T-401/24 – BDSwiss/ EUIPO (BDSwiss)

T-401/24 – BDSwiss/ EUIPO (BDSwiss)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:492

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. Mai 2025(*)

„ Unionsmarke – Unionswortmarke BDSwiss – Verweigerung der Weiterleitung einer internationalen Anmeldung an das Internationale Büro der WIPO – Art. 184 Abs. 5 Buchst. f der Verordnung (EU) 2017/1001 – ‚Tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung‘ – Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Protokolls zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken “

In der Rechtssache T‑401/24,

BDSwiss AG mit Sitz in Zug (Schweiz), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J.‑A. Fortmeyer,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Stoyanova-Valchanova als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk, des Richters I. Dimitrakopoulos (Berichterstatter) und der Richterin B. Ricziová,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die BDSwiss AG, die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 22. Mai 2024 (Sache R 206/2024-2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) aufzuheben.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Am 25. September 2023 reichte sie über das EUIPO auf der Grundlage von Art. 183 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) eine internationale Anmeldung zum Erwerb des Schutzes durch internationale Registrierung der Unionswortmarke BDSwiss beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) für Brasilien, Kanada, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Vereinigten Staaten, Japan, Russland, Singapur und die Türkei (im Folgenden: streitige Anmeldung) ein.

3        Aus dem der streitigen Anmeldung beigefügten Formblatt geht hervor, dass die Klägerin ihre Anmeldung darauf stützte, dass ihre in Zypern ansässige Tochtergesellschaft BDSwiss Holding Ltd, jetzt Viverno Markets Ltd, eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des am 27. Juni 1989 in Madrid angenommenen Protokolls zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (ABl. 2003, L 296, S. 22) in der am 12. November 2007 geänderten Fassung (im Folgenden: Madrider Protokoll) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union sei.

4        Mit Entscheidung vom 3. November 2023 lehnte die Prüferin die Weiterleitung der streitigen Anmeldung an das Internationale Büro der WIPO ab.

5        Am 2. Januar 2024 legte die Klägerin beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüferin ein.

6        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde zurück und begründete dies damit, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die BDSwiss Holding eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls darstelle. Sie schloss daraus, dass die streitige Anmeldung der Klägerin gemäß Art. 184 Abs. 7 der Verordnung 2017/1001 nicht an das Internationale Büro der WIPO weitergeleitet werden dürfe.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO aufzugeben, die streitige Anmeldung an die WIPO weiterzuleiten;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zuständigkeit des Gerichts

9        Mit ihrem zweiten Antrag begehrt die Klägerin eine Anordnung des Gerichts an das EUIPO, die streitige Anmeldung an die WIPO weiterzuleiten. Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht nicht befugt ist, gegenüber den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union Anordnungen zu erlassen (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 1995, Pevasa und Inpesca/Kommission, C‑199/94 P und C‑200/94 P, EU:C:1995:360, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2018, Schweden/Kommission, T‑260/16, EU:T:2018:597, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

10      Folglich ist der zweite Antrag der Klägerin, mit dem sie das Gericht ersucht, dem EUIPO eine Anordnung zu erteilen, zurückzuweisen, weil er bei einem Gericht gestellt wurde, das nicht befugt ist, darüber zu entscheiden.

 Zur Begründetheit

11      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf einen einzigen Klagegrund, nämlich eine Verletzung von Art. 184 Abs. 7 und Abs. 5 Buchst. f der Verordnung 2017/1001, von Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls sowie der Richtlinien des EUIPO. Insbesondere trägt sie vor, sie habe nachgewiesen, dass sie über eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union verfüge.

12      Das EUIPO macht geltend, die Klägerin habe erstmals vor dem Gericht neue Tatsachen, Argumente und Beweise vorgebracht; diese seien als unzulässig zurückzuweisen. Jedenfalls sei das Vorbringen der Klägerin unbegründet.

13      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinien des EUIPO keine für die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts verbindlichen Rechtsakte darstellen (Urteil vom 6. Juni 2019, Deichmann/EUIPO, C‑223/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:471, Rn. 49).

14      Zudem ergibt sich aus Art. 184 Abs. 5 Buchst. f der Verordnung 2017/1001, dass das EUIPO den Anmelder einer internationalen Anmeldung auffordert, den Mangel hinsichtlich seiner fehlenden Berechtigung zur Einreichung der Anmeldung nach Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls innerhalb einer vom Amt festgelegten Frist zu beseitigen. Nach Art. 184 Abs. 7 der Verordnung 2017/1001 verweigert das EUIPO die Weiterleitung der internationalen Anmeldung an das Internationale Büro der WIPO, wenn der Mangel nicht innerhalb der vom Amt gesetzten Frist behoben wird.

15      Zudem ergibt sich auch aus Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls für den Fall, dass eine Marke in das Register des EUIPO eingetragen worden ist, dass sich die Person, auf deren Namen die Eintragung lautet, den Schutz dieser Marke im Gebiet der Vertragsparteien dadurch sichern kann, dass sie die Eintragung der Marke im Register des Internationalen Büros der WIPO herbeiführt, sofern die Person auf deren Namen die Eintragung lautet, Angehörige eines Mitgliedstaats der Union ist oder sie ihren Wohnsitz oder eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in der Union hat.

16      Selbst wenn im vorliegenden Fall die von der Klägerin vor dem Gericht vorgebrachten Argumente und Beweise zulässig wären, ist festzustellen, dass sich die Klägerin darauf beschränkt hat, zwei Stellungnahmen ihres Geschäftsführers vorzulegen, um nachzuweisen, dass die BDSwiss Holding in der Union tätig war.

17      Bei der Beurteilung des Beweiswerts von Unterlagen sind zunächst die Wahrscheinlichkeit und der Wahrheitsgehalt der darin enthaltenen Information zu prüfen. Demgemäß sind insbesondere die Herkunft der Unterlagen, die Umstände ihrer Ausarbeitung, ihr Adressat und die Frage zu berücksichtigen, ob sie ihrem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheinen (vgl. Urteile vom 15. Dezember 2005, BIC/HABM [Form eines Steinfeuerzeugs], T‑262/04, EU:T:2005:463, Rn. 78, und vom 11. Januar 2023, Hecht Pharma/EUIPO – Gufic BioSciences [Gufic], T‑346/21, EU:T:2023:2, Rn. 48 [nicht veröffentlicht] sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Da im vorliegenden Fall die von der Klägerin angeführten Stellungnahmen nicht von einem Dritten, sondern von ihrem Geschäftsführer, einer mit ihr eng verbundenen Person, stammen, können sie für sich allein keinen hinreichenden Beweis für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit oder Handelstätigkeit der BDSwiss Holding in der Union darstellen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Februar 2017, M. I. Industries/EUIPO – Natural Instinct [Natural Instinct Dog and Cat food as nature intended], T‑30/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:77, Rn. 40 und 41). Sie könnten daher nur ein Indiz darstellen, das durch andere Beweise gestützt werden müsste.

19      In Ermangelung solcher Beweise ist daher festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die BDSwiss Holding eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls darstellt. Folglich ist nicht erwiesen, dass die angefochtene Entscheidung gegen Art. 184 Abs. 7 und Abs. 5 Buchst. f der Verordnung 2017/1001 und Art. 2 Abs. 1 Ziff. ii des Madrider Protokolls verstößt.

20      Nach alledem ist der von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen.

21      Daher ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

22      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

23      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. Dagegen ist, da das EUIPO die Verurteilung der Klägerin zur Tragung der Kosten nur für den Fall der Ladung der Parteien zu einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, mangels Durchführung einer solchen mündlichen Verhandlung zu entscheiden, dass das EUIPO seine eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Kowalik-Bańczyk

Dimitrakopoulos

Ricziová

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 2025.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude



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