Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
22. November 2018(* )
„Öffentlicher Dienst – Beamte auf Probe – Probezeit – Verlängerung der Probezeit – Entlassung am Ende der Probezeit – Art. 34 des Statuts – Ermessensmissbrauch – Begründungspflicht – Art. 25 Abs. 2 des Statuts – Recht auf Anhörung – Art. 90 Abs. 2 des Statuts – Haftung – Formerfordernisse – Grundsatz der Übereinstimmung zwischen Klage und Beschwerde – Zulässigkeit – Materieller Schaden – Immaterieller Schaden – Kausalzusammenhang“
In der Rechtssache T‑603/16,
Zoher Brahma, wohnhaft in Thionville (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Tymen,
Kläger,
gegen
Gerichtshof der Europäischen Union, zunächst vertreten durch J. Inghelram und L. Tonini Alabiso, dann durch J. Inghelram und Á. Almendros Manzano als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV zum einen auf Aufhebung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. Juli 2015, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen und ihn mit Wirkung vom 31. Juli 2015 zu entlassen, und der Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16. März 2016, die Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung vom 17. Juli 2015 zurückzuweisen, und zum anderen auf Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, der dem Kläger durch diese Entscheidungen entstanden sein soll,
erlässt
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen, des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter) und der Richterin N. Półtorak,
Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2017
folgendes
Urteil (1 )
[nicht wiedergegeben ]
III. Rechtliche Würdigung
A. Zum Aufhebungsantrag
[nicht wiedergegeben ]
8. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die nach Art. 34 des Statuts zulässige Höchstdauer der Probezeit
182 Der Kläger macht geltend, seine Probezeit habe die nach Art. 34 des Statuts zulässige Höchstdauer von 15 Monaten überschritten und diese Überschreitung führe zur Aufhebung der Entscheidung, ihn nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen. Sein siebenmonatiger Krankheitsurlaub wirke sich nicht auf die Berechnung der Dauer seiner Probezeit aus, so dass diese 16,5 Monate statt der nach Art. 34 des Statuts zulässigen 15 Monate gedauert habe.
183 Zudem seien sowohl die Entscheidung, ihn nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, als auch der erste Probezeitbericht nach Ablauf der Probezeit erlassen worden, wodurch gegen Art. 34 des Statuts verstoßen worden sei. Da der Gerichtshof der Europäischen Union seine Absicht, ihn vor dem Ende der Probezeit zu entlassen, nicht kundgetan habe, habe er mit einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit rechnen können. Überdies sei seine Probezeit in Wirklichkeit bis zum 5. Mai 2015, dem Zeitpunkt der Erstellung des zweiten Probezeitberichts, verlängert worden, so dass sie länger als 17 Monate gedauert habe. Aus diesen Gründen sei daher auch gegen Art. 34 Abs. 4 des Statuts verstoßen worden, was die Aufhebung der Entscheidung, ihn nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, rechtfertige.
184 Der Gerichtshof der Europäischen Union ist der Auffassung, nicht gegen Art. 34 des Statuts verstoßen zu haben. Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 des Statuts sei nicht nur unter Berücksichtigung des Wortlauts der Bestimmung auszulegen, sondern auch ihres Zusammenhangs und der Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehöre, verfolgt würden. Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmung ergebe sich jedoch, dass die Probezeit mindestens neun Monate dauern müsse. Zudem sei es Ziel dieser Bestimmung, die Eignung und das Verhalten des Beamten auf Probe beurteilen zu können, damit die Einstellung dem Organ die Mitwirkung von Beamten gewährleisten könne, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügten.
185 Der Gerichtshof der Europäischen Union hält den vorliegenden Fall für einen Sonderfall, den der Unionsgesetzgeber bei Erlass von Art. 34 des Statuts nicht vorgesehen habe. Der Kläger hätte aufgrund seiner sehr langen Krankheitszeit von sieben Monaten zu Beginn der Probezeit nicht in den Genuss der Mindestprobezeit von neun Monaten kommen können, wenn die Probezeit, damit insgesamt 15 Monate erreicht würden, nur um sechs Monate verlängert worden wäre. Wäre die Probezeit des Klägers bis zum 28. Februar 2015, d. h. bis 15 Monate nach ihrem Beginn, verlängert worden, hätte der Kläger nur über einen Zeitraum von acht Monaten beurteilt werden können. Dem Argument des Klägers beizupflichten, bedeutete eine Abkehr von dem mit der Festlegung einer Mindestprobezeit verfolgten Ziel, nämlich nach Art. 27 des Statuts zu gewährleisten, dass nur ein Beamter auf Probe, der bewiesen habe, dass er höchsten Ansprüchen genüge, zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden könne. Zudem könnte diese Auffassung in einem Fall wie dem vorliegenden dazu führen, dass die Anstellungsbehörde zur Entlassung eines Beamten auf Probe verpflichtet wäre, weil er nicht habe beweisen können, dass er diesen Ansprüchen genüge, obwohl ihm dies, hätte ihm tatsächlich eine neunmonatige Probezeit zur Verfügung gestanden, gegebenenfalls möglich gewesen wäre. Dieses Ergebnis stehe eindeutig den Interessen des Beamten auf Probe entgegen, der seine Probezeit aus den in Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts vorgesehenen Gründen unfreiwillig habe unterbrechen müssen, und benachteilige ihn gegenüber Beamten auf Probe, die in den Genuss einer neunmonatigen Probezeit oder sogar einer Probezeit bis zu 15 Monaten haben kommen können. Darüber hinaus habe der Kläger in der Stellungnahme zum ersten Probezeitbericht sein Interesse an einer Verlängerung seiner Probezeit über die Höchstdauer von 15 Monaten hinaus zu erkennen gegeben und der am 1. Oktober 2014 beschlossenen Verlängerung nicht widersprochen.
186 Jedenfalls ist der Gerichtshof der Europäischen Union der Meinung, dass auch dann, wenn die Dauer der Probezeit des Klägers nicht im Einklang mit Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts gestanden haben sollte, der Kläger aufgrund dieses Fehlers als solchem ohne Berücksichtigung seiner beruflichen Fähigkeiten nicht zum Beamten auf Lebenszeit hätte ernannt werden können oder die Entscheidung, ihn nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, hätte aufgehoben werden müssen.
187 Zum Vorbringen des Klägers, die tatsächliche Probezeit habe sich sogar bis zum 5. Mai 2015 hingezogen, macht der Gerichtshof der Europäischen Union geltend, im zweiten Probezeitbericht werde das Verhalten des Klägers gemäß der Entscheidung, die Probezeit bis zum 15. April 2015 zu verlängern, bis zu diesem Zeitpunkt bewertet. Zudem könne eine Verzögerung bei der Erstellung des Probezeitberichts die Gültigkeit des Berichts oder gegebenenfalls die Entscheidung, den betreffenden Beamten nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, nicht in Frage stellen.
188 Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien ist festzustellen, dass der Kläger seine Probezeit am 1. Dezember 2013 begonnen hat, dass er vom 13. Januar 2014 bis zum 17. August 2014 krankgeschrieben war und dass seine Probezeit wegen des Krankheitsurlaubs mit Entscheidung vom 1. Oktober 2014 bis zum 15. April 2015 verlängert wurde. Aus diesem Sachverhalt schließt der Kläger, dass seine Probezeit sich vom 1. Dezember 2013 bis zum 15. April 2015 erstreckt und daher 16,5 Monate gedauert habe.
189 Nach dem Wortlaut von Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts darf die Gesamtdauer der Probezeit höchstens 15 Monate betragen. Bei wörtlicher Auslegung dieser Bestimmung rechtfertigt eine Verhinderung des Beamten auf Probe, seine Aufgaben während der Probezeit wahrzunehmen, keine Verlängerung der Probezeit über 15 Monate nach Beginn seiner Probezeit hinaus.
190 Weder der Zusammenhang noch die vom Statut verfolgten Ziele, die bei der Auslegung seiner Bestimmungen ebenfalls berücksichtigt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 1999, Pharos/Kommission, C‑151/98 P, EU:C:1999:563, Rn. 19, und vom 14. Juli 2016, Lettland/Kommission, T‑661/14, EU:T:2016:412, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung), stehen dieser Auslegung von Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts entgegen.
191 Was das mit Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts verfolgte Ziel betrifft, wurde entschieden, dass die Festlegung einer Höchstdauer der Probezeit dem Ziel dient, zum einen im Interesse der Verwaltung wie des Beamten auf Probe den Zeitraum zu begrenzen, in dem das Arbeitsverhältnis durch eine gewisse Unsicherheit gekennzeichnet ist, und zum anderen den Zeitraum zu bestimmen, für den das dienstliche Verhalten des Beamten von der Anstellungsbehörde beurteilt werden muss (Urteil vom 14. Februar 2007, Fernández Ortiz/Kommission, F‑1/06, EU:F:2007:25, Rn. 53).
192 Dieses Ziel bestätigt die vorstehende Auslegung von Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts. Indem nämlich die Höchstdauer der Probezeit des Beamten auf Probe unabhängig von einer Verhinderung dieses Beamten auf 15 Monate – ab Beginn der Probezeit – festgelegt wird, befristet das Statut im Interesse der Rechtssicherheit ausnahmslos das unsichere Arbeitsverhältnis zwischen dem Beamten auf Probe und der Verwaltung und legt die Höchstdauer fest, die von der Anstellungsbehörde zur Beurteilung des dienstlichen Verhaltens des Beamten berücksichtigt werden kann.
193 Die vorstehend dargelegte Auslegung von Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts wird nicht durch die doppelte Zielsetzung der Probezeit in Frage gestellt, nämlich während der Probezeit zum einen den Organen zu ermöglichen, zu überprüfen, ob sie Beamte einstellen, die gemäß Art. 27 des Statuts in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2014, DH/Parlament, F‑4/14, EU:F:2014:241, Rn. 52), und zum anderen den Beamten auf Probe den Nachweis ihrer Befähigung zur Wahrnehmung der mit ihrem Amt verbundenen Aufgaben sowie ihrer Leistung und ihres Verhaltens im Dienst zu ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 1997, Rozand-Lambiotte/Kommission, T‑96/95, EU:T:1997:25, Rn. 95, und vom 18. Oktober 2007, Krcova/Gerichtshof, F‑112/06, EU:F:2007:178, Rn. 48). Diese Zielsetzung, die dienstliche Befähigung des Beamten auf Probe zu überprüfen und nachzuweisen, schließt nämlich eine Befristung des Zeitraums, in dem diese Ziele erreicht werden können, nicht aus. Selbst wenn der Beamte auf Probe während der Probezeit wegen einer Krankheit, eines Mutterschaftsurlaubs oder eines Unfalls daran gehindert ist, seinen Dienst auszuüben, können die Ziele eines Nachweises und einer Überprüfung der dienstlichen Befähigung des Beamten auf Probe einen Verzicht auf eine Höchstdauer für die Probezeit nicht rechtfertigen, da diese Ziele mit dem rechtmäßigen Interesse an Rechtssicherheit im Einklang stehen müssen. Dieses Interesse ist die Grundlage dafür, dass der Gesetzgeber für die Probezeit ausdrücklich eine Höchstdauer vorschreibt.
194 Was den Zusammenhang betrifft, steht Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts der oben in Rn. 189 vorgenommenen Auslegung von Abs. 2 dieser Bestimmung nicht entgegen.
195 Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts sieht vor, dass jeder Beamte eine neunmonatige Probezeit abzuleisten hat, bevor er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden kann.
196 Auch wenn nach dieser Bestimmung die Probezeit grundsätzlich neun Monate beträgt, kann daraus nicht, wie es jedoch der Gerichtshof der Europäischen Union tut, abgeleitet werden, dass der Zeitraum, in dem der Beamte auf Probe seine dienstliche Befähigung beweisen und die Verwaltung sie beurteilen kann, mindestens neun Monate beträgt.
197 Nach Art. 34 Abs. 3 des Statuts ist nämlich der Bericht über die Befähigung des Beamten auf Probe spätestens einen Monat vor Ablauf der Probezeit zu erstellen. Dieser Bericht, der die Grundlage der Ernennung des Beamten auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit oder seiner Entlassung darstellt, bezieht sich daher notwendigerweise auf die Befähigung dieses Beamten auf Probe über einen Zeitraum von weniger als neun Monaten. Der Umstand, dass die Befähigung des Beamten auf Probe für die Probezeit nach der Erstellung des Probezeitberichts nicht berücksichtigt wird, beeinträchtigt grundsätzlich noch nicht die Gültigkeit der Entscheidung über die Ernennung oder Nichternennung des Beamten auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit.
198 Auch kann die Anstellungsbehörde nach Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts die Dauer der in Abs. 1 dieser Bestimmung vorgesehenen Probezeit verlängern, wenn der Beamte auf Probe während dieser Zeit durch Krankheit, Mutterschaftsurlaub oder Unfall mindestens einen Monat ohne Unterbrechung daran gehindert ist, seine Aufgaben wahrzunehmen. Lehnt daher die Anstellungsbehörde in Ausübung ihres weiten Ermessens und aus zulässigen Gründen, die sich auf die Befähigung, die Leistung oder das dienstliche Verhalten des Beamten auf Probe beziehen, eine solche Verlängerung ab, obwohl der Beamte auf Probe mindestens einen Monat während der Probezeit ohne Unterbrechung daran gehindert war, seine Aufgaben wahrzunehmen, muss somit die Befähigung dieses Beamten auf Probe über einen Zeitraum von weniger als neun Monaten bewiesen und beurteilt werden.
199 Ferner kann die Anstellungsbehörde ebenfalls nach Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts in dem Fall, dass die Verhinderung des Beamten auf Probe, seine Aufgaben wahrzunehmen, einen Zeitraum von weniger als einem Monat oder nicht mindestens einen Monat ohne Unterbrechung dauert, die neunmonatige Probezeit trotz dieser Verhinderung nicht verlängern. Auch in einem solchen Fall muss die Befähigung des Beamten auf Probe über einen Zeitraum von weniger als neun Monaten bewiesen und beurteilt werden.
200 Art. 34 Abs. 2 des Statuts ermöglicht es der Anstellungsbehörde schließlich, bei offensichtlicher Unzulänglichkeit der Leistungen des Beamten auf Probe einen Probezeitbericht vor Ende der Probezeit zu erstellen, so dass in einem solchen Fall die Befähigung des Beamten auf Probe während einer Probezeit von weniger als neun Monaten beurteilt worden wäre.
201 Auch wenn ein Beamter auf Probe eine neunmonatige Probezeit ableisten muss, um zum Beamten auf Lebenszeit ernannt werden zu können, ist es daher nicht erforderlich, dass er tatsächlich während der gesamten neunmonatigen Dauer seine Aufgaben wahrnimmt und dass sich der Beweis für seine Befähigung und die Beurteilung seiner Befähigung auf die tatsächliche Wahrnehmung seiner Aufgaben während eines Zeitraums von mindestens neun Monaten beziehen. Ein Beamter auf Probe hat keinen Anspruch darauf, dass ihm volle neun Monate zugebilligt werden, um sich zu bewähren (Schlussanträge des Generalanwalts Warner in der Rechtssache van de Roy/Kommission, 92/75, EU:C:1976:19, S. 357). Er kann nur verlangen, dass ihm die Möglichkeit geboten wird, seine Befähigung zu beweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. April 1992, Kupka-Floridi/WSA, T‑26/91, EU:T:1992:53, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher steht Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts der oben in Rn. 189 wiedergegebenen Auslegung des Abs. 2 dieser Vorschrift nicht entgegen.
202 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Probezeit des Klägers am 1. Dezember 2013 begonnen hat, so dass sie nach Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts spätestens am 28. Februar 2015 zu enden hatte. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat weder vorgebracht, er habe die Befähigung des Klägers in diesem Zeitraum nicht beurteilen können, noch die Rechtmäßigkeit von Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts in Frage gestellt. Mit der Verlängerung der Probezeit des Klägers bis zum 15. April 2015 wegen siebenmonatiger krankheitsbedingter Fehlzeiten während der Probezeit hat der Gerichtshof der Europäischen Union daher gegen Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts verstoßen.
203 Diese Einschätzung wird nicht durch den vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgetragenen Umstand in Frage gestellt, der Kläger habe die Entscheidung vom 1. Oktober 2014, mit der die Probezeit wegen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten zu Beginn der Probezeit bis zum 15. April 2015 verlängert worden sei, nicht angefochten. Eine Zwischenmaßnahme kann nämlich nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden, wenn feststeht, dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann (vgl. Beschluss vom 14. Mai 2012, Sepracor Pharmaceuticals [Ireland]/Kommission, C‑477/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:292, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Entscheidung vom 1. Oktober 2014 stellt jedoch eine Maßnahme zur Vorbereitung der Entscheidung dar, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, und der Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts kann zur Stützung einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, die den Kläger beschwert und die er im vorliegenden Fall angefochten hat, geltend gemacht werden.
204 Darüber hinaus leitet der Kläger aus der Annahme des zweiten Probezeitberichts und der Entscheidung, ihn nach der fünfzehnmonatigen Höchstdauer der Probezeit nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, zu Unrecht eine automatische Verlängerung seiner Probezeit bis zum Zeitpunkt der Annahme dieser Entscheidungen ab. Eine solche Auslegung steht nämlich der nach Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts zulässigen Höchstdauer entgegen. Auch wenn der Probezeitbericht grundsätzlich einen Monat vor dem Ende der Probezeit angenommen werden muss, damit die Entscheidung über die Ernennung des Beamten auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit oder seine Entlassung soweit möglich mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit oder ihrer Verlängerung zusammenfällt, berührt die Annahme dieser Handlungen nach Ablauf der Probezeit deren Gültigkeit nicht und hat keine stillschweigende Verlängerung der Probezeit bis zum Tag ihrer Annahme zur Folge. Daher wurde für Recht erkannt, dass eine verspätete Annahme des Probezeitberichts zwar eine Unregelmäßigkeit im Hinblick auf die Anforderungen des Statuts darstellt, aber, so bedauerlich sie auch sein mag, die Gültigkeit des Berichts oder einer etwaigen Entscheidung, mit der das Organ den Beamten auf Probe entlässt oder seine Probezeit verlängert, nicht in Frage stellen kann (Urteile vom 12. Juli 1973, di Pillo/Kommission, 10/72 und 47/72, EU:C:1973:84, Rn. 5; vom 8. Oktober 1981, Tither/Kommission, 175/80, EU:C:1981:221, Rn. 13, und vom 11. Dezember 2014, CZ/ESMA, F‑80/13, EU:F:2014:266, Rn. 35). Die in Rede stehende einmonatige Frist stellt keine Kündigungsfrist dar, sondern sie soll gewährleisten, dass der Beamte auf Probe Stellung nehmen kann, bevor das Organ eine Entscheidung über seinen Verbleib im Dienst oder nicht zu einem Zeitpunkt treffen kann, der soweit möglich mit dem Ablauf der Probezeit zusammenfällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, CZ/ESMA, F‑80/13, EU:F:2014:266, Rn. 35).
205 Aus den vorstehenden Gründen ist dem ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts geltend gemacht wird, stattzugeben.
206 Folglich ist die Entscheidung, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, aufzuheben. Diese Entscheidung beruht nämlich auf Gesichtspunkten aus der Zeit nach dem 28. Februar 2015, als nach Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts die Probezeit des Klägers hätte enden müssen. Da diese Bestimmung den Zeitraum festlegt, für den die Verwaltung das dienstliche Verhalten des Beamten auf Probe im Hinblick auf die mögliche Ernennung oder Nichternennung dieses Beamten zum Beamten auf Lebenszeit prüfen muss, stellt sie jedoch eine materielle Voraussetzung für eine Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit auf. Die von der Anstellungsbehörde in die Beurteilung einbezogenen Gesichtspunkte aus der Zeit nach dem 28. Februar 2015 sind daher notwendigerweise die tatsächliche Grundlage, auf der sie ihr weites Ermessen bei der Entscheidung, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, ausgeübt hat.
207 So ergibt sich aus dem zweiten Probezeitbericht, der der Entscheidung, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, zugrunde liegt, dass das Verhalten des Klägers bei der Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015 berücksichtigt wurde, um seine fehlende Urteilsfähigkeit und seinen Mangel an gesundem Menschenverstand sowie seine Schwierigkeiten zu veranschaulichen, sich nicht routinemäßigen Gegebenheiten anzupassen. Dasselbe Verhalten diente im zweiten Probezeitbericht der Veranschaulichung der nachteiligen Auswirkungen seiner Teilnahme auf die Arbeitsbedingungen innerhalb seines Dienstes. Mit der ungeklärten Abwesenheit des Klägers beim Englischkurs am 24. März 2014 und der Anzahl der Korrekturen, die in der Zeit vom 1. Januar bis zum 17. April 2015 in Bezug auf den Kläger im Zeitmanagementsystem vorgenommen wurden, wurden in diesem zweiten Probezeitbericht die Schwierigkeiten des Klägers, sich zu organisieren, und die Auswirkungen dieser Schwierigkeiten auf sein Umfeld belegt. Die Zeit, die der Kläger zur Erstellung der Sitzungsprotokolle vom 27. März bis zum 27. April 2015 benötigte, seine dienstliche Abwesenheit am 17. April 2015 und die mündlichen Verhandlungen am 10. und 17. März 2015, an denen er teilgenommen hatte, wurden in den zweiten Probezeitbericht einbezogen, um seine Leistungen quantitativ zu beurteilen. Darüber hinaus wurden im zweiten Probezeitbericht das dienstliche Verhalten des Klägers und insbesondere der Umstand, dass für seine Vorgesetzten keine Veranlassung vorlag, ihm Vertrauen zu schenken, auf der Grundlage der Anzahl der Berichtigungen im Zeitmanagementsystem vom 1. Januar bis zum 17. April 2015, der Probleme des Klägers bei der Zeitkontrolle am 24. März und 14. April 2015 und seiner Urlaubsanträge für die Woche vom 20. April 2015, die nicht im Voraus mit seinem Vorgesetzten abgestimmt waren, beurteilt. Schließlich war der zweite Probezeitbericht auf das Verhalten des Klägers bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015 gegründet, um seine Schwierigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen und seine unangemessene Haltung bei den zwischenmenschlichen Beziehungen zu veranschaulichen.
208 Dementsprechend ist, da der Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts verneint hat, auch die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben.
209 Da die Anstellungsbehörde und der Beschwerdeausschuss nach Maßgabe des dienstlichen Interesses über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Fähigkeiten und Leistungen eines Beamten in seiner Probezeit verfügen, ist es nicht Sache des Gerichts, die Beurteilung der Verwaltung in Bezug auf das Ergebnis einer Probezeit und die Eignung eines seine endgültige Ernennung im öffentlichen Dienst der Union anstrebenden Bewerbers durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen, da sich seine Kontrolle darauf beschränkt, ob kein offenkundiger Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. März 1982, Munk/Kommission, 98/81, EU:C:1982:111, Rn. 16, vom 5. April 1984, Alvarez/Parlament, 347/82, EU:C:1984:147, Rn. 16, und vom 5. März 1997, Rozand-Lambiotte/Kommission, T‑96/95, EU:T:1997:25, Rn. 112).
210 Darüber hinaus ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle im Sinne von Art. 263 AEUV die vom Urheber der angefochtenen Handlung gegebene Begründung dieser Handlung nicht durch seine eigene ersetzen darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist auch der Fall im Rahmen der vom Gericht vorgenommenen Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 270 AEUV (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2014, Stols/Rat, T‑95/12 P, EU:T:2014:3, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist daher nicht Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob die sich auf die vom 1. Dezember 2013 bis zum 28. Februar 2015 geleistete Probezeit beziehenden Beurteilungen im Rahmen der Entscheidung, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen, ausreichen, um diese Entscheidung zu rechtfertigen.
211 Aus den vorstehend genannten Gründen sind daher die Entscheidungen, den Kläger nicht zum Beamten auf Lebenszeit zu ernennen und die Beschwerde zurückzuweisen, aufzuheben.
212 Entgegen dem Vorbringen des Klägers kann die Aufhebung dieser Entscheidungen jedoch nicht zu seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit führen. Die Ernennung eines Beamten auf Lebenszeit kann nämlich nur in den im Statut vorgesehenen Formen und unter den darin vorgesehenen Voraussetzungen erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 1970, Fournier/Kommission, 18/69, EU:C:1970:37, Rn. 8). Keine Bestimmung des Statuts ahndet jedoch die Überschreitung dieser Frist mit einer Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit ohne Beurteilung. Ein Beamter auf Probe kann daher nicht allein aufgrund des Ablaufs seiner Probezeit zum Beamten auf Probe ernannt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2007, Fernández Ortiz/Kommission, F‑1/06, EU:F:2007:25, Rn. 53).
[nicht wiedergegeben ]
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die am 17. Juli 2015 erlassene Entscheidung des Kanzlers des Gerichtshofs der Europäischen Union als Anstellungsbehörde, Herrn Zoher Brahma am Ende seiner Probezeit mit Wirkung vom 31. Juli 2015 zu entlassen, wird aufgehoben.
2. Die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 16. März 2016 über die Zurückweisung der Beschwerde gegen die am 17. Juli 2015 erlassene Entscheidung des Kanzlers des Gerichtshofs der Europäischen Union als Anstellungsbehörde, Herrn Brahma am Ende seiner Probezeit mit Wirkung vom 31. Juli 2015 zu entlassen, wird aufgehoben.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Gerichtshof der Europäischen Union trägt die Kosten.
Frimodt Nielsen
Kreuschitz
Półtorak
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. November 2018.
Unterschriften