T-653/24 – Accorinvest

T-653/24 – Accorinvest

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:1004

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

MAJA BRKAN

vom 29. Oktober 2025(1)

Rechtssache T653/24

Accorinvest,

Société Générale SA

gegen

Ministre de l’Économie, des Finances et de la Souveraineté industrielle et numérique

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„ Vorlage zur Vorabentscheidung – Harmonisierung des Steuerrechts – Verbrauchsteuern – Richtlinie 2008/118/EG – Elektrischer Strom – Andere indirekte Steuern – Weitergabe der Steuer an den Verbraucher “

 Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).

2.        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Gesellschaften Accorinvest und Société Générale SA in ihrer Eigenschaft als Endverbraucher von elektrischem Strom und dem französischen Staat über die in den französischen Rechtsvorschriften vorgesehene Erstattung eines Zuschlags auf die Verbrauchsteuer auf elektrischen Strom.

3.        In Frankreich wurde nämlich mit der Loi du 9 août 2004 relative au service public de l’électricité et du gaz et aux entreprises électriques et gazières (Gesetz vom 9. August 2004 über die öffentliche Strom‑ und Gasversorgung sowie die Strom‑ und Gasunternehmen) ein Tarifbeitrag für die Durchleitung (im Folgenden: TBD) eingeführt. In der vorliegenden Rechtssache ist zu prüfen, ob der TBD als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 eingestuft werden kann und in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 2008/118

4.        Die Richtlinie 2008/118 wurde durch die Richtlinie (EU) 2020/262(2) aufgehoben. Dennoch bleibt die Richtlinie 2008/118 in zeitlicher Hinsicht auf die Sachverhalte der Ausgangsverfahren anwendbar.

5.        Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118 lautete:

„Um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, müssen die Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Waren, die der Richtlinie 92/12/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1)] unterliegen (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt), harmonisiert bleiben.“

6.        Art. 1 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:

„(1)      Diese Richtlinie legt ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern fest, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch folgender Waren (nachstehend ‚verbrauchsteuerpflichtige Waren‘ genannt) erhoben werden:

a)      Energieerzeugnisse und elektrischer Strom gemäß der Richtlinie 2003/96/EG [des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51)];

(2)      Die Mitgliedstaaten können für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern in Bezug auf die Bestimmung der Bemessungsgrundlage, die Berechnung der Steuer, die Entstehung des Steueranspruchs und die steuerliche Überwachung mit den gemeinschaftlichen Vorschriften für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer vereinbar sind, wobei die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen ausgenommen sind.

(3)      Die Mitgliedstaaten können Steuern erheben auf:

a)      andere als verbrauchsteuerpflichtige Waren;

b)      Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt.

…“

 Richtlinie 2003/96

7.        Art. 4 der Richtlinie 2003/96 sieht vor:

„(1)      Die Steuerbeträge, die die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom nach Artikel 2 vorschreiben, dürfen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Mindeststeuerbeträge nicht unterschreiten.

(2)      Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff ‚Steuerbetrag‘ die Gesamtheit der als indirekte Steuern (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhobenen Abgaben, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden.“

 Französisches Recht

8.        Art. 18 der Loi n° 2004‑803, du 9 août 2004, relative au service public de l’électricité et du gaz et aux entreprises électriques et gazières (Gesetz Nr. 2004‑803 vom 9. August 2004 über die öffentliche Strom‑ und Gasversorgung und die Strom- und Gasunternehmen, im Folgenden: Gesetz vom 9. August 2004) bestimmt:

„I.      Zugunsten der Caisse nationale des industries électriques et gazières [(Nationale Kasse für die Strom‑ und Gaswirtschaft)] wird ein Tarifbeitrag auf die Leistungen der Stromübertragung und ‑verteilung eingeführt …

II.      Dieser Tarifbeitrag ist zu entrichten:

1.      für Strom:

a)      von den Betreibern der öffentlichen Übertragungs‑ oder Verteilungsnetze, die diesen Beitrag zusätzlich zum Tarif für die Nutzung öffentlicher Übertragungs‑ und Verteilungsnetze … von den Verbrauchern … erhalten, mit denen diese Betreiber einen Netzzugangsvertrag abgeschlossen haben;

b)      von den Stromversorgern, die diesen Beitrag zusätzlich zu ihrem Verkaufspreis von den Verbrauchern … erhalten, wenn diese Versorger einen Netzzugangsvertrag … abgeschlossen haben, um diese Verbraucher zu versorgen;

c)      von den Stromversorgern, die diesen Beitrag zusätzlich zu den Verkaufstarifen erhalten …

III.      Der Tarifbeitrag wird erhoben:

1.      für Strom:

–        auf den Fixanteil (ohne Steuern) des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und ‑verteilungsnetze für Strom, wenn der Tarifbeitrag in Anwendung von Ziff. II Nr. 1 Buchst. a zu entrichten ist;

–        auf den Fixanteil (ohne Steuern) des Anteils für die Nutzung der Netze, der im Verkaufspreis für Strom enthalten ist, wenn der Tarifbeitrag gemäß Ziff. II Nr. 1 Buchst. b zu entrichten ist;

–        auf den Fixanteil (ohne Steuern) des Anteils für die Nutzung der Netze, der in den regulierten Tarifen für den Verkauf von Strom enthalten ist, wenn der Tarifbeitrag gemäß Ziff. II Nr. 1 Buchst. c zu entrichten ist

–        …

IV.      Der Tarifbeitrag ist für Verträge, die von den in Ziff. II genannten Personen zur Erbringung der in Ziff. I genannten Leistungen abgeschlossen worden sind, bei Zahlungseingang der Anzahlungen oder des Entgelts durch den Beitragspflichtigen oder, nach dessen Wahl, zum Zeitpunkt der Sollstellung fällig; in diesem Fall ist er stets bei Zahlungseingang der Anzahlungen oder des Entgelts fällig, wenn dieser vor der Sollstellung erfolgt.

VII.        Ein Dekret nach Stellungnahme des Conseil d’État [(Staatsrat, Frankreich]) legt die Einzelheiten der Anwendung dieses Artikels fest.“

9.        Art. 1 des Décret no 2005‑123, du 14 février 2005, relatif à la contribution tarifaire sur les prestations de transport et de distribution d’électricité et de gaz naturel (Dekret Nr. 2005‑123 vom 14. Februar 2005 über den Tarifbeitrag auf die Übertragung und Verteilung von Strom und Erdgas) in der bis zum 1. August 2017 geltenden Fassung bestimmt:

„I.        Der Fixanteil (ohne Steuern) des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und Verteilungsnetze für Strom, der in Art. 18 Ziff. III Nr. 1 des Gesetzes vom 9. August 2004 genannt wird, setzt sich aus den folgenden Bestandteilen zusammen:

–        der jährlichen Verwaltungskomponente gemäß der Entscheidung zur Genehmigung der geltenden Tarife für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und Verteilungsnetze für Strom;

–        der jährlichen Zählerkomponente gemäß der Entscheidung zur Genehmigung der geltenden Tarife für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und Verteilungsnetze für Strom;

–        dem Fixanteil der jährlichen Entnahmekomponente …;

–        dem Fixanteil der jährlichen Komponente der Zusatz‑ und Notversorgungen …“

10.      In Art. 1 dieses Dekrets Nr. 2005‑123 in der Fassung des Décret du 28 juillet 2017 (Dekret vom 28. Juli 2017), in Kraft seit dem 1. August 2017, heißt es:

„… der Fixanteil (ohne Steuern) des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und Verteilungsnetze für Strom setzt sich zusammen aus der Summe der Bestandteile des Tarifs, wie sie in den Entscheidungen über die geltenden Tarife für die Nutzung der öffentlichen Übertragungs‑ und Verteilungsnetze für Strom definiert und unter Nr. 1 bis Nr. 4 aufgeführt sind:

1.      der jährlichen Verwaltungskomponente;

2.      der jährlichen Zählerkomponente;

3.      dem Fixanteil der jährlichen Entnahmekomponente; dieser Fixanteil setzt sich zusammen aus den Bestandteilen der Tarifformeln zu dieser Komponente, die von den vereinbarten Leistungen abhängen, mit Ausnahme der monatlichen Komponenten für die Überschreitung der vereinbarten Leistung;

4.      dem Fixanteil der jährlichen Komponente der Zusatz‑ und Notversorgungen; dieser Fixanteil besteht aus der Jahreskomponente der Zusatz‑ und Notversorgungen, mit Ausnahme des Energieanteils und der monatlichen Komponenten für die Überschreitung der vereinbarten Leistung, wenn die Notversorgung in einem anderen Spannungsbereich liegt als die Hauptversorgung“.

11.      Art. 2 des Dekrets Nr. 2005‑123 sieht vor, dass „[d]er Stromversorger, der den Tarifbeitrag gemäß Art. 18 Ziff. II Nr. 1 Buchst. b oder c des oben genannten Gesetzes vom 9. August 2004 erhebt, … den Fixanteil (ohne Steuern) des Anteils für die Nutzung des Netzes im Verkaufspreis oder im Verkaufstarif gemäß Art. 1 [berechnet]“.

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

12.      Accorinvest und Société Générale sind zwei Gesellschaften französischen Rechts, die als Endverbraucher von Strom den TBD entrichteten.

13.      Im Rahmen zweier getrennter Verfahren beantragten diese Unternehmen beim Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris, Frankreich), den französischen Staat zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe der Beträge zu verurteilen, die sie für die Jahre 2016 bis 2018 bzw. für die Jahre 2017 und 2018 als TBD entrichtet hatten. Ihrer Ansicht nach verstieß der TBD gegen Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118. Diese Anträge wurden vom Tribunal administratif de Paris (Verwaltungsgericht Paris) mit zwei Beschlüssen vom 26. April 2021 zurückgewiesen, da sie vor einem unzuständigen Gericht gestellt worden seien.

14.      Mit zwei Urteilen vom 17. Mai 2023 hob die Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris, Frankreich) diese Beschlüsse auf und wies die Anträge mit der Begründung zurück, dass der Beitrag mangels eines unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs zwischen dem TBD und dem Stromverbrauch keine indirekte Steuer darstelle, die direkt oder indirekt auf den Stromverbrauch erhoben werde, und daher nicht unter Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 falle.

15.      Accorinvest und Société Générale legten gegen diese Urteile der Cour administrative d’appel de Paris (Verwaltungsberufungsgericht Paris) jeweils Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein und machten geltend, dass der in Rede stehende Beitrag eine indirekte Steuer darstelle, die direkt oder indirekt auf den Stromverbrauch erhoben werde, allein schon deshalb, weil es einen gesetzlichen Mechanismus gebe, um diese Steuer auf den Endverbraucher abzuwälzen. Sie trugen außerdem vor, dass der fragliche Beitrag in den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 falle, da ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Tarifbeitrag für die Durchleitung und dem Stromverbrauch bestehe. Sie machten u. a. geltend, dass der Zugangsvertrag, aufgrund dessen diese Steuer geschuldet werde, notwendigerweise mit einem Vertrag über die Lieferung von Strom an einen Endverbraucher verbunden sei und dass der Fixanteil der Tarife für die Nutzung der öffentlichen Stromnetze, auf den diese Steuer erhoben werde, u. a. von der vom Endverbraucher selbst gebuchten Leistung abhänge, die üblicherweise mit seinem Verbrauchsprofil in Zusammenhang stehe.

16.      Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen, dass das Bestehen eines gesetzlichen Mechanismus zur Abwälzung der Steuer auf den Endverbraucher eines verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisses für sich genommen bedeutet, dass ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen dieser Steuer und dem Verbrauch dieses Erzeugnisses besteht, so dass sie als andere indirekte Steuer im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 anzusehen ist, selbst wenn diese Steuer unabhängig von der tatsächlich verbrauchten Menge des Erzeugnisses berechnet wird?

2.      Sind die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen, dass eine Abgabe wie der Tarifbeitrag für die Durchleitung, der auf den Fixanteil der Tarife für die Nutzung der öffentlichen Stromnetze unter Ausschluss des variablen Anteils dieser Tarife, der als einziger vom Stromverbrauch abhängt, erhoben wird, aber aufgrund der von den Verbrauchern oder ihren Lieferanten geschlossenen Netzzugangsverträge geschuldet wird, einen unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem Stromverbrauch aufweist, so dass er als eine andere indirekte Steuer im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen ist?

 Würdigung

17.      Mit seinen beiden Fragen, deren gemeinsame Behandlung ich vorschlage, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 dahin auszulegen ist, dass ein Beitrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, der für die Nutzung der Übertragungs-‑ und Verteilungsnetze von elektrischem Strom zu entrichten ist, auf den Fixanteil des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Stromnetze erhoben und durch einen gesetzlichen Mechanismus auf den Verbraucher abgewälzt wird, unter den Begriff „andere indirekte Steuern“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

18.      Um diese Frage zu beantworten, ist als Erstes der Begriff der „anderen indirekten Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 zu definieren. Als Zweites werde ich das in der Rechtsprechung(3) entwickelte Kriterium des unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs zwischen einer Steuer und dem Verbrauch einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware näher untersuchen und insbesondere prüfen, ob dieser Zusammenhang mit einem Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom oder mit der Menge des verbrauchten Stroms bestehen muss. Als Drittes wird sich die Untersuchung mit der Frage befassen, ob ein solcher unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang allein aus der Weitergabe der Steuer an den Verbraucher abgeleitet werden kann. Als Viertes ist auf der Grundlage dieser Auslegung zu bestimmen, ob der TBD als „andere indirekte Steuer“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann.

 Zum Begriff „andere indirekte Steuer“

19.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die unionsrechtliche Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr vom Gerichtshof anhand ihrer objektiven Merkmale vorzunehmen ist, unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht(4).

20.      Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 können die Mitgliedstaaten für besondere Zwecke auf verbrauchsteuerpflichtige Waren andere indirekte Steuern erheben, sofern diese Steuern mit den Vorschriften der Union für die Verbrauchsteuer oder die Mehrwertsteuer vereinbar sind.

21.      Die Richtlinie 2008/118 enthält keine Definition des Begriffs „andere indirekte Steuer“ auf elektrischen Strom im Sinne dieser Bestimmung. Jedoch bezeichnet nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Begriff „andere indirekte Steuern“ indirekte Steuern auf den Verbrauch der in Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie aufgezählten Erzeugnisse, die keine „Verbrauchsteuern“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung sind und zu besonderen Zwecken erhoben werden(5).

22.      Insoweit geht aus der Rechtsprechung hervor, dass zwischen einer solchen Steuer und dem Stromverbrauch ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang bestehen muss(6). Das bedeutet, dass zu prüfen ist, ob eine solche Steuer einen Bestandteil belastet, der in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit dem Stromverbrauch steht, so dass die Steuer aufgrund der Besteuerung dieses Bestandteils als auf den Stromverbrauch selbst erhoben anzusehen ist. Eine Steuer, die nicht auf den Verbrauch von elektrischem Strom erhoben wird, fällt nämlich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/118(7).

23.      Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens jedoch geltend, dass es ausreiche, dass die in Rede stehende Steuer auf den Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom erhoben werde, und dass es nicht erforderlich sei, dass sie an die Menge des elektrischen Stroms gekoppelt sei.

24.      Um den Begriff „andere indirekte Steuern“ auszulegen und den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 zu bestimmen, ist es meiner Ansicht nach somit erforderlich, zu klären, ob das Kriterium des Vorliegens eines unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs zwischen einer indirekten Steuer und dem Verbrauch von elektrischem Strom einen Zusammenhang mit dem Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom erfordert oder ob ein Zusammenhang zwischen der Steuer und den Mengen an verbrauchtem elektrischem Strom bestehen muss.

 Muss der unmittelbare und untrennbare Zusammenhang mit einem Vorgang des Stromverbrauchs oder mit den tatsächlich verbrauchten Strommengen bestehen?

25.      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen(8).

26.      Als Erstes ist festzustellen, dass der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 keine näheren Angaben dazu enthält, ob der unmittelbare und untrennbare Zusammenhang mit dem Vorgang des Verbrauchs oder den verbrauchten Mengen bestehen muss. Aus Nr. 20 oben geht nämlich hervor, dass die Richtlinie 2008/118 den Begriff „andere indirekte Steuern“ nicht definiert, während von der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Voraussetzung des „unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs mit dem Verbrauch“ der verbrauchsteuerpflichtigen Ware entwickelt worden ist, wie aus Nr. 22 oben hervorgeht. Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 allein lässt somit nicht erkennen, ob der unmittelbare und untrennbare Zusammenhang mit dem Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom ausreicht, um vom Vorliegen einer „anderen indirekten Steuer“ im Sinne dieser Bestimmung auszugehen.

27.      Vor diesem Hintergrund sind der Kontext von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 und die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele zu untersuchen.

28.      Was als Zweites den Kontext dieser Bestimmung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 1 der Richtlinie 2008/118 drei Fälle unterschieden werden.

29.      Erstens ist in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 der Grundsatz verankert, dass diese Richtlinie ein allgemeines System für die Verbrauchsteuern festlegt, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch bestimmter verbrauchsteuerpflichtiger Waren erhoben werden, darunter auch elektrischer Strom, der unter die Richtlinie 2003/96 fällt.

30.      Zweitens erlaubt Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 den Mitgliedstaaten, andere Steuern „für besondere Zwecke“ zu erheben, sofern diese mit den für die Verbrauchsteuern und die Mehrwertsteuer geltenden Vorschriften vereinbar sind. Abweichend von der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 vorgesehene harmonisierte Verbrauchsteuer für die in dieser Bestimmung aufgeführten verbrauchsteuerpflichtigen Waren anzuwenden, räumt Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, unter bestimmten Voraussetzungen andere indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erheben. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass diese den Mitgliedstaaten eingeräumte Befugnis darauf abzielt, den unterschiedlichen steuerlichen Traditionen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und dem häufigen Rückgriff auf indirekte Steuern für die Zwecke nicht auf den Haushalt bezogener Politiken Rechnung zu tragen(9).

31.      Drittens geht aus Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2008/118 hervor, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, Steuern auf andere als verbrauchsteuerpflichtige Waren (Buchst. a) sowie auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt (Buchst. b), einzuführen oder beizubehalten, sofern diese im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten mit sich bringen.

32.      Wie die Europäische Kommission hervorhebt, würde eine Auslegung, wonach eine Steuer, die mit dem Vorgang des Stromverbrauchs verbunden ist, aber keinen Bezug zur tatsächlich verbrauchten Menge hat, als unmittelbar und untrennbar mit diesem Verbrauch in Zusammenhang stehend angesehen werden könnte, Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/118 seiner praktischen Wirksamkeit berauben. Denn dann könnten alle Abgaben, die mit dem Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom in Zusammenhang stehen, als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 eingestuft werden und würden unter diese Bestimmung fallen, was dazu führen würde, dass Art. 1 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie bedeutungslos würde.

33.      Im Rahmen der systematischen Auslegung ist auch die Richtlinie 2003/96 zur Restrukturierung der Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom zu berücksichtigen, auf die Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 Bezug nimmt. Denn die Regelung der Verbrauchsteuern erfolgt gemeinsam durch eine allgemeine Richtlinie, die das allgemeine Verbrauchsteuersystem festlegt (im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht die Richtlinie 2008/118(10)), und durch mehrere Einzelrichtlinien, die die Steuerbemessungsgrundlagen und Mindeststeuersätze für die diesen Verbrauchsteuern unterliegenden Waren harmonisieren, hier die Richtlinie 2003/96 für Energieerzeugnisse und elektrischen Strom.

34.      Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 verpflichtet die Mitgliedstaaten, bestimmte Mindeststeuerbeträge für diese Erzeugnisse einzuhalten, während Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie den „Steuerbetrag“, den die Mitgliedstaaten auf die betreffenden Erzeugnisse anwenden, als „die Gesamtheit der als indirekte Steuern (mit Ausnahme der Mehrwertsteuer) erhobenen Abgaben, die zum Zeitpunkt der Überführung in den freien Verkehr direkt oder indirekt anhand der Menge an Energieerzeugnissen und elektrischem Strom berechnet werden“ (Hervorhebung nur hier), definiert. Da diese Schwellenwerte für die Gesamtheit der als indirekte Steuern erhobenen Abgaben gelten, umfassen diese Mindeststeuerbeträge folglich die in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen „anderen indirekten Steuern“(11) und werden anhand der tatsächlichen Mengen des Verbrauchs von elektrischem Strom bemessen.

35.      Aus der systematischen Auslegung ergibt sich meiner Ansicht nach somit, dass eine Steuer den Stromverbrauch belastet und als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 qualifiziert werden kann, wenn ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang mit der verbrauchten Strommenge und nicht nur mit einem Verbrauchsvorgang besteht.

36.      Als Drittes wird diese Auslegung durch die mit der Richtlinie 2008/118 verfolgten Ziele untermauert.

37.      Hierzu heißt es im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/118, dass diese darauf abzielt, die Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf Waren, die ihrem Anwendungsbereich unterliegen, zu harmonisieren, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

38.      Wie aus Nr. 29 oben hervorgeht, sieht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 eine harmonisierte Verbrauchsteuer für eine begrenzte Gruppe von in dieser Bestimmung aufgeführten Waren vor, zu denen auch elektrischer Strom gehört, der in der Richtlinie 2003/96 geregelt ist.

39.      Daraus folgt, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118, wonach es den Mitgliedstaaten im Wesentlichen erlaubt ist, andere indirekte Steuern auf verbrauchsteuerpflichtige Waren zu erheben, als Bestimmung, die vom Grundsatz der Harmonisierung der Voraussetzungen für die Erhebung von Verbrauchsteuern auf die unter ihren Anwendungsbereich fallenden Waren abweicht, eng ausgelegt werden muss(12). Zwar bezog sich diese Beurteilung des Gerichtshofs in den Rechtssachen Statoil Fuel & Retail(13) sowie Agenzia delle dogane e dei monopoli(14) auf eine der in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen kumulativen Voraussetzungen, nämlich auf den Begriff „besondere Zwecke“, und nicht auf den Begriff „andere indirekte Steuern“ selbst. Angesichts einer ständigen Rechtsprechung, wonach Ausnahmen eng auszulegen sind, damit allgemeine Regelungen nicht ausgehöhlt werden(15), scheint mir jedoch der gleiche Ansatz auch für den Anwendungsbereich der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahmeregelung und damit für die Auslegung des Begriffs „andere indirekte Steuern“ zu gelten(16).

40.      Somit ist meines Erachtens der Begriff „andere indirekte Steuer“ ebenfalls restriktiv auszulegen, was ausschließt, dass eine Steuer, die ausschließlich einen Bezug zum Vorgang des Verbrauchs von elektrischem Strom hat, unter diese Bestimmung fällt.

41.      Wenn die in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 vorgesehenen „anderen indirekten Steuern“ auch Steuern umfassen würden, die faktisch nicht auf den Stromverbrauch erhoben werden, also ohne Bezug zu den verbrauchten Strommengen, könnte dies – wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – das Harmonisierungsziel dieser Richtlinie, das darin besteht, den freien Verkehr verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu erleichtern, beeinträchtigen, da die Gefahr bestünde, dass der Handel mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren zwischen den Mitgliedstaaten durch andere Steuern behindert wird. Die Richtlinie 2008/118 zielt nämlich insbesondere darauf ab, in allen Mitgliedstaaten die Vorschriften über die Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs(17) sowie die Vorschriften über die Beförderung und die Kontrollen verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu harmonisieren, wodurch der Verkehr dieser Waren erleichtert wird. Die in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 vorgesehene harmonisierte Verbrauchsteuer ist jedoch eine Verbrauchsteuer, die anhand der Menge der zum Verbrauch angebotenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren bemessen wird(18). Gäbe es andere Steuern auf dieselben Waren, die nicht mit dem tatsächlichen Verbrauch dieser Waren in Zusammenhang stünden, könnte dies zu zusätzlichen Formalitäten bei der Kontrolle dieser Waren führen. Die Vervielfachung solcher Steuern neben der harmonisierten Verbrauchsteuer würde folglich den Handel mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren zwischen den Mitgliedstaaten behindern.

42.      Aus diesen Erwägungen folgt meiner Ansicht nach, dass eine Steuer nur dann als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 qualifiziert werden kann, wenn zwischen ihr und den verbrauchten Strommengen und nicht nur mit dem Vorgang des Stromverbrauchs ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang besteht.

43.      Eine solche Hervorhebung des Aspekts der Menge der verbrauchten Ware wird im Übrigen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil Kernkraftwerke Lippe‑Ems festgestellt, dass bei einer Steuer auf Brennelemente von Kernkraftwerken kein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang mit dem Stromverbrauch besteht, da diese Steuer wegen des Auslösens einer sich selbsttragenden Kettenreaktion erhoben werden könnte, ohne dass notwendigerweise überhaupt elektrischer Strom erzeugt und damit verbraucht wird(19).

44.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seinem Urteil Promociones Oliva Park festgestellt, dass die in jener Rechtssache in Rede stehende Steuer allein aufgrund der Eigenschaft als Stromerzeuger auf der Grundlage der teilweise fixen Einnahmen der Steuerpflichtigen und somit unabhängig von der tatsächlich erzeugten und in das Elektrizitätssystem eingespeisten Strommenge berechnet wurde(20). Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass kein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen dieser Steuer und dem Stromverbrauch besteht(21).

45.      Daraus folgt meiner Meinung nach, dass der unmittelbare und untrennbare Zusammenhang zwischen der Steuer und dem Verbrauch der verbrauchsteuerpflichtigen Ware mit den verbrauchten Strommengen und nicht nur mit dem Vorgang des Stromverbrauchs bestehen muss.

 Zur Weitergabe der Steuer an den Endverbraucher

46.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der TBD gemäß Art. 18 Ziff. II des Gesetzes vom 9. August 2004 von den Betreibern öffentlicher Übertragungs‑ oder Verteilungsnetze oder von den Stromversorgern zu entrichten ist, diese sie jedoch bei den Verbrauchern erheben.

47.      Hierzu möchte das vorlegende Gericht vom Gericht wissen, ob die vollständige und transparente Weitergabe des TBD an den Endverbraucher ausreicht, um auf das Vorliegen eines unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs mit dem Stromverbrauch zu schließen.

48.      Meiner Auffassung nach sprechen mehrere Argumente dafür, diese Frage zu verneinen.

49.      Erstens ergibt sich aus Nr. 45 oben, dass zwischen einer Steuer und dem Verbrauch des verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisses ein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang im Hinblick auf die verbrauchten Strommengen bestehen muss, damit sie als „andere indirekte Steuer“ eingestuft werden kann. Folglich bin ich der Ansicht, dass der bloße Umstand, dass eine Steuer vollständig auf den Endverbraucher von elektrischem Strom abgewälzt wird, selbst wenn dies durch einen gesetzlichen Mechanismus geschieht, allein nicht ausreicht, um auf das Bestehen eines unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs zwischen einer Steuer und dem Verbrauch von elektrischem Strom zu schließen.

50.      Zweitens wird diese Auslegung meiner Ansicht nach durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt.

51.      Zum einen hat der Gerichtshof, wie Generalanwalt Campos Sánchez‑Bordona in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Messer France ausgeführt hat(22), in seinem Urteil IRCCS – Fondazione Santa Lucia(23) drei Merkmale genannt, die indirekten Steuern innewohnen:

–        Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des Betrags, und bei Nichterfüllung haben die Behörden die Befugnis zur Vornahme gesetzlicher Schritte gegen den Zahlungspflichtigen.

–        Die geforderten Beträge sind dazu bestimmt, im Allgemeininteresse liegende Ziele zu finanzieren, und zwar nach den von den öffentlichen Behörden festgelegten Umlegungskriterien.

–        Die Beträge können auf den Endverbraucher der gelieferten Ware oder erbrachten Dienstleistung abgewälzt werden, indem sie in den Betrag einbezogen werden, der auf der an ihn gerichteten Rechnung ausgewiesen ist und der typischerweise mit den verbrauchten Mengen der Ware oder Dienstleistung in Zusammenhang steht.

52.      Die Weitergabe einer Steuer an den Verbraucher ist somit zwar eines der Merkmale einer indirekten Steuer. Die bloße Weitergabe der Steuer an den Verbraucher bedeutet jedoch nicht automatisch, dass diese Steuer in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit dem Stromverbrauch steht.

53.      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bei der Beurteilung der Frage, ob eine Steuer als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 einzustufen ist, bei mehreren Gelegenheiten berücksichtigt hat, ob es möglich ist, diese auf den Verbraucher abzuwälzen, oder nicht(24). Der Gerichtshof hat jedoch auch die Berechnungsweise dieser Steuern geprüft, um festzustellen, ob sie andere indirekte Steuern im Sinne dieser Bestimmung darstellen(25).

54.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich meines Erachtens, dass die vollständige Weitergabe eines Beitrags wie des TBD, der unabhängig von der Menge des Stromverbrauchs zu entrichten ist, allein nicht ausreicht, um zu dem Schluss zu gelangen, dass ein solcher Beitrag eine andere indirekte Steuer darstellt, sondern dass es sich um einen Aspekt handelt, der bei der Einstufung als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 mitzuberücksichtigen ist.

 Kann der TBD als „andere indirekte Steuer“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 eingestuft werden?

55.      Um festzustellen, ob der TBD unter Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 fällt, ist zu prüfen, ob diese Steuer mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch von elektrischem Strom, der in der Richtlinie 2003/96 geregelt ist, erhoben wird.

56.      Als Erstes geht aus Art. 18 Ziff. I des Gesetzes vom 9. August 2004 hervor, dass der TBD ein Beitrag auf die Übertragung und Verteilung von Strom ist. Der Steuertatbestand des TBD entspricht somit dem Abschluss eines Vertrags über den Zugang zum öffentlichen Verteilungsnetz durch den Verbraucher, unabhängig davon, ob es sich um einen einzigen Vertrag mit den Stromversorgern handelt, der sowohl den Zugang zum Netz als auch die Stromversorgung abdeckt, oder um einen vom Liefervertrag getrennten Vertrag, der mit den Betreibern der öffentlichen Übertragungs‑ oder Verteilungsnetze geschlossen wird(26). Der Steuertatbestand des TBD, d. h. die Nutzung der Stromübertragungs‑ und ‑verteilungsnetze, ist somit jeglichem Stromverbrauch vorgelagert, auch wenn ein Durchleitungsvertrag grundsätzlich mit einem Stromliefervertrag verbunden ist.

57.      Als Zweites ist hinsichtlich der Einzelheiten für die Berechnung des TBD festzuhalten, dass dieser auf dem Fixanteil (ohne Steuern) des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Netze der Stromübertragung und ‑verteilung (TNÖNS) basiert, der gemäß Art. 1 des Dekrets Nr. 2005‑123 vom 14. Februar 2005 aus der Verwaltungskomponente(27), der Zählerkomponente(28), dem Fixanteil der Entnahmekomponente(29) und dem Fixanteil der jährlichen Komponente für die Zusatz- und Notversorgungen(30) zusammengesetzt ist. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, werden diese Bestandteile jährlich ohne Änderungen festgelegt.

58.      Erstens geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Verwaltungskomponente, die Zählerkomponente und der Fixanteil der jährlichen Komponente für Zusatz- und Notversorgungen nicht mit dem Stromverbrauch in Zusammenhang stehen(31).

59.      Zweitens hängt der Fixanteil der jährlichen Entnahmekomponente insbesondere vom Spannungsbereich, den Tarifoptionen und der vom Verbraucher gebuchten Leistung ab(32). Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass der Fixanteil der Entnahmekomponente in Wirklichkeit variabel sei, da er je nach der Leistung und den Tarifoptionen, die der Verbraucher entsprechend seinen Bedürfnissen wähle, variiere, was zeige, dass der TBD mit dem Stromverbrauch zusammenhänge.

60.      Aus den dem Gericht vorliegenden Akten geht jedoch hervor, dass die vom Verbraucher gewählten Tarifoptionen und die von ihm gewählte Leistung mit einer Schätzung seines künftigen Stromverbrauchs, nicht aber mit seinem tatsächlichen Verbrauch in Zusammenhang stehen.

61.      Der Verbraucher wählt nämlich bereits, bevor er überhaupt Strom verbraucht, einen Tarif und eine Leistung. Die Entscheidung des Verbrauchers hängt also von seinem Verbrauchsprofil und seiner Art und Weise des Stromverbrauchs auf der Grundlage einer Schätzung seines Bedarfs ab, steht jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem tatsächlichen Umfang seines Stromverbrauchs.

62.      Die französische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass die vertraglich vereinbarte Leistung die maximale Strommenge bestimme, die ein Verbraucher zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Netz beziehen könne(33). Der Verbraucher schätzt also die Leistung, die er in Zukunft aufgrund seiner Tätigkeiten oder seiner elektrischen Geräte voraussichtlich benötigen wird. Die Leistung entspricht somit einem Anspruch auf einen potenziellen Höchststromverbrauch, den der Verbraucher in mehr oder weniger starkem Maß in Anspruch nimmt(34). Es ist sogar möglich – beispielsweise im Fall eines Ferienhauses, das einen Teil des Jahres nicht bewohnt ist –, dass der Verbraucher über einen bestimmten Zeitraum überhaupt keinen Strom verbraucht.

63.      Wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, kann der Verbraucher im Übrigen, wenn er eine Leistung gebucht hat, die weit über seinem tatsächlichen Verbrauch liegt, seinen Vertrag nach unten korrigieren, damit die gebuchte Leistung seinem tatsächlichen Bedarf entspricht. Die Tarife für die Nutzung der öffentlichen Stromnetze und der TBD werden dann für die Zukunft angepasst, aber es erfolgt keine Rückerstattung des TBD, den der Verbraucher in der Vergangenheit gezahlt hat und der auf der Grundlage einer Leistung berechnet worden ist, die nicht seinem Bedarf entspricht.

64.      Auch wenn, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens geltend machen, die gebuchte Leistung einen gewissen Zusammenhang mit dem künftigen Stromverbrauch des Verbrauchers aufweist, steht die Bemessungsgrundlage des TBD also nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der tatsächlich verbrauchten Strommenge, und der TBD könnte sogar erhoben werden, ohne dass Strom in das Netz eingespeist oder vom Verbraucher verbraucht worden wäre.

65.      Darüber hinaus berücksichtigt die tarifliche Festlegung des Fixanteils der Entnahmekomponente, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, auch die Kosten, die den Betreibern öffentlicher Stromübertragungs- und ‑verteilungsnetze im Zusammenhang mit dem potenziellen Höchstverbrauch der Verbraucher und dessen zeitlicher Verteilung entstehen, was zwar mit dem potenziellen Verbrauch des Verbrauchers, nicht aber mit seinem tatsächlichen Stromverbrauch zusammenhängt.

66.      Als Drittes trifft es zwar zu, dass der TBD vollständig auf den Endverbraucher von Strom abgewälzt wird(35). Wie jedoch aus Nr. 49 oben hervorgeht, reicht meines Erachtens der Umstand allein, dass eine Steuer vollständig auf diesen Endverbraucher abgewälzt wird, nicht aus, um auf das Bestehen eines unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs zwischen einer Steuer und dem Stromverbrauch zu schließen. Aus den Nrn. 58 bis 64 oben geht hervor, dass der Steuertatbestand des TBD jeglichem Stromverbrauch vorgelagert ist und dass die Höhe des TBD unabhängig von der vom Verbraucher tatsächlich verbrauchten Strommenge berechnet wird.

67.      Somit kann kein unmittelbarer und untrennbarer Zusammenhang zwischen dem TBD und dem Stromverbrauch festgestellt werden. Da der TBD keine indirekte Steuer darstellt, die mittelbar oder unmittelbar auf den Verbrauch von elektrischem Strom, der in der Richtlinie 2003/96 geregelt ist, erhoben wird, wird er meiner Auffassung nach nicht von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 erfasst.

 Ergebnis

68.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gericht vor, die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG

ist dahin auszulegen, dass

ein Beitrag wie der im Ausgangsverfahren streitige, der für die Nutzung der Übertragungs- und Verteilungsnetze von elektrischem Strom zu entrichten ist, auf den Fixanteil des Tarifs für die Nutzung der öffentlichen Stromnetze erhoben und durch einen gesetzlichen Mechanismus auf den Verbraucher abgewälzt wird, nicht unter den Begriff „andere indirekte Steuern“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

Maja Brkan

Vorgelegt in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Oktober 2025.

Unterschriften





































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