URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)
23. Juli 2025(* )
„ Unionsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Unionsgeschmacksmuster, das einen Pavillon darstellt – Älteres Geschmacksmuster – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Eigenart – Art. 6 und Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 “
In der Rechtssache T‑54/24,
EveMotion GmbH mit Sitz in Berlin (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt G. Dahle,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Nicolás Gómez als Bevollmächtigte,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:
WMK Trading GmbH mit Sitz in Altenberge (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Wallscheid,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Buttigieg und I. Dimitrakopoulos,
Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2025
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die EveMotion GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 1. Dezember 2023 (Sache R 436/2023-3) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Am 18. Februar 2022 stellte die Streithelferin, die WMK Trading GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Unionsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) einen Antrag auf Nichtigerklärung des am 9. Juli 2018 beim EUIPO angemeldeten und eingetragenen Unionsgeschmacksmusters Nr. 005490596-0003, dessen Inhaberin die Klägerin ist.
3 Das angegriffene Geschmacksmuster wird in folgender Ansicht dargestellt:
4 Es ist zur Verwendung für folgendes Erzeugnis in Klasse 25.03 des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle vom 8. Oktober 1968 in geänderter Fassung bestimmt: „Pavillons“.
5 Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in seiner Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2024/2822 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 (ABl. L, 2024/2822) gestützt. Die Streithelferin machte insbesondere geltend, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Eigenart im Sinne von Art. 6 dieser Verordnung fehle.
6 Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde u. a. auf ein älteres Unionsgeschmacksmuster gestützt, das spätestens am 7. März 2016 offenbart wurde und wie folgt dargestellt wird:
7 Am 15. Februar 2023 erklärte die Nichtigkeitsabteilung das angegriffene Geschmacksmuster für nichtig.
8 Am 21. Februar 2023 legte die Klägerin beim EUIPO gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.
9 Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, dem angegriffenen Geschmacksmuster fehle es an Eigenart im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002.
Anträge der Parteien
10 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
11 Das EUIPO beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.
12 Die Streithelferin beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
13 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 geltend. In der mündlichen Verhandlung hat sie klargestellt, dass sie keinen zweiten Klagegrund geltend mache, mit dem eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt werde.
14 Mit ihrem einzigen Klagegrund bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beschwerdekammer habe durch die Feststellung, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Eigenart fehle, gegen Art. 6 der Verordnung Nr. 6/2002 verstoßen.
15 Zur Stützung ihres einzigen Klagegrundes macht die Klägerin fünf Rügen geltend, mit denen sie der Beschwerdekammer vorwirft, erstens bei der Prüfung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters einen zu strengen Maßstab angelegt zu haben, zweitens die Bedeutung der Beleuchtung des im angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Pavillons verkannt zu haben, drittens zu Unrecht angenommen zu haben, dass nicht nachgewiesen sei, dass der Formenschatz gesättigt gewesen sei, viertens fehlerhaft davon ausgegangen zu sein, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers nicht beschränkt gewesen sei, und fünftens nicht zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass das angegriffene Geschmacksmuster einen besonderen Gesamteindruck hervorrufe, der anders sei als der, der vom älteren Geschmacksmuster hervorgerufen werde.
16 Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
Einleitende Erwägungen
17 Nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 in seiner früheren Fassung kann ein Unionsgeschmacksmuster für nichtig erklärt werden, wenn es die Voraussetzungen der Art. 4 bis 9 dieser Verordnung, insbesondere die Neuheit und die Eigenart, nicht erfüllt.
18 Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 hat ein eingetragenes Unionsgeschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag zugänglich gemacht worden ist, bei diesem Benutzer hervorruft.
19 Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 ist außerdem bei der Beurteilung dieser Eigenart der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters zu berücksichtigen.
20 Die Beurteilung der Eigenart eines Unionsgeschmacksmusters erfolgt im Wesentlichen in einer Prüfung in vier Schritten. Zu bestimmen sind erstens der Bereich der Erzeugnisse, in die das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll, zweitens der informierte Benutzer dieser Waren je nach ihrer Zweckbestimmung und mit Bezug auf diesen informierten Benutzer der Grad der Kenntnis vom Stand der Technik sowie der Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf Ähnlichkeiten und Unterschiede beim Vergleich der Geschmacksmuster, drittens der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters, dessen Einfluss auf die Eigenart umgekehrt proportional ist, und viertens, unter Berücksichtigung des Grades der Gestaltungsfreiheit, das Ergebnis des möglichst direkten Vergleichs der Gesamteindrücke, die das angegriffene Geschmacksmuster und jedes ältere, der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Geschmacksmuster beim informierten Benutzer jeweils hervorrufen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, Visi/one/EUIPO) – EasyFix [Informationsblatthalter für Fahrzeuge], T‑74/18, EU:T:2019:417, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).
21 Außerdem ist bei der Beurteilung der Eigenart eines Geschmacksmusters in Bezug auf den vorbestehenden Formenschatz auch eine etwaige Sättigung des Stands der Technik sowie die Art der Benutzung des in Rede stehenden Erzeugnisses zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 7. November 2013, Budziewska/HABM) – Puma [Springende Raubkatze], T‑666/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:584, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
22 Im Licht dieser Grundsätze sind in der Prüfungsphase, der sie zugeordnet werden können, die verschiedenen oben in Rn. 15 zusammengefassten Rügen der Klägerin zu prüfen und zu ermitteln, ob die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall durch die Feststellung, dass dem angegriffenen Geschmacksmuster die Eigenart fehle, einen Beurteilungsfehler begangen hat.
Zum betreffenden Bereich und zu dem in Rede stehenden Erzeugnis
23 Die Beschwerdekammer hat in Rn. 27 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster, insbesondere das angegriffene Geschmacksmuster, Gartenpavillons (im Folgenden: Pavillons) beträfen, was die Klägerin nicht bestreitet.
Zum informierten Benutzer und zu seinem Aufmerksamkeitsgrad
24 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung den informierten Benutzer als informierten Benutzer definiert, der Pavillons gewöhnlich benutze und sie bestimmungsgemäß verwende. Dieser Benutzer sei mit den Merkmalen von Pavillons vertraut, kenne die verschiedenen Arten von auf dem Markt verfügbaren Pavillons sowie die in diesem Bereich vorhandenen Geschmacksmuster. Nach der Rechtsprechung lege er auch einen relativ hohen Aufmerksamkeitsgrad an den Tag.
25 Die Klägerin wendet sich nicht gegen diese Beurteilungen der Beschwerdekammer.
Zum Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers
26 Der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung eines Geschmacksmusters wird nach der Rechtsprechung insbesondere durch die Vorgaben bestimmt, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Diese Vorgaben führen zu einer Standardisierung bestimmter Merkmale, die dann zu gemeinsamen Merkmalen mehrerer beim betreffenden Erzeugnis verwendeter Geschmacksmuster werden (Urteil vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM – PepsiCo [Darstellung eines runden Werbeträgers], T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 67).
27 Die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers kann nicht sehr groß sein, wenn ein Gegenstand bestimmte technische Merkmale aufweisen muss, um seine Funktion ordnungsgemäß erfüllen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2017, Murphy/EUIPO – Nike Innovate [elektronisches Uhrenarmband], T‑90/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:464, Rn. 41).
28 Umgekehrt sehen die Gerichte der Europäischen Union den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers als groß oder sehr groß an, wenn für ein Erzeugnis verschiedene Gestaltungen vorstellbar sind, wenn das Erzeugnis in einer Vielzahl von Formen, Farben oder Materialien hergestellt werden kann, wenn die Beschreibung des betreffenden Erzeugnisses sehr weit ist und keine Angaben über seine Art oder Funktionalität enthält oder wenn die funktionalen Zwänge betreffend das Vorhandensein bestimmter wesentlicher Elemente sich nicht in bedeutsamem Maße auf die Form und das allgemeine Erscheinungsbild des Erzeugnisses auswirken, das verschiedene Formen haben und auf verschiedene Art und Weise gestaltet sein kann (vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, Informationsblatthalter für Fahrzeuge, T‑74/18, EU:T:2019:417, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).
29 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 35 bis 38 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt, dass ein Pavillon zwar stabil sein und ein Dach aufweisen müsse, aber alle denkbaren Grundformen (rund, oval, rechteckig, fünfeckig …) haben könne und nicht notwendigerweise bewegliche Seitenwände aufweisen müsse. Es gebe auch keine auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften, die die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers beschränkten. Sie hat daher die Ansicht vertreten, dass diese Freiheit „nicht eingeschränkt“ sei.
30 Die Feststellungen der Beschwerdekammer zu der Möglichkeit, alle denkbaren Grundformen zu verwenden, sowie zum Fehlen von Vorgaben, die sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, werden von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Sie macht jedoch geltend, die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers sei zum einen wegen bestimmter technischer Notwendigkeiten bei der Einfügung einer Beleuchtung in die Dachkonstruktion und zum anderen wegen der Sättigung des Formenschatzes für Pavillons beschränkt gewesen.
31 Was erstens die technischen Notwendigkeiten betrifft, die mit der Einfügung einer Beleuchtung in die Dachkonstruktion zusammenhängen sollen, macht die Klägerin geltend, dass die technische Funktion der aus Leuchtdioden (LED) bestehenden Leuchtpunkte es erforderlich gemacht habe, eine Fassung für die Leuchtmittel mit einer Befestigungsvorrichtung in der Dachkonstruktion zu kombinieren. Ferner füge sich die Verkabelung, die die Stromversorgung dieser Lichtpunkte sicherstelle, durch besonders geformte Klemmen, die eine Aufnahme der Leuchtpunkte ermöglichten, dergestalt in den Rahmen ein, dass die Verkabelung unsichtbar bleibe.
32 Die Klägerin weist jedoch nicht nach und behauptet nicht einmal, dass sich die Vorgaben, die mit der technischen Funktion der LED-Lichtpunkte und dem Einfügen der Verkabelung in den Rahmen zusammenhängen, in bedeutsamem Maße auf die Form und das allgemeine Erscheinungsbild des Erzeugnisses auswirkten. Diese Lichtpunkte können nämlich, auch wenn sie auf dem Rahmen positioniert sind, verschiedene Formen haben und auf verschiedene Art und Weise angeordnet sein. Diese Vorgaben haben demnach keine Beschränkung des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers zur Folge.
33 Außerdem kann sich die Klägerin nicht auf die besondere Form der Klemmen berufen, da ein solches Merkmal, das in der Darstellung des angegriffenen Geschmacksmusters nicht sichtbar ist, bei der Klärung der Schutzfähigkeit des angegriffenen Geschmacksmusters nicht berücksichtigt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2014, Biscuits Poult/HABM – Banketbakkerij Merba [Keks], T‑494/12, EU:T:2014:757, Rn. 29).
34 Was zweitens die behauptete Sättigung des Formenschatzes für Pavillons betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass eine Sättigung des Stands der Technik nicht als Beschränkung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers angesehen werden kann (Urteil vom 16. Februar 2017, Antrax It/EUIPO – Vasco Group [Thermosiphons für Heizkörper], T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 55). Diese Situation, die sich aus dem Vorhandensein von Geschmacksmustern ergibt, die dieselben Gesamtmerkmale wie das in Rede stehende Geschmacksmuster aufweisen, kann nämlich keine Vorgabe darstellen, die mit den durch die technische Funktion eines Erzeugnisses oder eines Bestandteils eines Erzeugnisses bedingten Merkmalen zusammenhängt, und entspricht keinen gesetzlichen Vorgaben für das Erzeugnis (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 2021, Legero Schuhfabrik/EUIPO – Rieker Schuh [Schuh], T‑684/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:912, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Demnach ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers als hoch anzusehen, so dass die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass diese Freiheit im vorliegenden Fall „nicht eingeschränkt“ sei, keinen Beurteilungsfehler begangen hat.
Zur Sättigung des Stands der Technik
36 Eine etwaige Sättigung des Stands der Technik kann den informierten Benutzer stärker für Unterschiede zwischen den verglichenen Geschmacksmustern sensibilisieren (Urteil vom 16. Februar 2017, Thermosiphons für Heizkörper, T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 55), was zur Folge hat, dass ein Geschmacksmuster aufgrund einer Sättigung des Stands der Technik Eigenart aufgrund von Merkmalen haben kann, die ohne eine solche Sättigung nicht geeignet wären, beim selben informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen (Urteil vom 12. März 2014, Tubes Radiatori/HABM – Antrax It [Heizkörper], T‑315/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:115, Rn. 87).
37 Grundsätzlich und unbeschadet der Feststellung einer allgemein bekannten Tatsache hat die Partei, die sich auf eine Sättigung des Stands der Technik beruft, hinreichend klare, präzise und schlüssige Beweise dafür vorzulegen, dass es im betreffenden Bereich eine Vielzahl ähnlicher Geschmacksmuster mit denselben Gesamtmerkmalen gebe (Urteil vom 21. Juni 2018, Haverkamp IP/EUIPO – Sissel [Fußmatte], T‑227/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:370, Rn. 66).
38 Wie die Beschwerdekammer in Rn. 42 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, müssen sich diese Beweise auf eine am Anmelde- oder Prioritätstag des angegriffenen Geschmacksmusters bestehende Sättigung des Stands der Technik beziehen (Urteil vom 15. Juni 2022, Tubes Radiatori/EUIPO – Antrax It (Heizkörper), T‑380/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:359, Rn. 75). Daher ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung einer etwaigen Sättigung des Stands der Technik in diesem Fall der 9. Juli 2018, was im Übrigen von den Parteien nicht bestritten wird.
39 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in den Rn. 43 bis 45 der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen festgestellt, dass die Klägerin keine ausreichenden Beweise vorgelegt habe, die belegen könnten, dass der Formenschatz im Bereich der Pavillons gesättigt sei. Die Klägerin habe nämlich den Dienststellen des EUIPO nur Ergebnisse von Internetrecherchen vorgelegt, die am 15. Juni 2023, d. h. fast fünf Jahre nach dem Tag der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters, durchgeführt worden seien und aus denen nicht ersichtlich sei, wie der Formenschatz am Tag der Anmeldung ausgesehen habe.
40 Die Klägerin bestreitet nicht die zeitliche Irrelevanz der der Beschwerdekammer vorgelegten Ergebnisse von Internetrecherchen. Sie macht allenfalls geltend, dass der Zeitpunkt der Offenbarung der in diesen Rechercheergebnissen dargestellten Geschmacksmuster nicht entscheidend sei. Weitere nicht bestrittene Angaben und weiteres Vorbringen in den Akten ließen nämlich die Feststellung zu, dass es zum Zeitpunkt der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters bereits eine große Vielfalt und Dichte an Formen von Pavillons gegeben habe, so dass der Formenschatz gesättigt gewesen sei.
41 Hierzu erwähnt die Klägerin erstens die von der Streithelferin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung geltend gemachten älteren Geschmacksmuster, die sich in den Anlagen zu diesem Antrag finden.
42 Insoweit ist den Akten in der Tat zu entnehmen, dass die Streithelferin den Antrag auf Nichtigerklärung neben dem älteren Geschmacksmuster, das spätestens am 7. März 2016 offenbart wurde, auf drei weitere ältere Geschmacksmuster gestützt hatte, die zwischen dem 1. Mai 2014 und dem 3. September 2016 offenbart worden waren. Insbesondere hatte die Streithelferin Fotos des Pavillons „Minzo“ vorgelegt, der von der Klägerin selbst zunächst ohne Beleuchtung und dann spätestens ab dem 12. April 2018 mit Beleuchtung verkauft wurde.
43 Die Präsenz von vier Pavillons auf dem Markt, die von vier Unternehmen hergestellt werden, genügt jedoch offensichtlich nicht, um das Vorhandenseins einer großen Vielfalt an Formen von Pavillons sowie die gesättigte Musterdichte in diesem Bereich nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Fußmatte, T‑227/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:370, Rn. 66).
44 Zweitens macht die Klägerin geltend, sie habe weitere Entgegenhaltungen aus parallel geführten Verletzungsverfahren vorgelegt, aus denen folge, dass der Formenschatz für Pavillons ohne Lichterkette gesättigt gewesen sei.
45 Insoweit macht die Klägerin in dem Teil der Klageschrift, in dem es um die Sättigung des Stands der Technik geht, nicht deutlich, auf welche Verletzungsverfahren sie sich bezieht.
46 Zwar erwähnt die Klägerin in anderen Teilen der Klageschrift ein Verletzungsverfahren, das zu einem Urteil des Landgerichts Berlin (Deutschland) vom 12. April 2022 und anschließend im Rahmen einer Berufung gegen dieses Urteil zu einem Hinweis des Kammergerichts Berlin (Deutschland) vom 28. Oktober 2022 an die Parteien geführt habe. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin auf dieses Verletzungsverfahren Bezug nehmen möchte, ist jedoch festzustellen, dass sie weder erläutert noch deutlich macht, wie mit diesem Verfahren eine etwaige Sättigung des Stands der Technik belegt werden könnte.
47 Drittens trägt die Klägerin vor, die Streithelferin habe zur Begründung ihres Nichtigkeitsantrags bereits den Umstand angeführt, dass Pavillons mit Twin-Top-Dach ohne Beleuchtung schon vor der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters bekannt gewesen seien.
48 Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass sich die Klägerin nicht auf eine konkrete Passage des Nichtigkeitsantrags bezieht, kann nämlich der Umstand, dass ein bestimmter Pavillontyp bereits bekannt war, nicht zum Nachweis der Sättigung des Stands der Technik in dem betreffenden Bereich genügen.
49 Viertens behauptet die Klägerin nicht, dass es sich bei der Sättigung des Stands der Technik im Bereich der Pavillons zum Zeitpunkt der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters um eine allgemein bekannte Tatsache handele.
50 Demnach hat die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis der Sättigung des Stands der Technik im Bereich der Pavillons nicht erbracht. Folglich kann sie nicht mit Erfolg geltend machen, dass der informierte Benutzer aufgrund dieser Sättigung für kleinste Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern sensibilisiert sei.
Zum Gesamteindruck
51 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich die Eigenart eines Geschmacksmusters aus einem Gesamteindruck der Unähnlichkeit oder des Fehlens eines „Déjà-vu“ aus der Sicht des informierten Benutzers im Vergleich zum vorbestehenden Formenschatz älterer Geschmacksmuster, ungeachtet der Unterschiede, die – auch wenn sie über unbedeutende Details hinausgehen – nicht markant genug sind, um diesen Gesamteindruck zu beeinträchtigen, aber unter Berücksichtigung von Unterschieden, die hinreichend ausgeprägt sind, um einen unähnlichen Gesamteindruck hervorzurufen (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, Thermosiphons für Heizkörper, T‑828/14 und T‑829/14, EU:T:2017:87, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Unterschiede reichen nicht aus, um den Gesamteindruck der Unähnlichkeit zu erwecken, wenn sie nicht hinreichend ausgeprägt sind, um die in Rede stehenden Erzeugnisse in der Wahrnehmung des informierten Benutzers zu unterscheiden oder die zwischen den Geschmacksmustern festgestellten Ähnlichkeiten auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2010, Wiedergabe eines runden Werbeträgers, T‑9/07, EU:T:2010:96, Rn. 77 bis 84).
53 Der Vergleich der durch die einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster erweckten Gesamteindrücke muss synthetischer Art sein und kann sich nicht auf den analytischen Vergleich einer Aufzählung von Ähnlichkeiten und Unterschieden beschränken. Diesem Vergleich müssen die offenbarten Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters zugrunde gelegt werden, und er darf sich nur auf die tatsächlich geschützten Elemente stützen, ohne die vom Schutz ausgeschlossenen Merkmale – insbesondere technischer Art – zu berücksichtigen. Er muss sich grundsätzlich auf die Geschmacksmuster in ihrer eingetragenen Form beziehen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2019, Informationsblatthalter für Fahrzeuge, T‑74/18, EU:T:2019:417, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).
54 Darüber hinaus bedingt die Natur des informierten Benutzers an sich, dass er, soweit möglich, einen direkten Vergleich der fraglichen Geschmacksmuster vornimmt (Urteil vom 20. Oktober 2011, PepsiCo/Grupo Promer Mon Graphic, C‑281/10 P, EU:C:2011:679, Rn. 55).
55 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer einen direkten Vergleich der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster vorgenommen. Sie hat festgestellt, dass diese Geschmacksmuster im Wesentlichen dieselben Merkmale aufwiesen, nämlich erstens sechs Standbeine (Stelzen) in gleicher Anordnung, zweitens einen ähnlichen Rahmen mit durch Raffhalter an den Stelzen befestigten Gardinen, die die Seiten bildeten, drittens die gleichen integrierten verschließbaren Seitenwände, die offen dargestellt seien, und viertens ein zweistufiges Doppeldach, jeweils mit rechteckiger Grundfläche und ähnlichen Dachstreben zur Stützung des Dachs (vgl. Rn. 51 und 52 der angefochtenen Entscheidung).
56 Die Beschwerdekammer hat eingeräumt, dass es zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern Unterschiede gebe, die erstens mit der Struktur der Dachstreben, zweitens mit der Farbe der Gardinen und drittens mit der Aufnahme einer Lichterkette in das angegriffene Geschmacksmuster zusammenhingen. Diese Unterschiede seien jedoch kaum wahrnehmbar und nicht geeignet, unterschiedliche allgemeine Eindrücke hervorzurufen (vgl. Rn. 53 bis 57 der angefochtenen Entscheidung).
57 Insbesondere habe es für die Beurteilung des Gesamteindrucks keine Bedeutung, dass zum einen die Verkabelung der Lichterkette in der Struktur des angegriffenen Geschmacksmusters verborgen sei und zum anderen die Klägerin die Erste gewesen sei, die Pavillons mit einer solchen Lichterkette angeboten habe. Die Beschwerdekammer hat indessen berücksichtigt, dass die Verkabelung nicht sichtbar sei, so dass die Struktur „uneingeschränkt auf den informierten Benutzer wirk[e]“. (vgl. Rn. 56 der angefochtenen Entscheidung).
58 Im Ergebnis hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, dass die Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern ihre Unterschiede überwögen, insbesondere weil der identischen Grundform und der identischen Aufhängung der Gardinen sowie dem doppelstöckigen Dach größere Bedeutung zukomme. Sie ist daher zu dem Ergebnis gekommen, dass das angegriffene Geschmacksmuster keine Eigenart habe (vgl. Rn. 58 der angefochtenen Entscheidung).
59 Die Klägerin tritt der Beurteilung der Beschwerdekammer entgegen.
60 Als Erstes macht die Klägerin geltend, die oben in Rn. 55 genannten gemeinsamen Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster seien jeweils technisch bedingt und zudem bereits für Pavillons bekannt und üblich, so dass sie für die Prüfung der Eigenart von geringerer Bedeutung seien.
61 In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 6/2002, da sie keine Schutzbeschränkung in Bezug auf Geschmacksmuster und ihre Merkmale, die (auch) eine technische Funktion erfüllen, vorsieht, nur im Fall, dass ein oder mehrere Merkmale der Erscheinungsform eines Erzeugnisses ausschließlich durch seine technische Funktion vorgegeben sind, vorsieht, dass ein solches Merkmal bei der Beurteilung der Eigenart nicht berücksichtigt werden darf (Urteil vom 21. Mai 2015, Senz Technologies/HABM – Impliva [Regenschirme], T‑22/13 und T‑23/13, EU:T:2015:310, Rn. 101 [nicht veröffentlicht]). Für die Beurteilung, ob Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind, ist zu ermitteln, ob diese Funktion der einzige diese Merkmale bestimmende Faktor ist. Das Bestehen alternativer Geschmacksmuster ist insoweit nicht ausschlaggebend (Urteil vom 8. März 2018, DOCERAM, C‑395/16, EU:C:2018:172‚ Rn. 32).
62 Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin nicht vor, dass die oben in Rn. 55 genannten Merkmale ausschließlich durch eine technische Funktion bedingt seien. Im Übrigen erläutert sie auch nicht konkret, inwiefern diese Merkmale, sei es auch nur teilweise, durch eine solche Funktion beeinflusst würden, obwohl der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers, wie oben in Rn. 35 ausgeführt, als hoch anzusehen ist.
63 Zweitens widmet der informierte Benutzer Bestandteilen, die völlig banal und allen Exemplaren vom Typ der fraglichen Erzeugnisse gemeinsam sind, nur eine begrenzte Aufmerksamkeit und konzentriert sich auf willkürliche oder von der Norm abweichende Merkmale (Urteil vom 21. Juni 2017, Kneidinger/EUIPO – Topseat International [Toilettendeckel], T‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:411, Rn. 45) und auf die am meisten sichtbaren und wichtigsten Elemente (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2019, Informationsblatthalter für Fahrzeuge, T‑74/18, EU:T:2019:417, Rn. 91).
64 Im vorliegenden Fall kann aus dem Umstand, dass die oben in Rn. 55 genannten gemeinsamen Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster auf dem Markt bereits bekannt und üblich waren, selbst wenn dies nachgewiesen wäre, nicht geschlossen werden, dass diese Merkmale völlig banal und allen auf dem Markt vorhandenen Pavillons gemeinsam gewesen wären. Mit diesem Umstand lässt sich auch nicht in Frage stellen, dass die genannten Merkmale für die Beurteilung der Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters sehr gut sichtbar und daher wichtig sind.
65 Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass die Beleuchtung des Pavillons mittels LED-Lichtpunkten konkret beansprucht werde und das zentrale und dominierende Merkmal des angegriffenen Geschmacksmusters darstelle. Dieses Merkmal sei daher für die Benutzung und die Erscheinungsform des Erzeugnisses von großer Relevanz. Außerdem habe die Beleuchtung des Pavillons gegenüber dem bestehenden Formenschatz innovativen und ungewöhnlichen Charakter. Sie erzeuge daher insbesondere unter normalen Benutzungsbedingungen, d. h. in der Dämmerung und Dunkelheit, einen besonderen Gesamteindruck.
66 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall, wie das EUIPO ausführt, alle Merkmale des mit dem angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Pavillons und nicht nur die Beleuchtung dieses Pavillons geschützt sind und bei der Beurteilung der Eigenart zu berücksichtigen sind.
67 Zweitens ist in Bezug auf das angegriffene Geschmacksmuster klarzustellen, dass der Vergleich auf der Grundlage der im Register eingetragenen Darstellung, d. h. der bei der Anmeldung eingereichten Ansichten, die den Gegenstand und den Schutzumfang festlegen, vorzunehmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2017, Toilettendeckel, T‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:411, Rn. 44).
68 Im vorliegenden Fall ist das angegriffene Geschmacksmuster in seiner eingetragenen Form in einer einzigen Ansicht in Farbe und auf weißem oder neutralem Hintergrund dargestellt. Es ist weder möglich noch erforderlich, festzustellen, ob der in dieser einzigen Ansicht dargestellte Pavillon, wie die Streithelferin vorträgt, im Hellen oder, wie die Klägerin behauptet, im Dämmerlicht steht. Denn es genügt der Hinweis, dass die LED-Lichtpunkte, die den Pavillon beleuchten, bei dieser Ansicht zwar wahrnehmbar, aber nicht besonders sichtbar und auffällig sind. Bei dieser Ansicht bleibt auch der durch die Beleuchtung hervorgerufene und von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte „Illumination[seffekt]“ oder „strahlende Effekt“ unauffällig.
69 Drittens ist es offensichtlich, dass, wie die Nichtigkeitsabteilung in ihrer Entscheidung vom 15. Februar 2023, auf deren Begründung in Rn. 9 der angefochtenen Entscheidung hingewiesen wird, zu Recht festgestellt hat und wie auch die Streithelferin geltend macht, die Funktion der Beleuchtung gegenüber der des Pavillons als solchem zweitrangig ist und Zubehörcharakter hat, da dieser am Tag zu einem Zeitpunkt benutzt werden kann, zu dem die Beleuchtung nicht erforderlich ist und, selbst wenn sie eingeschaltet ist, weniger wahrnehmbar ist. Wie das EUIPO ausführt, besteht der Hauptzweck eines Pavillons darin, Schutz gegen Sonne und Witterungseinflüsse zu bieten, und nicht darin, eine Beleuchtung bereitzustellen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist ein Pavillon dazu bestimmt, mindestens ebenso am Tag wie in der Dämmerung und in der Nacht benutzt zu werden. Demnach kann das Vorhandensein einer in den Pavillon, der Gegenstand des angegriffenen Geschmacksmusters ist, integrierten Beleuchtung, nur geringe Auswirkungen auf den Gesamteindruck haben, den dieses Geschmacksmuster beim informierten Benutzer hervorruft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2020, Glimarpol/EUIPO – Metar [Druckluftwerkzeug], T‑748/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:321, Rn. 56).
70 Viertens hat die Klägerin, wie die Streithelferin ausführt, ihr Vorbringen nicht belegt, dass die Beleuchtung ihres Pavillons mit LED-Lichtpunkten zum Zeitpunkt der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters innovativen und ungewöhnlichen Charakter gehabt habe und sie zu diesem Zeitpunkt das einzige Unternehmen gewesen sei, das eine solche Beleuchtung angeboten habe. Im Übrigen können diese Umstände, selbst wenn sie nachgewiesen wären, nicht entscheidend sein, da sie einen gegenüber dem Erzeugnis als Ganzem zweitrangigen Bestandteil mit Zubehörcharakter betreffen (oben, Rn. 69).
71 Fünftens ist die Verkabelung der Lichterkette in den Dachstreben des im angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Pavillons völlig verborgen, so dass die Struktur des Pavillons, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen in Rn. 56 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, vollständig sichtbar bleibt. Die übrigen oben in Rn. 55 genannten Merkmale des Pavillons erweisen sich daher als zahlreicher, sichtbarer und auffälliger als die Beleuchtung mit LED-Lichtpunkten.
72 In Anbetracht der oben in den Rn. 66 bis 71 genannten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Beleuchtung des im angegriffenen Geschmacksmuster dargestellten Pavillons zum einen nicht das zentrale und dominierende Merkmal des angegriffenen Geschmacksmusters darstellen kann und zum anderen keinen derart hinreichend bedeutenden und ausgeprägten Unterschied darstellt, dass sie für sich genommen geeignet wäre, einen anderen Gesamteindruck als das ältere Geschmacksmuster hervorzurufen.
73 Als Drittes macht die Klägerin geltend, dass die deutschen Gerichte im Rahmen des oben in Rn. 46 genannten Verletzungsverfahrens die Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters gerade deshalb bestätigt hätten, weil es einen beleuchteten Pavillon darstelle.
74 Insoweit ergibt sich zwar aus den Akten und den Erläuterungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung, dass das Landgericht Berlin und das Kammergericht Berlin in dem Urteil und in dem Hinweis an die Parteien, die oben in Rn. 46 erwähnt worden sind, die Neuheit und Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters im Hinblick auf mehrere ältere Geschmacksmuster u. a. deshalb bejaht haben, weil ein beleuchteter Pavillon sich deutlich von einem unbeleuchteten unterscheide.
75 Zum einen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Regelung über Unionsgeschmacksmuster ein autonomes System darstellt und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung Nr. 6/2002 zu beurteilen ist, so dass das EUIPO oder – im Fall einer Klage – das Gericht nicht zu den gleichen Ergebnissen gelangen müssen wie die nationalen Behörden oder Gerichte in einem gleichartigen Fall (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Dezember 2015, LTJ Diffusion/HABM – Arthur und Aston [ARTHUR & ASTON], T‑83/14, EU:T:2015:974, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
76 Zum anderen ist jedenfalls festzustellen, dass sich die oben in Rn. 74 genannten deutschen Gerichte im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zwischen der Klägerin und einem dritten Unternehmen nur vorläufig geäußert haben. Darüber hinaus hat das Kammergericht Berlin in seinem Hinweis an die Parteien keine Entscheidung getroffen, sondern lediglich erwogen, das Urteil des Landgerichts Berlin zu bestätigen.
77 Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere angesichts des hohen Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers (siehe oben, Rn. 35) sowie der fehlenden Sättigung des Stands der Technik (siehe oben, Rn. 50) lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die Beschwerdekammer weder zu strenge Kriterien angelegt noch einen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Auffassung vertreten hat, dass die Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern ihre Unterschiede überwögen und dem angegriffenen Geschmacksmuster folglich die Eigenart fehle.
78 Nach alledem sind alle Rügen des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen und ist die Klage daher abzuweisen.
Kosten
79 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
80 Da die Klägerin unterlegen ist und eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die EveMotion GmbH trägt die Kosten.
Kowalik-Bańczyk
Buttigieg
Dimitrakopoulos
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Juli 2025.
Der Kanzler
Der Präsident