Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)
29. Oktober 2025(* )
„ Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Arbeitsdokumente des Generalsekretariats des Rates zu zwei Gesetzgebungsvorschlägen, die zum Zeitpunkt des Zugangsantrags anhängig waren – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Ausnahmeregelung zum Schutz des Entscheidungsprozesses – Nichtigkeitsklage – Unterbliebene Veröffentlichung von Dokumenten, zu denen aufgrund eines Antrags Zugang gewährt wurde, im Register des Rates – Fehlen einer anfechtbaren Handlung – Unzulässigkeit “
In der Rechtssache T‑590/23
Emilio De Capitani , wohnhaft in Brüssel (Belgien), vertreten durch Rechtsanwälte O. Brouwer, T. van Helfteren und N. Piga,
Kläger,
unterstützt durch
Königreich Belgien , vertreten durch M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte,
durch
Republik Finnland , vertreten durch H. Leppo und M. Pere als Bevollmächtigte,
sowie durch
Königreich Schweden , vertreten durch C. Meyer-Seitz als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Rat der Europäischen Union , vertreten durch L. Atzeni, X. Chamodraka und J. Rurarz als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Französische Republik , vertreten durch B. Fodda, B. Herbaut, S. Royon und B. Travard als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot, des Richters M. Sampol Pucurull (Berichterstatter) und der Richterin T. Perišin,
Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des Beschlusses vom 20. März 2025, mit dem Rat aufgegeben wurde, die Dokumente vorzulegen, zu denen er dem Kläger den Zugang verweigert hatte, und der Vorlage dieser Dokumente durch den Rat am 3. April 2025,
aufgrund der schriftlichen Fragen und der an den Kläger und den Rat gerichteten Aufforderungen zur Vorlage von Dokumenten vom 13. März und 10. April 2025 und ihrer Antworten,
auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2025
folgendes
Urteil
1 Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV begehrt der Kläger, Herr Emilio De Capitani, die Nichtigerklärung zum einen des Beschlusses SGS 23/002579 des Rates der Europäischen Union vom 14. Juli 2023, soweit ihm damit der Zugang zu zwei vom Generalsekretariat des Rates im Rahmen zweier zum Zeitpunkt der Stellung des Zugangsantrags laufender Gesetzgebungsverfahren erstellten Arbeitsdokumenten (2016/0132 [COD] und 2020/0279 [COD]), die Teil des Migrations- und Asylpakets waren, auf der Grundlage der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses verweigert wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss), und zum anderen der „impliziten oder fortdauernden expliziten Entscheidung“ des Rates, legislative Dokumente, zu denen im Anschluss an einen Antrag gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang gewährt wurde, nicht direkt in dem vom Rat geführten Register (im Folgenden: Register) zu veröffentlichen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Am 6. März 2023 stellte der Kläger auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Antrag auf Zugang u. a. zu 33 Arbeitsdokumenten des Rates, die im Rahmen mehrerer Gesetzgebungsverfahren ausgetauscht wurden (im Folgenden: Erstantrag). Nach den internen Klassifizierungsregeln tragen die Arbeitsdokumente des Rates den Code „WK“ (im Folgenden: WK-Dokumente).
3 Mit drei Schreiben vom 27. März sowie vom 20. und 24. April 2023 beantwortete das Generalsekretariat des Rates den Erstantrag, indem es dem Kläger vollständigen Zugang zu 27 WK-Dokumenten und teilweisen Zugang zu drei WK-Dokumenten gewährte. Dagegen verweigerte der Rat den Zugang zu den Dokumenten WK 1505/2023 und WK 1513/2023 (im Folgenden zusammen: streitige Dokumente) und zum Dokument WK 768/2023 vollständig; er begründete dies im Wesentlichen damit, dass ihre Verbreitung seinen Entscheidungsprozess ernstlich beeinträchtigen würde.
4 Wie aus dem Schreiben des Generalsekretariats des Rates vom 24. April 2023 hervorgeht, wurden die streitigen Dokumente von ihm im Rahmen der Prüfung zweier zum Zeitpunkt des Erstantrags laufender Gesetzgebungsvorschläge im Rat erstellt. Sie enthalten jeweils eine Zusammenstellung von Bemerkungen der Delegationen der Mitgliedstaaten zu diesen Vorschlägen.
5 Insbesondere betrifft das an die Arbeitsgruppe „Asyl“ des Rates gerichtete und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 2020/0279 (COD) erstellte Dokument WK 1505/2023 den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Asyl- und Migrationsmanagement und zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates sowie den Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Asyl- und Migrationsfonds (im Folgenden: Vorschlag für eine Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement).
6 Das an die Berater für Justiz und Inneres (Asyl) des Rates gerichtete und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens 2016/0132 (COD) erstellte Dokument WK 1513/2023 betrifft den geänderten Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich biometrischer Daten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der Neuansiedlungsverordnung, für die Feststellung der Identität illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnungen (EU) 2018/1240 und (EU) 2019/818 (im Folgenden: geänderter Vorschlag für die Eurodac-Verordnung).
7 Diese beiden Gesetzgebungsvorschläge waren Teil des Migrations- und Asylpakets, das aus einer Reihe von der Europäischen Kommission am 23. September 2020 vorgeschlagener Rechtsakte bestand.
8 Am 14. Mai 2023 stellte der Kläger auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu den streitigen Dokumenten (im Folgenden: Zweitantrag).
9 Am 14. Juli 2023 erließ der Rat den angefochtenen Beschluss, mit dem er die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestätigte.
Nach Klageerhebung eingetretene Ereignisse
10 Am 14. Mai 2024 erließen der Rat und das Europäische Parlament die Rechtsakte, die Teil des Migrations- und Asylpakets sind, und schlossen damit die Gesetzgebungsverfahren ab, in deren Rahmen die streitigen Dokumente erstellt wurden.
11 Am 11. und 12. September 2024 stufte der Rat die streitigen Dokumente auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 6 des Anhangs II seines Beschlusses vom 1. Dezember 2009 zur Änderung seiner Geschäftsordnung (ABl. 2009, L 325, S. 35, im Folgenden: Geschäftsordnung) als öffentlich ein, so dass sie nunmehr automatisch jeder Person, die dies beantragt, zugänglich gemacht werden können.
Anträge der Parteien
12 Der Kläger beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit mit ihm der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert wird;
– die „implizite oder fortdauernde explizite Entscheidung“ des Rates für nichtig zu erklären, legislative Dokumente, zu denen im Anschluss an einen Zugangsantrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit ihren Art. 2 und 12 und dem in Art. 15 Abs. 2 AEUV verankerten Grundsatz der Gesetzgebungstransparenz Zugang gewährt wurde, nicht direkt im Register zu veröffentlichen;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
13 Der Rat beantragt,
– den zweiten Klageantrag als unzulässig zurückzuweisen;
– die Klage im Übrigen oder für den Fall, dass der zweite Klageantrag für zulässig erklärt werden sollte, in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
14 Das Königreich Belgien und die Republik Finnland beantragen,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit mit ihm der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert wird;
– dem Rat die Kosten aufzuerlegen.
15 Die Französische Republik beantragt,
– den zweiten Klageantrag als unzulässig zurückzuweisen;
– die Klage im Übrigen als unbegründet abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
16 Das Königreich Schweden erklärt im Wesentlichen, dass es den ersten Klageantrag unterstütze.
Rechtliche Würdigung
17 Der Kläger stützt die Klage auf vier Gründe.
18 Mit dem ersten Klagegrund wird geltend gemacht, dass die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt worden sei und dass ihre Auslegung und Anwendung im angefochtenen Beschluss insbesondere die Verpflichtung zur Gesetzgebungstransparenz (Art. 15 Abs. 2 AEUV) verletze. Er besteht im Wesentlichen aus drei Teilen, wobei der erste Teil die Auslegung der Ausnahme im Licht von Art. 15 Abs. 2 AEUV und Art. 16 Abs. 8 EUV betrifft, der zweite die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten in Anwendung dieser Ausnahme und der dritte eine im angefochtenen Beschluss zum Ausdruck kommende Praxis des Rates, die WK-Dokumente unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 AEUV nicht, sei es aus eigener Initiative im Register oder auf Antrag, zu veröffentlichen.
19 Der zweite, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund geht dahin, dass jedenfalls ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der streitigen Dokumente bestehe.
20 Der dritte, höchst hilfsweise geltend gemachte Klagegrund betrifft das Erfordernis, gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 zumindest teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten zu gewähren, und einen Begründungsmangel.
21 Mit dem vierten Klagegrund werden ein Rechtsfehler und die Verletzung der Art. 2 und 12 der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie des in Art. 15 Abs. 2 AEUV verankerten Grundsatzes der Gesetzgebungstransparenz geltend gemacht, da im angefochtenen Beschluss implizit und/oder explizit und fortdauernd entschieden worden sei, die auf Antrag eines Bürgers verbreiteten legislativen Dokumente nicht direkt im Register zu veröffentlichen.
22 Aus der Klageschrift geht nicht ausdrücklich hervor, welche Klagegründe sich auf die jeweiligen Klageanträge beziehen.
23 Angesichts der Schriftsätze der Parteien ist davon auszugehen, dass der vierte Klagegrund und die im Rahmen des dritten Teils des ersten Klagegrundes vorgebrachten Argumente, die die unterbliebene Veröffentlichung der WK-Dokumente im Register durch den Rat betreffen, im Wesentlichen dem zweiten Antrag des Klägers zuzuordnen sind; dies hat er in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
24 Der erste Antrag des Klägers wird durch die übrigen in der Klageschrift angeführten Klagegründe und Argumente gestützt.
Zur Einrede der Unzulässigkeit des zweiten Klageantrags
25 Der Rat, unterstützt durch die Französische Republik, hält den zweiten Klageantrag sowie die zu seiner Stützung vorgebrachten Argumente für unzulässig.
26 Um diese Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen, ist zunächst der Gegenstand des zweiten Klageantrags zu ermitteln, bevor dessen Zulässigkeit geprüft wird.
Zum Gegenstand des zweiten Klageantrags
27 Wie oben in Rn. 12 dargelegt, begehrt der Kläger mit seinem zweiten Antrag, die „implizite oder fortdauernde explizite Entscheidung“ des Rates für nichtig zu erklären, legislative Dokumente, zu denen im Anschluss an einen Zugangsantrag gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang gewährt wurde, nicht direkt im Register zu veröffentlichen.
28 Der Rat macht geltend, dabei handele es sich nicht um einen Antrag auf Nichtigerklärung einer Handlung nach Art. 263 AEUV, sondern um einen Antrag auf Erlass eines Feststellungsurteils oder allenfalls um eine der Sache nach auf der Grundlage von Art. 265 AEUV erhobene Untätigkeitsklage.
29 Der Kläger führt aus, mit dem zweiten Klageantrag begehre er weder ein Feststellungsurteil, noch mache er eine Untätigkeit im Sinne von Art. 265 AEUV geltend.
30 Die „implizite und/oder fortdauernde explizite Entscheidung“ des Rates, die WK-Dokumente, zu denen er Zugang erhalten habe, nicht im Register zu veröffentlichen, um die es im zweiten Klageantrag gehe, sei untrennbar mit dem angefochtenen Beschluss verbunden und könne daher auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV angefochten werden.
31 In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts nach der Tragweite des Antrags auf Nichtigerklärung einer „fortdauernden expliziten Entscheidung“ des Rates, legislative Dokumente nicht direkt im Register zu veröffentlichen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er keine Einrede der Rechtswidrigkeit gegen bestimmte in seinen Schriftsätzen genannte Vorschriften der Geschäftsordnung erheben wolle. Der Rat hat bestätigt, dass er die Klageschrift ebenso verstehe.
32 In Anbetracht des Vorbringens des Klägers ist davon auszugehen, dass sein zweiter Klageantrag im Wesentlichen auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV abzielt, weil darin seines Erachtens implizit die Veröffentlichung der im Erstantrag genannten Dokumente, zu denen ihm Zugang gewährt wurde, im Register verweigert werde, was eine Praxis des Rates widerspiegele, WK-Dokumente nicht zu veröffentlichen.
Zur Zulässigkeit des zweiten Klageantrags
33 Für den Fall, dass der zweite Klageantrag als auf der Grundlage von Art. 263 Abs. 4 AEUV gestellt eingestuft werden sollte, machen der Rat und die Französische Republik geltend, die Frage der Veröffentlichung der WK-Dokumente, zu denen der Kläger auf den Erstantrag hin Zugang erhalten habe, im Register werde im angefochtenen Beschluss weder explizit noch implizit behandelt. Dieser Beschluss betreffe nur die Versagung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten. Der Kläger habe keinen anderen Rechtsakt genannt, der die angebliche Entscheidung des Rates betreffe, die ihm zugänglich gemachten Dokumente oder ein anderes Dokument nicht direkt im Register zu veröffentlichen. Daraus folge, dass es hinsichtlich des zweiten Klageantrags an einer anfechtbaren Handlung fehle.
34 Der Kläger müsse jedenfalls, wenn er die Nichtigerklärung eines Beschlusses nach Art. 263 Abs. 4 AEUV begehre, dartun, dass er vom Unterbleiben der Veröffentlichung der betreffenden Dokumente im Register unmittelbar betroffen sei und ein persönliches Interesse an der Nichtigerklärung dieses Beschlusses habe.
35 Der Rat trägt ferner vor, der Kläger könne sich nicht auf ein Interesse an der Veröffentlichung jedes WK-Dokuments im Register berufen, da ihre Veröffentlichung in Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelt sei, die nicht an spezielle Zugangsanträge anknüpften. Überdies habe der Kläger, da er auf den Erstantrag hin einige WK-Dokumente erhalten habe, kein Interesse an ihrer Aufnahme in das Register mehr und sei daher nicht unmittelbar betroffen.
36 Die Französische Republik fügt hinzu, der Kläger könne sein Rechtsschutzinteresse nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die ihm zugänglich gemachten WK-Dokumente im Register hätten veröffentlicht werden müssen, um die übrigen Unionsbürger und Organe wie das Parlament nicht zu benachteiligen.
37 Der Kläger hält dem entgegen, aus dem angefochtenen Beschluss gehe hervor, dass der Rat Zugang zu bestimmten im Erstantrag erwähnten WK-Dokumenten gewährt habe. Es handele sich jedoch nicht um eine öffentliche Zugänglichmachung dieser Dokumente, wie sie die Art. 11 und 12 der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie Art. 15 Abs. 2 AEUV verlangten. Er habe daher seine Ziele nicht vollständig erreicht, da der angefochtene Beschluss in rechtlicher Hinsicht eingeschränkt oder unvollständig sei und seine Ansprüche auf Gesetzgebungstransparenz und Demokratie verletze.
38 Wer Zugang zu Dokumenten begehre, habe Anspruch darauf, dass sie auf der Grundlage der Art. 11 und 12 der Verordnung Nr. 1049/2001 im Register veröffentlicht würden und zugänglich seien, mithin aufgrund einer Entscheidung, mit der im Anschluss an einen auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung gestellten Antrag Zugang zu ihnen gewährt werde. Würde vom Antragsteller verlangt, eine „Nichtveröffentlichungshandlung“ anzufechten, müsste er dartun, dass er von dieser Handlung unmittelbar und individuell betroffen sei. Ein solches Erfordernis sei offensichtlich unverhältnismäßig und beeinträchtige das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den in das Register aufgenommenen Dokumenten sowie sein Recht auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle des Unterbleibens der Veröffentlichung.
39 Überdies könne der Umstand, dass er auf den Erstantrag hin tatsächlich einige WK-Dokumente erhalten habe, ihm nicht das Recht nehmen, gegen die „Teilentscheidung“ des Rates vorzugehen, diese Dokumente nicht im Register zu veröffentlichen.
40 Infolgedessen seien der zweite Klageantrag und die zu seiner Stützung vorgebrachten Argumente zulässig.
41 Insoweit ist zunächst zu klären, ob der angefochtene Beschluss neben der Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten eine implizite, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV anfechtbare Weigerung des Rates enthält, die dem Kläger auf den Erstantrag hin offengelegten Dokumente im Register zu veröffentlichen.
42 Es ist unstreitig, dass im angefochtenen Beschluss die Veröffentlichung der dem Kläger zugänglich gemachten Dokumente im Register nicht erwähnt wird und dass diese Dokumente zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Klage nicht veröffentlicht worden waren.
43 Nach ständiger Rechtsprechung lehnen sowohl der Gerichtshof als auch das Gericht es grundsätzlich ab, das bloße Schweigen eines Organs einer impliziten Entscheidung gleichzustellen, außer wenn es ausdrückliche Vorschriften gibt, nach denen bei Ablauf einer Frist davon auszugehen ist, dass ein Organ, das zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert wurde, eine solche Entscheidung erlassen hat, und in denen der Inhalt dieser Entscheidung festgelegt wird, da anderenfalls das Rechtsschutzsystem des AEU-Vertrags beeinträchtigt würde (vgl. Beschluss vom 13. November 2012, ClientEarth u. a./Kommission, T‑278/11, EU:T:2012:593, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Überdies hat der Gerichtshof nicht ausgeschlossen, dass der oben in Rn. 43 genannte Grundsatz unter spezifischen Umständen möglicherweise keine Anwendung findet, so dass das Schweigen oder die Untätigkeit eines Organs ausnahmsweise als implizite ablehnende Entscheidung eingestuft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2004, Kommission/Greencore, C‑123/03 P, EU:C:2004:783, Rn. 45).
45 Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob das Schweigen des Rates im angefochtenen Beschluss zur Veröffentlichung der WK-Dokumente, zu denen dem Kläger Zugang gewährt wurde, im Register eine zu einer der beiden oben in den Rn. 43 und 44 genannten Fallgruppen gehörende implizite Weigerung des Rates darstellen kann, eine solche Veröffentlichung vorzunehmen.
46 Hierzu ist zum einen festzustellen, dass der Kläger keine spezifischen Umstände angeführt hat, aufgrund deren das Schweigen des Rates ausnahmsweise einer impliziten ablehnenden Entscheidung gleichzustellen sein könnte.
47 Zum anderen wird im Bereich des Zugangs zu Dokumenten allein in dem die Behandlung von Zweitanträgen betreffenden Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 das Schweigen eines Organs ausdrücklich berücksichtigt; er lautet: „Antwortet das Organ nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist, gilt dies als abschlägiger Bescheid und berechtigt den Antragsteller, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des [AEU]-Vertrags Klage gegen das Organ zu erheben und/oder Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzulegen.“
48 Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 betrifft somit nur Zweitanträge von Personen, denen das durch ihren Art. 2 Abs. 1 garantierte Recht auf Zugang zu Dokumenten zusteht.
49 Daher ist zu klären, ob sich das durch Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 garantierte Recht auf Zugang zu Dokumenten auf die Veröffentlichung der Dokumente im Register des betreffenden Organs auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 2 der Verordnung erstreckt, wie der Kläger geltend macht.
50 Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 keine unmittelbare Verbindung zwischen dem in ihrem Art. 2 Abs. 1 vorgesehenen Recht auf Zugang zu Dokumenten und der in Art. 11 vorgesehenen Verpflichtung der Organe zur Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers herstellt. Daher ist es nicht möglich, die Einhaltung der Pflicht zur Aufnahme von Dokumenten in ein Register mit einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten durchzusetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 44).
51 Wie der Rat geltend macht, lassen sich die oben in Rn. 50 wiedergegebenen Erwägungen auf die Verpflichtungen aus Art. 12 der Verordnung Nr. 1049/2001 übertragen, wonach die Organe, „soweit möglich, die Dokumente direkt in elektronischer Form oder über ein Register gemäß den Bestimmungen des betreffenden Organs öffentlich zugänglich [machen]“ (Art. 12 Abs. 1), insbesondere „legislative Dokumente, … [die] vorbehaltlich der Artikel 4 und 9 [der Verordnung] direkt zugänglich gemacht werden [sollten]“ (Art. 12 Abs. 2).
52 Art. 12 der Verordnung Nr. 1049/2001 beschreibt somit die von den betreffenden Organen bei der öffentlichen Zugänglichmachung von Dokumenten anzuwendende Verwaltungspraxis und weist keinen Zusammenhang mit dem durch ihren Art. 2 Abs. 1 garantierten Recht auf. Überdies wird den betreffenden Organen, wie der Rat ausführt, durch Art. 12 keine unbedingte Verpflichtung auferlegt, da er zum einen vorsieht, dass sie die Dokumente „soweit möglich“ direkt öffentlich zugänglich machen, und zum anderen, dass legislative Dokumente vorbehaltlich der Art. 4 und 9 der Verordnung direkt zugänglich gemacht werden sollten.
53 Daraus folgt, dass es nicht möglich ist, ein Organ mittels eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten zur Veröffentlichung eines Dokuments in seinem Register zu verpflichten.
54 Entgegen dem Vorbringen des Klägers erstreckt sich das durch Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 garantierte Recht auf Zugang zu Dokumenten daher nicht auf die Veröffentlichung von Dokumenten im Register des betreffenden Organs.
55 Das Schweigen des Rates im angefochtenen Beschluss zur Veröffentlichung der WK-Dokumente, zu denen dem Kläger Zugang gewährt wurde, im Register kann daher der impliziten Ablehnung einer solchen Veröffentlichung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht gleichgestellt werden.
56 Jedenfalls hatte der Kläger im Erstantrag vom Rat nicht verlangt, die WK-Dokumente, zu denen er Zugang begehrte, im Register zu veröffentlichen. Im Zweitantrag hat er lediglich den vom Rat gewährten vollständigen oder teilweisen Zugang zu einigen angeforderten WK-Dokumenten zur Kenntnis genommen, ohne geltend zu machen, dass sie direkt in das Register aufgenommen werden sollten, oder eine entsprechende Veröffentlichung zu beantragen.
57 Nach alledem hat der Rat im angefochtenen Beschluss die Veröffentlichung der Dokumente, zu denen der Kläger auf den Erstantrag hin Zugang erlangt hatte, im Register nicht implizit abgelehnt.
58 Daher ist der zweite Antrag des Klägers mangels anfechtbarer Handlung als unzulässig zurückzuweisen.
Zum ersten Klageantrag
59 Zur Stützung des ersten, auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, soweit mit ihm der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert wird, gerichteten Klageantrags macht der Kläger im Wesentlichen die oben in den Rn. 18 bis 20 dargelegten ersten drei Klagegründe geltend.
60 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der legislative Charakter der streitigen Dokumente unstreitig ist.
Zum ersten Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewandt worden sei und dass ihre Auslegung und Anwendung im angefochtenen Beschluss insbesondere die Verpflichtung zur Gesetzgebungstransparenz (Art. 15 Abs. 2 AEUV) verletze
61 Wie oben in Rn. 18 ausgeführt, besteht der erste Klagegrund im Wesentlichen aus drei Teilen.
– Zum ersten, die Auslegung der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme im Licht von Art. 15 Abs. 2 AEUV und Art. 16 Abs. 8 EUV betreffenden Teil
62 Der Kläger führt aus, Art. 15 Abs. 2 AEUV und Art. 16 Abs. 8 EUV hätten das Recht der Unionsbürger, informiert zu werden und am demokratischen Leben der Union teilzunehmen, gestärkt, da sie vorsähen, dass die Mitgesetzgeber öffentlich tagten, wenn sie über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berieten und abstimmten.
63 Durch Art. 15 Abs. 2 AEUV sei ein neues System der Gesetzgebungstransparenz geschaffen worden, das Vorrang vor der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 habe, die aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon stamme. Zwischen diesen beiden Bestimmungen bestehe nunmehr ein rechtliches Spannungsverhältnis. Das Primärrecht, das Vorrang vor dem abgeleiteten Recht in Form der Bestimmung einer Verordnung oder einer Geschäftsordnung habe, schreibe jedoch aufgrund der im Vertrag von Lissabon getroffenen normativen Entscheidung für die Gesetzgebungstransparenz (Art. 15 Abs. 2 AEUV) und das demokratische Recht auf Teilnahme am Entscheidungsprozess der Union (Art. 10 EUV) den Zugang zu legislativen Dokumenten vor.
64 Die Unionsgerichte hätten zwar anerkannt, dass der Grundsatz der Offenheit nicht absolut gelte, doch gestatte dies dem Rat nicht, sich bei legislativen Dokumenten auf die in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme in Bezug auf den Entscheidungsprozess zu berufen.
65 Der den Zugang zu Dokumenten betreffende Art. 15 Abs. 3 AEUV ziele nicht auf die Gesetzgebungstransparenz des Rates ab, sondern nur, im Einklang mit dem im Wesentlichen administrativen Zweck des Rechts auf Zugang zu Dokumenten, auf die Transparenz des Verfahrens. Letztere sei aber nicht mit der Gesetzgebungstransparenz gleichzusetzen, und die Bezugnahme in Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 3 AEUV auf „ihre Dokumente“ betreffe nicht die zur gemeinsamen Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments und des Rates gehörenden legislativen Dokumente, sondern interne Dokumente des Rates ohne Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren.
66 Der Rat, unterstützt durch die Französische Republik, tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
67 Nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 wird der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.
68 Der Kläger ist im Wesentlichen der Ansicht, Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 sei in Bezug auf legislative Dokumente obsolet geworden, da er auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen worden sei und daher den durch Art. 15 Abs. 2 AEUV und Art. 16 Abs. 8 EUV vorgenommen Änderungen nicht Rechnung trage; diese verlangten Gesetzgebungstransparenz, indem sie vorsähen, dass der Rat „öffentlich“ tage, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berate und abstimme.
69 Wie der Rat und die Französische Republik ausgeführt haben, ist dieses Vorbringen vom Gericht bereits im Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat (T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 33 bis 62), geprüft und zurückgewiesen worden.
70 Insbesondere geht aus dem Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat (T‑163/21, EU:T:2023:15), hervor, dass in Art. 15 Abs. 2 AEUV zwar der Grundsatz der Offenheit der legislativen Erörterungen während der Sitzungen des Parlaments und der Tagungen des Rates festgeschrieben wird, dass er aber weder das Recht auf Zugang zu Dokumenten noch die in Art. 15 Abs. 3 AEUV und in Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) geregelten Einschränkungen und Bedingungen für die Ausübung dieses Rechts betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 53).
71 Die Bestimmungen des AEU-Vertrags und der Charta über das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sehen vor, dass die Ausübung dieses Rechts im Verordnungsweg vorgesehenen Einschränkungen und Bedingungen unterworfen werden kann, und zwar auch hinsichtlich des Zugangs zu legislativen Dokumenten (Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 47).
72 Entgegen dem Vorbringen des Klägers schließt Art. 15 Abs. 3 AEUV nämlich Dokumente, die zur gemeinsamen gesetzgeberischen Tätigkeit des Parlaments und des Rates gehören, nicht von seinem Anwendungsbereich aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 46).
73 Nach Art. 15 Abs. 3 Unterabs. 5 AEUV sorgen das Parlament und der Rat dafür, dass die Dokumente, die die Gesetzgebungsverfahren betreffen, „nach Maßgabe der in Unterabsatz 2 [dieses Absatzes] genannten Verordnungen“ öffentlich zugänglich gemacht werden. Diese Bestimmung hebt somit zwar den Grundsatz der Offenheit legislativer Dokumente hervor; sie sieht jedoch nicht vor, dass diese Dokumente in allen Fällen und ausnahmslos zu veröffentlichen sind, was durch den Verweis auf die „Maßgabe“ belegt wird, die in den Verordnungen zu diesem Zweck vorgesehen werden kann (Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 45).
74 Infolgedessen steht es den Unionsorganen frei, auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu bestimmten Dokumenten legislativer Art in hinreichend begründeten Fällen zu verweigern (vgl. Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).
75 Mithin ist der erste, der Sache nach zur Stützung des ersten Klagegrundes geltend gemachte Teil als unbegründet zurückzuweisen.
– Zum zweiten, die Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 im angefochtenen Beschluss betreffenden Teil
76 Der Kläger, unterstützt durch das Königreich Belgien, die Republik Finnland und das Königreich Schweden, ist der Ansicht, dass der Zugang zu den streitigen Dokumenten nicht zum Schutz des Entscheidungsprozesses des Rates hätte verweigert werden dürfen. Zum einen seien Argumente wie die, mit denen im angefochtenen Beschluss der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert worden sei, bereits von den Unionsgerichten zurückgewiesen worden. Zum anderen weise der Rat entgegen der Rechtsprechung nicht nach, dass die Verbreitung der streitigen Dokumente eine konkrete, tatsächliche und bei vernünftiger Betrachtung absehbare Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung seines Entscheidungsprozesses mit sich bringen würde.
77 Die Verbreitung der streitigen Dokumente hätte es den Unionsbürgern ermöglicht, die Intention des Rates bei einer sehr dringlichen Frage, und zwar der Migrationsfrage, die zu den Schlüsselprioritäten der Kommission gehöre und daher erhebliche Auswirkungen auf die Europawahlen von 2024 habe, nachzuvollziehen. Außerdem mache die Sackgasse, in die das Parlament geraten sei, weil der Rat außerstande gewesen sei, zum geänderten Vorschlag für die Eurodac-Verordnung sowie zu anderen Gesetzgebungsvorschlägen im Bereich der Migration Stellung zu nehmen, sehr deutlich, wie das Fehlen von Gesetzgebungstransparenz den demokratischen Prozess behindere.
78 Das Vorbringen des Rates vor dem Gericht, dass die streitigen Dokumente keine unmittelbare politische Verpflichtung aufwiesen, treffe nicht zu.
79 Überdies sei das Vorbringen der Französischen Republik vor dem Gericht zu Inhalt und Sensibilität der streitigen Dokumente und der in Rede stehenden Gesetzgebungsverfahren (siehe unten, Rn. 88 bis 91) erheblich detaillierter als der angefochtene Beschluss, in dem der Zweitantrag nicht sorgfältig geprüft worden sei. Das Vorbringen der Französischen Republik könne die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten jedenfalls nicht rechtfertigen.
80 Das Königreich Belgien fügt hinzu, die Transparenz im Bereich der Gesetzgebung sei im Rat durch einen neuen, in dem Vermerk ST 9493/20 mit dem Titel „Stärkung der Gesetzgebungstransparenz“ festgelegten Ansatz verstärkt worden, den der Vorsitz und das Generalsekretariat des Rates am 9. Juli 2020 an die Mitglieder des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) gerichtet hätten (im Folgenden: Vermerk ST 9493/20). Nachdem dieser neue Ansatz gebilligt worden sei, habe der Rat den in Art. 11 Abs. 5 und 6 der Geschäftsordnung konkretisierten Beschluss gefasst, neue Kategorien von Dokumenten, die Gesetzgebungsverfahren beträfen, sogleich zu veröffentlichen. Daher müsse die Heranziehung einer Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Dokumenten noch strenger begründet werden, wenn es um ein im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erstelltes Dokument gehe.
81 Die Republik Finnland führt aus, die Transparenz sei in den Verträgen fest verankert, und verweist auf die bereits vom Kläger angeführten Bestimmungen sowie auf Art. 298 Abs. 1 AEUV und Art. 42 der Charta. Die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Rechtfertigungen seien zu allgemein und abstrakt und leicht auf zahlreiche andere Gesetzgebungsvorhaben übertragbar. Der Vermerk ST 9493/20 betreffe speziell die Verbreitung legislativer Dokumente durch den Rat aus eigener Initiative. Er solle die auf Zugangsanträgen beruhende Verbreitung von Dokumenten, zu der es eine umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung gebe, in keiner Weise einschränken oder beeinträchtigen.
82 Das Königreich Schweden verweist auf Art. 42 der Charta und hebt hervor, für die Anwendung der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme reiche es nicht aus, dass der Entscheidungsprozess im Rahmen des Erlasses eines Gesetzgebungsakts wie im vorliegenden Fall sensibel sei; entscheidend sei der Inhalt des Dokuments, dessen Verbreitung begehrt werde.
83 Der Rat, unterstützt durch die Französische Republik, hält dem entgegen, nach den Ausführungen im angefochtenen Beschluss sei bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch gewesen, dass die Verbreitung der streitigen Dokumente seinen Entscheidungsprozess ernstlich zu beeinträchtigen gedroht hätte; darin unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von der, um die es im Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat (T‑163/21, EU:T:2023:15), gegangen sei.
84 Zwischen Gesprächen ohne unmittelbare politische Verpflichtung, die in Arbeitsgruppen unter Beamten und Sachverständigen von Delegationen der Mitgliedstaaten auf technischer Ebene stattfänden, und dem auf der Ebene des AStV oder auf Ratsebene gebilligten politischen Standpunkt, der die Einleitung der Triloge ermögliche und stets in einem öffentlich zugänglichen Dokument zum Ausdruck komme, bestehe ein grundlegender Unterschied. Insoweit werde im Einklang mit Art. 11 Abs. 5 von Anhang II der Geschäftsordnung stets ab initio eine allgemeine Ausrichtung veröffentlicht, und sein ursprüngliches Verhandlungsmandat werde, wenn es auf der Ebene des AStV gebilligt werde, ebenfalls veröffentlicht, wie in Nr. 1 Buchst. e des Anhangs des Vermerks ST 9493/20 vorgesehen. Genau dies sei die Intention „des Rates“ bei einer sehr dringlichen Frage, die dem Kläger zufolge durch die Verbreitung der streitigen Dokumente von den Unionsbürgern nachvollziehbar sein solle.
85 Die konkrete Beurteilung eines Dokuments könne zu dem Schluss führen, dass die Verbreitung der oben in Rn. 84 erwähnten Vorgespräche angesichts ihres spezifischen Inhalts und des besonderen Kontexts des Entscheidungsprozesses, auf den sie sich bezögen, dessen Wirksamkeit beeinträchtigen könnte.
86 Im vorliegenden Fall beruhe die Weigerung, die streitigen Dokumente offenzulegen, nicht auf allgemeinen Erwägungen, sondern auf der genauen und detaillierten Prüfung ihres Inhalts unter Konsultation der Mitgliedstaaten, die die darin enthaltenen Stellungnahmen abgegeben hätten. Dies werde auch dadurch belegt, dass zu mehreren anderen ebenfalls im Erstantrag erwähnten Dokumenten, die sich auf die Erörterungen auf Arbeitsgruppenebene bezögen, Zugang gewährt worden sei.
87 In der Gegenerwiderung macht der Rat geltend, die Kürze der im angefochtenen Beschluss gegebenen Erläuterung sei insbesondere durch das Erfordernis gerechtfertigt, keine Informationen offenzulegen, die durch die Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses gerade geschützt werden sollten.
88 Die Französische Republik fügt hinzu, die Verbreitung der streitigen Dokumente könne die Position des Rates im Rahmen der Verhandlungen über die übrigen im Rahmen des Migrations- und Asylpakets vorgeschlagenen Rechtsakte schwächen.
89 Die streitigen Dokumente seien in einem besonders sensiblen Stadium der Verhandlungen über die in Rede stehenden Gesetzgebungsakte erstellt worden, die Erzielung einer Einigung im Rat und erst recht zwischen Parlament und Rat habe besonders heikle Kompromisse erfordert, und die Verbreitung der streitigen Dokumente, aus denen die Divergenzen zwischen den Standpunkten der Mitgliedstaaten hervorgingen, hätte die Erzielung eines Kompromisses im Rahmen der Triloge mit Sicherheit gefährdet.
90 Überdies enthielten die streitigen Dokumente Elemente, die ihrem Wesen nach besonders sensibel seien. So gebe es im Dokument WK 1513/2023 sensible sicherheitsrelevante Elemente in Bezug auf die Grenzen und die Probleme im Zusammenhang mit der Funktionsweise der Eurodac-Regelung in ihrer damals geltenden Fassung.
91 Zudem sei es nicht hypothetisch und bei vernünftiger Betrachtung absehbar gewesen, dass die in den streitigen Dokumenten enthaltenen Informationen von Akteuren, die den europäischen Interessen feindlich gesonnen seien, für den Versuch genutzt werden könnten, den Abschluss der Verhandlungen über das gesamte Migrations- und Asylpaket zu vereiteln oder einen Mitgliedstaat politisch zu schwächen.
92 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 nach ihrem vierten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu Dokumenten gewähren soll.
93 Dieses Recht unterliegt jedoch bestimmten Einschränkungen aufgrund öffentlicher oder privater Interessen. Insbesondere sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit ihrem elften Erwägungsgrund in Art. 4 eine Regelung über Ausnahmen vor, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern können, falls durch dessen Verbreitung eines der durch diesen Artikel geschützten Interessen beeinträchtigt würde (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
94 Da solche Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und strikt anzuwenden (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
95 Beschließen Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, bei denen Zugang zu einem Dokument beantragt wurde, diesen Antrag auf der Grundlage einer der Ausnahmen in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 abzulehnen, müssen sie grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das durch diese Ausnahme geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, wobei die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung bei vernünftiger Betrachtung absehbar sein muss und nicht rein hypothetisch sein darf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
96 So setzt die Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Nachweis voraus, dass der Zugang zu den begehrten Dokumenten geeignet war, konkret und tatsächlich den Schutz des Entscheidungsprozesses des betreffenden Organs zu beeinträchtigen und dass die Gefahr einer Beeinträchtigung bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch war (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).
97 Nach der Rechtsprechung ist die Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 u. a. dann „ernstlich“, wenn sich die Verbreitung der betreffenden Dokumente wesentlich auf den Entscheidungsprozess auswirkt. Die Beurteilung der Ernstlichkeit hängt von der Gesamtheit der Umstände des Falles ab, u. a. von den negativen Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess, die die Verbreitung der betreffenden Dokumente nach den Angaben des Organs hätte (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).
98 Diese Rechtsprechung darf nicht dahin ausgelegt werden, dass von den Organen verlangt würde, Beweise für das Vorliegen einer solchen Gefahr zu präsentieren. Es reicht insoweit aus, dass der angefochtene Beschluss konkrete Angaben enthält, die den Schluss zulassen, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses zum Zeitpunkt seines Erlasses bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch war, und die insbesondere zeigen, dass es zu jenem Zeitpunkt objektive Gründe gab, aufgrund deren bei vernünftiger Betrachtung absehbar war, dass es im Fall einer Verbreitung der angeforderten Dokumente zu solchen Beeinträchtigungen kommen würde (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
99 Im vorliegenden Fall wurden die streitigen Dokumente, wie oben in den Rn. 4 bis 7 ausgeführt, vom Generalsekretariat des Rates im Rahmen der Erörterung zweier Gesetzgebungsvorschläge erstellt, die Teil des Migrations- und Asylpakets waren, und enthielten jeweils eine Zusammenstellung von Bemerkungen der Delegationen der Mitgliedstaaten zu diesen beiden Gesetzgebungsvorschlägen.
100 Der Rat vertrat im angefochtenen Beschluss die Auffassung, dass die streitigen Dokumente in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, und begründete seine Analyse wie folgt:
„Die [streitigen] Dokumente betreffen die laufende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Verhandlungen in diesem sensiblen Bereich werden derzeit mit dem … Parlament über [den geänderten Vorschlag für] die Eurodac-Verordnung geführt, während die Verhandlungen über [den Vorschlag für die Verordnung über] das Asyl- und Migrationsmanagement … gerade erst begonnen haben. Beide Dokumente enthalten Elemente, die den Standpunkt der Mitgliedstaaten darstellen und in Form vorläufiger oder intermediärer Bemerkungen für den internen Gebrauch bei Gesetzgebungsdossiers ausgetauscht wurden, von denen sich eines erst im Anfangsstadium des Trilog-Verfahrens befindet. Die Verbreitung dieser Bemerkungen würde die von den Delegationen geforderten oder akzeptierten Zugeständnisse und Kompromisse und die vorgeschlagenen oder in Betracht gezogenen Alternativen sowie die strategischen Ansätze für die Verhandlungen des Rates offenlegen, was seine Verhandlungsposition schwächen und erschweren und sich negativ auf seine künftigen Diskussionen mit dem … Parlament auswirken würde. In diesem Kontext und unter Berücksichtigung des Inhalts der beiden [streitigen] Dokumente ist der Rat der Auffassung, dass ihre Verbreitung den Entscheidungsprozess des Organs konkret und tatsächlich beeinträchtigen würde.“
101 Wie die Republik Finnland ausführt, lassen sich die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Rechtfertigungsgründe für jedes im Rahmen einer Arbeitsgruppe des Rates erstellte und den Standpunkt der Mitgliedstaaten in als sensibel eingestuften Gesetzgebungsverfahren zusammenstellende WK-Dokument anführen.
102 Der angefochtene Beschluss beschreibt nämlich weder den spezifischen Inhalt der streitigen Dokumente, noch enthält er die oben in den Rn. 88 bis 91 wiedergegebene Begründung der Französischen Republik, die deshalb bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht berücksichtigt werden kann.
103 Wie oben aus Rn. 100 hervorgeht, hat der Rat im angefochtenen Beschluss im Wesentlichen die nachstehend dargelegten Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten angeführt.
104 Erstens hat der Rat angegeben, dass die streitigen Dokumente die laufende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems beträfen und dass in diesem „sensiblen“ Bereich Verhandlungen mit dem Parlament und innerhalb des Rates geführt würden.
105 Dazu erläutert die Französische Republik, dass das von der Kommission vorgeschlagene Migrations- und Asylpaket für die Union von großer politischer Bedeutung gewesen sei.
106 Die bloße Erwähnung des sensiblen Charakters der Verhandlungen oder der politischen Bedeutung des fraglichen Bereichs im angefochtenen Beschluss kann aber die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten nicht rechtfertigen. Auch wenn sie Angelegenheiten von gewisser Bedeutung betreffen, die möglicherweise durch sowohl politische als auch rechtliche Schwierigkeiten gekennzeichnet sind, ist dem Beschluss nämlich nicht zu entnehmen, dass der Inhalt der streitigen Dokumente insofern besonders sensibel war, als im Fall der Verbreitung ein grundlegendes Interesse der Union oder der Mitgliedstaaten in Frage gestellt worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
107 Zweitens hat der Rat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die streitigen Dokumente vorläufige oder intermediäre Bemerkungen für den internen Gebrauch bei Gesetzgebungsdossiers enthielten, von denen sich eines im Anfangsstadium des Trilog-Verfahrens befinde.
108 In Bezug auf diesen zweiten Grund hat der Rat vor dem Gericht erläutert, dass die Bemerkungen der Mitgliedstaaten in einem frühen technischen Stadium und ohne politische Verpflichtung formuliert worden seien. Darüber hinaus macht der Rat geltend, dass die Veröffentlichung bestimmter vorläufiger Bemerkungen, die in einem sehr frühen Stadium auf technischer Ebene abgegeben worden seien, mit einer bei vernünftiger Betrachtung absehbaren Gefahr verbunden gewesen sei, dass sie sich auf das gegenseitige Vertrauen zwischen den technischen Sachverständigen der Mitgliedstaaten auswirken werde und den Standpunkt der Mitgliedstaaten in den betreffenden Gesetzgebungsverfahren sehr erschweren könne, da sich aus diesen vorläufigen Bemerkungen Bedenken, Vorschläge oder Standpunkte hätten ergeben können, die von den Mitgliedstaaten später aufgrund technischer oder politischer Diskussionen geändert worden seien oder nicht dem endgültigen Standpunkt des Rates entsprochen hätten.
109 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der vorläufige Charakter der Erörterungen über den fraglichen Gesetzgebungsvorschlag, wie der Rat vor dem Gericht anerkannt hat, für sich genommen die Anwendung der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme nicht rechtfertigen kann. Diese Bestimmung trifft nämlich keine Unterscheidung nach dem Stand der Erörterungen. Sie erfasst allgemein Dokumente, die sich auf eine Angelegenheit beziehen, in der das betreffende Organ „noch keinen Beschluss gefasst hat“, anders als Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2, der sich auf Fälle bezieht, in denen das betreffende Organ bereits entschieden hat (vgl. Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).
110 Nach der Rechtsprechung ist es unerheblich, ob die in Rede stehenden Dokumente in einem frühen, einem fortgeschrittenen oder dem Endstadium des Entscheidungsprozesses erstellt oder übermittelt wurden. Ebenso wenig spielt es für die Auslegung der Ausnahme in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 eine Rolle, ob dies in einem formellen oder informellen Kontext geschah (vgl. Urteil vom 22. März 2018, De Capitani/Parlament, T‑540/15, EU:T:2018:167, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).
111 Ferner ist entschieden worden, dass der „technische“ Charakter eines Dokuments kein relevantes Kriterium für die Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 ist (Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 95).
112 Überdies sind die Mitglieder der Arbeitsgruppen des Rates mit einem Mandat der von ihnen vertretenen Mitgliedstaaten ausgestattet und äußern bei den Beratungen über einen bestimmten Gesetzgebungsvorschlag den Standpunkt ihres Mitgliedstaats im Rat, wenn der Rat als Mitgesetzgeber tätig wird. Dass die Arbeitsgruppen nicht befugt sind, den endgültigen Standpunkt des Rates festzulegen, bedeutet weder, dass ihre Arbeiten nicht zu den üblichen Bestandteilen des Gesetzgebungsverfahrens gehören, noch, dass die erstellten Dokumente entgegen dem Vorbringen des Klägers „technischer“ und nicht politischer Art sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 95).
113 Zudem dient ein Vorschlag seinem Wesen nach dazu, erörtert zu werden, und soll nach dieser Erörterung nicht unverändert bleiben. Die öffentliche Meinung ist durchaus imstande, nachzuvollziehen, dass der Urheber eines Vorschlags dessen Inhalt in der Folge ändern kann. Gerade deshalb ist einer Person, die einen Antrag auf Zugang zu legislativen Dokumenten im Rahmen eines laufenden Verfahrens stellt, vollkommen bewusst, dass die darin enthaltenen Informationen vorläufigen Charakter haben und im Lauf der Erörterungen im Rahmen der Vorarbeiten der Arbeitsgruppe des Rates bis zur Erzielung einer Einigung über den gesamten Text geändert werden können (vgl. Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).
114 Daher kann sich die Verbreitung der Standpunkte jeder Delegation der Mitgliedstaaten als solche weder auf das gegenseitige Vertrauen zwischen ihren technischen Sachverständigen noch auf die Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten in den Gesetzgebungsverfahren auswirken.
115 Daraus folgt, dass der vorläufige oder intermediäre Charakter der laufenden Erörterungen zwischen den Delegationen der Mitgliedstaaten, die sich in den streitigen Dokumenten widerspiegeln, sowie der Umstand, dass über die in Rede stehenden Gesetzgebungsvorschläge im Rat noch kein Konsens oder Kompromiss erzielt worden war, für sich genommen nicht belegen können, dass im Fall der Verbreitung dieser Dokumente die Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses bestand.
116 Drittens hat der Rat im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die Verbreitung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten die von den Delegationen geforderten oder akzeptierten Kompromisse und die vorgeschlagenen oder in Betracht gezogenen Alternativen sowie die strategischen Ansätze für die Verhandlungen des Rates offenlegen würde, was seine Verhandlungsposition schwächen und erschweren und sich negativ auf seine künftigen Diskussionen mit dem Parlament auswirken würde.
117 In Bezug auf diesen dritten Grund hat der Rat vor dem Gericht erläutert, dass bei dem Austausch, den die streitigen Dokumente widerspiegelten, Schwierigkeiten zutage getreten seien, die hätten gelöst werden müssen, bevor er seinen ursprünglichen, die Aufnahme von Trilogen ermöglichenden Standpunkt habe festlegen können, und dass es schwierig gewesen sei, Gesetzgebungsvorschläge auszuhandeln. Die Veröffentlichung von Bemerkungen eines Mitgliedstaats, in denen das Verhandlungsmandat oder die allgemeine Ausrichtung des Rates kritisiert werde, könne die Mitgliedstaaten in eine schwierige Lage bringen, wenn sie anschließend den Ratsvorsitz ausüben und diese allgemeine Ausrichtung verteidigen müssten. Die Kürze der Erläuterung im angefochtenen Beschluss sei insbesondere durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, diese sensiblen Interessen, die mit der Ausnahme zum Schutz des Entscheidungsprozesses geschützt werden sollten, nicht zu beeinträchtigen. Die Französische Republik fügt hinzu, in den streitigen Dokumenten seien sowohl die „roten Linien“ bestimmter Mitgliedstaaten als auch die Spielräume anderer Mitgliedstaaten benannt worden; ihre Verbreitung hätte die Fähigkeit einiger Mitgliedstaaten, sich zu äußern, zu verringern gedroht.
118 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung, da die Mitgliedstaaten im Rahmen der Arbeitsgruppen des Rates ihren jeweiligen Standpunkt zu einem bestimmten Gesetzgebungsvorschlag und den von ihnen mitgetragenen Änderungen äußern, der Umstand, dass diese Elemente anschließend auf Antrag offengelegt werden, für sich genommen nicht geeignet ist, die loyale Zusammenarbeit zu behindern, zu der die Mitgliedstaaten und die Organe einander gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet sind (vgl. Urteil vom 25. Januar 2023, De Capitani/Rat, T‑163/21, EU:T:2023:15, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
119 Im vorliegenden Fall sind die oben in den Rn. 116 und 117 geschilderten Rechtfertigungsgründe allgemeiner und abstrakter Natur. Die genaue und detaillierte Prüfung des Inhalts der streitigen Dokumente, die der Rat nach eigenen Angaben vorgenommen hat, spiegelt sich im angefochtenen Beschluss nicht wider. Darin wird nämlich weder der Inhalt dieser Dokumente erläutert noch der besondere Kontext des Entscheidungsprozesses, auf den sie sich beziehen. Die streitigen Dokumente, die auf Ersuchen des Gerichts vorgelegt worden und nunmehr für die Öffentlichkeit auf Antrag zugänglich sind (siehe oben, Rn. 11), zeigen, dass der Rat ihren Inhalt und den besonderen Kontext jedes der fraglichen Gesetzgebungsvorschläge näher hätte beschreiben können, ohne dadurch die konkreten Standpunkte der Mitgliedstaaten preiszugeben. Außerdem hat der Rat keinen greifbaren Beweis dafür vorgelegt, dass der Zugang zu diesen Dokumenten die loyale Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt hätte. Die behauptete Gefahr erscheint daher hypothetisch.
120 Nach alledem lässt keiner der vom Rat im angefochtenen Beschluss herangezogenen Gründe die Annahme zu, dass die Verbreitung der streitigen Dokumente den Entscheidungsprozess im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 in konkreter, tatsächlicher und nicht hypothetischer Weise ernstlich beeinträchtigen würde.
121 Mithin ist der zweite, der Sache nach zur Stützung des ersten Klagegrundes geltend gemachte Teil begründet, so dass ihm stattzugeben ist.
Ergebnis
122 Da der zweite Teil des ersten Klagegrundes durchgreift, ist dem ersten Klageantrag stattzugeben, so dass der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären ist, ohne dass das diesen Antrag betreffende Vorbringen zum dritten Teil des ersten Klagegrundes oder der zweite und der dritte Klagegrund, die ebenfalls zur Stützung dieses Antrags vorgebracht worden sind, geprüft zu werden brauchen.
Kosten
123 Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.
124 Im vorliegenden Fall sind der Kläger und der Rat mit ihren Anträgen teilweise unterlegen. Da der angefochtene Beschluss in vollem Umfang für nichtig erklärt worden ist, erscheint es jedoch gerechtfertigt, dem Rat außer seinen eigenen Kosten die Hälfte der Kosten des Klägers aufzuerlegen, und diesen zu verurteilen, die andere Hälfte seiner eigenen Kosten zu tragen.
125 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Belgien, die Französische Republik, die Republik Finnland und das Königreich Schweden ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Neunte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Der Beschluss SGS 23/002579 des Rates der Europäischen Union vom 14. Juli 2023 wird für nichtig erklärt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Rat trägt seine eigenen Kosten und die Hälfte der Herrn Emilio De Capitani entstandenen Kosten.
4. Herr De Capitani trägt die Hälfte seiner eigenen Kosten.
5. Das Königreich Belgien, die Französische Republik, die Republik Finnland und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.
Truchot
Sampol Pucurull
Perišin
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Oktober 2025.
Unterschriften