BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER VIERTEN KAMMER DES GERICHTS
18. Juni 2025(* )
„ Streithilfe – Berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits “
In der Rechtssache T‑576/24,
Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e. V. mit Sitz in Lassan (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt R. Klinger und Rechtsanwältin C. Douhaire,
Kläger,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch D. Milanowska, M. ter Haar und M. Zerwes als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER PRÄSIDENT DER VIERTEN KAMMER DES GERICHTS
folgenden
Beschluss
1 Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV beantragt der Kläger, das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft e. V., die Entscheidung der Kommission vom 15. August 2024 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) für nichtig zu erklären, mit der sein gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) gestellter Antrag auf interne Überprüfung zurückgewiesen wurde. Der Antrag auf interne Überprüfung betraf die Durchführungsverordnung (EU) 2024/324 der Kommission vom 19. Januar 2024 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Laufzeit der Genehmigung für die Wirkstoffe Benzovindiflupyr, Bromuconazol, Buprofezin, Cyflufenamid, Fluazinam, Fluopyram, Flutolanil, Lambda-Cyhalothrin, Mecoprop-P, Mepiquat, Metsulfuron-methyl, Phosphan und Pyraclostrobin (ABl. L 2024/324), soweit damit die Laufzeit der Genehmigung für den Wirkstoff Fluopyram verlängert wurde.
Sachverhalt und Verfahren
2 Der Wirkstoff Fluopyram war auf Antrag der Bayer CropScience AG bis zum 31. Januar 2024 durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 802/2013 der Kommission vom 22. August 2013 zur Genehmigung des Wirkstoffs Fluopyram gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2013, L 225, S. 13) genehmigt worden.
3 Am 8. März 2021 beantragte die Bayer AG die Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Fluopyram.
4 Der Genehmigungszeitraum für den Wirkstoff Fluopyram wurde mit der Durchführungsverordnung 2024/324 bis zum 30. Juni 2026 verlängert.
5 Am 18. März 2024 stellte der Kläger bei der Kommission einen Antrag auf interne Überprüfung der Durchführungsverordnung 2024/324; gegen die Zurückweisung dieses Antrags durch die angefochtene Entscheidung erhob er sodann die oben in Rn. 1 genannte Klage.
6 Mit Schriftsatz, der am 24. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragten die Bayer AG und die Bayer CropScience Deutschland GmbH, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden.
7 Der Antrag auf Zulassung zur Streithilfe ist den Parteien gemäß Art. 144 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zugestellt worden.
8 Mit seiner am 6. März 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Stellungnahme hat der Kläger gegen den Antrag auf Zulassung zur Streithilfe Einwände erhoben.
Rechtliche Würdigung
9 Nach Art. 40 Abs. 2 und 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können alle Personen, die ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits glaubhaft machen, dem Rechtsstreit beitreten, sofern es sich nicht um einen Rechtsstreit zwischen Mitgliedstaaten, zwischen Organen der Union oder zwischen Mitgliedstaaten und Organen der Union handelt.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Begriff „berechtigtes Interesse am Ausgang eines Rechtsstreits“ im Sinne dieser Bestimmung anhand des Gegenstands des Rechtsstreits zu bestimmen und als ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, wie die Anträge selbst beschieden werden, und nicht als ein Interesse an den geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln oder Argumenten. Denn unter dem „Ausgang des Rechtsstreits“ ist die beantragte Endentscheidung zu verstehen, wie sie sich im Tenor des Urteils niederschlagen würde (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. Februar 2019, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:107, Rn. 5 und die dort angeführte Rechtsprechung).
11 Insoweit ist insbesondere zu prüfen, ob derjenige, der einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer stellt, von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen ist und ob sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist. Grundsätzlich kann ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits nur dann als hinreichend unmittelbar angenommen werden, wenn dieser Ausgang eine Änderung der Rechtsstellung des Antragstellers bewirken könnte (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. Februar 2019, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:107, Rn. 8, und des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 17. Mai 2018, Vereinigte Staaten/Apple Sales International u. a., C‑12/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:330, Rn. 8 und die dort angeführte Rechtsprechung).
12 Um ihr berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft zu machen, führen die Streithilfeantragstellerinnen im vorliegenden Fall aus, dass es sich bei der ersten Antragstellerin, der Bayer AG, um die Muttergesellschaft der Bayer-Gruppe handele. Die zweite Antragstellerin, die Bayer CropScience Deutschland GmbH, eine mittelbare Tochtergesellschaft der ersten Streithilfeantragstellerin, verantworte in Deutschland den Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln und sei zugleich Inhaberin der erforderlichen Zulassungen für diese Mittel, auch für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Fluopyram. Sie habe am 30. Juni 2008 auch die Zulassung des Wirkstoffs Fluopyram in der Europäischen Union beantragt. Die Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs sei von der ersten Streithilfeantragstellerin beantragt worden.
13 Die Streithilfeantragstellerinnen machen geltend, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung die Kommission verpflichten würde, erneut über den Antrag des Klägers auf interne Überprüfung zu entscheiden, was zur Aufhebung der Durchführungsverordnung 2024/324 führen könnte. Eine Folge wie das Erlöschen der Genehmigung des Wirkstoffs Fluopyram würde sich auf die Streithilfeantragstellerinnen auswirken.
14 Die erste Streithilfeantragstellerin verlöre in einem solchen Fall nämlich die Vorteile der Genehmigung des Wirkstoffs Fluopyram. Sie hätte nicht länger eine Rechtsgrundlage, um diesen Wirkstoff für den Unionsmarkt herzustellen oder herstellen zu lassen, und wäre möglicherweise verpflichtet, ihre Vertragspartner zu entschädigen. Für die zweite Streithilfeantragstellerin würden die Zulassungen der auf Fluopyram basierenden Pflanzenschutzmittel und damit der Vertrieb dieser Produkte, die ihre zentrale Geschäftstätigkeit darstellten, in Frage gestellt.
15 Aus dem Vorbringen der Streithilfeantragstellerinnen ergibt sich, dass sie grundsätzlich ein berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits im Sinne der oben in Rn. 10 wiedergegebenen Rechtsprechung haben.
16 Der Kläger erhebt jedoch zwei Einwände gegen den Streithilfeantrag.
17 Erstens betreffe die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung die Interessen der Streithilfeantragstellerinnen nicht unmittelbar. Die geltend gemachte Betroffenheit resultiere aus einer neuen Entscheidung der Kommission und gegebenenfalls aus der Aufhebung der Durchführungsverordnung 2024/324.
18 Das Gericht weist darauf hin, dass im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung die Kommission gemäß Art. 266 AEUV die sich aus dem Aufhebungsurteil der Unionsgerichte ergebenden Maßnahmen zu ergreifen hat.
19 Unter den Umständen des vorliegenden Falles könnte die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gegebenenfalls dazu führen, dass die Kommission erneut über den Antrag auf interne Überprüfung entscheidet und, wenn die interne Überprüfung abgeschlossen ist, den Antrag auf interne Überprüfung mit einer mit Gründen versehenen Entscheidung entweder als unbegründet oder deshalb zurückweist, weil die interne Überprüfung nicht zu einem anderen Ergebnis als dem des in Rede stehenden Rechtsakts geführt hat, oder, soweit rechtlich zulässig, jede andere von ihr für angemessen gehaltene Maßnahme zur Änderung des in Rede stehenden Rechtsakts einschließlich der Änderung, Aussetzung oder Aufhebung der Durchführungsverordnung zur Verlängerung des Genehmigungszeitraums des Wirkstoffs Fluopyram ergreift, gegen die sich der Antrag auf interne Überprüfung richtet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2016, TestBioTech u. a./Kommission, T‑177/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:736, Rn. 52).
20 Der Ausgang einer solchen Überprüfung könnte aber die Rechtsstellung der Bayer CropScience Deutschland GmbH als Inhaberin nationaler Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Fluopyram enthaltenden Pflanzenschutzmitteln beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. Juni 2019, Mellifera/Kommission, C‑784/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:479, Rn. 21). Er könnte aber auch die Rechtsstellung der Bayer AG als das die Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs beantragende Unternehmen sowie als Herstellerin dieses Wirkstoffs beeinträchtigen.
21 Dieses Argument des Klägers ist daher zurückzuweisen.
22 Zweitens bringt der Kläger vor, dass nicht dargelegt worden sei, weshalb die Streithilfeantragstellerinnen nebeneinander ein eigenständiges unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hätten.
23 Zum einen lässt sich jedoch der Rn. 20 dieses Beschlusses entnehmen, dass beide Streithilfeantragstellerinnen jeweils ein eigenständiges berechtigtes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Zum anderen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es für die Zulassung einer Partei zur Streithilfe genügt, dass diese ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat; dies kann gleichzeitig bei der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft vorliegen, und allein aufgrund des Umstands, dass zwei Unternehmen wirtschaftlich verbunden sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass nur eines davon zur Streithilfe zugelassen werden kann (vgl. Beschluss vom 22. Januar 2019, Activos e Inversiones Monterroso/SRB, T‑16/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:35, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).
24 Folglich ist dieses Argument des Klägers zurückzuweisen.
25 Der Kläger hat erklärt, dass er beabsichtige, zu beantragen, bestimmte in den Akten enthaltene vertrauliche Angaben von der Übermittlung an die Streithelferinnen auszuschließen. Ihm wird eine Frist zur Einreichung eines Antrags auf vertrauliche Behandlung und zur Vorlage einer nicht vertraulichen Fassung der fraglichen Verfahrensschriftstücke zum Zweck dieser Übermittlung gesetzt.
26 Die Übermittlung der den Hauptparteien zugestellten und gegebenenfalls noch zuzustellenden Schriftstücke an die Streithelferinnen wird gemäß Art. 144 Abs. 5 und 7 der Verfahrensordnung auf eine nicht vertrauliche Fassung beschränkt. Über die Begründetheit des Antrags auf vertrauliche Behandlung wird gegebenenfalls später im Hinblick auf insoweit möglicherweise vorgebrachte Einwände entschieden.
Aus diesen Gründen hat
DER PRÄSIDENT DER VIERTEN KAMMER DES GERICHTS
beschlossen:
1. Die Bayer AG und die Bayer CropScience Deutschland GmbH werden in der Rechtssache T ‑576/24 als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.
2. Dem Kläger wird eine Frist zur Einreichung eines Antrags auf vertrauliche Behandlung und zur Vorlage einer nicht vertraulichen Fassung der fraglichen Verfahrensschriftstücke zum Zweck der Übermittlung an die Bayer AG und die Bayer CropScience Deutschland GmbH gesetzt.
3. Der Kanzler übermittelt der Bayer AG und der Bayer CropScience Deutschland GmbH eine nicht vertrauliche Fassung aller den Hauptparteien zugestellten Verfahrensschriftstücke.
4. Der Bayer AG und der Bayer CropScience Deutschland GmbH wird eine Frist zur Erhebung von Einwänden in Bezug auf den Antrag auf vertrauliche Behandlung gesetzt. Die Entscheidung über die Begründetheit dieses Antrags bleibt vorbehalten.
5. Der Bayer AG und der Bayer CropScience Deutschland GmbH wird eine Frist zur Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes gesetzt, unbeschadet der Möglichkeit, diesen später nach einer Entscheidung über die Begründetheit des Antrags auf vertrauliche Behandlung gegebenenfalls zu ergänzen.
6. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 18. Juni 2025
Der Kanzler
Der Präsident
V. Di Bucci
R. da Silva Passos