URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
18. Dezember 2024(* )
„ Unionsmarke – Verfallsverfahren – Unionsbildmarke H 15 Gufic – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 – Öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung – Benutzung für die Waren, für die die Marke eingetragen ist “
In der Rechtssache T-520/23,
Hecht Pharma GmbH mit Sitz in Bremervörde (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin C. Sachs und Rechtsanwalt J. Sachs,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) , vertreten durch A. Ringelhann als Bevollmächtigten,
Beklagter,
andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:
Gufic BioSciences Ltd. mit Sitz in Mumbai (Indien), vertreten durch Rechtsanwalt A. Wehlau und Rechtsanwältin T. Uhlenhut,
erlässt
DAS GERICHT (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters R. Mastroianni in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter T. Tóth (Berichterstatter) und S. L. Kalėda,
Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2024
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Hecht Pharma GmbH, die Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 13. Juni 2023 (Sache R 902/2021-2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Am 14. April 2009 meldete die Streithelferin, die Gufic BioSciences Ltd., nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim EUIPO eine Unionsmarke an.
3 Bei der Marke, deren Eintragung beantragt wurde, handelt es sich um das folgende Bildzeichen:
4 Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 3 und 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
– Klasse 3: „Weihrauch; kosmetische Mittel, Parfümeriewaren, Präparate für die Gesundheitspflege als Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“;
– Klasse 5: „Insektenabwehrmittel mit Weihrauch; Arzneimittel; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke“.
5 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 43/2009 vom 9. November 2009 veröffentlicht, und die Marke wurde am 22. Januar 2015 eingetragen.
6 Am 24. Januar 2020 stellte die Klägerin beim EUIPO einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der oben in Rn. 3 genannten Marke nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 für sämtliche in Rn. 4 genannte Waren.
7 Am 4. Mai 2020 und am 3. November 2020 legte die Streithelferin dem EUIPO verschiedene Unterlagen zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke vor.
8 Am 29. März 2021 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffene Marke für alle in Rn. 4 genannten Waren, mit Ausnahme der Waren „Arzneimittel“ in Klasse 5, für die die Eintragung dieser Marke aufrechterhalten wurde, für verfallen.
9 Am 18. Mai 2021 legte die Klägerin beim EUIPO Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung teilweise aufzuheben, soweit der Verfallsantrag für „Arzneimittel“ in Klasse 5 zurückgewiesen worden war.
10 Mit Entscheidung vom 13. Dezember 2021 setzte die Beschwerdekammer das Verfahren bis zur Entscheidung in der Rechtssache aus, in der das Urteil vom 11. Januar 2023, Hecht Pharma/EUIPO – Gufic BioSciences (Gufic) (T-346/21, EU:T:2023:2), erging. In dieser Rechtssache hatte die Klägerin gemäß Art. 263 AEUV beantragt, die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des EUIPO vom 3. Juni 2021 (Sache R 2738/2019-2), mit der diese die Unionswortmarke Gufic für dieselben Waren für verfallen erklärt hatte, für die die Nichtigkeitsabteilung die angegriffene Marke in der vorliegenden Rechtssache für verfallen erklärt hat, teilweise aufzuheben und abzuändern. Mit diesem Urteil wies das Gericht die Klage mit der Begründung ab, dass der Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die ernsthafte Benutzung der in Rede stehenden Marke für „Arzneimittel“ in Klasse 5 nachgewiesen worden sei, kein Beurteilungsfehler unterlaufen sei.
11 Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde unter Bezugnahme auf das Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic (T-346/21, EU:T:2023:2), zurück, da sich bei der ihr vorliegenden Beschwerde dieselben Beteiligten im Rahmen eines Antrags auf Erklärung des Verfalls einer Marke gegenüberstünden, die der in der vorliegenden Rechtssache sehr ähnlich sei und dieselben Waren erfasse, und da die Argumente der Beschwerdeführerin im Wesentlichen dieselben seien.
Anträge der Parteien
12 Die Klägerin beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– die angegriffene Marke auch hinsichtlich der „Arzneimittel“ in Klasse 5 für verfallen zu erklären;
– dem EUIPO die Kosten des vorliegenden Verfahrens und der Vorverfahren aufzuerlegen.
13 Das EUIPO beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.
14 Die Streithelferin beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zur Zulässigkeit erstmals vor dem Gericht vorgelegter Beweismittel
15 Das EUIPO trägt vor, dass die Anlage K 5 der Klageschrift nicht im Verwaltungsverfahren eingereicht, sondern erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden sei. Daher sei dieses Dokument unzulässig. Dem ist die Klägerin in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.
16 Bei Anlage K 5 handelt es sich um einen Auszug aus der Stellungnahme des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Deutschland) sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Deutschland) vom 21. Juli 2020 zur Einstufung von Produkten der ayurvedischen Tradition. Damit will die Klägerin belegen, dass zwei deutsche Bundesoberbehörden festgestellt hätten, dass der Begriff „ayurvedische Medizin“ von der deutschen Öffentlichkeit nicht als Bezeichnung für ein Arzneimittel mit arzneilicher Wirkung, sondern als wirkungslose Alternativmedizin verstanden werde.
17 Dieses Dokument war jedoch nicht Teil der der Beschwerdekammer vorgelegten Verwaltungsakte. Daher kann dieses Dokument, das erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden ist, nicht berücksichtigt werden. Denn die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T-346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
18 Folglich ist die Anlage K 5 der Klageschrift unberücksichtigt zu lassen, ohne dass über ihre Beweiskraft befunden werden muss.
Zur Begründetheit
19 Die Klägerin macht im Wesentlichen einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 rügt, da die angegriffene Marke nicht ernsthaft für „Arzneimittel“ in Klasse 5 benutzt werde. Insbesondere wirft sie der Beschwerdekammer vor, die Rechtsprechung und wesentliche Aspekte der Definition des Begriffs „ayurvedic medicine“ (ayurvedische Medizin) verkannt zu haben.
20 Dieser Klagegrund ist in zwei Rügen unterteilt, mit denen erstens ein Fehler bei der Beurteilung des Kriteriums der öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung der angegriffenen Marke und zweitens ein Fehler bei der Beurteilung der Benutzung dieser Marke für „Arzneimittel“ in Klasse 5 geltend gemacht wird.
Einleitende Bemerkungen
21 Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 wird die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO für verfallen erklärt, wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Europäischen Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.
22 Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der durch ihre Eintragung geschützten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, benutzt wird, um für diese Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43). Zudem wird mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (Urteil vom 8. Juli 2004, Sunrider/HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], T‑203/02, EU:T:2004:225, Rn. 39; vgl. in diesem Sinne und entsprechend auch Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 37).
23 Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil vom 8. Juli 2004, VITAFRUIT, T-203/02, EU:T:2004:225, Rn. 40; vgl. entsprechend auch Urteil vom 11. März 2003, Ansul, C-40/01, EU:C:2003:145, Rn. 43).
24 Die ernsthafte Benutzung einer Marke lässt sich ferner nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachweisen, sondern muss auf konkreten und objektiven Umständen beruhen, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegen (Urteile vom 12. Dezember 2002, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM – Harrison [HIWATT], T‑39/01, EU:T:2002:316, Rn. 47, und vom 6. Oktober 2004, Vitakraft-Werke Wührmann/HABM – Krafft [VITAKRAFT], T‑356/02, EU:T:2004:292, Rn. 28).
25 Im vorliegenden Fall wurde die angegriffene Marke am 22. Januar 2015 eingetragen, und der Antrag auf Erklärung des Verfalls wurde am 24. Januar 2020 gestellt. Folglich erstreckt sich, wie die Beschwerdekammer zu Recht angenommen hat, der maßgebliche Zeitraum, in dem die Streithelferin die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachweisen musste, vom 24. Januar 2015 bis einschließlich 23. Januar 2020.
26 Ferner ist festzustellen, dass die Parteien nicht bestreiten, dass die von der Klägerin vertriebenen Produkte, d. h. die Präparate der Marke H 15 Gufic, nicht über eine Zulassung als Arzneimittel in Deutschland verfügen und ihr Import in diesen Mitgliedstaat auf der Grundlage der in § 73 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (im Folgenden: AMG) vorgesehenen Ausnahmeregelung durch einen Zwischenhändler erfolgt.
27 Die Parteien bestreiten auch weder die Feststellungen der Beschwerdekammer zum Ort sowie zum Umfang, zur Art und zur Form der Benutzung der angegriffenen Marke noch die Feststellung, dass die maßgeblichen Verkehrskreise Endverbraucher, Fachleute, Industriekunden und andere gewerbliche deutsche Nutzer einschließlich Importeure und Apotheken umfassen.
28 Im Licht dieser Erwägungen sind die Argumente der Klägerin zur öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung der angegriffenen Marke sowie ihrer Benutzung für „Arzneimittel“ zu prüfen.
Zur ersten Rüge: Fehler bei der Beurteilung des Kriteriums der öffentlichen und nach außen gerichteten Benutzung
29 Auf der Grundlage des Urteils vom 11. Januar 2023, Gufic (T-346/21, EU:T:2023:2), führte die Beschwerdekammer erstens aus, dass zu den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht nur Endverbraucher gehörten, sondern auch Importeure und Apotheken. Außerdem seien die vorgelegten und sowohl an Zwischenhändler als auch Apotheken gerichteten Rechnungen keine internen Dokumente, sondern seien zulässig und aussagekräftig, um die öffentliche Benutzung der angegriffenen Marke nach außen nachzuweisen. Zweitens habe der Disclaimer des Importeurs gemäß dem AMG auf den Rechnungen an die Apotheken nichts mit der ernsthaften Benutzung einer Marke zu tun. Drittens stellte sie zum einen fest, dass der als Zwischenhändler zwischen der Streithelferin und den Apotheken handelnde Importeur ein Kunde der Streithelferin sei, und zum anderen, dass nicht nachgewiesen sei, dass dessen eidesstattliche Versicherungen nicht vertrauenswürdig wären. Viertens wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die deutsche Gesetzesregelung, die auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, die Werbung für die betreffenden Waren, die nur eine von mehreren Faktoren für die Feststellung einer ernsthaften Benutzung sei, verbiete. Zudem seien angesichts dessen, dass eine Anwendung der Ausnahmeregelung nach § 73 Abs. 3 AMG vorliege, nur geringe Verkaufszahlen zu erwarten.
30 Die Klägerin trägt erstens vor, dass der Zwischenhändler zwischen der Streithelferin und den in Deutschland ansässigen Apotheken Teil des exklusiven oder selektiven Vertriebssystems der Streithelferin sei. Somit handele es sich bei der Lieferung der fraglichen Waren durch den Zwischenhändler insbesondere angesichts des Haftungsausschlusses auf den an die Apotheken gerichteten Rechnungen nicht um ein Inverkehrbringen durch einen Dritten. Zudem hätten der Zwischenhändler und seine Mitarbeiter ein Interesse daran, die Rechtmäßigkeit des Vertriebs zu dokumentieren, da das Inverkehrbringen eines Arzneimittels ohne Zulassung eine Straftat darstelle. Deshalb seien die eidesstattlichen Versicherungen des Zwischenhändlers nicht glaubhaft.
31 Zweitens trägt die Klägerin vor, dass angesichts des Haftungsausschlusses betreffend die Einfuhr von Arzneimitteln auf den Verkaufsrechnungen des Zwischenhändlers an die Apotheken durch diese Rechnungen nicht bewiesen werden könne, dass die Waren als Arzneimittel nach Deutschland eingeführt worden seien. Das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Deutschland gemäß § 73 Abs. 3 AMG könne nur durch die Apotheken selbst erfolgen und durch entsprechende Rechnungen von Apotheken nachgewiesen werden.
32 Drittens macht die Klägerin geltend, dass eine rechtserhaltende Benutzung schon allein daran scheitere, dass die Streithelferin ihre Produkte nach § 8 des Heilmittelwerbegesetzes (im Folgenden: HWG) nicht bewerben dürfe, da die angegriffene Marke nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von Unternehmen zur Gewinnung von Kunden insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen benutzt werden müsse. Rechnungen ersetzten nicht das Erfordernis, dass die Marke „öffentlich“ benutzt werden müsse, da die Rechtsprechung unter „öffentlich“ die Gewinnung von Verbrauchern durch Werbung verstehe.
33 Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
34 Erstens ist die Behauptung der Klägerin, der Zwischenhändler sei Teil des selektiven oder exklusiven Vertriebssystems der Streithelferin, in keiner Weise untermauert.
35 Zunächst ist unstreitig, dass der Zwischenhändler ein spezialisierter Importeur ist, der die fraglichen Waren bei der Streithelferin kauft und sie an die Apotheken in Deutschland verkauft und liefert.
36 Was sodann das Verhältnis zwischen der Streithelferin und dem Zwischenhändler sowie das Inverkehrbringen der fraglichen Waren auf dem deutschen Markt durch Letzteren betrifft, ist festzustellen, dass sich die Klägerin darauf beschränkt, auf die Rn. 47 und 48 des Urteils vom 3. Juni 2010, Coty Prestige Lancaster Group (C-127/09, EU:C:2010:313), zu verweisen. Es ist bereits entschieden worden, dass sich die Frage der Erschöpfung der Rechte aus einer Marke im Sinne von Art. 15 der Verordnung 2017/1001, der das Inverkehrbringen und den anschließenden Vertrieb von Waren mit Zustimmung des Markeninhabers vorsieht – um die es in dem genannten Urteil geht –, von der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Frage der ernsthaften Benutzung einer Marke unterscheidet (Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 46 [nicht veröffentlicht]).
37 Die Klägerin legt keinen Beweis vor, der die Behauptung der Beschwerdekammer in Frage stellen könnte, dass der Zwischenhändler ein Kunde der Streithelferin und damit ein unabhängiger Dritter sei, dessen Aussagen glaubhaft seien.
38 Selbst wenn man annimmt, dass der Zwischenhändler ein Vertriebshändler der Waren der Streithelferin ist, was die Klägerin nicht nachweist, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die von einer Partei vorgelegten Rechnungen, die von dieser an eine Vertriebsgesellschaft desselben Konzerns gerichtet sind und die authentisch und wahrheitsgemäß erscheinen, nicht außer Acht gelassen werden dürfen, wenn sich aus den Akten ergibt, dass die fraglichen, vom Markeninhaber hergestellten und der Vertriebsgesellschaft von ihm in Rechnung gestellten Waren von dieser auf dem Markt abgesetzt werden. Dabei handelt es sich um eine im geschäftlichen Verkehr übliche Organisationsform, die eine Benutzung der Marke impliziert, die nicht als rein interne Benutzung innerhalb eines Konzerns angesehen werden kann, da die Marke auch nach außen und öffentlich benutzt wird. In einem solchen Kontext wird vermutet, dass die Benutzung der Marke einer Herstellergesellschaft durch eine mit ihr wirtschaftlich verbundene Vertriebsgesellschaft eine mit Zustimmung des Inhabers erfolgte Benutzung der Marke und somit gemäß Art. 18 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 als Benutzung durch den Inhaber anzusehen ist (vgl. Urteil vom 1. März 2023, Worldwide Brands/EUIPO – Wan [CAMEL], T-552/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:98, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Schließlich ist zur Glaubhaftigkeit der eidesstattlichen Versicherungen des Zwischenhändlers festzustellen, dass auch die Behauptung der Klägerin, dass der Zwischenhändler durch seine Erklärungen die Rechtmäßigkeit des Vertriebs der in Rede stehenden Waren dokumentieren wolle, nicht belegt wird.
40 Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, dass nur Rechnungen von Apotheken, die die in Rede stehenden Waren in den Verkehr brächten und damit an Endverbraucher gerichtet seien, die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke belegen könnten, hat das Gericht bereits darauf hingewiesen, dass die öffentliche Benutzung nach außen nicht ausschließlich durch Beweismittel, die von den Händlern, hier den Apotheken, stammen und an Endverbraucher gerichtet sind, nachgewiesen werden muss (Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T‑346/21, EU:T:2023:2, Rn. 42 [nicht veröffentlicht]). Dieses Vorbringen ist daher nicht stichhaltig.
41 Was den Haftungsausschluss im Hinblick auf § 73 Abs. 3 AMG für die Einfuhr der in Rede stehenden Waren auf den Verkaufsrechnungen zwischen dem Zwischenhändler und den Apotheken betrifft, hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass diese Frage nichts mit der Frage der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke zu tun hat.
42 Da nämlich die Rechnungen – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – belegen, dass der Zwischenhändler die Präparate der Marke H 15 Gufic von der Streithelferin kauft, um sie an deutsche Apotheken weiterzuverkaufen, die sie ihrerseits an Endverbraucher verkaufen, wie sich aus der vorstehenden Rn. 35 ergibt, steht fest, dass diese Präparate auf den deutschen Markt gebracht werden und dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie kaufen können, unabhängig von der Frage, wer – der Zwischenhändler oder die Apotheken – für diese Einfuhr die Verantwortung im Hinblick auf das AMG trägt.
43 Außerdem begründen die 90 Rechnungen, die den Apotheken von dem Zwischenhändler für Präparate der Marke H 15 Gufic gestellt wurden, eine Vermutung eines späteren Verkaufs an Endverbraucher, da diese Präparate nach § 73 Abs. 3 AMG nur von Apotheken auf individuelle ärztliche Verschreibung verkauft werden dürfen.
44 Was drittens das Vorbringen der Klägerin betrifft, wonach die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke schon allein aufgrund des Fehlens von Werbung für die in Rede stehenden Waren ausgeschlossen werden könne, so ist auch dieses zurückzuweisen.
45 Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass Werbung für eine Marke zwar einen der Faktoren darstellt, die bei der Beurteilung des Vorliegens einer ernsthaften Benutzung der Marke zu berücksichtigen sind, es jedoch noch nicht automatisch zu der Feststellung führen kann, dass diese Marke nicht ernsthaft benutzt würde, wenn es für bereits vertriebene Waren an Werbung für die Marke fehlt (vgl. Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 54 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Im vorliegenden Fall kann, da die Klägerin einräumt, dass § 8 HWG Werbung für nach § 73 Abs. 3 AMG importierte Arzneimittel verbietet, von der Streithelferin nicht verlangt werden, dass sie gegen dieses im nationalen Recht vorgesehene Verbot verstößt, um die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 55 [nicht veröffentlicht]).
47 Jedenfalls ist trotz des Fehlens von Werbung, die nach Ansicht der Klägerin zur Gewinnung von Kunden erforderlich ist, festzustellen, dass insbesondere die sechs an den Zwischenhändler der Streithelferin gerichteten Einfuhrrechnungen sowie die 90 an Apotheken gerichteten Verkaufsrechnungen eine öffentliche und nach außen gerichtete Benutzung der angegriffenen Marke belegen.
48 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass die Beschwerdekammer einen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie davon ausgegangen ist, dass die angegriffene Marke öffentlich und nach außen benutzt worden sei. Folglich ist die erste Rüge als unbegründet zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge: Fehler bei der Beurteilung der Benutzung der angegriffenen Marke für „Arzneimittel“
49 Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic (T‑346/21, EU:T:2023:2), wies die Beschwerdekammer erstens darauf hin, dass das EUIPO nicht befugt sei, die Einhaltung des AMG zu prüfen, so dass eine nach nationalem Recht rechtswidrige Benutzung einer Marke eine ernsthafte Benutzung im Hinblick auf das europäische Markenrecht darstellen könne. Zweitens vertrat sie die Auffassung, dass aufgrund der Tatsache, dass die fraglichen Produkte nur in Apotheken auf ärztliche Verschreibung erhältlich seien, wegen der Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen, wonach es sich bei diesen Waren um Präsentationsarzneimittel handele, und weil auf den Verpackungen der Hinweis „ayurvedic medicine“ und die therapeutischen Indikationen aufgeführt seien, die maßgeblichen Verkehrskreise diese Waren leicht als Arzneimittel wahrnehmen könnten. Die Frage nach dem Bestehen einer pharmakologischen Wirkung könne dahingestellt bleiben, da die maßgeblichen Verkehrskreise das Produkt bereits aufgrund seiner Präsentation als „Arzneimittel“ der Klasse 5 wahrnähmen. Drittens stellte die Beschwerdekammer fest, dass es für die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke irrelevant sei, ob die fraglichen Präparate der Marke H 15 Gufic über eine Zulassung des indischen Bundesstaats Karnataka oder der Republik Indien verfügten. Jedenfalls seien diese Präparate in ganz Indien zugelassen, weil die zuständige Behörde ihren „freien Verkauf im Land und auch für den Export“ erlaubt habe.
50 Die Klägerin macht erstens geltend, die Beschwerdekammer habe zur Begründung ihrer der Rechtsprechung zuwiderlaufenden Behauptung, dass es sich bei den fraglichen Waren um Arzneimittel handele und eine ernsthafte Benutzung vorliege, lediglich auf den Begriff „medicine“ (Medizin) auf deren Verpackung abgestellt. Damit habe die Beschwerdekammer Art. 18 der Verordnung 2017/1001 und deren 28. Erwägungsgrund nicht berücksichtigt, wonach die Begriffe für die Angabe der Warenklasse, für die eine Marke eingetragen sei, gemäß ihrer wörtlichen Bedeutung auszulegen seien.
51 Hierzu weist die Klägerin darauf hin, dass auf der Verpackung die Angabe „ayurvedic medicine“ (ayurvedische Medizin) stehe und dass die Streithelferin nicht nachgewiesen habe, dass die maßgeblichen Verkehrskreise diesen Begriff als einen Hinweis auf Arzneimittel verstünden, die Krankheiten linderten, heilten oder diesen vorbeugten. Die maßgeblichen Verkehrskreise verstünden ihn vielmehr als Bezeichnung für eine wirkungslose Alternativmedizin.
52 Im Übrigen ist der Umstand, dass die Produkte auf ärztliche Verschreibung abgegeben würden, nach Auffassung der Klägerin kein Indiz dafür, dass es sich um ein Arzneimittel handele, da auch Lebensmittel oder alternative Behandlungsmethoden von Ärzten verschrieben werden könnten. Die fraglichen Präparate der Marke H 15 Gufic würden auch weder auf den ärztlichen Verschreibungen noch auf den Rechnungen als „Arzneimittel“ bezeichnet, so dass Letztere die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für Arzneimittel nicht belegen könnten.
53 Zweitens wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, dass eine rechtswidrige Benutzung einer Marke einer ernsthaften Benutzung nicht entgegenstehe. Darüber hinaus dürfe nach der deutschen Rechtsprechung ein Produkt, dem die Zulassung versagt worden sei, nicht mehr nach § 73 Abs. 3 AMG in den Verkehr gebracht werden.
54 Drittens bestreitet die Klägerin die Beweiskraft der Zulassungen (Anlagen AG 7 und AG 16), da diese keine Genehmigung für den Vertrieb der in Rede stehenden Waren in Indien darstellten, sondern nur eine Herstellungsgenehmigung für ayurvedische Produkte zur Ausfuhr. Diese Genehmigungen seien nicht mehr gültig und seien, da sie aus dem Bundesstaat Karnataka stammten, nicht von der zuständigen Bundesbehörde der Republik Indien erstellt worden, so dass sie weder den Anforderungen von § 73 Abs. 3 AMG noch den Anforderungen des Unionsrechts oder des indischen Rechts genügten.
55 Viertens wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, die wörtliche Bedeutung und die Charakteristika des Begriffs „Arzneimittel“ im Hinblick auf die Anforderungen des europäischen Rechts nicht geprüft zu haben. Sie ist der Auffassung, die in Rede stehenden Waren müssten diese Charakteristika aufweisen, um eine ernsthafte Benutzung für Arzneimittel in Klasse 5 zu begründen. Diese Waren hätten aber keine Zulassung in Indien und in Deutschland, wo ihnen diese versagt worden sei, und verfügten über keine pharmakologische Wirkung, zwei notwendige Voraussetzungen für ein Funktionsarzneimittel, das allein der Definition eines Arzneimittels entspreche. Bei den Waren im vorliegenden Fall handele es sich nur um ein Präsentationsarzneimittel, dem die Angaben auf der Packung das Erscheinungsbild eines Arzneimittels verliehen, ohne dass es von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein solches aufgefasst werde.
56 Fünftens hält die Klägerin die beiden Urteile des Oberlandesgerichts München (Deutschland) (AG 15 und AG 17) für nicht relevant, da im ersten nicht die in Rede stehenden Produkte überprüft worden seien und im zweiten nicht bestätigt worden sei, dass die angegriffene Marke für Arzneimittel benutzt werde. Diese Urteile bestätigten lediglich, dass es sich bei diesen Produkten um Präsentationsarzneimittel handele und dass daher weitere Indizien als die alleinige Bezeichnung auf der Verpackung, wie die Kenntnisse der Fachkreise, die tatsächliche Wirkung als Arznei und das Verständnis der maßgeblichen Verkehrskreise, zu berücksichtigen seien. Die Klägerin bestreitet auch die Relevanz der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe (Deutschland) vom 8. Januar 2015 (Anlage AG 8) sowie des Gutachtens des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Karlsruhe (Deutschland) vom 20. Mai 2014 (Anlage AG 10), in denen nur zur Nichtbedenklichkeit der Waren, nicht aber zu deren Arzneimitteleigenschaft Stellung genommen worden sei.
57 Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.
58 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen nach dem Abkommen von Nizza im Wesentlichen den Bedarf des Marktes widerspiegeln soll und nicht dazu dient, eine künstliche Segmentierung der Waren vorzugeben. So enthalten die Klassenüberschriften „Oberbegriffe“ betreffend den Bereich, zu dem die Waren oder Dienstleistungen „grundsätzlich“ gehören. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen nach dem Abkommen von Nizza selbst ausschließlich Verwaltungszwecken dient. Diese soll nämlich lediglich die Abfassung und die Behandlung von Markenanmeldungen vereinfachen, indem sie bestimmte Klassen und Kategorien von Waren und Dienstleistungen vorschlägt. Im Übrigen kann die Klassifikation von Nizza nicht für sich allein über die Natur und die Merkmale der in Rede stehenden Waren entscheiden (vgl. Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Außerdem ist die Einstufung eines Produkts nach anderen Vorschriften des Unionsrechts für seine Klassifikation für die Eintragung einer Unionsmarke grundsätzlich nicht ausschlaggebend. Zum einen ergibt sich nämlich im Wesentlichen aus Art. 33 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001, dass Waren und Dienstleistungen für die Eintragung einer Unionsmarke nach der Klassifikation von Nizza klassifiziert werden. Zum anderen sind die von der Klägerin angeführten Unionsrechtsakte zwar für den in Rede stehenden Sektor von grundlegender Bedeutung, da sie den Prozess der Herstellung, Kennzeichnung und des Vertriebs von Arzneimitteln schützen, doch haben sie nicht zwangsläufig einen Einfluss darauf, wie die Waren und Dienstleistungen in der Klassifikation von Nizza klassifiziert werden. Insoweit darf die Hauptfunktion der Marke nicht mit den anderen Funktionen verwechselt werden, die die Marke gegebenenfalls auch erfüllen kann, wie etwa die Gewährleistung der Qualität der betreffenden Ware. Daher ist die Einstufung eines Produkts nach anderen Vorschriften des Unionsrechts, wie der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67), für ihre Klassifikation für die Eintragung einer Unionsmarke grundsätzlich nicht ausschlaggebend (vgl. Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich aus dem vom Gericht verwendeten Ausdruck „grundsätzlich“ ergibt, dass das Gericht es nicht generell ausschließt und es zulässt, dass unionsrechtliche Bestimmungen bei der Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke im Sinne von Art. 18 der Verordnung 2017/1001 berücksichtigt werden können sowie im Hinblick auf die besonderen Umstände des untersuchten Falles für die Einstufung der in Rede stehenden Produkte ausschlaggebend sein können (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Mai 2021, Dermavita/EUIPO, C-26/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:355, Rn. 17, und Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T‑346/21, EU:T:2023:2, Rn. 96).
61 Die bloße Behauptung, dass die betreffenden Produkte „Arzneimittel“ der Klasse 5 seien, reicht jedoch nicht aus. Die im vorliegenden Fall für die Beurteilung der ernsthaften markenrechtlichen Benutzung maßgebliche Frage besteht darin, ob die Waren, für die die Marke benutzt wird, d. h. die in Rede stehenden Produkte, die gleichen sind wie die Waren, für die die Marke in Klasse 5 eingetragen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 97 und 98 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
62 Außerdem ist das Erscheinungsbild der betreffenden Produkte, etwa infolge der Verpackung oder Etikettierung, für die markenrechtliche Produktkategorie durchaus von Belang. Denn dieses Erscheinungsbild ist maßgeblich dafür, welcher Produktkategorie die Verbraucher das Produkt zuordnen. Daraus folgt somit, dass es für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung dieser Marke entscheidend ist, wie die Waren, für die die angegriffene Marke eingetragen wurde, von den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrgenommen werden (Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 99 und 100).
63 Was erstens die Rechtswidrigkeit der Benutzung einer Marke betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die angebliche Rechtswidrigkeit des Vertriebsmodells der ernsthaften Benutzung der angegriffenen Marke nicht entgegensteht. Das EUIPO ist nämlich nicht befugt, über die Einhaltung des AMG zu befinden. Ebenso wenig sieht Art. 18 der Verordnung 2017/1001 eine Verpflichtung vor, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Waren oder auf Gutgläubigkeit bei der Benutzung der Marke bezöge. Ein nach nationalem Recht rechtswidriger Vertrieb schließt es daher nicht aus, dass eine tatsächliche und ernsthafte Benutzung im Hinblick auf das Markenrecht vorliegen kann (vgl. Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 39 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).
64 Insoweit ist auch die deutsche Rechtsprechung, auf die sich die Klägerin beruft, um geltend zu machen, dass ein Produkt im Fall der Versagung der Zulassung nach § 73 Abs. 3 AMG nicht mehr in den Verkehr gebracht werden könne, nicht einschlägig, da die Benutzung der angegriffenen Marke jedenfalls nicht bestritten worden ist (siehe oben, Rn. 27).
65 Zweitens ist mit dem EUIPO und der Streithelferin festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe nur den auf der Verpackung der Präparate mit der Marke H 15 Gufic angebrachten Begriff „medicine“ (Medizin) berücksichtigt, um zu belegen, dass es sich bei diesen Präparaten um Arzneimittel handele, auf einem falschen Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruht.
66 Als Erstes hat die Beschwerdekammer unter Bezugnahme auf die oben in Rn. 61 wiedergegebenen Erwägungen ausgeführt, dass es zur Feststellung der Art der betroffenen Präparate nicht ausreiche, dass die Streithelferin ihre Waren „Arzneimittel“ nenne, was auch die Klägerin geltend macht. Außerdem ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht, dass nur der Begriff „medicine“ (Medizin) berücksichtigt worden wäre. Vielmehr hat die Beschwerdekammer die Begriffe „ayurvedic medicine“ (ayurvedische Medizin) geprüft.
67 Hierzu ist im Übrigen festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Begriffe „ayurvedic medicine“ (ayurvedische Medizin) von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Bezugnahme auf eine wirkungslose Alternativmedizin verstanden werden. Die Anlage K 5, auf die sie diese Behauptung stützt, ist nämlich oben in den Rn. 15 bis 18 als unzulässig zurückgewiesen worden.
68 Als Zweites hat sich die Beschwerdekammer auch nicht allein darauf gestützt, dass die Präparate der Marke H 15 Gufic auf ärztliche Verschreibung verkauft würden. Im vorliegenden Fall ist sie unter Bezugnahme auf das Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic (T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 104), zu Recht davon ausgegangen, dass die Erhältlichkeit dieser Präparate in Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung nur ein Faktor ist, der zwar relevant ist, aber alleine nicht ausreicht, um zu dem Schluss zu gelangen, dass es sich bei diesen Präparaten um Arzneimittel handelt, da, wie die Klägerin geltend macht, andere Erzeugnisse als Arzneimittel auf ärztliche Verschreibung in Apotheken verkauft werden können.
69 Als Drittes ist das Vorbringen der Klägerin, dass der Begriff „Arzneimittel“ in den Rechnungen über die Einfuhr und den Verkauf von Präparaten der Marke H 15 Gufic nicht vorkomme, irrelevant, da auf den Rechnungen üblicherweise der Name der betreffenden Waren steht und keine Angabe zu deren Art.
70 Drittens beruht auch das Vorbringen der Klägerin, wonach die Beschwerdekammer eine ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke für Arzneimittel angenommen habe, obwohl die in Rede stehenden Erzeugnisse keine Arzneimittel seien, auf einer fehlerhaften Auslegung der angefochtenen Entscheidung.
71 Die Beschwerdekammer ist nämlich nach einer umfassenden Beurteilung der im vorliegenden Fall relevanten Faktoren zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffene Marke für Waren, die als „Arzneimittel“ eingetragen seien, ernsthaft benutzt worden sei.
72 Insoweit hat die Beschwerdekammer im Einklang mit der oben in Rn. 62 angeführten Rechtsprechung die Wahrnehmung der von der Streithelferin unter der Marke H 15 Gufic verkauften Präparate durch die maßgeblichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung zum einen der Indikation der entzündlichen Krankheiten, zu deren Behandlung die Präparate bestimmt seien, und des Hinweises „ayurvedic medicine“ (ayurvedische Medizin), die auf der Verpackung aufgeführt seien, und zum anderen des Umstands, dass diese Präparate nur in Apotheken auf ärztliche Verschreibung erhältlich seien, geprüft.
73 Folglich ist die Beschwerdekammer beurteilungsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die in Rede stehenden Waren leicht als Arzneimittel wahrnehmen könnten.
74 Zu dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, nur Funktionsarzneimittel hätten eine pharmakologische Wirkung und könnten daher unter die Definition von „Arzneimitteln“ der Klasse 5 fallen, ist festzustellen, dass das Gericht bereits Gelegenheit hatte, ein solches Vorbringen zurückzuweisen. Für die von der Richtlinie 2001/83 erfassten Arzneimittel ist nämlich die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise ausschlaggebend. Hieraus folgt, dass ein Produkt, das aufgrund seiner Präsentation vom Verbraucher als Arzneimittel wahrgenommen werden kann, auch als Arzneimittel der Klasse 5 eingestuft werden kann (Urteil vom 11. Januar 2023, Gufic, T-346/21, EU:T:2023:2, Rn. 108).
75 Abgesehen davon, dass die Klägerin einräumt, dass es sich bei den unter der Marke H 15 Gufic vertriebenen Präparaten um Präsentationsarzneimittel handelt, hat die Beschwerdekammer daher zu Recht nicht geprüft, ob diese Präparate eine pharmakologische Wirkung haben.
76 Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die von der Streithelferin vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen nicht einschlägig seien, weil sie nicht die in Rede stehenden Waren beträfen, weil sie belegten, dass es sich bei diesen Produkten um Präsentationsarzneimittel handele, oder weil sie sich nur zur Nichtbedenklichkeit und nicht zur Eigenschaft der Produkte als Arzneimittel äußerten, zurückzuweisen.
77 Viertens ist auch das Vorbringen der Klägerin zur Beweiskraft der Zulassungen für Präparate der Marke H 15 Gufic in Indien und Deutschland zurückzuweisen. Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat, ist dieser Umstand nämlich irrelevant, da eine ernsthafte Benutzung einer Marke auch dann vorliegen kann, wenn die Benutzung rechtswidrig ist. Im Übrigen ist das Fehlen einer Zulassung nicht geeignet, die Feststellung in Frage zu stellen, dass die betreffenden Präparate Präsentationsarzneimittel sind und von den maßgeblichen Verkehrskreisen leicht als Arzneimittel wahrgenommen werden.
78 Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, dass der Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die angegriffene Marke für „Arzneimittel“ der Klasse 5 benutzt worden sei, ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre. Folglich ist die zweite Rüge und damit der einzige Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
79 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
80 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
81 Da eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat und die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Hecht Pharma GmbH trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Dezember 2024.
Der Kanzler
Der Präsident
V. Di Bucci
S. Papasavvas