T-394/18 – Kipper/ Kommission

T-394/18 – Kipper/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2019:863

BESCHLUSS DES GERICHTS (Sechste Kammer)

16. Dezember 2019(*)

„Freiberuflich tätiger Dienstleister der Kommission (Freelance) – Antrag auf Zuerkennung der den Beamten der Laufbahngruppe B gewährten Sozialleistungen – Unzuständigkeit“

In der Rechtssache T‑394/18,

Michael Kipper, wohnhaft in Remich (Luxemburg), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.‑J. Dupré,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Mongin und T. Bohr als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend einen Antrag auf Zuerkennung der den Beamten der Laufbahngruppe B gewährten Sozialleistungen

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) und C. Iliopoulos,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Im Zeitraum von Mai 1980 bis Dezember 1990 führte der Kläger, Herr Michael Kipper, als freiberuflich tätiger Dienstleister (Freelance) Korrekturarbeiten durch, zunächst bis Dezember 1988 für das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften (OPOCE) (mittlerweile Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union [OP]) und dann ab Dezember 1988 für das Generalsekretariat der Kommission der Europäischen Gemeinschaften.

2        Der Kläger vollendete das 65. Lebensjahr am 2. November 2014.

3        Im September 2015 wandte er sich an das Amt für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO) der Kommission, um Ruhegehaltsansprüche geltend zu machen. Dieser Antrag wurde mit E‑Mail vom 28. September 2015 abgelehnt, weil der Kläger während seiner gesamten Tätigkeit den Status eines freien Mitarbeiters gehabt habe und von seiner Vergütung keine Rentenbeiträge einbehalten worden seien.

4        Im Dezember 2017 wiederholte der Kläger seinen Antrag beim PMO. Mit E‑Mail vom 15. Januar 2018, die mit einer zweiten E‑Mail vom 19. Januar 2018 bestätigt wurde, teilte das PMO dem Kläger mit, dass er die im Statut der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) vorgesehene Mindestdauer von zehn Jahren Beschäftigung nicht erfüllt habe und als freiberuflich tätiger Dienstleister keine Rentenansprüche habe erwerben können.

 Verfahren und Anträge der Parteien

5        Mit Klageschrift, die am 29. Juni 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

6        Mit gesondertem Schriftsatz, der am 3. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit erhoben.

7        Am 14. Mai 2019 hat das Gericht (Dritte Kammer) entschieden, dem Kläger eine schriftliche Frage zu stellen.

8        Der Kläger hat am 26. Juni 2019 zur Einrede der Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit Stellung genommen und auf die ihm gestellte Frage geantwortet.

9        Im Zuge einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist.

10      Der Kläger beantragt, festzustellen, dass er folgende Ansprüche gegen die Kommission hat:

–        Pensionszahlungen, die in ihrer Höhe der eines beamteten Korrektors der Laufbahn B mit zehn Jahren Dienstzeit entsprechen;

–        Urlaubszahlungen für zehn Jahre Beschäftigungszeit;

–        Ausgleichszahlungen für geringere Bezahlung in den ihn beschäftigenden Dienststellen;

–        Ausgleichszahlungen für freigestellte Zeiten ohne Beschäftigung und Einkommen.

11      Die Kommission beantragt,

–        die Klage aufgrund der Unzuständigkeit des Gerichts oder, hilfsweise, als unzulässig abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

12      Gemäß Art. 130 Abs. 1 und 7 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag des Beklagten vorab über die Unzulässigkeit oder die Unzuständigkeit entscheiden. Da die Kommission im vorliegenden Fall beantragt hat, über die Unzuständigkeit zu entscheiden, beschließt das Gericht, das sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, über diesen Antrag zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

 Vorbringen der Parteien

13      Der Kläger trägt vor, täglich anfallende Arbeiten streng weisungsgebunden ausgeführt zu haben. Er habe keine eigenen Arbeitsmittel eingesetzt, über keine eigene Betriebsstätte verfügt und kein unternehmerisches Risiko getragen. Die Kommission habe seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit einseitig vorgegeben. Der Kläger ist der Ansicht, dass er die Kriterien erfülle, nach denen er gemäß einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Deutschland) vom 7. Juli 2017 als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer und nicht als Freiberufler gelte.

14      Die Kommission macht die Unzuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über die vorliegende Klage und, hilfsweise, deren Unzulässigkeit geltend.

15      Auf die von der Kommission erhobene Einrede der Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit entgegnet der Kläger, dass das Gericht für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit zuständig und seine Klage zulässig sei. In Bezug auf die Zuständigkeit des Gerichts beruft er sich auf ein Schreiben des Kanzlers des Gerichtshofs vom 26. März 2018, wonach Privatpersonen ein Unionsorgan nur vor dem Gericht und nicht vor dem Gerichtshof verklagen könnten.

 Zur Zuständigkeit des Gerichts

16      Zunächst ist festzustellen, dass sich die Parteien darin einig sind, dass der Kläger während seiner gesamten Beschäftigungszeit in den Dienststellen der Kommission als freiberuflich tätiger Dienstleister (Freelance) gearbeitet hat. Folglich kann bei der vorliegenden Klage nicht davon ausgegangen werden, dass sie auf der Grundlage von Art. 270 AEUV erhoben worden ist. Nach dem Wortlaut dieses Artikels erstreckt sich die darin vorgesehene Zuständigkeit auf „alle Streitsachen zwischen der Union und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen …, die im Statut der Beamten der Union und in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union festgelegt sind“.

17      Der Gerichtshof hat in Bezug auf eine vergleichbare Argumentation im Rahmen einer von einem freiberuflich tätigen Dolmetscher erhobenen Klage jedoch entschieden, dass ein Aushilfsdolmetscher, der nach der internen Regelung der Kommission für freiberuflich tätige Konferenzdolmetscher (Freelance) beschäftigt wird, nicht die Eigenschaft eines Bediensteten der Union für sich in Anspruch nehmen kann und ihm somit auch nicht der Rechtsweg nach Art. 179 EWG-Vertrag, jetzt Art. 270 AEUV, offensteht (Urteil vom 11. Juli 1985, Maag/Kommission, 43/84, EU:C:1985:328, Rn. 23).

18      Sodann ist festzustellen, dass sich der Kläger nicht auf einen Vertrag beruft, der eine Schiedsklausel enthält, aufgrund deren das Gericht zuständig wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1998, Von Löwis und Alvarez-Cotera/Kommission, T‑202/96 und T‑204/96, EU:T:1998:177, Rn. 25 und 38). Folglich kann die vorliegende Klage nicht auf die in Art. 272 AEUV vorgesehene Zuständigkeit der Unionsgerichte gestützt werden.

19      Zwar könnte in Betracht gezogen werden, die vorliegende Klage dahin zu verstehen, dass sie auf der Grundlage von Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidungen des PMO, mit denen dem Kläger die Zuerkennung von Ruhegehaltsansprüchen versagt wurde (erster Antrag), und auf der Grundlage von Art. 268 AEUV auf Verurteilung der Kommission gerichtet ist, ihm eine Entschädigung für Schäden zu zahlen, die ihm entstanden sein sollen (zweiter bis vierter Antrag).

20      Insoweit genügt der Hinweis, dass der vorliegende Rechtsstreit seinen Ursprung in der Weigerung der Verwaltung hat, dem Kläger Gehaltsleistungen zu zahlen, die er aufgrund von außerhalb des Anwendungsbereichs des Statuts und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union eingegangenen Verpflichtungen sowie aufgrund von Verträgen, die keine Schiedsklausel enthalten, beansprucht. Die Unionsgerichte sind nicht zuständig, über einen solchen Rechtsstreit zu entscheiden, und der Kläger kann die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten nicht einseitig verändern, indem er eine Ablehnung seiner Anträge durch die Kommission herbeiführt und versucht, die außervertragliche Haftung der Union aufgrund des Verhaltens dieses Organs zu begründen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1985, Maag/Kommission, 43/84, EU:C:1985:328, Rn. 26, und vom 20. Mai 2009, Guigard/Kommission, C‑214/08 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:330, Rn. 43).

21      Schließlich ist in Bezug auf das Schreiben des Kanzlers des Gerichtshofs, das der Kläger in seiner Stellungnahme zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzuständigkeit erwähnt hat, festzustellen, dass dieses Dokument eine bloße Unterrichtung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Unionsgerichten darstellt und jedenfalls keine rechtlich verbindliche Entscheidung darstellen kann, die die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit begründen kann.

22      Folglich fällt die vorliegende Klage nicht in die Zuständigkeit des Gerichts und ist daher abzuweisen.

 Kosten

23      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen, da sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben worden ist.

2.      Herr Michael Kipper trägt die Kosten.

Luxemburg, den 16. Dezember 2019

Der Kanzler

 

      Die Präsidentin

E. Coulon

 

      A. Marcoulli



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