T-36/23 – Stevi und The New York Times/ Kommission

T-36/23 – Stevi und The New York Times/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:483

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)

14. Mai 2025(*)

„ Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente betreffend Textnachrichten, die zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer ausgetauscht wurden – Verweigerung des Zugangs – Vermutung der Richtigkeit der Erklärung, nicht im Besitz der Dokumente zu sein – Keine plausiblen Erklärungen, denen sich die Gründe für die Nichtexistenz oder den Nichtbesitz der Dokumente entnehmen lassen – Aufbewahrung der Dokumente – Grundsatz der guten Verwaltung “

In der Rechtssache T‑36/23,

Matina Stevi, wohnhaft in Brüssel (Belgien),

The New York Times Company mit Sitz in New York, New York (Vereinigte Staaten),

vertreten durch Rechtsanwältin B. Kloostra und Rechtsanwalt P.‑J. Schüller,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Stancanelli, A. Spina und M. Burón Pérez als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter S. Papasavvas, R. da Silva Passos, J. Svenningsen, L. Truchot, R. Mastroianni, H. Kanninen, J. Schwarcz, P. Nihoul, J. Martín y Pérez de Nanclares, G. Hesse, M. Sampol Pucurull (Berichterstatter), der Richterin M. Stancu sowie der Richter I. Nõmm und K. Kecsmár,

Kanzler: A. Marghelis, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der prozessleitenden Maßnahme vom 11. September 2024 sowie der am 4. und am 7. Oktober 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten der Parteien,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2024

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, Frau Matina Stevi und The New York Times Company, die Nichtigerklärung der Entscheidung C(2022) 8371 final der Europäischen Kommission vom 15. November 2022, die gemäß Art. 4 der Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) erlassen wurde und einen Antrag auf Zugang zu sämtlichen Textnachrichten betrifft, die zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 11. Mai 2022 ausgetauscht wurden (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Mit E‑Mail vom 11. Mai 2022 beantragte Frau Stevi, eine bei der Tageszeitung The New York Times beschäftigte Journalistin, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 bei der Kommission Zugang zu sämtlichen in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 11. Mai 2022 zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer ausgetauschten Textnachrichten. Dieser Antrag wurde am 12. Mai 2022 unter dem Aktenzeichen GESTDEM 2022/2678 registriert (im Folgenden: Erstantrag).

3        Da die Bevollmächtigte der Klägerinnen innerhalb der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Frist von der Kommission keine Antwort erhielt, stellte sie am 28. Juni 2022 auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 4 dieser Verordnung „im Namen von Frau Matina Stevi, handelnd für The New York Times [Company]“, einen ersten Zweitantrag auf Zugang zu Dokumenten.

4        Mit an Frau Stevi gerichtetem Schreiben vom 20. Juli 2022 antwortete die Kommission auf den Erstantrag und wies darauf hin, dass sie nicht in der Lage sei, ihm stattzugeben, da sie sich nicht im Besitz von Dokumenten befinde, die der Beschreibung in diesem Antrag entsprächen.

5        Mit Schreiben vom 9. August 2022 stellte die Bevollmächtigte der Klägerinnen auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 „im Namen von [Frau] Stevi, handelnd für The New York Times [Company]“, einen zweiten Zweitantrag auf Zugang zu Dokumenten (im Folgenden: Zweitantrag), der von der Kommission am selben Tag registriert wurde.

6        Mit E‑Mail vom 31. August 2022 teilte die Kommission Frau Stevi mit, dass der Zweitantrag noch immer bearbeitet werde und die Bearbeitungsfrist gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 um 15 Werktage, d. h. bis zum 21. September 2022, verlängert werden müsse.

7        Mit E‑Mail vom 21. September 2022 teilte die Kommission Frau Stevi mit, dass die Prüfung des Zweitantrags abgeschlossen sei, dass ihr Entscheidungsentwurf jedoch noch von ihrem Juristischen Dienst genehmigt werden müsse, wobei sie ihr versicherte, dass sie ihr so bald wie möglich antworten werde.

8        Am 16. November 2022 übermittelte die Kommission Frau Stevi die angefochtene Entscheidung, mit der sie ihr mitteilte, dass sie nicht in der Lage sei, diesem Antrag stattzugeben, da sie sich nicht im Besitz eines Dokuments befinde, das der Beschreibung im Erstantrag entspreche.

 Anträge der Parteien

9        Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

10      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

 Zur Klagebefugnis der The New York Times Company

11      In der Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, The New York Times Company sei nicht klagebefugt. Der Erstantrag sei ausschließlich von Frau Stevi gestellt worden, und die späteren Zweitanträge seien von Rechtsanwältin Bondine Kloostra gestellt worden, die erklärt habe, sie vertrete „[Frau] Stevi, handelnd für The New York Times [Company]“. Außerdem sei Frau Stevi die einzige Adressatin der angefochtenen Entscheidung.

12      Die Klage ist zulässig, soweit sie von Frau Stevi erhoben wird, was die Kommission im Übrigen nicht bestreitet. Nach ständiger Rechtsprechung braucht aber bei einer gemeinsamen Klage, wenn einer der Kläger klagebefugt ist, die Klagebefugnis für die anderen Kläger nicht geprüft zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 37, und vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 40).

13      Da Frau Stevi befugt ist, die angefochtene Entscheidung anzufechten, ist die vorliegende Klage folglich für zulässig zu erklären, ohne dass die Klagebefugnis der The New York Times Company geprüft zu werden braucht.

 Zur Zulässigkeit der von den Klägerinnen erstmals als Anlage zur Erwiderung vorgelegten Beweise

14      Die von den Klägerinnen eingereichte Erwiderung enthält als Anlagen R.1 und R.2 die Niederschriften der Interviews, die Frau Stevi am 25. April 2021 mit der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer getrennt voneinander geführt hat (im Folgenden: Niederschriften der Interviews).

15      In der Gegenerwiderung macht die Kommission geltend, die Klägerinnen brächten keine Rechtfertigung für die verspätete Vorlage der Niederschriften der Interviews vor, wie dies nach Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erforderlich sei, so dass diese Niederschriften unzulässig seien. Die Kommission erläutert, zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift seien diese Beweise bereits vorhanden gewesen und hätten daher ohne Schwierigkeiten als Anlagen zur Klageschrift vorgelegt werden können.

16      Nach Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung sind Beweise und Beweisangebote im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen. Gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung können die Parteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

17      Es ist darauf hinzuweisen, dass Frau Stevi am 25. April 2021, d. h. fast zwei Jahre vor dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben haben, Interviews mit der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer geführt hat. Daher hätten die Klägerinnen diese Interviews ab dem Stadium der Klageschrift niederschreiben und dem Gericht die Niederschriften der Interviews vorlegen können.

18      Somit ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die verspätete Vorlage der Niederschriften der Interviews gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung gerechtfertigt war.

19      Insoweit weisen die Klägerinnen in Fn. 2 auf S. 3 der Erwiderung darauf hin, dass der Kommissionspräsidentin in der Klageschrift irrtümlich Erklärungen des Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer zugeschrieben worden seien und dass die Niederschriften der Interviews dem Gericht als Anlage zur Erwiderung vorgelegt würden, um jegliche Verwirrung zu vermeiden. Außerdem machen die Klägerinnen in Beantwortung einer im Wege einer prozessleitenden Maßnahme gestellten schriftlichen Frage des Gerichts geltend, dass sie zwar zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift im Besitz der Aufzeichnungen der Interviews gewesen seien, dass sie diese Interviews aber erst bei der Einreichung der Erwiderung niedergeschrieben hätten, um jegliche Unklarheit über die Identität der Person, die die fraglichen Erklärungen abgegeben habe, zu zerstreuen.

20      Nach alledem ist unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache festzustellen, dass die verspätete Vorlage der Niederschriften der Interviews in der Anlage zur Erwiderung gerechtfertigt ist und dass diese Beweise daher im Sinne von Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung für zulässig zu erklären sind.

 Begründetheit

21      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 und gegen Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), zweitens einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 und drittens einen Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung geltend machen.

22      Das Gericht ist der Ansicht, dass zunächst der dritte Klagegrund zu prüfen ist.

23      Im Rahmen des dritten Klagegrundes stellen die Klägerinnen im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Verbreitung der angeforderten Dokumente durch die Kommission in Frage.

24      Zur Stützung dieses Klagegrundes werfen die Klägerinnen der Kommission vor, dadurch gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen zu haben, dass sie sich bei der Ablehnung ihres Antrags auf Zugang zu Dokumenten darauf beschränkt habe, sich auf die Nichtexistenz der angeforderten Dokumente zu berufen, ohne eine verständliche Erklärung zu geben, warum die angeforderten Dokumente nicht auffindbar gewesen seien. Dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Existenz der angeforderten Dokumente bloß bestreite, reiche nicht aus.

25      Im Einzelnen machen die Klägerinnen geltend, der am 28. April 2021 in The New York Times veröffentlichte Artikel sowie die Interviews von Frau Stevi mit der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer belegten, dass die angeforderten Dokumente tatsächlich existiert hätten. Da die Vermutung der Richtigkeit der Erklärung der Kommission, dass sie nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei, entkräftet sei, sei es Sache der Kommission, die Nichtexistenz oder den Nichtbesitz dieser Dokumente durch plausible Erklärungen, denen sich die Gründe für die Nichtexistenz oder den Nichtbesitz der Dokumente entnehmen ließen, zu beweisen.

26      Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass „erneute eingehende Nachforschungen“ nach den angeforderten Dokumenten durchgeführt worden seien, lasse jedoch keineswegs erkennen, ob sich diese Nachforschung nur auf Dokumente bezogen habe, die im System der Schriftgutverwaltung der Kommission registriert worden seien, oder ob sie auch eine Suche nach nicht in diesem Verwaltungssystem registrierten Dokumenten umfasst habe. Im Übrigen enthalte die angefochtene Entscheidung keine genauen Angaben zu den etwaigen Speicherorten, die eingesehen worden seien, gebe nicht an, ob das oder die Mobiltelefone der Kommissionspräsidentin Gegenstand der durchgeführten Nachforschungen gewesen seien, und führe auch nicht die Gründe an, warum die angeforderten Textnachrichten nicht aufgefunden worden seien.

27      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

28      Zunächst weist die Kommission in der Gegenerwiderung darauf hin, dass die Argumentation der Klägerinnen, wonach die Vermutung der Richtigkeit der Erklärung, dass sie sich nicht im Besitz der angeforderten Dokumente befinde, entkräftet worden sei und es ihr daher obliege, plausible Erklärungen zu geben, mit denen sich die Nichtexistenz oder der Nichtbesitz dieser Dokumente nachweisen lasse, erstmals in der Erwiderung vorgebracht worden sei. Somit handele es sich um einen neuen Klagegrund, dessen verspätetes Vorbringen nach Art. 84 der Verfahrensordnung unzulässig sei.

29      Selbst wenn dieser neue Klagegrund zulässig sein sollte, geht die Kommission im Wesentlichen davon aus, dass die Klägerinnen jedenfalls nichts vorgetragen hätten, was die Vermutung der Richtigkeit ihrer Erklärung, dass sie nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei, in Frage stellen könnte. Die Kommission weist insoweit darauf hin, dass es nur einen einzigen Hinweis auf einen Austausch von Nachrichten zwischen ihrer Präsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer gebe, der auf S. 15 des von den Klägerinnen als Anlage R.2 zur Erwiderung vorgelegten Dokuments in einer Letzterem zugeschriebenen Erklärung zu finden sei. Im Übrigen ergebe sich aus dieser Erklärung lediglich, dass die Textnachrichten, die zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer ausgetauscht worden seien, bei den Gesprächen zwischen ihnen nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten.

30      Selbst wenn man annähme, dass die Erklärung des Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer ausreiche, um die Vermutung der Richtigkeit der Erklärung, dass sich die Kommission nicht im Besitz der angeforderten Dokumente befinde, zu entkräften, so bleibe es ihr möglich, plausible Erklärungen abzugeben, die ihre Behauptungen bestätigen könnten. Die angefochtene Entscheidung gebe diese Erklärungen, indem zum einen darauf hingewiesen werde, dass erneute eingehende, aber leider erfolglose Nachforschungen angestellt worden seien, und zum anderen darauf, dass Textnachrichten registriert und somit identifiziert worden wären, wenn sie wichtige, dauerhafte Informationen enthalten hätten oder wenn die darin enthaltenen Informationen das Tätigwerden oder Folgemaßnahmen der Kommission oder einer ihrer Dienststellen impliziert hätten.

 Zu der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit

31      Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Angriffsmittel oder ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweist, ist jedoch für zulässig zu erklären (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in der Klageschrift die Auffassung vertreten, dass die Kommissionspräsidentin und der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer Textnachrichten ausgetauscht hätten, und haben Indizien für die Existenz der angeforderten Dokumente vorgelegt. Sie haben der Kommission auch vorgeworfen, sie habe nicht im Geringsten eine verständliche Erklärung dafür gegeben, warum sie sich nicht im Besitz dieser Textnachrichten befunden habe.

33      Hierzu ist festzustellen, dass die rechtlichen Gesichtspunkte, auf die sich der dritte Klagegrund stützt, nämlich das Bestehen einer Vermutung der Richtigkeit der Erklärungen der Organe und das behauptete Nichtvorliegen von Gründen, anhand deren die Nichtexistenz der angeforderten Textnachrichten erklärbar sei, bereits in der Klageschrift enthalten gewesen sind.

34      Zwar haben die Klägerinnen in Beantwortung der Ausführungen der Kommission in der Klagebeantwortung diese rechtlichen Gesichtspunkte in der Erwiderung mit einem korrigierten Sachverhalt verknüpft, gleichwohl weist das Vorbringen in der Erwiderung somit einen engen Zusammenhang mit dem Vorbringen in der Klageschrift auf.

35      Daher ist die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit des Klagegrundes

–       Einleitende Erwägungen

36      Wie sich aus Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 insbesondere im Licht ihres vierten Erwägungsgrundes ergibt, soll diese Verordnung dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, größtmögliche Wirksamkeit verschaffen, und nach dem elften Erwägungsgrund dieser Verordnung sollten „[g]rundsätzlich … alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein“.

37      Jede Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten, die von einem Organ der Europäischen Union angefordert werden, kann gerichtlich angefochten werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Gründe für die Zugangsverweigerung angegeben werden. Jede andere Lösung würde die von den Unionsgerichten auszuübende Kontrolle der Begründetheit einer den Zugang zu Dokumenten der Organe ablehnenden Entscheidung unmöglich machen, da sich das betreffende Organ schon durch die Angabe, dass ein Dokument nicht existiere, jeder gerichtlichen Kontrolle entziehen könnte. Demnach ist festzustellen, dass es nicht zur Unanwendbarkeit des Transparenzgebots und des Rechts auf Zugang zu Dokumenten führt, wenn ein Dokument, zu dem Zugang verlangt wird, nicht existiert oder wenn es sich nicht im Besitz des betreffenden Organs befindet. Es ist vielmehr Sache des fraglichen Organs, dem Antragsteller zu antworten und gegebenenfalls vor Gericht die aus diesem Grund erfolgende Verweigerung des Zugangs zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Im Übrigen setzt die Ausübung des Zugangsrechts für jede interessierte Person zwangsläufig voraus, dass die angeforderten Dokumente existieren und sich im Besitz des betreffenden Organs befinden – auch wenn das Recht auf Zugang zu Dokumenten nicht geltend gemacht werden kann, um das Organ zu verpflichten, ein Dokument, das nicht existiert, zu erstellen. Außerdem wird nach ständiger Rechtsprechung, wenn ein Organ im Rahmen eines Zugangsantrags erklärt, dass ein Dokument nicht existiere, entsprechend der Vermutung der Richtigkeit dieser Erklärung vermutet, dass dieses Dokument nicht existiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 24. März 2021, BK/EASO, T‑277/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:161, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. März 2023, Basaglia/Kommission, T‑597/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:133, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Eine solche Vermutung kann jedoch mit allen Angriffsmitteln auf der Grundlage relevanter und übereinstimmender Indizien, die der Antragsteller vorlegt, entkräftet werden. Diese Vermutung hat entsprechend zu gelten, wenn das Organ erklärt, nicht im Besitz der angeforderten Dokumente zu sein (vgl. Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Wird diese Vermutung entkräftet und kann sich die Kommission nicht mehr auf sie berufen, so hat sie die Nichtexistenz oder den Nichtbesitz der angeforderten Dokumente durch plausible Erklärungen zu beweisen, denen sich die Gründe für die Nichtexistenz oder den Nichtbesitz der Dokumente entnehmen lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Außerdem verlangt das Recht auf Zugang zu Dokumenten, dass die Organe die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die wirksame Ausübung dieses Rechts zu erleichtern. Eine wirksame Ausübung dieses Rechts setzt voraus, dass die betreffenden Organe die Unterlagen zu ihren Tätigkeiten so weit wie möglich in willkürfreier und vorhersehbarer Art und Weise erstellen und aufbewahren (vgl. Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zur Entkräftung der Vermutung der Nichtexistenz

42      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sie nicht in der Lage sei, dem Antrag auf Zugang zu Dokumenten stattzugeben, da sie kein Dokument besitze, das der Beschreibung in diesem Antrag entspreche.

43      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass aus den Erläuterungen der Kommission in Beantwortung einer Frage, die das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme an sie gerichtet hat, hervorgeht, dass sie „nicht bestreitet, dass Textnachrichten zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer [des Pharmaunternehmens] Pfizer im Laufe ihrer Kontakte in den ersten Monaten des Jahres 2021 ausgetauscht wurden“, wobei sie sogar angibt, „dies nie geleugnet [zu haben]“.

44      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission die Existenz dieses Austauschs von Textnachrichten in der Vergangenheit weder bestätigt noch in Abrede gestellt und nur vermuten können, dass dieser Austausch möglicherweise stattgefunden habe. Hierzu hat die Kommission vorgetragen, sie wisse nicht, ob die angeforderten Dokumente tatsächlich existiert hätten, da sie nicht im Besitz dieser Dokumente sei. Da die Kommissionspräsidentin und der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer volle Terminkalender hätten und Treffen für gewöhnlich von ihren Sekretariaten, Assistenten oder Mitarbeitern geplant würden, hätten sie, da dieses Vorgehen im besonderen Kontext der Covid‑19-Pandemie nicht möglich gewesen sei, Textnachrichten ausgetauscht, um ihre Gespräche zu organisieren und zu planen.

45      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Antworten der Kommission entweder auf Vermutungen oder auf wechselnden oder ungenauen Informationen beruhen.

46      Gleichwohl macht die Kommission trotz dieser Ungenauigkeiten geltend, dass sie nicht über die angeforderten Dokumente verfüge, so dass es nach der oben in den Rn. 38 und 39 angeführten Rechtsprechung Sache der Klägerinnen ist, relevante und übereinstimmende Indizien beizubringen, die es ermöglichen, die Vermutung des Nichtbesitzes dieser Dokumente zu entkräften.

47      Insoweit kann sich der Ausdruck „Besitz“ nicht auf den Besitz von Dokumenten durch das Organ zu dem Zeitpunkt beschränken, zu dem es auf den Zweitantrag antwortet, da die Ausübung des Rechts auf Zugang zu einem Dokument gegenstandslos würde, wenn sich das betreffende Organ, um seinen Verpflichtungen zu entgehen, darauf beschränken könnte, geltend zu machen, dass die angeforderten Dokumente unauffindbar gewesen seien.

48      Daher ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Klägerinnen relevante und übereinstimmende Indizien dafür beigebracht haben, dass die Kommission zu einem bestimmten Zeitpunkt im Besitz der angeforderten Textnachrichten war, was in Anbetracht der Angaben der Kommission auf die Prüfung hinausläuft, ob es solche Dokumente geben konnte.

49      Hierzu weisen die Klägerinnen erstens darauf hin, dass die Existenz der angeforderten Dokumente durch den am 28. April 2021 in The New York Times veröffentlichten Artikel enthüllt worden sei, der auf der Grundlage der Interviews verfasst worden sei, die Frau Stevi mit der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer geführt habe.

50      Aus dem genannten Presseartikel geht u. a. hervor, dass „[die Kommissionspräsidentin] einen Monat lang mit … dem Chief executive officer [des Pharmaunternehmens] Pfizer Textnachrichten ausgetauscht und Telefongespräche geführt [hat]“.

51      Im Übrigen lässt sich diesem Presseartikel auch entnehmen, dass „[d]er erste Kontakt zwischen [der Kommissionspräsidentin] und [dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer] … im Januar [2021] hergestellt [wurde], als [der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer] erläutern musste, warum sein Unternehmen die Versorgung mit Impfstoffen [in der Union] vorübergehend einstellen musste, während es seine Produktionsanlagen in Belgien aufrüstete“. Weiter heißt es in diesem Presseartikel: „Während die Aufrüstungsarbeiten an der belgischen Fabrik relativ problemlos verliefen, wurden die Gespräche zwischen [der Kommissionspräsidentin] und dem [Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer] fortgesetzt, wie sie beide in den der [Tageszeitung] The New York Times gewährten Interviews berichtet haben.“ Außerdem geht aus demselben Presseartikel hervor, dass „[d]ie Anrufe … zu einer Reihe von Vereinbarungen zwischen der Union und den [Pharmaunternehmen Pfizer und BioNTech] geführt [haben]“. Schließlich ergibt sich aus dem oben erwähnten Presseartikel auch, dass der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer erklärt habe, er habe „ein Vertrauensverhältnis zu [der Kommissionspräsidentin] aufgebaut“.

52      Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die Existenz der angeforderten Dokumente werde auch durch die Interviews bestätigt, die Frau Stevi mit der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer geführt habe.

53      Insoweit ergibt sich insbesondere aus der Niederschrift des von Frau Stevi mit dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer geführten Interviews, dass dieser erklärt habe, „[die Kommissionspräsidentin und er hätten i]n Anbetracht der Schwierigkeiten … immer mehr zusammengearbeitet“, „sie [habe ihm] ihr[e] Telefon[nummer] geschickt“, damit „sie sich austauschen [könnten], wenn [die Kommissionspräsidentin] Fragen habe“, und „sie [hätten] Textnachrichten ausgetauscht, wenn Punkte zu erörtern [gewesen seien]“. Im Übrigen habe der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer erklärt, „[d]ie Tatsache, dass [sie] erreichbar [gewesen seien]“ und dass die Kommissionspräsidentin ihn habe kontaktieren können, sei für sie „eine große Hilfe“ gewesen und sie habe die Möglichkeit gehabt, mit ihm wegen ihrer Anliegen „wieder Kontakt aufzunehmen“. Schließlich habe der Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer erklärt: „Was bei [der Kommissionspräsidentin] völlig anders war, war, dass wir ein tiefes Vertrauen aufgebaut haben, weil … wir vertiefte Gespräche führen konnten.“

54      Außerdem geht aus dem Interview von Frau Stevi mit der Kommissionspräsidentin hervor, dass diese in Beantwortung der Frage von Frau Stevi, ob es „in dieser Zeit einen Telefonanruf … oder eine E‑Mail gegeben“ habe, „der bzw. die [ihr] als Wendepunkt in der Art und Weise, wie [sie] die Situation gemeistert“ habe, im Gedächtnis geblieben sei, auf das Bestehen von Kontakten mit dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer hinwies, dessen „persönliche Reaktion“ sie geschätzt habe.

55      Drittens vertreten die Klägerinnen die Auffassung, der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs über den Kauf von Impfstoffen durch die Union im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie bestätige den informellen Verhandlungsprozess, der bei der Aushandlung der Verträge über Impfstoffe im Rahmen der Covid‑19-Pandemie geführt worden sei, wie er von der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer in ihren Interviews mit Frau Stevi beschrieben worden sei. Der Rechnungshof habe die Aushandlung dieser Verträge geprüft und festgestellt, dass die Kommission keine Informationen über die Vorverhandlungen über die oben genannten Verträge, wie den Zeitplan der Verhandlungen, die Aufzeichnungen der Gespräche und die Einzelheiten der vereinbarten Bedingungen, übermittelt habe.

56      Aus dem oben genannten Bericht geht u. a. hervor, dass „die Kommissionspräsidentin [im März 2021] Vorverhandlungen über einen Vertrag mit Pfizer/BioNTech [geführt habe]“. Darüber hinaus stellt der Rechnungshof in seinem Bericht fest, dass er „[z]u den Vorverhandlungen über den umfangreichsten Vertrag der [Union] … keine Informationen erhalten [habe]“.

57      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus all diesen Indizien, dass die Klägerinnen relevante und übereinstimmende Anhaltspunkte vorgelegt haben, die das Bestehen von wiederholtem mündlichen und schriftlichen Austausch, insbesondere Textnachrichten, zwischen der Kommissionspräsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer im Rahmen des Kaufs von Impfstoffen durch die Kommission von diesem Unternehmen im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie beschreiben.

58      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es den Klägerinnen gelungen ist, die Vermutung der Nichtexistenz und folglich, wie sich aus Rn. 48 des vorliegenden Urteils ergibt, des Nichtbesitzes der angeforderten Dokumente zu entkräften.

–       Zu den von der Kommission gegebenen Erklärungen

59      Es ist darauf hinzuweisen, dass die wirksame Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten, das sich aus dem Transparenzgebot ableitet, voraussetzt, dass die betreffenden Organe die Unterlagen zu ihren Tätigkeiten so weit wie möglich in willkürfreier und vorhersehbarer Art und Weise erstellen und aufbewahren. Mit anderen Worten ergibt sich aus dem Recht auf Zugang zu den im Besitz des betreffenden Organs befindlichen Dokumenten eine Verpflichtung dieses Organs, auch deren Aufbewahrung über einen längeren Zeitraum sicherzustellen, die mit der in Art. 41 der Charta verankerten Verpflichtung zu einer guten Verwaltung zusammenhängt, natürlich unbeschadet anderer anwendbarer rechtlicher Voraussetzungen, z. B. im Hinblick auf den Datenschutz (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die sich aus dem Grundsatz der guten Verwaltung ergebende Sorgfaltspflicht, die gebietet, dass die Unionsverwaltung in ihren Beziehungen zur Öffentlichkeit sorgsam und umsichtig handelt, impliziert, dass sie eine von ihr durchzuführende Untersuchung in Bezug auf angeforderte Dokumente mit aller möglichen Sorgfalt durchzuführen hat, um die bestehenden Zweifel zu zerstreuen und den Sachverhalt aufzuklären (vgl. entsprechend Urteil vom 4. April 2017, Bürgerbeauftragter/Staelen, C‑337/15 P, EU:C:2017:256, Rn. 34 und 114).

60      Folglich ist die Kommission, wie sich oben aus Rn. 40 ergibt, wenn sie sich nicht mehr auf die Vermutung der Richtigkeit ihrer Erklärung, dass sie nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei, berufen kann, nach dem Transparenzgebot und der Sorgfaltspflicht, die dem Recht auf Zugang zu Dokumenten zugrunde liegen und implizieren, dass die Unionsverwaltung sorgsam und umsichtig handelt, verpflichtet, plausible Erklärungen zu geben, die es dem Antragsteller und dem Gericht ermöglichen, den Grund zu verstehen, aus dem die angeforderten Dokumente nicht auffindbar waren.

61      Im vorliegenden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission angegeben hat, nicht im Besitz der angeforderten Dokumente zu sein, und zwar trotz erneuter eingehender Nachforschungen. Sie hat hierzu festgestellt, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 nicht herangezogen werden könne, um ein Organ zu verpflichten, ein Dokument, das nicht existiere, zu erstellen. Außerdem hat die Kommission Art. 3 Buchst. a dieser Verordnung erwähnt, der den Begriff „Dokument“ im Sinne dieser Verordnung definiert, sowie Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses (EU) 2021/2121 der Kommission vom 6. Juli 2020 über die Schriftgutverwaltung und Archive (ABl. 2021, L 430, S. 30), wonach „Dokumente [der Kommission] … registriert [werden], wenn sie wichtige dauerhafte Informationen enthalten oder das Tätigwerden oder Folgemaßnahmen der Kommission oder einer ihrer Dienststellen nach sich ziehen können“. Nach den Angaben der Kommission wären die Textnachrichten registriert worden, wenn sie die in Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses 2021/2121 vorgesehenen Kriterien erfüllt hätten. Es habe kein Dokument identifiziert werden können, das vom Antrag auf Zugang zu Dokumenten erfasst würde. Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass sie nicht in der Lage sei, diesem Antrag stattzugeben, da sie kein Dokument besitze, das dem Antrag auf Zugang zu Dokumenten entspreche.

62      Erstens hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf den Hinweis beschränkt, dass sie trotz erneuter eingehender Nachforschungen kein Dokument habe identifizieren können, das vom Antrag auf Zugang zu Dokumenten erfasst werde, ohne den Umfang oder die Einzelheiten dieser Nachforschungen zu präzisieren. Sie hat nämlich in der angefochtenen Entscheidung weder angegeben, welche Arten von Nachforschungen durchgeführt worden sein sollen, noch, welche Dokumentenspeicherorte eingesehen worden sein sollen.

63      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Erklärung, dass sie „erneute eingehende Nachforschungen“ durchgeführt habe, bedeute, dass sie über die nach dem Erstantrag durchgeführten Nachforschungen hinaus zusätzliche Nachforschungen angestellt habe. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass die Nachforschungen zunächst in den Akten über die Aushandlung der Verträge über ihren Kauf von Impfstoffen im Rahmen der Covid‑19-Pandemie durchgeführt worden seien, dass ihr Generalsekretariat aber, da diese Nachforschungen zu keinen Ergebnissen geführt hätten, Kontakt zum Kabinett ihrer Präsidentin aufgenommen habe. Dieses habe zunächst zum einen geprüft, ob die angeforderten Dokumente in irgendeiner einschlägigen Akte registriert worden seien, und zum anderen, ob solche Dokumente möglicherweise außerhalb des Systems der Schriftgutverwaltung der Kommission vorhanden sein könnten.

64      Im Übrigen hat die Kommission in der Anlage zur Gegenerwiderung eine Erklärung des Kabinettschefs ihrer Präsidentin vorgelegt, in der es heißt, dass „das Kabinett [der Präsidentin] kein Dokument besitzt, das vom Antrag der Klägerinnen auf Zugang zu Dokumenten erfasst wird“.

65      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie sei nicht in der Lage, anzugeben, welche Dokumentenspeicherorte vom Kabinett ihrer Präsidentin geprüft worden seien. Außerdem hat die Kommission keine Angaben dazu gemacht, was außerhalb des Systems der Dokumentenverwaltung eingesehen worden sein soll. Schließlich hat die Kommission nicht erläutert, ob das Kabinett ihrer Präsidentin eine Suche nach den angeforderten Dokumenten in dem oder den der Präsidentin zur Verfügung gestellten Mobiltelefonen durchgeführt hat oder ob diese bei den im Anschluss an den Erst- und den Zweitantrag durchgeführten Nachforschungen berücksichtigt wurden.

66      Als die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt befragt worden ist, hat sie erklärt, sie sei nicht in der Lage, zu den durchgeführten Nachforschungen mehr vorzulegen oder auch nur zu erläutern, wie diese durchgeführt worden seien und ob die Kommissionspräsidentin zu der Existenz der angeforderten Dokumente befragt worden sei.

67      Die Kommission macht jedoch geltend, dass die Einzelheiten der Suche nach den angeforderten Dokumenten keinen Einfluss auf die Frage hätten, ob sie sich im Besitz dieser Dokumente befinde oder nicht. Mangels genauer Erläuterungen dazu, wie die angeforderten Dokumente gesucht wurden, verstößt das betreffende Organ jedoch gegen seine Pflicht, plausible Erklärungen für den Nichtbesitz von Dokumenten zu geben, die in der Vergangenheit existierten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2020, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑857/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:513, Rn. 97).

68      Folglich reichen die sowohl in der angefochtenen Entscheidung als auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gegebenen Erläuterungen der Kommission zu den Nachforschungen, die durchgeführt wurden, um die angeforderten Dokumente zu finden, nicht aus, um glaubhaft zu erklären, warum diese Dokumente nicht auffindbar waren.

69      Zweitens stellt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 nicht herangezogen werden könne, um ein Organ zu verpflichten, ein Dokument, das nicht existiere, zu erstellen, und suggeriert somit die Möglichkeit, dass diese Dokumente nicht existieren oder nicht mehr existieren, ohne jedoch die Gründe für eine solche Nichtexistenz anzugeben.

70      In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission in Bezug auf Textnachrichten darauf hingewiesen, dass diese Art von Mitteilungen anders als die innerhalb der Kommission ausgetauschten E‑Mails nicht automatisch nach einem angemessenen Zeitraum gelöscht würden, sondern dass die betreffende Person sie manuell löschen könne. Die Kommission hat jedoch nicht angegeben, ob die angeforderten Textnachrichten gelöscht wurden oder ob dies nicht der Fall war.

71      Außerdem hat die Kommission in Beantwortung einer weiteren schriftlichen Frage des Gerichts darauf hingewiesen, dass die Mobiltelefone ihrer Mitglieder aus Sicherheitsgründen nach einer angemessenen Nutzungsdauer zwingend ersetzt würden. Die Kommission hat jedoch nicht angegeben, ob das bzw. die ihrer Präsidentin zur Verfügung gestellten Mobiltelefone seit Einreichung des Antrags auf Zugang zu Dokumenten oder zwischen den Nachforschungen infolge des Erstantrags und jenen im Anschluss an den Zweitantrag ersetzt wurden. Als die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu diesem Punkt befragt worden ist, hat sie erklärt, sie gehe davon aus, dass das Mobiltelefon ihrer Präsidentin seit der Einreichung des Erstantrags ersetzt worden sei, da es sich um eine aus Sicherheitsgründen verbindliche Vorschrift handle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sie davon ausgehe, dass das ihrer Präsidentin derzeit zur Verfügung gestellte Mobiltelefon nicht mit jenem identisch sei, über das diese im April 2021 verfügt habe, dass sie aber nicht angeben könne, ob der Inhalt dieses neuen Mobiltelefons jenem des alten entspreche oder ob dies nicht der Fall sei.

72      Somit bleibt es unmöglich, mit Sicherheit zum einen zu wissen, ob die angeforderten Textnachrichten noch existieren oder ob sie gelöscht wurden und ob ein solches Löschen gegebenenfalls freiwillig oder automatisch erfolgt ist, und zum anderen, ob das oder die Mobiltelefone der Kommissionspräsidentin ersetzt wurden und, wenn ja, was mit diesen Geräten geschehen ist – und ob sie Gegenstand der Nachforschungen waren, die infolge des Erst- und des Zweitantrags durchgeführt wurden.

73      Unter diesen Umständen können die Erläuterungen der Kommission, die auf Vermutungen beruhen, nicht als plausibel angesehen werden.

74      Drittens bezieht sich die angefochtene Entscheidung auf Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses 2021/2121, gefolgt von der Feststellung, dass „Textnachrichten gemäß den Vorschriften der Kommission über die Registrierung von Dokumenten registriert worden wären, wenn sie wichtige dauerhafte Informationen enthalten hätten oder wenn sie das Tätigwerden oder Folgemaßnahmen der Kommission oder einer ihrer Dienststellen hätten implizieren können“.

75      Es ist festzustellen, dass in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich präzisiert wird, ob sich die angeforderten Dokumente nicht im Besitz der Kommission befinden, weil sie nicht in ihrem System der Schriftgutverwaltung registriert wurden. Im Übrigen gibt sie auch nicht eindeutig an, ob die angeforderten Dokumente nicht registriert wurden, weil sie nicht dauerhaft und unwichtig waren und keiner Folgemaßnahmen seitens der Kommission oder einer ihrer Dienststellen bedurften.

76      Erst in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die angeforderten Textnachrichten keine wichtigen oder dauerhaften Informationen oder solche Informationen enthielten, die Folgemaßnahmen von ihrer Seite oder ihren Dienststellen nach sich gezogen hätten, was erkläre, dass bei den Nachforschungen im Anschluss an den Erst- und den Zweitantrag keine Textnachricht identifiziert worden sei, die vom Antrag von Frau Stevi auf Zugang zu Dokumenten erfasst werde.

77      Die Kommission macht geltend, dass es praktisch unmöglich sei, alle von ihr erstellten und empfangenen Dokumente zu registrieren und aufzubewahren, da ihre täglichen Tätigkeiten viele digitale Dateien generierten, und dass daher gemäß ihrer internen Politik der Schriftgutverwaltung nur solche Dokumente gespeichert und aufbewahrt würden, die wichtige dauerhafte Informationen enthielten oder die Folgemaßnahmen nach sich zögen.

78      Insoweit hat die Kommission zur Stützung ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Gericht in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. November 2024, Kargins/Kommission (T‑110/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:805), ergangen sei, darauf hingewiesen habe, dass die wirksame Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten zwar voraussetze, dass die betreffenden Organe so weit wie möglich in willkürfreier und vorhersehbarer Art und Weise Unterlagen zu ihren Tätigkeiten aufbewahrten, dass aber interne Mitteilungen und Entwürfe zu einem Dokument wie etwa einem Schreiben für sich genommen nicht so wichtig oder außergewöhnlich sein könnten, dass dies ihre Registrierung und Aufbewahrung gerechtfertigt hätte.

79      Wie sich oben aus Rn. 41 ergibt, setzt die wirksame Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten voraus, dass die betreffenden Organe so weit wie möglich in willkürfreier und vorhersehbarer Art und Weise Unterlagen über ihre Tätigkeiten erstellen und aufbewahren. Somit dürfen die Organe das Recht auf Zugang zu den Dokumenten, die sich in ihrem Besitz befinden, nicht dadurch aushöhlen, dass sie es unterlassen, die Unterlagen zu ihren Tätigkeiten zu registrieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2024, Herbert Smith Freehills/Kommission, T‑570/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:644, Rn. 76).

80      Im Übrigen unterscheidet sich der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache von dem der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. November 2024, Kargins/Kommission (T‑110/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:805), ergangen ist. Zum einen war es dem Kläger in der oben genannten Rechtssache nämlich im Gegensatz zu den Klägerinnen in der vorliegenden Rechtssache (siehe oben, Rn. 57) nicht gelungen, die Vermutung der Nichtexistenz der angeforderten Dokumente zu widerlegen.

81      Zum anderen hat die Kommission im vorliegenden Fall nicht dargelegt, weshalb sie zu dem Schluss gelangt ist, dass Textnachrichten, die zwischen ihrer Präsidentin und dem Chief executive officer des Pharmaunternehmens Pfizer im Zusammenhang mit dem Kauf von Impfstoffen durch dieses Organ im Rahmen der Covid‑19-Pandemie ausgetauscht worden seien, nicht als wichtige dauerhafte Informationen oder als Informationen angesehen worden seien, die Folgemaßnahmen von ihrer Seite oder einer ihrer Dienststellen nach sich zögen und einen Bereich im Zusammenhang mit den in ihre Zuständigkeit fallenden Politiken, Tätigkeiten und Entscheidungen beträfen.

82      Jedenfalls hätte die Kommission, selbst wenn man davon ausgeht, dass solche Nachrichten keine wichtigen dauerhaften Informationen oder solche Informationen enthielten, die Folgemaßnahmen von ihrer Seite oder einer ihrer Dienststellen nach sich gezogen hätten, die ihre Registrierung und damit ihre Aufbewahrung gerechtfertigt hätten, gleichwohl plausible Erklärungen geben müssen, die es ermöglichen, zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen.

83      Zu diesem letztgenannten Punkt ist indessen zum einen festzustellen, dass sich die Kommission nicht allein auf die fehlende Registrierung der angeforderten Dokumente in ihrem Verwaltungssystem berufen kann, um darzutun, dass sie nicht im Besitz dieser Dokumente sei, ohne dies zu erläutern. Wie sich oben aus den Rn. 62 bis 73 ergibt, beruhen zum anderen die Erläuterungen der Kommission zum Schicksal der Dokumente, die in der Vergangenheit existierten oder existiert haben sollen, auf Vermutungen oder ungenauen Behauptungen und können daher nicht als plausibel angesehen werden.

–       Ergebnis

84      Folglich ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keine plausible Erklärung gegeben hat, anhand deren sich nachvollziehen ließe, weshalb sie die angeforderten Dokumente nicht finden konnte. Auch die Erläuterungen, die die Kommission in Beantwortung der im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gestellten und in der mündlichen Verhandlung wiederholten Fragen gegeben hat, erfüllen – unter der Annahme, dass sie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung relevant sind – nicht die entsprechenden Anforderungen, da sie nicht erkennen lassen, was mit den angeforderten Dokumenten konkret geschehen ist.

85      Da die Vermutung der Nichtexistenz der angeforderten Dokumente entkräftet worden ist, war es, wie oben aus Rn. 40 hervorgeht, Sache der Kommission, eine plausible Erklärung zu geben, anhand deren sich nachvollziehen lässt, warum sie die angeforderten Dokumente, die in der Vergangenheit existiert haben sollen, aber zum Zeitpunkt des Antrags auf Zugang zu den Dokumenten nicht mehr existierten oder zumindest nicht auffindbar waren, nicht finden konnte. Wie sich aus der vorstehenden Prüfung ergibt, hat sich die Kommission im Wesentlichen auf die Angabe beschränkt, dass sie nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission gegen die oben in Rn. 59 erwähnten Verpflichtungen verstoßen hat, die ihr bei der Bearbeitung des Antrags auf Zugang zu Dokumenten oblagen, und damit gegen den in Art. 41 der Charta vorgesehenen Grundsatz der guten Verwaltung verstoßen hat.

86      Daher ist dem dritten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, ohne dass über die anderen Klagegründe oder über den Antrag der Klägerinnen auf Beweisaufnahme entschieden zu werden braucht.

 Kosten

87      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung C(2022) 8371 final der Europäischen Kommission vom 15. November 2022, die gemäß Art. 4 der Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission erlassen wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Die Kommission trägt die Kosten.

van der Woude

Papasavvas

da Silva Passos

Svenningsen

Truchot

Mastroianni

Kanninen

Schwarcz

Nihoul

Martín y Pérez de Nanclares

Hesse

Sampol Pucurull

Stancu

Nõmm

Kecsmár

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 2025.

Unterschriften



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