T-289/24 – Brasserie Nationale und Munhowen/ Kommission

T-289/24 – Brasserie Nationale und Munhowen/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:655

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

2. Juli 2025(*)

„ Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Getränkegroßhandelsmarkt – Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 – Von einer Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats, die nach nationalem Recht für die Prüfung des Zusammenschlusses nicht zuständig ist, gestellter Antrag auf Verweisung an die Kommission – Beschluss der Kommission, den Zusammenschluss zu prüfen – Frist für die Stellung des Verweisungsantrags – Begriff ‚zur Kenntnis gebracht‘ – Unterrichtung der beteiligten Unternehmen von dem Verweisungsantrag – Sprachenregelung – Frist für die Bekanntgabe des Beschlusses der Kommission, den Zusammenschluss zu prüfen – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Drohende erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Angemessenheit der Verweisung “

In der Rechtssache T‑289/24,

Brasserie Nationale (vormals Brasseries Funck-Bricher et Bofferding) mit Sitz in Bascharage (Luxemburg),

Munhowen SA mit Sitz in Ehlerange (Luxemburg),

vertreten durch Rechtsanwalt G. Parleani,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch P. Berghe und N. Cambien als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Autorité de concurrence du Grand-Duché de Luxemburg mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), vertreten durch Rechtsanwälte P. Kinsch und V. Richard,

und durch

Anheuser-Busch InBev mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch Rechtsanwältin K. Veranneman und Rechtsanwalt J.‑P. Roemen,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. J. Costeira, der Richterin M. Kancheva, der Richter U. Öberg und P. Zilgalvis sowie der Richterin E. Tichy-Fisslberger (Berichterstatterin),

Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der Entscheidung des Gerichts vom 24. Juni 2024, dem Antrag der Klägerinnen auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens stattzugeben,

–        der schriftlichen Frage des Gerichts an die Parteien und ihrer am 25. und 27. September 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten auf diese Frage,

–        der am 25. Oktober und 4. November 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Anträge der Klägerinnen und der Kommission auf vertrauliche Behandlung,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2025

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Brasserie Nationale (vormals Brasseries Funck-Bricher et Bofferding) und die Munhowen SA, die Nichtigerklärung des nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) und Art. 57 des EWR-Abkommens erlassenen Beschlusses C(2024) 1788 final der Europäischen Kommission vom 14. März 2024 (im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem die Kommission dem Antrag der Autorité de concurrence du Grand-Duché de Luxembourg (Wettbewerbsbehörde des Großherzogtums Luxemburg, im Folgenden: ACL) stattgegeben hat, die Übernahme der alleinigen Kontrolle über die Boissons Heintz Sàrl durch die Brasserie Nationale zu prüfen (Sache M.11485 – Brasserie Nationale/Boissons Heintz).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Zu den beteiligten Unternehmen

2        Die Brasserie Nationale ist ein luxemburgisches Unternehmen, das Bier und Mineralwasser herstellt.

3        Munhowen, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Brasserie Nationale, ist ein luxemburgisches Unternehmen, das in Luxemburg und benachbarten Regionen Frankreichs und Belgiens im Getränkegroßhandel tätig ist.

4        Boissons Heintz mit Sitz in Luxemburg ist in Luxemburg im Getränkegroßhandel tätig.

 Zu dem in Rede stehenden Zusammenschluss

5        Mit Pressemitteilung vom 31. Januar 2024 kündigte die Brasserie Nationale den Vollzug des Zusammenschlusses an, durch den sie die alleinige Kontrolle von Boissons Heintz im Wege des Erwerbs sämtlicher Gesellschaftsanteile an Boissons Heintz durch Munhowen übernahm (im Folgenden: in Rede stehender Zusammenschluss).

6        Der in Rede stehende Zusammenschluss hatte mangels relevanter Umsätze keine europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 und musste daher nicht gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung bei der Kommission angemeldet werden.

7        Da es in Luxemburg kein Fusionskontrollsystem gibt, gab es in diesem Mitgliedstaat keine Pflicht, den Zusammenschluss anzumelden. Der in Rede stehende Zusammenschluss musste auch nicht in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angemeldet werden.

 Zum Antrag auf Verweisung an die Kommission

8        Am 22. Dezember 2023 wandte sich die Brasserie Nationale an die ACL, um ihr mitzuteilen, dass ihre Tochtergesellschaft Munhowen Boissons Heintz erwerben wolle.

9        Am 10. Januar 2024 fand eine Besprechung zwischen den Klägerinnen und der ACL statt.

10      Ab dem 17. Januar 2024 übermittelten Dritte der ACL Informationen über den in Rede stehenden Zusammenschluss.

11      Einer dieser Dritten ersuchte die ACL am 25. Januar 2024 förmlich, einen Antrag auf Verweisung des Zusammenschlusses an die Kommission nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 zu stellen, und übermittelte ihr zusätzliche Informationen zu dem Zusammenschluss.

12      Am 7. Februar 2024 beantragte die ACL bei der Kommission nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, den in Rede stehenden Zusammenschluss zu prüfen (im Folgenden: Verweisungsantrag). Der Antrag ging am selben Tag bei der Kommission ein.

13      Am 8. Februar 2024 unterrichtete die Kommission die Wettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten sowie die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) gemäß Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 und Art. 6 Abs. 3 des Protokolls Nr. 24 zum EWR-Abkommen über den Verweisungsantrag. Mit Schreiben vom selben Tag wurde die Brasserie Nationale von der Kommission über den Verweisungsantrag in Kenntnis gesetzt und zur Stellungnahme aufgefordert (im Folgenden: Informationsschreiben). Nachdem die Kommission die Kontaktdaten der gesetzlichen Vertreter der Klägerinnen erhalten hatte, übermittelte sie ihnen am 9. Februar 2024 das Informationsschreiben per E‑Mail.

14      Am 12. Februar 2024 fand eine Videokonferenz zwischen der Kommission und den Klägerinnen statt.

15      Am 14. Februar 2024 übermittelte die Kommission den Klägerinnen eine französische Übersetzung des Informationsschreibens.

16      Am 22. Februar 2024 reichte die Brasserie Nationale ihre Stellungnahme ein.

17      Bei einer Telefonkonferenz mit der Kommission vom 26. Februar 2024 beantragte die Brasserie Nationale Zugang zum Verweisungsantrag. Am selben Tag übermittelte ihr die Kommission die nicht vertrauliche Fassung des Verweisungsantrags und seiner Anlagen. Auf Aufforderung der Kommission reichte die Brasserie Nationale am 29. Februar 2024 eine ergänzende Stellungnahme ein.

18      Bis zum Ablauf der Frist am 29. Februar 2024 hatte kein Mitgliedstaat oder Vertragsstaat des EWR-Abkommens beantragt, sich dem Verweisungsantrag anzuschließen.

19      Am 14. März 2024 gab die Kommission mit dem angefochtenen Beschluss dem Verweisungsantrag statt. Sie teilte dies der Brasserie Nationale am selben Tag mit.

 Zum angefochtenen Beschluss

20      Die Kommission stellte erstens fest, dass der Verweisungsantrag vom 7. Februar 2024 innerhalb der Frist von 15 Arbeitstagen gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 gestellt worden sei. Der in Rede stehende Zusammenschluss sei der ACL frühestens am 17. Januar 2024 mitgeteilt worden, d. h. an dem Tag, an dem die ACL erstmals sachdienliche Informationen zu dem Zusammenschluss und seinen Auswirkungen erhalten habe, die es ihr ermöglicht hätten, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der genannten Verordnung vorläufig zu beurteilen (Rn. 20 und 28 bis 30 des angefochtenen Beschlusses).

21      Was zweitens die Definition der relevanten Märkte betrifft, bestimmte die Kommission im Einklang mit ihrer früheren Entscheidungspraxis zum einen den Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier an den Vertriebskanal für den direkten Verbrauch (im Folgenden: CHR[Cafés, Hotels, Restaurants]/on-trade-Kanal) in Luxemburg und zum anderen den Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg. Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Biergroßhandel in Luxemburg über den CHR/on-trade-Kanal einen gesonderten Markt darstelle (Rn. 43, 52 und 56 des angefochtenen Beschlusses).

22      Drittens sei der in Rede stehende Zusammenschluss geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da er Bier- und Getränkeherstellern, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen seien und über kein CHR/on-trade-Vertriebsnetz in Luxemburg verfügten, den Zugang zum luxemburgischen Markt nehme (Rn. 63 und 69 des angefochtenen Beschlusses).

23      Viertens stellte die Kommission zur drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im luxemburgischen Hoheitsgebiet fest, dass der in Rede stehende Zusammenschluss nicht koordinierte Auswirkungen hervorzurufen drohe, die sich aus horizontalen Überschneidungen der luxemburgischen Märkte für erstens den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal (Rn. 73 des angefochtenen Beschlusses) und zweitens den Biergroßhandel über den gleichen Kanal ergäben (Rn. 80 des angefochtenen Beschlusses).

24      Zudem drohe bei dem in Rede stehenden Zusammenschluss die Gefahr einer Kundenabschottung aufgrund von nicht horizontalen Überschneidungen zwischen erstens dem luxemburgischen Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal und zweitens den luxemburgischen Märkten für den Getränkegroßhandel (einschließlich Bier) über den CHR/on-trade-Kanal sowie dem kleineren, auf den Biergroßhandel in Luxemburg über diesen Kanal beschränkten Markt (Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses).

25      Folglich drohe der in Rede stehende Zusammenschluss den Wettbewerb auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg sowie auf den nachgelagerten Märkten für den Großhandel mit allen Getränken über diesen Kanal in Luxemburg erheblich zu beeinträchtigen (Rn. 88 und 89 des angefochtenen Beschlusses).

26      Die Kommission wies fünftens darauf hin, dass es in ihrem Ermessen stehe, ob sie einen Verweisungsantrag genehmige oder nicht, und stellte fest, dass der in Rede stehende Zusammenschluss für eine Verweisung geeignet sei. Denn erstens drohe der Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb im luxemburgischen Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen (Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses), zweitens verfüge Luxemburg über kein Fusionskontrollsystem, so dass der Zusammenschluss und seine Auswirkungen von keinem anderen Fusionskontrollsystem erfasst würden (Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses), drittens sei die Kommission angesichts der Instrumente und Erfahrungen, über die sie in den Sektoren der Getränkeherstellung und ‑lieferung verfüge, in einer guten Position, um die fraglichen Märkte zu beurteilen (Rn. 93 des angefochtenen Beschlusses), und viertens sei der Verweisungsantrag nur wenige Tage nach dem Vollzug des Zusammenschlusses gestellt worden (Rn. 94 des angefochtenen Beschlusses).

 Anträge der Parteien

27      Die Klägerinnen beantragen im Wesentlichen, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

28      Die Kommission, unterstützt durch Anheuser-Busch InBev (im Folgenden: AB InBev) und die ACL, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

29      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf acht Klagegründe: erstens Verstoß gegen die Sprachenregelung nach der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385), zweitens Nichteinhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, drittens Nichteinhaltung der Frist nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Verordnung, viertens verspätete Mitteilung des angefochtenen Beschlusses, fünftens Verletzung der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Waffengleichheit, der fairen Verfahrensführung und des Vertrauensschutzes, sechstens fehlende Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, siebtens Fehlen einer drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im luxemburgischen Hoheitsgebiet und achtens fehlende Relevanz der Erwägungen zur Angemessenheit der Verweisung.

 Zur Vertretung der Klägerinnen durch einen unabhängigen Anwalt

30      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Vertretung der Klägerinnen eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung betrifft und daher vom Gericht jederzeit von Amts wegen geprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 5. September 2013, ClientEarth/Rat, C‑573/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:564, Rn. 20, und vom 30. Mai 2018, PJ/EUIPO – Erdmann & Rossi [Erdmann & Rossi], T‑664/16, EU:T:2018:517, Rn. 47).

31      Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach deren Art. 53 auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, sieht vor, dass sich die nicht in den ersten beiden Absätzen von Art. 19 genannten Parteien durch einen Anwalt vertreten lassen müssen.

32      Die Vertretung der nicht in Art. 19 Abs. 1 und 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Parteien durch einen Anwalt dient dem Ziel, zum einen zu verhindern, dass Privatpersonen Rechtsstreitigkeiten selbst führen, ohne einen Vermittler einzuschalten, und zum anderen zu gewährleisten, dass für juristische Personen ein Vertreter auftritt, der von der juristischen Person, die er vertritt, hinreichend unabhängig ist (Urteile vom 4. Februar 2020, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA, C‑515/17 P und C‑561/17 P, EU:C:2020:73, Rn. 61; vom 24. März 2022, PJ und PC/EUIPO, C‑529/18 P und C‑531/18 P, EU:C:2022:218, Rn. 63, und vom 14. Juli 2022, Universität Bremen/REA, C‑110/21 P, EU:C:2022:555 Rn. 46).

33      Die Vorstellung von der Funktion des Anwalts in der Unionsrechtsordnung, die aus den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten hervorgeht und auf die sich Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union stützt, ist die eines Organs der Rechtspflege, das in völliger Unabhängigkeit und im höheren Interesse der Rechtspflege die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die der Mandant benötigt (vgl. Beschluss vom 3. Juni 2024, Trasta Komercbanka/EZB, C‑103/23 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2024:483, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall hat Herr Jean-Louis Schiltz, der die Klageschrift unterzeichnet hat, in der mündlichen Verhandlung auf eine mündliche Frage des Gerichts bestätigt, dass er Vorsitzender des Verwaltungsrats der Brasserie Nationale ist, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Dieses Amt ist jedoch nicht mit der Vertretung der Brasserie Nationale vor den Unionsgerichten vereinbar (Beschluss vom 4. Dezember 2014, ADR Center/Kommission, C‑259/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2417, Rn. 27; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 4. Februar 2020, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA, C‑515/17 P und C‑561/17 P, EU:C:2020:73, Rn. 65). Gleiches gilt für die Vertretung von Munhowen, einer 100%igen Tochtergesellschaft der Brasserie Nationale (siehe oben, Rn. 3), deren Interessen sich weitgehend mit den Interessen der Brasserie Nationale überschneiden. Es besteht nämlich die Gefahr, dass die beruflichen Ansichten dieses Anwalts zumindest teilweise durch seine Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Brasserie Nationale beeinflusst werden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 6. September 2012, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Polen/Kommission, C‑422/11 P und C‑423/11 P, EU:C:2012:553, Rn. 25).

35      Somit konnte Rechtsanwalt Schiltz die Klägerinnen nicht vor dem Gericht vertreten, da er die Voraussetzungen von Art. 19 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung nicht erfüllte. Dies wirkt sich jedoch nicht auf den vorliegenden Rechtsstreit aus, da die Klägerinnen während des gesamten Verfahrens auch durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten worden sind, der diese Voraussetzungen erfüllt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Sprachenregelung nach der Verordnung Nr. 1

36      Die Klägerinnen beanstanden, dass das Informationsschreiben zum Verweisungsantrag in englischer Sprache abgefasst worden sei, was gegen die Verordnung Nr. 1 verstoße und von vornherein zu einem Mangel des Verfahrens führe. Der Umstand, dass die Kommission von einem bestimmten Zeitpunkt an akzeptiert habe, dass das Verfahren in französischer Sprache durchgeführt werde, und dass sie eine Höflichkeitsübersetzung des Informationsschreibens bereitgestellt habe, könne diesen Mangel nicht heilen, sondern verstärke ihn vielmehr. Dies gelte umso mehr, als die Kommission am 14. Mai 2024 erneut die englische Sprache verwendet habe, um den Empfang einer geänderten Anwaltsvollmacht zu bestätigen. Zudem habe der Gerichtshof die Bedeutung der zu verwendenden Sprache im Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 209), hervorgehoben.

37      Die Kommission entgegnet, dass die ersten Kontakte mit den Klägerinnen auf Englisch stattgefunden hätten, da die ACL Englisch als Verfahrenssprache akzeptiert habe. Ab der Videokonferenz vom 12. Februar 2024, bei der die Klägerinnen der Kommission mitgeteilt hätten, dass sie eine Kommunikation in französischer Sprache wünschten, sei das Verweisungsverfahren vollständig in französischer Sprache durchgeführt worden. So habe die Kommission den Klägerinnen am 14. Februar 2024 eine französische Übersetzung des Informationsschreibens übersandt. Der angefochtene Beschluss sei in französischer Sprache abgefasst. Selbst wenn ein Verstoß gegen Art. 3 der Verordnung Nr. 1 festgestellt werden könne, führe dieser nicht zu einem Verfahrensfehler.

38      Art. 3 der Verordnung Nr. 1 bestimmt: „Schriftstücke, die ein Organ der Gemeinschaft an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person richtet, sind in der Sprache dieses Staates abzufassen.“

39      Nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ist die Kommission verpflichtet, die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unverzüglich von einem nach Abs. 1 dieses Artikels gestellten Antrag zu unterrichten.

40      Eine solche Unterrichtung in schriftlicher Form stellt ein „Schriftstück“ im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 1 dar. Sie ist daher an die beteiligten Unternehmen in der Sprache des Mitgliedstaats, dessen Hoheitsgewalt sie unterstehen, zu richten, und zwar auch dann, wenn die Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaats auf ihr Recht verzichtet hat, die Verfahrensunterlagen in dieser Sprache zu erhalten.

41      Im vorliegenden Fall war das Informationsschreiben, mit dem die Kommission die Brasserie Nationale von dem Verweisungsantrag unterrichtete (siehe oben, Rn. 13), jedoch auf Englisch verfasst und Englisch ist keine Amtssprache des Großherzogtums Luxemburg, in dem dieses Unternehmen seinen Sitz hat.

42      Folglich verstieß die Kommission gegen Art. 3 der Verordnung Nr. 1, als sie der Brasserie Nationale das Informationsschreiben in englischer Sprache übersandte.

43      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt jedoch die Verwendung der in Art. 3 der Verordnung Nr. 1 vorgesehenen Sprache keine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Art. 263 AEUV dar, deren Verletzung zwangsläufig die Ordnungsmäßigkeit jedes in einer anderen Sprache an eine Person gerichteten Schriftstücks berührt. Wenn ein Organ an eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehende Person ein Schriftstück richtet, das nicht in der Sprache dieses Mitgliedstaats abgefasst ist, macht nach dieser Rechtsprechung ein solches Vorgehen das Verfahren nur dann fehlerhaft, wenn sich daraus für diese Person im Verwaltungsverfahren nachteilige Rechtsfolgen ergeben (Urteil vom 9. Juni 2016, CEPSA/Kommission, C‑608/13 P, EU:C:2016:414, Rn. 36).

44      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen können somit nur dann, wenn die Verwendung von Englisch im Informationsschreiben nachteilige Rechtsfolgen für die Klägerinnen hatte, die Ordnungsmäßigkeit der Versendung des Informationsschreibens und damit des Verwaltungsverfahrens in Frage gestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2016, CEPSA/Kommission, C‑608/13 P, EU:C:2016:414, Rn. 37).

45      Zu den nachteiligen Rechtsfolgen haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung lediglich vorgetragen, ihr Schaden bestehe darin, dass sie als kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die nicht in englischer Sprache arbeiteten, einem Verfahren in dieser Sprache ausgesetzt gewesen seien, was zur Nichteinhaltung der in Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Fristen geführt habe.

46      Allerdings wurde ab dem Zeitpunkt, an dem die Klägerinnen der Kommission mitteilten, dass sie eine Kommunikation in französischer Sprache wünschten, diesem Wunsch fast während des gesamten zum Erlass des angefochtenen Beschlusses führenden Verwaltungsverfahrens entsprochen. Insbesondere die Videokonferenz vom 12. Februar 2024, die dazu diente, die Klägerinnen über den Verweisungsantrag zu informieren, fand auf Französisch statt. Am 14. Februar 2024, d. h. weniger als eine Woche nach dem Versand des Informationsschreibens und 15 Tage vor Ablauf der in Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Frist, übermittelte die Kommission den Klägerinnen eine Übersetzung dieses Schreibens in französischer Sprache (siehe oben, Rn. 15). Ferner reichte die Brasserie Nationale am 22. und 29. Februar 2024 Stellungnahmen auf Französisch ein, wodurch es ihr möglich war, ihren Standpunkt sachdienlich und wirksam im Verwaltungsverfahren vorzutragen. Die einzige Ausnahme in dieser Hinsicht ist die Empfangsbestätigung vom 14. Mai 2024, die auf Englisch abgefasst wurde, naturgemäß jedoch keine wesentlichen Informationen enthält.

47      Somit haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass ihnen im vorliegenden Fall dadurch, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren eine andere Sprache verwendet hat als die des Mitgliedstaats, dessen Hoheitsgewalt sie unterstehen, ein Schaden im Sinne der oben in den Rn. 43 und 44 angeführten Rechtsprechung entstanden ist.

48      Daher rechtfertigt der Umstand, dass das Informationsschreiben und die Empfangsbestätigung vom 14. Mai 2024 in englischer Sprache abgefasst waren, nicht die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses.

49      Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Nichteinhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004

50      Die Klägerinnen machen geltend, der Verweisungsantrag sei nicht innerhalb der Frist von 15 Arbeitstagen ab dem Inkenntnissetzen über den in Rede stehenden Zusammenschluss gestellt worden und verstoße somit gegen Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004. Sie tragen im Wesentlichen vor, erstens werde der Begriff „zur Kenntnis gebracht“ von der Kommission und der ACL zu weit ausgelegt, zweitens sei die ACL vor dem im angefochtenen Beschluss genannten Zeitpunkt hinreichend über den in Rede stehenden Zusammenschluss informiert gewesen, drittens habe die Kommission nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft, ob die ACL die Frist eingehalten habe, und viertens verstoße die Stattgabe des Verweisungsantrags gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und widerspreche dem Willen des Unionsgesetzgebers.

51      Die Kommission, AB InBev und die ACL treten diesem Vorbringen entgegen.

52      Nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 muss „[ein Verweisungsantrag] innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden“.

53      Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ist somit der Zeitpunkt, an dem der Zusammenschluss, der Gegenstand des Verweisungsantrags ist, bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig „zur Kenntnis gebracht“ worden ist.

54      Da es in Luxemburg kein Fusionskontrollsystem gibt, war in diesem Mitgliedstaat keine Anmeldung des in Rede stehenden Zusammenschlusses erforderlich. Daher beginnt die Frist von 15 Arbeitstagen im vorliegenden Fall an dem Tag, an dem der in Rede stehende Zusammenschluss dem betreffenden Mitgliedstaat zur Kenntnis gebracht wurde.

 Zur Auslegung des Begriffs „zur Kenntnis gebracht“

55      Die Klägerinnen machen geltend, nach dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 müsse ein Zusammenschluss in Fällen, in denen eine Anmeldung nicht erforderlich sei, nur „zur Kenntnis gebracht“ und nicht „angemeldet“ werden und es müssten keine ergänzenden oder zusätzlichen Informationen vorgelegt werden. Die von der Kommission und der ACL angewandte weite Auslegung des Begriffs „zur Kenntnis gebracht“ laufe im Grunde darauf hinaus, dass der nationalen Wettbewerbsbehörde ein Recht auf Passivität zustehe.

56      Insbesondere beanstanden die Klägerinnen die Auslegung, wonach ein „zur Kenntnis bringen“ eines Zusammenschlusses im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 die aktive Übermittlung sachdienlicher Informationen voraussetze, um der nationalen Wettbewerbsbehörde eine vorläufige Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag zu ermöglichen. Diese Auslegung führe dazu, dass die beteiligten Unternehmen selbst dann, wenn im betreffenden Mitgliedstaat keine Anmeldung erforderlich sei, stets vorsorglich aktiv werden müssten, um der nationalen Behörde die vorläufige Beurteilung zu ermöglichen. Dies komme einer Anmeldepflicht gleich, die über die Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 hinausgehe. Die Vornahme einer vorläufigen Beurteilung sei Sache der nationalen Behörde. Diese dürfe, wenn sie über einen Zusammenschluss informiert werde, nicht untätig bleiben und erwarten, dass die Beteiligten ihr alle notwendigen und zweckdienlichen Informationen übermittelten.

57      Die Kommission, AB InBev und die ACL treten diesem Vorbringen entgegen.

58      Für die Auslegung des Begriffs „zur Kenntnis gebracht“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ist nach ständiger Rechtsprechung eine wörtliche, systematische, teleologische und historische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorzunehmen (vgl. Urteil vom 25. Juni 2020, A u. a. [Windkraftanlagen in Aalter und Nevele], C‑24/19, EU:C:2020:503, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Unionsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und die verschiedenen Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind, was einen Vergleich der Sprachfassungen erforderlich machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 65, und vom 14. Juli 2016, Lettland/Kommission, T‑661/14, EU:T:2016:412, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Was als Erstes die wörtliche Auslegung betrifft, stimmen die verschiedenen Sprachfassungen von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht überein. Während sich nämlich insbesondere aus den Wendungen, die in der deutschen, der englischen, der kroatischen, der spanischen, der französischen, der ungarischen, der italienischen, der niederländischen und der portugiesischen Fassung dieser Bestimmung benutzt werden, ergibt, dass „zur Kenntnis gebracht“ Ergebnis einer „Handlung“, nämlich einer „Übermittlung“, sein muss, legt die bulgarische Fassung dieser Bestimmung nahe, dass irgendeine Kenntnis des betreffenden Zusammenschlusses genügt. Diese Abweichung zwischen den verschiedenen Sprachfassungen hat zur Folge, dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 anhand des Kontexts und der Zielsetzung der Regelung, zu der diese Bestimmung gehört, auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a., C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 90, und vom 26. Januar 2021, Hessischer Rundfunk, C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2021:63, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60      Als Zweites ist zur historischen Auslegung darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Ausdrucks „zur Kenntnis gebracht“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 notwendig war, um es den Mitgliedstaaten, die nicht über eine nationale Fusionskontrollregelung verfügen, zu ermöglichen, bei der Kommission die Kontrolle von Zusammenschlüssen zu beantragen, die sich in ihrem Hoheitsgebiet negativ auswirken können, wenn diese Zusammenschlüsse auch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission, C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 164).

61      Abgesehen von der historischen Einordnung bringt diese Auslegung jedoch auch keine Klärung in Bezug auf den Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004. Zum einen entspricht nämlich die Formulierung der französischen Fassung „communiquée à l’État membre“ (deutsche Fassung: „Unterrichtung des Mitgliedstaats“) in Art. 22 Abs. 4 der ursprünglichen Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1989, L 395, S. 1) dem Substantiv „communication“ (deutsche Fassung: „zur Kenntnis gebracht“), das in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 verwendet wird. Zum anderen war die Formulierung „portée à la connaissance d’un État membre“ (deutsche Fassung: „den betreffenden Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht“) in Art. 22 Abs. 4 der Verordnung Nr. 4064/89 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. 1997, L 180, S. 1) eingeführten Fassung genauso ungenau und mehrdeutig wie die Formulierung „communication à l’État membre intéressé“ (deutsche Fassung: „anderweitig zur Kenntnis gebracht“) in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004. Darüber hinaus ist die Mitteilung der Kommission über die Verweisung von Fusionssachen (ABl. 2005, C 56, S. 2; im Folgenden: Mitteilung über die Verweisung), deren Fn. 43 eine von den Klägerinnen beanstandete Auslegung der Formulierung „zur Kenntnis gebracht worden ist“ enthält, für die historische Auslegung nicht relevant, da die Mitteilung nach Erlass der Verordnung Nr. 139/2004 veröffentlicht worden ist und daher vom Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt werden konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission, C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 144).

62      Was als Drittes die systematische Auslegung betrifft, nimmt Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 im ersten Teil des Satzes auf den „Antrag [auf Verweisung]“ Bezug. Diese Bestimmung ist daher im Licht von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 auszulegen, der die Voraussetzungen festlegt, unter denen ein solcher Antrag gestellt werden kann. Somit muss das „zur Kenntnis bringen“ eines Zusammenschlusses dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglichen, eine vorläufige Prüfung dieser Voraussetzungen vorzunehmen und zu beurteilen, ob ein Antrag auf Verweisung zweckmäßig ist. Diese Auslegung wird durch den Umstand bestätigt, dass die Anmeldung und das „zur Kenntnis bringen“ des Zusammenschlusses Alternativen darstellen, die nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 dieselben Rechtsfolgen haben, nämlich den Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen (siehe oben, Rn. 53). Gleiches gilt für die anderen Verweisungsmechanismen in Art. 4 Abs. 4 und 5 sowie Art. 9 der Verordnung Nr. 139/2004, die für den Beginn ihrer jeweiligen Fristen die Übermittlung einer Kopie der Anmeldung oder eines begründeten Antrags und somit eine aktive Übermittlung von Informationen vorsehen, die eine Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung der Mechanismen ermöglicht. Diese Auslegung wird auch dadurch bestätigt, dass zum einen der Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen für einen Antrag auf Anschließung gemäß Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ebenfalls an die aktive Übermittlung von Informationen an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten geknüpft ist und zum anderen das Fusionskontrollsystem der Union in der Regel auf dem Grundsatz der aktiven Übermittlung sachdienlicher Informationen beruht, wie sich insbesondere aus Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ergibt.

63      Nach alledem setzt die Formulierung „zur Kenntnis gebracht“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 voraus, dass der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats aktiv Informationen übermittelt wurden, die es ihr ermöglichen, das Vorliegen der in Unterabs. 1 dieses Absatzes genannten Voraussetzungen vorläufig zu prüfen.

64      Als Viertes wird diese Beurteilung auch durch eine teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestätigt.

65      Den Erwägungsgründen 11 und 14 dieser Verordnung ist nämlich zu entnehmen, dass Verweisungen von Zusammenschlüssen in einer effizienten Weise erfolgen sollten. Dies schließt aus, dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung dahin ausgelegt wird, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet sind, aktiv Informationen über Zusammenschlüsse zusammenzutragen, die nach dieser Regelung geprüft werden können. Ebenso würde es dem Ziel der Effizienz zuwiderlaufen, wenn die Behörden selbst dann, wenn nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung erfüllt sind, zwecks Einhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen gezwungen wären, vorsorglich einen Verweisungsantrag zu stellen. Insoweit trägt die oben in Rn. 63 vorgenommene Auslegung dem Umstand Rechnung, dass der Unionsgesetzgeber eine Kontrolle von Zusammenschlüssen innerhalb von Fristen sicherstellen wollte, die sowohl mit den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verwaltung als auch mit denen des Geschäftslebens vereinbar sind (vgl. Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission, C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 204 und die dort angeführte Rechtsprechung).

66      Als Fünftes ist die oben in Rn. 63 vorgenommene Auslegung auch im Licht des Grundsatzes der Rechtssicherheit geboten, auf den sich die Klägerinnen berufen und der verlangt, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (vgl. Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 127 und 128 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

67      Diese Auslegung stellt nämlich sicher, dass der Beginn der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Frist eindeutig definiert ist. Indem die Beteiligten eines Zusammenschlusses den zuständigen Behörden Informationen übermitteln, die ihnen eine vorläufige Beurteilung der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Voraussetzungen ermöglichen, können sie sicher sein, dass die Frist in Gang gesetzt wurde und die Einreichung eines Verweisungsantrags nach Fristablauf nicht mehr möglich ist. Dies gewährleistet, dass die Frist nicht von unvorhersehbaren und ungewissen Umständen – wie die Verfügbarkeit öffentlich zugänglicher Informationen über einen bestimmten Zusammenschluss – abhängt.

68      Entgegen der Auffassung der Klägerinnen haben die nationalen Behörden, die nicht Verfasser, sondern Adressaten der Mitteilung sind, die gemäß Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 den Zusammenschluss zur Kenntnis bringt, keine Kontrolle über die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist. Dagegen können die am Zusammenschluss Beteiligten die Frist in Gang setzen, indem sie den Zusammenschluss unter Einhaltung der oben in Rn. 63 dargelegten Anforderungen zur Kenntnis bringen. Halten die Behörden die Frist nicht ein, kann dieser Umstand von den Beteiligten des Zusammenschlusses in ihrer Stellungnahme zum Verweisungsantrag vor der Kommission und, falls die Kommission beschließt, dem Antrag stattzugeben, vor dem Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss geltend gemacht werden. Die Behörden können den Fristbeginn somit nicht nach freiem Ermessen bestimmen, sondern müssen objektive Kriterien anwenden, die gerichtlich überprüfbar sind.

69      Folglich muss im Einklang mit der oben in Rn. 63 vorgenommenen Auslegung ein „[Zurkenntnisbringen]“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 hinsichtlich seiner Form in einer aktiven Übermittlung sachdienlicher Informationen an die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats bestehen und hinsichtlich seines Inhalts die Informationen enthalten, anhand deren der Behörde eine vorläufige Beurteilung der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung normierten Voraussetzungen möglich ist.

70      Wie die Kommission zu Recht geltend macht, beginnt daher die in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen an dem Tag, an dem alle diese Informationen übermittelt wurden. Es ist insoweit unerheblich, ob die Informationen von den beteiligten Unternehmen oder von Dritten übermittelt wurden oder aus einer anderen Quelle stammen.

71      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen können somit Informationen, die allein die Existenz des Zusammenschlusses betreffen, die Frist nicht in Gang setzen, da die bloße Kenntnis eines Zusammenschlusses die zuständige Behörde nicht in die Lage versetzt, eine vorläufige Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorzunehmen.

72      Soweit die Klägerinnen außerdem ein von ihnen behauptetes Recht auf Passivität beanstanden und verlangen, dass die betreffenden zuständigen Behörden ab dem Zeitpunkt, zu dem sie über das Vorliegen des Zusammenschlusses informiert werden, aktiv werden, beziehen sie sich, wie oben Rn. 62 zu entnehmen, auf einen Umstand, der dem Fusionskontrollsystem der Union im Allgemeinen und speziell seinen Verweisungsmechanismen fremd ist, in denen weder die Kommission noch die nationalen Behörden verpflichtet sind, aktiv Informationen über Zusammenschlüsse zusammenzutragen, die nach dieser Regelung geprüft werden können. Eine solche Auslegung liefe aufgrund des damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwands auch dem oben in Rn. 65 genannten Ziel der Effizienz zuwider und nähme dem Verweisungsmechanismus in Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 seine praktische Wirksamkeit.

73      Zurückzuweisen ist schließlich das Vorbringen der Klägerinnen, die oben in Rn. 63 vorgenommene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 komme einer Anmeldepflicht gleich.

74      Im Gegensatz zu dem, was Art. 14 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 139/2004 für den Fall einer unterlassenen Anmeldung vorsieht, sind nämlich keine Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass ein Zusammenschluss nicht zur Kenntnis gebracht wird. Wie außerdem die Kommission zu Recht geltend macht, gibt es keine Anforderungen an die Form der Mitteilung, mit der ein Zusammenschluss zur Kenntnis gebracht wird. Es kann sich z. B. um eine einfache Mitteilung handeln, die sich darauf beschränkt, kurz die Umstände zu benennen, die eine Prüfung der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Voraussetzungen ermöglichen, wie z. B. in Rede stehender Zusammenschluss, Beteiligte des Zusammenschlusses, betroffene Märkte, Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten und Auswirkungen auf den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats.

75      Somit kommt die Mitteilung, mit der ein Zusammenschluss zur Kenntnis gebracht wird, weder ihrer Form noch ihrem Inhalt noch ihrem Gegenstand nach einer Anmeldepflicht gleich, die gemäß Art. 4 der Durchführungsverordnung (EU) 2023/914 der Kommission vom 20. April 2023 zur Durchführung der Verordnung Nr. 139/2004 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission (ABl. 2023, L 119, S. 22) verlangt, dass vollständige Informationen, wie im Formular CO und im Vereinfachten Formular CO in den Anhängen I und II dieser Verordnung vorgesehen, vorgelegt werden, damit die Kommission die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt abschließend beurteilen kann.

76      Zudem betrifft der Ausdruck „zur Kenntnis gebracht“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 in erster Linie Zusammenschlüsse, die sich negativ im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats auswirken können, der nicht über eine nationale Fusionskontrollregelung verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission, C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 164), was derzeit nur im Großherzogtum Luxemburg der Fall ist. Somit bleibt der Anwendungsbereich dieses Begriffs begrenzt.

 Zum Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen im vorliegenden Fall

77      Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die ACL über den in Rede stehenden Zusammenschluss vor dem im angefochtenen Beschluss genannten Zeitpunkt, dem 17. Januar 2024, hinreichend informiert worden sei. In Wirklichkeit sei die ACL bereits am 10. Januar 2024 über den Zusammenschluss informiert und in der Lage gewesen, eine vorläufige Beurteilung vorzunehmen.

78      Erstens handle es sich nämlich um einen sehr unkomplizierten Zusammenschluss. Zweitens habe die ACL zum einen seit 2015 den Großhandelssektor in Luxemburg, seit 2017 den Brauerei- und Gaststättensektor und seit 2019 die Beziehungen zwischen den Brauereien und den Angehörigen des Hotel‑, Restaurant- und Cafégewerbes (im Folgenden: Horeca-Gewerbe) untersucht, wobei sie sich insbesondere mit den Klägerinnen und einer Tochtergesellschaft von AB InBev beschäftigt habe, und zum anderen habe sie im Rahmen der seit 2015 durchgeführten Untersuchungen zahlreiche sachdienliche Informationen von den Klägerinnen und anderen Akteuren erhalten. Diese Informationen hätten es der ACL ermöglicht, Anfang 2024 eine vorläufige Beurteilung des in Rede stehenden Zusammenschlusses vorzunehmen. Drittens räume die ACL ein, bereits am 22. Dezember 2023 über den Zusammenschluss informiert gewesen zu sein. Viertens seien bereits am 9. Januar 2024 Presseartikel veröffentlicht worden. Fünftens habe die Brasserie Nationale bei einer Besprechung mit der ACL am 10. Januar 2024 dieser mitgeteilt, dass ihre Tochtergesellschaft Munhowen kurz davorstehe, Boissons Heintz zu erwerben.

79      Im Rahmen dieser Besprechung sei die ACL darüber informiert worden, dass der in Rede stehende Zusammenschluss Ende Januar 2024 abgeschlossen sein werde. Die Klägerinnen beanstanden, dass die ACL kaum Fragen zu diesem Zusammenschluss gestellt habe und keine konkreten weiteren Schritte angekündigt, sondern lediglich geantwortet habe, dass sie mit den Anwälten von Munhowen „in Kontakt bleiben“ werde. Da die ACL nicht reagiert habe, hätten die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses drei Wochen später, d. h. am 31. Januar 2024, durch Übertragung der Anteile und Zahlung des Preises den Zusammenschluss vollzogen. Nach Ansicht der Klägerinnen wäre es für die ACL einfach und sinnvoll gewesen, wenn sie im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Effizienz zwischen dem 10. und dem 30. Januar 2024 Kontakt zu den Anwälten von Munhowen aufgenommen hätte, um die Gespräche fortzusetzen oder darauf hinzuweisen, dass es ein Problem gebe.

80      Die ACL sei passiv geblieben und habe weder aktiv Maßnahmen eingeleitet noch ergänzende Angaben zu den ihr bereits vorliegenden Informationen angefordert. Vielmehr habe sie darauf gewartet, dass Dritte auf sie zukämen. Den Angaben der ACL sei zu entnehmen, dass das Tätigwerden einer Wettbewerberin der Brasserie Nationale für den Verweisungsantrag ausschlaggebend gewesen sei. Die ACL habe somit die in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen verstreichen lassen, ohne zu reagieren.

81      Die Kommission, AB InBev und die ACL treten diesem Vorbringen entgegen.

82      Als Erstes geht aus Rn. 22 des angefochtenen Beschlusses und Rn. 16 des Verweisungsantrags hervor, dass die ACL am 22. Dezember 2023 sowie am 10. Januar 2024 von der Brasserie Nationale über die geplante Übernahme von Boissons Heintz durch ihre Tochtergesellschaft Munhowen informiert wurde. Die Klägerinnen weisen jedoch nicht nach, dass zu diesen Zeitpunkten die Informationen, die die Brasserie Nationale der ACL über das Vorliegen des in Rede stehenden Zusammenschlusses übermittelt hatte, im Sinne der oben in Rn. 69 vorgenommenen Auslegung ausreichende Angaben enthielten, um vorläufig beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorlagen. Vielmehr ist dem Protokoll der Sitzung vom 10. Januar 2024 in Anlage B.8 zur Klagebeantwortung der Kommission zu entnehmen, dass der Vertreter der Klägerinnen überhaupt keine näheren Angaben zu dem in Rede stehenden Zusammenschluss machte und die ACL ihn darauf hinwies, dass ihr nicht genügend Informationen vorlägen, um über einen Verweisungsantrag nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 oder die Anwendung von Art. 102 AEUV zu entscheiden.

83      Als Zweites weisen die Klägerinnen auch nicht nach, dass die ACL vor dem 17. Januar 2024 von Dritten oder aus einer anderen Quelle Informationen erhalten hatte, die eine vorläufige Beurteilung der Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ermöglichten. Die Argumentation der Klägerinnen beruht vielmehr auf der irrigen Annahme, die ACL sei verpflichtet gewesen, Nachforschungen anzustellen, um die erforderlichen Informationen für eine vorläufige Beurteilung einzuholen. Dies war jedoch, wie oben in den Rn. 71 und 72 ausgeführt, nicht der Fall.

84      Da die ACL nur über das Vorliegen des Zusammenschlusses informiert war und es ihr nicht oblag, aktiv Informationen über den in Rede stehenden Zusammenschluss und die beteiligten Unternehmen einzuholen, können die Klägerinnen ihr nicht vorwerfen, dass sie nicht „aktiv Maßnahmen eingeleitet“ habe. Insoweit sind die von den Klägerinnen angeführten Presseartikel und das Argument, der Zusammenschluss sei unkompliziert gewesen, nicht relevant.

85      Außerdem ist festzustellen, dass die Berichte über die Sektoruntersuchungen der ACL im Großhandelssektor und im Brauerei- und Gaststättensektor zwar für die Beurteilung bestimmter potenzieller Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in Luxemburg nützlich sein konnten, jedoch zum einen aus dem Jahr 2019 stammten, so dass sie in zeitlicher Hinsicht nur begrenzt relevant waren, und zum anderen nicht alle relevanten Märkte abdeckten, die oben in Rn. 21 beschrieben sind, darunter insbesondere der Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg. Dieser letztgenannte Markt war jedoch für eine vorläufige Prüfung des Zusammenschlusses besonders relevant, da sowohl Munhowen als auch Boissons Heintz im Getränkegroßhandel in Luxemburg tätig sind (siehe oben, Rn. 3 und 4). Auch die Informationen, die ACL im Rahmen anderer Untersuchungen seit 2015 erhalten hatte, z. B. zu den Beziehungen zwischen den Brauereien und dem Horeca-Gewerbe in Luxemburg, waren nicht ganz aktuell und bezogen sich nur in begrenztem Umfang auf diesen Markt. Jedenfalls hätten diese Sektoruntersuchungen und Investigationen ohne Erhebung zusätzlicher Informationen nicht ausgereicht, um die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorläufig zu beurteilen, da sie sich nicht auf den in Rede stehenden Zusammenschluss bezogen.

86      Da somit nicht bewiesen wurde, dass der ACL vor dem 17. Januar 2024 alle relevanten Informationen für eine vorläufige Beurteilung der Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 aktiv übermittelt wurden, kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie in Rn. 28 des angefochtenen Beschlusses diesen Zeitpunkt als Beginn der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 vorgesehenen Frist von 15 Arbeitstagen zugrunde gelegt hat.

 Zur Prüfung der Einhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen durch die Kommission

87      Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe dem Verweisungsantrag stattgegeben, ohne mit der gebotenen Sorgfalt geprüft zu haben, ob die ACL die in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen eingehalten habe.

88      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

89      Die Kommission hat in den Rn. 20 bis 30 des angefochtenen Beschlusses geprüft, ob der Verweisungsantrag innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Frist von 15 Arbeitstagen gestellt wurde.

90      Im Einzelnen hat die Kommission die Stellungnahme der Brasserie Nationale (Rn. 23 des angefochtenen Beschlusses) berücksichtigt und geprüft, ob Beweise dafür vorliegen, dass die Brasserie Nationale der ACL am 10. Januar 2024 relevante und ausreichende Informationen übermittelt hatte, die es dieser ermöglichten, die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorläufig zu beurteilen (Rn. 24 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus tauschte sich die Kommission mit der ACL über die Informationen aus, die die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses übermittelt hatten. Sie stellte fest, dass die Klägerinnen keine konkreten Informationen vorgelegt hätten, die eine Beurteilung des in Rede stehenden Zusammenschlusses und seiner Auswirkungen im luxemburgischen Hoheitsgebiet ermöglicht hätten (Rn. 25 und Fn. 23 des angefochtenen Beschlusses). Solche Informationen seien am 17. und 25. Januar 2024 von Dritten übermittelt worden (Rn. 27 des angefochtenen Beschlusses). Folglich sei der Zusammenschluss der ACL frühestens am 17. Januar 2024 mitgeteilt worden (Rn. 28 des angefochtenen Beschlusses), so dass der Verweisungsantrag vom 7. Februar 2024 innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Frist von 15 Arbeitstagen eingegangen sei (Rn. 29 des angefochtenen Beschlusses).

91      Daher hat die Kommission jedenfalls, ohne dass der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns bestimmt werden muss, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen sehr wohl geprüft, ob die ACL den Verweisungsantrag innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehenen Frist von 15 Arbeitstagen gestellt hatte.

 Zum Vorwurf einer Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

92      Die Klägerinnen machen geltend, die Annahme des Verweisungsantrags verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und widerspreche dem Willen des Unionsgesetzgebers, dass Anträge zügig bearbeitet werden, weshalb eine kurze Frist für die Stellung eines Verweisungsantrags vorgesehen sei. Die Verweisung stelle die Wirksamkeit des in Rede stehenden Zusammenschlusses nachträglich in Frage. Gemäß dem Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 206 und 207), müsse jede Auslegung von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 mit den Grundsätzen der Wirksamkeit, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Einklang stehen, und die Nichteinhaltung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist verletze die Grundsätze der Wirksamkeit und der Rechtssicherheit.

93      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

94      Vorab ist festzustellen, dass Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 seinem Abs. 4 Unterabs. 1 zufolge erlaubt, einen Zusammenschluss nach seinem Vollzug an die Kommission zu verweisen. Da gegen diese Bestimmung keine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben worden ist, können die Klägerinnen nicht beanstanden, dass die Kommission sie auf den in Rede stehenden Zusammenschluss angewandt habe, obwohl er bereits vollzogen gewesen sei und nach nationalem Recht nicht mehr in Frage gestellt werden könne.

95      Soweit sich die Klägerinnen auf den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Willen des Unionsgesetzgebers berufen, ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 65 bis 68 und 72, dass die im angefochtenen Beschluss und in der vorstehenden Rn. 69 vorgenommene Auslegung zum einen im Licht dieses Grundsatzes sowie des Ziels der Effizienz und praktischen Wirksamkeit von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 geboten ist und zum anderen sicherstellt, dass Zusammenschlüsse innerhalb von Fristen kontrolliert werden, die sowohl mit den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verwaltung als auch mit denen des Geschäftslebens vereinbar sind.

96      Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung eines Verstoßes gegen diesen Grundsatz erfordert, dass ein Unionsorgan durch konkrete Zusicherungen bei dem Verwaltungsunterworfenen begründete Erwartungen geweckt hat. Solche Zusicherungen liegen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung vor, wenn klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte gegeben wurden (vgl. Urteil vom 16. September 2021, FVE Holýšov I u. a./Kommission, C‑850/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:740, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerinnen haben jedoch nicht nachgewiesen, dass sie von der Kommission eine wie auch immer geartete Zusicherung erhalten haben. Folglich kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht dadurch verletzt sein, dass die Kommission dem Verweisungsantrag im angefochtenen Beschluss stattgegeben hat.

97      Somit ist das Vorbringen zurückzuweisen, das sich auf einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie den Willen des Unionsgesetzgebers und die nachträgliche Kontrolle der Wirksamkeit des in Rede stehenden Zusammenschlusses bezieht.

98      Nach alledem ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Frist nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004

99      Die Klägerinnen rügen einen Verstoß gegen Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004, den sie darauf stützen, dass die beteiligten Unternehmen erst am 14. Februar 2024 in französischer Sprache über den Verweisungsantrag informiert worden seien und der Antrag ihnen erst am 26. Februar 2024 übermittelt worden sei. Ihrer Meinung nach hätten sie bereits am 7. Februar 2024 oder am darauffolgenden Tag über den Antrag informiert werden müssen. Nur die französische Information über den Verweisungsantrag stelle eine sachdienliche und vollwertige Mitteilung dar.

100    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

101    Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt: „Die Kommission unterrichtet die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unverzüglich von einem nach Absatz 1 gestellten Antrag [auf Verweisung].“

102    Um die genaue Tragweite dieser Verpflichtung zu verstehen, kommt es auf Inhalt und Form der Mitteilung an, durch die die Kommission die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unterrichtet, sowie auf das Erfordernis, dass die Unterrichtung „unverzüglich“ erfolgen muss.

103    Was erstens den Inhalt der Mitteilung betrifft, ist der Kontext der Verpflichtung zu berücksichtigen, indem das Zusammenspiel von Unterabs. 1 und Unterabs. 2 des Art. 22 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 analysiert wird. Unterabs. 2 bestimmt: „Jeder andere Mitgliedstaat kann sich dem ersten Antrag innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem er von der Kommission über diesen informiert wurde, anschließen.“ Die in Unterabs. 1 vorgesehene Unterrichtung soll es den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten somit ermöglichen, einen Antrag auf Anschließung zu stellen. Um den Antrag stellen zu können, müssen diese Behörden ebenso wie die Behörden des antragstellenden Mitgliedstaats durch eine Mitteilung, die ihnen den Zusammenschluss im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung zur Kenntnis bringt (siehe oben, Rn. 69), in die Lage versetzt werden, eine vorläufige Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung vorzunehmen. Für diese vorläufige Beurteilung verfügen sie wie die Behörden des antragstellenden Mitgliedstaats über eine Frist von 15 Arbeitstagen. Folglich muss die Unterrichtung im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung alle wesentlichen Informationen des Verweisungsantrags enthalten, damit die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten beurteilen können, ob es zweckmäßig ist, einen Antrag auf Anschließung zu stellen.

104    Da Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 die „beteiligten Unternehmen“ mit den „zuständigen Behörden der [anderen] Mitgliedstaaten“ gleichstellt, muss die Kommission den beteiligten Unternehmen die gleichen Informationen übermitteln, damit sie Stellung nehmen können.

105    Was zweitens die Form der Unterrichtung über einen Verweisungsantrag betrifft, enthält Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 keine besonderen Formvorgaben für eine solche Unterrichtung. Wie die Kommission geltend macht, verlangt diese Bestimmung nicht, dass die Kommission den nationalen Behörden oder beteiligten Unternehmen eine Kopie des Verweisungsantrags übermittelt, auch wenn sie dadurch ihrer Pflicht zur Unterrichtung im Sinne dieser Vorschrift nachkommen kann.

106    Was drittens das zeitliche Erfordernis in Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, hat der Ausdruck „unverzüglich“ die Bedeutung „sofort“, „schnell“ und „umgehend“ (Urteil vom 28. September 2022, Grieger/Kommission, T‑517/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:588, Rn. 39).

107    Im vorliegenden Fall übersandte die Kommission der Brasserie Nationale das Informationsschreiben am 8. Februar 2024, d. h. am Tag nach dem Eingang des Verweisungsantrags am 7. Februar 2024 (siehe oben, Rn. 12 und 13). Dieses Schreiben, das als Anlage A.6 zur Klageschrift vorgelegt worden ist, enthält eine Zusammenfassung der Gründe, aus denen die ACL der Ansicht war, dass der in Rede stehende Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige und den Wettbewerb im luxemburgischen Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen drohe und folglich die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 vorlägen.

108    Insoweit handelt es sich um eine Unterrichtung über den Verweisungsantrag, die unverzüglich übermittelt wurde und sowohl ihrer Form als auch ihrem Inhalt nach die oben in den Rn. 103 bis 106 dargelegten Anforderungen von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 erfüllt.

109    Wie die Kommission zu Recht vorträgt, ist es unerheblich, dass der Verweisungsantrag, dessen Übermittlung im Rahmen dieser Anforderungen nicht erforderlich ist (siehe oben, Rn. 105), erst am 26. Februar 2024 an die Brasserie Nationale versandt wurde. Ebenso wenig muss geprüft werden, ob die Videokonferenz vom 12. Februar 2024 (siehe oben, Rn. 14) in Verbindung mit den Kontaktaufnahmen vom 8. und 9. Februar 2024 (siehe oben, Rn. 13) die genannten Anforderungen erfüllt.

110    Zwar war das Informationsschreiben in englischer Sprache verfasst, was einen Verstoß gegen Art. 3 der Verordnung Nr. 1 darstellt (siehe oben, Rn. 39 bis 42). Doch nach der oben in den Rn. 43 und 44 angeführten Rechtsprechung kann nur dann, wenn die Verwendung von Englisch im Informationsschreiben nachteilige Rechtsfolgen für die Klägerinnen hatte, die Ordnungsmäßigkeit der Versendung des Informationsschreibens und damit des Verwaltungsverfahrens in Frage gestellt werden. Wie sich aus den vorstehenden Rn. 45 bis 47 ergibt, haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass ihnen durch die Verwendung von Englisch im Verwaltungsverfahren ein Nachteil entstanden ist.

111    Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund: verspätete Mitteilung des angefochtenen Beschlusses

112    Die Klägerinnen beanstanden, dass die Mitteilung des angefochtenen Beschlusses an die Brasserie Nationale am 12. April 2024 verspätet gewesen sei.

113    Zum einen entspreche dies nicht dem Willen des Unionsgesetzgebers, der verlange, dass Anträge zügig zu bearbeiten seien, und sich aus Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 ergebe, wonach eine Mitteilung sachdienlich sein müsse, damit die beteiligten Unternehmen Stellung nehmen und tätig werden könnten. Zum anderen sei diese Mitteilung, die fast einen Monat nach dem letztmöglichen Zeitpunkt für den Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelt worden sei, nicht mit der genannten Bestimmung, insbesondere ihrem Abs. 3, vereinbar, wonach Fristen von 15 bzw. zehn Arbeitstagen vorgesehen seien. Die Kommission könne die Fristen nicht dadurch, dass sie den angefochtenen Beschluss verspätet mitteile, um weitere 20 Arbeitstage verlängern.

114    Diesem Vorbringen tritt die Kommission entgegen.

115    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 bestimmt: „Die Kommission unterrichtet alle Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen von ihrer Entscheidung [über den Verweisungsantrag].“ Weiter heißt es: „Sie kann eine Anmeldung gemäß Artikel 4 [der genannten Verordnung] verlangen.“

116    Nach dieser Bestimmung war die Kommission, wie sie zu Recht geltend macht, nur verpflichtet, die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses über den Erlass des angefochtenen Beschlusses zu unterrichten. Gemäß Rn. 79 der Mitteilung über die Verweisung, mit der die Kommission die Ausübung ihres Ermessens beschränkt (vgl. Urteil vom 16. Februar 2017, H&R ChemPharm/Kommission, C‑95/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:125, Rn. 57), erfolgt diese Unterrichtung, indem „die Kommission ein Schreiben an die beteiligten Unternehmen“ richtet.

117    Im vorliegenden Fall informierte die Kommission die Klägerinnen über den angefochtenen Beschluss mit Schreiben vom 14. März 2024, d. h. am Tag des Beschlusserlasses (siehe oben, Rn. 19). Angesichts dieser sofortigen Unterrichtung ist die Kommission ihrer Verpflichtung aus Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 nachgekommen.

118    Als Zweites ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss an die ACL gerichtet ist und die Klägerinnen nicht Adressaten des Beschlusses sind.

119    Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Verweisungsverfahren nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 ein Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission ist. Anders als bei den Verweisungsmechanismen in Art. 4 Abs. 4 und 5 der genannten Verordnung sind es nämlich die Mitgliedstaaten und nicht die beteiligten Unternehmen, die durch Einreichen eines Verweisungsantrags nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung das Verweisungsverfahren in Gang setzen, das im Fall einer Stattgabe des Antrags durch eine Entscheidung nach Abs. 3 dieses Artikels abgeschlossen wird, mit der die Zuständigkeit für die Prüfung des antragsgegenständlichen Zusammenschlusses der Kommission übertragen wird.

120    Bei einem Antrag eines „Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 handelt es sich nicht lediglich um einen Antrag einer Regierung oder eines Ministeriums, sondern dieser Begriff erfasst auch die Anträge einer nationalen Wettbewerbsbehörde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 86).

121    Nach Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV werden die Beschlüsse, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind, denjenigen, für die sie bestimmt sind, bekannt gegeben und durch diese Bekanntgabe wirksam.

122    Da sich der angefochtene Beschluss ausschließlich an die ACL und nicht an die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses richtete, war die Kommission nicht verpflichtet, ihn den Beteiligten des Zusammenschlusses bekannt zu geben.

123    Die Klägerinnen können sich daher nicht darauf berufen, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, ihnen den angefochtenen Beschluss vor dem 12. April 2024 mitzuteilen, da sie sofort über den Erlass des Beschlusses informiert wurden und er nicht an sie gerichtet war.

124    Folglich ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Waffengleichheit, der fairen Verfahrensführung und des Vertrauensschutzes

125    Nach Auffassung der Klägerinnen stellen die im Rahmen des ersten bis vierten Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte auch eine Verletzung der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Waffengleichheit, der fairen Verfahrensführung und des Vertrauensschutzes dar. Konkret nehmen die Klägerinnen auf die Schlussanträge des Generalanwalts Emiliou in den verbundenen Rechtssachen Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:264, Nr. 210) Bezug und machen geltend, dass die ACL sie nach dem 10. Januar 2024 erneut hätte anhören können und müssen, insbesondere nachdem sie bei der Besprechung an jenem Tag erklärt habe, für künftige Gespräche zur Verfügung zu stehen. Zudem hätte die ACL zwischen dem 10. und dem 31. Januar 2024 den Vollzug des in Rede stehenden Zusammenschlusses verhindern oder die Brasserie Nationale warnen können.

126    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

127    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen der ACL vorwerfen, sie nicht kontaktiert und erneut angehört zu haben und den Vollzug des in Rede stehenden Zusammenschlusses nicht vor der Einreichung des Verweisungsantrags verhindert zu haben, gegen das Verhalten der ACL im Rahmen der Antragstellung richtet und nicht gegen das Verhalten der Kommission.

128    Nach Art. 263 AEUV ist der Unionsrichter nicht für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme zuständig, die von einer nationalen Behörde getroffen wurde (Urteile vom 3. Dezember 1992, Oleificio Borelli/Kommission, C‑97/91, EU:C:1992:491, Rn. 9, und vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 83).

129    Ferner hat die Kommission, wenn sie mit einem Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 befasst ist, lediglich zu prüfen, ob der Antrag auf den ersten Blick ein Antrag auf Verweisung im Sinne dieser Bestimmung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 84). Die Kommission ist daher an den Verweisungsantrag eines Mitgliedstaats gebunden und hat nicht zu prüfen, ob der Antrag im Einklang mit den geltenden Verfahrensrechten gestellt wurde, deren Verletzung vor den nationalen Gerichten angefochten werden muss.

130    Unter diesen Umständen können etwaige Rechtsverstöße der ACL in dem Verfahren, das zum Erlass des Verweisungsantrags führte, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht beeinträchtigen. Folglich geht das Vorbringen der Klägerinnen ins Leere, soweit es sich auf solche Rechtsverstöße bezieht.

131    Zudem ist mit der Kommission festzustellen, dass die ACL nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 nicht verpflichtet war, die Klägerinnen vor Antragstellung anzuhören oder in Kenntnis zu setzen, und sich eine solche Verpflichtung auch nicht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Emiliou in den verbundenen Rechtssachen Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:264, Nr. 210) ergibt, auf die sich die Klägerinnen berufen.

132    Da die beteiligten Unternehmen jedoch nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 über einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung zu unterrichten sind, steht ihnen das Recht zu, in dem Verwaltungsverfahren gehört zu werden, das zu einer Entscheidung über diesen Antrag nach Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung führt.

133    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Brasserie Nationale am 8. Februar 2024 über den Verweisungsantrag informiert wurde (siehe oben, Rn. 13) und am 22. sowie 29. Februar 2024 Stellungnahmen einreichte (siehe oben, Rn. 16 und 17). Die Brasserie Nationale war somit vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses am 14. März 2024 unterrichtet und hatte in dem Verwaltungsverfahren, das zum Erlass des Beschlusses führte, mehrfach Gelegenheit, Stellung zu nehmen.

134    Was den Vorwurf betrifft, die ACL hätte den Vollzug des in Rede stehenden Zusammenschlusses verhindern können, so geht dieser Vorwurf ins Leere (siehe oben, Rn. 127 bis 129). Sollte er jedoch dahin zu verstehen sein, dass die Klägerinnen mit diesem Vorbringen geltend machen, dass die ACL den Verweisungsantrag früher hätte stellen müssen, um gemäß Art. 22 Abs. 4 der Verordnung Nr. 139/2004 die Verpflichtung zum Aufschub des Vollzugs nach Art. 7 der Verordnung auszulösen, genügt der Hinweis, dass die in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen frühestens am 17. Januar 2024 begann und die ACL daher berechtigt war, den Antrag am 7. Februar 2024 zu stellen (siehe oben, Rn. 86).

135    Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes betrifft, ergibt sich aus Rn. 96 des vorliegenden Urteils, dass die Klägerinnen keine konkreten Zusicherungen der Kommission nachgewiesen haben, die bei ihnen begründete Erwartungen weckten. Die Erklärungen der ACL können die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses jedenfalls nicht beeinträchtigen (siehe oben, Rn. 129).

136    Zu den übrigen Rügen ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht darlegen, inwiefern das Vorbringen im Rahmen des ersten bis vierten Klagegrundes für den fünften Klagegrund relevant ist. Angesichts der vagen und nicht substantiierten Behauptungen sind diese Rügen daher zurückzuweisen.

137    Somit haben die Klägerinnen weder eine Verletzung der Verteidigungsrechte noch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Waffengleichheit, der fairen Verfahrensführung oder des Vertrauensschutzes nachgewiesen.

138    Folglich ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

139    Die Klägerinnen beanstanden, die Kommission habe nicht geprüft, ob die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ein Ergebnis des in Rede stehenden Zusammenschlusses sein könne. Die Kommission habe sich nur auf die „Ex-ante“-Wettbewerbssituation gestützt und nicht auf potenziell nachteilige Auswirkungen des Zusammenschlusses. Nach der Rechtsprechung müsse die Analyse der Auswirkungen plausibel sein und sich auf die wirtschaftliche Entwicklung stützen, die in Folge des Zusammenschlusses für die wahrscheinlichste gehalten wird. Eine Analyse dieses Kausalzusammenhangs sei auch nach dem Leitfaden der Kommission zur Anwendung des Verweisungssystems nach Artikel 22 der [Verordnung Nr. 139/2004] auf bestimmte Kategorien von Vorhaben (ABl. 2021, C 113, S. 1, im Folgenden: Leitfaden zu Art. 22) geboten.

140    Insbesondere könne, so die Klägerinnen unter Bezugnahme auf die Rn. 58 bis 61 des angefochtenen Beschlusses, nicht verlangt werden, dass ein Zusammenschluss zu einer Verbesserung einer nicht zufriedenstellenden Wettbewerbssituation führe. Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses sei nicht relevant, da lediglich eine aktuelle Statistik wiedergegeben werde, aus der keine Schlussfolgerungen gezogen würden. Zu Rn. 62 des angefochtenen Beschlusses machen die Klägerinnen zum einen geltend, der Anteil der Einfuhren bedeute nur, dass der relevante räumliche Markt die „Großregion“ sei, und zum anderen beanstanden sie, die Kommission habe nicht begründet, dass der Marktanteil der fusionierten neuen Einheit ihrer Meinung nach zu hoch sei. Die Kommission habe im angefochtenen Beschluss nicht zwischen Vergangenheit und Zukunft unterschieden. In den Rn. 64 bis 66 des angefochtenen Beschlusses werde der hohe Anteil der Einfuhren wiederholt, doch würden daraus keine Schlussfolgerungen gezogen. Die Behauptung in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses, dass die internationalen Hersteller in hohem Maße auf das Netzwerk und die lokalen Vermögenswerte der Großhändler angewiesen seien, um jede Verkaufsstelle des CHR/on-trade-Kanals in Luxemburg zu erreichen, sei unzutreffend und widerlegt worden. Auf das Argument der Brasserie Nationale, es bestehe kein Hindernis für den Eintritt internationaler Hersteller in den lokalen Horeca-Markt in Luxemburg, sei die Kommission nicht eingegangen. Das Argument werde dadurch bestätigt, dass AB InBev seit dem Vollzug des Zusammenschlusses die geschäftlichen Vereinbarungen mit Boissons Heintz habe kündigen können und problemlos wirksamen Zugang zu diesem Markt erhalten habe. Die Kommission, die sich seit Langem mit dem Getränke- und Bierhandel befasse, sei verpflichtet, auf die Argumente der beteiligten Unternehmen einzugehen. Schließlich beträfen die Rn. 68 und 69 des angefochtenen Beschlusses nur die bestehende Wettbewerbssituation.

141    Auf die Frage des Gerichts vom 6. September 2024 tragen die Klägerinnen vor, das Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677), verdeutliche, dass ein Zusammenschluss nur dann in den Anwendungsbereich von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 falle, wenn er europaweite Bedeutung habe.

142    Die Kommission und AB InBev treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

143    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zwei materielle Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein oder mehrere Mitgliedstaaten einen Zusammenschluss zwecks Prüfung an die Kommission verweisen können und diese der Verweisung zustimmen kann. Nach Art. 22 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 ist es nämlich erforderlich, dass der betreffende Zusammenschluss zum einen „den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt“ und zum anderen „den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht“.

144    Jedoch ist es entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht erforderlich, dass ein Zusammenschluss, damit er in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, europaweite Bedeutung hat. Denn nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 kann „jede[r] Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 [der Verordnung], der keine [europa]weite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 [der Verordnung] hat“ Gegenstand eines Verweisungsantrags sein.

145    Was die erste oben in Rn. 143 genannte materielle Voraussetzung betrifft, deren Anwendung durch die Kommission im angefochtenen Beschluss Gegenstand des vorliegenden Klagegrundes ist, sind diese Voraussetzung und die entsprechende Voraussetzung im Rahmen der Art. 101 und 102 AEUV einheitlich auszulegen (Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 106).

146    Wie sich aus Rn. 43 der Mitteilung über die Verweisung ergibt und auch aus Rn. 14 des Leitfadens zu Art. 22 ergab, der durch die Mitteilung der Kommission vom 2. Dezember 2024 (ABl. C, C/2024/7190, S. 1) nach dem Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission (C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677), zurückgenommen wurde, ist die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch einen Zusammenschluss erfüllt, wenn der Zusammenschluss erkennbaren Einfluss auf den Verlauf der Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten nimmt.

147    Nach der Rechtsprechung ergibt sich aus der Art der durch die Verordnung Nr. 139/2004 eingeführten Kontrolle von Zusammenschlüssen, dass die Kommission die voraussichtlichen Auswirkungen des betreffenden Zusammenschlusses und somit im Rahmen des Art. 22 der Verordnung die künftigen Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten untersuchen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 107).

148    Genauer gesagt ist ein Zusammenschluss geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass er den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinne beeinflussen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

149    Nach der Rechtsprechung wird der Handel zwischen Mitgliedstaaten vor allem durch einen Zusammenschluss beeinträchtigt, der das Tätigwerden von Herstellern oder Verkäufern auf dem nationalen Markt oder ihr Eindringen in diesen erschwert oder verhindert, dass Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten auf dem betreffenden Markt Fuß fassen. Wenn nämlich ein marktbeherrschendes Unternehmen Konkurrenten den Zugang zum Markt verwehrt, spielt der Umstand, dass sich dieses Verhalten auf das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränkt, dann keine Rolle, wenn es Auswirkungen auf die Handelsströme und auf den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts haben könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission, T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 104 und 105 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

150    Im Rahmen der Ausübung dieser Ex-ante-Kontrolle von Zusammenschlüssen verfügt die Kommission in Wirtschaftsfragen bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 über einen Beurteilungsspielraum, da sie prospektive wirtschaftliche Analysen vornimmt, um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Entwicklungen auf dem relevanten Markt binnen absehbarer Zeit zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments, C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

151    Diese bei der Fusionskontrolle gebotene prospektive Analyse fällt in den Beurteilungsspielraum in Wirtschaftsfragen, über den die Kommission bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 verfügt, was es rechtfertigt, dass die Kontrolle einer Entscheidung der Kommission auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit des Sachverhalts und auf offensichtliche Beurteilungsfehler beschränkt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments, C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung der Kommission nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (vgl. Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

152    Was die Prüfung der materiellen Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 betrifft, ist festzustellen, dass die darin verwendete Formulierung „ihrer Ansicht nach“, die noch nicht in Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4064/89 enthalten war, ebenfalls darauf hindeutet, dass die Kommission bei dieser Prüfung, die sie innerhalb einer begrenzten Frist von zehn Arbeitstagen anhand der verfügbaren Informationen vorzunehmen hat, über einen Beurteilungsspielraum verfügt. Zum einen sieht nämlich Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 vor, dass, wenn die Kommission keine Entscheidung innerhalb dieser Frist trifft, dies als Entscheidung gilt, dem Verweisungsantrag stattzugeben. Zum anderen muss die Kommission, da sie nicht verpflichtet ist, aktiv Informationen über den betreffenden Zusammenschluss einzuholen (siehe oben, Rn. 72), ihre Analyse in erster Linie auf die verfügbaren Informationen stützen, d. h. auf die Angaben im Verweisungsantrag, der wiederum auf einer vorläufigen Beurteilung des antragstellenden Mitgliedstaats beruht (siehe oben, Rn. 69), und gegebenenfalls auf die Angaben in den Anträgen auf Anschließung, die andere Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 einreichen, sowie in etwaigen Stellungnahmen der beteiligten Unternehmen.

153    Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen und zu beurteilen, ob es belegt, dass die Kommission bei der Prüfung der Voraussetzung nach Art. 22 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004, wonach der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt sein muss, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging.

154    Was als Erstes das Argument betrifft, die Kommission habe keine prospektive Analyse der künftigen Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten vorgenommen, ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie in den Rn. 57 bis 62 des angefochtenen Beschlusses die Feststellungen der ACL und die Stellungnahme der Brasserie Nationale zur Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 dargelegt hatte, in den Rn. 63 bis 69 des angefochtenen Beschlusses eine eigene Prüfung dieser Voraussetzung vornahm.

155    Die Kommission untersuchte zunächst Struktur und Besonderheiten der relevanten Märkte. Sie wies zum einen in Rn. 64 des angefochtenen Beschlusses unter Berücksichtigung der Angaben der ACL darauf hin, dass die Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten einen erheblichen Teil des Getränkegroßhandels in Luxemburg ausmachten, insbesondere über den CHR/on-trade-Kanal und in Bezug auf Bier. Zum anderen stellte sie in den Rn. 65 und 66 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die Bedeutung der Einfuhren über diesen Kanal zumindest für Bier auch aus der Tatsache ersichtlich sei, dass die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses internationale und europäische Biermarken in Luxemburg vertrieben. Sodann untersuchte die Kommission die Marktmacht der Beteiligten des Zusammenschlusses. Sie wies in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten auf dem Markt für den Getränkegroßhandel über diesen Kanal etwa 80 % betrage und speziell für den Biergroßhandel über diesen Kanal 70 % übersteige. In derselben Randnummer führte sie aus, dass die Brasserie Nationale im vorgelagerten Bereich bei der Herstellung und Lieferung von Bier vertikal integriert sei und einen Marktanteil von etwa 40 % bis 50 % halte. Ebenfalls in Rn. 67 zog die Kommission den Schluss, dass die Marktmacht, die sich daraus auf dem vertikal verbundenen Markt ergebe, zu Abschottungsproblemen führen könne, insbesondere beim Zugang der Getränkehersteller, die ihren Sitz außerhalb Luxemburgs hätten und über keine Vertriebskapazitäten in Luxemburg verfügten, da sie auf das Netzwerk und die lokalen Vermögenswerte der Großhändler angewiesen seien. Schließlich stellte die Kommission in den Rn. 63 und 69 des angefochtenen Beschlusses fest, dass der in Rede stehende Zusammenschluss geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da er Getränke- und insbesondere Bierherstellern, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen seien und über kein CHR/on-trade-Vertriebsnetz in Luxemburg verfügten, den Zugang zum luxemburgischen Markt nehme.

156    Somit hat die Kommission im Einklang mit der oben in den Rn. 147 und 148 angeführten Rechtsprechung eine prospektive Analyse der künftigen Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten vorgenommen. Die Auswirkungen werden durch die Formulierungen „führen könnte“ (franz.: „pourrait susciter“) und „geeignet“ (franz.: „susceptible“) in den Rn. 67 und 69 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben. Sie betreffen, wie in den genannten Randnummern ausgeführt, Abschottungsprobleme, insbesondere beim Zugang zum luxemburgischen Markt, der durch die Bedeutung der Einfuhren von Getränkeherstellern anderer Mitgliedstaaten ohne Vertriebskapazitäten über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg gekennzeichnet ist, und sind auf die erhebliche gemeinsame Marktmacht der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses auf dem Markt für den Getränkegroßhandel über diesen Kanal sowie ihre vertikale Integration in die Herstellung und Lieferung von Bier zurückzuführen.

157    Als Zweites ist das Vorbringen zu prüfen, mit dem die Klägerinnen versuchen, die Stichhaltigkeit der Analyse in Frage zu stellen, die die Kommission in Bezug auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vorgenommen hat, wie oben in Rn. 155 beschrieben.

158    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen in den Rn. 58 bis 61 des angefochtenen Beschlusses nicht verlangt, dass der in Rede stehende Zusammenschluss die Wettbewerbssituation „ex ante“ verbessert, sondern lediglich die Feststellungen der ACL zu Struktur und Besonderheiten der relevanten Märkte anführt.

159    Zweitens werfen die Klägerinnen der Kommission zwar vor, keine Schlussfolgerungen aus dem in den Rn. 64 bis 66 des angefochtenen Beschlusses genannten hohen Anteil der Einfuhren gezogen zu haben, doch ist festzustellen, dass dieser Umstand, der die Struktur und die Besonderheiten des Marktes für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg betrifft, ebenso wie die gemeinsame Marktmacht der am Zusammenschluss Beteiligten auf diesem Markt und ihre vertikale Integration implizit, jedoch zwangsläufig berücksichtigt wurde, und zwar bei der Feststellung in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses, dass es Probleme gebe, weil Getränkehersteller anderer Mitgliedstaaten ohne Vertriebskapazitäten über den CHR/on-trade-Kanal vom Zugang zu diesem Markt abgeschottet würden. Die Kommission berücksichtigte diesen Umstand auch bei der Gesamtwürdigung in Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses, was durch den ersten Teil des Satzes in Rn. 69 bestätigt wird, der mit „Angesichts der vorstehenden Ausführungen“ eingeleitet wird.

160    Drittens unterschied die Kommission entgegen der Auffassung der Klägerinnen sehr wohl zwischen der „Ex-ante“-Wettbewerbssituation und der künftigen Wettbewerbslage, da die Formulierungen „führen könnte“ (franz.: „pourrait susciter“) und „geeignet“ (franz.: „susceptible“) in den Rn. 67 und 69 des angefochtenen Beschlusses die künftigen Auswirkungen beschreiben, die der in Rede stehende Zusammenschluss nach Ansicht der Kommission haben könnte (siehe auch oben, Rn. 156).

161    Was viertens das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, die Feststellung in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses, dass die internationalen Hersteller in hohem Maße auf das Netzwerk und die lokalen Vermögenswerte der Großhändler angewiesen seien, um jede Verkaufsstelle des CHR/on-trade-Kanals in Luxemburg zu erreichen, sei unzutreffend und widerlegt worden, so handelt es sich hierbei um eine bloße Behauptung der Klägerinnen, die nicht untermauert wurde. In dem von den Klägerinnen angeführten Schreiben der Brasserie Nationale an die Kommission vom 22. Februar 2024 wird lediglich in Abschnitt III.1 „jegliche noch so indirekte Möglichkeit, den Markt [für] Munhowen oder [die Gruppe Brasserie Nationale] abzuschotten“ bestritten, ohne dass jedoch dargelegt wird, aus welchen Gründen die Brasserie Nationale der Ansicht ist, dass keine Gefahr der Marktabschottung bestehe. Somit können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, nicht auf alle Argumente der Brasserie Nationale eingegangen zu sein. Jedenfalls war die Kommission nicht verpflichtet, jedes einzelne von der Brasserie Nationale in dem Schreiben vorgebrachte Argument zu beantworten, da eine globale Antwort ausreichen kann, um der Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2022, Feralpi/Kommission, T‑657/19, EU:T:2022:691, Rn. 533 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung).

162    Fünftens sagt das Argument, AB InBev habe nach dem Vollzug des in Rede stehenden Zusammenschlusses ihre Geschäftsbeziehungen zu Boissons Heintz ersetzen können, nichts darüber aus, welche Schwierigkeiten anderen Herstellern entstehen können, die Zugang zum Markt für den Getränkegroßhandel, insbesondere für Bier, über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg erhalten möchten.

163    Sechstens können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, sie habe ihre Schlussfolgerungen zur Marktmacht der aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Einheit nicht begründet, da sie in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses in Luxemburg etwa 80 % auf dem Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal betrage und für den Biergroßhandel über diesen Kanal 70 % übersteige. Zudem ist mit der Kommission festzustellen, dass Letztere nicht behauptet hat, dass die Marktanteile der genannten Einheit „zu hoch“ seien.

164    Was siebtens das Vorbringen betrifft, der hohe Anteil der Einfuhren bedeute, dass der relevante räumliche Markt die „Großregion“ sei, d. h. Luxemburg und die angrenzenden deutschen, belgischen und französischen Regionen, heißt es in Rn. 42 der Bekanntmachung der Kommission über die Abgrenzung des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Union vom 22. Februar 2024 (ABl. C, C/2024/1645, S. 1), auf die sich die Kommission beruft, dass „das bloße Vorhandensein von Importen oder die Möglichkeit, in einem bestimmten geografischen Gebiet zu Importen zu wechseln, nicht zwangsläufig zu einer Erweiterung des räumlich relevanten Marktes um das Gebiet [führt], aus dem die Waren exportiert werden oder werden könnten. Kunden, die in dem Gebiet ansässig sind, aus dem die Waren exportiert werden oder werden könnten, können mit anderen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert sein als Kunden, die in dem Gebiet ansässig sind, in das die Importe eingeführt werden. Unter diesen Umständen könnten bei einer weiten Abgrenzung der räumlich relevanten Märkte, bei der die Export- und Zielgebiete der importierten Waren eingeschlossen werden, fälschlicherweise Gebiete in den relevanten Markt einbezogen werden, in denen Kunden von dem betreffenden Verhalten oder Zusammenschluss wahrscheinlich in unterschiedlicher Weise betroffen wären“.

165    Die Kommission hat das Vorliegen unterschiedlicher Wettbewerbsbedingungen nachgewiesen, indem sie in Rn. 68 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass sich die Angebotsstruktur in Luxemburg von derjenigen in den angrenzenden Ländern unterscheide und die Nachfrage in Luxemburg andere Besonderheiten aufweise als in den Nachbarländern. Die Klägerinnen können diese Feststellung nicht durch die bloße, nicht substantiierte Behauptung, dass dies nicht der Realität entspreche, in Frage stellen.

166    Soweit das Vorbringen der Klägerinnen dahin zu verstehen sein sollte, dass sie eine mögliche Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten für den Fall bestreiten, dass, wie vorliegend festgestellt, der relevante räumliche Markt der nationale ist, genügt der Hinweis, dass nach der oben in Rn. 149 angeführten Rechtsprechung ein Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten sogar beeinträchtigen kann, wenn er das Tätigwerden von Herstellern oder Verkäufern auf dem nationalen Markt oder ihr Eindringen in diesen erschwert oder verhindert, dass Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten auf dem betreffenden Markt Fuß fassen.

167    Zudem räumt die Brasserie Nationale in Abschnitt III.2 ihres Schreibens an die Kommission vom 22. Februar 2024 selbst ein, dass „der Handel zwischen Mitgliedstaaten [durch den in Rede stehenden Zusammenschluss] beeinträchtigt werden kann“, weil der relevante räumliche Markt die Großregion sei. Wie sich aus Abschnitt III.1 des Schreibens ergibt, vertritt die Brasserie Nationale somit lediglich die Auffassung, dass die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten auf anderen Gründen beruht als denjenigen, die die ACL in ihrem Verweisungsantrag anführte.

168    Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen nicht geeignet, nachzuweisen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die oben in Rn. 155 beschriebene Analyse in Bezug auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vornahm.

169    Insbesondere ist es den Klägerinnen nicht gelungen, die Feststellungen zu entkräften, wonach zum einen die Einfuhren einen erheblichen Teil des Getränkegroßhandels in Luxemburg ausmachten, insbesondere über den CHR/on-trade-Kanal und speziell in Bezug auf Bier (Rn. 64 bis 66 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses in Luxemburg auf dem Markt für den Getränkegroßhandel über diesen Kanal etwa 80 % betrage und speziell für den Biergroßhandel über diesen Kanal 70 % übersteige. Außerdem bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die Brasserie Nationale im vorgelagerten Bereich bei der Herstellung und Lieferung von Bier vertikal integriert war und einen Marktanteil von etwa 40 % bis 50 % hielt (Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses).

170    Angesichts dieser Umstände, insbesondere der bedeutenden gemeinsamen Marktmacht der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses und ihrer vertikalen Integration in die Herstellung und Lieferung von Bier, beging die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie in Rn. 67 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass der in Rede stehende Zusammenschluss den Zugang zum Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg, insbesondere für Bier, für Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten, die kein Vertriebsnetz über diesen Kanal in Luxemburg besäßen, erschweren könne. Folglich beging die Kommission in Anbetracht der oben in Rn. 149 angeführten Rechtsprechung auch keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie in Rn. 69 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis kam, dass der Zusammenschluss geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

171    Somit ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum siebten Klagegrund: Fehlen einer drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im luxemburgischen Hoheitsgebiet

172    Die Klägerinnen machen geltend, die Analyse der Kommission in Bezug auf die drohende erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im luxemburgischen Hoheitsgebiet sei nicht plausibel.

173    Was erstens die horizontalen Auswirkungen auf den Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg betrifft, machen die Klägerinnen, die den offensichtlich erheblichen Marktanteil der aus dem in Rede stehenden Zusammenschluss hervorgehenden neuen Einheit anerkennen, geltend, es komme darauf an, ob dieser Marktanteil nicht koordinierte Auswirkungen haben könne. Da die internationalen Großhändler nicht in Luxemburg tätig gewesen seien, ändere der in Rede stehende Zusammenschluss nichts an der Situation, denn es entstehe keine neue Zutrittsschranke für den Markt. Zwar gebe es Exklusivverträge zwischen dem Horeca-Gewerbe und den Bierbrauereien, doch habe AB InBev die neue Einheit seit dem Vollzug des Zusammenschlusses problemlos umgehen können. Die Überschneidung des Markenportfolios der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses sei unerheblich, da jeder andere Händler in der Lage sein müsse, diese Marken zu vertreiben, um auf dem Markt zu bestehen. Was die fehlende nachfrageseitige Gegenmacht des Horeca-Gewerbes betreffe, habe der in Rede stehende Zusammenschluss keine Verschlechterung der bestehenden Situation zur Folge. Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Kosten in Höhe von 500 000 US-Dollar (USD) (etwa 435 248 Euro) für ein Lager eine Zutrittsschranke für einen Getränkegroßhändler darstellten. Weder habe die Kommission eine Rentabilitätsanalyse durchgeführt noch habe sie berücksichtigt, dass die Lieferung aus Lagern in Belgien oder Frankreich erfolgen könne.

174    Was zweitens die horizontalen Auswirkungen auf den Markt für den Vertrieb von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg betrifft, stellt die Brasserie Nationale die Abgrenzung dieses Marktes in Frage, wobei sie der Ansicht ist, dass die Kommission a priori berechtigt sei, diese Abgrenzung im Rahmen ihrer vorläufigen Beurteilung vorzunehmen. Anknüpfend an ihre vorherigen Kritikpunkte machen die Klägerinnen geltend, es komme im Rahmen der Fusionskontrolle nicht darauf an, ob die Wettbewerbssituation verbessert werden könne, sondern darauf, ob der in Rede stehende Zusammenschluss den Wettbewerb in Luxemburg beeinträchtige. Die Kontrolle könne daher nicht die Wettbewerbssituation verbessern, die vor dem Zusammenschluss auf dem Markt bestanden habe.

175    Drittens wenden sich die Klägerinnen im Zusammenhang mit den nicht horizontalen Auswirkungen gegen die Feststellung der Kommission, der in Rede stehende Zusammenschluss drohe einen wichtigen Absatzmarkt für Hersteller und Lieferanten zu verschließen. Vorhandene Alternativen wie die Möglichkeit, dass sich ein neuer Vertriebshändler in Luxemburg niederlässt und die Vertriebshändler der Großregion aus ihren Lagern in der Nähe der Grenze unmittelbar nach Luxemburg liefern, habe die Kommission nicht berücksichtigt. Bestätigt werde dies durch den Umstand, dass AB InBev nach Kündigung ihrer geschäftlichen Vereinbarungen mit Boissons Heintz einen alternativen Vertriebsweg habe finden können. Die Marktmacht liege bei AB InBev, und es sei ihr Verhalten, das den Wettbewerb erheblich beeinflussen könne, nicht die hypothetische Steigerung der Produktion der Brasserie Nationale, bei der es sich um ein KMU handle. Es sei nicht plausibel, dass die Brasserie Nationale ihre Preise erhöhen könne, ohne die Wettbewerber auf dem vorgelagerten Markt für die Lieferung von Bier zu berücksichtigen, d. h. internationale Konzerne wie AB InBev, Heineken und die Carlsberg Group. Außerdem könne AB InBev sich nicht über Schwierigkeiten beim Zugang zu den Händlern beschweren, da sie aufgrund ihres Vorkaufsrechts 100 % der Anteile an Boissons Heintz habe übernehmen können und bis zum 7. Februar 2024 nur 10 % des Kapitals gehalten habe.

176    Die Kommission und AB InBev treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

177    Der vorliegende Klagegrund betrifft die zweite materielle Voraussetzung in Art. 22 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004, die verlangt, dass der Zusammenschluss „den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht“ (siehe oben, Rn. 143).

178    Diese materielle Voraussetzung unterscheidet sich ihrem Wortlaut nach von dem Kriterium, das für die Feststellung der Unvereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 maßgeblich ist. Genauer gesagt stützt sich die materielle Voraussetzung im Gegensatz zu der letztgenannten Bestimmung nicht auf eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, sondern nur darauf, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs „droht“.

179    Der unterschiedliche Wortlaut ist darauf zurückzuführen, dass eine Entscheidung nach Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 nur dazu dient, auf der Grundlage der verfügbaren Informationen innerhalb einer begrenzten Frist von zehn Arbeitstagen über die Verweisung eines Zusammenschlusses an die Kommission zu entscheiden (siehe auch oben, Rn. 152). Eine solche Entscheidung ist daher nicht mit einer Entscheidung nach Art. 2 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt vergleichbar und greift dieser Entscheidung auch nicht vor.

180    Insoweit ist Rn. 44 der Mitteilung über die Verweisung zu entnehmen, dass die zweite materielle Voraussetzung von Art. 22 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 139/2004 erfüllt ist, wenn eine vorläufige Analyse ergibt, dass ein wirkliches Risiko besteht, dass der Zusammenschluss erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der antragstellenden Mitgliedstaaten hat und daher genau geprüft werden sollte. Wie ebenfalls aus Rn. 44 der Mitteilung hervorgeht, kann es sich bei den vorläufigen Anhaltspunkten durchaus um Anscheinsbeweise für mögliche erhebliche nachteilige Auswirkungen handeln, die jedenfalls nicht dem Ergebnis der eigentlichen Untersuchung vorgreifen.

181    Nach der oben in den Rn. 150 und 151 angeführten Rechtsprechung verfügt die Kommission in Wirtschaftsfragen bei der Anwendung der Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 über einen Beurteilungsspielraum, da sie prospektive wirtschaftliche Analysen vornimmt, um die Wahrscheinlichkeit bestimmter Entwicklungen auf dem relevanten Markt binnen absehbarer Zeit zu ermitteln. Daher beschränkt sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit des Sachverhalts und auf offensichtliche Beurteilungsfehler. Das Gericht kann die Beurteilung der Kommission nicht durch eine eigene ersetzen.

182    Wie oben in Rn. 152 ausgeführt, verfügt die Kommission bei der Prüfung der materiellen Voraussetzungen von Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 über einen Beurteilungsspielraum, da sie die Prüfung innerhalb einer begrenzten Frist von zehn Arbeitstagen anhand der verfügbaren Informationen vorzunehmen hat.

183    Im Licht dieser Erwägungen sind die Argumente zu prüfen, die die Klägerinnen gegen die Analyse der Kommission in Bezug auf die Voraussetzung der drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs richten, und es ist festzustellen, ob die Klägerinnen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler nachgewiesen haben.

 Zur Analyse der horizontalen Auswirkungen

184    Vorab ist festzustellen, dass nach Ziff. 12 der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, C 31, S. 5, im Folgenden: Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen), an die die Kommission gebunden ist, soweit sie nicht von den Vorschriften des Vertrags und der Verordnung Nr. 139/2004 abweichen (vgl. Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung), die Kommission bei der Ermittlung der vorhersehbaren Wirkungen einer Fusion in den relevanten Märkten deren wettbewerbswidrige Folgen, wie koordinierte und nicht koordinierte Auswirkungen, und die relevanten Ausgleichsfaktoren wie z. B. die Nachfragemacht, die Höhe der Zutrittsschranken und mögliche von den Parteien vorgebrachte Effizienzvorteile untersucht.

185    Was als Erstes den Markt für den Getränkegroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg betrifft, stellte die Kommission in Rn. 73 des angefochtenen Beschlusses fest, dass der in Rede stehende Zusammenschluss nicht koordinierte Auswirkungen hervorzurufen drohe, die sich aus horizontalen Überschneidungen auf diesem Markt ergäben.

186    Erstens wies die Kommission in Rn. 74 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass der in Rede stehende Zusammenschluss offenbar zu einem hohen kombinierten Marktanteil der Beteiligten des Zusammenschlusses führe, der zwischen 70 % und 80 % liege. Die Klägerinnen räumen zwar ein, dass die aus dem Zusammenschluss hervorgehende Einheit einen bedeutenden Marktanteil habe, doch stellt sich ihrer Meinung nach die Frage, ob dieser Marktanteil nicht koordinierte Auswirkungen haben könne. Wie sich aus den Ziff. 26 und 27 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen ergibt, sind die gemeinsamen Marktanteile ein wichtiger Faktor für die Feststellung, ob nicht koordinierte Wirkungen von einem Zusammenschluss zu erwarten sind. Außerdem geht aus Ziff. 17 der Leitlinien hervor, dass Marktanteile von 50 % oder mehr für sich allein ein Nachweis für das Vorhandensein einer beherrschenden Marktstellung sein können.

187    Zweitens wird die Feststellung in Rn. 75 des angefochtenen Beschlusses, wonach die Wettbewerber der Klägerinnen, die begrenzte Marktanteile von jeweils weniger als 5 % hielten, offenbar nicht in der Lage seien, Wettbewerbsdruck auf die aus dem Zusammenschluss hervorgehende Einheit auszuüben, und wahrscheinlich nach und nach aus dem Markt ausscheiden würden, von den Klägerinnen nicht bestritten. Ebenso wenig bestreiten die Klägerinnen, dass, wie die Kommission in dieser Randnummer ausführte, keine internationalen Akteure in Luxemburg tätig seien. Diese Feststellungen deuten darauf hin, dass die genannte Einheit über einen erheblich größeren Marktanteil verfügt als ihr unmittelbarer Wettbewerber und die Gefahr besteht, dass die Wettbewerbskräfte ausgeschaltet werden. Gemäß Ziff. 25 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen handelt es sich dabei um Faktoren, die berücksichtigt werden müssen und nicht durch die Behauptung in Frage gestellt werden können, dass die fehlende Geschäftstätigkeit internationaler Akteure in Luxemburg eine Situation darstelle, die nach dem Vollzug des Zusammenschlusses unverändert bleibe.

188    Drittens ist, soweit die Kommission in den Rn. 76 und 77 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses nahe Wettbewerber seien, die über signifikante Marktmacht verfügten und deren Markenportfolios sich erheblich überschnitten, darauf hinzuweisen, dass dies nach Ziff. 28 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen ein Gesichtspunkt ist, der berücksichtigt werden muss. Zwar besteht, wie ebenfalls Ziff. 28 zu entnehmen ist, eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb erheblich behindert, wenn ein hohes Maß an Substituierbarkeit zwischen den Produkten der fusionierenden Unternehmen und den Produkten der Wettbewerber besteht. Jedoch ist die vage und nicht substantiierte Behauptung der Klägerinnen, dass alle Händler in der Lage seien, die großen internationalen Getränkemarken zu vertreiben, nicht ausreichend, um ein solches hohes Maß an Substituierbarkeit nachzuweisen oder die Überschneidung der Portfolien von Boissons Heintz und Munhowen, wie in Rn. 76 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, in Frage zu stellen, die 31 Marken betrifft, vor allem luxemburgische Bier- und Mineralwassermarken.

189    Viertens stellte die Kommission in Rn. 78 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die aus etwa 2 700 Bars, Hotels und Restaurants bestehenden Kunden offenbar nicht genügend nachfrageseitige Gegenmacht besäßen, um die Marktmacht der aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Einheit zu kompensieren. Die Klägerinnen können diese Feststellung nicht dadurch in Frage stellen, dass sie behaupten, diese Situation sei nicht neu und werde durch den Zusammenschluss nicht verschlimmert. Die Kommission musste nämlich nach Ziff. 65 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen prüfen, inwieweit die Kunden dieser Einheit in der Lage wären, einer durch den Zusammenschluss entstehenden erhöhten Marktmacht entgegenzuwirken, wobei der Machtzuwachs von den Klägerinnen im Übrigen nicht bestritten wird (siehe oben, Rn. 186). Nach Ziff. 65 der Leitlinien ist eher anzunehmen, dass Großabnehmer eine solche Nachfragemacht ausüben können als kleine Unternehmen in einem fragmentierten Wirtschaftszweig. In Ziff. 67 der Leitlinien wird darauf hingewiesen, dass ein Zusammenschluss zwischen zwei Anbietern die Nachfragemacht schwächen kann, wenn dadurch eine glaubwürdige Alternative wegfällt. Dies könnte vorliegend der Fall sein, da aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, dass der Zusammenschluss die Marktanteile der beiden wichtigsten Händler des relevanten Marktes zusammenführt (Rn. 73 und 74 des angefochtenen Beschlusses), die zuvor nahe Wettbewerber waren, deren Markenportfolios sich überschnitten (Rn. 76 und 77 des angefochtenen Beschlusses).

190    Fünftens stellte die Kommission in Rn. 79 des angefochtenen Beschlusses fest, dass für potenzielle neue Marktteilnehmer offenbar erhebliche Hindernisse für den Eintritt in den Großhandelsmarkt in Luxemburg beständen, da hohe Investitionen erforderlich seien, insbesondere für Lagerflächen in Lagerhallen, die in Luxemburg nur sehr begrenzt vorhanden seien und deren Bau bis zu 500 000 USD (etwa 435 248 Euro) pro Jahr für eine Kapazität von etwa 17 000 Hektolitern kosten könne, sowie für die benötigte Lkw-Flotte.

191    Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass die Klägerinnen einräumen, dass Kosten in Höhe von 500 000 USD (etwa 435 248 Euro) für Lagerflächen in einer Lagerhalle möglich seien. Soweit sie geltend machen, die Kommission hätte prüfen müssen, ob dieser Betrag für sich genommen ein Hindernis darstelle, genügt der Hinweis, dass die Notwendigkeit anderer Investitionen, darunter eine Lkw-Flotte, von ihnen nicht bestritten wird. Aufgrund dieser notwendigen Kosten sind die angestammten Händler in Luxemburg gegenüber ihren potenziellen Wettbewerbern im Vorteil, und dieser Vorteil kann nach Rn. 70 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen eine Zutrittsschranke darstellen.

192    Zwar können, wie die Klägerinnen geltend machen, die Lager in der Großregion potenziell für einen Markteintritt genutzt werden. Wie die Kommission jedoch in Rn. 79 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, ist in letzter Zeit kein neuer Wettbewerber in den Markt eingetreten, was sich nach Ziff. 70 der Leitlinien ebenfalls als Nachweis dafür eignet, dass Zutrittsschranken bestehen.

193    Jedenfalls muss nach Ziff. 68 der Leitlinien, wenn ein Marktzutritt als ausreichender Wettbewerbsdruck zu den Zusammenschlussparteien angesehen werden soll, nachgewiesen werden, dass er geeignet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und rechtzeitig die potenziellen wettbewerbswidrigen Wirkungen eines Zusammenschlusses zu verhindern oder aufzuheben. Solche Gesichtspunkte haben die Klägerinnen aber nicht vorgetragen. Vielmehr räumen sie sogar ein, dass Exklusivverträge zwischen dem Horeca-Gewerbe und den Bierbrauereien existieren, und dieser Umstand ist geeignet, den Markteintritt eines neuen Wettbewerbers zu erschweren, wie sich aus Ziff. 69 der Leitlinien ergibt. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass AB InBev ihre Geschäftsbeziehungen zu Boissons Heintz ersetzen konnte, da dieser Umstand weder den Eintritt neuer Wettbewerber belegt noch beweist, dass die Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses ausreichendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind.

194    Was als Zweites den Markt für den Biergroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg betrifft, stellte die Kommission in Rn. 80 des angefochtenen Beschlusses fest, dass der in Rede stehende Zusammenschluss nicht koordinierte Auswirkungen hervorzurufen drohe, die sich aus horizontalen Überschneidungen auf diesem Markt ergäben.

195    Im Einzelnen war sie der Ansicht, dass der in Rede stehende Zusammenschluss zu hohen kombinierten Marktanteilen führen könne (Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses) und dass die Erwägungen zum Großhandel mit allen Getränken über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg für den fraglichen Markt entsprechend gälten, insbesondere die Erwägungen zur begrenzten Anzahl von Wettbewerbern und deren marginalen Marktanteilen, zu dem Umstand, dass es sich bei den Beteiligten des Zusammenschlusses um nahe Wettbewerber handle, zur fehlenden Nachfragemacht der Kunden und zum Bestehen hoher Zutrittsschranken (Rn. 83 des angefochtenen Beschlusses).

196    Die Klägerinnen beanstanden erstens die Abgrenzung des Marktes für den Vertrieb von Bier über den CHR/on-trade-Kanal. Insoweit stellte die Kommission in Rn. 52 des angefochtenen Beschlusses fest, dass sie im vorläufigen Stadium des Verfahrens nicht ausschließen könne, dass dieser Markt einen gesonderten Markt darstelle, wobei sie darauf hinwies, dass ihre Analyse nicht dem Ergebnis ihrer eingehenden Untersuchung der Vereinbarkeit des in Rede stehenden Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt nach Stattgabe des Verweisungsantrags vorgreife. Da die Klägerinnen selbst einräumen, dass die Kommission a priori berechtigt ist, im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung die Abgrenzung des relevanten Marktes vorzunehmen, und sie keine Gesichtspunkte anführen, die für eine andere Abgrenzung dieses Marktes sprechen, kann ihrer Kritik nicht gefolgt werden.

197    Die Klägerinnen machen zweitens geltend, dass der angefochtene Beschluss nur die Situation beschreibe, die vor dem in Rede stehenden Zusammenschluss bestanden habe, und nicht geprüft worden sei, ob der Zusammenschluss den Wettbewerb in Luxemburg beeinträchtige. Zwar kann, wenn einer der Beteiligten des Zusammenschlusses auf einem relevanten Markt bereits vor dem Zusammenschluss eine beherrschende Stellung einnahm, diese Stellung bei der Analyse der Wettbewerbsauswirkungen des Zusammenschlusses unberücksichtigt bleiben. Es verhält sich jedoch anders, wenn die beherrschende Stellung auf einem relevanten Markt aus dem Zusammenschluss folgt oder durch ihn verstärkt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist die Kommission insbesondere von der letztgenannten Konstellation ausgegangen. Die künftigen und potenziellen Auswirkungen des Wettbewerbs werden durch die Formulierung „offenbar zu hohen kombinierten Marktanteilen der Beteiligten führt“ in Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben. Wie zudem oben in Rn. 186 dargelegt, sind die gemeinsamen Marktanteile ein wichtiger Faktor für die Feststellung, ob nicht koordinierte Wirkungen von einem Zusammenschluss zu erwarten sind.

198    Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen nicht geeignet, nachzuweisen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie die Analyse der horizontalen Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses vornahm.

199    Insbesondere ist unstreitig, dass erstens der in Rede stehende Zusammenschluss zu hohen kombinierten Marktanteilen der Beteiligten des Zusammenschlusses auf den luxemburgischen Märkten für Getränke- und Biergroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal führt (siehe oben, Rn. 186 und 195) und zweitens die Wettbewerber der Beteiligten über sehr begrenzte Marktanteile verfügen (siehe oben, Rn. 187 und 195). Das Bestehen erheblicher Marktanteile ist in hohem Maß bedeutsam, und das Verhältnis zwischen den Marktanteilen der am Zusammenschluss Beteiligten und denen ihrer Konkurrenten, insbesondere der nächstkleineren, ein taugliches Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung oder einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2023, Naturstrom/Kommission, T‑60/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:839, Rn. 342).

200    Überdies handelt es sich bei den Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses um nahe Wettbewerber, deren Markenportfolios sich erheblich überschneiden (siehe oben, Rn. 188 und 195) und deren Kunden nicht genügend nachfrageseitige Gegenmacht besitzen (siehe oben, Rn. 189 und 195). Außerdem ist nicht dargetan worden, dass der Markteintritt neuer Wettbewerber wahrscheinlich wäre (siehe oben, Rn. 190 bis 193 und 195).

201    Nach alledem beging die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie in den Rn. 73 und 80 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass der in Rede stehende Zusammenschluss nicht koordinierte Auswirkungen hervorzurufen drohe, die sich aus horizontalen Überschneidungen der luxemburgischen Märkte für den Getränkegroßhandel und für den Biergroßhandel über den CHR/on-trade-Kanal ergäben.

 Zur Analyse der nicht horizontalen Auswirkungen

202    Die Kommission stellte in Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses fest, dass bei dem in Rede stehenden Zusammenschluss die Gefahr einer Kundenabschottung aufgrund von nicht horizontalen Überschneidungen zwischen erstens dem Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal und zweitens den luxemburgischen Märkten für den Getränkegroßhandel (einschließlich Bier) über den CHR/on-trade-Kanal und dem kleineren, nur auf den Biergroßhandel über diesen Kanal beschränkten Markt drohe.

203    Gemäß Ziff. 59 der Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2008, C 265, S. 6, im Folgenden: Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen), an die die Kommission nach der oben in Rn. 184 angeführten Rechtsprechung gebunden ist, untersucht die Kommission bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbswidrigen Kundenabschottung zuerst, ob die fusionierte Einheit in der Lage wäre, den Zugang zu den nachgeordneten Märkten abzuschotten, zweitens, ob sie den Anreiz hätte, dies zu tun, und drittens, ob eine Abschottungsstrategie spürbare nachteilige Auswirkungen auf die Kunden im nachgeordneten Markt hätte.

204    Aus den Rn. 85 bis 87 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission diese drei kumulativen Voraussetzungen im vorliegenden Fall geprüft hat, ohne dass die Klägerinnen dieses Vorgehen beanstandet hätten.

205    Die Kommission stellte erstens in Rn. 85 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die aus dem in Rede stehenden Zusammenschluss hervorgehende Einheit in der Lage sein könnte, den Zugang ihrer Wettbewerber zu einem ausreichenden Kundenstamm auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg abzuschotten. Die Klägerinnen bestreiten insoweit nicht, dass der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten des Zusammenschlusses auf den nachgelagerten Märkten, d. h. den luxemburgischen Märkten für den Großhandel mit allen Getränken und für den Biergroßhandel über diesen Kanal, zwischen 70 % und 80 % liegt. Ebenso wenig stellen sie in Frage, dass die Beteiligten des Zusammenschlusses von den in Luxemburg und anderen Mitgliedstaaten ansässigen Bierherstellern und ‑lieferanten als Vertriebskanal genutzt werden. Diese Faktoren sind ein Indiz dafür, dass die neue Einheit auf den nachgelagerten Märkten über ein deutliches Maß an Marktmacht verfügt, wie in Ziff. 61 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen beschrieben, und, wie die Kommission in Rn. 85 des angefochtenen Beschlusses hervorhob, einen wichtigen Absatzmarkt für diese Hersteller und Lieferanten darstellt.

206    Soweit die Klägerinnen behaupten, die Kommission habe vorhandene Alternativen in Luxemburg nicht berücksichtigt, ergibt sich ebenfalls aus Rn. 85 des angefochtenen Beschlusses, ohne dass die Klägerinnen dies bestritten haben, dass keiner der konkurrierenden Vertriebs- und Großhändler über einen Marktanteil von mehr als 5 % verfügt und diese daher wegen ihrer relativ geringen Größe keine glaubwürdige Alternative darstellen. Aus den oben in den Rn. 192 und 193 genannten Gründen kann entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertriebshändler der Großregion ausreichenden Wettbewerbsdruck ausüben. Daher ist es unerheblich, dass AB InBev ihre Geschäftsbeziehungen ersetzen konnte. Unerheblich ist auch, dass AB InBev Boissons Heintz nicht selbst durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts erworben hat, da es sich insoweit um eine autonome wirtschaftliche Entscheidung dieses Unternehmens handelt. Ein Wirtschaftsteilnehmer des vorgelagerten Marktes kann nämlich nicht verpflichtet werden, selbst in den nachgelagerten Markt einzutreten, um die Bedingungen für den Zugang zu diesem Markt zu verbessern.

207    Zweitens stellte die Kommission in Rn. 86 des angefochtenen Beschlusses fest, dass für die aus dem in Rede stehenden Zusammenschluss hervorgehende Einheit ein Anreiz bestehen könnte, den Zugang ihrer Wettbewerber zu einem ausreichenden Kundenstamm auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg abzuschotten. Sie wies an dieser Stelle darauf hin, dass sich der Marktanteil der Brasserie Nationale auf 40 % bis 50 % belaufe und die Brasserie Nationale über eine jährliche Produktionskapazität von 240 000 Hektolitern verfüge, die Bierproduktion 2022 jedoch nur bei 155 000 Hektolitern gelegen habe. Die Klägerinnen treten dieser Feststellung entgegen und machen geltend, dass ein Anstieg ihrer Produktion um 100 % angesichts der großen internationalen Konzerne unrealistisch sei und es dem Wettbewerb nicht schade, wenn die Brasserie Nationale ihre Produktion steigere. Die Brasserie Nationale sei nur ein KMU, und die Marktmacht liege ganz bei AB InBev.

208    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nicht davon ausgegangen ist, dass die Brasserie Nationale ihre Produktion verdoppeln könnte, als sie in Rn. 86 des angefochtenen Beschlusses die Produktion dieses Unternehmens in Höhe von 155 000 Hektolitern im Jahr 2022 mit seiner potenziellen jährlichen Produktionskapazität von 240 000 Hektolitern verglich. Da die Klägerinnen diese Zahlen nicht bestritten haben, verfügte die Brasserie Nationale somit über eine zusätzliche ungenutzte Produktionskapazität von 85 000 Hektolitern, die es ihr ermöglichte, ihre Produktion in diesem Umfang zu erhöhen.

209    Außerdem hängt, wie in Ziff. 68 der Leitlinien zu nicht horizontalen Zusammenschlüssen dargelegt, der Anreiz zur Abschottung davon ab, in welchem Maß diese gewinnbringend wäre, da die fusionierte Einheit abwägen muss zwischen möglichen Kosten, die entstehen würden, wenn sie vorgelagerte Wettbewerber vom Zugang zum nachgelagerten Markt abschottet, und den möglichen Gewinnen aus einer solchen Entscheidung. Die übrigen Kritikpunkte der Klägerinnen an den Feststellungen der Kommission in Rn. 86 des angefochtenen Beschlusses zum Anreiz, den Zugang zu den nachgelagerten Märkten abzuschotten, beziehen sich nicht auf die Rentabilität der Abschottungsstrategie, sondern nur auf ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb. Sie werden daher unten in den Rn. 211 und 212 im Rahmen der Prüfung der Auswirkungen einer Abschottungsstrategie auf den Wettbewerb untersucht.

210    Unter diesen Umständen können die Klägerinnen angesichts der oben in Rn. 208 erwähnten zusätzlichen Produktionskapazität und des in Rn. 207 genannten Marktanteils der Brasserie Nationale, den die Klägerinnen nicht bestreiten, der Kommission nicht vorwerfen, in Rn. 86 des angefochtenen Beschlusses festgestellt zu haben, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass für die fusionierte Einheit ein Anreiz bestehen würde, dem Vertrieb ihrer eigenen Bierproduktion Vorrang einzuräumen und die Gewinne zu erhöhen, die durch die Ausweitung ihres Anteils am nachgelagerten Markt auf Kosten der verdrängten Wettbewerber entstünden.

211    Drittens wies die Kommission in Rn. 87 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass bei jeder Strategie zur Kundenabschottung die Gefahr erheblicher Auswirkungen auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal und für den Biersektor im Allgemeinen bestehe. Insbesondere könne angesichts der bedeutenden Stellung der Brasserie Nationale auf diesem Markt nicht ausgeschlossen werden, dass sie durch Verdrängung der vorgelagerten Wettbewerber in den Besitz zusätzlicher Anteile gelange. Jede Strategie zur Kundenabschottung könne zu höheren Preisen oder einer beschränkteren Auswahl für die Endkunden führen, insbesondere wegen des fehlenden Zugangs vorgelagerter Wettbewerber zum nachgelagerten Markt oder gestiegener Kosten für die nachgelagerten Wettbewerber. Die Klägerinnen treten dieser Argumentation entgegen und machen geltend, dass es, da es sich bei den Wettbewerbern auf dem vorgelagerten Markt um große internationale Konzerne wie AB InBev, die Carlsberg Group oder Heineken handle, nicht plausibel sei, dass die Brasserie Nationale ihre Preise erhöhen könne, ohne dass ihre Kunden zu den Konkurrenten abwanderten.

212    Es wird jedoch nicht bestritten, dass erstens der Marktanteil der Brasserie Nationale, wie die Kommission in Rn. 87 des angefochtenen Beschlusses feststellte, auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg auf 40 % bis 50 % geschätzt wird und zweitens der gemeinsame Marktanteil der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses auf den luxemburgischen Märkten für den Großhandel mit allen Getränken und für den Biergroßhandel über diesen Kanal zwischen etwa 70 % und 80 % liegt, wie in Rn. 85 des angefochtenen Beschlusses dargelegt. Angesichts der bedeutenden Stellung der fusionierten Einheit auf den genannten Märkten kann ohne zusätzliche Beweismittel nicht festgestellt werden, dass der von den internationalen Konzernen ausgehende Wettbewerb eine ausreichende Gegenmacht zur fusionierten Einheit darstellen kann. Die Kommission macht zu Recht geltend, dass, selbst wenn ausgeschlossen werden könnte, dass eine Steigerung der Produktion der Brasserie Nationale negative Auswirkungen für diese internationalen Akteure hätte, dies nicht auf andere, kleinere Wettbewerber auf dem vorgelagerten Markt zuträfe.

213    Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen nicht geeignet, um einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Analyse der nicht horizontalen Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses nachzuweisen.

214    Insbesondere beging die Kommission angesichts der deutlichen Marktmacht der Beteiligten des in Rede stehenden Zusammenschlusses und ihrer wichtigen Funktion als Vertriebskanal auf den nachgelagerten Märkten (siehe oben, Rn. 205 und 206) sowie des hohen Marktanteils der Brasserie Nationale auf dem vorgelagerten Markt (siehe oben, Rn. 207 und 208) keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie in den Rn. 85 und 86 des angefochtenen Beschlusses feststellte, dass die fusionierte Einheit in der Lage sei, den Zugang ihrer Wettbewerber zu einem ausreichenden Kundenstamm auf dem vorgelagerten Markt in Luxemburg abzuschotten, und auch ein entsprechender Anreiz bestehe. Ebenso wenig beging die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, als sie in Rn. 87 des angefochtenen Beschlusses darauf hinwies, dass eine solche Strategie zur Kundenabschottung den wirksamen Wettbewerb auf dem vorgelagerten Markt und auf dem Biermarkt im Allgemeinen zu beeinträchtigen drohe, insbesondere wegen der negativen Auswirkungen eines fehlenden Zugangs vorgelagerter Wettbewerber zum nachgelagerten Markt (siehe oben, Rn. 211).

215    Nach alledem ist festzustellen, dass es den Klägerinnen nicht gelungen ist, die vorläufigen Beurteilungen der horizontalen und nicht horizontalen Auswirkungen des in Rede stehenden Zusammenschlusses in Frage zu stellen, und die Kommission in Rn. 88 des angefochtenen Beschlusses keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler beging, als sie feststellte, dass der in Rede stehende Zusammenschluss „den Wettbewerb auf dem vorgelagerten Markt für die Herstellung und Lieferung von Bier über den CHR/on-trade-Kanal in Luxemburg sowie auf den nachgelagerten Märkten für den Großhandel mit allen Getränken über diesen Kanal in Luxemburg und für den Biergroßhandel über diesen Kanal in Luxemburg erheblich zu beeinträchtigen“ drohe.

216    Folglich ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: fehlende Relevanz der Erwägungen zur Angemessenheit der Verweisung

217    Die Klägerinnen wenden sich gegen die Auffassung der Kommission, die Stattgabe des Verweisungsantrags sei angemessen und im Rahmen ihres Ermessens erfolgt, da Luxemburg über kein nationales Fusionskontrollsystem verfüge. Nach Ansicht der Klägerinnen enthält Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 eine gesetzliche Regelung, und die Voraussetzungen für deren Anwendung seien in Abs. 3 dieses Artikels aufgeführt. Zweckmäßigkeitserwägungen seien in dieser Regelung nicht vorgesehen, so dass sich die Frage, ob die Stattgabe angemessen sei, nicht stelle. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Regelung um eine Ausnahmeregelung handle.

218    Zwar habe dieser Artikel in der Vergangenheit die fehlende Kontrolle von Zusammenschlüssen in einigen Mitgliedstaaten wie Luxemburg ausgleichen können, doch könne dies 20 Jahre nach dem Erlass der Verordnung Nr. 139/2004 nicht mehr rechtlich zulässig sein. Die Klägerinnen machen geltend, dass der Rat der Europäischen Union, die Kommission und das Europäische Parlament, wenn sie beabsichtigt hätten, in jedem Mitgliedstaat eine obligatorische Fusionskontrolle vorzuschreiben, 20 Jahre Zeit gehabt hätten, um dies zu tun. Auf eine mündliche Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen klargestellt, dass sie mit ihrem Vorbringen die allgemeine Möglichkeit des Großherzogtums Luxemburg, einen Verweisungsantrag nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung zu stellen, nicht als solche in Frage stellen wollten.

219    Die Kommission und AB InBev treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

220    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 es den Mitgliedstaaten, die nicht über eine nationale Fusionskontrollregelung verfügen, ermöglicht, bei der Kommission die Kontrolle von Zusammenschlüssen zu beantragen, die sich in ihrem Hoheitsgebiet negativ auswirken können, wenn diese Zusammenschlüsse auch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2024, Illumina und Grail/Kommission, C‑611/22 P und C‑625/22 P, EU:C:2024:677, Rn. 147, 164 und 199).

221    Insoweit erlaubt Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 dem Großherzogtum Luxemburg, die Prüfung eines Zusammenschlusses an die Kommission zu verweisen, und dies, obwohl Luxemburg über keine nationale Fusionskontrollregelung verfügt.

222    Nach Art. 22 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 „kann“ die Kommission beschließen, einen Zusammenschluss, der Gegenstand eines Verweisungsantrags ist, zu prüfen, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.

223    Zwar ergibt sich daraus, dass einem Verweisungsantrag nur dann stattgegeben werden kann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, doch deutet das Wort „kann“ darauf hin, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, dem Antrag stattzugeben, sondern insoweit über einen Beurteilungsspielraum verfügt. Wie in Rn. 7 der Mitteilung über die Verweisung dargelegt, behält die Kommission einen beträchtlichen Spielraum bei der Entscheidung, ob sie auf der Grundlage von Art. 22 der Verordnung Nr. 139/2004 Zusammenschlüsse, die nicht in ihre ursprüngliche Zuständigkeit nach der Verordnung fallen, zur Prüfung annimmt.

224    Somit war die Kommission berechtigt, die Angemessenheit der Verweisung des in Rede stehenden Zusammenschlusses unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls zu beurteilen. Genauer gesagt können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, in Rn. 92 des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt zu haben, dass das Großherzogtum Luxemburg über kein Fusionskontrollsystem verfüge und der Zusammenschluss und seine Auswirkungen von keinem anderen Fusionskontrollsystem erfasst würden, wenn dem Antrag auf Verweisung nicht stattgegeben werde.

225    Somit ist der achte Klagegrund zurückzuweisen.

 Kosten

226    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die der Kommission entstandenen Kosten aufzuerlegen.

227    Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung tragen AB InBev und die ACL ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Brasserie Nationale (vormals Brasseries Funck-Bricher et Bofferding) und die Munhowen SA tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Anheuser-Busch InBev und die Autorité de concurrence du Grand-Duché de Luxembourg tragen ihre eigenen Kosten.

Costeira

Kancheva

Öberg

Zilgalvis

 

      Tichy-Fisslberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. Juli 2025.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte des Rechtsstreits

Zu den beteiligten Unternehmen

Zu dem in Rede stehenden Zusammenschluss

Zum Antrag auf Verweisung an die Kommission

Zum angefochtenen Beschluss

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Vertretung der Klägerinnen durch einen unabhängigen Anwalt

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Sprachenregelung nach der Verordnung Nr. 1

Zum zweiten Klagegrund: Nichteinhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004

Zur Auslegung des Begriffs „zur Kenntnis gebracht“

Zum Beginn der Frist von 15 Arbeitstagen im vorliegenden Fall

Zur Prüfung der Einhaltung der Frist von 15 Arbeitstagen durch die Kommission

Zum Vorwurf einer Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Frist nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004

Zum vierten Klagegrund: verspätete Mitteilung des angefochtenen Beschlusses

Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Waffengleichheit, der fairen Verfahrensführung und des Vertrauensschutzes

Zum sechsten Klagegrund: keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

Zum siebten Klagegrund: Fehlen einer drohenden erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im luxemburgischen Hoheitsgebiet

Zur Analyse der horizontalen Auswirkungen

Zur Analyse der nicht horizontalen Auswirkungen

Zum achten Klagegrund: fehlende Relevanz der Erwägungen zur Angemessenheit der Verweisung

Kosten



Leave a Comment

Schreibe einen Kommentar