T-331/24 – Costa Pujadas/ EUIPO – Yasunimotor (Variateurs de vitesse)

T-331/24 – Costa Pujadas/ EUIPO – Yasunimotor (Variateurs de vitesse)

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:824

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

3. September 2025(*)

„ Unionsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Unionsgeschmacksmuster, das einen Drehzahlwandler darstellt – Nichtigkeitsgrund – Fehlende Eigenart – Sichtbare Merkmale eines Bauelements eines komplexen Erzeugnisses – Begriffe ‚bestimmungsgemäße Verwendung‘ und ‚Sichtbarkeit‘ – Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Beweislast “

In der Rechtssache T‑331/24,

Juan Costa Pujadas, wohnhaft in L’Ametlla del Vallès (Spanien), vertreten durch Rechtsanwalt R. Guerras Mazón und Rechtsanwältin M. C. Pérez Serres,

Kläger,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch E. Nicolás Gómez als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Yasunimotor, SL mit Sitz in Canovelles (Spanien), vertreten durch Rechtsanwältin E. Sugrañes Coca,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov (Berichterstatter) sowie der Richter G. De Baere und D. Petrlík,

Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2025

folgendes

Urteil(1)

1        Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV beantragt der Kläger, Juan Costa Pujadas, die Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 19. April 2024 (Sache R 1315/2023-3) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 19. Januar 2022 beantragte die Streithelferin, die Yasunimotor, SL, beim EUIPO die Nichtigerklärung des auf eine Anmeldung vom 25. Mai 2005 hin eingetragenen Unionsgeschmacksmusters, das in folgenden Ansichten wiedergegeben ist:

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3        Das Geschmacksmuster, dessen Nichtigerklärung beantragt wurde, ist zur Verwendung für folgende Erzeugnisse der Klassen 12.11 und 12.16 des Abkommens von Locarno vom 8. Oktober 1968 zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle in geänderter Fassung bestimmt: „Motorräder“.

4        Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf Art. 25 Abs. 1 Buchst. a und b in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Unionsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2024/2822 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 (ABl. L, 2024/2822) geltenden Fassung gestützt.

5        Er wurde mit der fehlenden Neuheit und Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters begründet, insbesondere, weil das Bauelement, bei dem dieses Geschmacksmuster benutzt werde, bei seiner bestimmungsgemäßen Verwendung nicht sichtbar bleibe.

6        Am 26. April 2023 gab die Nichtigkeitsabteilung dem Antrag auf Nichtigerklärung statt.

7        Am 23. Juni 2023 legte der Kläger beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

8        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, der Kläger habe keine überzeugenden Nachweise vorgelegt, die die Schlussfolgerung der Nichtigkeitsabteilung entkräften könnten, dass der Teil des Drehzahlwandlers, der Gegenstand des angegriffenen Geschmacksmusters sei, nach seinem Einbau in das komplexe Erzeugnis bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung nicht klar sichtbar sei, wie es in Art. 25 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 in ihrer früheren Fassung aber verlangt werde.

 Anträge der Parteien

9        Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

10      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

11      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 Zur dritten Rüge: Rechts- und Beurteilungsfehler hinsichtlich der Voraussetzung der Sichtbarkeit nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

56      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer zum Einbau des Drehzahlwandlers ausgeführt, dass das angegriffene Geschmacksmuster, das bei dem innen eingebauten Drehzahlwandler benutzt werde, zwar auf einigen Bildern, insbesondere der Abbildung 6, teilweise sichtbar sei, der Drehzahlwandler jedoch bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Motorrads nicht klar sichtbar sei, da er von der fest angebrachten konischen Scheibe verdeckt werde, die nicht Teil des angegriffenen Geschmacksmusters sei.

57      Um zu dem oben in Rn. 56 angeführten Ergebnis zu gelangen, hat die Beschwerdekammer zum einen angegeben, dass das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses, auch wenn es bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung nicht ständig sichtbar sein müsse, zu einem bestimmten Zeitpunkt aber „als Ganzes“ sichtbar sein müsse. Die Nichtigkeitsabteilung sei daher zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass der dem angegriffenen Geschmacksmuster entsprechende Drehzahlwandler in seiner Einbauposition aus dem üblichen Blickwinkel der seitlichen Sicht auf das Motorrad für einen außenstehenden Beobachter praktisch unsichtbar sei. Zu den verfügbaren zusätzlichen Ansichten hat die Beschwerdekammer darauf hingewiesen, dass der Drehzahlwandler nur teilweise sichtbar sei und der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung des Motorrads „vollständig“ wahrgenommen werden könne.

58      Zum anderen hat die Beschwerdekammer, als sie den Schlussfolgerungen der Nichtigkeitsabteilung gefolgt ist, auch festgestellt, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die Konturen und andere ästhetische Merkmale des Drehzahlwandlers hinreichend klar und detailliert zu erkennen seien, um z. B. seine Eigenart zu beurteilen. Die vorgelegten Beweismittel bestätigten lediglich, dass andere mechanische Elemente wie die fest angebrachte konische Scheibe, die nicht Teil des angegriffenen Geschmacksmusters seien, es unmöglich machten, den Teil des Drehzahlwandlers, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werde, hinreichend klar zu sehen.

59      Die Beschwerdekammer ist daher zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe keine ausreichenden Beweise vorgelegt, um die Schlussfolgerung der Nichtigkeitsabteilung zu entkräften, dass das angegriffene Geschmacksmuster, das bei einem innen eingebauten Drehzahlwandler benutzt werde, bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Motorrads nicht die Voraussetzung der Sichtbarkeit nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 erfülle.

60      Der Kläger macht erstens geltend, die Beschwerdekammer habe Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 rechtsfehlerhaft ausgelegt, indem sie angenommen habe, dass der Drehzahlwandler zu einem bestimmten Zeitpunkt in seiner Gesamtheit sichtbar sein müsse. Auch eine teilweise Sichtbarkeit des angegriffenen Geschmacksmusters zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Benutzung sei geeignet, die Voraussetzung der Sichtbarkeit nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 zu erfüllen.

61      Zweitens beanstandet der Kläger die Beurteilung der Beschwerdekammer hinsichtlich der Sichtbarkeit des angegriffenen Geschmacksmusters im Fall eines bei einem Rennmotorrad innen eingebauten Drehzahlwandlers, da die Beschwerdekammer nur die seitliche Ansicht berücksichtigt habe, obwohl der Benutzer oder der außenstehende Beobachter bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Motorrads nicht auf diesen Blickwinkel beschränkt sei. Der „schräge“ Blickwinkel bei der Inspektion des Motorrads sei ebenfalls üblich und lasse den Drehzahlwandler deutlicher erkennen.

62      Das EUIPO schließt sich der Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 durch den Kläger an. Die Voraussetzung der Sichtbarkeit könne auch dann erfüllt sein, wenn das Unionsgeschmacksmuster nicht vollständig, sondern nur teilweise sichtbar sei, und zwar während der gesamten Verwendung des komplexen Erzeugnisses oder nur zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es ist jedoch der Ansicht, dass sich dieser Fehler nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auswirke, da die Beschwerdekammer ferner zu Recht angenommen habe, dass die sichtbaren Teile des angegriffenen Geschmacksmusters, das bei einem innen eingebauten Drehzahlwandler benutzt werde, nicht hinreichend klar und detailliert zu unterscheiden seien, um z. B. seine Eigenart zu beurteilen. Aus diesem Grund sei die Beschwerdekammer folglich zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Erfordernis der Sichtbarkeit nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 in jedem Fall nicht erfüllt sei.

63      Die Streithelferin bringt vor, bei einem Motorrad mit einem innen eingebauten Drehzahlwandler sei dessen Gehäuse nach innen gerichtet, so dass er zwar nicht vollständig verdeckt, aber auch nicht hinreichend sichtbar sei. Das Vorbringen des Klägers, die Sichtbarkeit könne aus einem schrägen Blickwinkel verbessert werden, treffe nicht zu. Selbst in diesem Fall bleibe die Sichtbarkeit gering, was es unmöglich mache, einen Gesamteindruck des Drehzahlwandlers zu erhalten. Zur Frage, ob Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 eine vollständige Sichtbarkeit des Unionsgeschmacksmusters voraussetzt, macht die Streithelferin geltend, diese Bestimmung verlange eine Sichtbarkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung, so dass die Beurteilung aller wesentlichen Merkmale des Geschmacksmusters ermöglicht werde und ein Gesamteindruck von ihm gewonnen werden könne.

64      Als Erstes ist zu prüfen, ob der Beschwerdekammer, wie der Kläger und das EUIPO vorbringen, ein Rechtsfehler unterlaufen ist, als sie in Rn. 65 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass das Bauelement, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werden solle, bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt „als Ganzes“ sichtbar sein müsse.

65      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2024/2822 geltenden Fassung ein Unionsgeschmacksmuster geschützt wird, soweit es neu ist und Eigenart hat. Außerdem ergibt sich, wie in Rn. 14 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung, dass ein Unionsgeschmacksmuster, das in einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt wird, nur dann als neu gilt und nur dann Eigenart hat, wenn das Bauelement, das in dem komplexen Erzeugnis benutzt wird, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung), und soweit diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung). Dabei handelt es sich um zwei kumulative Voraussetzungen, wie die Verwendung der Konjunktion „und“ zeigt. Folglich ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung dieser beiden Voraussetzungen, dass ein solches Unionsgeschmacksmuster geschützt wird, wenn das Bauelement, bei dem es benutzt wird, bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des fraglichen komplexen Erzeugnisses sichtbar ist, wobei jedoch nicht verlangt wird, dass das Bauelement vollständig sichtbar zu sein hat.

66      Nur die „sichtbaren Merkmale“ des Bauelements, bei dem das Unionsgeschmacksmuster benutzt wird, müssen „selbst“ die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen. Daraus folgt, dass die nicht sichtbaren Merkmale des Bauelements bei der Beurteilung der Neuheit und Eigenart des fraglichen Unionsgeschmacksmusters nicht berücksichtigt werden und daher nicht in den Schutzbereich der Verordnung Nr. 6/2002 fallen.

67      Eine teilweise Sichtbarkeit des fraglichen Bauelements bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses, in dem es benutzt wird, schließt somit den Schutz der sichtbaren Merkmale des Geschmacksmusters nicht aus, sofern diese selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen.

68      Eine Auslegung, nach der das Bauelement zu einem bestimmten Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung des fraglichen Erzeugnisses „vollständig“ sichtbar sein muss, birgt die Gefahr der Aushöhlung der Bedeutung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002, der nicht alle Merkmale des Bauelements erfasst, sondern nur dessen sichtbaren Merkmale, was impliziert, dass die übrigen Merkmale des Bauelements unsichtbar bleiben können.

69      Dies wird durch den zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 untermauert, der bestimmt, dass „[d]er Schutz sich weder auf Bauelemente erstrecken [sollte], die während der bestimmungsgemäßen Verwendung eines Erzeugnisses nicht sichtbar sind, noch auf Merkmale eines Bauelements, die unsichtbar sind, wenn das Bauelement eingebaut ist, oder die selbst nicht die Voraussetzungen der Neuheit oder Eigenart erfüllen. Merkmale eines Geschmacksmusters, die aus diesen Gründen vom Schutz ausgenommen sind, sollten bei der Beurteilung, ob andere Merkmale des Geschmacksmusters die Schutzvoraussetzungen erfüllen, nicht herangezogen werden.“

70      Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 sieht somit eindeutig den Fall vor, dass während der bestimmungsgemäßen Verwendung eines Erzeugnisses nur bestimmte Merkmale eines Bauelements sichtbar sind, die geschützt werden können, sofern sie selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen.

71      Ebenso hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Beschränkung des rechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern auf die sichtbaren Merkmale des betreffenden Bauelements sich dadurch erklärt, dass sich die Erscheinungsform dieses Bauelements ausschließlich aus diesen Merkmalen ergibt. Diese Auslegung wird durch die Systematik der Verordnung Nr. 6/2002 sowie durch den Zweck ihres Art. 4 Abs. 2 gestützt. Der Schutz eines Geschmacksmusters im Sinne dieser Verordnung gilt nämlich nur für Merkmale, die die Erscheinungsform eines Erzeugnisses oder eines Teils davon prägen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 16. Februar 2023, Monz Handelsgesellschaft International, C‑472/21, EU:C:2023:105, Rn. 42 und 43).

72      Der Beschwerdekammer ist folglich ein Rechtsfehler unterlaufen, als sie in Rn. 65 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, der Drehzahlwandler, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werde, müsse bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses, in dem er benutzt werde, zu einem bestimmten Zeitpunkt „als Ganzes“ sichtbar sein, und in Rn. 67 dieser Entscheidung angenommen hat, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass der innen eingebaute Drehzahlwandler, bei dem das angegriffene Geschmacksmuster benutzt werde, zu irgendeinem Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung des Motorrads „vollständig“ wahrgenommen werden könne.

73      Als Zweites ist zu prüfen, ob dieser Rechtsfehler zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung führt.

74      Ein solcher Rechtsfehler kann nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen, wenn er sich auf das Ergebnis der Beschwerdekammer ausgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2015, Giovanni Cosmetics/HABM – Vasconcelos & Gonçalves [GIOVANNI GALLI], T‑559/13, EU:T:2015:353, Rn. 135 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Mit dem EUIPO ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer, indem sie der Prüfung der Nichtigkeitsabteilung gefolgt ist, auch angenommen hat, dass selbst unter Berücksichtigung der teilweisen Sichtbarkeit des innen eingebauten Drehzahlwandlers die Konturen und anderen ästhetischen Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters nicht hinreichend klar und detailliert zu unterscheiden seien, um ihre Neuheit und Eigenart zu beurteilen.

76      Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der geschützte Teil eines Erzeugnisses oder das geschützte Bauelement eines komplexen Erzeugnisses sichtbar und durch Merkmale abgegrenzt sein muss, die seine besondere Erscheinungsform bilden, d. h. durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt oder eine besondere Oberflächenstruktur. Dies setzt voraus, dass die Erscheinungsform dieses Teils eines Erzeugnisses oder dieses Bauelements eines komplexen Erzeugnisses geeignet sein muss, selbst einen Gesamteindruck hervorzurufen, und nicht vollständig in dem Gesamterzeugnis untergeht (Urteil vom 28. Oktober 2021, Ferrari, C‑123/20, EU:C:2021:889, Rn. 50).

77      Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist der innen eingebaute Drehzahlwandler aus seitlicher Sicht praktisch unsichtbar, da er von der fest angebrachten konischen Scheibe verdeckt wird, die nicht Teil des angegriffenen Geschmacksmusters ist, wie die Beschwerdekammer in Rn. 66 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat. Der Kläger hat ferner bestätigt, dass der innen eingebaute Drehzahlwandler aus einem „schrägen“ Blickwinkel, z. B. bei der Inspektion des Motorrads durch den Benutzer vor der Inbetriebnahme, nur teilweise sichtbar ist.

78      Insoweit ist zunächst das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, die Beschwerdekammer habe bei der Beurteilung der Sichtbarkeit des Drehzahlwandlers nur die seitliche Ansicht des Motorrads berücksichtigt, obwohl dieser aus anderen Blickwinkeln, insbesondere aus schräger Sicht, deutlicher zu erkennen sei.

79      Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass die Sichtbarkeit eines Bauelements, das in einem komplexen Erzeugnis benutzt wird, aus der Sicht des Endbenutzers dieses Erzeugnisses sowie der Sicht eines außenstehenden Beobachters zu beurteilen ist (Urteil vom 16. Februar 2023, Monz Handelsgesellschaft International, C‑472/21, EU:C:2023:105, Rn. 46 und 56), so dass, wie der Kläger zu Recht geltend macht, je nach Fall verschiedene Blickwinkel für die Bestimmung des Sichtbarkeitsgrads des Bauelements bei der bestimmungsgemäßen Verwendung des komplexen Erzeugnisses, in dem es benutzt wird, relevant sein können.

80      Zum einen ist jedoch festzustellen, dass die Beschwerdekammer die vom Kläger angeführten zusätzlichen Blickwinkel berücksichtigt hat, wie aus Rn. 67 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hervorgeht.

81      Zum anderen belegen die vom Kläger vorgelegten Nachweise jedenfalls nicht, dass sich die Konturen und anderen sichtbaren Merkmale des innen eingebauten Drehzahlwandlers bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Rennmotorrads – sei es aus einem seitlichen oder schrägen Blickwinkel – hinreichend klar und detailliert unterscheiden, um die Beurteilung ihrer Neuheit und Eigenart zu ermöglichen.

82      Die vorgelegten Nachweise, insbesondere die Abbildungen 3 und 6, die den Einbau des fraglichen Bauelements zeigen, ermöglichen es nämlich nicht, die Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters zu unterscheiden, die seine besondere Erscheinungsform bilden, wie es die oben in Rn. 76 angeführte Rechtsprechung verlangt. Tatsächlich gehen die sichtbaren Teile des innen eingebauten Drehzahlwandlers vollständig im Gesamterzeugnis unter und sind nicht geeignet, selbst einen Gesamteindruck hervorzurufen.

83      Demnach ist die Beschwerdekammer beurteilungsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die sichtbaren Teile des innen eingebauten Drehzahlwandlers es nicht ermöglichen, die Konturen und anderen Merkmale des angegriffenen Geschmacksmusters hinreichend klar und detailliert zu unterscheiden, so dass die Voraussetzung der Sichtbarkeit nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht erfüllt ist.

84      Die in Rn. 72 des vorliegenden Urteils festgestellte rechtsfehlerhafte Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 durch die Beschwerdekammer hat daher keine Auswirkung auf das Ergebnis, zu dem sie in der angefochtenen Entscheidung gelangt ist.

85      Folglich ist die dritte Rüge des Klägers als unbegründet zurückzuweisen, so dass der einzige Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen ist.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Juan Costa Pujadas trägt die Kosten.

Kornezov

De Baere

Petrlík

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. September 2025.

Unterschriften




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