingte und übereinstimmende und auch den geltenden Vorschriften entsprechende Zusicherungen erteilt hätte, die geeignet wären, bei ihnen begründete Erwartungen zu wecken, wie dies die Rechtsprechung verlangt.
115 Wenn eine Beihilferegelung der Kommission nicht gemeldet wurde, ist deren angebliche Untätigkeit nämlich irrelevant (Urteil vom 11. November 2004, Demesa und Territorio Histórico de Álava/Kommission, C‑183/02 P und C‑187/02 P, EU:C:2004:701, Rn. 52, vgl. in diesem Sinne auch Beschluss vom 7. Dezember 2017, Aughinish Alumina/Kommission, C‑373/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:953, Rn. 54). Da die Klägerinnen die Kommission nicht vorab über die Regelung III in der durchgeführten Form unterrichtet hatten, können sie sich zur Begründung ihrer Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht mit Erfolg auf eine wie auch immer geartete Untätigkeit der Kommission berufen.
116 Ohne Belang ist auch, dass die Kommission die Regelung III in der angemeldeten Form zweimal genehmigt hat, da diese Regelung nach Modalitäten durchgeführt wurde, die sich wesentlich von denen unterschieden, die in dem von der Portugiesischen Republik notifizierten Entwurf einer Beihilferegelung vorgesehen waren.
117 Was das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, es sei nicht nachvollziehbar gewesen, dass die in dieser Regelung vorgesehene Körperschaftsteuerermäßigung von einer engen Auslegung der beiden mit der Regelung II eingeführten Voraussetzungen zum einen in Bezug auf die Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer gegolten habe, und zum anderen in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM abhängig gewesen sei, ist auf die Feststellung oben in Rn. 47 zurückzukommen, dass weder der Wortlaut der Beschlüsse von 2007 und 2013 noch der Kontext, in den sie eingebettet waren, und auch nicht die Ziele, die mit der für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung geltenden Regelung verfolgt werden, hinsichtlich der Auslegung der Voraussetzung in Bezug auf die Herkunft der Gewinne, für die die ermäßigte Körperschaftsteuer galt, Raum für Zweifel ließen.
118 Auch hinsichtlich der Voraussetzung in Bezug auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM ergibt sich aus den Beschlüssen von 2002, 2007 und 2013, dass der in der Regelung II – als deren Fortsetzung die Regelung III zu sehen ist – vorgesehene Zugang zu Steuervergünstigungen auf Unternehmen beschränkt war, die eine tatsächlich neue Tätigkeit aufnahmen und besondere Förderbedingungen erfüllten, die auf der Anzahl der von ihnen neu geschaffenen Dauerarbeitsplätze (in den ersten sechs Monaten ihrer Tätigkeit) basierten (vgl. Abschnitt II der Entscheidung von 2002). So hing die Obergrenze der für die Körperschaftsteuervergünstigung maßgeblichen Bemessungsgrundlage von der Anzahl der vom Begünstigten geschaffenen Arbeitsplätze ab (vgl. Abschnitt II der Entscheidung von 2002; Erwägungsgründe 18, 19 und 60 der Entscheidung von 2007; Erwägungsgründe 10 und 11 des Beschlusses von 2013). Jede andere Auslegung hätte zur Folge, die Korrelation zwischen der Intensität der in der Regelung III vorgesehenen Unterstützung für Unternehmen und deren Beitrag zur Schaffung tatsächlich neuer Tätigkeiten in der ARM aufzuheben, obwohl dieses Ziel eine der Voraussetzungen für den Zugang zu dieser Regelung ist und die Beurteilung der Angemessenheit dieser Regelung durch die Kommission im Licht dieser Voraussetzung vorgenommen wurde.
119 Demnach lässt sich kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes feststellen und ist mithin der erste Teil zurückzuweisen.
Zweiter Teil: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit
120 Im Rahmen dieses zweiten Teils beharren die Klägerinnen darauf, dass die Kommission es über einen längeren Zeitraum an Sorgfalt habe mangeln lassen und hinsichtlich der Überwachung der Anwendung der ZFM-Regelung untätig geblieben sei. Erst mehr als acht Jahre nach der Genehmigung der Regelung III und mehr als zwei Jahre nach dem Ende von deren ursprünglicher Laufzeit habe die Kommission beschlossen, das nach Art. 108 Abs. 1 AEUV erforderliche Überwachungsverfahren einzuleiten, und erst elf Jahre nach der Genehmigung dieser Regelung und mehr als fünf Jahre nach dem Ende deren ursprünglicher Laufzeit habe die Kommission die portugiesischen Behörden von ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten.
121 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
122 Zum Grundsatz der Rechtssicherheit, der vom Grundsatz des Vertrauensschutzes zu unterscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2023, Spanien u. a./Kommission, C‑649/20 P, C‑658/20 P und C‑662/20 P, EU:C:2023:60, Rn. 83), ist festzustellen, dass im Bereich der staatlichen Beihilfen dem Vorbringen, mit dem der Rückforderungspflicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit entgegengetreten werden soll, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen gefolgt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 106, und vom 21. September 2022, Portugal/Kommission [Freizone Madeira], T‑95/21, EU:T:2022:567, Rn. 204).
123 Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass eine Reihe von Gesichtspunkten zu prüfen ist, um festzustellen, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit vorliegt, insbesondere die fehlende Klarheit der geltenden rechtlichen Regelung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Nuova Agricast und Cofra/Kommission, C‑67/09 P, EU:C:2010:607, Rn. 77) oder die Untätigkeit der Kommission über einen längeren Zeitraum ohne Rechtfertigung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 1987, RSV/Kommission, 223/85, EU:C:1987:502, Rn. 14 und 15, sowie vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 106 und 107).
124 Die Klägerinnen stützen den vorliegenden Teil hier nicht auf eine angebliche wie auch immer geartete fehlende Klarheit der geltenden rechtlichen Regelung.
125 Zu der Behauptung, das Vorliegen längerer Zeiträume der Untätigkeit der Kommission erlaube es den betroffenen Unternehmen, sich auf den Grundsatz der Rechtssicherheit zu berufen, ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung staatlicher Beihilfen binnen angemessener Frist tätig werden muss und einen Zustand der Untätigkeit in der Vorprüfungsphase nicht fortbestehen lassen darf. Ferner ist die Angemessenheit der Frist für die Durchführung des Verfahrens anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache, etwa der Komplexität des Rechtsstreits und des Verhaltens der Parteien, zu beurteilen (Urteil vom 13. Juni 2013, HGA u. a./Kommission, C‑630/11 P bis C‑633/11 P, EU:C:2013:387, Rn. 81 und 82).
126 Erstens jedoch kann die Zeit, die zwischen den Beschlüssen von 2002, 2007 und 2013 zum einen und der am 12. März 2015 erfolgten Einleitung der Überwachung der Regelung III bzw. dem der Portugiesischen Republik am 6. Juli 2018 zugestellten und am 15. März 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegebenen Beschluss über die Einleitung des förmlichen Verfahrens zum anderen verstrichen ist, nicht als unangemessen angesehen werden.
127 Zunächst war die Kommission nämlich gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 und Art. 15 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 nicht an spezifische Fristen gebunden, wie sie in Kapitel II dieser Verordnungen über das Verfahren bei angemeldeten Beihilfen vorgesehen sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 20. Januar 2021, KC/Kommission, T‑580/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:14, Rn. 26).
128 Was sodann Überwachungstätigkeiten in Bezug auf genehmigte Beihilfen oder Beihilferegelungen betrifft, wie im vorliegenden Fall, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission besondere Sorgfalt walten lassen musste, da der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.
129 Im Bereich der staatlichen Beihilfen bedeutet dies insbesondere, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass Beihilfen oder Beihilferegelungen nicht unter Verstoß gegen Entscheidungen über eine vorherige Genehmigung durchgeführt werden, insbesondere wenn, wie hier und oben in den Rn. 38 und 39 festgestellt, das Verständnis der Voraussetzungen für die Durchführung dieser Beihilfen oder Beihilferegelungen zunächst von der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat geteilt wird.
130 Schließlich lässt sich angesichts der Beschreibung des dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Verfahrens vorausgehenden Verfahrens in den Erwägungsgründen 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses im vorliegenden Fall keine Untätigkeit der Kommission über einen längeren Zeitraum ohne Rechtfertigung feststellen.
131 Zweitens kann auch die Dauer des förmlichen Prüfverfahrens von 29 Monaten nicht als unangemessen angesehen werden, da die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 3 bis 9 und 96 des angefochtenen Beschlusses ergibt, den Antrag der portugiesischen Behörden betreffend die Vertraulichkeit des Beschlusses über die Einleitung dieses Verfahrens behandeln, diese Behörden mehrmals um die Übermittlung von fehlenden Informationen bitten sowie die Stellungnahmen der sehr großen Zahl von am Verfahren Beteiligten behandeln musste.
132 In diesem Sinne unterscheidet sich das Verfahren, das zu dem angefochtenen Beschluss geführt hat, deutlich von demjenigen, um das es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 24. November 1987, RSV/Kommission (223/85, EU:C:1987:502), ergangen ist, auf das sich die Klägerinnen daher nicht mit Erfolg berufen können.
133 Selbst wenn man die Zeiträume vor und nach dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Verfahrens zusammennimmt, können sie nicht als unangemessen angesehen werden, da die Klägerinnen – wie alle Unternehmen, die von der Regelung III in der durchgeführten Form begünstigt wurden, – ordnungsgemäß in die Lage versetzt wurden, spätestens am 15. März 2019 mit seiner Bekanntgabe im Amtsblatt der Europäischen Union von dem Beschluss über die Einleitung des förmlichen Verfahrens sowie von der drohenden Rückforderung, der sie ausgesetzt waren, Kenntnis zu nehmen.
134 Daher kann kein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit festgestellt werden. Dementsprechend ist der zweite Teil zurückzuweisen.
Dritter Teil: Anwendung einer offensichtlich ungeeigneten Methode zur Berechnung der Höhe der zurückzufordernden Beihilfen
135 Mit ihrem dritten Teil vertreten die Klägerinnen die Ansicht, dass die Höhe der zu erstattenden Beihilfen auf einer offensichtlich ungeeigneten Berechnungsmethode beruhe. So machen sie geltend, dass die Methode zur Berechnung der Zahl der geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze in JAE nicht zur Bestimmung der Höhe der zurückzufordernden Beihilfen angewandt werden könne, da sie keine verwertbare Methode zur Bestimmung der tatsächlichen Schaffung von Arbeitsplätzen darstelle, weil sie sich weder aus einer im Unionsrecht verankerten Regelung noch aus einer im nationalen portugiesischen Recht festgelegten Vorschrift ergebe.
136 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
137 Insoweit lässt sich aus den Erwägungsgründen 168 bis 171 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen herauslesen, dass die Voraussetzung der Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in der ARM nicht nur eine Voraussetzung für den Zugang zur Regelung III, sondern auch einen Parameter für die Berechnung der Höhe der Beihilfe darstellt, der auf einer objektiven, überprüfbaren und bewährten Methode beruhen muss. Außerdem wurde im Licht dieser Voraussetzung bewertet, ob die Regelung III zu den Mehrkosten, die mit ihr ausgeglichen werden sollten, in einem angemessenen Verhältnis stand.
138 Auch wenn also die Beschlüsse von 2007 und 2013 für die Berechnung der Zahl der von jedem Begünstigten in der ARM geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze nicht die Anwendung einer bestimmten Methode vorgeben, so verlangten sie doch die Anwendung einer objektiven Methode, anhand deren sich das tatsächliche Bestehen und die Dauerhaftigkeit der von den durch die Regelung III Begünstigten gemeldeten Arbeitsplätze überprüfen lässt.
139 Da aber die von den portugiesischen Behörden angewandte Methode (vgl. oben, Rn. 63 bis 65) diese Bedingung offensichtlich nicht erfüllte und diese Behörden keine andere objektive Methode vorgeschlagen haben, anhand deren sich das tatsächliche Bestehen und die Dauerhaftigkeit der von den Begünstigten gemeldeten Arbeitsplätze allein zu dem Zweck der Rückforderung der gemäß der Regelung III in der durchgeführten Form ausgezahlten Beihilfen hätte überprüfen lassen, verlangte die Kommission im 216. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, die Berechnung der Höhe der zurückzufordernden Beihilfe nach der JAE‑Methode vorzunehmen.
140 Es kann daher nicht als ungeeignet angesehen werden, dass die Kommission die Anwendung einer solchen Methode vorgegeben hat, was lediglich Ausfluss ihrer Verpflichtung ist, dem betreffenden Mitgliedstaat die Angaben zu liefern, die es ihm ermöglichen, selbst ohne übermäßige Schwierigkeiten die Höhe der zurückzufordernden Beihilfen zu bestimmen.
141 Daher ist der dritte Teil als unbegründet zurückzuweisen.
142 Nach alledem sind der dritte und der vierte Klagegrund zurückzuweisen und sind die Klagen daher insgesamt abzuweisen.
Kosten
143 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
144 Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Rechtssachen T ‑713/22 und T ‑720/22 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
2. Die Klagen werden abgewiesen.
3. Die Portumo – Madeira – Montagem e Manutenção de Tubaria, SA (Zona Franca da Madeira), die Ponticelli –Consultadoria Técnica, SA (Zona Franca da Madeira), die Ponticelli Angoil – Serviços Para a Indústria Petrolífera, SA (Zona Franca da Madeira) und die Nova Ship Invest, Unipessoal, Lda (Zona Franca da Madeira) tragen die Kosten.
Svenningsen
Martín y Pérez de Nanclares
Stancu
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. November 2024.
Unterschriften