Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)
13. November 2024(* )
„ Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Deutsche Märkte für Fernseh- und Telekommunikationsdienste – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für vereinbar mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen erklärt wird – Verpflichtungszusagen – Beurteilung der horizontalen und vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb – Wettbewerbsverhältnis zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen – Zusammenschlussbedingte Veränderung – Offensichtlicher Beurteilungsfehler “
In der Rechtssache T‑64/20,
Deutsche Telekom AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. von Köckritz, U. Soltész, M. Wirtz, M. Schulz und P. Lohs sowie Rechtsanwältin S. Zinndorf,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch G. Conte, J. Szczodrowski und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch:
Vodafone Group plc mit Sitz in Newbury (Vereinigtes Königreich), vertreten durch V. Vollmann, Solicitor, sowie Rechtsanwältin C. Jeffs, Rechtsanwalt A. Chadd und Rechtsanwältin D. Seeliger,
Streithelferin,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, des Richters R. da Silva Passos (Berichterstatter), der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull,
Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2023
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, die Nichtigerklärung des Beschlusses K(2019) 5187 endg. der Kommission vom 18. Juli 2019, mit dem der auf den Erwerb bestimmter Vermögenswerte von Liberty Global Plc durch die Vodafone Group Plc gerichtete Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärt wurde (Sache COMP/M.8864 – Vodafone/Certain Liberty Global Assets) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits
A. Unternehmen
2 Hauptgeschäftsfelder der im Vereinigten Königreich ansässigen Vodafone Group plc (im Folgenden: Streithelferin oder Vodafone) sind der Betrieb von Mobilfunknetzen und die Erbringung der entsprechenden Dienste (Sprachtelefonie, Textnachrichten und mobile Daten). Darüber hinaus bieten einige ihrer Betriebsgesellschaften Kabelfernsehen, Festnetztelefonie, Breitband‑Internet und IPTV (Internet Protocol Television, Fernsehen mit Hilfe des Internet Protocols) an. In der Europäischen Union ist Vodafone in zwölf Mitgliedstaaten präsent, unter anderem in der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Ungarn und in Rumänien. In Deutschland ist Vodafone Eigentümerin eines sich über 13 (Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen) von 16 Ländern erstreckenden Koaxialkabelnetzes, über das sie Fernsehdienste und Breitband‑Internet anbieten kann. Daneben bietet Vodafone in Deutschland bundesweit auch Mobilfunkdienste für Endkunden und – über einen Vorleistungszugang zum Festnetz der Klägerin – Festnetz-Telekommunikationsdienste an.
3 Die Liberty Global plc, die ihren Sitz ebenfalls im Vereinigten Königreich hat, bietet in verschiedenen Mitgliedstaaten der Union Fernsehdienste, Breitband‑Internet, Festnetztelefonie und Mobilfunk an. Liberty Global ist Eigentümerin und Betreiberin von Kabelnetzen, über die sie in der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Ungarn und in Rumänien Fernsehdienste, Breitband‑Internet und Sprachtelefonie anbietet. Liberty Global agiert in Deutschland als Unitymedia GmbH, in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Rumänien als UPC. In Deutschland ist Unitymedia Eigentümerin eines Koaxialkabelnetzes, das sich auf die drei Länder erstreckt, auf die sich das Kabelnetz von Vodafone nicht erstreckt (Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg). Außerdem betreibt Liberty Global in Deutschland und in Ungarn ein virtuelles Mobilfunknetz.
4 Die in Deutschland ansässige Klägerin bietet u. a. IPTV, Breitband‑Internet, Festnetztelefonie, hauptsächlich auf der Grundlage ihres Kupfer-Telefonnetzes und ihres Glasfasernetzes, sowie Mobilfunk in verschiedenen Mitgliedstaaten der Union an.
B. Verwaltungsverfahren
5 Bei der Europäischen Kommission wurde am 19. Oktober 2018 gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein Zusammenschlussvorhaben angemeldet. Vodafone teilte mit, dass sie beabsichtige, die alleinige Kontrolle über das Telekommunikationsgeschäft der Liberty Global in der Tschechischen Republik, in Deutschland, in Ungarn und in Rumänien zu erwerben. Der Zusammenschluss sollte im Wege eines Veräußerungsvertrags erfolgen, mit dem Vodafone 100 % der Anteile der Gesellschaften erwerben wollte, die das Telekommunikationsgeschäft von Liberty Global betrieben (im Folgenden: Zusammenschluss). In Deutschland sollte der Zusammenschluss durch den Erwerb von 100 % der Anteile von Unitymedia erfolgen.
6 Nach einer vorläufigen Prüfung der Anmeldung äußerte die Kommission am 11. Dezember 2018 auf der Grundlage der ersten Phase der Marktuntersuchung ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und beschloss, das Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 einzuleiten.
7 Die Kommission teilte Vodafone am 25. März 2019 ihre Beschwerdepunkte mit (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte).
8 Vodafone reichte am 8. April 2019 ihre schriftliche Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte ein.
9 Am 6. Mai 2019 bot Vodafone an, zur Lösung der von der Kommission festgestellten Wettbewerbsprobleme Verpflichtungen gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 einzugehen. Die Kommission begann am 7. Mai 2019 damit, einen Markttest zu diesen Verpflichtungen durchzuführen.
10 Vodafone legte am 11. Juni 2019 wegen gewisser Änderungen eine Reihe endgültiger Verpflichtungszusagen (im Folgenden: endgültige Verpflichtungszusagen) vor.
11 Am 18. Juli 2019 erließ die Kommission gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 den angefochtenen Beschluss.
C. Angefochtener Beschluss
12 Im angefochtenen Beschluss prüft die Kommission in einem ersten Schritt, welche Auswirkungen der Zusammenschluss haben würde, insbesondere in Deutschland, und in einem zweiten Schritt, ob die Verpflichtungszusagen der Anmelderin geeignet sind, den Zusammenschluss in einer mit dem Binnenmarkt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu vereinbarenden Weise zu gestalten.
1. Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in Deutschland
13 Was Deutschland angeht, prüft die Kommission zunächst die horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses, d. h., welche Auswirkungen sich daraus ergeben würden, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber waren, dann die vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses, d. h., welche Auswirkungen sich daraus ergeben würden, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf verschiedenen Stufen der Lieferkette agierten, und schließlich die konglomeralen Auswirkungen des Zusammenschlusses, d. h., welche Auswirkungen sich daraus ergeben würden, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weder in einem horizontalen noch in einem vertikalen Verhältnis zueinander standen, sondern auf eng miteinander verflochtenen Märkten tätig waren und insbesondere komplementäre Waren oder Dienstleistungen lieferten.
a) Horizontale Auswirkungen
14 Die Kommission prüft insbesondere, welche nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen der Zusammenschluss auf folgenden Märkten haben würde: deutscher Endkundenmarkt für den Festnetz‑Internetzugang (im Folgenden: Markt für Festnetz‑Internet), Endkundenmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen, Endkundenmarkt für gebündelte Dienste (Multiple Play), Endkundenmarkt für Fernsehdienste, Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen und deutscher Vorleistungsmarkt für die Verbreitung von Fernsehsignalen (im Folgenden: Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen).
1) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf den Markt für Festnetz ‑I nternet
15 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass auf dem Markt für Festnetz‑Internet Telekommunikationsunternehmen (Anbieter) Verträge anböten, mit denen die Endkunden (Nachfrager) über einen Festnetzanschluss Zugang zum Internet erhalten könnten. Für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses sieht die Kommission im vorliegenden Fall als relevanten Markt den gesamten Endkundenmarkt für Festnetz‑Internet (unabhängig von der Art des Produkts, der Art des Anschlusses, der Datenübertragungsrate und der Bandbreite) für Privatkunden und kleine Unternehmen an, mit Ausnahme der Dienste, mit denen der Zugang zum Festnetz‑Internet über eine Mobilfunkinfrastruktur gewährt wird. Sie nimmt an, dass es sich räumlich um einen nationalen Markt handle.
16 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem Markt für Festnetz‑Internet wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde, insbesondere wegen des Wegfalls des erheblichen Wettbewerbsdrucks, den die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss vor allem im Kabelnetzgebiet von Unitymedia aufeinander ausgeübt hätten, und wegen der Entstehung eines Marktakteurs mit einem Marktanteil (Zahl der Abonnenten) von mehr als 30 % (im Kabel-Netzgebiet von Unitymedia mehr als 40 %, in bestimmten Ländern und Kreisen sogar noch mehr).
2) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Endkundenmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen
17 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass auf dem Endkundenmarkt für die Bereitstellung des Fernsehsignals die Unternehmen, die über die entsprechende Infrastruktur verfügten (Anbieter), den Kunden (Nachfrager) Fernsehsignale hauptsächlich über Kabel, Satellit, Antenne (nach dem für die digitale Videoübertragung im Antennenfernsehen geltenden Standard: Digital Video Broadcasting – Terrestrial, DVB‑T) und IPTV zur Verfügung stellten.
18 Zur Abgrenzung des Produktmarkts stellt die Kommission fest, dass der deutsche Markt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen dadurch gekennzeichnet sei, dass dem Mieten von Wohnungen und den Wohnungsunternehmen eine hohe Bedeutung zukomme. Die Wohnungsunternehmen schlössen im Namen ihrer Mieter von ihnen ausgehandelte Verträge über die Grundversorgung mit Fernsehen und legten die Kosten dann nach einer Besonderheit des deutschen Rechts, dem sogenannten Nebenkostenprivileg, über die monatliche Miete auf die Mieter um. Die Haushalte, die in Deutschland Fernsehen empfingen, befänden sich größtenteils in Mehrfamilienhäusern (MFH), die im Eigentum von Wohnungsunternehmen oder Privatleuten (im Folgenden: MFH-Kunden) stünden. Bei Einfamilienhäusern (EFH) wählten die Endverbraucher (im Folgenden: EFH-Kunden) ihren Fernsehanbieter in der Regel selbst aus und zahlten das entsprechende Entgelt unmittelbar an ihn.
19 Für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses nimmt die Kommission auf der Grundlage der Ergebnisse der Marktuntersuchung wegen der Besonderheiten des deutschen Endkundenmarkts für die Bereitstellung von Fernsehsignalen an Kunden, die in Mehrfamilienhäusern lebten (im Folgenden: MFH-Markt), an, dass zwischen diesem Markt und dem Endkundenmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen an Kunden, die in Einfamilienhäusern lebten (im Folgenden: EFH-Markt), zu unterscheiden sei und dass offengelassen werden könne, wie diese Märkte räumlich abzugrenzen seien.
20 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass es nicht wahrscheinlich sei, dass durch den Zusammenschluss auf dem MFH-Markt oder auf dem EFH-Markt wirksamer Wettbewerb aufgrund nicht koordinierter horizontaler Auswirkungen erheblich behindert werden würde.
3) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf den etwaigen Endkundenmärkten für gebündelte Dienste
21 Die Kommission stellt fest, dass mit „gebündelten Diensten“ Angebote gemeint seien, die zwei oder mehrere der folgenden Dienste umfassten, die auf der Endkundenebene von ein und demselben Dienstleistungserbringer auf der Grundlage eines einheitlichen oder mehrerer einzelner Verträge erbracht würden: Mobilfunkdienste, Festnetz-Telefonie, Festnetz‑Internet und Fernsehdienste. Gebündelte Angebote, die zwei, drei oder vier dieser Dienste umfassten, würden als „Double Play“ („2‑play“), „Triple Play“ („3‑play“) bzw. „Quadruple Play“ („4‑play“) bezeichnet. Gebündelte Angebote, die einen oder mehrere der genannten Festnetzdienste in Verbindung mit einem Dienst der mobilen Telekommunikation umfassten, würden als „Fixed-Mobile Multiple Play“ (gebündeltes Angebot mit Festnetz und Mobilfunk) oder „Fixed Mobile Convergence“ (FMC) bezeichnet. Ob es einen oder mehrere Märkte für gebündelte Angebote für Telekommunikationsdienste gebe, die sich von den Märkten für die entsprechenden Einzeldienste unterschieden, könne für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses offengelassen werden.
22 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem deutschen Endkundenmarkt für Double-Play mit Festnetz-Telefonie und Festnetz‑Internet wirksamer Wettbewerb aufgrund nicht koordinierter horizontaler Auswirkungen erheblich behindert werden würde, nicht aber auf etwaigen deutschen Endkundenmärkten für Triple-Play mit Festnetz-Telefonie, Festnetz‑Internet und Mobilfunkdiensten, für Triple-Play mit Festnetz-Telefonie, Festnetz‑Internet und Fernsehdiensten und für Quadruple-Play. Die Kommission stellt klar, dass damit der Würdigung der konglomeralen Auswirkungen des Zusammenschlusses, was die verschiedenen Einzeldienste der gebündelten Angebote angehe, nicht vorgegriffen werde.
4) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Endkundenmarkt für Fernsehdienste
23 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass auf dem Endkundenmarkt für Fernsehdienste Anbieter die Unternehmen seien, die lineare Fernsehdienste, also zeitlich geordnete Folgen von Sendungen, deren Ausstrahlungszeitraum vom Fernsehsender programmiert werde, und nicht lineare Fernsehdienste, d. h. Folgen von Sendungen, die vom Endkunden abgerufen würden, bereitstellten, und zwar für Endkunden, die diese Dienste in Anspruch nehmen wollten (Nachfrager). Die Fernsehsender böten den Endkunden folgende Fernsehdienste an: Pakete mit frei empfangbaren oder verschlüsselten linearen Fernsehkanälen und Inhalte, die mit nicht linearen Diensten (z. B. Video-on-Demand, VoD) gebündelt zur Verfügung gestellt würden. Die Fernsehinhalte könnten den Endkunden über mehrere technische Wege zur Verfügung gestellt werden, etwa über Kabel, Satellit, Antenne (DVB-T) oder IPTV. Die Unternehmen, die Fernsehdienste durch Umgehung oder „über den Kopf des Internet-Service-Providers hinweg“ („over the top“ oder „OTT“) anböten, stellten Fernsehkanäle und ‑inhalte sowohl linear als auch nicht linear über das Internet zur Verfügung. Im vorliegenden Fall geht die Kommission für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses davon aus, dass sich es sich um einen nationalen Markt handle und dass offengelassen werden könne, wie dieser in sachlicher Hinsicht genau abzugrenzen sei.
24 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass es nicht wahrscheinlich sei, dass durch den Zusammenschluss auf dem deutschen Endkundenmarkt für Fernsehdienste wirksamer Wettbewerb aufgrund nicht koordinierter horizontaler Auswirkungen erheblich behindert werden würde.
5) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen und auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
25 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen die Fernsehsender (Anbieter) lineares Fernsehen (frei empfangbar oder verschlüsselt) bereitstellten, das die Unternehmen, die auf der Endkundenebene Fernsehdienste anböten (Nachfrager), erwürben, um audiovisuelle Dienste für Endkunden bereitzustellen. Dieser Markt sei auf Deutschland begrenzt und in frei empfangbare und verschlüsselte Fernsehkanäle aufzugliedern.
26 Auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen nutzten die Unternehmen, die auf dem Endkundenmarkt Fernsehdienste anböten (Anbieter), ihre eigene Infrastruktur, um den Fernsehsendern (Nachfrager) für ihre Fernsehkanäle die Verbreitung von Fernsehsignalen anzubieten. Die Kommission grenzt den relevanten Markt im angefochtenen Beschluss als den Vorleistungsmarkt für die Verbreitung von Fernsehsignalen über Kabel ab, der sich räumlich auf die Netzgebiete der einzelnen Kabelnetze erstrecke. Was den Produktmarkt angehe, sei das IPTV einzubeziehen. Die Auswirkungen des Zusammenschlusses würden auf nationaler Ebene beurteilt.
27 Die Kommission räumt im angefochtenen Beschluss ein, dass der Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen und der Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen, da sich die Verhandlungen zwischen den Fernsehsendern und den TV-Plattformen (Unternehmen, die Endkunden Fernsehdienste anbieten) in der Regel auf beide Aspekte (Signalübertragung und Erwerb von Fernsehkanälen) erstreckten, eng miteinander verbunden seien. Die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese beiden Märkte würden daher in ein und demselben Abschnitt des angefochtenen Beschlusses untersucht.
28 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem deutschen Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung von Fernsehkanälen wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert werden würde.
29 Beim Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen prüft die Kommission, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen wegen seiner gesteigerten Marktmacht als Bereitsteller von Fernsehdiensten für Endkunden erstens bei den Fernsehsendern Konditionen, die letztlich nachteilige Auswirkungen auf den Zugang der Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, zu den Fernsehinhalten hätten, durchsetzen, zweitens den Umfang und die Qualität des Inhalts des in Deutschland angebotenen Programms nachteilig beeinflussen, drittens das Aufkommen innovativer Fernsehdienste behindern und viertens das Aufkommen gezielter oder bereichsspezifischer Werbung (adressable TV, ATV) behindern können würde.
30 Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass, auch wenn der Zusammenschluss auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen zu einer gesteigerten Marktmacht des durch ihn entstehenden Unternehmens führen können würde, nicht angenommen werden könne, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen deshalb in der Lage sein würde, bei den Fernsehsendern und den Inhabern von Fernsehrechten in Form von Ausschließlichkeitsverträgen Konditionen durchzusetzen, die nachteilige Auswirkungen auf den Zugang der Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, zu den Fernsehkanälen oder ‑inhalten hätten.
31 Sodann stellt die Kommission fest, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen wegen seiner gesteigerten Marktmacht in der Lage sein würde, auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen eine Strategie umzusetzen, die den nachgelagerten Verbrauchern durch eine schlechtere „Viewer Experience“ (Zuschauererlebnis), weniger Auswahl und geringere Investitionen der Fernsehsender in die Inhalte schaden könnte, und für es auch ein Anreiz bestehen würde, dies zu tun. Insbesondere würde der Zusammenschluss wegen der gesteigerten Marktmacht des durch ihn entstehenden Unternehmens, insbesondere wegen der schlechteren vertraglichen und finanziellen Konditionen, die dieses Unternehmen den Fernsehsendern diktieren würde, zu einer teilweisen Abschottung der frei empfangbaren und der verschlüsselten Kanäle und somit zu einer qualitativen Verschlechterung des Fernsehangebots für die Fernsehzuschauer in Deutschland führen können.
32 Das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen würde wegen seiner durch den Zusammenschluss gesteigerten Marktmacht in der Lage sein, auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen die Strategie zu verfolgen, das Aufkommen und die Entwicklung innovativer Fernsehdienste wie die Übertragung breitbandiger hybrider Fernsehsignale (Hybrid Broadcast Broadband TV, HbbTV) und das Angebot von OTT‑Fernsehdiensten zu verhindern, und es würde für es auch ein Anreiz bestehen, dies zu tun. Dies würde den nachgelagerten Verbrauchern wegen der schlechteren Viewer Experience und der geringeren Auswahl schaden können.
33 Was die Möglichkeit des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens angehe, das Aufkommen und die Entwicklung der ATV-Anwendungen zu verhindern oder zu beschränken, würde durch den Zusammenschluss deswegen wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert werden.
b) Vertikale Auswirkungen
34 Bei den vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses prüft die Kommission insbesondere, ob die Unternehmen, die MFH-Kunden auf Endkundenebene Dienste der Bereitstellung von Fernsehsignalen anböten, wahrscheinlich vom Markt ausgeschlossen werden würden.
35 Auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen (im Folgenden: Vorleistungsmarkt) stellten die Anbieter der Netzebene 3 (Netz von der Kabelkopfstelle bis zum Hausübergabepunkt, Anbieter) den Anbietern der Netzebene 4 (Hausverteilnetze, Nachfrager) Fernsehsignale bereit. Im vorliegenden Fall nimmt die Kommission für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses an, dass Kabel oder Glasfaser bis zum Haushalt (fiber to the home, FTTH) oder bis zum Gebäude (fiber to the building, FTTB) zu ein und demselben relevanten Markt gehörten und dass es sich in räumlicher Hinsicht um einen regionalen Markt handle, nämlich einen Markt, der auf das Kabelnetzgebiet des Anbieters der Netzebene 3 beschränkt sei.
36 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem als nationalen Markt abgegrenzten MFH-Markt und auf dem potenziellen, dem Kabelnetzgebiet von Unitymedia entsprechenden regionalen Markt wirksamer Wettbewerb aufgrund nicht koordinierter vertikaler Auswirkungen nicht erheblich behindert werden würde.
c) Konglomerale Auswirkungen
37 Die Kommission meint, dass, wie sie erläutert habe, nicht angenommen werden könne, dass in Deutschland ein einziger Markt für gebündelte Dienste existiere. Sie prüft deshalb weiter, ob der Zusammenschluss insoweit konglomerale Auswirkungen haben würde, als der Endkundenmarkt für Mobilfunkdienste, der Endkundenmarkt für Festnetz-Telefonie, der Markt für Festnetz‑Internet und der Endkundenmarkt für Fernsehdienste gegenüber Wettbewerbern abgeschottet würden.
38 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb in Deutschland aufgrund konglomeraler Auswirkungen nicht erheblich behindert werden würde.
d) Ergebnis zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses in Deutschland
39 Entsprechend kommt die Kommission im angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis, dass auf dem Markt für Festnetz‑Internet und auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde.
2. Verpflichtungszusagen, die mit dem angefochtenen Beschluss für bindend erklärt werden
40 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass die Verpflichtungszusagen von Vodafone geeignet seien, den Zusammenschluss in einer mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen zu vereinbarenden Weise zu gestalten. Sie folgert daraus, dass durch den Zusammenschluss in der durch die Verpflichtungszusagen von Vodafone geänderten Form auf den Märkten, auf denen Wettbewerbsprobleme festgestellt worden seien, wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert werden würde.
41 Vodafone ist folgende Verpflichtungen eingegangen:
– „Fix-it-first“-Verpflichtung, einem neuen Kabelnetzbetreiber, nämlich Telefónica, Zugang zum Kabelnetz des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens zu gewähren, damit dieser in der Lage ist, auf der Endkundenebene Festnetz‑Internet (und, falls gewünscht, Festnetz-Sprachtelefonie) und eigene OTT‑Fernsehdienste oder OTT‑Fernsehdienste von Drittanbietern anzubieten (Wholesale-Cable-Broadband-Access-Verpflichtung);
– Verpflichtung zum OTT‑TV (im Folgenden: OTT‑Verpflichtung) mit zwei Aspekten, nämlich erstens der Verpflichtung, die Möglichkeit von Fernsehsendern, deren Inhalte über die TV-Plattform des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens übertragen werden, ihre Inhalte über einen OTT‑Dienst zu übertragen, vertraglich weder unmittelbar noch mittelbar einzuschränken, und zweitens der Verpflichtung, eine ausreichende Kapazität an direkten Verbindungen zwischen ihrem Internet-Netz für Deutschland und Drittanbietern von Internet‑Interkonnektivitätsdiensten (Transitdienste) aufrechtzuerhalten;
– Verpflichtung, die Einspeisegebühren für frei empfangbare Fernsehsender nicht zu erhöhen (im Folgenden: Einspeisegebühren-Verpflichtung);
– Verpflichtung, das HbbTV-Signal frei empfangbarer Fernsehsender weiterhin zu übertragen (im Folgenden: HbbTV-Verpflichtung).
42 Entsprechend bestimmt Art. 1 des angefochtenen Beschlusses, dass der Zusammenschluss gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 und Art. 57 des EWR-Abkommens mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar sei. Die Art. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses sehen Bedingungen bzw. Auflagen vor, mit denen sichergestellt werden soll, dass Vodafone den gegenüber der Kommission eingegangenen Verpflichtungen nachkommt.
II. Verfahren und Anträge der Parteien
43 Mit Beschluss vom 30. Juni 2022 hat das Gericht angeordnet, dass die Kommission bestimmte Unterlagen vorlegt.
44 Mit Beschluss vom 30. März 2023 hat das Gericht gemäß Art. 103 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung angeordnet, dass die Kommission zum einen – zur Übermittlung an die Klägerin – eine neue nicht vertrauliche Fassung des angefochtenen Beschlusses und bestimmter Anlagen dieses Beschlusses vorlegt, die mehrere Stellen enthält, die bis dahin unkenntlich gemacht waren, und zum anderen – zur Übermittlung allein an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, nachdem diese vorher eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet haben – eine neue vertrauliche Fassung des angefochtenen Beschlusses und einer Anlage dieses Beschlusses, die weitere Stellen enthält, die bis dahin unkenntlich gemacht waren.
45 Mit Verfügung vom 16. Mai 2023 hat das Gericht der Klägerin, der Kommission und der Streithelferin mehrere schriftliche Fragen zur schriftlichen Beantwortung und zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt.
46 Mit Schriftsatz, der am 2. Juni 2023 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Klägerin zu den Unterlagen, die die Kommission gemäß dem Beschluss vom 30. März 2023 vorgelegt hat, Stellung genommen.
47 In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2023 haben die Parteien mündliche Ausführungen gemacht und auf die mündlichen Fragen, die das Gericht gestellt hat, geantwortet.
48 Die Klägerin beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
49 Die Kommission und die Streithelferin beantragen,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
III. Rechtliche Würdigung
50 Die Klägerin macht fünf Klagegründe geltend. Sie rügt einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf den MFH-Markt (erster Klagegrund), einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt (zweiter Klagegrund), einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bezüglich der vertikalen Auswirkungen auf die Vorleistungen der Übermittlung von Fernsehsignalen (dritter Klagegrund), offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Vorleistungsmarkt für den Erwerb von Fernsehkanälen und den Vorleistungsmarkt für die Übermittlung von Fernsehsignalen (vierter Klagegrund) und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, soweit die Kommission festgestellt habe, dass die OTT‑Verpflichtung und die Einspeisegebühren-Verpflichtung ausreichten, um den Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen (fünfter Klagegrund).
A. Einschlägige Rechtsprechung
1. Gerichtliche Kontrolldichte
51 Nach ständiger Rechtsprechung räumen die Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004, insbesondere deren Art. 2, der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses Ermessen ein, so dass die vom Richter vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen – für die Aufstellung der Regeln über Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen muss, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung für Zusammenschlüsse sind, zugrunde liegt (Urteile vom 18. Dezember 2007, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, C‑202/06 P, EU:C:2007:814, Rn. 53, und vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 85).
52 Die von den Unionsgerichten ausgeübte Kontrolle der komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung des ihr durch die Verordnung Nr. 139/2004 eingeräumten Ermessens vornimmt, hat sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments, C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 84, und vom 9. Juli 2007, Sun Chemical Group u. a./Kommission, T‑282/06, EU:T:2007:203, Rn. 60).
53 Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung der Kommission nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (Urteile vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 51, und vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 107).
54 Dass das Gericht bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 die wirtschaftliche Beurteilung der Kommission nicht durch seine eigene ersetzen darf, bedeutet aber nicht, dass die Unionsgerichte eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müssten. Die Unionsgerichte müssen nämlich nicht nur prüfen, ob die angeführten Beweise sachlich richtig, zuverlässig und kohärent sind, sondern auch, ob sie alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 145, und vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 60).
2. Beweisregeln
55 Eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung, wie sie im Bereich der Kontrolle von Zusammenschlüssen erforderlich ist, muss mit großem Bedacht durchgeführt werden, da es nicht darum geht, vergangene Ereignisse, in Bezug auf die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die ein Verständnis ihrer Ursachen ermöglichen, oder auch gegenwärtige Ereignisse zu prüfen, sondern darum, Ereignisse vorherzusehen, die künftig mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit eintreten werden, wenn keine Entscheidung ergeht, mit der der Zusammenschluss zu den geplanten Bedingungen untersagt wird oder diese näher festgelegt werden (Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 42).
56 Die prospektive Natur der wirtschaftlichen Analyse, die die Kommission vorzunehmen hat, steht dem entgegen, dass dieses Organ für den Nachweis, dass ein Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb erheblich behindern oder im Gegenteil nicht erheblich behindern würde, ein besonders hohes Beweismaß beachten muss. Unter diesen Umständen ist unter Berücksichtigung insbesondere der symmetrischen Struktur von Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und des prospektiven Charakters der wirtschaftlichen Analyse der Kommission im Bereich der Fusionskontrolle davon auszugehen, dass es für die Feststellung, dass ein Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt unvereinbar oder vereinbar ist, genügt, wenn die Kommission anhand hinreichend signifikanter und überzeugender Beweismittel dartut, dass es eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich ist, dass der betreffende Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würde (Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments, C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 86 und 87).
57 Was die Beweisanforderungen angeht, ergibt sich aus den Rn. 50 bis 53 des Urteils des Gerichtshofs vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, EU:C:2008:392), dass die Kommission den Zusammenschluss, mit dem sie befasst ist, grundsätzlich entweder zu genehmigen oder zu untersagen hat, je nachdem, welche wirtschaftliche Entwicklung infolge des Zusammenschlusses sie für die wahrscheinlichste hält. Es handelt sich mithin um eine Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und nicht um eine Verpflichtung der Kommission, ohne vernünftige Zweifel nachzuweisen, dass ein Zusammenschluss keine Wettbewerbsprobleme aufwirft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 47).
58 Die Kommission hat das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. Dabei können durchaus bestimmte Umstände bevorzugt herangezogen und andere außer Acht gelassen werden. Die Prüfung und die entsprechende Begründung unterliegen der vom Gericht über die Entscheidungen der Kommission im Bereich der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).
59 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht keinen Grundsatz kennt, der die Kommission daran hindern würde, sich auf nur ein Schriftstück als Beweismittel zu stützen, sofern dessen Beweiswert außer Zweifel steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2020, HeidelbergCement und Schwenk Zement/Kommission, T‑380/17, EU:T:2020:471, Rn. 460 [nicht veröffentlicht]).
60 Die oben in Rn. 50 genannten Klagegründe sind nach Maßgabe dieser Grundsätze zu prüfen.
B. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf den MFH-Markt
61 Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass der Kommission im angefochtenen Beschluss bei ihren Ausführungen zu den nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt ein Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien.
1. Vorbemerkungen
62 Die Kommission prüft in Abschnitt VIII.C.2.4 des angefochtenen Beschlusses, welche nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen der Zusammenschluss auf dem MFH-Markt haben würde. Sie meint, die räumliche Abgrenzung dieses Marktes könne offengelassen werden (siehe oben, Rn. 19).
63 Die Kommission weist zunächst auf bestimmte Besonderheiten des MFH-Markts hin (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 683 bis 701), und prüft dann, welche Marktanteile die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bundesweit und in ihrem jeweiligen Netzgebiet haben und in welchem Maß der MFH-Markt konzentriert ist (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 702 bis 712). Sie stellt insoweit fest, dass der MFH-Markt zwar stark konzentriert sei und die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in ihrem jeweiligen Netzgebiet eine sehr starke Stellung hätten, der Zusammenschluss aber, da die an ihm beteiligten Unternehmen auf dem MFH-Markt wegen des Fehlens einer erheblichen Überschneidung ihrer Geschäftstätigkeiten keine Wettbewerber seien, nicht zu irgendwelchen spezifischen Veränderungen (merger-specific change) führen würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 718 bis 720).
64 Sodann prüft die Kommission, welcher Wettbewerbsdruck von den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ausgeht (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 721 bis 764). Sie stellt insoweit fest, dass weder von Vodafone (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 723 bis 746) noch von Unitymedia (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 747 bis 764) im Kabelnetzgebiet des jeweils anderen Wettbewerbsdruck ausgehe, dass nicht ersichtlich sei, dass dies ohne den Zusammenschluss der Fall sein würde und dass Vodafone und Unitymedia daher keine potenziellen Wettbewerber seien.
65 Weiter prüft die Kommission, welchen Wettbewerbsdruck die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen aufeinander ausüben (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 765 bis 785). Sie stellt insoweit fest, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weder unmittelbare (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 766 bis 772) noch mittelbare tatsächliche Wettbewerber (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 773 bis 785) seien.
66 Schließlich prüft und vergleicht die Kommission (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 786 bis 831), welcher Wettbewerbsdruck von den Wettbewerbern, insbesondere von Tele Columbus, der Klägerin und kleineren Wirtschaftsteilnehmern, vor dem Zusammenschluss ausgeht (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 787 bis 820) und nach dem Zusammenschluss ausgehen würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 821 bis 831). Sie stellt fest, dass es insoweit wahrscheinlich keine Veränderungen geben würde.
67 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss, weil es nicht zu zusammenschlussbedingten Veränderungen kommen würde, und durch ihn kein unmittelbarer, mittelbarer oder potenzieller Wettbewerb zwischen den an ihm beteiligten Unternehmen ausgeschaltet und der von den Wettbewerbern ausgehende Wettbewerbsdruck nicht verringert werden würde, keine nicht koordinierten wettbewerbswidrigen horizontalen Auswirkungen haben würde und damit durch ihn auf dem betreffenden Markt wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert werden würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 832 bis 835).
68 Das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, mit dem sie sich gegen diese von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt wendet, lässt sich in zwei Teile gliedern. Die Klägerin macht geltend, es lägen ein Rechtsfehler und ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 vor, da die Kommission nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung führe (erster Teil), und beruft sich auf offensichtliche Beurteilungsfehler (zweiter Teil).
69 Das Gericht hält es für zweckmäßig, mit der Prüfung des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zu beginnen.
2. Zum zweiten Teil: offensichtliche Beurteilungsfehler
70 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf erstens das Wettbewerbsverhältnis zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und zweitens die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb auf dem MFH-Markt begangen.
a) Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
71 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe offensichtliche Beurteilungsfehler begangen, als sie im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertreten habe, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss weder tatsächliche (unmittelbare oder mittelbare) noch potenzielle Wettbewerber gewesen seien. Außerdem sei das Vorliegen einer stillschweigenden Absprache zwischen den Unternehmen vor dem Zusammenschluss von der Kommission nicht ausreichend geprüft worden.
1) Zum unmittelbaren Wettbewerb
72 Die Klägerin macht geltend, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seien vor dem Zusammenschluss unmittelbare Wettbewerber gewesen.
73 Die Kommission stellt im angefochtenen Beschluss fest, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nahezu ausschließlich in ihrem jeweiligen Kabelnetzgebiet tätig seien und sich die betreffenden Kabelnetzgebiete nicht überschnitten. Auf dem MFH-Markt könnten die Kunden daher nicht von einem an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu dem anderen wechseln (switch). Die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seien deshalb keine unmittelbaren Wettbewerber (angefochtener Beschluss, 766. Erwägungsgrund).
74 Zu den Verträgen, die die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vereinzelt außerhalb ihrer jeweiligen Kabelnetzgebiete geschlossen haben, stellt die Kommission fest, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen erläutert hätten, dass diese Verträge nicht das Ergebnis aktiven Wettbewerbs von ihnen seien, sondern ausnahmsweise geschlossen worden seien. Es habe sich entweder um Sonderverträge gehandelt, die übernommen worden seien, oder um Verträge mit bundesweit tätigen Wohnungsunternehmen, die bereits Kunden eines der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gewesen seien und mit diesem bei allen ihren Objekten hätten zusammenarbeiten wollen (angefochtener Beschluss, 768. Erwägungsgrund).
75 Dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine unmittelbaren Wettbewerber seien, hätten auch die Antworten, die die Wettbewerber und die Wohnungsunternehmen im Rahmen der Marktuntersuchung gegeben hätten, und die Daten der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen betreffend ihre Teilnahme an Ausschreibungen auf dem MFH-Markt bestätigt (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 769 bis 771).
76 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin als Erstes geltend, dass die zwei Unternehmen zwangsläufig tatsächliche Wettbewerber seien, wenn anzunehmen sei, dass es sich beim MFH-Markt vor dem Zusammenschluss um einen nationalen Markt gehandelt habe. Es sei insoweit unerheblich, ob die Unternehmen auf diesem Markt „aktiv miteinander in Wettbewerb“ ständen oder ob sie ihre Geschäftstätigkeiten auf bestimmte (geografische) Marktsegmente, nämlich ihre jeweiligen Kabelnetzgebiete, beschränkten. Denn weder die Verordnung Nr. 139/2004 noch die Rechtsprechung der Unionsgerichte setzten für den Nachweis einer erheblichen Behinderung des wirksamen Wettbewerbs die Ausschaltung eines „aktiven“ Wettbewerbs zwischen zwei Unternehmen voraus.
77 Als Zweites trägt die Klägerin vor, selbst wenn die räumlich relevanten Märkte auf die Kabelnetzgebiete der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beschränkt gewesen wären, enthalte der angefochtene Beschluss Hinweise darauf, dass zwischen den Unternehmen vor dem Zusammenschluss zumindest eine gewisse unmittelbare Wettbewerbsinteraktion bestanden habe. Aus den Tabellen Nr. 16 (710. Erwägungsgrund) und Nr. 17 (714. Erwägungsgrund) des angefochtenen Beschlusses gehe nämlich hervor, dass es zumindest im Kabelnetzgebiet von Unitymedia zwischen den Geschäftstätigkeiten der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Überschneidungen gegeben habe, die zwar begrenzt, jedoch keineswegs unerheblich gewesen seien. Zudem werde in den Erwägungsgründen 767 ff. des angefochtenen Beschlusses auf Sonderfälle Bezug genommen, die „aus der Vergangenheit übernommene Verträge“ und „aufgeteilte Verträge“ beträfen, die von den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen außerhalb ihres Kabelnetzgebiets geschlossen worden seien.
78 Folglich sei die Feststellung der Kommission, wonach die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss keine unmittelbaren Wettbewerber gewesen seien, offensichtlich falsch.
79 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
80 Unternehmen sind unmittelbare Wettbewerber, wenn sie um dieselben Kunden kämpfen.
81 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass sich die Kabelnetzgebiete der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht überschneiden und dass ein MFH-Kunde, der einen Vertrag mit einem Bereitsteller von Fernsehsignalen abschließen will, faktisch im Prinzip nur die Wahl zwischen dem an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, in dessen Kabelnetzgebiet sich das anzuschließende Gebäude befindet, und einem der Wettbewerber dieses Unternehmens wie der Klägerin hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der MFH-Markt vor dem Zusammenschluss ein bundesweiter oder auf die Kabelnetzgebiete der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beschränkter Markt war. Die Feststellung gilt nämlich in beiden Fällen.
82 Demnach standen die von den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in Verkehr gebrachten Produkte praktisch nicht miteinander in Wettbewerb. Die Feststellung der Kommission, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss keine unmittelbaren Wettbewerber gewesen seien, ist daher nicht zu beanstanden. Der Kommission ist insoweit kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen.
83 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin.
84 Als Erstes ist festzustellen, dass die Kommission auf eine Frage des Gerichts zur schriftlichen Beantwortung vom 16. Mai 2023 bestätigt hat, dass der MFH-Markt vor dem Zusammenschluss räumlich auf die Kabelnetzgebiete der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen begrenzt war, die Kommission aber, weil es Anbieter und Kunden gab, die bundesweit tätig waren, und weil etwaige Preisunterschiede innerhalb des Landes nicht an die Kabelnetzgebiete der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gekoppelt waren, nicht hat vollständig ausschließen können, dass es einen bundesweiten MFH-Markt gab.
85 Dass die Kommission in Betracht gezogen hat, dass es sich bei dem Markt möglicherweise um einen bundesweiten Markt handelt, bedeutet also nicht, dass sie angenommen hätte, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf einem solchen hypothetischen Markt unmittelbare Wettbewerber gewesen wären. Erst in einem zweiten Schritt, nämlich bei der Prüfung der Frage, welche Auswirkungen der Zusammenschluss auf dem MFH-Markt haben würde, hat die Kommission geprüft, ob durch den Zusammenschluss auf einem etwaigen bundesweiten Markt wegen der Tätigkeit der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen unmittelbarer Wettbewerb zwischen diesen wegfallen würde. Dass die Kommission im angefochtenen Beschluss in Betracht gezogen hat, dass es sich bei dem MFH-Markt bereits vor dem Zusammenschluss um einen bundesweiten Markt gehandelt haben könnte, bedeutet also noch nicht, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf einem solchen Markt zwangsläufig tatsächliche Wettbewerber gewesen wären, wie die Klägerin geltend macht. Im Übrigen ist durchaus denkbar, dass zwei Unternehmen mit anderen Unternehmen auf ein und demselben räumlichen Markt tätig sind, ohne um dieselben Kunden zu kämpfen, insbesondere wegen der räumlichen Grenzen ihrer Kabelnetze.
86 Ferner sollte mit der Feststellung der Kommission im 768. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keinen „aktiven Wettbewerb“ ausgetragen hätten, lediglich erläutert werden, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nur auf spontane Anfragen von MFH-Kunden hin sehr selten Verträge über die Bereitstellung von Fernsehsignalen im Netzgebiet des jeweils anderen Unternehmens geschlossen hätten. Um diese Nachfrage zu bedienen, mussten die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen also die Vorleistung der Bereitstellung des Fernsehsignals bei einem anderen Anbieter beziehen. Die Kommission hat damit in keiner Weise angenommen, dass für den Nachweis des Vorliegens einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs der Wegfall eines „aktiven Wettbewerbs“ erforderlich wäre.
87 Als Zweites ist festzustellen, dass sich die Kabelnetze der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zwar nicht überschnitten, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird, die Kommission im angefochtenen Beschluss aber in der Tat festgestellt hat, dass es dennoch gewisse Überschneidungen zwischen den Tätigkeiten dieser Unternehmen gegeben habe. Vodafone und Unitymedia hätten in diesen Fällen Vorleistungen der Bereitstellung des Fernsehsignals bei dem anderen an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen oder einem Anbieter der Netzebene 3 erworben, um die betreffenden MFH-Kunden erreichen zu können.
88 Die Klägerin macht geltend, dass die Überschneidungen nicht unerheblich gewesen seien. Die von der Kommission im Verfahren vor dem Gericht offengelegten Zahlen betreffend die Verträge, die die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen außerhalb ihres jeweiligen Kabelnetzgebiets geschlossen haben, werden von der Klägerin als solche aber nicht bestritten. Aus diesen Zahlen geht hervor, dass diese Verträge eine sehr beschränkte Zahl an MFH-Kunden (angeschlossene Haushalte) betrafen und der Marktanteil unter 1 % lag und damit so unerheblich war, dass er keinen zu schützenden Restwettbewerb darstellen konnte.
89 Solche Verträge außerhalb des eigenen Kabelnetzgebiets wurden von den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auch nur ausnahmsweise geschlossen, was die Klägerin selbst in der Marktuntersuchung bestätigt hat, wie aus dem 770. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht.
90 Somit hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Auffassung vertrat, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss keine unmittelbaren Wettbewerber gewesen seien.
2) Zum mittelbaren Wettbewerb
91 Die Klägerin macht geltend, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen seien vor dem Zusammenschluss mittelbare Wettbewerber gewesen.
92 Die Kommission prüft im angefochtenen Beschluss, ob die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss mittelbare Wettbewerber waren. Sie nimmt an, dass bei einem tatsächlichen mittelbaren Wettbewerb, der durch den Zusammenschluss ausgeschaltet werden würde, nur dann von einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auszugehen sei, wenn der Wettbewerb besonders stark sei (776. Erwägungsgrund). Sie gelangt zu dem Schluss, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine mittelbaren Wettbewerber seien. Sie stützt sich dabei auf eine ganze Reihe von Beweisen.
93 Erstens berücksichtigt die Kommission den Umstand, dass die wenigen Personen, die sich an der Marktuntersuchung beteiligt und geltend gemacht hätten, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mittelbare Wettbewerber seien, selbst einräumten, dass der Preis auf dem MFH-Markt von lokalen Faktoren abhänge und zwischen den verschiedenen Regionen, um die es gehe, nicht vergleichbar sei (angefochtener Beschluss, 774. Erwägungsgrund).
94 Zweitens stellt die Kommission fest, dass die Marktuntersuchung ergeben habe, dass mittelbarer Wettbewerb zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen durch drei mögliche Übertragungsmechanismen hätte entstehen können: bundesweit tätige Wettbewerber wie die Klägerin, bundesweit tätige Kunden und spezialisierte Mittler wie Rechtsanwaltskanzleien oder Unternehmensberater (angefochtener Beschluss, 775. Erwägungsgrund). Sie habe keine Belege dafür gefunden, dass diese Übertragungsmechanismen zu einem mittelbaren Wettbewerb zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten führen können oder ein solcher mittelbarer Wettbewerb existiert hätte (angefochtener Beschluss, 777. Erwägungsgrund).
95 Die Wohnungsunternehmen, die sich an der Marktuntersuchung beteiligt hätten, hätten zum größten Teil angegeben, dass sie mittelbare vergleichende Analysen (Benchmarking) nie (lokale Gesellschaften, die auf den dritten Übertragungsmechanismus hätten Einfluss nehmen können) oder selten (bundesweit tätige Gesellschaften, die auf den zweiten Übertragungsmechanismus hätten Einfluss nehmen können) eingesetzt hätten. Bei den Wettbewerbern hätten lediglich die Klägerin und Tele Columbus angegeben, dass sie solche Analysen oft heranzögen (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 778 bis 780). Allerdings habe keiner dieser beiden Wettbewerber ihr konkrete Beispiele dafür nennen können, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mittelbare Wettbewerber gewesen wären, wie etwa Belege für einen bundesweiten Angleich der Konditionen auf dem MFH-Markt (angefochtener Beschluss, 781. Erwägungsgrund).
96 Drittens untersucht die Kommission die internen Dokumente der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Sie findet keinen Beweis dafür, dass Vodafone oder Unitymedia die Bedingungen des jeweils anderen bei Verhandlungen auf dem MFH-Markt berücksichtigt hätten (angefochtener Beschluss, 782. Erwägungsgrund). Die Kommission berücksichtigt auch die Beweise für die fehlende bundesweite Angleichung der Konditionen für die auf dem MFH-Markt geschlossenen Verträge, die die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vorgelegt haben (angefochtener Beschluss, 783. Erwägungsgrund).
97 Schließlich berücksichtigt die Kommission auch noch den Umstand, dass solche vergleichenden Analysen zwischen den Regionen ohnehin keine Hebelwirkung entfalten könnten, da die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine tatsächlichen Wettbewerber seien und die Wohnungsunternehmen deshalb nicht von einem an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu dem anderen wechseln könnten (angefochtener Beschluss, 784. Erwägungsgrund).
98 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin als Erstes geltend, die Kommission habe Art. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 fehlerhaft angewandt, als sie im 776. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angenommen habe, dass bei einem tatsächlichen mittelbaren Wettbewerb, der durch den Zusammenschluss ausgeschaltet werden würde, nur dann von einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auszugehen sei, wenn der Wettbewerb besonders stark sei. Nach Auffassung der Klägerin stellt mittelbarer Wettbewerb eine relevante Form tatsächlichen Wettbewerbs dar, die durch die Verordnung Nr. 139/2004 geschützt werde, ohne dass es auf das Ausmaß eines solchen Wettbewerbs ankomme. Da die beiden am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten eine beherrschende Stellung eingenommen hätten, hätte bereits ein begrenzter Zuwachs an Marktmacht in Form der Ausschaltung eines (unmittelbaren oder mittelbaren) Wettbewerbs zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs geführt, wie die Kommission selbst in Bezug auf die Stellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf den TV-Vorleistungsmärkten eingeräumt habe.
99 Als Zweites habe die Kommission im angefochtenen Beschluss wichtige Elemente des mittelbaren Wettbewerbs festgestellt, nämlich den Umstand, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Geschäftstätigkeiten des jeweils anderen Unternehmens beobachtet und ihre Produktangebote verglichen hätten, die großen Wohnungsunternehmen die Angebote der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen verglichen hätten und zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Infrastruktur Wettbewerb geherrscht habe. Entscheidend für den Nachweis eines bestehenden mittelbaren Wettbewerbs sei, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Festlegung ihrer Geschäftsstrategie die vom jeweils anderen Unternehmen angebotenen Konditionen berücksichtigten.
100 Folglich sei das Ergebnis der Kommission, wonach der Zusammenschluss nicht zu einer Verringerung des mittelbaren Wettbewerbs zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen führe, offensichtlich fehlerhaft.
101 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
102 Zunächst ist festzustellen, dass Unternehmen, die keine unmittelbaren Wettbewerber sind, dennoch mittelbare Wettbewerber sein können, insbesondere dann, wenn auf sie vergleichbarer Wettbewerbsdruck von anderen Unternehmen ausgeübt wird, die jeweils unmittelbare Wettbewerber von ihnen sind, oder wenn andere Faktoren, zum Beispiel die von den Kunden gestellten Anforderungen, ihre Möglichkeiten, ihre Preise und Konditionen festzulegen, in vergleichbarer Weise einschränken.
103 Was als Erstes den Umstand betrifft, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen die Geschäftstätigkeiten des jeweils anderen Unternehmens beobachtet und ihre Produktangebote verglichen hätten, erkennt die Klägerin selbst an, dass die Erwägungsgründe 460 ff. sowie die Erwägungsgründe 892 ff. des angefochtenen Beschlusses, auf die sie Bezug nimmt, den Markt für Festnetz‑Internet und den EFH-Markt betreffen, nicht jedoch den MFH-Markt.
104 Zudem hat die Kommission erläutert, dass diese Fälle von vergleichenden Analysen nicht über „bloße geschäftliche Vergleiche zur Überwachung und gegebenenfalls Nachahmung der Best Practice der Branche“ hinausgegangen seien. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, können solche Vergleiche in Gestalt einer Analyse der Marktleistung oder der Best Practice der Branche, auch in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, nicht als mittelbarer Wettbewerb im Sinne von Rn. 102 des vorliegenden Urteils eingestuft werden.
105 Die Kommission hat nämlich auf eine Frage des Gerichts zur schriftlichen Beantwortung klargestellt, dass eine direkte vergleichende Analyse ihrer Meinung nach nur dann zu mittelbarem Wettbewerb führen könne, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die auf diesem Weg von einem Unternehmen in Bezug auf das andere Unternehmen eingeholten Informationen vom erstgenannten Unternehmen tatsächlich im Rahmen seiner Geschäftsentscheidungen berücksichtigt würden und somit Druck auf dieses Unternehmen ausübten und bei ihm eine wettbewerbliche Reaktion auslösten. Im vorliegenden Fall hat die Kommission keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass dies auf dem MFH-Markt bei den vergleichenden Analysen, auf die sich die Klägerin bezieht, der Fall war, und die Klägerin hat nicht das Gegenteil bewiesen oder dargetan, dass der Kommission bei dieser Argumentation ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlief.
106 Somit lag kein mittelbarer Wettbewerb vor, dessen Ausschaltung zu einem – auch nur begrenzten – Zuwachs an Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens hätte führen können, was den MFH-Markt von den TV-Vorleistungsmärkten unterscheidet, bei denen die Kommission feststellte, dass aufgrund des Zuwachses an Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliege (siehe oben, Rn. 31 und 32).
107 Schließlich ist dem angefochtenen Beschluss (vgl. insbesondere den 697. Erwägungsgrund) zu entnehmen, dass viele Verträge mit MFH-Kunden das Ergebnis von Verhandlungen, offenen Wettbewerben oder förmlichen Ausschreibungsverfahren waren, was die Klägerin nicht bestreitet. Die aus diesen Verhandlungen oder Verfahren hervorgegangenen Verträge enthielten zahlreiche Anforderungen u. a. in Bezug auf Infrastruktur, zu erbringende Dienstleistungen und Instandhaltung. Zudem wies die Kommission darauf hin, dass nach der Marktuntersuchung Einvernehmen darüber geherrscht habe, dass die Preise nicht von der jeweiligen geografischen Region als solcher abhingen, sondern vom Grad an Wettbewerb, den Kosten der Infrastruktur (z. B. Baukosten) und der Zusammenlegung der zu versorgenden Gebäude. Wie außerdem Dritte einräumten, hing die „Festsetzung der Preise für MFH-Verträge von lokalen Faktoren ab und war zwischen den verschiedenen Zonen nicht vergleichbar“. Folglich waren die Verträge mit MFH-Kunden keine Verträge, die unkompliziert Gegenstand einer vergleichenden Analyse anhand der bloßen Beobachtung von Branchenpraktiken hätten sein können.
108 Als Zweites ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin von den sechs nationalen Wohnungsunternehmen und den 230 000 anderen Wohnungsunternehmen, von denen einige in mehreren Bundesländern tätig waren, nur Vonovia erklärt hat, dass sie häufig auf vergleichende Analysen zurückgreife, und sie nicht in der Lage war, relevante Beispiele anzuführen, aus denen sich ein mittelbarer Wettbewerb der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ergibt, wie dem 779. Erwägungsgrund und Buchst. c des 781. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist.
109 In der Gegenerwiderung hat die Kommission hierzu ausgeführt, sie habe von Vonovia und GdW (bei der GdW handle es sich um eine Dachorganisation und einen Bundesverband, der etwa 3 000 Wohnungsunternehmen vertrete, die in Deutschland insgesamt etwa sechs Millionen Wohnungen verwalteten) zusätzliche Informationen angefordert, doch seien sie nicht in der Lage gewesen, Beweise für die von einigen Wohnungsunternehmen angeblich durchgeführte indirekte vergleichende Analyse zu liefern.
110 Die von der GdW im Verwaltungsverfahren eingereichte Stellungnahme, die die Klägerin dem Gericht vorgelegt hat, ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen, da sie auch keine konkreten Beispiele für vergleichende Analysen oder allgemein für einen mittelbaren Wettbewerb zwischen den Unternehmen enthält.
111 Somit wird die Feststellung der Kommission, wonach die nationalen oder lokalen Wohnungsunternehmen im vorliegenden Fall nicht an der Entstehung eines mittelbaren Wettbewerbs der Unternehmen des Zusammenschlusses beteiligt gewesen seien, nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt.
112 Was als Drittes den Wettbewerb der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Infrastruktur betrifft, ist dem 441. Erwägungsgrund und Buchst. b des 453. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass die Kommission der Auffassung war, dass die Tätigkeiten der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zur Investition und Innovation im Netz keine unmittelbaren wettbewerblichen Auswirkungen auf die Strategie für Investitionen und Innovationen im Netz des jeweils anderen Unternehmens gehabt hätten und die Beobachtung der Tätigkeiten des jeweils anderen Unternehmens in diesem Zusammenhang nicht über „bloße geschäftliche Vergleiche zur Überwachung und gegebenenfalls Nachahmung der Best Practice der Branche“ hinausgegangen seien, was die Klägerin nicht bestreitet.
113 Wie oben in den Rn. 104 und 105 dargelegt, handelt es sich bei einem solchen Vergleich in Gestalt einer Analyse der Marktleistung oder der Best Practice der Branche, auch in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, nur um einen freiwilligen Vergleich, der nicht als mittelbarer Wettbewerb im Sinne von Rn. 102 des vorliegenden Urteils eingestuft werden kann.
114 Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, dass die Prüfung der internen Dokumente der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nichts ergeben habe, was darauf hindeuten würde, dass diese Unternehmen bei den Verhandlungen über die MFH-Verträge die Geschäftsbedingungen und Konditionen des jeweils anderen berücksichtigen würden, und dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen überzeugende Beweise vorgelegt hätten, um einen bundesweiten Abgleich der MFH-Verträge zu widerlegen. Diese Feststellungen waren entgegen dem Vorbringen der Klägerin relevant für die Beurteilung der Frage, ob jedes der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Festlegung seiner Geschäftsstrategie die vom jeweils anderen Unternehmen angebotenen Konditionen berücksichtigte, und somit für die Beurteilung, ob zwischen ihnen vor dem Zusammenschluss auf dem MFH-Markt ein mittelbarer Wettbewerb bestand.
115 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss offensichtlich zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine mittelbaren Wettbewerber seien.
116 Da die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie zu dem Schluss gelangte, dass kein mittelbarer Wettbewerb zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bestehe, ist es nicht mehr erforderlich, die Stichhaltigkeit des Vorbringens zu der Frage zu prüfen, ob nur dann von einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Sinne von Art. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 auszugehen ist, wenn der ausgeschaltete Wettbewerb „besonders stark“ ist.
3) Zum potenziellen Wettbewerb
117 Die Klägerin macht geltend, selbst wenn man davon ausgehe, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht als tatsächliche Wettbewerber angesehen werden könnten, seien sie vor dem Zusammenschluss zumindest potenzielle Wettbewerber gewesen.
118 Vorab ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zunächst prüft, ob Vodafone ein potenzieller Wettbewerber von Unitymedia ist. Sie stellt insoweit fest, dass Vodafone hauptsächlich in ihrem eigenen Kabelnetzgebiet tätig sei und angegeben habe, dass sie wegen der fehlenden Rentabilität der entsprechenden Investitionen nicht vorhabe, ihr Kabelnetz auszuweiten, insbesondere nicht in das Netzgebiet von Unitymedia vorzudringen (angefochtener Beschluss, 726. Erwägungsgrund).
119 Da sich im Rahmen der Marktuntersuchung nahezu alle Wettbewerber dahin geäußert hatten, dass sie davon ausgingen, dass Vodafone mit ihrem Kabelnetz in das Netzgebiet von Unitymedia vordringen werde, hat die Kommission Untersuchungen zu der Frage durchgeführt, wie sich der von Vodafone ausgehende Wettbewerbsdruck ohne den Zusammenschluss wahrscheinlich entwickeln würde. Hierzu stellt sie fest, dass der Umstand, dass Vodafone theoretisch in der Lage sei, in das Kabelnetzgebiet von Unitymedia vorzudringen, nicht genüge. Vielmehr setze der Nachweis potenziellen Wettbewerbs zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, durch dessen Wegfall wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde, voraus, dass es hinreichend wahrscheinlich sei, dass Letzteres geschehen würde (angefochtener Beschluss, 730. Erwägungsgrund).
120 In den Erwägungsgründen 731 bis 746 des angefochtenen Beschlusses erläutert die Kommission, dass sie keine in sich stimmige Gesamtheit von Beweisen dafür gefunden habe, dass ein Vordringen von Vodafone in das Kabelnetzgebiet von Unitymedia ohne den Zusammenschluss wahrscheinlich oder bei verständiger Würdigung vorhersehbar sein würde.
121 Erstens habe Vodafone das Kabelnetz von Unitymedia in der Vergangenheit nie überbaut. Vodafone habe ihr Kabelnetz auch im eigenen Netzgebiet und in den daran angrenzenden Gebieten nur sehr wenig ausgebaut, obwohl ein solcher Ausbau rentabler sei als der Überbau eines Kabelnetzes. Zweitens habe die von ihr durchgeführte Prüfung der internen Dokumente von Vodafone bestätigt, dass Vodafone nicht vorhabe, das Kabelnetz von Unitymedia zu überbauen, da solche Projekte ihre Investitionskriterien nicht erfüllen würden. Sie habe von Vodafone durchgeführte Rentabilitätsvorschauen herangezogen und dabei die Infrastruktur, über die Vodafone bereits verfügt habe, berücksichtigt. Die Rentabilitätsvorschauen hätten die fehlende Rentabilität eines Netzüberbaus bestätigt. Drittens habe sie keine Beweise dafür gefunden, dass der Überbau des Kabelnetzes eines anderen Anbieters in Zukunft rentabler werden würde.
122 Mit den Überbauaktivitäten anderer Anbieter wie Tele Columbus, regionalen Anbietern oder der Klägerin sei speziellen geschäftlichen Erwägungen Rechnung getragen worden. Es sei nicht darum gegangen, ein paralleles Netz zu dem eines Wettbewerbers aufzubauen. Tele Columbus habe keine erheblichen Investitionen in den Ausbau ihres Netzes der Netzebene 3 getätigt (angefochtener Beschluss, 744. Erwägungsgrund). Ihr lägen keine Indizien dafür vor, dass es wahrscheinlich sein würde, dass Vodafone die Absicht haben würde, mit anderen technischen oder geschäftlichen Mitteln als dem Ausbau des eigenen Kabelnetzes in das Netzgebiet von Unitymedia vorzudringen (angefochtener Beschluss, 742. Erwägungsgrund).
123 Sodann prüft die Kommission, ob Unitymedia ein potenzieller Wettbewerber von Vodafone ist. Sie stellt insoweit fest, dass Unitymedia hauptsächlich in ihrem eigenen Kabelnetzgebiet tätig sei und angegeben habe, dass sie wegen der fehlenden Rentabilität der entsprechenden Investitionen nicht vorhabe, ihr Kabelnetz auszuweiten, insbesondere nicht in das Netzgebiet von Vodafone hinein (angefochtener Beschluss, 726. Erwägungsgrund).
124 Da sich im Rahmen der Marktuntersuchung nahezu alle Wettbewerber dahin geäußert hatten, dass sie davon ausgingen, dass Unitymedia mit ihrem Netz in das Kabelnetzgebiet von Vodafone vordringen werde, wobei sie allerdings einräumten, dass für Unitymedia ein geringerer Anreiz bestehe, dies zu tun, als für Vodafone, hat die Kommission Untersuchungen zu der Frage durchgeführt, wie sich der von Unitymedia ausgehende Wettbewerbsdruck ohne den Zusammenschluss wahrscheinlich entwickeln würde.
125 In den Erwägungsgründen 755 bis 764 des angefochtenen Beschlusses erläutert die Kommission, dass sie keine in sich stimmige Gesamtheit von Beweisen dafür gefunden habe, dass ein Vordringen von Unitymedia in das Kabelnetzgebiet von Vodafone ohne den Zusammenschluss wahrscheinlich oder bei verständiger Würdigung vorhersehbar sein würde. Sie habe vielmehr eine Reihe von Beweisen gefunden, die das Gegenteil bewiesen. Diese seien recht vergleichbar mit denen, die sie bei Vodafone gefunden habe.
126 Erstens habe Unitymedia das Kabelnetz von Vodafone in der Vergangenheit nie überbaut. Unitymedia habe ihr Kabelnetz auch im eigenen Netzgebiet und in den daran angrenzenden Gebieten nur sehr wenig ausgebaut, obwohl ein solcher Ausbau rentabler sei als der Überbau eines Kabelnetzes. Zweitens habe die von ihr durchgeführte Prüfung der internen Dokumente von Unitymedia bestätigt, dass Unitymedia nicht vorhabe, das Kabelnetz von Vodafone zu überbauen, da solche Projekte ihre Investitionskriterien nicht erfüllen würden. Sie habe eine von Unitymedia durchgeführte Rentabilitätsvorschau herangezogen, die die fehlende Rentabilität eines Netzüberbaus bestätigt habe. Die übrigen Faktoren, die bei der Prüfung der Frage, ob von Vodafone potenzieller Wettbewerb ausgehe, berücksichtigt worden seien, seien auch im Fall von Unitymedia anwendbar.
127 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin als Erstes geltend, ein Unternehmen sei auf einem bestimmten Markt ein potenzieller Wettbewerber, wenn tatsächlich konkrete Möglichkeiten bestünden, dass das betreffende Unternehmen in den Markt eintrete und den alteingesessenen Unternehmen Konkurrenz mache. Es komme daher nur darauf an, ob ein Unternehmen die Fähigkeit besitze, einen bestimmten Markt zu erschließen. Diese Fähigkeit stelle für sich genommen einen potenziellen Wettbewerb dar und sei durch die Verordnung Nr. 139/2004 geschützt, ohne dass nachgewiesen werden müsse, dass das Unternehmen konkret beabsichtige, künftig von dieser Fähigkeit wirksam Gebrauch zu machen. Somit müsse eine potenzielle Wettbewerbssituation grundsätzlich objektiv beurteilt werden, um festzustellen, ob der Markteintritt objektiv möglich sei und ob der potenzielle neue Marktteilnehmer auf die Unternehmen, die auf dem fraglichen Markt bereits tätig seien, erheblichen Druck ausüben würde. Die subjektiven Absichten oder Geschäftsprojekte der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, wie interne Investitionspläne und Rentabilitätsschwellen, seien insoweit nicht entscheidend.
128 Als Zweites trägt die Klägerin vor, die Untersuchung, die bei den auf den fraglichen Märkten bereits tätigen Unternehmen durchgeführt worden sei, habe eindeutig bestätigt, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihre Kabel- (oder Glasfaser‑)Netzinfrastrukturen realistischerweise in das Netzgebiet des jeweils anderen Unternehmens hätten ausdehnen können. Darüber hinaus hätten die Marktteilnehmer erklärt, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen wahrscheinlich im Laufe der nächsten zwei oder drei Jahre in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten aggressiver miteinander in Konkurrenz getreten wären.
129 Als Drittes enthalte der angefochtene Beschluss mehrere konkrete Beispiele, die die objektive Durchführbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Expansion im Netzgebiet eines anderen Kabelnetzbetreibers belegten. Die Klägerin selbst sowie Tele Columbus und andere Anbieter in Europa hätten Kabelnetze überbaut, was beweise, dass ein solcher Vorgang wirtschaftlich tragfähig sei. Zudem habe sich die Kommission zu Unrecht darauf beschränkt, die Wahrscheinlichkeit eines potenziellen Wettbewerbs durch Überbauung des Kabelnetzes des jeweils anderen Unternehmens zu prüfen, obwohl die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, ihre MFH-Kunden außerhalb ihrer jeweiligen Netzgebiete zu versorgen, indem sie bei einem anderen Anbieter Vorleistungen der Bereitstellung des Fernsehsignals bezogen hätten. Auch habe die Kommission die „white spots“ nicht berücksichtigt, in denen kein Betreiber tätig sei, so dass sich die Frage der Überbauung von Netzen nicht stelle.
130 Als Viertes habe sich die Kommission zu Unrecht auf die Investitionskriterien der Unternehmen gestützt, als sie festgestellt habe, dass die Überbauung des Kabelnetzes des jeweils anderen Unternehmens nicht rentabel sei, denn diese Kriterien könnten jederzeit geändert oder sogar manipuliert werden und die „wirtschaftliche Tragfähigkeit“ sei ein objektives Konzept. In ihrer Stellungnahme vom 2. Juni 2023 macht die Klägerin ferner geltend, die im angefochtenen Beschluss genannten Investitionskriterien der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen entsprächen weder der Branchenpraxis noch den Investitionskriterien der anderen Marktteilnehmer und gingen außerdem deutlich über ihre eigenen Kriterien hinaus, was zeige, dass sie bewusst so festgelegt worden seien, dass jedes Vorhaben zur Überbauung des Kabelnetzes des jeweils anderen Unternehmens nicht rentabel erscheine.
131 Als Fünftes habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass das Bundeskartellamt davon ausgegangen sei, dass die betreffenden Unternehmen zumindest potenzielle Wettbewerber seien.
132 Somit habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie festgestellt habe, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss keine potenziellen Wettbewerber gewesen seien.
133 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
134 Als Erstes ist festzustellen, dass sich im Bereich der Fusionskontrolle die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb stützt, den sich die bereits auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb, damit ermittelt werden kann, ob unter Berücksichtigung der Struktur des Marktes sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, aufgrunddessen dieser funktioniert, tatsächlich konkrete Möglichkeiten bestehen, dass die betroffenen Unternehmen untereinander im Wettbewerb stehen oder dass ein neuer Wettbewerber auf dem relevanten Markt auftreten und den alteingesessenen Unternehmen Konkurrenz machen kann (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung).
135 Um zu ermitteln, ob ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber auf einem Markt ist, hat die Kommission zu prüfen, ob ohne den in Rede stehenden Zusammenschluss tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden hätten, dass das Unternehmen in den genannten Markt eintreten und den dort etablierten Unternehmen Konkurrenz machen würde. Ein solcher Nachweis darf nicht auf einer bloßen Annahme beruhen, sondern muss durch tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes gestützt werden. So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).
136 Im Übrigen kann die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Markteintrittsstrategie nicht mit der bloßen Rentabilität einer solchen Strategie gleichgesetzt werden. Sonst könnte angenommen werden, dass es für die Feststellung potenziellen Wettbewerbs genügt, dass ein Unternehmen rein theoretisch in der Lage ist, in den Markt einzutreten. Die Kommission kann daher berücksichtigen, welches geschäftliche oder wirtschaftliche Interesse das Unternehmen, bei dem geprüft wird, ob es ein potenzieller Wettbewerber ist, an einem Markteintritt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 177, 185, 187, 188, 191 und 195, und vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 123), und sich somit auf die Investitionskriterien dieses Unternehmens stützen. Sie kann ein Unternehmen demnach nicht auf der Grundlage allgemeiner, abstrakter Erwägungen als potenziellen Wettbewerber einstufen, ohne die geschäftlichen Interessen des Unternehmens, die kurz- und mittelfristige Entwicklungsstrategie des Unternehmens und die Rentabilitätskriterien, die sich das Unternehmen insoweit gesetzt hat, zu berücksichtigen.
137 Somit kann die Kommission, wenn sie feststellt, erstens, dass das betreffende Unternehmen keine Schritte unternommen hat, um in hinreichend kurzer Zeit, die nach den Merkmalen des Marktes bestimmt wird, in den Markt einzutreten, zweitens, dass das Unternehmen nicht annimmt, dass ein Markteintritt für es wirtschaftlich vernünftig und interessant ist, und damit drittens, dass das Unternehmen nicht vorhat, in Zukunft in erheblichem Umfang in den Markt einzutreten, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangen, dass das Unternehmen kein potenzieller Wettbewerber des anderen an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmens ist.
138 Was als Zweites die in der Marktuntersuchung zum Ausdruck gekommene Wahrnehmung der bereits auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen betrifft, ist den Erwägungsgründen 727, 728, 752 und 753 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass die Kommission die Auffassung der konkurrierenden Wirtschaftsteilnehmer sehr wohl berücksichtigte, da sie diesen Erwägungsgründen zufolge u. a. aufgrund von deren Stellungnahmen eingehend prüfte, ob zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ein potenzieller Wettbewerb bestand.
139 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Wahrnehmung der auf dem Markt tätigen Unternehmen zwar berücksichtigen darf, diese aber für die Beurteilung, ob ein potenzieller Wettbewerb besteht, nicht entscheidend sein kann.
140 Denn die Meinung von Wettbewerbern, mag sie auch eine wichtige Informationsquelle bezüglich der voraussichtlichen Auswirkung eines Zusammenschlusses auf den Markt darstellen, kann die Kommission bei ihrer autonomen Beurteilung der Auswirkung des Zusammenschlusses auf diesen Markt nicht binden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 290 und 291, und vom 5. Oktober 2020, HeidelbergCement und Schwenk Zement/Kommission, T‑380/17, EU:T:2020:471, Rn. 673 [nicht veröffentlicht]).
141 Was als Drittes die Beispiele betrifft, die nach Ansicht der Klägerin die objektive Durchführbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Expansion im Netzgebiet eines anderen Kabelnetzbetreibers belegen, genügt zur Zurückweisung dieses Vorbringens der Hinweis, dass, wie sich aus der oben in Rn. 136 angeführten Rechtsprechung ergibt, die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Markteintrittsstrategie nicht mit der bloßen Rentabilität einer solchen Strategie gleichgesetzt werden kann und zu berücksichtigen ist, welches geschäftliche oder wirtschaftliche Interesse das Unternehmen, bei dem geprüft wird, ob es ein potenzieller Wettbewerber ist, an einem Markteintritt hat.
142 Selbst wenn die von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte und Beispiele beweisen würden, dass eine Expansion in das Kabelnetzgebiet des jeweils anderen am Zusammenschluss beteiligten Unternehmens objektiv durchführbar und wirtschaftlich rentabel war, legte die Kommission jedenfalls im angefochtenen Beschluss unter Zugrundelegung insbesondere der internen Dokumente der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ausführlich dar, dass keines der Unternehmen vor dem Zusammenschluss die Absicht oder ein wirtschaftliches Interesse daran gehabt habe, das Netz des jeweils anderen Unternehmens zu überbauen, da die damit verbundenen Investitionen ihre jeweiligen Investitionskriterien nicht erfüllt hätten. Darüber hinaus berücksichtigte die Kommission, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auch in der Vergangenheit niemals ihre jeweiligen Netze überbaut hatten. Die vorstehenden Ausführungen genügen, um die dritte Rüge der Klägerin zurückzuweisen.
143 Zudem belegen die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte nicht, dass es für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen objektiv durchführbar und wirtschaftlich rentabel gewesen wäre, ihre Tätigkeiten auf den MFH-Markt im Kabelnetzgebiet des jeweils anderen Unternehmens auszuweiten.
144 Was erstens den Umstand betrifft, dass andere Wettbewerber bereit waren, ihr Netz auszuweiten, erläuterte die Kommission im angefochtenen Beschluss, weshalb diese Strategien nicht auf Unternehmen eines anderen Zusammenschlusses angewandt werden könnten.
145 Speziell die Situation der Klägerin war, wie u. a. aus Buchst. c des 744. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, ganz anders gelagert als die Situation der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, da die Klägerin bereits ein sehr ausgedehntes Glasfasernetz besaß, das sie verwendete, um Zugangsdienste mit hoher Datenübertragungsrate über die Technologie des digitalen Teilnehmeranschlusses (Digital Subscriber Line, DSL) zu erbringen. Die Ausdehnung des Angebots für MFH-Kunden auf neue Gebiete konnte bei der Klägerin mithin auf der Basis der eigenen Glasfaserleitungen oder ihrer bestehenden Leitungen erfolgen. Sie musste in der Regel nur kurze Teile des Netzes der Netzebene 3 neu verlegen.
146 Was Tele Columbus betrifft, so geht aus den in Buchst. a des 744. Erwägungsgrundes und den Erwägungsgründen 797 bis 799 des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweisen, die von der Klägerin nicht angegriffen werden, hervor, dass dieses Unternehmen in den Jahren vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses das Kabelnetz eines anderen Anbieters nicht wirklich überbaut hat. Insbesondere geht aus Abbildung 20 im 798. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Zahl der an das Netz von Tele Columbus angeschlossenen Haushalte im Zeitraum von 2012 bis 2018 – außer durch den Erwerb bestehender Vermögenswerte anderer Gesellschaften – nicht erheblich gestiegen ist.
147 Was die von der Klägerin angeführte Überbauung von Kabelnetzen in anderen Mitgliedstaaten betrifft, lässt sich dieses Phänomen, wie von der Kommission in ihren Schriftsätzen dargelegt, durch historische Gegebenheiten oder geringe Kosten für den Aufbau in diesen Mitgliedstaaten erklären. Zudem hat die Kommission vor dem Gericht Beispiele von Mitgliedstaaten angeführt, in denen sich die Kabelnetze nicht überschnitten. Sie hat außerdem substantiiert dargelegt, dass in Europa allgemein die Tendenz bestehe, dass Anbieter ihre Kabelnetze grundsätzlich nicht ausweiteten. Somit können die von der Klägerin angeführten Beispiele für eine Überbauung von Netzen die von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen in Bezug auf den potenziellen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht in Frage stellen.
148 Zweitens hat die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 745 (Vodafone) und 763 (Unitymedia) des angefochtenen Beschlusses ergibt, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht lediglich die Wahrscheinlichkeit potenziellen Wettbewerbs durch Überbauung des Kabelnetzes geprüft. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang angenommen, dass es auch wenig wahrscheinlich sei, dass eines der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mit nicht infrastrukturgebundenen Mitteln wie geliehenen Leitungen, Satelliteninfrastruktur oder den Netzen der Netzebene 4 in das Kabelnetzgebiet des jeweils anderen vordringen würde.
149 Zudem hat die Kommission vor dem Gericht, ohne dass ihr die Klägerin insoweit widersprochen hätte, erläutert, dass, auch wenn es theoretisch möglich gewesen sei, gegenüber MFH-Kunden Leistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen zu erbringen, ohne auf die eigene Infrastruktur der Netzebene 3 zurückzugreifen, es sich dabei in der Praxis nicht um eine Möglichkeit gehandelt habe, die geschäftlich interessant gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Kommission im 820. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Anbieter der Netzebene 4 voll und ganz auf die Bereitschaft der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen angewiesen seien, die Vorleistung der Bereitstellung des Fernsehsignals zu wettbewerbsfähigen Bedingungen anzubieten, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird. Weiter hat die Kommission im 1479. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Anbieter der Netzebene 4 selbst erläutert hätten, dass sie in einem Nischensegment des Marktes tätig seien, während die Wohnungsunternehmen behauptet hätten, dass diese Anbieter den Service Level Requirements oft nicht genügten und nicht in der Lage seien, sich um die Aufrüstung des Netzes der Netzebene 3 zu kümmern, was von der Klägerin ebenfalls nicht bestritten wird. Diese Feststellungen bestätigen aber die Annahme der Kommission, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen mit nicht infrastrukturbasierten Mitteln in das Kabelnetzgebiet des jeweils anderen vordringen würden.
150 Was drittens das Vorhandensein von „white spots“ betrifft, die die Kommission nicht berücksichtigt haben soll, ist, ohne dass über die von der Kommission bestrittene Zulässigkeit dieses Vorbringens entschieden zu werden braucht, festzustellen, dass es, wenn bisher kein Anbieter in diesen Gebieten Kabelnetze aufgebaut hatte, sehr unwahrscheinlich war, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beide beschließen würden, dort Fuß zu fassen. Außerdem hat die Untersuchung der Kommission keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Unternehmen ohne den Zusammenschluss in demselben „White-spot“-Gebiet Fuß gefasst hätten, und die Klägerin hat keine gegenteiligen Beweise vorgebracht.
151 Als Viertes ist zu dem Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission nicht auf die Investitionskriterien der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätte abstellen dürfen, da diese jederzeit hätten geändert, ja manipuliert werden können und in der Branche nicht üblich seien, darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Markteintrittsstrategie nicht mit der bloßen Rentabilität einer solchen Strategie gleichgesetzt werden kann und die Kommission auf das geschäftliche oder wirtschaftliches Interesse, das das Unternehmen, bei dem geprüft wird, ob es ein potenzieller Wettbewerber ist, an einem Markteintritt hat, abstellen kann (siehe oben, Rn. 135 und 136) – und somit auf dessen Investitionskriterien.
152 Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob es potenziellen Wettbewerb gibt, eine ganze Reihe von Gesichtspunkten zu berücksichtigen hat. Sie kann die Investitionsstrategien der betroffenen Unternehmen dabei nicht völlig außer Betracht lassen. Dies gilt insbesondere für große internationale Konzerne wie Vodafone, die zwischen Investitionsvorhaben in Bezug auf mehrere nationale Märkte entscheiden müssen und sich dabei von der höchsten Rendite leiten lassen. Im Übrigen ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin nicht genügt, um annehmen zu können, dass der Kommission Indizien dafür vorgelegen hätten, dass die von der Anmelderin vorgelegten Zahlen nicht richtig wären.
153 Zudem sind in den für die Fusionskontrolle geltenden Rechtsvorschriften verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die von der Übermittlung unrichtiger und irreführender Informationen abhalten sollen und die Übermittlung solcher Informationen bestrafen. So sind Unternehmen, die einen Zusammenschluss anmelden, nach Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 139/2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 172, S. 9) ausdrücklich verpflichtet, der Kommission wahrheitsgemäß und vollständig die Tatsachen und Umstände mitzuteilen, die für die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Bedeutung sind. Diese Verpflichtung wird in Art. 14 der Verordnung Nr. 139/2004 mit Sanktionen bewehrt. Außerdem kann die Kommission gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und Art. 8 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 139/2004 die Entscheidung über die Vereinbarkeit auch widerrufen, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind, oder wenn sie durch Irreführung herbeigeführt worden ist (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 185).
154 Schließlich ist zum einen festzustellen, dass sich insbesondere aus dem 742. Erwägungsgrund und Fn. 553 des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass die Kommission die Rentabilitätsvorschauen der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen überprüft hat, mit denen diese geprüft hatten, ob eine Reihe von Projekten des Ausbaus der Infrastruktur nach ihren Investitionskriterien rentabel sind, und zu dem Schluss gelangt ist, dass deren Ergebnisse hinreichend robust seien, und zum anderen, dass die Kommission bei der Feststellung, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine potenziellen Wettbewerber seien, nicht allein auf deren Investitionskriterien abgestellt hat, sondern insbesondere auch darauf, dass in der Praxis weder Vodafone noch Unitymedia jemals das Kabelnetz des jeweils anderen überbaut hätten und dass sie ihr Netz innerhalb des eigenen Kabelnetzgebiets beide nur in unerheblichem Umfang ausgebaut hätten, obwohl ein solcher interner Ausbau rentabler gewesen sei.
155 Was als Fünftes die Entscheidungen des Bundeskartellamts betrifft, die die Kommission nicht berücksichtigt haben soll, ist festzustellen, dass in Fusionskontrollverfahren die Entscheidungen der nationalen Behörden – wegen der genauen Zuständigkeitsverteilung, auf der die Verordnung Nr. 139/2004 beruht – für die Kommission nicht bindend sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 2007, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, C‑202/06 P, EU:C:2007:814, Rn. 56, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 139). Dies gilt erst recht, wenn sie an einem anderen Zusammenschluss beteiligte Unternehmen und einen anderen Zeitraum betreffen.
156 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie im angefochtenen Beschluss feststellte, es sei wenig wahrscheinlich, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ohne den Zusammenschluss ihre Tätigkeiten auf den MFH-Markt im Kabelnetzgebiet des jeweils anderen Unternehmens ausgeweitet hätten, was bedeutet hätte, dass ein potenzieller Wettbewerb bestanden hätte, den der Zusammenschluss ausgeschaltet hätte, so dass eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorgelegen hätte.
4) Zur kollektiven beherrschenden Stellung infolge stillschweigender Absprache zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
157 Die Klägerin hat mehrfach geltend gemacht, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen deshalb nicht miteinander in Wettbewerb getreten seien und ihre Kabelnetze nie überbaut hätten, weil sie eine kollektive beherrschende Stellung infolge einer zwischen ihnen bestehenden stillschweigenden Absprache eingenommen hätten, die von der Kommission nicht ausreichend untersucht worden sei.
158 Der fehlende aktive Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bedeute nicht, dass sie keine Wettbewerber seien, sondern deute vielmehr darauf hin, dass sie eine kollektive beherrschende Stellung aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden stillschweigenden Absprache einnähmen, die darauf abziele, sich den deutschen Markt aufzuteilen und den Eindruck eines Wettbewerbsverhältnisses zu vermeiden, um die Genehmigung des seit Langem geplanten Zusammenschlusses zu erreichen. Die Klägerin verweist zur Stützung dieses Vorbringens auf mehrere Entscheidungen des Bundeskartellamts, in denen festgestellt worden sei, dass die Unternehmen eine kollektive beherrschende Stellung innehätten, und sie macht geltend, dass der MFH-Markt alle Merkmale eines kollektiv beherrschten Marktes aufweise und es keine andere glaubhafte Erklärung für das Fehlen eines aktiven Wettbewerbs zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gebe.
159 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
160 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht vorträgt, dass der Zusammenschluss eine kollektive beherrschende Stellung auf dem MFH-Markt begründet oder verstärkt und dadurch den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert habe, sondern vielmehr geltend macht, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten vor dem Zusammenschluss aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden stillschweigenden Absprache eine kollektive beherrschende Stellung eingenommen.
161 Sofern anzunehmen ist, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen ein Kartell anzeigen möchte, ergibt sich aus Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, dass diese Verordnung allein für Zusammenschlüsse im Sinne ihres Art. 3 gilt, auf die die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) grundsätzlich nicht anwendbar ist. Auf Verhaltensweisen von Unternehmen, die zwar keinen Zusammenschluss im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 darstellen, aber gleichwohl zu einer gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Koordinierung zwischen ihnen führen können und aus diesem Grund der Kontrolle durch die Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden unterliegen, ist hingegen allein die Verordnung Nr. 1/2003 anwendbar (Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 32 und 33).
162 Da es sich nicht auf den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bezieht, nämlich einen Zusammenschluss, für den die Verordnung Nr. 139/2004 gilt, sondern auf Verhaltensweisen, die möglicherweise in den Anwendungsbereich der Art. 101 und 102 AEUV und der Verordnung Nr. 1/2003 fallen, geht das Vorbringen der Klägerin, dass es vor dem Zusammenschluss eine stillschweigende Absprache zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gegeben habe, mithin ins Leere. Denn, selbst wenn das Vorbringen der Klägerin zuträfe, es vor dem Zusammenschluss also eine implizite oder stillschweigende Absprache zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gegeben hätte, die den fehlenden tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb zwischen ihnen auf dem MFH-Markt erklären würde, wie die Klägerin geltend macht, hätte dies nicht die Feststellung entkräftet, die die Kommission zu diesem Markt getroffen hat, nämlich, dass es keinen Wettbewerb zwischen an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gegeben habe, durch dessen Wegfall wirksamer Wettbewerb hätte erheblich behindert werden können.
163 Falls die Klägerin mit ihrem Vorbringen jedoch das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung anzeigen möchte, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellte, dass die Behauptungen Dritter, die sich auf eine kollektive beherrschende Stellung der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen aufgrund einer zwischen ihnen vorliegenden stillschweigenden Absprache stützten, nicht durch die Prüfung der internen Dokumente dieser Unternehmen bestätigt worden seien, sondern vielmehr durch die in den Akten enthaltenen Beweise zur fehlenden Rentabilität einer Überbauung des Kabelnetzes des jeweils anderen Unternehmens widerlegt würden (vgl. Fn. 534 und 566). Das Vorbringen der Klägerin kann diese Feststellung der Kommission nicht in Frage stellen.
164 Was als Erstes die Entscheidungen des Bundeskartellamts betrifft, ist daran zu erinnern, dass sie für die Kommission nicht bindend sind.
165 Als Zweites ist zum MFH-Markt, der nach Auffassung der Klägerin alle Merkmale eines kollektiv beherrschten Marktes aufweist, festzustellen, dass die Mehrzahl der Verträge auf diesem Markt das Ergebnis von Verhandlungen, offenen Wettbewerben oder förmlichen Ausschreibungsverfahren der Kunden sind (vgl. 697. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), was die Klägerin nicht bestreitet, so dass es wenig wahrscheinlich ist, dass dieser Markt die Transparenz aufweist, die Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen in kollektiver beherrschender Stellung ihr Verhalten auf diesem Markt einander anzugleichen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 121).
166 Was als Drittes die Behauptung der Klägerin betrifft, nur eine stillschweigende Absprache zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen könne das Fehlen eines aktiven Wettbewerbs zwischen ihnen erklären, hat die Prüfung der von der Klägerin zur Stützung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes erhobenen Rügen ergeben, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass der fehlende Wettbewerb zwischen den Unternehmen in erster Linie darauf beruhe, dass sich ihre jeweiligen Kabelnetze nicht überschnitten und die Überbauung des Kabelnetzes des jeweils anderen Unternehmens mit erheblichen Ausgaben für die Infrastruktur verbunden sei, was nicht den Investitionskriterien der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen entspreche. Zudem hat die Klägerin keinen einzigen Beweis vorgelegt, der diese Behauptung stützen könnte.
167 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss offensichtlich zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangte, dass die Behauptungen Dritter über eine stillschweigende Absprache der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen unbegründet seien.
b) Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf die wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt
168 Die Klägerin macht geltend, da die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber gewesen seien, habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie festgestellt habe, dass der Zusammenschluss nicht zu einer zusammenschlussbedingten Veränderung (merger-specific change) führen würde. Nach Auffassung der Klägerin hätte der Zusammenschluss in diesem Kontext nämlich dazu geführt, dass Vodafone ihre Marktmacht ausgebaut hätte und der Wettbewerbsdruck zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beseitigt worden wäre. Die Klägerin ist außerdem der Ansicht, dass der Zusammenschluss den Wettbewerbsdruck der verbleibenden Konkurrenten des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens weiter geschwächt hätte.
1) Zum Ausbau der Marktmacht des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens und zur Beseitigung des Wettbewerbsdrucks zwischen den Unternehmen des Zusammenschlusses
169 Die Klägerin macht geltend, dass nach dem Zusammenschluss nur ein einziges Unternehmen, nämlich das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen, über die Geschäftsstrategie und die Preispolitik in ganz Deutschland entschieden hätte, was eine zusammenschlussbedingte Veränderung (merger-specific change) der Wettbewerbsbedingungen auf dem MFH-Markt darstelle, da die beiden Unternehmen ihre strategischen Entscheidungen vor dem Zusammenschluss individuell getroffen hätten, ohne sicher vorhersagen zu können, welches Verhalten das jeweils andere Unternehmen an den Tag legen würde. Nach Auffassung der Klägerin wäre dieser Wettbewerbsdruck zwischen den Unternehmen durch den Zusammenschluss endgültig beseitigt worden. Eine solche Veränderung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt genüge für die Feststellung, dass eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliege, und die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie die Auffassung vertreten habe, dass dies keine unmittelbare und sofortige Folge des Zusammenschlusses sei.
170 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
171 Insoweit ist zu beachten, dass das Argument der Klägerin, der Zusammenschluss habe bei Vodafone zu einem zusammenschlussbedingten Zuwachs an Marktmacht und einer Beseitigung des Wettbewerbsdrucks zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen geführt, auf der Annahme beruht, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss tatsächliche oder zumindest potenzielle Wettbewerber gewesen seien oder jedenfalls eine stillschweigende Absprache zwischen ihnen bestanden habe.
172 Wie jedoch die Prüfung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes ergeben hat, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keine tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerber auf dem MFH-Markt seien. Außerdem ist die Behauptung der Klägerin, zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen habe vor dem Zusammenschluss eine stillschweigende Absprache vorgelegen, aus den oben in den Rn. 157 bis 167 dargelegten Gründen zurückgewiesen worden.
173 Somit beruht dieses Vorbringen der Klägerin auf einer irrigen Annahme und kann nicht durchgreifen.
2) Zur Abnahme des von den verbleibenden Wettbewerbern ausgeübten Wettbewerbsdrucks
174 Die Klägerin macht geltend, der Zusammenschluss werde auch den Wettbewerbsdruck abschwächen, der von den verbleibenden Wettbewerbern der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem MFH-Markt ausgehe, was genüge, um eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs festzustellen.
175 Sie trägt als Erstes vor, dass es nach dem Zusammenschluss Vodafone und nicht mehr Unitymedia sein werde, die, insbesondere im Kabelnetzgebiet von Unitymedia, die Geschäftsstrategie, worunter auch die Preispolitik falle, des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens gegenüber Tele Columbus, d. h. gegenüber dem stärksten Wettbewerber der Unternehmen des Zusammenschlusses, sowie gegenüber anderen Anbietern der Netzebene 4 in Bezug auf die Vorleistung der Bereitstellung des Fernsehsignals festlege. Der Klägerin zufolge wären diese Anbieter – auch im Kabelnetzgebiet von Unitymedia – somit nach dem Zusammenschluss von Vodafone abhängig, die dafür bekannt sei, kleinen Wettbewerbern durch wirtschaftlich nicht tragfähige Konditionen schaden zu wollen, und diese Situation sei vor dem Zusammenschluss nicht gegeben gewesen.
176 Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass andere Wettbewerber (wie sie selbst und kleinere lokale Marktteilnehmer) schon vor dem Zusammenschluss nicht in der Lage gewesen seien, signifikanten Wettbewerbsdruck auf Unitymedia und Vodafone auszuüben, insbesondere wegen des Nebenkostenprivilegs, das Kabelnetzbetreiber begünstige, da dieser Mechanismus den Wohnungsunternehmen ermögliche, ihren Mietern die Kosten des Kabelfernsehangebots als Nebenkosten direkt in Rechnung zu stellen, was ihre Bereitschaft verringere, den Anbieter zu wechseln.
177 Als Drittes trägt sie vor, die gesteigerte Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens gegenüber den Fernsehsendern bedeute, dass dieses Unternehmen die Möglichkeit und den Anreiz hätte, seine verbleibenden Wettbewerber im Bereich der TV‑Infrastrukturen auf dem MFH-Markt weiter zu schwächen, indem es sie (zumindest teilweise) ausschließe oder die Bedingungen für ihren Zugang zu den Fernsehkanälen oder audiovisuellen Inhalten oder zu wettbewerbsrelevanten Merkmalen dieser Kanäle oder audiovisuellen Inhalte verschlechtere. Die Kommission habe diese Möglichkeiten einer „teilweisen Abschottung“ und ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation auf dem MFH-Markt nicht berücksichtigt.
178 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
179 Wird der von den Wettbewerbern ausgehende Wettbewerbsdruck durch einen Zusammenschluss stark gesenkt, kann dies zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen.
180 Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin jedoch ausdrücklich ein, dass die anderen Wettbewerber auf dem MFH-Markt, wie sie selbst und kleinere lokale Marktteilnehmer, schon vor dem Zusammenschluss nicht in der Lage waren, signifikanten Wettbewerbsdruck auf Unitymedia und Vodafone auszuüben, insbesondere wegen des Nebenkostenprivilegs, das der Klägerin zufolge ein erhebliches Hindernis für den Marktzugang und die Expansion auf diesem Markt darstellte.
181 Somit übten die anderen Wettbewerber, wie die Klägerin selbst eingesteht, vor dem Zusammenschluss keinen Wettbewerbsdruck auf die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen aus. Folglich ist es wenig wahrscheinlich, dass der Zusammenschluss zu einer starken Senkung des von den anderen Wettbewerbern ausgehenden Wettbewerbsdrucks und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs geführt hätte. Daraus folgt, dass die vorliegende Rüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt begangen habe, da sie nicht berücksichtigt habe, dass der Zusammenschluss den Wettbewerbsdruck der verbleibenden Wettbewerber des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens weiter stärker geschwächt hätte, zurückzuweisen ist.
182 Darüber hinaus lassen sich die Argumente der Klägerin nur schwer von den Argumenten abgrenzen, die sie im Rahmen des dritten Klagegrundes vorbringt. Wenn sich die Klägerin nämlich auf eine Veränderung der Anreize des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens in Bezug auf die Preispolitik und den Ausschluss von Tele Columbus und anderen Anbietern beruft, bezieht sie sich auf nicht koordinierte vertikale Auswirkungen in Form des Ausschlusses von Unternehmen, die MFH-Kunden in Deutschland auf Endkundenebene Dienste der Bereitstellung von Fernsehsignalen anbieten. Diese Auswirkungen untersucht die Kommission in den Erwägungsgründen 1467 bis 1506 des angefochtenen Beschlusses, die Gegenstand des dritten Klagegrundes sind, der im Folgenden geprüft wird.
183 Ferner ist festzustellen, dass die Frage der gesteigerten Marktmacht des fusionierten Unternehmens auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen in Deutschland und ihrer Auswirkungen auf Fernsehsender und Anbieter von Fernsehdiensten für Endkunden in den Erwägungsgründen 1006 ff. des angefochtenen Beschlusses in einem Abschnitt untersucht wird, der sich mit etwaigen nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem fraglichen Vorleistungsmarkt befasst. Die Klägerin tritt diesen Beurteilungen im Rahmen des vierten Klagegrundes entgegen, der nachstehend geprüft wird.
184 Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, dass sie nicht feststellte, dass der Zusammenschluss zu einer Abschwächung des Wettbewerbs durch die anderen Wettbewerber und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen würde.
3. Zum ersten Teil: Rechtsfehler und Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004
185 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 verstoßen, da sie nicht festgestellt habe, dass die Schaffung der beherrschenden Stellung von Vodafone auf dem MFH-Markt eine zusammenschlussbedingte strukturelle Veränderung der Marktbedingungen darstelle, die zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führe.
186 Als Erstes weist die Klägerin darauf hin, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gelangt sei, dass beide am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten eine beherrschende Stellung auf dem MFH-Markt innegehabt hätten. Die Klägerin folgert daraus, dass die Verbindung dieser beiden Kabelnetzgebiete, die zusammen ganz Deutschland abdeckten, dem fusionierten Unternehmen zwangsläufig eine beherrschende Stellung auf nationaler Ebene verschafft hätte, die keines der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen für sich genommen vor dem Zusammenschluss innegehabt habe, was eine sehr bedeutende zusammenschlussbedingte strukturelle Veränderung der Marktbedingungen darstelle, die zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führe. Die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine solche Veränderung nicht zusammenschlussbedingt sei, da die Unternehmen in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten bereits vor dem Zusammenschluss eine beherrschende Stellung eingenommen hätten.
187 Auf eine Frage des Gerichts zur schriftlichen Beantwortung vom 16. Mai 2023 hat die Klägerin hierzu ausgeführt, dass die Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung als solche ein typisches Beispiel für eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs sei und daher die Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung ausreiche, um eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs festzustellen. Die Kommission habe im vorliegenden Fall zu Unrecht geprüft, ob der Zusammenschluss zum einen zu einer zusammenschlussbedingten Verringerung des Wettbewerbs zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen geführt habe und zum anderen zusammenschlussbedingte Auswirkungen auf die Wettbewerber gehabt habe, obwohl sie sich der Klägerin zufolge auf die Feststellung hätte beschränken müssen, dass der Zusammenschluss durch die Fusion von zwei Marktteilnehmern mit beherrschender Stellung auf regionaler Ebene eine beherrschende Stellung auf nationaler Ebene erschaffen hätte. Nach Auffassung der Klägerin wäre die Schaffung dieser bundesweiten beherrschenden Stellung zusammenschlussbedingt gewesen und hätte zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs geführt, was die Kommission ihrer Meinung nach hätte feststellen müssen.
188 Als Zweites macht die Klägerin geltend, auch dann, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss als den MFH-Markt kollektiv beherrschend anzusehen gewesen seien, hätte der Übergang von einer kollektiven beherrschenden Stellung zu einer individuellen beherrschenden Stellung eine bedeutende strukturelle Veränderung der Bedingungen auf diesem Markt dargestellt, da er jegliche Möglichkeit, das für eine kollektive beherrschende Stellung typische kollusive Gleichgewicht zu stören und somit die Wettbewerbssituation auf dem Markt zu verbessern, definitiv beseitigt hätte.
189 Als Drittes rügt die Klägerin, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie davon ausgegangen sei, dass die Feststellung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs zwangsläufig die Feststellung der Beseitigung eines zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss bestehenden „beträchtlichen Wettbewerbsdrucks“ voraussetze. Dem 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 sei zu entnehmen, dass die Beseitigung „beträchtlichen Wettbewerbsdrucks“ zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nur Zusammenschlüsse auf oligopolistischen Märkten betreffe und nur verlangt werde, um eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf der Grundlage nicht koordinierter Auswirkungen in Fällen festzustellen, die keine Schaffung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung beinhalteten.
190 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
191 Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 nur Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären sind. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs das entscheidende Kriterium bei der Prüfung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt ist. Die Verwendung des Adverbs „insbesondere“ deutet darauf hin, dass die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung einen der Fälle repräsentiert, in denen eine solche Behinderung festgestellt werden kann.
192 Außerdem hat das Gericht bereits entschieden, dass der Umstand, dass ein Zusammenschluss wettbewerbswidrige Auswirkungen hätte, an sich nicht ausreichend ist, um diesen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt unvereinbar anzusehen, sofern er wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindert (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑296/18, EU:T:2021:724, Rn. 107).
193 Folglich reicht der Umstand, dass ein Zusammenschluss eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken würde, für sich genommen nicht aus, um diesen Zusammenschluss als mit dem Binnenmarkt unvereinbar anzusehen, sofern der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindert, weshalb dem Argument der Klägerin, die Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung reiche für die Feststellung einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs aus, nicht gefolgt werden kann.
194 Sodann ist hervorzuheben, dass das Ziel der Verordnung Nr. 139/2004 darin besteht, eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse einzuführen, die einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindern würden, einschließlich von Zusammenschlüssen mit nicht koordinierten Auswirkungen (Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments, C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 109 und 113).
195 Darüber hinaus ist die Kommission bei der Fusionskontrolle verpflichtet, eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung durchzuführen, die darin besteht, zu prüfen, inwieweit ein Zusammenschluss die für den Stand des Wettbewerbs auf einem bestimmten Markt maßgebenden Faktoren verändern könnte, um zu ermitteln, ob sich daraus ein erhebliches Hindernis für einen wirksamen Wettbewerb ergeben würde (Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 43; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 47).
196 Folglich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie im vorliegenden Fall eine Untersuchung der voraussichtlichen Entwicklung durchführte, die sich u. a. auf die nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt bezog. Da sie im Rahmen dieser Untersuchung feststellen konnte, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, dass, wie sich aus der vorstehenden Prüfung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes ergibt, der Zusammenschluss den Wettbewerbsdruck zwischen den an ihm beteiligten Unternehmen nicht ausschalten würde und den von den verbleibenden Wettbewerbern ausgehenden Wettbewerbsdruck nicht verringern würde, konnte sie zu dem Ergebnis gelangen, dass es zu keiner erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs kommen werde. Sie musste daher nicht prüfen, ob der Zusammenschluss darüber hinaus, insbesondere weil die verbundenen Kabelnetze der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nach dem Zusammenschluss das gesamte Bundesgebiet abdecken würden, eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken würde.
197 Außerdem kann nicht abstrakt davon ausgegangen werden, dass die Reichweite des Kabelnetzes der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen einen für den Stand des Wettbewerbs auf dem MFH-Markt maßgebenden Faktor im Sinne der oben in Rn. 195 angeführten Rechtsprechung darstellen kann, dessen Veränderung eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zur Folge hätte. Somit führt die bloße geografische Ausweitung des Kabelnetzes des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens unabhängig davon, ob sie zusammenschlussbedingt ist oder nicht, nicht zwangsläufig zu einer Veränderung eines für den Stand des Wettbewerbs auf dem MFH-Markt maßgebenden Faktors und damit einhergehend zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs.
198 Als Zweites ist den Rn. 163 bis 166 des vorliegenden Urteils zu entnehmen, dass zum einen die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie im angefochtenen Beschluss feststellte, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden stillschweigenden Absprache eine kollektive beherrschende Stellung eingenommen hätten, und zum anderen sich auch aus den hierzu vorgetragenen Argumenten der Klägerin nichts anderes ergibt.
199 Als Drittes kann dem Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie festgestellt habe, dass der durch einen Zusammenschluss beseitigte Wettbewerbsdruck hinreichend „beträchtlich“ sein müsse, um zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen zu können, nicht gefolgt werden.
200 Die Prüfung des zweiten Teils dieses Klagegrundes hat nämlich ergeben, dass im vorliegenden Fall auf dem MFH-Markt vor dem Zusammenschluss kein Wettbewerbsdruck zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bestand. Selbst wenn die Kommission also davon hätte ausgehen müssen, dass nur die Beseitigung eines „beträchtlichen“ Wettbewerbsdrucks gegebenenfalls zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen könnte, würde dies die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht beeinträchtigen.
201 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen oder gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 verstoßen hat, so dass der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen ist.
202 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.
C. Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt
203 Mit dem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass der Kommission im angefochtenen Beschluss bei ihren Ausführungen zu den nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem EFH-Markt ein Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien.
1. Vorbemerkungen
204 Die Kommission prüft in Abschnitt VIII.C.2.5 des angefochtenen Beschlusses, welche nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen der Zusammenschluss auf dem EFH-Markt haben würde. Sie meint, die räumliche Abgrenzung dieses Marktes könne offengelassen werden (siehe oben, Rn. 19).
205 Die Kommission weist zunächst auf bestimmte Besonderheiten des EFH-Markts hin (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 843 bis 848) und prüft dann, welche Marktanteile die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bundesweit und in ihrem jeweiligen Kabelnetzgebiet haben und wie konzentriert der EFH-Markt ist (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 849 bis 859). Sie stellt insoweit fest, dass der EFH-Markt zwar sehr konzentriert sei, der Zusammenschluss aber, da die an ihm beteiligten Unternehmen auf diesem Markt nur in sehr begrenztem Umfang miteinander in Wettbewerb träten und sich ihre Tätigkeiten nicht in erheblichem Umfang überschnitten, nicht zu einer zusammenschlussbedingten Veränderung (merger-specific change) führen würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 860 bis 862).
206 Sodann prüft die Kommission, welcher Wettbewerbsdruck von den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ausgeht, der durch den Zusammenschluss wegfallen würde, und wie sich der Wettbewerbsdruck ohne den Zusammenschluss entwickeln würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 863 bis 885).
207 Was Vodafone betrifft, erinnert die Kommission daran, dass sie in Bezug auf die Bereitstellung von Fernsehsignalen für MFH-Endkunden zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Beweise in den Akten die Behauptungen Dritter zu einem Verlust an potenziellem Wettbewerb durch sie nicht stützen könnten. Den Akten zufolge sei die Bedeutung der IPTV- und OTT‑Produkte von Vodafone auf dem EFH-Markt sehr begrenzt. Vodafone sei im Kabelnetzgebiet von Unitymedia also kein signifikanter Marktteilnehmer. Für Unitymedia gehe weder von dem IPTV-Angebot von Vodafone noch von deren neuer OTT‑Plattform Wettbewerbsdruck aus (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 865 bis 880).
208 In Bezug auf Unitymedia weist die Kommission darauf hin, dass sich ihr Marktanteil unabhängig von der Abgrenzung des Marktes allein aus ihrer Präsenz in ihrem Kabelnetzgebiet ergebe. Außerdem erinnert die Kommission daran, dass sie in Bezug auf die Bereitstellung von Fernsehsignalen für MFH-Endkunden zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Beweise in den Akten die Behauptungen Dritter zu einem Verlust an potenziellem Wettbewerb durch Unitymedia nicht stützen könnten (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 881 bis 885).
209 Weiter prüft die Kommission, welchen Wettbewerbsdruck die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen aufeinander ausüben (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 886 bis 896). Sie stellt insoweit fest, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen weder unmittelbare (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 887 bis 891) noch mittelbare tatsächliche Wettbewerber (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 892 bis 896) seien.
210 Zum unmittelbaren Wettbewerb stellt die Kommission fest, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Leistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen für EFH-Kunden auf der Endkundenebene nahezu ausschließlich innerhalb ihres jeweiligen Kabelnetzgebiets erbrächten und dass sich ihre Kabelnetzgebiete nicht überlappten. Im Kabelnetzgebiet von Unitymedia gebe es aufgrund der IPTV- und OTT‑Produkte von Vodafone zwar eine begrenzte Überlappung. Durch den Zusammenschluss würde aber kein signifikanter unmittelbarer Wettbewerb zwischen den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen wegfallen. Denn erstens habe Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia nur einen geringen Marktanteil. Zweitens seien die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen, weil sie verschiedene Übertragungstechnologien verwendeten, keine nahen Wettbewerber. Und drittens hätten die IPTV- und OTT‑Produkte keine Alleinstellungsmerkmale. Sie könnten daher ohne Weiteres durch andere Produkte ersetzt werden.
211 Zum mittelbaren Wettbewerb führt die Kommission aus, dass die internen Dokumente, die sie zum Markt für Festnetz‑Internet gefunden habe und die darauf hindeuteten, dass sich die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen miteinander verglichen, in gewisser Weise auch den EFH-Markt beträfen. Nach Erläuterungen der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen geht die Kommission aber davon aus, dass diese Dokumente nicht bewiesen, dass eine über bloße geschäftliche Vergleiche zur Überwachung und gegebenenfalls Nachahmung der Best Practice der Branche hinausgehende vergleichende Analyse (Benchmarking) durchgeführt worden wäre. Die Kommission weist auch noch darauf hin, dass eine Analyse der Endverbraucherpreise nicht ergeben habe, dass Vodafone und Unitymedia über einen sequenziellen Preisbildungsmechanismus, bei dem die Preisänderungen eines Unternehmens nach einer Preisanpassung der bundesweit agierenden Wettbewerber auf das Kabelnetzgebiet des anderen übertragen würden, mittelbar Druck aufeinander ausübten.
212 Schließlich prüft die Kommission, welcher Wettbewerbsdruck von den auf dem EFH-Markt verbleibenden Wettbewerbern, insbesondere der von der Klägerin, von Tele Columbus, von den regionalen Betreibern (city carriers) wie NetCologne und von den Betreibern von Satellitendiensten, ausgehen würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 897 bis 903). Sie stellt insoweit fest, dass diese zahlreichen Wettbewerber nach dem Zusammenschluss weiter auf dem Markt tätig sein würden und dass die Beweise, die sich in den Akten befänden, bewiesen, dass die auf dem EFH-Markt etablierten Wettbewerber zunehmendem Wettbewerbsdruck seitens neuer Anbieter und zahlreicher Anbieter von OTT‑Fernsehdiensten ausgesetzt seien. Der von den Wettbewerbern ausgehende Wettbewerb würde durch den Zusammenschluss also nicht geschwächt werden.
213 Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem EFH-Markt wirksamer Wettbewerb aufgrund nicht koordinierter horizontaler Auswirkungen nicht erheblich behindert werden würde (angefochtener Beschluss, 907. Erwägungsgrund).
214 Im vorliegenden Fall lässt sich das Vorbringen der Klägerin zum zweiten Klagegrund, das die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den EFH-Markt betrifft, in drei Teile gliedern. Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss zur Begründung einer beherrschenden Stellung und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen werde, zweitens habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt habe, dass der Zusammenschluss den tatsächlichen und potenziellen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beseitigen werde, und drittens habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie nicht der Ansicht gewesen sei, dass der Zusammenschluss die verbleibenden Wettbewerber schwächen werde.
2. Zum ersten Teil: Rechtsfehler und offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss zur Begründung einer beherrschenden Stellung und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen werde
215 Die Klägerin macht geltend, wenn davon ausgegangen werde, dass der relevante Markt nur Kabelfernsehen und IPTV umfasse, führe der Zusammenschluss sowohl auf nationaler Ebene als auch im Kabelnetzgebiet von Unitymedia zu sehr hohen gemeinsamen Marktanteilen, die auf das Vorliegen einer beherrschenden Stellung hindeuteten. Angesichts der sehr starken Position des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens könne schon die Beseitigung einer geringfügigen Überlappung zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen.
216 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
217 Hierzu ist festzustellen, dass ein Zusammenschluss, der eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, nicht automatisch zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt, wie Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 zu entnehmen ist.
218 Im vorliegenden Fall legt die Klägerin erstens nicht dar, inwiefern der Zusammenschluss, falls er zur Begründung einer beherrschenden Stellung auf dem nationalen EFH-Markt oder zur Stärkung einer beherrschenden Stellung auf dem auf das Kabelnetzgebiet von Unitymedia beschränkten EFH-Markt führen würde, eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs mit sich brächte.
219 Zweitens bezieht sich die Klägerin lediglich auf „sehr hohe gemeinsame Marktanteile“ und schließt daraus, dass „diese kombinierten Marktanteile als solche auf das Vorliegen einer beherrschenden Stellung des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens [auf dem EFH-Markt] hindeuten“. Entgegen diesem Vorbringen reichen diese Marktanteile jedoch nicht aus, um nachzuweisen, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen nach dem Zusammenschluss eine beherrschende Stellung einnehmen würde.
220 Zum einen ergibt sich aus der Tabelle Nr. 20 im 850. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, deren Inhalt von der Klägerin nicht bestritten wird, dass auf dem nationalen EFH-Markt, der Kabel-TV, IPTV, Satelliten-TV und terrestrisches Fernsehen (DVB-T) umfasst, die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss jeweils einen Marktanteil von [10‑20] % hielten und nach dem Zusammenschluss zusammen einen gemeinsamen Marktanteil von [20‑30] % halten würden und dass auf dem EFH-Markt, der auf Kabel-TV und IPTV beschränkt ist, diese Unternehmen vor dem Zusammenschluss jeweils einen Marktanteil von [20‑30] % hielten und ihr gemeinsamer Marktanteil nach dem Zusammenschluss [40‑50] % betragen würde. Diese Marktanteile könnten jedoch für sich genommen nicht zur Folge haben, dass der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt.
221 Zum anderen wurde von der Kommission festgestellt, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen einem starken Wettbewerb ausgesetzt sein werde, insbesondere seitens der Klägerin und Tele Columbus, da diese beiden Anbieter auf dem EFH-Markt über erhebliche Marktanteile verfügten, unabhängig davon, ob es sich um den bundesweiten EFH-Markt handle oder ob der EFH-Markt auf das Kabelnetzgebiet von Unitymedia beschränkt werde, was die Klägerin nicht bestreitet, so dass das fusionierte Unternehmen nicht die Möglichkeit hätte, sich auf diesem Markt so unabhängig zu verhalten, wie es für eine beherrschende Stellung charakteristisch sei, weil es ansonsten seine EFH-Kunden an diese zwei Wettbewerber, an regionale Betreiber und sogar an die Anbieter von Satellitendiensten verlieren würde.
222 Da die Kommission somit keinen Fehler in Bezug darauf beging, dass der Zusammenschluss nicht zur Begründung einer beherrschenden Stellung auf dem EFH-Markt führen würde, beruht das Vorbringen, auf das sich die Klägerin zum Nachweis einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs stützt (siehe oben, Rn. 215), auf einer irrigen Annahme.
223 Nach alledem ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes entgegen dem Vorbringen der Kommission hinreichend verständlich und somit zulässig, doch hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen Rechtsfehler oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie nicht zu dem Ergebnis kam, dass der Zusammenschluss zur Begründung einer beherrschenden Stellung und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem EFH-Markt führen würde, so dass der vorliegende Teil unbegründet ist.
3. Zum zweiten Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss den tatsächlichen und potenziellen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beseitigen werde
224 Die Klägerin macht geltend, aus den zum MFH-Markt dargelegten Gründen sei die Auffassung der Kommission, dass der Zusammenschluss nicht zu einer Verringerung des tatsächlichen (unmittelbaren oder mittelbaren) oder potenziellen Wettbewerbs zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt führen würde, mit Rechtsfehlern und offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet.
225 Im Einzelnen beanstandet die Klägerin als Erstes die Feststellung der Kommission, wonach die vergleichenden Analysen zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen keinen Beweis für das Vorliegen eines mittelbaren Wettbewerbsverhältnisses lieferten und nicht über „bloße geschäftliche Vergleiche zur Überwachung und gegebenenfalls Nachahmung der Best Practice der Branche“ hinausgingen. Die Kommission habe nicht dargelegt, warum das Vorliegen „bloßer geschäftlicher Vergleiche“ nicht ausgereicht habe, um einen relevanten tatsächlichen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vor dem Zusammenschluss darzustellen, insbesondere wenn man bedenke, dass zwischen diesen Unternehmen auf dem EFH-Markt (zumindest begrenzter) unmittelbarer Wettbewerb bestehe.
226 Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht erläutert, warum mittelbarer Wettbewerbsdruck zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen infolge der Übertragung von Preisänderungen über inländische Marktteilnehmer, wie Tele Columbus oder die Klägerin, einen „sequenziellen Preisfestsetzungsmechanismus“ erfordere oder warum dieser Mechanismus voraussetze, dass die „Änderungen von Preiselementen“ „von Vodafone oder Unitymedia systematisch, in hinreichender zeitlicher Nähe zueinander und in der gleichen Reihenfolge eingeleitet werden“. Allein der Umstand, dass Tele Columbus und die Klägerin eine einheitliche bundesweite Preispolitik verfolgten und in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten mit den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen konkurrierten, reiche aus, um einen mittelbaren Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu begründen.
227 Als Drittes wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Kommission im 890. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach Vodafone und Unitymedia keine nahen Wettbewerber seien, weil sie verschiedene Technologien verwendeten. Diese Behauptung stehe nämlich im Widerspruch zu der Beurteilung, die die Kommission in Bezug auf die Stellung von Vodafone auf dem Markt für Festnetz‑Internet vorgenommen habe und sie dazu bewogen habe, festzustellen, dass insbesondere wegen der Ausschaltung des starken Wettbewerbsdrucks, den die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen trotz Verwendung ebendieser verschiedenen Technologien, d. h. Kabeltechnologie bei Unitymedia und DSL-Technologie bei Vodafone, aufeinander ausübten, wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde. Vodafone verfüge im Kabelnetzgebiet von Unitymedia über 800 000 Kunden für DSL-Hochgeschwindigkeitsdienste, und alle diese DSL-Abonnenten hätten kurzfristig und ohne große Investitionen durch das IPTV-Angebot von Vodafone versorgt werden können. Folglich habe Vodafone zumindest die Möglichkeit gehabt, ihren IPTV-Kundenstamm im Kabelnetzgebiet von Unitymedia schnell und in nennenswertem Umfang auszubauen.
228 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
229 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerin zu den von ihr geltend gemachten Rechtsfehlern und offensichtlichen Beurteilungsfehlern im Rahmen ihres ersten Klagegrundes in Bezug auf den MFH-Markt zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 72 bis 90 zum unmittelbaren Wettbewerb, Rn. 91 bis 116 zum mittelbaren Wettbewerb und Rn. 117 bis 156 zum potenziellen Wettbewerb). Daher kann sich die Klägerin zur Stützung des zweiten Teils ihres zweiten Klagegrundes nicht mit Erfolg auf dieses Vorbringen berufen.
230 Was die Argumente betrifft, die die Klägerin konkret im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes vorträgt, gelten die folgenden Beurteilungen.
231 Was als Erstes den Umstand betrifft, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihre jeweiligen Tätigkeiten beobachteten und ihr Produktangebot verglichen, hat die Kommission erläutert, dass diese Fälle von vergleichenden Analysen nicht über „bloße geschäftliche Vergleiche zur Überwachung und gegebenenfalls Nachahmung der Best Practice der Branche“ hinausgegangen seien und ein solcher Vergleich in Gestalt einer Analyse der Marktleistung oder der Best Practice der Branche, auch in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, nicht dazu führen könne, dass zwischen zwei Unternehmen Wettbewerbsdruck entstehe, dessen Ausschaltung in der Folge eines Zusammenschlusses eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auslösen könnte. Wie die Kommission zu Recht ausführt, ist die Tatsache, dass ein europäischer Kabelnetzbetreiber die bewährten Praktiken eines sehr erfolgreichen US-amerikanischen Kabelnetzbetreibers beobachtet oder sogar imitiert, nicht so zu verstehen, dass sich diese zwei Anbieter in einem tatsächlichen, wenn auch mittelbaren, Wettbewerbsverhältnis befinden.
232 Außerdem hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts erklärt, dass es im vorliegenden Fall keinen Beweis dafür gebe, dass die vergleichenden Analysen vorgenommen worden seien, damit das Unternehmen, das sie als Reaktion auf das Geschäftsverhalten des jeweils anderen Unternehmens durchführe, seine Geschäftsentscheidungen daran orientieren könne, oder dass sie tatsächlich zu einer wie auch immer gearteten, die Geschäftsstrategie betreffenden Reaktion eines der Unternehmen geführt hätten. Darüber hinaus ist dem 894. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dessen Inhalt die Klägerin nicht bestreitet, zu entnehmen, dass die fraglichen Dokumente von Teams stammten, die für Öffentlichkeitsarbeit (public affairs), Kommunikation und Investor Relations zuständig waren und keinen Einfluss auf die Geschäftsstrategie der Unternehmen hatten.
233 Folglich ist die erste Rüge im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
234 Was als Zweites das Vorbringen der Klägerin zum sequenziellen Preisfestsetzungsmechanismus betrifft, kann nicht beanstandet werden, dass die Kommission geprüft hat, ob die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen im vorliegenden Fall ihre Preise so festsetzten, dass sich ein mittelbarer Wettbewerb zwischen ihnen hätte erkennen lassen können.
235 Wie nämlich bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes festgestellt, lagen der Kommission nicht genügend Beweise dafür vor, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihre jeweiligen Angebote so beobachteten und verglichen, dass sich der Vergleich auf ihre Geschäftsstrategie auswirkte. Somit ließ sich anhand des Übertragungsmechanismus in Form der sequenziellen Preisfestsetzung überprüfen, ob dennoch ein Zusammenhang zwischen der Preispolitik der Unternehmen vorlag und damit mittelbarer Wettbewerbsdruck zwischen ihnen bestand.
236 Die Behauptung der Klägerin, der mittelbare Wettbewerbsdruck zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ergebe sich bereits daraus, dass Tele Columbus und sie selbst eine einheitliche bundesweite Preispolitik verfolgten und in ihren jeweiligen Kabelnetzgebieten mit den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen konkurrierten, ist nicht substantiiert. Außerdem würde, wenn dies so wäre, eine Preisänderung eines der Unternehmen des Zusammenschlusses über die durch diese Änderung hervorgerufene Reaktion von Tele Columbus oder der Klägerin zu einer Preisänderung des jeweils anderen Unternehmens führen. Die Kommission hat jedoch im Rahmen ihrer Prüfung, ob ein sequenzieller Preisbildungsmechanismus vorliegt, genau diese Frage untersucht und festgestellt, dass dem nicht so ist, wie aus dem 896. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht.
237 Folglich ist die zweite Rüge der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
238 Was als Drittes die Annahme der Kommission im 890. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses betrifft, dass Vodafone und Unitymedia keine nahen Wettbewerber seien, da sie verschiedene Technologien verwendeten, ist zunächst die Behauptung zurückzuweisen, dass zwischen dieser Annahme und der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Position von Vodafone auf dem Markt für Festnetz‑Internet ein Widerspruch bestehe.
239 Ein Vergleich zwischen den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Ausführungen zum Markt für Festnetz‑Internet und den darin enthaltenen Ausführungen zum EFH-Markt zeigt nämlich, dass die Situation von Vodafone auf diesen Märkten verschieden war.
240 Wie sich aus dem 413. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, hatte Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia auf dem Markt für Festnetz‑Internet einen durchaus erheblichen Marktanteil von [5-10] %. Weiter ergibt sich aus dem 417. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission festgestellt hat, dass die Kundschaft von Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia stark zunehme. Und, was das Angebot von Festnetz‑Internet mit Hilfe der DSL-Technologie im Kabelnetzgebiet von Unitymedia angeht, hat die Kommission im 454. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Vodafone wegen ihrer besonderen Situation, insbesondere wegen spezieller Vermögenswerte, in der Lage gewesen sei, wettbewerbsfähiger zu agieren als die übrigen auf der Basis eines Vorleistungszugangs operierenden Anbieter. Die Kommission verfügte mithin über mehrere Beweise dafür, dass Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia auf dem Markt für Festnetz‑Internet eine bedeutende Position hatte.
241 Auf dem EFH-Markt hingegen war die Überlappung der Tätigkeiten von Vodafone und Unitymedia im Kabelnetzgebiet von Unitymedia, wie aus Tabelle Nr. 21 im 853. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, zu vernachlässigen, weil Vodafone dort praktisch keinen Marktanteil hatte (unabhängig davon, ob dieser Markt auf Kabel und IPTV begrenzt wird oder auch Satellit und terrestrisches Fernsehen eingeschlossen werden), wie die Kommission im Verfahren vor dem Gericht erläutert hat. Außerdem ergibt sich aus dem ersten Satz des 873. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses, den die Kommission gemäß dem Beschluss vom 30. März 2023 offengelegt hat, dass diese festgestellt hat, dass die Zahl der IPTV-Abonnenten von Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia in den beiden Jahren vor dem Zusammenschluss gesunken sei.
242 Die Position von Vodafone auf diesen beiden Märkten war also unterschiedlich, so dass die Kommission den EFH-Markt, ohne sich zu widersprechen, anders beurteilen konnte als den Markt für Festnetz‑Internet und feststellen konnte, dass auf diesem letztgenannten Markt insbesondere wegen der Ausschaltung des starken Wettbewerbsdrucks, den die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen trotz Verwendung ebendieser verschiedenen Technologien aufeinander ausübten, wirksamer Wettbewerb erheblich behindert werden würde.
243 Was schließlich die Behauptung der Klägerin angeht, Vodafone hätte ihre Kunden für DSL-Hochgeschwindigkeitsdienste im Kabelnetzgebiet von Unitymedia in IPTV-Kunden umwandeln können, ergibt sich aus dem ersten Satz des 874. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses, den die Kommission gemäß dem Beschluss vom 30. März 2023 offengelegt hat, dass Vodafone im März 2019 damit aufgehört hat, ihr IPTV-Produkt an Neukunden zu verkaufen, was die Klägerin nicht bestreitet. Somit beging die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie bei der Prüfung eines von Vodafone im Kabelnetzgebiet von Unitymedia ausgehenden potenziellen Wettbewerbs auf dem EFH-Markt die von der Klägerin angeführte Möglichkeit, dass Vodafone die DSL-Kunden in EFH-Kunden umwandelt, nicht berücksichtigte.
244 Folglich ist die dritte Rüge der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
245 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, dass sie nicht zu dem Ergebnis gelangte, dass der Zusammenschluss den tatsächlichen und potenziellen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt ausgeschaltet hätte, so dass der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.
4. Zum dritten Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss die verbleibenden Wettbewerber schwächen werde
246 Die Klägerin verweist auf den ersten, den dritten und den vierten Klagegrund und wirft der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass die enorme Marktmacht, die das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen gegenüber den Fernsehsendern auf den TV-Vorleistungsmärkten ausüben werde, den von den verbleibenden Wettbewerbern ausgehenden Wettbewerbsdruck weiter schwächen werde, was ausreiche, um eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem EFH-Markt festzustellen.
247 Nach Auffassung der Klägerin würden die verschlechterten Wettbewerbsbedingungen noch mehr Marktteilnehmer betreffen als auf dem MFH-Markt, da es auf dem EFH-Markt mehr aktive Wettbewerber gebe, die alle mit einem neuen Unternehmen konfrontiert wären, das in der Lage und gewillt sei, (vollständige oder teilweise) Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit Fernsehkanälen/Inhalteanbietern zu schließen und den Zugang der Wettbewerber zu den vorgelagerten TV-Vorleistungsmärkten zu verschlechtern.
248 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
249 Um die Schwächung des von den verbleibenden Wettbewerbern ausgehenden Wettbewerbsdrucks auf dem EFH-Markt nachzuweisen, trägt die Klägerin das gleiche Argument vor wie im Rahmen des ersten Klagegrundes zum MFH-Markt, auf das sie sich auch zur Stützung des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes beruft. Dieses Argument ist jedoch aus den oben in den Rn. 174 bis 184 dargelegten Gründen u. a. deshalb zurückgewiesen worden, weil die kleineren Wettbewerber, wie die Klägerin selbst einräumt, schon vor dem Zusammenschluss nicht in der Lage waren, signifikanten Wettbewerbsdruck auf die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auszuüben, so dass der dritte Teil keinen Erfolg haben kann.
250 Jedenfalls ist festzustellen, dass die Klägerin die Feststellung der Kommission, dass zahlreiche Wettbewerber wie die Klägerin, Tele Columbus und mehrere regionale Anbieter (city carriers) und sogar Anbieter von Satellitendiensten auch nach dem Zusammenschluss weiter auf dem EFH-Markt tätig sein würden (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 897 bis 901), nicht angreift und auch nicht bestreitet, dass auf diesem Markt Wettbewerbsdruck zunehmend von neuen Anbietern und von zahlreichen Anbietern von OTT‑Fernsehdiensten ausgeht (angefochtener Beschluss, 903. Erwägungsgrund), weshalb die Kommission hat feststellen können, dass der von den auf dem EFH-Markt verbleibenden Wettbewerbern ausgehende Wettbewerbsdruck durch den Zusammenschluss nicht gemindert werden würde.
251 Die Klägerin hat somit nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Auffassung vertrat, dass der Zusammenschluss den Wettbewerbsdruck der Wettbewerber der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt nicht geschwächt hätte, so dass der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.
252 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.
D. Zum dritten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf die vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Vorleistungen der Übermittlung von Fernsehsignalen
253 Mit dem dritten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass der Kommission im angefochtenen Beschluss bei ihren Ausführungen zu den vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Vorleistungen der Übermittlung von Fernsehsignalen offensichtliche Beurteilungsfehler unterlaufen seien.
1. Vorbemerkungen
254 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 35), stellen die Anbieter der Netzebene 3 – wie Vodafone und Unitymedia – auf dem Vorleistungsmarkt über einen Vorleistungszugang Fernsehsignale für die Anbieter der Netzebene 4 – wie Tele Columbus – bereit, die diese dann wiederum für Endkunden, insbesondere MFH-Kunden, bereitstellen können.
255 Im angefochtenen Beschluss prüft die Kommission, welche vertikalen Auswirkungen der Zusammenschluss haben würde. Auf Beschwerden hin, die sie insoweit erhalten hat, prüft sie insbesondere, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen den Markt im Kabelnetzgebiet von Unitymedia wahrscheinlich gegen die Anbieter der Netzebene 4 abschotten würde, und zwar durch eine Verschlechterung der für diese geltenden Konditionen auf dem vorgelagerten Vorleistungsmarkt (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1476 bis 1506).
256 Die Kommission stellt zunächst im 1476. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass durch den Zusammenschluss keine neue vertikale Verbindung zwischen dem vorgelagerten Vorleistungsmarkt und dem nachgelagerten MFH-Markt entstehen würde, da Vodafone und Unitymedia in ihrem jeweiligen Kabelnetzgebiet bereits auf diesen beiden Märkten tätig seien. Sie nimmt deshalb an, dass es durch den Zusammenschluss nicht zu einer zusammenschlussbedingten Veränderung der Struktur der betreffenden Märkte kommen würde, und zwar weder auf dem vorgelagerten noch auf dem nachgelagerten Markt. Die Kommission erläutert, dass Tele Columbus die einzige wichtige Wettbewerberin sei, die bei den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Vorleistungen einkaufe. Sie habe sich bei ihrer Prüfung deshalb auf die Frage konzentriert, welche Auswirkungen eine Verschlechterung der für Tele Columbus geltenden Konditionen wahrscheinlich auf den von ihr ausgehenden Wettbewerbsdruck haben würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1478 bis 1480).
257 Sodann prüft die Kommission im Zusammenhang mit der Frage, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen in der Lage sein würde, den Markt gegen Tele Columbus abzuschotten, erstens, ob dieses Unternehmen technisch in der Lage sein würde, die Bereitstellung des Vorleistungszugangs für Tele Columbus einzustellen oder bei ihr die Konditionen für den Vorleistungszugang auf dem Vorleistungsmarkt zu verschlechtern (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1483 bis 1491).
258 Insoweit stellt die Kommission fest, dass es zwischen Unitymedia und Tele Columbus einen Rahmenvertrag gebe, nach dem Tele Columbus hinsichtlich eines Teils der von ihr auf der Basis der von Unitymedia bereitgestellten Vorleistungssignale versorgten Kunden vertraglich mittelfristig geschützt sei. Das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen würde deshalb nur bei einem Teil der MFH-Kunden im Kabelnetzgebiet von Unitymedia in der Lage sein, bei Tele Columbus schlechtere Konditionen für die Vorleistungsdienste der Bereitstellung von Fernsehsignalen anzuwenden.
259 Um technisch in der Lage zu sein, den MFH-Markt gegen Tele Columbus abzuschotten, müsse das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen auf dem vorgelagerten Vorleistungsmarkt eine beträchtliche Marktmacht haben. Da es auf dem MFH-Markt wenige ernst zu nehmende Alternativen gebe, würde dies nach dem Zusammenschluss der Fall sein. Allerdings sei dies bereits vor dem Zusammenschluss der Fall, da Unitymedia in ihrem Kabelnetzgebiet gegenüber Tele Columbus schon jetzt über eine beträchtliche Marktmacht verfüge. Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss insoweit nichts ändern würde, so dass er auf die Fähigkeit des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens, den Markt in den Kabelnetzgebieten der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen gegen die Anbieter der Netzebene 4 abzuschotten, keine Auswirkungen haben würde.
260 Zweitens prüft die Kommission im Zusammenhang mit dem für das fusionierte Unternehmen bestehenden Anreiz, den Markt gegen Tele Columbus abzuschotten, ob dieses Unternehmen sich nach dem Zusammenschluss dazu veranlasst sehen könnte, seine Konditionen für den Zugang zum Netz der Netzebene 3, die nach Auffassung von Tele Columbus schlechter seien als die von Unitymedia, auch im Kabelnetzgebiet von Unitymedia anzuwenden (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1492 bis 1496).
261 Insoweit stellt die Kommission fest, dass, selbst wenn die Zugangskonditionen von Vodafone schlechter sein sollten und sich das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen dazu veranlasst sehen sollte, sie nach dem Zusammenschluss im Kabelnetzgebiet von Unitymedia anzuwenden, sich eine solche Änderung der Geschäftsstrategie des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens nicht aus einer zusammenschlussbedingten Veränderung der Marktstruktur ergeben würde. Eine etwaige Verschlechterung der Konditionen, zu denen das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen den Anbietern der Netzebene 4 den Zugang zum Netz der Netzebene 3 anbieten würde, würde mithin lediglich auf eine bloße Änderung der Geschäftspraxis des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens zurückzuführen sein, die durchaus auch unabhängig von dem Zusammenschluss erfolgen können würde und daher nicht zusammenschlussbedingt sein würde.
262 Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen zusammenschlussbedingt kein Anreiz bestehen würde, den MFH-Markt gegen Tele Columbus abzuschotten.
263 Drittens prüft die Kommission, welche Auswirkungen auf den Wettbewerb es haben würde, wenn Vodafone in der Lage wäre und für sie ein Anreiz bestünde, ihre angeblich schlechteren Konditionen nach dem Zusammenschluss auch auf dem Vorleistungsmarkt im Kabelnetzgebiet von Unitymedia anzuwenden. Sie gelangt aus folgenden Gründen zu dem Schluss, dass die Auswirkungen begrenzt sein würden (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1497 bis 1505).
264 Durch die Schwächung von Tele Columbus im Kabelnetzgebiet von Unitymedia würde die Haupttätigkeit von Tele Columbus, nämlich das Angebot der Bereitstellung von Fernsehsignalen für Endkunden auf dem MFH-Markt über ihr eigenes Netz der Netzebene 3, das größtenteils im Kabelnetzgebiet von Vodafone liege, nicht beeinträchtigt werden (angefochtener Beschluss, 1501. Erwägungsgrund).
265 Außerdem gehe von Tele Columbus im Kabelnetzgebiet von Unitymedia auf dem MFH-Markt kein erheblicher Wettbewerbsdruck aus. Sie könne sich nämlich nicht an Ausschreibungen der MFH-Kunden, die eine Aufrüstung des Netzes der Netzebene 3 erforderten, beteiligen, habe auf dem MFH-Markt lediglich einen Marktanteil von [0‑5] % und habe sich an Ausschreibungen im Kabelnetzgebiet von Unitymedia nicht in nennenswertem Umfang beteiligt. Durch eine Abschottung des Marktes gegen Tele Columbus könnten mithin nur sehr wenige bestehende oder neue Möglichkeiten beeinträchtigt werden. Jedenfalls sei festzustellen, dass, selbst wenn der Zugang von Tele Columbus zu den Vorleistungen im Kabelnetzgebiet von Unitymedia versperrt wäre, dies lediglich die Aktivitäten von Tele Columbus als Reseller des Produkts von Unitymedia betreffen würde, von denen kein erheblicher Wettbewerbsdruck ausgehe (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1502 und 1503).
266 Im Übrigen habe Tele Columbus ihr Netz der Netzebene 3 in den Jahren vor dem angefochtenen Beschluss lediglich in sehr geringem Umfang ausgebaut. Es gebe keine Beweise dafür, dass sie, wenn der Zusammenschluss nicht erfolgen würde, das von Unitymedia bereitgestellte Signal dazu verwenden würde, um ihre eigene Infrastruktur auszubauen (angefochtener Beschluss, 1504. Erwägungsgrund).
267 Jedenfalls hat die Kommission den Umstand berücksichtigt, dass Vodafone Tele Columbus zwei unwiderrufliche Angebote gemacht hat, mit denen dieser garantiert wurde, dass die für Vorleistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen geltenden Konditionen von Vodafone nach dem Zusammenschluss im Kabelnetzgebiet von Unitymedia unverändert gelassen würden (angefochtener Beschluss, 1505. Erwägungsgrund).
268 Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass auf dem MFH-Markt durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb infolge nicht koordinierter vertikaler Auswirkungen nicht erheblich behindert werden würde (angefochtener Beschluss, 1506. Erwägungsgrund).
269 Im vorliegenden Fall lässt sich das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des dritten Klagegrundes in zwei Teile gliedern. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, die Kommission leugne zu Unrecht, dass der Umstand, dass Vodafone nach dem Zusammenschluss wahrscheinlich ihre schlechteren Konditionen für die Vorleistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen gegenüber Anbietern der Netzebene 4 im Kabelnetzgebiet von Unitymedia anwenden werde, zusammenschlussbedingt sei. Die Klägerin stellt im Rahmen des ersten Teils die Begründung der Kommission in den Erwägungsgründen 1494 bis 1496 des angefochtenen Beschlusses in Frage. Mit dem zweiten Teil wendet sich die Klägerin gegen das Ergebnis der Kommission in Bezug auf die Frage, wie sich eine Verschlechterung der Konditionen gegenüber Tele Columbus auf dem Vorleistungsmarkt im Kabelnetzgebiet von Unitymedia auf den Wettbewerb des nachgelagerten MFH-Markts auswirken würde.
270 Das Gericht hält es für zweckmäßig, mit der Prüfung des zweiten Teils zu beginnen.
2. Zum zweiten Teil: offensichtliche Fehler der Kommission bei der Beurteilung der potenziellen Auswirkungen einer Verdrängungsstrategie auf den nachgeordneten Wettbewerb
271 Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Kommission habe bei ihrer Prüfung der potenziellen Auswirkungen einer Verschlechterung der für den Vorleistungsmarkt geltenden Konditionen auf den nachgeordneten Wettbewerb vorhandene Beweise, nämlich Erklärungen von Tele Columbus, außer Acht gelassen, denen zufolge Tele Columbus vor dem Zusammenschluss in Erwartung des Ausbaus ihres eigenen Netzes der Ebene 3 nur vorübergehend auf die von Unitymedia erbrachten Vorleistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen zurückgegriffen habe. Außerdem habe die Kommission unterschätzt, dass auch andere Anbieter der Netzebene 4 vorübergehend den Zugang zur Netzebene 3 der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen hätten nutzen können, um MFH-Kunden zu erreichen, bevor sie ihr eigenes Netz der Ebene 3 ausbauten.
272 Als Zweites beanstandet die Klägerin, die Kommission habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass eine Abschottung von Tele Columbus den von ihr ausgeübten Wettbewerbsdruck auf dem MFH-Markt nicht abgeschwächt hätte, da dies lediglich die Aktivitäten von Tele Columbus als Reseller des Produkts von Unitymedia betroffen hätte. Nach Auffassung der Klägerin übte Tele Columbus sehr wohl Wettbewerbsdruck auf Unitymedia aus, da sie frei über die Preise und Konditionen für den Weiterverkauf des Produkts habe entscheiden können.
273 Als Drittes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe bei ihrer Analyse der vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses das unwiderrufliche Angebot von Vodafone, die für Tele Columbus im Kabelnetzgebiet von Unitymedia geltenden vertraglichen Konditionen nicht zu verschlechtern, nicht berücksichtigen dürfen. Das Angebot entspreche nämlich offensichtlich nicht den Anforderungen der Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2008, C 267, S. 1, im Folgenden: Mitteilung über Abhilfemaßnahmen) und biete daher keine hinreichende Grundlage, um auszuschließen, dass es zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem MFH-Markt wegen nicht koordinierter vertikaler Auswirkungen komme.
274 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
275 Nach Ziff. 31 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 265, S. 6, im Folgenden: Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen) wird eine Abschottung bei den Einsatzmitteln dann angenommen, wenn das fusionierte Unternehmen nach der Fusion in der Lage ist, den Zugang zu solchen Produkten oder Dienstleistungen zu beschränken, die es ohne die Fusion geliefert hätte, insbesondere, wenn dies die Kosten der nachgeordneten Wettbewerber erhöht, indem es diesen erschwert wird, die Einsatzmittel zu ähnlichen Preisen und Bedingungen wie vor der Fusion zu beziehen.
276 Nach Ziff. 32 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen untersucht die Kommission bei der Ermittlung der Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Abschottung bei den Einsatzmitteln zuerst, ob das fusionierte Unternehmen die Möglichkeit hätte, den Zugang zu den Einsatzmitteln abzuschotten, zweitens, ob es den Anreiz dazu hätte, und drittens, ob eine Abschottungsstrategie spürbare nachteilige Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb hätte.
277 Diese drei Voraussetzungen sind kumulativ, so dass es für den Ausschluss der Gefahr einer wettbewerbswidrigen Abschottung bei den Einsatzmitteln ausreicht, dass eine von ihnen nicht erfüllt ist (Urteile vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 118 und 119, und vom 27. Januar 2021, KPN/Kommission, T‑691/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:43, Rn. 111 und 112). Speziell zu der dritten dieser Voraussetzungen ist festzustellen, dass, wenn diese Voraussetzung erfüllt sein soll, spürbare nachteilige Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb nachzuweisen sind, wie sich aus Ziff. 32 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen ergibt.
278 Im angefochtenen Beschluss prüft die Kommission in den Erwägungsgründen 1476 bis 1506, ob diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, obwohl durch den Zusammenschluss keine neue vertikale Verbindung zwischen dem vorgelagerten Vorleistungsmarkt und dem nachgelagerten MFH-Markt entstehen würde. Die Klägerin hat diese Vorgehensweise als solche nicht beanstandet.
279 Im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes trägt die Klägerin mehrere Gesichtspunkte zum Nachweis dafür vor, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss offensichtlich zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die dritte Voraussetzung nicht vorliege.
280 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin mehrere wichtige Gesichtspunkte nicht in Frage stellt, auf die sich die Kommission stützte, um nachzuweisen, dass eine Verdrängungsstrategie des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens in Form einer Verschlechterung der für Tele Columbus (und andere Betreiber der Netzebene 4) geltenden Konditionen für Vorleistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen im Kabelnetzgebiet von Unitymedia nur begrenzte Auswirkungen hätte.
281 So bestreitet die Klägerin nicht, dass eine solche Strategie die Haupttätigkeit von Tele Columbus nicht beeinträchtigen würde, da diese außerhalb des Kabelnetzgebiets von Unitymedia stattfindet. Die Klägerin stellt auch mehrere Gesichtspunkte nicht in Frage, die die Kommission zu der Schlussfolgerung veranlasst haben, dass eine etwaige Abschottungsstrategie jedenfalls keine spürbaren nachteiligen Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb hätte, und zwar den Umstand, dass Tele Columbus nicht an Ausschreibungen teilnehmen konnte, die eine Aufrüstung des Netzes der Netzebene 3 erforderten, den geringen Umfang in Höhe von [0‑5] % des betreffenden Marktanteils von Tele Columbus und die begrenzte Teilnahme von Tele Columbus an Ausschreibungen im Kabelnetzgebiet von Unitymedia.
282 Weiterhin sind die übrigen Argumente der Klägerin zu prüfen.
283 Was als Erstes die Behauptung der Klägerin betrifft, Tele Columbus habe in Erwartung des Ausbaus ihres eigenen Netzes der Ebene 3 nur vorübergehend auf die von Unitymedia erbrachten Vorleistungen der Bereitstellung von Fernsehsignalen zurückgegriffen, ist festzustellen, dass die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, die Beurteilungen der Kommission seien auf die Stellungnahme von Vodafone zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt, und beanstandet, dass die Kommission nicht darlege, inwiefern diese Stellungnahme glaubhafter sei als die von Tele Columbus selbst abgegebenen Erklärungen.
284 Dem 798. Erwägungsgrund und Abbildung 20 des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die Kommission im 1504. Erwägungsgrund des Beschlusses bezieht, ist jedoch zu entnehmen, dass sich die Beurteilungen der Kommission sowohl auf die Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch auf die von Tele Columbus selbst übermittelten Zahlen stützen. Aus den in Buchst. a des 744. Erwägungsgrundes und den Erwägungsgründen 797 bis 799 des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweisen geht hervor, dass Tele Columbus in den Jahren vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses das Kabelnetz eines anderen Anbieters nicht wirklich überbaut hat, was die Klägerin auch nicht bestreitet. Insbesondere geht aus Abbildung 20 im 798. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Zahl der an das Netz von Tele Columbus angeschlossenen Haushalte im Zeitraum von 2012 bis 2018 – außer durch den Erwerb bestehender Vermögenswerte anderer Gesellschaften – nicht erheblich gestiegen ist. Die Klägerin hat keinen Beweis vorgelegt, der die Feststellung, dass Tele Columbus „in den letzten Jahren ihre Infrastruktur der Ebene 3 nur sehr wenig ausgebaut hat[te]“, widerlegt.
285 Ferner macht die Klägerin geltend, dass eine Investition in die Infrastruktur der Netzebene 3 nicht automatisch zu einer Erhöhung der Anzahl der tatsächlich angeschlossenen Haushalte geführt hätte (entgegen den Angaben im 799. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Außerdem sei die Stagnation der Gesamtzahl angeschlossener Haushalte kein hinreichender Anhaltspunkt für die wettbewerbliche Bedeutung von Tele Columbus, da die dem Netzausbau geschuldete Akquisition neuer Kunden durch den vorübergehenden Verlust anderer Kunden hätte kompensiert werden können.
286 Hierzu ist festzustellen, dass der fehlende Anstieg der Zahl von Haushalten, die tatsächlich über Tele Columbus angeschlossen waren, einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür darstellte, dass Tele Columbus keine erheblichen Investitionen in den Ausbau ihres Netzes getätigt hatte oder jedenfalls ein etwaiger Netzausbau nicht erfolgreich oder rentabel gewesen war. Zudem schlägt die Klägerin keine Methoden vor, mit denen sich die wettbewerblichen Auswirkungen eines Netzausbaus anders als durch Zunahme der angeschlossenen Haushalte belegen ließen.
287 Schließlich macht die Klägerin geltend, andere Wettbewerber wie sie selbst hätten den (vorübergehenden) Zugang zur Infrastruktur der Netzebene 3 der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nutzen können, um auf dem MFH-Markt in Wettbewerb treten zu können, bevor sie ihre eigenen (Glasfaser‑)Netze der Ebene 3 kontinuierlich ausbauten.
288 Wie die Kommission jedoch im 1479. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, spielen die unabhängigen Anbieter der Netzebene 4 in den Wettbewerbsverhältnissen nur eine sehr begrenzte Rolle. Zudem weist die Kommission, ohne dass ihr die Klägerin insoweit widersprochen hätte, zu Recht darauf hin, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses den Zugang zur Infrastruktur der Netzebene 3 der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nicht genutzt hatte, um vor dem kontinuierlichen Ausbau ihres eigenen Glasfasernetzes auf dem MFH-Markt in Wettbewerb treten zu können. Schließlich hat die Klägerin keinen Beweis dafür vorgelegt, dass sie in naher Zukunft damit rechnete, Zugang zur Infrastruktur der Netzebene 3 der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen zu erhalten, um vor dem kontinuierlichen Ausbau ihres eigenen Glasfasernetzes auf dem MFH-Markt in Wettbewerb treten zu können.
289 Was als Zweites die Behauptung der Klägerin betrifft, Tele Columbus habe, auch wenn sie nur als Reseller des Produkts von Unitymedia in deren Kabelnetzgebiet tätig gewesen sei, Wettbewerbsdruck auf Unitymedia ausgeübt, ist festzustellen, dass dieser bloßen Behauptung keine Beweise beigefügt sind, die die Erläuterungen in den Erwägungsgründen 1501 und 1503 des angefochtenen Beschlusses, wie oben in den Rn. 264 und 265 wiedergegeben, in Frage stellen können.
290 Somit belegen die Argumente der Klägerin nicht, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Auffassung vertrat, dass die ihr vorliegenden Informationen zeigten, dass die Schwächung von Tele Columbus im Kabelnetzgebiet von Unitymedia begrenzte Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem MFH-Markt haben würde.
291 Was als Drittes die unwiderruflichen Angebote von Vodafone an Tele Columbus und die Behauptung der Klägerin, die Kommission habe die Angebote nicht berücksichtigen dürfen, betrifft, ist den zwei Angeboten zu entnehmen, dass Vodafone klar zu erkennen gab, dass sie die Konditionen von Tele Columbus im Kabelnetzgebiet von Unitymedia nicht verschlechtern wolle, was die Kommission bei ihrer Prüfung der Auswirkungen berücksichtigen durfte. Die Verordnung Nr. 139/2004 enthält nämlich keine Bestimmung, die die Kommission daran hinderte, diese Tatsache zu berücksichtigen, um ihre Schlussfolgerung zu untermauern, wonach der Zusammenschluss zu keiner erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs wegen nicht koordinierter vertikaler Auswirkungen auf dem MFH-Markt sowie auf dem potenziellen, dem Netzgebiet von Unitymedia entsprechenden regionalen Markt führe.
292 Wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt, berücksichtigte die Kommission die unwiderruflichen Angebote von Vodafone lediglich als zusätzliches Tatsachenelement zur Stützung ihrer Schlussfolgerung. Die Kommission behandelte diese Angebote nämlich nicht als Auflage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004.
293 Somit beging die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie feststellte, dass eine etwaige Abschottungsstrategie jedenfalls keine spürbaren nachteiligen Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb hätte.
294 Zudem handelt es sich bei der Möglichkeit, den Zugang zu den Einsatzmitteln abzuschotten, dem Anreiz dazu und den nachteiligen Auswirkungen einer Abschottungsstrategie auf den nachgeordneten Wettbewerb um drei kumulative Voraussetzungen, so dass es für den Ausschluss der Gefahr einer wettbewerbswidrigen Abschottung bei den Einsatzmitteln ausreicht, dass eine von ihnen nicht erfüllt ist (siehe oben, Rn. 277 und die dort angeführte Rechtsprechung).
295 Da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission bei der Beurteilung der potenziellen Auswirkungen einer Abschottungsstrategie auf den nachgeordneten Wettbewerb (d. h. der dritten Voraussetzung) einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Folglich ist es nicht erforderlich, die Begründetheit des ersten Teils zu prüfen, der sich gegen die von der Klägerin als fehlerhaft beanstandete Argumentation der Kommission in den Erwägungsgründen 1494 bis 1496 des angefochtenen Beschlusses richtet, die in die Feststellung der Kommission mündet, dass es für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen keinen zusammenschlussbedingten Anreiz gebe, Tele Columbus vom MFH-Markt zu verdrängen (d. h. die zweite Voraussetzung).
296 Nach alledem sind der zweite Teil des dritten Klagegrundes und der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen, ohne dass die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit geprüft zu werden braucht.
E. Zum vierten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Vorleistungsmarkt für den Erwerb von Fernsehkanälen und auf den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
297 Zur Stützung ihres vierten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die im angefochtenen Beschluss enthaltene Analyse der Kommission zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Vorleistungsmarkt für den Erwerb von Fernsehkanälen und auf den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen sei mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet.
1. Vorbemerkungen
298 Auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen stellten die Fernsehsender (Anbieter) Fernsehkanäle bereit, die die Unternehmen, die Fernsehdienste für Endkunden anboten (Nachfrager, z. B. Vodafone, Unitymedia oder die Klägerin), erwarben, um audiovisuelle Dienste für Endkunden bereitzustellen (siehe oben, Rn. 25 und 26). Auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen nutzten die Unternehmen, die Fernsehdienste für Endkunden anboten (Anbieter), ihre eigene Infrastruktur, um den Fernsehsendern (Nachfrager) für ihre Fernsehkanäle gegen Zahlung von Einspeisegebühren den Dienst der Verbreitung von Fernsehsignalen anzubieten. Die Marktteilnehmer auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen waren also dieselben wie die auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen, nur standen die Anbieter von Fernsehdiensten – wie die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen – bei dem erstgenannten Markt auf der Seite des Angebots und beim zweitgenannten auf der Seite der Nachfrage. Im angefochtenen Beschluss nimmt die Kommission an, dass diese beiden Vorleistungsmärkte eng miteinander verbunden seien, da die Verhandlungen zwischen den Fernsehsendern und den Anbietern von Fernsehdiensten für Endkunden normalerweise beide Gesichtspunkte beträfen (Signalübertragung, Erwerb von Fernsehkanälen).
299 Die Kommission gelangt bei der Untersuchung dieser Märkte zu dem Schluss, dass durch den Zusammenschluss auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert werden würde.
300 Auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen würde dies aber der Fall sein, weil das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen dort in der Lage sein und für es ein Anreiz bestehen würde, zum einen den Fernsehsendern schlechtere vertragliche und finanzielle Konditionen zu diktieren und zum anderen das Aufkommen und die Entwicklung innovativer Fernsehdienste wie OTT und HbbTV zu behindern, was für die Fernsehzuschauer in Deutschland nachteilige Auswirkungen haben würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1205 bis 1265 bzw. 1266 bis 1292).
301 Hingegen könne nicht angenommen werden, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen aufgrund seiner gesteigerten Marktmacht bei den Fernsehsendern und den Inhabern von Fernsehrechten in Form von Ausschließlichkeitsverträgen wahrscheinlich Konditionen durchsetzen würde, die nachteilige Auswirkungen auf den Zugang der Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, zu den Fernsehsendern oder ‑inhalten hätten.
302 Insoweit weist die Kommission zunächst darauf hin, dass der Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen in Deutschland nicht durch solche Ausschließlichkeitsvereinbarungen zwischen den Fernsehsendern und Inhabern von Fernsehrechten einerseits und den Anbietern von Fernsehdiensten für Endkunden andererseits gekennzeichnet sei (angefochtener Beschluss, 1164. Erwägungsgrund).
303 Sodann prüft die Kommission, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen aufgrund seiner gesteigerten Marktmacht als Anbieter von Fernsehsignalen für Endkunden in der Lage sein würde, die Fernsehsender und die Inhaber von Fernsehrechten dazu zu zwingen, mit ihm Ausschließlichkeitsvereinbarungen über Fernsehkanäle oder ‑inhalte zu schließen. In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass sie sich bei ihrer Untersuchung insbesondere auf die Bundesliga, das wichtigste Sportereignis in Deutschland, konzentriert habe. Für andere Sportereignisse oder populäre Fernsehinhalte, für die sie in den Akten keine unmittelbaren Beweise gefunden habe, gelte aber dasselbe (angefochtener Beschluss, 1165. Erwägungsgrund).
304 Die Kommission prüft erstens, ob Sky, die die Mehrheit der ausschließlichen Rechte für die Ausstrahlung der Bundesliga habe, es akzeptieren würde, mit dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1173 bis 1176). Sie stellt fest, dass dies wenig wahrscheinlich sei, da Sky bei der Übertragung ihrer Inhalte zwar auf das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen angewiesen sei, aber ebenso, wenn nicht noch mehr, auf andere Übertragungswege, insbesondere auf den Anbieter von Satellitenfernsehen Astra. Sky würde daher einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte verlieren, wenn sie mit dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen eine Ausschließlichkeitsvereinbarung schließen würde. Außerdem verfüge Sky als international tätiges Unternehmen und Hauptanbieter von Pay‑TV in Deutschland über eine gewisse nachfrageseitige Gegenmacht.
305 Zweitens prüft die Kommission, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen insbesondere gegenüber Fernsehsendern oder Inhabern von Fernsehrechten, die über eine geringere nachfrageseitige Gegenmacht als Sky verfügten, vernünftigerweise die Strategie verfolgen könnte, einen ausschließlichen Zugang zu anderen Fernsehkanälen oder ‑inhalten zu erlangen (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1177 bis 1183). Auf der Grundlage interner Dokumente der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen und deren Stellungnahme auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen zwar in der Lage sein würde, eine solche Strategie umzusetzen, es aber zweifelhaft sei, ob für es auch ein Anreiz bestehen würde, dies zu tun, da durch die Umsetzung einer solchen Strategie hohe Kosten entstehen, die Ergebnisse in Form von Gewinnen aber ungewiss sein würden.
306 Drittens geht die Kommission näher der Frage nach, ob für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen ein Anreiz bestehen würde, seine Wettbewerber durch den Erwerb ausschließlicher Rechte an bestimmten Fernsehinhalten vom Markt zu verdrängen. Sie untersucht hierzu die internen Dokumente der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen betreffend eine solche Strategie (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1184 bis 1197). Sie stellt fest, dass aus diesen Dokumenten hervorgehe, dass die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beide bereits in Betracht gezogen hätten, ausschließliche Rechte an Fernsehkanälen oder Sport‑Inhalten zu erwerben, solche Vorhaben am Ende dann aber aufgegeben hätten, wie sie auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hin erläutert und belegt hätten. Deshalb könne nicht angenommen werden, dass für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen ein Anreiz bestehen würde, seine größere Kundschaft mit dem Ziel, die Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, vom Markt zu verdrängen, dazu zu nutzen, um mit den Fernsehsendern bestimmte Ausschließlichkeitsvereinbarungen über „Premium“‑Inhalte auszuhandeln.
307 Schließlich prüft die Kommission vollständigkeitshalber noch, ob eine von dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen umgesetzte hypothetische Ausschließlichkeitsstrategie spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen haben können würde, durch die insbesondere Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, mit nachteiligen Folgen für die Verbraucher vom Markt verdrängt werden würden (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1198 bis 1203).
308 Auf der Grundlage von Daten, aus denen hervorgehe, dass die deutschen Fernsehzuschauer größtenteils ihren Fernsehanbieter nicht wechseln würden, um Zugang zu exklusiven Sport‑Inhalten zu erhalten, stellt die Kommission fest, dass, selbst wenn das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen eine Ausschließlichkeitsstrategie verfolgen sollte, die Wettbewerber dadurch nicht in großem Umfang Kunden verlieren würden und das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen dem Wettbewerb von Sky ausgesetzt sein würde, die die Strategie der nicht exklusiven Ausstrahlung ihrer TV‑Inhalte über verschiedene Plattformen verfolge, so dass die Wettbewerber jedenfalls zu den „Premium“‑Inhalten von Sky Zugang haben würden. Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Verfolgung einer Ausschließlichkeitsstrategie durch das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen spürbare wettbewerbswidrige Auswirkungen haben können würde.
309 Insgesamt kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass, auch wenn das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen nach dem Zusammenschluss eine gesteigerte Marktmacht haben würde, nicht angenommen werden könne, dass es bei den Fernsehsendern und den Inhabern von Fernsehrechten in Form von Ausschließlichkeitsverträgen wahrscheinlich Konditionen durchsetzen würde, die nachteilige Auswirkungen auf den Zugang der Wettbewerber, die Fernsehdienste für Endkunden anböten, zu den Fernsehkanälen oder ‑inhalten haben würden (angefochtener Beschluss, 1204. Erwägungsgrund).
310 Im vorliegenden Fall lässt sich das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes in zwei Teile gliedern. Im Rahmen des ersten Teils macht die Klägerin geltend, die Schlussfolgerung der Kommission, es sei trotz der gesteigerten Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens unwahrscheinlich, dass die Fernsehsender und die Inhaber von Fernsehrechten Ausschließlichkeitsverträge mit diesem Unternehmen schließen würden, sei unzutreffend und beruhe auf einer unvollständigen und offensichtlich fehlerhaften Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen. Mit dem zweiten Teil beanstandet die Klägerin, die Kommission habe sich darauf beschränkt, zu prüfen, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen in der Lage sein würde, das Aufkommen und die Entwicklung von OTT‑ und HbbTV-Fernsehdiensten zu behindern, und ob ein entsprechender Anreiz bestehen würde, ohne die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf andere ebenso innovative Fernsehdienste wie IPTV zu berücksichtigen.
2. Zum ersten Teil: offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die Abschottung des Markt e s durch (vollständige oder teilweise) Ausschließlichkeitsvereinbarungen
311 Zur Stützung des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin als Erstes geltend, der angefochtene Beschluss enthalte eine fehlerhafte und unvollständige Beurteilung der Frage, ob für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen abzuschließen.
312 Als Zweites beanstandet die Klägerin, dass die im angefochtenen Beschluss enthaltene Beurteilung des Anreizes für dieses Unternehmen, die Strategie einer teilweisen Ausschließlichkeit zu verfolgen, unvollständig sei.
313 Als Drittes wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Kommission, eine hypothetische vollständige oder teilweise Abschottung von Inhalten könne keine spürbaren wettbewerbswidrigen Auswirkungen haben.
a) Zur behaupteten Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen
314 Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sich die mit dem Abschluss vollständiger Ausschließlichkeitsvereinbarungen verbundenen Kosten in dem Maße verringerten, wie die Zahl der Endkunden der Plattform steige, und daher zu Unrecht festgestellt, dass für das fusionierte Unternehmen kein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen abzuschließen. Zudem habe Unitymedia in der Vergangenheit gewisse Rechte an der Bundesliga erworben, was zeige, dass es eine solche Strategie bereits gegeben habe. Da der Zusammenschluss einen Zuwachs an Kunden bewirke, wäre die Ausschließlichkeit für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen attraktiver.
315 Zweitens sei die Prüfung der Kommission unvollständig, da sie sich nur auf den hypothetischen Erwerb ausschließlicher Rechte für die Bundesliga bezogen habe, und sie sei fehlerhaft, da die Kommission zu Unrecht der Auffassung gewesen sei, dass die für die Bundesligarechte geltenden Erwägungen auch für andere Sportereignisse oder populäre Fernsehinhalte gälten, obwohl die potenziellen Vorteile einer Abschottungsstrategie bezogen auf solche Inhalte andersgeartet seien.
316 Drittens habe die Kommission nicht berücksichtigt, dass sich die Vorteile einer Ausschließlichkeitsstrategie für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen (und die Bereitschaft der Fernsehsender, Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu akzeptieren) in Zukunft ändern könnten, weil das Unternehmen mehr Möglichkeiten hätte, einem sehr großen Kundenstamm in ganz Deutschland gebündelte Dienste anzubieten, und weil exklusive Inhalte dem Unternehmen dabei helfen könnten, seinen Verkauf von FMC‑Angeboten an Kunden, die diese Inhalte auf ihrem Mobiltelefon ansehen könnten, zu steigern.
317 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
318 Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Klägerin nicht die in den Erwägungsgründen 1173 bis 1176 des angefochtenen Beschlusses aufgeführten Beurteilungen (siehe oben, Rn. 304) in Frage stellt, die der Kommission die Schlussfolgerung ermöglichten, es sei wenig wahrscheinlich, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen mit Sky eine vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarung schließe, und die sich insbesondere darauf stützten, dass Sky bei der Übertragung ihrer Inhalte nicht nur auf das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen, sondern auch, wenn nicht noch mehr, auf andere Anbieter angewiesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem bestätigt, dass sie nicht bestreite, dass der Anreiz für Sky, eine vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarung mit dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen zu schließen, begrenzt sei.
319 Was die in den Erwägungsgründen 1177 bis 1183 des angefochtenen Beschlusses aufgeführten Beurteilungen der Kommission (siehe oben, Rn. 305) betrifft, die ihr die Schlussfolgerung ermöglichten, es sei zweifelhaft, dass für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit anderen Inhalteanbietern als Sky zu schließen, macht die Klägerin allgemein geltend, dass sich die mit dem Abschluss vollständiger Ausschließlichkeitsvereinbarungen verbundenen Kosten in dem Maße verringerten, wie die Zahl der Endkunden der Plattform steige, bzw. dass eine Ausschließlichkeitsstrategie nach dem Zusammenschluss attraktiver sei als davor, doch trägt sie keine konkreten Anhaltspunkte vor, die die Erläuterungen der Kommission in Frage stellen könnten.
320 Insbesondere weist die Klägerin nicht nach, dass in Deutschland ein ausreichend starker Zusammenhang zwischen einerseits dem Vorhandensein attraktiver Kanäle oder Inhalte auf der TV-Plattform eines Betreibers und andererseits seiner Fähigkeit, neue Fernsehzuschauer zu gewinnen, besteht, der es mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ermöglicht hätte, die höheren Kosten der vollständigen Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu amortisieren. Außerdem hat die Klägerin keinen Beweis vorgelegt, mit dem sich hinreichend belegen lässt, dass für das fusionierte Unternehmen ein Anreiz bestehen würde, künftig eine Geschäftsstrategie zu verfolgen, die auf vollständiger Ausschließlichkeit beruht, und der dadurch die entsprechenden Beurteilungen der Kommission in Frage stellen könnte.
321 Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, die von der Kommission vorgenommene Prüfung der Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen, sei unvollständig, da sie sich auf die Bundesliga beschränke, ist festzustellen, dass die Abschottung bei den Einsatzmitteln nur dann Wettbewerbsprobleme aufwerfen kann, wenn sie ein für das nachgeordnete Produkt „wichtiges Einsatzmittel“ betrifft, wie Ziff. 34 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen zu entnehmen ist.
322 Folglich ist davon auszugehen, dass, wenn eine Strategie der vollständigen Abschottung der attraktivsten Inhalte (wie die Bundesliga) nicht genügend Anbieterwechsel verursacht, um sich zu rentieren, es in Bezug auf andere „weniger wichtige“ Arten von Inhalten noch unwahrscheinlicher ist, dass dies gelingt, so dass für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen weniger Anreize beständen, eine Strategie der vollständigen Abschottung solcher Inhalte umzusetzen. Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, nur den hypothetischen Fall des Erwerbs ausschließlicher Rechte an der Bundesliga geprüft und festgestellt zu haben, dass ihre Erwägungen auch für weniger beliebte Inhalte gälten.
323 Zudem beschränkt sich die Klägerin auf das Argument, dass eine Strategie zur Abschottung weniger attraktiver Inhalte kostengünstiger sei, doch legt sie nicht dar, warum es für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen rentabler wäre, eine Strategie zum Erwerb ausschließlicher Rechte an weniger attraktiven Inhalten als der Bundesliga zu verfolgen, oder inwiefern solche Inhalte „wichtig“ genug im Sinne von Ziff. 34 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen sind, so dass die Abschottung dieses Einsatzmittels Wettbewerbsprobleme aufwerfen könnte.
324 Jedenfalls ist, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, den Erwägungsgründen 1184 bis 1197 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen (siehe oben, Rn. 306), dass die Kommission prüfte, ob für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen Anreize beständen, ausschließliche Rechte an anderen Sportereignissen oder populären Inhalten als der Bundesliga zu erwerben, wobei sie u. a. berücksichtigte, dass Unitymedia, wie die Klägerin geltend macht, 2005 gewisse Rechte an der Bundesliga erworben hatte.
325 Was drittens die Behauptung der Klägerin betrifft, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen mehr Möglichkeiten hätte, einem sehr großen Kundenstamm in ganz Deutschland gebündelte Dienste anzubieten, und dass exklusive Inhalte dem Unternehmen dabei helfen könnten, seinen Verkauf von FMC‑Angeboten zu steigern, wies die Kommission in Buchst. b Ziff. iv bis vi des angefochtenen Beschlusses auf die geringe Marktdurchdringung mit FMC‑Angeboten in Deutschland hin, was von den Wettbewerbern der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Marktuntersuchung bestätigt wurde. Laut Drittberichten hatten 2017 nur 8,4 % der Haushalte oder 10,8 % der Kunden von leitungsgebundenen Breitbanddiensten, d. h. 3,5 Millionen Haushalte, ein FMC‑Produkt erworben. Darüber hinaus stellte die Kommission fest, dass die von einem Dritten im Verwaltungsverfahren vorgelegte Studie der Beratungsgesellschaft WIK-Consult zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Verkauf von gebündelten Festnetz- und Mobilprodukten in Deutschland in naher Zukunft nicht zu signifikanten Veränderungen der Wettbewerbsdynamik führen werde, da deutsche Verbraucher diese zwei Produktarten weiterhin getrennt erwerben würden, was die Klägerin nicht bestreitet.
326 Somit kann nicht beanstandet werden, dass die Kommission nicht geprüft habe, ob sich die Vorteile einer Ausschließlichkeitsstrategie (und die Bereitschaft der Fernsehsender, Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu akzeptieren) in Zukunft ändern könnten, weil das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen mehr Möglichkeiten hätte, einem sehr großen Kundenstamm in ganz Deutschland gebündelte Dienste anzubieten, insbesondere FMC‑Angebote.
327 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge der Klägerin, die Kommission habe den Anreiz für das fusionierte Unternehmen, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen, unvollständig und fehlerhaft geprüft, zurückzuweisen ist.
b) Zur behaupteten Unvollständigkeit der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, teilweise Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen
328 Die Klägerin wirft der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen eine Strategie der teilweisen Abschottung verfolgen könne, die sich gezielt gegen einen oder mehrere Wettbewerber auf den nachgelagerten MFH- und EFH-Märkten, wie die Klägerin selbst, richten und die Fernsehsender daran hindern würde, ihre Kanäle und Inhalte an diese Wettbewerber zu vertreiben, oder den Zugang dieser Wettbewerber zu bestimmten innovativen TV-Funktionen, wie VoD und zeitversetztes Fernsehen bzw. Catch-up-TV, zu blockieren.
329 Eine solche Strategie der teilweisen Abschottung sei umso wahrscheinlicher, als sie für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen kostengünstiger und für die Fernsehsender leichter zu akzeptieren sei bei gleichzeitig negativen Auswirkungen für die betroffenen Wettbewerber.
330 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
331 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen der Kommission im Rahmen der Prüfung eines etwaigen Anreizes, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit Sky zu schließen (vgl. Erwägungsgründe 1173 bis 1176 des angefochtenen Beschlusses und Rn. 304 des vorliegenden Urteils), ausreichten, um eine Strategie des fusionierten Unternehmens auszuschließen, die sich auf eine teilweise Exklusivität mit diesem Betreiber richten würde. Wie die Kommission nämlich geltend macht, war es, da Sky ihren Feststellungen zufolge keinen Anreiz gehabt hätte, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen, insbesondere aufgrund der Abhängigkeit von anderen Betreibern als dem fusionierten Unternehmen, darunter den Betreibern von Satelliten-TV, was die Klägerin nicht bestreitet, wenig wahrscheinlich, dass Sky mit dem fusionierten Unternehmen eine Ausschließlichkeit in Form des Ausschlusses bestimmter, individuell genannter Anbieter auf den MFH- und SFH-Märkten vereinbaren würde, da das Angebot von Sky auf anderen Plattformen weiterhin zugänglich geblieben wäre, oder dass Sky akzeptiert hätte, diese Anbieter von bestimmten innovativen Funktionen auszuschließen. Daher kann nicht beanstandet werden, dass die Kommission nicht berücksichtigte, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen Vereinbarungen mit Sky schließen könnte, die darauf gerichtet sind, bestimmten Wettbewerbern den Zugang zu Inhalten oder innovativen Funktionalitäten vorzuenthalten.
332 Was darüber hinaus andere Fernsehsender als Sky betrifft, hat die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass das Fehlen bestimmter Inhalte oder innovativer Funktionen, die sie im Rahmen des Angebots eines Wettbewerbers vertreiben, spürbare Auswirkungen in Form von Anbieterwechseln haben würde und somit ein potenziell bedeutender Anteil der Wohnungsunternehmen auf dem MFH-Markt bzw. der deutschen Fernsehzuschauer auf dem EFH-Markt allein deshalb, weil diese Kanäle oder Funktionen von ihrem aktuellen Anbieter nicht angeboten würden, bereit wäre, zum Angebot des fusionierten Unternehmens zu wechseln. Folglich hat die Klägerin keine spürbaren nachteiligen Auswirkungen auf den nachgeordneten Wettbewerb im Sinne von Ziff. 32 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen nachgewiesen.
333 Jedenfalls kann der Abschluss von Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit einem Lieferanten durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung mit dem Ziel, einen oder mehrere einzeln bezeichnete Wettbewerber vom nachgelagerten Markt zu verdrängen, ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2011, Altstoff Recycling Austria/Kommission, T‑419/03, EU:T:2011:102, Rn. 51). Hierzu in der mündlichen Verhandlung befragt, hat die Klägerin auch bestätigt, dass, wenn das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen mit einem Fernsehsender eine Vereinbarung über die vollständige oder teilweise Ausschließlichkeit schließen würde, dies potenziell eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 oder 102 AEUV darstellen würde.
334 Daher war es wenig wahrscheinlich, dass sich das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen dazu veranlasst sehen würde, nach dem Zusammenschluss solche Vereinbarungen zu schließen. Dies galt auch für die Fernsehsender. Denn nach der Rechtsprechung ist es zwar durchaus angebracht, die Anreize, die es gibt, sich wettbewerbswidrig zu verhalten, zu berücksichtigen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass diese durch die Rechtswidrigkeit der betreffenden Verhaltensweisen, die Wahrscheinlichkeit ihrer Entdeckung, ihre Verfolgung durch die zuständigen Behörden sowohl auf Unionsebene als auch auf nationaler Ebene und mögliche finanzielle Sanktionen verringert, wenn nicht sogar beseitigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2002, Tetra Laval/Kommission, T‑5/02, EU:T:2002:264, Rn. 159, und vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 303 bis 311). Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, die wegen der potenziellen Rechtswidrigkeit unwahrscheinliche Möglichkeit, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen mit einem Fernsehsender eine Ausschließlichkeitsvereinbarung schließen würde, mit der einem oder mehreren einzeln genannten Wettbewerbern auf den nachgelagerten Märkten der Zugang zu bestimmten Inhalten oder bestimmten innovativen Funktionen genommen werden würde, nicht berücksichtigt zu haben.
335 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge der Klägerin, die Kommission habe den Anreiz für das fusionierte Unternehmen, teilweise Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen, unvollständig geprüft, zurückzuweisen ist.
336 Zudem handelt es sich bei der Möglichkeit, den Zugang zu den Einsatzmitteln abzuschotten, dem Anreiz dazu und den spürbaren nachteiligen Auswirkungen einer Abschottungsstrategie auf den nachgeordneten Wettbewerb um drei kumulative Voraussetzungen, so dass es für den Ausschluss der Gefahr einer wettbewerbswidrigen Abschottung bei den Einsatzmitteln ausreicht, dass eine von ihnen nicht erfüllt ist (siehe oben, Rn. 277 und die dort angeführte Rechtsprechung).
337 Da die Klägerin somit nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung des behaupteten Anreizes für das fusionierte Unternehmen, eine Strategie zur Verdrängung konkurrierender Anbieter von Fernsehdiensten für Endkunden zu verfolgen (d. h. die zweite Voraussetzung), beging, ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen, ohne dass die Stichhaltigkeit der dritten Rüge geprüft zu werden braucht, mit der beanstandet wird, die Kommission habe die Auswirkungen einer Strategie zur vollständigen oder teilweisen Abschottung von Inhalten auf den nachgeordneten Wettbewerb (d. h. die dritte Voraussetzung) fehlerhaft geprüft.
3. Zum zweiten Teil: unvollständige Beurteilung der durch den Zusammenschluss verursachten Schäden für den Wettbewerb aufgrund der Einschränkung innovativer Fernsehdienste
338 Vorab erklärt die Klägerin, die Kommission sei im angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen nach dem Zusammenschluss in der Lage sein und den Anreiz haben werde, das Aufkommen innovativer Fernsehdienste wie HbbTV und OTT zu behindern, was den Verbrauchern schaden werde, da die Qualität ihrer Viewer Experience gemindert und ihre Auswahl reduziert werde. Die Klägerin wirft der Kommission jedoch vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen auch andere innovative Fernsehdienste wie IPTV beeinträchtigen könnte.
339 Zur Stützung dieses Vorbringens trägt die Klägerin vor, dass OTT‑Dienste nicht die gleiche Qualität wie IPTV böten, ein besonderes Gerät benötigten und nicht so rentabel seien wie IPTV. Folglich gälten alle Bedenken, die in Bezug auf OTT im Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Qualität und der Viewer Experience der Endverbraucher erhoben würden, auch für IPTV.
340 Außerdem seien die Fähigkeit und der Anreiz des fusionierten Unternehmens, die Verbreitung von Inhalten einzuschränken, in Bezug auf die IPTV-Dienste seiner Wettbewerber nicht geringer als in Bezug auf die OTT‑ und HbbTV-Angebote der Fernsehsender. Die Kommission habe nicht erläutert, warum eine Beschränkung der Übertragung von Inhalten über IPTV unproblematisch sei und inwiefern andere innovative Dienste der Fernsehsender als OTT und HbbTV weniger relevant oder schützenswert seien. Zum einen sei die Behauptung der Kommission, OTT könne sich mittelfristig als Gamechanger erweisen, auf keinerlei Beweis gestützt, und selbst wenn dies so wäre, könne dies nicht rechtfertigen, dass die negativen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf IPTV außer Acht gelassen würden, zumal IPTV auf dem Markt bereits deutlich auf dem Vormarsch sei. Zum anderen müsse für das fusionierte Unternehmen ein noch größerer Anreiz bestehen, IPTV zu behindern, als in Bezug auf OTT, da IPTV ein echter Ersatz für Kabelfernsehen sei und die einzige alternative Technologie darstelle, die auf dem Markt expandiere, während OTT nur ergänzend zum Kabelfernsehen genutzt werde und dieses nicht ersetze.
341 Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Kommission, unterstützt von der Streithelferin, erläutert hat, IPTV zwar ein System ist, das die Erbringung von Fernsehdiensten unter Verwendung des Internetprotokolls ermöglicht, doch ist es Teil eines dedizierten und verwalteten Netzwerks, das unter der Kontrolle des Fernsehanbieters steht, während die OTT‑Technologie es den Fernsehsendern ermöglicht, Fernsehkanäle direkt über das Internet zu übertragen, ohne dass der Netzbetreiber an der Kontrolle oder Verbreitung des Inhalts beteiligt ist. Anders als bei IPTV ermöglicht die OTT‑Technologie daher eine direktere Interaktion zwischen den Fernsehsendern (den Fernsehkanälen) und den Fernsehzuschauern.
342 Darüber hinaus führt die Kommission im angefochtenen Beschluss zahlreiche Faktoren an, die ihrer Meinung nach belegen, dass OTT in der Tat eine Technologie darstelle, deren Verwendung neuartig sei und stark zunehme.
343 So stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 948 und 950 bis 954 des angefochtenen Beschlusses im Rahmen ihrer Prüfung etwaiger horizontaler Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Endkundenmarkt für Fernsehdienste das neue und wachsende Angebot von OTT‑Fernsehdiensten ausführlich dar.
344 Insbesondere stellt die Kommission im 948. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass die Anbieter traditioneller Fernsehdienste für Endkunden zunehmend lineare Fernsehdienste über OTT anböten. Sie wies insoweit darauf hin, dass Vodafone (Giga TV OTT), die Klägerin (Magenta TV) und Telefónica (O2 TV) jeweils ein eigenständiges Angebot für OTT‑Fernsehen hätten. Andere Anbieter hätten ein OTT‑Fernsehprodukt, das sie nur ihren bestehenden Fernsehabonnenten als Zusatzoption anböten, darunter Unitymedia (Horizon Go), United Internet (1 & 1 TV app), Tele Columbus (Advance TV app), NetCologne (NetGo app) und M-Net (M-Net TV Plus App).
345 Im 950. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass OTT‑Anbieter, wie Amazon Prime und Netflix, bereits über einen großen Kundenstamm verfügten, da jeder bereits (mindestens) mehr als drei Millionen Abonnenten in Deutschland habe und Netflix in jenem Jahr von einem Zuwachs von über 20 % ausgegangen sei.
346 Im 951. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass die spezialisierten OTT‑Dienste auch in Deutschland immer mehr verbreitet seien, und im 952. Erwägungsgrund des Beschlusses stellt sie fest, dass auch mehrere Fernsehsender damit begonnen hätten, ihre eigenen OTT‑Dienste anzubieten.
347 Zudem enthalten die Erwägungsgründe 1127 bis 1132 des angefochtenen Beschlusses Erläuterungen der Kommission zur Entwicklung von OTT‑Diensten und insbesondere zur Entwicklung der Nachfrage nach diesen Diensten, die sie im Rahmen der Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Auswirkungen auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen und auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen gibt.
348 In diesem Zusammenhang erinnert sie im 1127. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses daran, dass sie bei der Bestimmung des relevanten Marktes darauf hingewiesen habe, dass der OTT‑Vertrieb in Deutschland wie in vielen anderen Ländern im Fernsehsektor immer relevanter werde.
349 Im 1129. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission zwar fest, dass die Mehrzahl der Fernsehsender OTT‑Produkte derzeit noch immer als Ergänzung der linearen Basisfernsehdienste ansähen, doch weist sie, gestützt auf Beweise, auch darauf hin, dass die gleichen Daten die rapide steigende Bedeutung des Vertriebs von OTT in Deutschland belegten, da 11,7 % der Befragten erklärt hätten, dass sie sich vorstellen könnten, OTT als ausschließliche Möglichkeit zum Empfang von Fernsehen zu Hause zu nutzen. Zudem seien einige OTT‑Distributoren wie Netflix, Amazon und DAZN bereits sehr beliebt, und mehrere Teilnehmer an der Marktuntersuchung hätten erklärt, dass OTT‑Dienste in gewissem Maße traditionelle Fernsehdienste ersetzen könnten.
350 Im 1130. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erläutert die Kommission unter Bezugnahme auf mehrere Dokumente in einer Fußnote des angefochtenen Beschlusses, dass, wie die deutschen Medienbehörden berichteten, OTT als Hauptempfangsart für audiovisuelle Inhalte auf dem Vormarsch sei und zwischen 2017 und 2018 einen Zuwachs um 6 % verzeichnet habe. Bei den nationalen Zuschauerzahlen sei bei den OTT‑Anbietern zwischen 2015‑2016 und 2017‑2018 ein Anstieg von 7,3 % auf 12,8 % festzustellen. Was speziell das „Premium“-TV-Segment betreffe, sei OTT von 16,8 % in 2015‑2016 auf 23 % in 2017‑2018 gestiegen. Ein vergleichbarer Anstieg sei in den genannten Jahren in Bezug auf Abonnenten (von 25,3 % auf 33,4 %) und Einnahmen (von 10,6 % auf 19,1 %) festzustellen. Im Vergleich dazu seien die Marktanteile für Kabelfernsehen im selben Zeitraum zurückgegangen.
351 Schließlich weist die Kommission im 1132. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass sich die Situation sehr dynamisch entwickle. Die Entwicklung von OTT‑Diensten könne zu einer wesentlichen Begrenzung der Marktmacht traditioneller TV-Plattformen führen und die Verhandlungspositionen der verschiedenen Akteure neu austarieren, insbesondere bei Vorliegen geeigneter Marktbedingungen.
352 Somit ist festzustellen, dass sich die Behauptung der Kommission, OTT könne sich mittelfristig als Gamechanger erweisen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin sehr wohl auf zahlreiche Beweise stützt.
353 Zudem hat die Klägerin keine Beweise vorgelegt, die zum einen die vorstehenden Feststellungen in Frage stellen können und zum anderen belegen, dass IPTV ein vergleichbares Wachstum wie OTT gehabt hätte, IPTV das Potenzial für ein vergleichbares Wachstum hätte oder OTT nicht die gleiche Qualität wie IPTV böte, ein besonderes Gerät benötige und nicht so rentabel sei wie IPTV, so dass jegliche Bedenken, die in Bezug auf OTT im Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Qualität und der Viewer Experience der Endverbraucher erhoben würden, auch für IPTV gälten. Darüber hinaus wird die Feststellung der Kommission im 291. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach nur 8 % der Haushalte in Deutschland IPTV abonniert hätten, was den begrenzten Marktanteil dieser Technologie erkennen lasse, von der Klägerin nicht bestritten.
354 Zur Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, das Aufkommen innovativer Fernsehdienste zu behindern, hebt die Kommission im 1275. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass OTT‑ und HbbTV-Dienste darauf gerichtet seien, eine direkte Verbindung zwischen Fernsehsendern und Zuschauern herzustellen, wodurch die Vermittlungsfunktion klassischer TV-Plattformen, wie die der am Zusammenschluss beteiligten Parteien, eingeschränkt werde. Die Kommission folgert daraus, dass für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehen könne, das Aufkommen dieser Dienste zu behindern, um ein Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten, das auf der Kontrolle der Kundenbeziehung durch die TV-Plattform sowie der fehlenden Interaktion zwischen Kunden und Fernsehsendern beruhe, während dieses Problem nicht in Bezug auf IPTV bestehe, da IPTV keine solche Interaktion ermögliche.
355 Die von den Teilnehmern der Marktuntersuchung angeführten Beispiele und die internen Dokumente der am Zusammenschluss beteiligten Parteien deuteten darauf hin, dass für Letztere bereits ein Anreiz bestehe, die Entwicklung von OTT‑ und HbbTV-Diensten einzugrenzen, und der Zusammenschluss werde diesen Anreiz weiter verstärken. Zunächst werde nämlich die gesteigerte Marktmacht des fusionierten Unternehmens dazu führen, dass die Fernsehsender weniger Möglichkeiten hätten, Vodafone bei ihrem Versuch, solche Strategien zu verfolgen, etwas entgegenzusetzen. Sodann hätte das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen keinerlei Anreiz, innovative interaktive Dienste einzuführen, um auf ähnliche Dienstleistungen des wichtigsten vergleichbaren Wettbewerbers, Unitymedia, zu reagieren. Schließlich würde, da die erfolgreiche Ausschaltung des von OTT‑Diensten ausgehenden Wettbewerbs auf Endkundenebene allen bestehenden Anbietern von Fernsehdiensten für Endkunden zugutekäme, ein Anreiz für Letztere bestehen, sich die Abschottungsbemühungen ihrer Wettbewerber auf Endkundenebene als Trittbrettfahrer zunutze zu machen. Der Zusammenschluss von Vodafone und Unitymedia würde es dem aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmen jedoch ermöglichen, sich den Vorteil einzuverleiben, den beide Parteien durch eine erfolgreiche Abschottung von OTT‑Diensten hätten. Die Kommission folgert daraus, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen dadurch einen größeren Anreiz hätte, eine solche Strategie zu verfolgen (vgl. Erwägungsgründe 1280 bis 1283 des angefochtenen Beschlusses).
356 Somit verfügte die Kommission über Beweise, auf deren Grundlage sie im 1284. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellen konnte, dass für die am Zusammenschluss beteiligten Parteien ein Anreiz bestanden haben könnte, das Wachstum von OTT‑ und HbbTV-Diensten zu behindern, um ein Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten, in dem die TV-Plattform die Beziehung zum Kunden unmittelbar kontrolliere und die Fernsehsender daran gehindert seien, die zwischengeschalteten Kabelnetze zu umgehen.
357 Die Klägerin weist jedoch nicht nach, dass für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein entsprechender Anreiz bestehen würde, den Vertrieb von Inhalten über die IPTV-Technologie einzuschränken.
358 Entgegen ihrem Vorbringen ergibt sich aus mehreren oben in den Rn. 342 bis 351 angeführten Erwägungsgründen des angefochtenen Beschlusses, dass IPTV kein echter Ersatz für Kabelfernsehen ist und nicht die einzige alternative Technologie darstellt, die auf dem Markt expandiert, während OTT sich sehr wohl zu einem Dienst entwickeln könnte, der das Kabelfernsehen ersetzt.
359 Folglich weist die Klägerin nicht nach, dass die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestand, den Vertrieb von Inhalten über die IPTV-Technologie einzuschränken, und dass ihr daher ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei, als sie diese Prüfung nicht vornahm. Zudem war die Klägerin angesichts der vorstehenden Erwägungen in der Lage, zum einen die Gründe nachzuvollziehen, aus denen die Kommission eine solche Prüfung unterließ, und zum anderen ihre Rechte geltend zu machen, so dass die Kommission ihre Begründungspflicht insoweit nicht verletzt hat.
360 Folglich ist der zweite Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
F. Zum fünften Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, soweit sie festgestellt habe, dass die OTT ‑Verpflichtung und die Einspeisegebühren-Verpflichtung ausreichten, um den Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen
361 Mit dem fünften Klagegrund macht die Klägerin geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie festgestellt habe, dass die von den am Zusammenschluss beteiligten Parteien angebotenen OTT‑, Einspeisegebühren- und HbbTV-Verpflichtungen (im Folgenden zusammen: Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen) geeignet seien, die auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen festgestellte erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu beseitigen. Nach Auffassung der Klägerin waren diese Verpflichtungszusagen offensichtlich ungeeignet und unzureichend.
1. Vorbemerkungen
362 Wie oben in den Rn. 31 und 32 dargelegt, nimmt die Kommission im angefochtenen Beschluss an, dass der Zusammenschluss wegen der gesteigerten Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen zum einen, insbesondere wegen der Verschlechterung der vertraglichen und finanziellen Konditionen, die den Fernsehsendern durch das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen diktiert würden, zu einer Art teilweisen Abschottung der frei empfangbaren oder verschlüsselten Kanäle und damit zu einer qualitativen Verschlechterung des Fernsehangebots für die Fernsehzuschauer in Deutschland führen können würde und zum anderen dazu, dass eine Strategie der Behinderung des Aufkommens und der Entwicklung von OTT‑Fernsehdiensten und HbbTV verfolgt werden würde, was den nachgelagerten Verbrauchern durch eine geringere Qualität der Viewer Experience und durch eine reduzierte Auswahl schaden können würde (angefochtener Beschluss, Erwägungsgründe 1205 bis 1265 bzw. 1266 bis 1292).
363 Um diese auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen festgestellte erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu beseitigen, hat die Kommission mehrere Verpflichtungszusagen akzeptiert, die Vodafone angeboten hatte, nämlich die OTT‑Verpflichtung, durch die das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen daran gehindert war, die Möglichkeit der Fernsehsender (deren Inhalte über seine Plattform ausgestrahlt wurden), diese Inhalte über einen OTT‑Dienst zu übertragen, einzuschränken, und die hierzu eine ausreichende Kapazität an direkten Verbindungen für diese Fernsehsender garantierte, die HbbTV-Verpflichtung, wonach das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen verpflichtet war, das HbbTV-Signal frei empfangbarer Fernsehsender weiterhin zu übertragen, und die Einspeisegebühren-Verpflichtung, durch die das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen daran gehindert war, die Einspeisegebühren, die die frei empfangbaren Fernsehsender an das Unternehmen zahlten, zu erhöhen (siehe oben, Rn. 40 und 41).
364 Im vorliegenden Fall lässt sich das Vorbringen der Klägerin zum fünften Klagegrund in vier Teile gliedern. Die Klägerin macht erstens geltend, bei der Beurteilung der Geeignetheit der Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen sei ein falscher rechtlicher Maßstab angelegt worden. Zweitens seien die Verpflichtungszusagen wirkungslos, da sie die festgestellten Wettbewerbsprobleme nicht beseitigt hätten, drittens sei die Einspeisegebühren-Verpflichtung verspätet zugesagt worden und viertens werde die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf allen fraglichen Märkten nicht beseitigt.
365 Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferin, erwidert, der fünfte Klagegrund gehe ins Leere, da die Klägerin die Beurteilung der Wholesale-Cable-Broadband-Access-Verpflichtung nicht beanstande, obwohl diese Verpflichtung ebenfalls zur Beseitigung der festgestellten Wettbewerbsprobleme auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen beitrage.
366 Das Gericht hält es für zweckmäßig, mit der Prüfung der Begründetheit der vier Teile des vorliegenden Klagegrundes zu beginnen.
2. Zum ersten Teil: Anwendung eines falschen rechtlichen Maßstabs bei der Beurteilung der Geeignetheit der Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
367 Die Klägerin macht als Erstes geltend, die Kommission hätte die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen als offensichtlich unzureichend ansehen müssen, da sie sich nur auf das Verhalten des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens bezögen. Nach der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen sei es nämlich grundsätzlich nicht erlaubt, verhaltensbezogene Zusagen zur Beseitigung horizontaler Wettbewerbsprobleme, wie sie auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen festgestellt worden seien, zu akzeptieren.
368 Als Zweites vertritt die Klägerin die Auffassung, die Kommission habe die Geeignetheit der Verpflichtungszusagen unter Zugrundelegung eines falschen und zu milden rechtlichen Maßstabs beurteilt. Die vage Terminologie der Kommission im angefochtenen Beschluss lasse die Möglichkeit, aber nicht die Gewissheit erkennen, dass die Verpflichtungszusagen ausreichend und wirksam seien, um die festgestellten Wettbewerbsprobleme auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen vollständig zu beseitigen, so dass diese Maßnahmen nicht hätten akzeptiert werden dürfen.
369 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
370 Als Erstes ist zur Behauptung der Klägerin, die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen seien lediglich verhaltensbezogen und daher nicht ausreichend, um horizontale wettbewerbsrechtliche Bedenken zu zerstreuen, festzustellen, dass die Kommission in Rn. 15 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen, wie die Klägerin feststellt, in der Tat ausführt, dass Verpflichtungen struktureller Art, z. B. die Verpflichtung zur Veräußerung eines Geschäfts, angesichts des Ziels der Verordnung Nr. 139/2004 in der Regel den Vorzug verdienten, da diese Verpflichtungen die wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die durch den Zusammenschluss in der angemeldeten Form aufgeworfen würden, auf Dauer verhinderten und auch keine mittel- oder langfristigen Kontrollmaßnahmen erforderten. Weiter unterstreicht die Kommission, wie die Klägerin hervorhebt, in Rn. 17 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen, dass Verpflichtungen hinsichtlich des künftigen Verhaltens des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens nur ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen zulässig sein könnten.
371 Die Kommission ist nur befugt, solche Verpflichtungserklärungen anzunehmen, die geeignet sind, den Zusammenschluss in einer mit dem Binnenmarkt zu vereinbarenden Weise zu gestalten. Die von den betroffenen Unternehmen angebotenen Verpflichtungen müssen der Kommission also die Feststellung ermöglichen, dass durch den betreffenden Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindert werden würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung (vgl. Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 294 und die dort angeführte Rechtsprechung).
372 Die Verpflichtungszusagen in Phase II sollen insbesondere die von der Kommission in Phase I festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausräumen, aufgrund deren die Kommission die Phase II eröffnet hat. Hat das Gericht also zu prüfen, ob die in Phase II abgegebenen Verpflichtungszusagen angesichts ihrer Bedeutung und ihres Gehalts der Kommission den Erlass einer Entscheidung zur Genehmigung des Zusammenschlusses gestatten, muss es überprüfen, ob die Kommission ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgehen konnte, dass diese Verpflichtungszusagen eine unmittelbare und ausreichende Antwort auf die in Phase I festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken darstellten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 298).
373 Verhaltensbezogene Verpflichtungszusagen reichen nicht schon ihrem Wesen nach nicht aus, um eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, zu verhindern, sondern sind ebenso wie strukturelle Verpflichtungszusagen von Fall zu Fall zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).
374 Entsprechend stellt die Kommission in Rn. 15 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen fest, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass andere Arten von Verpflichtungen als Verpflichtungen struktureller Art ebenfalls eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs verhindern könnten.
375 Demnach gibt die Kommission in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen Verpflichtungen struktureller Art zwar den Vorzug, insbesondere, weil sich solche Verpflichtungen leicht umsetzen lassen. Entscheidend für das Akzeptieren einer Verpflichtungszusage ist aber in erster Linie, ob sie geeignet und ausreichend ist, um das festgestellte Wettbewerbsproblem zu beheben, und ob es sicher ist, dass sie umgesetzt werden kann.
376 Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen allein deshalb als offensichtlich unzureichend hätte ablehnen müssen, weil sie sich nur auf das Verhalten des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens bezögen, so dass die erste Rüge zurückgewiesen werden kann.
377 Was als Zweites das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Terminologie der Kommission im angefochtenen Beschluss lasse erkennen, dass die Kommission keine Gewissheit gehabt habe, dass die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen ausreichend und wirksam seien, um die auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen festgestellte erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu beseitigen, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission einen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären muss, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Zusammenschluss, wie er durch die Zusagen der an ihm beteiligten Parteien geändert wurde, den wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben nicht erheblich behindern wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).
378 Ferner kann nur dann davon ausgegangen werden, dass die Verpflichtungszusagen der Anmelderin des Zusammenschlusses geeignet sind, den Zusammenschluss in einer mit dem Binnenmarkt zu vereinbarenden Weise zu gestalten, wenn die Kommission mit Sicherheit feststellen kann, dass sie umgesetzt werden können und dass die damit geschaffenen Abhilfen so tragfähig und beständig sind, dass die festgestellte erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, die durch die Verpflichtungszusagen verhindert werden soll, in absehbarer Zeit nicht stattfinden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 294 und die dort angeführte Rechtsprechung).
379 Daraus ergibt sich, dass die Kommission zwar über die Gewissheit verfügen muss, dass die Verpflichtungszusagen umgesetzt werden können sowie hinreichend tragfähig und beständig sind, jedoch einen Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären kann, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtungszusagen ausreichend und wirksam sind, um die festgestellte erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu beseitigen.
380 Zudem kann die Klägerin nicht mit Erfolg behaupten, die Formulierungen der Kommission ließen erkennen, dass sie sich auf die bloße Möglichkeit gestützt habe, dass die Verpflichtungszusagen alle festgestellten negativen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen vollständig beseitigen würden.
381 Zwar finden sich in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der die Beurteilung der endgültigen Verpflichtungszusagen enthält, gewisse Formulierungen, die für sich genommen als Ausdruck eines Zweifels der Kommission ausgelegt werden könnten. Diese Formulierungen sind jedoch im Licht des gesamten betreffenden Teils des angefochtenen Beschlusses und insbesondere der Schlussfolgerungen zu lesen, die die Kommission in den Erwägungsgründen 1965, 1972 und 1973 des angefochtenen Beschlusses zieht.
382 Im 1973. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission als allgemeine Schlussfolgerung fest, dass „die endgültigen Verpflichtungszusagen insgesamt geeignet und ausreichend [sind], um die aufgeworfenen wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu zerstreuen, denen zufolge der Zusammenschluss den wirksamen Wettbewerb erheblich behindern würde“ und „dass die endgültigen Verpflichtungszusagen kurzfristig wirksam umgesetzt werden [könnten]“.
383 Nach alledem ist der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
3. Zum zweiten Teil: Wirkungslosigkeit der Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen, da sie die festgestellten Wettbewerbsprobleme nicht beseitigt hätten
384 Zur Stützung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen seien völlig wirkungslos und ungeeignet für die Erreichung des Ziels der Kommission, die gesteigerte Verhandlungsmacht des fusionierten Unternehmens gegenüber den Fernsehsendern auszugleichen.
385 Die Klägerin trägt nämlich als Erstes vor, die OTT‑Verpflichtung schütze weder Fernsehsender, die lineares Fernsehen ohne Catch-up-TV auf der Plattform des fusionierten Unternehmens zur Verfügung stellten, noch Fernsehsender, die nicht lineare Dienste (VoD) anböten.
386 Als Zweites macht sie geltend, dass, da OTT den Feststellungen der Kommission im 1132. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge die Marktmacht traditioneller TV-Plattformen nur mittelfristig begrenzen könne, die OTT‑Verpflichtung wirkungslos sei, da sie erst verspätet nach einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt Wirkung entfalten könne, was den Anforderungen von Rn. 9 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen widerspreche.
387 Als Drittes erklärt die Klägerin, dass der zweite Aspekt der OTT‑Verpflichtung, d. h. die Verpflichtung bezüglich der Interkonnektivität für die OTT‑Dienste, unzureichend sei, da es im gesamten Kabelnetzgebiet zu Kapazitätsproblemen kommen könne, insbesondere auf der Ebene des Teilnehmeranschlusses, auf der sich alle Kunden die begrenzte Kapazität des Koaxialkabelnetzes teilen müssten, was belege, dass eine ausreichende Interkonnektivitäts- oder Peering-Kapazität für sich genommen keine ausreichende Empfangsqualität bei den OTT‑Fernsehkunden garantiere und die Wettbewerbsbedingungen nicht verbessern würde.
388 Als Viertes macht die Klägerin geltend, die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen seien unzureichend, da sie die Fähigkeit und den Anreiz des fusionierten Unternehmens, innovativen Fernsehdiensten, wie den IPTV-Diensten Dritter, zu schaden, nicht verringert hätten. Nach Ansicht der Klägerin stünde es dem aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmen somit weiterhin frei, die Nutzung von IPTV-Diensten Dritter durch Fernsehsender zu beschränken und damit den Fernsehsendern, konkurrierenden Anbietern von Fernsehdiensten für Endverbraucher und deren Kunden zu schaden.
389 Als Fünftes trägt die Klägerin vor, die Verpflichtungszusagen hinderten das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen nicht daran, den Fernsehsendern andere ungünstige Bedingungen aufzuerlegen, die zu den gleichen oder sogar schlimmeren Ergebnissen als denjenigen, die durch die Verpflichtungszusagen hätten verhindert werden sollen, führen könnten. Dadurch könnten andere Aspekte aus den vielschichtigen Verhandlungen zwischen dem aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmen und den Fernsehsendern negativ beeinflusst werden. Folglich bleibe die Einspeisegebühren-Verpflichtung zwangsläufig wirkungslos, da sie eine Verschlechterung anderer vertraglicher Bedingungen zum Nachteil der Fernsehsender nicht ausschließe und nicht verhindere, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen seine Marktmacht missbrauche.
390 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
391 Insoweit ist als Erstes zur Behauptung der Klägerin, die OTT‑Verpflichtung sei wirkungslos, denn sie schütze weder Fernsehsender, die lineares Fernsehen ohne Catch-up-TV auf der Plattform des fusionierten Unternehmens zur Verfügung stellten, noch Fernsehsender, die nicht lineare Dienste anböten, darauf hinzuweisen, dass diese Behauptung auf einer unzutreffenden Auslegung der OTT‑Verpflichtung beruht.
392 Aus Rn. 13 (Abschnitt B.II) des Texts der Verpflichtungen ergibt sich nämlich, dass Vodafone im Rahmen der OTT‑Verpflichtung zusagte, keine Vereinbarung mit einem Fernsehsender über die Verbreitung von linearem Fernsehen dieses Fernsehsenders und Catch-up-TV-Diensten in Bezug auf den Inhalt dieses linearen Fernsehens über die TV-Plattform von Vodafone einzugehen oder zu erneuern‚ die Bedingungen enthält, die die Möglichkeit des Fernsehsenders, einen OTT‑Dienst oder sein lineares Fernsehen über einen OTT‑Dienst oder seine Inhalte über einen OTT‑Dienst in Deutschland anzubieten, direkt oder indirekt beschränken (vgl. auch 1924. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).
393 Da der Begriff „Fernsehsender“ in den Verpflichtungszusagen als jeder „Anbieter von einem oder mehreren linearen Fernsehprogrammen“ definiert ist, kann der Wortlaut der OTT‑Verpflichtung nicht in dem von der Klägerin vorgeschlagenen Sinn dahin ausgelegt werden, dass die Verpflichtung nur für Fernsehsender gelte, die sowohl lineare Fernsehprogramme als auch Catch-up-TV über die Plattform des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens verbreiteten, so dass die OTT‑Verpflichtung keinen Schutz für Fernsehsender biete, die lineare Fernsehprogramme ohne Catch-up-TV auf der Plattform des fusionierten Unternehmens anböten, und auch nicht für Fernsehsender, die auch nicht lineare Angebote hätten.
394 Dass im Text der Verpflichtungen von einer Vereinbarung mit einem Fernsehsender die Rede ist, die die Verbreitung von linearem Fernsehen dieses Fernsehsenders „und“ von Catch-up-TV-Diensten in Bezug auf den Inhalt dieses linearen Fernsehens über die TV-Plattform von Vodafone betrifft, ist dem Umstand geschuldet, dass der Umfang der Verpflichtung ausgeweitet werden sollte und nicht nur Vereinbarungen über die Verbreitung von linearem Fernsehen, sondern auch Vereinbarungen, die sowohl die Verbreitung linearer Fernsehprogramme als auch die mit der Verbreitung von linearem Fernsehen verbundenen Dienste in Gestalt von Catch-up-TV-Diensten in Bezug auf den Inhalt dieses linearen Fernsehens betreffen, erfasst werden sollten, ohne jedoch bestehende oder künftige Vereinbarungen mit Fernsehsendern auszuschließen, die lineares Fernsehen ohne Catch-up-TV über die Plattform des fusionierten Unternehmens verbreiten oder auch nicht lineare Angebote bereitstellen.
395 Somit ist die OTT‑Verpflichtung dahin auszulegen, dass sie zum einen Vereinbarungen mit Fernsehsendern betraf, die ausschließlich die Verbreitung linearer Fernsehprogramme dieser Fernsehsender zum Gegenstand hatten, und zum anderen Vereinbarungen mit Fernsehsendern erfasst waren, die die Verbreitung linearer Fernsehprogramme dieser Fernsehsender und die Bereitstellung von Catch-up-TV-Diensten in Bezug auf den Inhalt dieses linearen Fernsehens über die TV-Plattform von Vodafone zum Gegenstand hatten, so dass die erste Rüge der Klägerin zurückgewiesen werden kann.
396 Jedenfalls hat die Klägerin keine Ausführungen dazu gemacht, welche Folgen ihre Auslegung der OTT‑Verpflichtung, wonach Fernsehsender, die lineare Fernsehprogramme ohne Catch-up-TV auf der Plattform des fusionierten Unternehmens anböten, und Fernsehsender, die auch nicht lineare Angebote hätten, im Rahmen der Verpflichtung nicht geschützt seien, auf die Wirksamkeit der OTT‑Verpflichtung hat. Insbesondere weist die Klägerin nicht nach, dass die OTT‑Verpflichtung, da sie nicht für Fernsehsender gelte, die lineares Fernsehen ohne Catch-up-TV über die Plattform des fusionierten Unternehmens verbreiteten oder auch nicht lineare Angebote bereitstellten, nicht ausgereicht hätte, um das festgestellte Wettbewerbsproblem auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen, das der Verpflichtungszusage zugrunde lag, zu beseitigen. Die Klägerin hat insoweit keine Beweise vorgelegt, anhand deren sich die Zahl der Fernsehsender abschätzen ließe, die in diesem Fall nicht durch die OTT‑Verpflichtung geschützt wären.
397 Was als Zweites das Vorbringen der Klägerin angeht, dass die OTT‑Verpflichtung nicht ausgereicht habe, da sie nur verspätet Wirkung entfalten könne, ist zum einen festzustellen, dass sich aus dem 1266. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass das festgestellte Wettbewerbsproblem, das mit der Abhilfemaßnahme behoben werden sollte, darin bestand, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen das Aufkommen und die Entwicklung bestimmter innovativer, mehr Interaktion zwischen dem Fernsehsender und den Fernsehzuschauern ermöglichenden Fernsehdienste wie OTT, deren zunehmende Bedeutung festgestellt worden war, stärker behindern können würde.
398 Daher ist unabhängig von der Frage, wann die OTT‑Dienste geeignet gewesen wären, die Marktmacht der traditionellen TV-Plattformen wesentlich zu begrenzen, festzustellen, dass die OTT‑Verpflichtung, weil sie Vodafone bereits ab dem Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht nur daran hindern würde, mit einem Fernsehsender einen Vertrag mit Bestimmungen, mit denen dessen Möglichkeit, in Deutschland einen OTT‑Dienst anzubieten, unmittelbar oder mittelbar beschränkt würde, zu schließen oder zu verlängern, sondern auch dazu verpflichten würde, solche bestehenden Bestimmungen nicht anzuwenden und vergleichbare Beschränkungen in bestehenden Verträgen zu streichen, sofort geeignet war, Vodafone daran zu hindern, das Aufkommen und die Entwicklung von OTT‑Diensten zu behindern und damit das festgestellte Wettbewerbsproblem, für das sie eingegangen worden ist, zu beheben. Daraus folgt, dass die OTT‑Verpflichtung im Einklang mit Rn. 9 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen innerhalb kurzer Zeit wirksam umgesetzt werden könnte, so dass die zweite Rüge der Klägerin zurückgewiesen werden kann.
399 Was als Drittes das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Verpflichtung bezüglich der Interkonnektivität für die OTT‑Dienste sei unzureichend, da es im gesamten Kabelnetzgebiet zu Kapazitätsproblemen kommen könne, so dass eine ausreichende Interkonnektivitäts- oder Peering-Kapazität keine ausreichende Empfangsqualität bei den OTT‑Fernsehkunden garantieren würde, ist festzustellen, dass sich aus Rn. 15 (Abschnitt B.II) des Texts der Verpflichtungen ergibt, dass das Ziel dieser Abhilfemaßnahme darin bestand, in Deutschland zumindest drei nicht überlastete Zugangsstellen zum IP-Netz des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens aufrechtzuerhalten, also eine ausreichende Interkonnektivitätskapazität bereitzustellen, um es den Breitband-Kunden des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens zu ermöglichen, in Deutschland Zugang zu jedem OTT‑Dienst zu haben, entweder über die in Rn. 16 (Abschnitt B.II) des Texts der Verpflichtungen beschriebenen Interkonnektivitätspunkte oder auf andere Weise.
400 Hierzu sah Rn. 16 (Abschnitt B.II) des Texts der Verpflichtungen unter anderem folgende Verpflichtungen vor. Erstens sollte Vodafone dafür sorgen, dass die Tagesdatenlastspitze an allen Interkonnektivitätspunkten des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens mit jeder der Gruppen von wenigstens drei angesehenen Anbietern von Interkonnektivität, die bereit seien, Transitdienste zu verkaufen, 80 % nicht übersteige, so dass es neben der Tagesdatenlastspitze mindestens 20 % verfügbare Kapazität geben würde. Zweitens sollte Vodafone dafür sorgen, dass die neben der Tagesdatenlastspitze verfügbare Kapazität mindestens 20 Gbit/s betragen würde. Diese Zahl sollte jedes Jahr nach dem in dem Text der Verpflichtungen beschriebenen Verfahren überprüft werden. Die Klägerin hat aber nicht konkret dargetan, inwieweit dies nicht ausreichend gewesen sein soll.
401 Insoweit ist weiter festzustellen, dass die Kommission und die Streithelferin – ohne dass ihnen insoweit widersprochen worden wäre – im Wesentlichen erläutert haben, dass für das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen ein starker Anreiz bestehen würde, auf der Ebene des Teilnehmeranschlusses eine Überlastung so weit wie möglich zu vermeiden, weil eine solche Überlastung mit dem bedeutenden Risiko einhergehe, dass das Unternehmen Kunden auf dem Markt für Festnetz‑Internet an andere Anbieter verliere.
402 Außerdem hat die Kommission im 1929. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (ABl. 2015, L 310, S. 1) verbürgte Neutralität des Internets das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen von restriktiven einseitigen Verhaltensweisen zur Umgehung der Verpflichtung wie der Festsetzung neuer Prioritäten im Bereich des Datenverkehrs oder Diskriminierung abhalten dürfte, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird.
403 Die Klägerin hat mithin nicht dargetan, dass die Verpflichtung bezüglich der Interkonnektivität für die OTT‑Dienste nicht ausgereicht hätte, um für die OTT‑Fernsehkunden eine hinreichende Empfangsqualität zu gewährleisten. Die dritte Rüge ist daher zurückzuweisen.
404 Was als Viertes das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen seien unzureichend, da sie die Fähigkeit und den Anreiz des fusionierten Unternehmens, innovativen Fernsehdiensten, wie den IPTV-Diensten Dritter, zu schaden, nicht verringert hätten, ist festzustellen, dass, wie sich aus der vorstehenden Prüfung des zweiten Teils des vierten Klagegrundes ergibt, die Kommission im angefochtenen Beschluss zwar angenommen hat, dass das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen in der Lage sein und für es auch ein Anreiz bestehen würde, das Aufkommen und die Entwicklung innovativer Fernsehdienste wie HbbTV und OTT zu behindern, und dass Vodafone zur Behebung dieses Wettbewerbsproblems die OTT‑Verpflichtung und die HbbTV-Verpflichtung angeboten habe, nicht aber, dass dies bei IPTV der Fall gewesen wäre, da sich dieses Produkt mit einem begrenzten Marktanteil von 8 % im Gegensatz zu OTT in einer Phase verlangsamten Wachstums befand (angefochtener Beschluss, 291. Erwägungsgrund), was von der Klägerin auch nicht bestritten wird.
405 Zudem ist den Rn. 338 bis 360 des vorliegenden Urteils zu entnehmen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie nicht prüfte, ob das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen in der Lage sein und für es auch ein Anreiz bestehen würde, das Aufkommen und die Entwicklung anderer innovativer Dienste wie IPTV zu behindern, so dass es nicht erforderlich war, insoweit eine Verpflichtung aufzuerlegen. Der vierten Rüge kann daher nicht gefolgt werden.
406 Was als Fünftes das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen hinderten das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen nicht daran, den Fernsehsendern andere ungünstige Bedingungen aufzuerlegen, die zu den gleichen oder sogar schlimmeren Ergebnissen als denjenigen, die durch die Verpflichtungszusagen hätten verhindert werden sollen, führen könnten, ist festzustellen, dass die Klägerin und die Streithelferin darüber einig sind, dass Gegenstand der Verhandlungen zwischen den Fernsehsendern und den Fernsehplattformen nicht lediglich die Gelder waren, die dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen durch die Fernsehsender zuflossen, also die Einspeisegebühren, sondern auch die Zahlungen für Inhalte und die Zahlungen für die technische Qualität oder zusätzliche Features oder Dienste, die das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen für die Fernsehsender erbrachte.
407 Im 1221. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission jedoch darauf hin, dass die Einspeisegebühren unmittelbar mit der Übertragung von Fernsehsignalen über Kabel verbunden seien und damit wohl das Hauptelement der Zahlungen seien, die durch die gesteigerte Marktmacht des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen beeinträchtigt werden würden. Im 1959. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission weiter darauf hin, dass, auch wenn die jüngste Entwicklung von Fernsehdiensten mit Mehrwert dazu beigetragen habe, dass mehr Geld von den Fernsehplattformen an die Fernsehsender fließe, die Einspeisegebühren nach wie vor ein äußerst wichtiges finanzielles Element im Vertragsverhältnis zwischen den Sendern frei empfangbarer Programme und den Kabelfernsehplattformen seien. Außerdem gebe es in den Akten bestimmte Beweise dafür, dass die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Gelder, die von dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen an die Fernsehsender flössen, begrenzt sein könnten (angefochtener Beschluss, Abschnitt VIII.C.2.11.3.9 ii), hingegen keine dafür, dass dasselbe auch für die Einspeisegebühren gelten würde (vgl. auch 1261. Erwägungsgrund).
408 Die Kommission konnte daher, ohne einen offensichtlichen Fehler zu begehen, den Umstand berücksichtigen, dass die Verpflichtung, die Einspeisegebühren nicht zu erhöhen, das aufgrund einer erheblichen Verschlechterung der den Sendern frei empfangbarer Programme durch das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen diktierten vertraglichen Konditionen bestehende Risiko einer Abnahme des Umfangs und der Qualität des Fernsehangebots für Endkunden ausgleichen konnte.
409 Die Kommission hat auch zu Recht angenommen, dass die Einspeisegebühren-Verpflichtung und die OTT‑Verpflichtung komplementär seien, weil Erstere bei den herkömmlichen linearen Fernsehangeboten unmittelbar das finanzielle Verhältnis zwischen dem durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmen und den betreffenden Fernsehsendern betreffe, während Letztere Auswirkungen auf die Erbringung von Zusatzdiensten haben würde.
410 Im Übrigen hat die Kommission im Verfahren vor dem Gericht, ohne dass ihr die Klägerin insoweit widersprochen hätte, vorgetragen, dass, wenn das durch den Zusammenschluss entstehende Unternehmen außer den Einspeisegebühren erhebliche weitere Entgelte verlangen würde, dies eine Umgehung der Verpflichtungen bedeuten würde, die leicht zu erkennen wäre.
411 Für den Fall, dass sich die fünfte Rüge der Klägerin zur Umgehung der Verpflichtungen auch auf das Pay-TV beziehen sollte, ist festzustellen, dass die Klägerin auch hier keine Beweise beigebracht hat, um die Feststellung der Kommission zu entkräften, dass bei den Pay-TV-Fernsehkanälen jede Verhaltensweise der Art des von der Klägerin beschriebenen Verhaltens gegen die OTT‑Verpflichtung verstoßen würde.
412 Nach alledem ist die fünfte Rüge hinreichend verständlich und somit, entgegen dem Vorbringen der Kommission, zulässig, jedoch ist sie nicht begründet. Folglich sind diese Rüge sowie der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
4. Zum dritten Teil: verspätete Zusage der Einspeisegebühren-Verpflichtung
413 Zur Stützung des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes trägt die Klägerin vor, die Einspeisegebühren-Verpflichtung sei nach Ablauf der Frist für Abhilfemaßnahmen vorgelegt worden, so dass die Kommission keinen erneuten Markttest habe durchführen können. Gemäß der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen könnten verspätet vorgelegte Verpflichtungszusagen jedoch nur dann zugelassen werden, wenn die festgestellten Wettbewerbsprobleme vollständig und ohne jeden Zweifel gelöst würden, was angesichts der Argumentation im Rahmen der ersten beiden Teile des fünften Klagegrundes nicht auf diese Verpflichtungszusage zutreffe. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Kommission die Einspeisegebühren-Verpflichtung daher ablehnen müssen.
414 Die Kommission, unterstützt durch Vodafone, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
415 Hierzu ist festzustellen, dass die von den beteiligten Unternehmen gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgeschlagenen Verpflichtungen der Kommission nach Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 802/2004 binnen 65 Arbeitstagen ab dem Datum der Einleitung des Verfahrens zu übermitteln sind. Verlängert sich die Frist für eine Entscheidung nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, so verlängert sich die Frist von 65 Arbeitstagen um die gleiche Anzahl von Arbeitstagen.
416 In Rn. 94 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen heißt es, dass die Kommission, wenn die beteiligten Unternehmen die vorgeschlagenen Verpflichtungen nach Ablauf der Frist von 65 Arbeitstagen ändern, die geänderten Verpflichtungsangebote nur annimmt, wenn sie – auf der Grundlage ihrer Würdigung der im Laufe der Untersuchung erhaltenen Informationen, einschließlich der Ergebnisse früherer Markttests, und ohne dass es eines weiteren Markttests bedürfte – eindeutig feststellen kann, dass die festgestellten Wettbewerbsprobleme durch die Verpflichtungen, wenn sie umgesetzt sind, vollständig und ohne jeden Zweifel gelöst werden, und wenn genügend Zeit für eine ordnungsgemäße Prüfung durch die Kommission und eine angemessene Anhörung der Mitgliedstaaten bleibt. Weiter heißt es in dieser Mitteilung in Fn. 107 (zu Rn. 94), dass für eine Anhörung der Mitgliedstaaten in der Regel erforderlich ist, dass die Kommission den Mitgliedstaaten spätestens zehn Arbeitstage vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses einen Entwurf der endgültigen Entscheidung übersenden kann, einschließlich einer Würdigung der geänderten Verpflichtungen.
417 Die Rechtsprechung hat angenommen, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ sind, und sie dahin präzisiert, dass die Kommission verspätet zugesagte Verpflichtungen der an einem angemeldeten Zusammenschluss beteiligten Unternehmen berücksichtigen kann, wenn diese erstens die zuvor festgestellten Wettbewerbsprobleme eindeutig beheben, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf, und zweitens genügend Zeit bleibt, die Mitgliedstaaten zu den betreffenden Zusagen zu konsultieren (vgl. Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 455 und die dort angeführte Rechtsprechung).
418 Im vorliegenden Fall sind die beiden genannten Voraussetzungen erfüllt.
419 Was erstens die erste Voraussetzung angeht, ergibt sich aus der Prüfung des ersten und des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes, dass das Vorbringen der Klägerin, die Verpflichtungen, insbesondere die Einspeisegebühren-Verpflichtung, seien wirkungslos und unzureichend, zurückgewiesen worden ist. Die Klägerin hat mithin nicht dargetan, dass die Kommission – auf der Grundlage ihrer Würdigung der im Laufe der Untersuchung erhaltenen Informationen einschließlich der Ergebnisse früherer Markttests – nicht hätte eindeutig feststellen können, dass die festgestellten Wettbewerbsprobleme durch die Einspeisegebühren-Verpflichtung, wenn sie umgesetzt ist, eindeutig behoben werden, ohne dass es weiterer Ermittlungen bedarf.
420 Was zweitens die zweite Voraussetzung angeht, ist festzustellen, dass sich aus den Erwägungsgründen 25 und 26 des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass die Anmelderin des Zusammenschlusses am 11. Juni 2019 einen revidierten Entwurf von Verpflichtungszusagen vorgelegt hat und der Beratende Ausschuss über einen Entwurf einer Entscheidung beraten und am 28. Juni 2019 eine befürwortende Stellungnahme abgegeben hat. Demnach konnte die Kommission den Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall spätestens zehn Arbeitstage vor der Sitzung des Beratenden Ausschusses einen Entwurf der endgültigen Entscheidung übersenden, einschließlich einer Würdigung der geänderten Verpflichtungen, was von der Klägerin auch nicht bestritten wird. Ihr blieb somit genügend Zeit, die Mitgliedstaaten zu der Einspeisegebühren-Verpflichtung zu konsultieren.
421 Die Kommission durfte die Einspeisegebühren-Verpflichtung mithin trotz der verspäteten Vorlage berücksichtigen. Folglich ist der dritte Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen.
5. Zum vierten Teil: keine Beseitigung der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf allen fraglichen Märkten
422 Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf ihre Argumentation im Rahmen des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes geltend, dass die Verpflichtungszusagen unzureichend seien, weil sie weder die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem MFH- und EFH-Markt beseitigten noch die Verdrängungswirkungen zum Nachteil der Wettbewerber des durch den Zusammenschluss entstehenden Unternehmens auf den TV-Vorleistungsmärkten verhinderten, d. h. Probleme, die die Kommission im angefochtenen Beschluss übersehen habe.
423 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
424 Insoweit genügt die Feststellung, dass die Argumente, die die Klägerin zur Stützung des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes vorgebracht hat, aus den oben im Rahmen der Prüfung dieser Klagegründe dargelegten Erwägungen zurückgewiesen worden sind. Somit weist die Klägerin nicht nach, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass der Zusammenschluss zu keiner erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem MFH- und EFH-Markt führen würde und keine erheblichen negativen Auswirkungen für den Wettbewerb auf dem Vorleistungsmarkt für den Erwerb von Fernsehkanälen und auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen haben würde, so dass der vierte Teil des vorliegenden Klagegrundes keinen Erfolg haben kann.
425 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
G. Zum Antrag der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen
426 In ihrer Stellungnahme vom 2. Juni 2023 hat die Klägerin beantragt, der Kommission die Vorlage bestimmter vertraulicher, bislang nicht offengelegter Unterlagen aufzugeben, um zu überprüfen, ob sie die von der Kommission getroffene Feststellung zum fehlenden Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Parteien auf dem MFH-Markt stützen.
427 Wie sich jedoch insbesondere aus den Rn. 71 bis 167 des vorliegenden Urteils ergibt, ist eine solche prozessleitende Maßnahme nicht erforderlich, um über die Klage zu entscheiden.
428 Folglich ist dem Antrag der Klägerin nicht stattzugeben.
429 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
IV. Kosten
430 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie von der Kommission und Vodafone beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Deutsche Telekom AG trägt die Kosten.
van der Woude
da Silva Passos
Reine
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. November 2024.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits
A. Unternehmen
B. Verwaltungsverfahren
C. Angefochtener Beschluss
1. Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in Deutschland
a) Horizontale Auswirkungen
1) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf den Markt für FestnetzInternet
2) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Endkundenmarkt für die Bereitstellung von Fernsehsignalen
3) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf den etwaigen Endkundenmärkten für gebündelte Dienste
4) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Endkundenmarkt für Fernsehdienste
5) Nicht koordinierte horizontale Auswirkungen auf dem Vorleistungsmarkt für die Bereitstellung und den Erwerb von Fernsehkanälen und auf dem Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
b) Vertikale Auswirkungen
c) Konglomerale Auswirkungen
d) Ergebnis zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses in Deutschland
2. Verpflichtungszusagen, die mit dem angefochtenen Beschluss für bindend erklärt werden
II. Verfahren und Anträge der Parteien
III. Rechtliche Würdigung
A. Einschlägige Rechtsprechung
1. Gerichtliche Kontrolldichte
2. Beweisregeln
B. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 und offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf den MFH-Markt
1. Vorbemerkungen
2. Zum zweiten Teil: offensichtliche Beurteilungsfehler
a) Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
1) Zum unmittelbaren Wettbewerb
2) Zum mittelbaren Wettbewerb
3) Zum potenziellen Wettbewerb
4) Zur kollektiven beherrschenden Stellung infolge stillschweigender Absprache zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen
b) Zu den offensichtlichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf die wettbewerblichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf dem MFH-Markt
1) Zum Ausbau der Marktmacht des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens und zur Beseitigung des Wettbewerbsdrucks zwischen den Unternehmen des Zusammenschlusses
2) Zur Abnahme des von den verbleibenden Wettbewerbern ausgeübten Wettbewerbsdrucks
3. Zum ersten Teil: Rechtsfehler und Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004
C. Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen auf dem EFH-Markt
1. Vorbemerkungen
2. Zum ersten Teil: Rechtsfehler und offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss zur Begründung einer beherrschenden Stellung und damit zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen werde
3. Zum zweiten Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss den tatsächlichen und potenziellen Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beseitigen werde
4. Zum dritten Teil: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, da sie nicht der Auffassung gewesen sei, dass der Zusammenschluss die verbleibenden Wettbewerber schwächen werde
D. Zum dritten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf die vertikalen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Vorleistungen der Übermittlung von Fernsehsignalen
1. Vorbemerkungen
2. Zum zweiten Teil: offensichtliche Fehler der Kommission bei der Beurteilung der potenziellen Auswirkungen einer Verdrängungsstrategie auf den nachgeordneten Wettbewerb
E. Zum vierten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler der Kommission in Bezug auf die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Vorleistungsmarkt für den Erwerb von Fernsehkanälen und auf den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
1. Vorbemerkungen
2. Zum ersten Teil: offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die Abschottung des Marktes durch (vollständige oder teilweise) Ausschließlichkeitsvereinbarungen
a) Zur behaupteten Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, vollständige Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen
b) Zur behaupteten Unvollständigkeit der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Frage, ob für das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen ein Anreiz bestehe, teilweise Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu schließen
3. Zum zweiten Teil: unvollständige Beurteilung der durch den Zusammenschluss verursachten Schäden für den Wettbewerb aufgrund der Einschränkung innovativer Fernsehdienste
F. Zum fünften Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, soweit sie festgestellt habe, dass die OTTVerpflichtung und die Einspeisegebühren-Verpflichtung ausreichten, um den Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar zu machen
1. Vorbemerkungen
2. Zum ersten Teil: Anwendung eines falschen rechtlichen Maßstabs bei der Beurteilung der Geeignetheit der Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen
3. Zum zweiten Teil: Wirkungslosigkeit der Verpflichtungszusagen betreffend den Markt für die Einspeisung von Fernsehsignalen, da sie die festgestellten Wettbewerbsprobleme nicht beseitigt hätten
4. Zum dritten Teil: verspätete Zusage der Einspeisegebühren-Verpflichtung
5. Zum vierten Teil: keine Beseitigung der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf allen fraglichen Märkten
G. Zum Antrag der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen
IV. Kosten