T-255/24 – Nouwen/ Rat

T-255/24 – Nouwen/ Rat

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:865

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

10. September 2025(*)

„ Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente, die die Arbeiten der vom Rat eingesetzten Gruppe ‚Verhaltenskodex‘ (Unternehmensbesteuerung) betreffen – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 – Ausnahmen zum Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die internationalen Beziehungen und die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats – Allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit – Begründungspflicht “

In der Rechtssache T‑255/24,

Martijn Frederik Nouwen, wohnhaft in Amsterdam (Niederlande), vertreten durch Rechtsanwalt M. Weijers,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch B. Driessen und L. Atzeni als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov sowie des Richters D. Petrlík (Berichterstatter) und der Richterin S. Kingston,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der Maßnahme zur Beweisaufnahme vom 6. November 2024 und der im Rahmen dieser Maßnahme vorgelegten Dokumente, die am 21. November 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, und

–        der prozessleitenden Maßnahmen vom 31. März 2025,

auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2025

folgendes

Urteil

1        Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV beantragt der Kläger, Herr Martijn Frederik Nouwen, die Nichtigerklärung der Entscheidung SGS 24/00008 des Rates der Europäischen Union vom 7. März 2024, mit der dieser ihm den Zugang zu bestimmten Dokumenten der vom Rat eingesetzten und aus hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission bestehenden Gruppe (im Folgenden: Gruppe „Verhaltenskodex“) zur Überarbeitung eines Verhaltenskodex im Bereich der Unternehmensbesteuerung verweigert hat (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und Ereignisse nach Klageerhebung

2        Im Jahr 1997 nahmen der Rat und die im Rat vom 1. Dezember 1997 vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen einer globalen Überlegung zum schädlichen Steuerwettbewerb eine Entschließung über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung an (ABl. 1998, C 2, S. 2, im Folgenden: Verhaltenskodex für die Besteuerung).

3        Im Jahr 2022 wurde der Verhaltenskodex für die Besteuerung durch die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über einen überarbeiteten Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung (ABl. 2022, C 433, S. 1) geändert, wobei diese Entschließung nicht im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens angenommen wurde.

4        Der Kläger ist ein Professor, der u. a. Forschungen zum Verhaltenskodex für die Besteuerung betreibt.

5        Mit E‑Mail vom 14. Juli 2023 (im Folgenden: Erstantrag) stellte der Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) beim Rat den Antrag, ihm die von 2019 bis zum 30. Mai 2023 zwischen den Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Rat ausgetauschten E‑Mails einschließlich ihrer Anhänge zum Thema „Reform/Überarbeitung des (Mandats/Geltungsbereichs des) Verhaltenskodex für die Besteuerung (und seines Überwachungsorgans, der Gruppe ‚Verhaltenskodex‘)“ weiterzuleiten (im Folgenden: Zugangsantrag).

6        Mit E‑Mail vom 7. August 2023 antwortete der Rat auf den Erstantrag und erklärte, dass er nicht in der Lage sei, die Dokumente zu ermitteln, die unter den Zugangsantrag fielen.

7        Am 25. August 2023 wiederholte der Kläger seinen Zugangsantrag in einer weiteren E‑Mail und gab dem Rat bestimmte Hinweise, um die Ermittlung der Dokumente zu erleichtern, die Gegenstand dieses Antrags waren.

8        Nach einer erneuten Suche erklärte der Rat in einer E‑Mail vom 8. September 2023, dass er nicht im Besitz der angeforderten Dokumente sei.

9        Am selben Tag antwortete der Kläger dem Rat, dass dieser seiner Ansicht nach sehr wohl über bestimmte Dokumente verfügt, die unter seinen Erstantrag fielen. In diesem Zusammenhang ermittelte der Kläger ein vom Rat verwaltetes elektronisches Postfach, an das u. a. drei Mitgliedstaaten E‑Mails betreffend die Überarbeitung des Verhaltenskodex für die Besteuerung versendet hatten.

10      Mit E‑Mail vom 20. Oktober 2023 teilte der Rat dem Kläger mit, dass er in der Lage gewesen sei, eine Reihe von Dokumenten zu ermitteln, die die Kriterien des Zugangsantrags erfüllten, und dass er die Kommission und die Mitgliedstaaten zur Möglichkeit der Verbreitung dieser Dokumente konsultiere.

11      Am 30. Januar 2024 stellte der Kläger, nachdem er vom Rat hinsichtlich der von ihm ermittelten Dokumente kein Antwortschreiben erhalten hatte, einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 (im Folgenden: Zweitantrag).

12      Am 13. Februar 2024 erklärte der Rat, dass der Zweitantrag innerhalb von 15 Arbeitstagen beantwortet werde. Diese Frist wurde sodann mit E‑Mail vom 20. Februar 2024 um weitere 15 Arbeitstage verlängert.

13      Am 7. März 2024 erließ der Rat die angefochtene Entscheidung, in der er 75 E‑Mails ermittelte, die die Kriterien des Zugangsantrags erfüllten. Er legte dem Kläger 55 dieser Dokumente vollständig offen und verweigerte den Zugang zu 19 dieser Dokumente vollständig sowie zu einem Dokument teilweise (im Folgenden zusammen: streitige Dokumente).

14      Im Einzelnen verweigerte der Rat zum einen vollständig den Zugang zu folgenden E‑Mails, die im Rahmen der Überarbeitung des Verhaltenskodex versendet worden waren:

–        von Irland vom 16. Oktober, 22. Oktober und 16. November 2020 sowie vom 19. Februar, 2. August, 19. Oktober, 21. Oktober und 3. November 2021;

–        von der Französischen Republik vom 22. Oktober und 16. November 2020;

–        von der Italienischen Republik vom 22. Oktober und 16. November 2020 sowie vom 6. August und 23. November 2021;

–        vom Großherzogtum Luxemburg vom 26. Oktober 2020 sowie vom 4. August, 19. Oktober und 2. November 2021;

–        von der Republik Österreich vom 15. Oktober 2021.

15      Zum anderen verweigerte der Rat teilweise den Zugang zu einer im selben Zusammenhang von der Republik Litauen am 24. November 2021 versendeten E‑Mail.

16      Der Rat stützte die Verweigerung des Zugangs auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, nachdem er gemäß Art. 4 Abs. 5 dieser Verordnung die Mitgliedstaaten, aus denen die streitigen Dokumente stammten, konsultiert hatte.

17      Mit Beschluss vom 6. November 2024 hat das Gericht den Rat auf der Grundlage von Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts aufgefordert, die streitigen Dokumente vorzulegen. Der Rat ist dieser Anordnung nachgekommen. Gemäß Art. 104 der Verfahrensordnung sind diese Dokumente dem Kläger nicht bekannt gegeben worden.

 Anträge der Parteien

18      Der Kläger beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihm darin der Zugang zu den streitigen Dokumenten verweigert wird;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

19      Der Rat beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

20      Der Kläger stützt seine Klage auf drei Gründe:

–        erstens eine unvollständige bzw. nachlässige Durchführung des Zugangsantrags sowie insoweit zumindest eine unzureichende Begründung;

–        zweitens, gemäß einer Unterteilung in fünf Teile, eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten sowie insoweit zumindest eine unzureichende Begründung;

–        drittens, dass der Rat einen teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten hätte gewähren müssen, zu denen der Zugang vollständig verweigert worden sei, und dass die Entscheidung insoweit zumindest unzureichend begründet sei.

 Zum ersten Klagegrund: unvollständige bzw. nachlässige Durchführung des Zugangsantrags sowie insoweit zumindest unzureichende Begründung

21      Der erste Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Rügen.

 Zur ersten Rüge: unvollständige bzw. nachlässige Durchführung des Zugangsantrags

22      Der Kläger macht geltend, sein Zugangsantrag sei unvollständig bzw. zumindest nachlässig behandelt worden. Aus der angefochtenen Entscheidung gehe nämlich hervor, dass das Referat „Steuerpolitik, Zollunion und Ausfuhrkredite“ des Rates, das die Suche nach den angeforderten Dokumenten durchgeführt habe, in Beantwortung des Erstantrags zweimal erklärt habe, nicht im Besitz dieser Dokumente zu sein, so dass der Kläger nicht in der Lage sei, zu überprüfen, ob der Rat alle angeforderten Dokumente zusammengetragen habe. Diese Ungewissheit erscheine umso offensichtlicher, als das oben in Rn. 9 erwähnte elektronische Postfach die einzige Adresse sei, die seit Jahren von den Mitgliedern der Gruppe „Verhaltenskodex“ verwendet werde. Daher habe der Kläger dem Rat nicht näher erläutern müssen, wo sich die angeforderten Dokumente befunden hätten.

23      Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.

24      Mit seiner Rüge wirft der Kläger dem Rat im Wesentlichen vor, seiner Verpflichtung zur Vorlage eines vollständigen Verzeichnisses der angeforderten Dokumente nicht nachgekommen zu sein.

25      Hierzu ist festzustellen, dass jede Verweigerung des Zugangs Gegenstand einer gerichtlichen Anfechtung sein kann, unabhängig davon, welche Gründe für die Zugangsverweigerung angegeben werden. Wenn das Organ geltend macht, dass ein Dokument, zu dem der Zugang beantragt wird, nicht existiere, so ist es Sache dieses Organs, im Fall einer Anfechtung vor den Unionsgerichten die aus diesem Grund erfolgende Verweigerung des Zugangs zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 20. September 2019, Dehousse/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/17, EU:T:2019:632, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich jedoch, dass ein Organ einem Zugangsantrag zwangsläufig nur dann nachkommen kann, wenn die in dem betreffenden Antrag bezeichneten Dokumente existieren (vgl. Urteil vom 23. April 2018, Verein Deutsche Sprache/Kommission, T‑468/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:207, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Wenn ein Organ im Zusammenhang mit einem Zugangsantrag behauptet, dass ein Dokument nicht existiere, ist entsprechend dem für die Handlungen der Union geltenden Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit davon auszugehen, dass dieses Dokument nicht existiert (vgl. Urteil vom 25. September 2024, British American Tobacco Polska Trading/Kommission, T‑311/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:645, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Aus denselben Gründen gilt auch für die Behauptung eines Organs, dass keine weiteren Dokumente im Zusammenhang mit dem Zugangsantrag existierten als die von ihm ermittelten, eine Rechtmäßigkeitsvermutung (Urteil vom 23. April 2018, Verein Deutsche Sprache/Kommission, T‑468/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:207, Rn. 36).

29      Eine solche Vermutung kann jedoch mit allen Angriffsmitteln auf der Grundlage relevanter und übereinstimmender Indizien, die der Antragsteller vorlegt, entkräftet werden (vgl. Urteil vom 25. September 2024, British American Tobacco Polska Trading/Kommission, T‑311/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:645, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Im vorliegenden Fall hat der Rat in Rn. 8 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass er nach einer Suche bestimmte E‑Mails ermittelt habe, die die im Zugangsantrag genannten Kriterien erfüllten und die in dieser Entscheidung aufgelistet seien. Daraus folgt implizit, aber zwangsläufig, dass der Rat davon ausgegangen ist, dass er keine weiteren Dokumente besaß, die diesen Kriterien entsprachen.

31      Der Kläger bestreitet die Zuverlässigkeit dieser Annahme mit der Begründung, dass der Rat in seiner Antwort auf den Erstantrag zunächst verneint habe, im Besitz der angeforderten Dokumente zu sein.

32      Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die Art. 7 und 8 der Verordnung Nr. 1049/2001, wie im 13. Erwägungsgrund dieser Verordnung dargelegt, ein Verfahren für den Zugang zu Dokumenten in zwei Phasen vorsehen. Die Antwort auf einen Erstantrag auf Zugang zu Dokumenten gemäß Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung stellt nur eine erste Stellungnahme dar. Eine solche Antwort verleiht dem Antragsteller das in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung vorgesehene Recht, ungeachtet einer ersten mit Gründen versehenen Ablehnung seinen Zugangsantrag zu wiederholen, und erlaubt es dem betreffenden Unionsorgan, seinen ursprünglichen Standpunkt zu überprüfen, bevor es eine endgültige ablehnende Entscheidung trifft, und gegebenenfalls mögliche Rechtsverletzungen, mit denen die erste Ablehnung behaftet sein mag, abzustellen (vgl. Urteil vom 29. Juli 2024, Validity/Kommission, C‑51/23 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2024:664, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Da ein Organ zu einer umfassenden Prüfung sämtlicher in dem Antrag auf Offenlegung genannter Dokumente verpflichtet ist, kann es zum anderen jederzeit, auch erstmals bei der Prüfung des Zweitantrags, neue Dokumente ermitteln, die dem Antrag zugeordnet werden können (vgl. Urteil vom 13. November 2024, Kargins/Kommission, T‑110/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:805, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Daraus folgt, dass der bloße Umstand, dass nach einem Zweitantrag mehr Dokumente ermittelt werden, die dem Zugangsantrag entsprechen, kein relevanter Gesichtspunkt für die Widerlegung der oben in Rn. 28 genannten Rechtmäßigkeitsvermutung sein kann.

35      Des Weiteren ist auch der Umstand, dass der Kläger in seinem Zweitantrag das elektronische Postfach angeben musste, in dem der Rat die angeforderten Dokumente finden konnte, nicht entscheidend. Diese Information allein deutet nämlich nicht darauf hin, dass der Rat über mehr Dokumente verfügen würde als die, die er aufgrund dieser Information gefunden hat.

36      Schließlich hat der Kläger dem Gericht kein weiteres Argument oder Indiz vorgelegt, um die Ausführungen des Rates in Rn. 8 der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen.

37      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Kläger gemäß der oben in den Rn. 26 bis 29 angeführten Rechtsprechung die für die angefochtene Entscheidung geltende Vermutung der Rechtmäßigkeit im Hinblick darauf, dass der Rat über keine weiteren Dokumente als die in dieser Entscheidung ermittelten verfügte, die dem Zugangsantrag entsprachen, nicht widerlegt hat.

38      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen des Klägers nicht in Frage gestellt, dass der Rat ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass sein Erstantrag nicht hinreichend klar sei.

39      Insoweit sieht Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass das Organ, wenn ein Antrag nicht hinreichend präzise ist, den Antragsteller auffordert, den Antrag zu präzisieren, und ihm dabei Hilfe leistet.

40      Es folgt aus dieser Bestimmung, dass bereits die Feststellung der unzureichenden Präzision des Zugangsantrags, unabhängig von den Gründen, das Organ, an das der Antrag gerichtet ist, dazu veranlassen muss, mit dem Antragsteller in Kontakt zu treten, um so genau wie möglich zu bestimmen, auf welche Dokumente sich der Antrag bezieht (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, T‑300/10, EU:T:2012:247, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Anschluss an die oben in den Rn. 6 und 8 genannten E‑Mails des Rates diesem weitere Einzelheiten zu den angeforderten Dokumenten mitgeteilt, insbesondere durch Angabe des elektronischen Postfachs, in dem der Rat seiner Ansicht nach diese Dokumente finden konnte.

42      Nach dieser Präzision hat der Rat die Dokumente gefunden, die Gegenstand des Zugangsantrags waren, wie aus seiner oben in Rn. 10 genannten E‑Mail hervorgeht.

43      Unter diesen Umständen war der Rat nicht verpflichtet, erneut mit dem Kläger Kontakt aufzunehmen, um die angeforderten Dokumente vor Erlass der angefochtenen Entscheidung bestmöglich zu bestimmen.

44      Nach alledem ist die erste zur Stützung des ersten Klagegrundes vorgebrachte Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur zweiten Rüge: unzureichende Begründung der zur Beantwortung des Zugangsantrags verwendeten Suchmethode

45      Der Kläger trägt vor, den Erläuterungen des Rates lasse sich nicht entnehmen, welche Suchmethode zur Beantwortung des Zugangsantrags verwendet worden sei, so dass nicht überprüft werden könne, ob der Rat alle angeforderten Dokumente zusammengetragen habe. Insbesondere hätte der Rat, um die angefochtene Entscheidung in rechtlich hinreichender Weise zu begründen, angeben müssen, welche Systeme konsultiert worden seien, um diese Dokumente aufzufinden, welche Suchbegriffe verwendet worden seien, welche Fragen an die zuständigen Personen der betreffenden Referate gestellt worden seien und welche Selektierung der Juristische Dienst des Rates gegebenenfalls vorgenommen habe.

46      Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.

47      Die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV erforderliche Begründung muss an die Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen dieses Artikels genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 24. April 2024, Naass und Sea-Watch/Frontex, T‑205/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:266, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Was den Kontext betrifft, in dem eine Antwort auf einen Zweitantrag auf Zugang zu Dokumenten ergangen ist, ist die Frage, ob die Begründung ausreichend ist, insbesondere anhand des gesamten Schriftwechsels zwischen dem Organ und dem Antragsteller zu prüfen, wobei die Informationen zu berücksichtigen sind, über die dieser hinsichtlich der Art und des Inhalts der angeforderten Dokumente verfügte (vgl. entsprechend Urteil vom 24. April 2024, Naass und Sea-Watch/Frontex, T‑205/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:266, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Zudem kann einem Organ kein Begründungsmangel vorgeworfen werden, wenn es klar und eindeutig erklärt, dass es keine weiteren Dokumente als die verbreiteten oder ermittelten besitze, die dem Zugangsantrag entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. April 2018, Verein Deutsche Sprache/Kommission, T‑468/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:207, Rn. 40, vom 25. September 2024, British American Tobacco Polska Trading/Kommission, T‑311/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:645, Rn. 93, und vom 13. November 2024, Kargins/Kommission, T‑110/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:805, Rn. 22 und 23).

50      Im vorliegenden Fall hatte der Kläger, wie in Rn. 5 des vorliegenden Urteils dargelegt, in seinem Erstantrag die Verfasser, die Adressaten und den Gegenstand der angeforderten Dokumente sowie den Zeitraum, in dem sie erstellt worden sein sollen, ermittelt.

51      Des Weiteren geht aus den Rn. 9 und 10 des vorliegenden Urteils hervor, dass der Rat nach Erhalt der zusätzlichen Informationen, die der Kläger ihm in seinem Zweitantrag insbesondere in Bezug auf die Existenz eines elektronischen Postfachs geliefert hat, Dokumente ermittelt hat, die die im Zugangsantrag genannten Kriterien erfüllen.

52      Der Rat hat diese Dokumente in Rn. 8 der angefochtenen Entscheidung aufgelistet und jeweils ihren Verfasser und ihr Datum angegeben.

53      Aus diesen Erläuterungen und ihrem Kontext geht implizit, aber eindeutig hervor, dass der Rat das vom Kläger ermittelte elektronische Postfach nach den angeforderten Dokumenten durchsucht und auf der Grundlage der vom Kläger in seinem Erstantrag festgelegten Kriterien Dokumente ausgewählt hat, die dem Antrag auf Zugang entsprachen. Daraus geht auch hervor, dass der Rat seiner Ansicht nach über keine weiteren dem Zugangsantrag entsprechenden Dokumente verfügt.

54      Unter diesen Umständen war der Rat nach der oben in den Rn. 47 bis 49 angeführten Rechtsprechung nicht verpflichtet, in die Begründung der angefochtenen Entscheidung mehr Informationen über die zur Suche nach den angeforderten Dokumenten konsultierten Systeme, die verwendeten Suchbegriffe, die den zuständigen Personen der betreffenden Referate gestellten Fragen oder die von seinem Juristischen Dienst gegebenenfalls vorgenommene Selektierung aufzunehmen.

55      Demnach ist die zweite zur Stützung des ersten Klagegrundes vorgebrachte Rüge und folglich der erste Klagegrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum ersten bis vierten Teil des zweiten Klagegrundes: rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten und insoweit zumindest eine unzureichende Begründung

56      Mit der angefochtenen Entscheidung hat der Rat die Verbreitung der streitigen Dokumente mit der Begründung abgelehnt, dass dadurch die von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten öffentlichen Interessen beeinträchtigt würden, nämlich diejenigen im Zusammenhang mit den internationalen Beziehungen und der Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats.

57      Insoweit hat der Rat zunächst in Bezug auf den Schutz des öffentlichen Interesses hinsichtlich der internationalen Beziehungen in Rn. 39 der angefochtenen Entscheidung erläutert, dass die streitigen Dokumente „Diskussionsbeiträge zum Thema Überarbeitung des Mandats der Gruppe ‚Verhaltenskodex‘ [enthalten], um sicherzustellen, dass diese Gruppe auch in Zukunft in der Lage ist, einen wirksamen Beitrag zur Förderung eines fairen Steuerwettbewerbs und zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken zu leisten“, und dass „[d]iese Dokumente … Einzelheiten zu mehreren sensiblen Steuerfragen [enthalten], die Drittländer betreffen“.

58      In Rn. 40 der angefochtenen Entscheidung hat der Rat sodann festgestellt, dass „eine Verbreitung [dieser Dokumente] den Verhandlungsprozess in internationalen Foren beeinträchtigen und die Position der Union gegenüber Drittländern schwächen“ würde, „[d]a in diesen Dokumenten die Möglichkeit von Änderungen insbesondere in Bezug auf den Umfang des Mandats [dieser Gruppe] im Rahmen von Entwicklungen auf internationaler Ebene angesprochen wird“.

59      In diesem Zusammenhang heißt es in Rn. 41 der angefochtenen Entscheidung, dass „[d]ie Verbreitung interner Arbeitsdokumente, selbst nach Erlass einer Entscheidung, … Drittländern Zugang zu den vorläufigen individuellen Bemerkungen, Standpunkten und Schlussfolgerungen jedes Mitgliedstaats verschaffen [würde], die nicht unbedingt mit dem endgültigen Standpunkt des Rates vereinbar sind“. Weiter heißt es dort, dass „[d]ie Verbreitung dieser Dokumente … die gute Gestaltung der internationalen Beziehungen zu Drittländern beeinträchtigen [könnte], indem die Standpunkte der Mitgliedstaaten zu diesen Fragen offengelegt werden“.

60      Aus diesen Gründen hat der Rat in Rn. 42 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „die Veröffentlichung der [streitigen Dokumente] … den in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen beeinträchtigen würde“.

61      Was den Schutz der Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats betrifft, hat der Rat in Rn. 43 der angefochtenen Entscheidung wiederholt, dass „[d]ie [streitigen] Dokumente … die Überarbeitung des Mandats der Gruppe [‚Verhaltenskodex‘] zum Gegenstand [haben] … [und dass] in diesen Dokumenten die Möglichkeit von Änderungen insbesondere in Bezug auf den Umfang des Mandats im Rahmen von Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene angesprochen wird“.

62      Zudem heißt es in Rn. 44 dieser Entscheidung, dass „[d]iese Dokumente … grundlegende Themen in Bezug auf Möglichkeiten und Methoden [behandeln], mit denen sichergestellt werden soll, dass die Gruppe ‚Verhaltenskodex‘ auch in Zukunft in der Lage ist, einen wirksamen Beitrag zur Förderung eines fairen Steuerwettbewerbs und zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken zu leisten“.

63      In Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung hat der Rat festgestellt, dass „[i]n den [streitigen] Dokumenten … bestimmte Kommentare enthalten [sind], die sich im endgültigen Standpunkt des Rates nicht widerspiegeln, darunter Kommentare zu etwaigen künftigen Maßnahmen der Regierungen der verschiedenen Mitgliedstaaten im Bereich der Besteuerung und der Verhinderung von Steuerhinterziehung“. Dort heißt es weiter, dass „[d]ie Verbreitung der betreffenden Dokumente … in einer tatsächlich vorhersehbaren und nicht rein hypothetischen Weise ein instabiles Regelungsumfeld schaffen [würde], das bei den Wirtschaftsteilnehmern ein ungerechtfertigtes und unerwünschtes Verhalten auslösen könnte“, und dass sich „[d]ie etwaigen Reaktionen der Wirtschaftsteilnehmer auf solche Arbeitskommentare, in denen auf etwaige künftige Anpassungen der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten hingewiesen wird, … negativ auf die Finanz- oder Wirtschaftspolitik der betreffenden Mitgliedstaaten auswirken [könnten]“.

64      Folglich ist der Rat in Rn. 46 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass „die Verbreitung der [streitigen] Dokumente den Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Union … und ihrer Mitgliedstaaten beeinträchtigen [würde]“.

65      Vor diesem Hintergrund sind der erste bis vierte Teil des zweiten Klagegrundes zu prüfen.

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, der Rat habe die von den Mitgliedstaaten gegen die Verbreitung der angeforderten Dokumente angeführten Gründe falsch beurteilt und insoweit eine unzureichende Begründung angeführt, sowie zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem eine Fehlerhaftigkeit des tatsächlichen Rahmens, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, und eine insoweit unzureichende Begründung gerügt wird

66      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes beanstandet der Kläger, dass keine E‑Mail von Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg oder der Republik Österreich öffentlich bekannt gemacht worden sei, obwohl die Schreiben fast aller anderen Mitgliedstaaten, die nach den Ermittlungen unter den Zugangsantrag fielen, öffentlich bekannt gemacht worden seien. Somit habe sich der Rat offenbar von den Interessen dieser vier Mitgliedstaaten und nicht vom Inhalt der streitigen Dokumente leiten lassen, so dass der Rat Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht richtig angewandt habe. Zumindest habe der Rat seine Entscheidung insoweit unzureichend begründet.

67      Mit dem zweiten Teil des zweiten Klagegrundes macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die angefochtene Entscheidung beruhe aus denselben Gründen auf einem falschen tatsächlichen Rahmen. In jedem Fall habe der Rat zu Unrecht nicht begründet, warum und inwiefern sich die streitigen Dokumente von den öffentlich gemachten Dokumenten unterschieden.

68      Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.

69      Gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 kann ein Mitgliedstaat das Organ ersuchen, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten.

70      Die Ausübung der Befugnis, die Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 dem betreffenden Mitgliedstaat einräumt, wird durch die in den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels aufgezählten materiellen Ausnahmen eingegrenzt, so dass dieser Mitgliedstaat insoweit nur einen Anspruch auf Beteiligung an der Entscheidung des Organs hat. Die vorherige Zustimmung des Mitgliedstaats, auf die Art. 4 Abs. 5 Bezug nimmt, ist somit nicht mit einem Vetorecht, das nach freiem Ermessen ausgeübt werden kann, sondern mit einer Art von Zustimmung zum Fehlen von Ausnahmegründen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 bis 3 vergleichbar. Der durch Art. 4 Abs. 5 in dieser Weise geregelte Entscheidungsprozess verlangt also, dass sich das betreffende Organ und der betreffende Mitgliedstaat an die materiellen Ausnahmen von Art. 4 Abs. 1 bis 3 halten (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Wenn die Durchführung von Bestimmungen des Unionsrechts auf diese Weise dem Organ und dem Mitgliedstaat, der von der ihm nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, gemeinsam übertragen worden ist und damit von dem zwischen ihnen zu führenden Dialog abhängt, müssen beide gemäß der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV so handeln und zusammenarbeiten, dass die genannten Vorschriften tatsächlich zur Anwendung kommen können (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72      Die Beteiligung des betreffenden Mitgliedstaats ändert jedoch für den Antragsteller nichts daran, dass es sich bei der Entscheidung, die das Organ letztlich ihm gegenüber auf den an das Organ gerichteten Antrag auf Zugang zu einem in seinem Besitz befindlichen Dokument hin erlässt, um eine Handlung der Union handelt (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Daraus folgt, dass der betreffende Mitgliedstaat, der nach dem Dialog mit dem Organ der Verbreitung des fraglichen Dokuments widerspricht, diesen Widerspruch anhand der in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen begründen muss (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Wie darüber hinaus insbesondere aus den Art. 7 und 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 hervorgeht, ist das Organ selbst verpflichtet, die Ablehnung gegenüber dem Antragsteller zu begründen. Gemäß dieser Verpflichtung muss das Organ in seiner Entscheidung nicht nur auf den Widerspruch des betreffenden Mitgliedstaats gegen die Verbreitung des angeforderten Dokuments hinweisen, sondern auch auf die Gründe, die der Mitgliedstaat für die Anwendung einer der Ausnahmeregelungen bezüglich des Zugangsrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung angeführt hat. Solche Angaben ermöglichen es nämlich dem Antragsteller, den Ursprung und die Gründe der Ablehnung in Erfahrung zu bringen, und dem zuständigen Gericht, gegebenenfalls die ihm übertragene Kontrolle auszuüben (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Es obliegt dem Organ nicht, in Bezug auf das Dokument, dessen Verbreitung verweigert wird, die vom Mitgliedstaat auf der Grundlage der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend gemachten Widerspruchsgründe umfassend zu würdigen. Somit findet die sich aus dem Grundsatz der Transparenz ergebende Pflicht zu einer konkreten und individuellen Prüfung keine Anwendung, wenn sich der Zugangsantrag auf ein aus einem Mitgliedstaat stammendes Dokument nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 bezieht. Eine solche umfassende Würdigung zu verlangen, könnte nämlich dazu führen, dass das befasste Organ nach erfolgter Würdigung das fragliche Dokument ungeachtet des ordnungsgemäß begründeten Widerspruchs des Mitgliedstaats, aus dem dieses Dokument stammt, übermittelt (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Dagegen muss das Organ aufgrund seiner Pflicht zur sorgfältigen Prüfung untersuchen, ob ihm die von dem Mitgliedstaat gegebenen Erklärungen, mit denen er der Verbreitung seiner Dokumente entgegentritt, prima facie begründet erscheinen. Es obliegt dem Organ, zu prüfen, ob die von dem Mitgliedstaat für seinen Widerspruch vorgetragenen Gründe in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls und der anwendbaren Rechtsvorschriften auf den ersten Blick geeignet sind, eine solche Verweigerung zu rechtfertigen, und ob sie es folglich dem Organ ermöglichen, die ihm durch Art. 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 übertragene Verantwortung wahrzunehmen. Es geht darum, den Erlass einer Entscheidung durch das Organ zu vermeiden, die es für nicht vertretbar hält, obwohl es die Stelle ist, die sie erlässt und daher für ihre Rechtmäßigkeit die Verantwortung trägt (vgl. Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Im vorliegenden Fall hat der Rat in Rn. 20 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass Irland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg und die Republik Österreich der Verbreitung einiger der von ihnen verfassten angeforderten Dokumente aus den in den Rn. 21 bis 23 dieser Entscheidung genannten Gründen widersprochen hätten.

78      Insbesondere vertraten einige dieser Mitgliedstaaten zum einen die Auffassung, dass die Verbreitung der von ihnen verfassten Dokumente ihrer Wirtschafts- und Finanzpolitik im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 schaden könnte. Zum anderen waren einige von ihnen der Ansicht, dass eine solche Verbreitung ihre internationalen Beziehungen zu Drittländern im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung beeinträchtigen könnte. Durch diese Verbreitung würde nämlich ihr Standpunkt zu den Interaktionen mit diesen Ländern und die unterschiedliche Behandlung dieser Länder im Vergleich zu den Mitgliedstaaten im Rahmen der Arbeiten der Gruppe „Verhaltenskodex“ offengelegt.

79      Sodann hat der Rat in den Rn. 39 bis 47 der angefochtenen Entscheidung erläutert, dass er die von diesen Mitgliedstaaten angeführten Gründe geprüft habe, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Gründe auf die streitigen Dokumente anwendbar seien. Diese Gründe sind in den Rn. 57 bis 59 und 61 bis 63 des vorliegenden Urteils dargelegt worden.

80      Aus diesen Randnummern der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass der Rat geprüft hat, ob die von Irland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg und der Republik Österreich für ihren Widerspruch gegen die Verbreitung der streitigen Dokumente vorgetragenen Gründe in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls und der anwendbaren Rechtsvorschriften auf den ersten Blick geeignet waren, eine solche Verweigerung zu rechtfertigen. Somit kann der Kläger weder geltend machen, dass der Rat Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht richtig angewandt habe, noch, dass er die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage eines falschen tatsächlichen Rahmens erlassen habe.

81      Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die anderen Mitgliedstaaten der Verbreitung der angeforderten Dokumente nicht widersprochen haben. Zum einen bedeutet dieser Umstand allein nicht, dass der Rat keine Prima-facie-Beurteilung der streitigen Dokumente im Hinblick auf ihren Inhalt und die von den Mitgliedstaaten gegen ihre Verbreitung angeführten Gründe vorgenommen hat. Zum anderen durfte der Rat im Rahmen seiner Prima-facie-Beurteilung und angesichts der verschiedenen Erläuterungen der betreffenden Mitgliedstaaten davon ausgehen, dass die verschiedenen Inhalte der verbreiteten Dokumente und der streitigen Dokumente keine vergleichbare Gefahr einer Beeinträchtigung der durch die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen darstellten.

82      Schließlich ist die in der angefochtenen Entscheidung insoweit angeführte Begründung im Hinblick auf die oben in Rn. 47 genannten Erfordernisse ausreichend, da sie es dem Kläger ermöglicht, den Inhalt und das Ergebnis der vom Rat vorgenommenen Beurteilung in Erfahrung zu bringen, und dem Unionsgericht, die ihm übertragene Kontrolle auszuüben.

83      Insoweit kann der Kläger nicht geltend machen, der Rat hätte erläutern müssen, inwiefern sich die verbreiteten Dokumente von den streitigen Dokumenten unterschieden. Wie sich nämlich aus der oben in Rn. 47 angeführten Rechtsprechung ergibt, war der Rat nicht verpflichtet, in der angefochtenen Entscheidung alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte zu nennen, da die Frage, ob die Begründung dieser Entscheidung den Erfordernissen der Begründungspflicht genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Der durch Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Entscheidungsprozess, der den Rat verpflichtet, jeden Mitgliedstaat, aus dem Dokumente stammen, die Gegenstand eines Zugangsantrags sind, einzeln zu konsultieren, kann naturgemäß zu einer Situation wie der vorliegenden führen, in der bestimmte Mitgliedstaaten der Verbreitung einiger dieser Dokumente widersprechen, während andere dies nicht tun.

84      Nach alledem sind der erste und der zweite Teil des zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten und vierten Teil des zweiten Klagegrundes, mit denen jeweils vorgebracht wird, es bestehe keine Gefahr einer Beeinträchtigung des Schutzes der internationalen Beziehungen und des Schutzes der Finanz, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats, und insoweit sei zumindest die Begründung unzureichend

85      Mit dem dritten und dem vierten Teil des zweiten Klagegrundes macht der Kläger geltend, der Rat habe sich zu Unrecht auf die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt, um der Verbreitung der streitigen Dokumente entgegenzutreten. Außerdem habe er die angefochtene Entscheidung insoweit unzureichend begründet.

–       Zur Vorfrage, ob für die streitigen Dokumente eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelten muss

86      Der Rat macht zunächst geltend, dass für die streitigen Dokumente eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelte, da sie zu den Arbeiten der Gruppe „Verhaltenskodex“ gehörten, die vertraulich bleiben müssten, um die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats zu schützen und die Wirksamkeit dieser Arbeiten zu wahren.

87      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 nach ihrem ersten Erwägungsgrund dem Willen folgt, der in Art. 1 Abs. 2 EUV seinen Ausdruck gefunden hat, wonach dieser Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas darstellt, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

88      Dieses grundlegende Ziel der Union spiegelt sich zum einen in Art. 15 Abs. 1 AEUV wider, der u. a. vorsieht, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit handeln, eines Grundsatzes, der auch in Art. 10 Abs. 3 EUV und Art. 298 Abs. 1 AEUV bekräftigt wird, sowie zum anderen in der Verbürgung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten in Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Zu diesem Zweck sieht Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass diese Verordnung der Öffentlichkeit ein Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane gewähren soll (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Aus Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001, der insoweit eine Ausnahmeregelung enthält, geht hervor, dass dieses Zugangsrecht jedoch bestimmten Schranken aus Gründen des öffentlichen oder privaten Interesses unterliegt (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Da solche Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass ein Organ, eine Einrichtung oder eine sonstige Stelle der Union, bei dem bzw. der der Zugang zu einem Dokument beantragt wurde, wenn es bzw. sie beschließt, diesen Antrag auf der Grundlage einer der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 abzulehnen, grundsätzlich erläutern muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch diese Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, wobei die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung bei vernünftiger Betrachtung absehbar sein muss und nicht rein hypothetisch sein darf (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Der Gerichtshof hat in bestimmten Fallkonstellationen anerkannt, dass es dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union jedoch freisteht, sich hierbei auf allgemeine Vermutungen zu stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

94      Der Zweck solcher Vermutungen besteht somit darin, dem betreffenden Organ bzw. der betreffenden Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union die Möglichkeit zu geben, sich unter Berufung auf solche allgemeinen Erwägungen auf den Standpunkt zu stellen, dass die Verbreitung bestimmter Kategorien von Dokumenten grundsätzlich das Interesse beeinträchtigt, das durch die von ihm geltend gemachte Ausnahme geschützt wird, ohne dass es bzw. sie verpflichtet wäre, jedes der angeforderten Dokumente konkret und individuell zu prüfen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, MSD Animal Health Innovation und Intervet international/EMA, C‑178/18 P, EU:C:2020:24, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95      Bisher hat der Gerichtshof allgemeine Vertraulichkeitsvermutungen für fünf Dokumentenkategorien anerkannt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2024, Validity/Kommission, C‑51/23 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2024:664, Rn. 37), und zwar erstens für in der Verwaltungsakte eines Verfahrens zur Kontrolle staatlicher Beihilfen enthaltene Dokumente (Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 61), zweitens für bei den Unionsgerichten in einem anhängigen Verfahren eingereichte Schriftsätze (Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 94), drittens für den Schriftverkehr zwischen der Kommission und den Anmeldern oder Dritten in einem Verfahren zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Urteile vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, EU:C:2012:393, Rn. 123, und vom 28. Juni 2012, Kommission/Agrofert Holding, C‑477/10 P, EU:C:2012:394, Rn. 64), viertens für Dokumente betreffend das Vorverfahren in einer Vertragsverletzungssache einschließlich des Schriftverkehrs zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat in einem EU-Pilotverfahren (Urteile vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 65, und vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission, C‑562/14 P, EU:C:2017:356, Rn. 51), und fünftens für Dokumente betreffend ein Verfahren nach Art. 101 AEUV (Urteil vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 93).

96      In der Rechtsprechung des Gerichts sind fünf weitere allgemeine Vermutungen der Vertraulichkeit verankert worden, nämlich in Bezug auf erstens die Angebote von Bietern in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Fall eines von einem anderen Bieter gestellten Zugangsantrags (Urteil vom 29. Januar 2013, Cosepuri/EFSA, T‑339/10 und T‑532/10, EU:T:2013:38, Rn. 101), zweitens die der Kommission nach Art. 11 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in [Art. 101 AEUV und Art. 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) von den nationalen Wettbewerbsbehörden übermittelten Dokumente (Urteil vom 12. Mai 2015, Unión de Almacenistas de Hierros de España/Kommission, T‑623/13, EU:T:2015:268, Rn. 64), drittens die in einem vom Europäischen Amt für Personalauswahl (EPSO) durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren gestellten Multiple-Choice-Fragen (Urteil vom 12. November 2015, Alexandrou/Kommission, T‑515/14 P und T‑516/14 P, EU:T:2015:844, Rn. 94), viertens die Dokumente im Zusammenhang mit einer Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (Urteil vom 26. Mai 2016, International Management Group/Kommission, T‑110/15, EU:T:2016:322, Rn. 44), sowie fünftens die Dokumente eines Verfahrens wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung, das eingestellt wurde (Urteil vom 28. März 2017, Deutsche Telekom/Kommission, T‑210/15, EU:T:2017:224, Rn. 44).

97      In allen diesen Fällen betraf die Zugangsverweigerung eine Gesamtheit von Dokumenten, die durch ihre gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Akte in einem anhängigen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren klar abgegrenzt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, Client Earth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Darüber hinaus beruhen allgemeine Vermutungen der Vertraulichkeit auf der Tatsache, dass die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten nicht ohne Berücksichtigung der für den Zugang zu diesen Dokumenten geltenden besonderen Vorschriften ausgelegt werden können, wenn die Dokumente, auf die sich ein Zugangsantrag bezieht, in einen bestimmten Bereich des Unionsrechts fallen. Durch diese allgemeinen Vermutungen kann daher eine kohärente Anwendung rechtlicher Regelungen sichergestellt werden, die unterschiedliche Ziele verfolgen und den Vorrang des einen vor dem anderen nicht ausdrücklich vorsehen (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, Aeris Invest/EZB, T‑827/17, EU:T:2021:660, Rn. 182 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Im Übrigen ist die Anwendung allgemeiner Vermutungen wesentlich durch die zwingende Notwendigkeit bedingt, das ordnungsgemäße Funktionieren der fraglichen Verfahren sicherzustellen und zu gewährleisten, dass deren Zweck nicht beeinträchtigt wird. Daher kann die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung darauf gestützt werden, dass der Zugang zu Dokumenten bestimmter Verfahren mit deren ordnungsgemäßem Ablauf unvereinbar ist und diese Verfahren zu beeinträchtigen droht, wobei davon auszugehen ist, dass die allgemeinen Vermutungen die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens ermöglichen, indem sie die Einflussnahme Dritter beschränken (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2021, Aeris Invest/EZB, T‑827/17, EU:T:2021:660, Rn. 183 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100    Im vorliegenden Fall sind die angeforderten Dokumente nicht durch ihre gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Akte in einem anhängigen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren klar abgegrenzt.

101    Des Weiteren steht fest, dass es keine besonderen Vorschriften für den Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Verhaltenskodex für die Besteuerung gibt.

102    Schließlich kann sich der Rat weder auf Nr. 13 der Schlussfolgerungen des Rates vom 9. März 1998 zur Einsetzung der Gruppe „Verhaltenskodex“ (Unternehmensbesteuerung) (ABl. 1998, C 99, S. 1), oder auf Nr. 17 der Schlussfolgerungen 15148/15 des Rates vom 8. Dezember 2015 zur Zukunft des Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung), noch auf Nr. 15 der Schlussfolgerungen 108/16 des Rates vom 8. März 2016 zum Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung, oder auf die Erwägungsgründe der Schlussfolgerungen 14452/22 des Rates vom 8. November 2022 zur Reform des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung stützen, aus denen hervorgehen soll, dass sämtliche Arbeiten der Gruppe „Verhaltenskodex“ vertraulich sein müssten.

103    Tatsächlich kann die Tragweite der Verpflichtungen, die einem Unionsorgan nach der Verordnung Nr. 1049/2001 in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte obliegen, nicht vom Inhalt von Rechtsakten wie den Schlussfolgerungen des Rates abhängen, die von dem fraglichen Organ selbst erlassen wurden.

104    Unter diesen Umständen ist keine Vermutung der Vertraulichkeit auf die streitigen Dokumente anwendbar.

105    Dieses Ergebnis wird durch das in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument des Rates nicht in Frage gestellt, wonach eine solche Vermutung für die angeforderten Dokumente gelten müsse, weil die Gruppe „Verhaltenskodex“ einen zwischenstaatlichen Charakter habe, da die Besteuerung in der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleibe.

106    Der Rat bleibt nämlich die Erklärung schuldig, inwiefern dieser Umstand allein, insbesondere in Anbetracht der oben in den Rn. 97 und 99 dargelegten Erwägungen, die Einführung einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit rechtfertigen soll.

107    Zudem steht fest, dass der Rat im Besitz der streitigen Dokumente ist. Somit unterliegen diese Dokumente den Grundsätzen, die sich aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergeben, einschließlich derjenigen, die durch die Rechtsprechung der Unionsgerichte für die Anerkennung einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit festgelegt wurden.

108    Nach alledem ist das Vorbringen des Rates, dass für die streitigen Dokumente eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelte, zurückzuweisen.

–       Zur Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die streitigen Dokumente und zur Wahrung der Begründungspflicht

109    Der Rat macht zunächst geltend, die betreffenden Mitgliedstaaten hätten im Rahmen des in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Verfahrens dargetan, dass die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich dieser Verordnung auf die streitigen Dokumente anwendbar seien. Er könne insoweit die Analyse der Mitgliedstaaten nicht durch seine eigene ersetzen. Außerdem verfüge er bei der Feststellung, dass eine Verbreitung der Dokumente die durch diese Ausnahmen geschützten öffentlichen Interessen beeinträchtigen könnte, über ein weites Ermessen.

110    Was sodann speziell die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen betreffe, gehe aus den Rn. 39 bis 42 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die streitigen Dokumente sensible Steuerfragen in Bezug auf Drittländer, erwartete Entwicklungen auf internationaler Ebene und in internationalen Foren sowie künftige Änderungen des Verhaltenskodex für die Besteuerung beträfen. Die Verbreitung solcher Informationen stelle eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr für die Entwicklung der internationalen Beziehungen zu Drittländern dar. Diese Gefahr sei umso größer, als bestimmte Steuerregelungen von Drittländern dort negativ erwähnt würden.

111    Schließlich stelle die Verbreitung der streitigen Dokumente eine konkrete und nicht rein hypothetische Gefahr für die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats dar, da diese Dokumente die Äußerungen der Mitgliedstaaten zur Überarbeitung des Verhaltenskodex für die Besteuerung zusammenfassten, der ein Schlüsselinstrument bei der Förderung eines gesunden und fairen Steuerwettbewerbs und der Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken sei. Zum einen sei es im Interesse der Schaffung eines stabilen Regelungsrahmens für die Unternehmen erforderlich, bestimmte künftige Maßnahmen, die zur Erreichung der Ziele des Verhaltenskodex für die Besteuerung erlassen werden könnten, nicht zu veröffentlichen. Zum anderen seien bestimmte Maßnahmen, die im Rahmen der Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken geplant seien, vertraulich zu behandeln, um Anpassungsstrategien der Wirtschaftsteilnehmer zu verhindern.

112    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass, wenn sich ein Mitgliedstaat auf Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 beruft und in den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels angeführte Verweigerungsgründe geltend macht, es Sache der Unionsgerichte ist, auf Antrag des Betroffenen, dem das mit der Sache befasste Organ den Zugang verweigert hat, zu prüfen, ob die Verweigerung wirksam auf diese Ausnahmen gestützt werden konnte, was unabhängig davon gilt, ob sie auf die Beurteilung der Ausnahmen durch das Organ selbst oder durch den betreffenden Mitgliedstaat zurückzuführen ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 2012, IFAW Internationaler Tierschutz-Fonds/Kommission, C‑135/11 P, EU:C:2012:376, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 24. Januar 2024, Veritas/Kommission, T‑602/22, EU:T:2024:26, Rn. 52).

113    Die Garantie eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für den Antragsteller, dem das befasste Organ den Zugang zu einem oder mehreren Dokumenten, die aus einem Mitgliedstaat stammen, infolge des Widerspruchs dieses Mitgliedstaats verweigert, bedeutet, dass die Unionsgerichte die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Zugangs konkret beurteilen, und zwar anhand aller zweckdienlichen Gesichtspunkte, allen voran der Dokumente, deren Verbreitung verweigert wird (vgl. Urteil vom 21. Juni 2012, IFAW Internationaler Tierschutz-Fonds/Kommission, C‑135/11 P, EU:C:2012:376, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Was die Tragweite der betreffenden Ausnahmen betrifft, ist festzustellen, dass nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die internationalen Beziehungen beeinträchtigt würde.

115    Ebenso verweigern die Organe nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats beeinträchtigt würde.

116    Da die von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen besonders sensibel und wesentlich sind, weist die von dem Organ zu treffende Entscheidung einen komplexen und diffizilen Charakter auf, der ganz besondere Vorsicht erforderlich macht (Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 35, und vom 7. Februar 2018, Access Info Europe/Kommission, T‑851/16, EU:T:2018:69, Rn. 38).

117    Dies gilt umso mehr, als die in Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen insoweit zwingend formuliert sind, als die Organe den Zugang zu den unter diese zwingenden Ausnahmen fallenden Dokumenten verweigern müssen, wenn der Nachweis der in ihnen bezeichneten Umstände erbracht ist, ohne dass es erforderlich wäre, den Schutz des öffentlichen Interesses gegen ein höherrangiges Allgemeininteresse abzuwägen (vgl. Urteil vom 7. Februar 2018, Access Info Europe/Kommission, T‑851/16, EU:T:2018:69, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118    Darüber hinaus sind die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Kriterien sehr allgemein, da der Zugang, wie es dort heißt, verweigert werden muss, wenn durch die Verbreitung des betreffenden Dokuments der Schutz des betreffenden „öffentlichen Interesses“ „beeinträchtigt“ würde, und nicht nur dann, wenn, wie im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass dieser Verordnung geführt hat, vorgeschlagen worden war, eine „erhebliche“ Beeinträchtigung dieses Schutzes tatsächlich festgestellt wird (Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 36, und vom 7. Februar 2018, Access Info Europe/Kommission, T‑851/16, EU:T:2018:69, Rn. 39).

119    Daher widerspricht es dem Grundsatz der engen Auslegung der in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmeregelungen – wie in Rn. 91 des vorliegenden Urteils dargelegt – nicht, dass das betreffende Organ im Rahmen der in Abs. 1 Buchst. a dieses Artikels im Hinblick auf das öffentliche Interesse vorgesehenen Ausnahmeregelungen bei der Feststellung, ob die Verbreitung von Dokumenten die von dieser Bestimmung geschützten Interessen beeinträchtigen könnte, über ein weites Ermessen verfügt. Daher ist die vom Gericht ausgeübte Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der das Organ aufgrund einer dieser Ausnahmeregelungen den Zugang zu einem Dokument verweigert, auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrensregeln und die Bestimmungen über die Begründung eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 64, und vom 7. Februar 2018, Access Info Europe/Kommission, T‑851/16, EU:T:2018:69, Rn. 40).

120    Im vorliegenden Fall hat sich der Rat auf die in den Rn. 39 bis 41 und 43 bis 45 der angefochtenen Entscheidung genannten Gründe gestützt, deren Inhalt in den Rn. 57 bis 59 und 61 bis 63 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, um seine Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten unter Berufung auf die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu rechtfertigen.

121    Nach der oben in den Rn. 112 und 113 angeführten Rechtsprechung hat das Gericht somit zu prüfen, ob diese Verweigerung angesichts des Inhalts der streitigen Dokumente wirksam auf diese Gründe gestützt werden konnte.

122    Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass zwei der streitigen Dokumente offensichtlich nichts enthalten, was unter diese Ausnahmen in dem vom Rat behaupteten Sinne fallen könnte.

123    Erstens beschränkt sich die Italienische Republik in ihrer E‑Mail vom 23. November 2021 auf den Hinweis, dass sie ihre Vorbehalte gegen den letzten Entwurf des neuen Verhaltenskodex für die Besteuerung zurückziehe, ohne anzugeben, worin diese Vorbehalte bestanden.

124    Zweitens beschränkt sich die Republik Österreich in ihrer E‑Mail vom 15. Oktober 2021 darauf, zwei redaktionelle Anmerkungen zu bestimmten Absätzen des Entwurfs des neuen Verhaltenskodex für die Besteuerung zu übermitteln. Mit der ersten Anmerkung weist die Republik Österreich auf einen bloßen Schreibfehler hin. Mit der zweiten schlägt sie vor, einen Satz zu streichen oder zu ändern, da er unzutreffend sei, weil er die Möglichkeit vorsehe, die Steuerbemessungsgrundlage eines Unternehmens zu reduzieren, das mangels Steueransässigkeit nicht steuerpflichtig sei.

125    Aus dem Inhalt der oben in den Rn. 123 und 124 genannten E‑Mails ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Erwägungen angestellt worden wären, die unter die fraglichen Ausnahmen in dem vom Rat behaupteten Sinne fallen könnten. Unter diesen Umständen hätte der Rat einen vollständigen Zugang zu den E‑Mails der Italienischen Republik vom 23. November 2021 und der Republik Österreich vom 15. Oktober 2021 gewähren müssen.

126    Als Zweites ist festzustellen, dass die Republik Litauen in dem unkenntlich gemachten Teil der am 24. November 2021 versendeten E‑Mail Anmerkungen zur Richtigkeit einer Tabelle macht, die eine Beschreibung der in diesem Mitgliedstaat geltenden steuerlichen Abwehrmaßnahmen enthält.

127    Wie der Rat jedoch in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts und prozessleitende Maßnahmen vom 31. März 2025 eingeräumt hat, wurde die betreffende Tabelle in mindestens einem vor Erlass der angefochtenen Entscheidung auf der Website des Rates veröffentlichten Dokument öffentlich bekannt gemacht, nämlich auf S. 42 des Berichts 14230/21 des Rates vom 26. November 2021 zur Gruppe „Verhaltenskodex“ (Unternehmensbesteuerung).

128    Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass die Verbreitung eines Dokuments, dessen wesentlicher Inhalt bereits öffentlich bekannt gemacht worden ist, nicht geeignet ist, den durch Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen einen bei vernünftiger Betrachtung absehbaren und nicht rein hypothetischen Schaden zuzufügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2014, Rat/in’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 60).

129    Unter diesen Umständen ist die Verbreitung des unkenntlich gemachten Teils der E‑Mail der Republik Litauen vom 24. November 2021 offensichtlich nicht geeignet, die internationalen Beziehungen oder die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder dieses Mitgliedstaates zu beeinträchtigen.

130    Daraus folgt, dass der Rat einen vollständigen Zugang zu der am 24. November 2021 von der Republik Litauen versendeten E‑Mail hätte gewähren müssen.

131    Was als Drittes die anderen streitigen Dokumente als die oben in den Rn. 125 und 130 genannten betrifft, ergibt sich sowohl aus den Erläuterungen des Rates in den Rn. 39 bis 41 und 43 bis 45 der angefochtenen Entscheidung als auch aus der Prüfung des Inhalts der streitigen Dokumente in ihrer dem Gericht übermittelten Fassung, wie Anlage B.1 zum Schreiben des Rates vom 21. November 2024, das in Durchführung des Beschlusses vom 6. November 2024 über Maßnahmen zur Beweisaufnahme eingereicht worden ist (im Folgenden: übermittelte streitige Dokumente), dass diese Dokumente mehrere Passagen enthalten, deren Verbreitung eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr für die durch die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen darstellen würde.

132    Was das öffentliche Interesse am Schutz der internationalen Beziehungen betrifft, so enthalten diese Passagen sensible Bemerkungen über die Steuerregelungen von Drittstaaten und wie diese Regelungen zu behandeln sind, sie erwähnen die Möglichkeit von Änderungen der Tragweite des Mandats der Gruppe „Verhaltenskodex“ bei bestimmten Entwicklungen und Verhandlungen auf internationaler Ebene und sie enthalten individuelle Anmerkungen und Standpunkte der betroffenen Mitgliedstaaten, die nicht unbedingt mit dem endgültigen Standpunkt des Rates vereinbar sind. Die Verbreitung dieser Passagen könnte daher die gute Gestaltung der internationalen Beziehungen zu Drittländern beeinträchtigen, den Verhandlungsprozess in internationalen Foren beeinträchtigen und die Position der Union gegenüber Drittländern oder internationalen Organisationen schwächen.

133    Diese Erwägungen beziehen sich beispielsweise auf die folgenden Passagen der streitigen Dokumente:

–        die Passage auf S. 7, fünfter und sechster Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „While [Member State]“ beginnt und mit den Worten „the provisions of the Code“ endet,

–        die Passage auf S. 15, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] is supportive“ beginnt und mit dem Wort „work“ endet,

–        die Passage auf S. 30, fünfter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Broadly, we are“ beginnt und mit den Worten „our interests“ endet,

–        die Passage auf S. 42 der übermittelten streitigen Dokumente, im dritten Rahmen, die mit den Worten „We propose these“ beginnt und mit den Worten „effective taxation“ endet,

–        die Passage auf S. 44, zweiter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Indeed, as expressed“ beginnt und mit dem Wort „clarified“ endet,

–        die Passage auf S. 52, fünfter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit dem Wort „REITERATES“ beginnt und mit den Worten „beginning of 2022“ endet,

–        die Passage auf S. 63, fünfter bis siebter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „All delegations“ beginnt und mit den Worten „mandate of the Code of Conduct“ endet, und

–        die Passage auf S. 66, dritter und vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „While we are“ beginnt und mit den Worten „are finalised“ endet.

134    Ebenso enthalten die streitigen Dokumente in Bezug auf die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats mehrere Passagen, die sich auf Maßnahmen beziehen, die sicherstellen sollen, dass die Gruppe „Verhaltenskodex“ auch in Zukunft wirksam zur Förderung eines fairen Steuerwettbewerbs und zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken beitragen kann, und enthalten bestimmte Kommentare, die sich im endgültigen Standpunkt des Rates nicht unbedingt widerspiegeln. Somit kann die Verbreitung dieser Passagen bestimmte sensible Aspekte der Politik dieser Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern, der in ihre ausschließliche Zuständigkeit fällt, offenbaren und ein instabiles Regelungsumfeld schaffen, was wiederum bei den Wirtschaftsteilnehmern bestimmte Verhaltensweisen auslösen könnte, die sich negativ auf die Finanz‑, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten auswirken könnten.

135    Diese Erwägungen beziehen sich beispielsweise auf die folgenden Passagen der streitigen Dokumente:

–        die Passage auf S. 3, zehnter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Further to this“ beginnt und mit den Worten „tax rates“ endet,

–        die Passage auf S. 7, achter bis elfter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] does not agree“ beginnt und mit den Worten „in the document“ endet,

–        die Passage auf S. 18, Abschnitt „[Member State] Comments“, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] welcomes“ beginnt und mit dem Wort „specifically“ endet,

–        die Passage auf S. 22, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „There is a concern“ beginnt und mit den Worten „this suggestion“ endet,

–        die Passage auf S. 25, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] has participated“ beginnt und mit dem Wort „formation“ endet,

–        die Passage auf S. 51, erster Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „We have“ beginnt und mit den Worten „Code of conduct“ endet,

–        die Passage auf S. 55, vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Considering the latest“ beginnt und mit den Worten „include it formally“ endet,

–        die Passage auf S. 70, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „We also take note“ beginnt und mit den Worten „in terms of … the Commission“ endet, und

–        die Passage auf S. 72, fünfter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Concerning paragraph“ beginnt und mit den Worten „business activities“ endet.

136    Aus dem Vorstehenden und insbesondere aus dem Inhalt der oben in den Rn. 133 und 135 beispielhaft aufgeführten Passagen ergibt sich, dass der Rat in Anbetracht der oben in den Rn. 116 bis 119 angeführten Rechtsprechungsgrundsätze berechtigt war, auf der Grundlage der Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 der Verbreitung der streitigen Dokumente mit Ausnahme der oben in den Rn. 125 und 130 genannten Dokumente zu widersprechen.

137    Schließlich enthalten die Rn. 39 bis 41 und 43 bis 45 der angefochtenen Entscheidung eine hinreichend klare Begründung, die es dem Kläger ermöglicht, die Gründe in Erfahrung zu bringen, aus denen der Rat der Ansicht war, dass der Zugang zu den streitigen Dokumenten die durch die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen beeinträchtigen könnte. Diese Gründe ermöglichen es auch dem Gericht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Unter diesen Umständen kann der Kläger nicht geltend machen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit unzureichend begründet sei.

138    Nach alledem ist dem dritten und dem vierten Teil des zweiten Klagegrundes in Bezug auf die drei oben in den Rn. 125 und 130 genannten streitigen Dokumente stattzugeben. Dagegen sind sie in Bezug auf die anderen streitigen Dokumente zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Der Rat hätte einen teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten gewähren müssen, zu denen der Zugang vollständig verweigert worden sei, und insoweit sei zumindest die Begründung unzureichend

139    Mit seinem dritten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Rat hätte zumindest einen teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten gewähren müssen. Außerdem habe er seine Entscheidung insoweit unzureichend begründet.

140    Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen und stützt sich dabei im Wesentlichen auf die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe.

141    Außerdem hat der Rat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass, selbst wenn man annähme, dass es in den streitigen Dokumenten Passagen gebe, die nicht unter die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, die Verbreitung dieser Passagen für den Kläger nicht von Nutzen wäre.

142    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001, wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen nach Art. 4 dieser Verordnung unterliegen, die übrigen Teile des Dokuments freigegeben werden.

143    Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 selbst ergibt sich, dass ein Organ zu prüfen hat, ob zu Dokumenten, die Gegenstand eines Zugangsantrags sind, ein teilweiser Zugang in der Form zu gewähren ist, dass eine Zugangsverweigerung auf die Angaben beschränkt wird, die von den betreffenden Ausnahmen gedeckt sind. Das Organ hat einen solchen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn das von ihm mit der Verweigerung des Zugangs zum Dokument verfolgte Ziel dadurch erreicht werden kann, dass sich das Organ darauf beschränkt, die Stellen unkenntlich zu machen, die das geschützte öffentliche Interesse beeinträchtigen können (vgl. Urteil vom 24. April 2024, Naass und Sea-Watch/Frontex, T‑205/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:266, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

144    Im vorliegenden Fall hat der Rat in den Rn. 48 und 49 der angefochtenen Entscheidung die Möglichkeit ausgeschlossen, einen teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten – mit Ausnahme der E‑Mail der Republik Litauen vom 24. November 2021 – zu gewähren, da er der Ansicht war, dass es unmöglich sei, bedeutende Teile dieser Dokumente zu ermitteln, die nicht von den betreffenden Ausnahmen gedeckt seien und problemlos vom Rest dieser Dokumente getrennt werden könnten.

145    Aus der Prüfung der streitigen Dokumente ergibt sich, dass jedes von ihnen – mit Ausnahme der oben in den Rn. 125 und 130 genannten Dokumente, zu denen ein vollständiger Zugang hätte gewährt werden müssen – Passagen enthält, die unter Beachtung der oben in den Rn. 112 bis 119 angeführten Rechtsprechungsgrundsätze offensichtlich nicht von den Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gedeckt sind.

146    Diese Passagen enthalten nämlich u. a. allgemeine Bemerkungen zu den Gründen für die Überarbeitung des Verhaltenskodex für die Besteuerung sowie zu dem dafür geeigneten Zeitpunkt, sowie redaktionelle Anmerkungen zu bestimmten Teilen des Entwurfs des neuen Verhaltenskodex für die Besteuerung oder der entsprechenden Entschließung, wobei sich diese Anmerkungen nicht auf die vom Rat in den Rn. 39 bis 41 und 43 bis 45 der angefochtenen Entscheidung angeführten Themen oder allgemeine Fragen zur praktischen Umsetzung des Entwurfs des neuen Verhaltenskodex für die Besteuerung beziehen. Sie enthalten auch Höflichkeiten, die zwischen den verschiedenen Akteuren, die an der Überarbeitung des Verhaltenskodex für die Besteuerung beteiligt waren, ausgetauscht wurden, sowie Vorschläge, zusätzliche Besprechungen abzuhalten. Die Verbreitung solcher Passagen ist offensichtlich nicht geeignet, eine bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr für die durch die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen darzustellen.

147    Zudem können diese Passagen problemlos vom restlichen Inhalt der betreffenden Dokumente getrennt werden.

148    Diese Erwägungen gelten insbesondere für die folgenden Passagen:

–        die Passage auf S. 3, zweiter bis vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] is open“ beginnt und mit den Worten „that agreed objective“ endet,

–        die Passage auf S. 7, dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „In many places“ beginnt und mit den Worten „concerns below“ endet,

–        die Passage auf S. 11, erster Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Thank you“ beginnt und mit einer Zahl endet,

–        die Passage auf S. 15, vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „What would be“ beginnt und mit den Worten „is required“ endet,

–        die Passage am Anfang von S. 18 der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Dear Colleagues“ beginnt und mit dem Wort „Regards“ endet,

–        die Passage auf S. 23, letzter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Overall, we“ beginnt und mit dem Wort „subsidiarity“ endet,

–        die Passage auf S. 25, erster Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „As noted“ beginnt und mit den Worten „in practise“ endet,

–        die Passage auf S. 30, erster bis vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] remains“ beginnt und mit den Worten „questions for us“ endet,

–        die Passage auf S. 32 der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Please find“ beginnt und mit dem Wort „conduct“ endet,

–        die Passage auf S. 44, zweiter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „I’m writing“ beginnt und mit dem Wort „report“ endet,

–        die Passage auf S. 49, erster bis vierter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „[Member State] welcomes“ beginnt und mit dem Wort „references“ endet, sowie die Passage vom sechsten Absatz auf S. 49 bis zum achten Absatz auf S. 50 dieser Dokumente, die mit den Worten „Noting the Commission“ beginnt und mit den Worten „digitalised economic environment“ endet,

–        die Passage auf S. 52, erster bis dritter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Dear all“ beginnt und mit den Worten „better clarified“ endet,

–        die Passage auf S. 55, siebter bis neunter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Moreover, we have“ beginnt und mit den Worten „the discussion“ endet,

–        die Passage auf S. 63, letzter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit dem Wort „Finally“ beginnt und mit den Worten „to achieve“ endet,

–        die Passage auf S. 66, fünfter und sechster Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „In addition“ beginnt und mit dem Wort „observations“ endet,

–        die Passage auf S. 69, letzter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Concerning paragraph“ beginnt und mit den Worten „document WK 11708/2021“ endet, und

–        die Passage auf S. 72, letzter Absatz, der übermittelten streitigen Dokumente, die mit den Worten „Concerning paragraph“ beginnt und mit den Worten „document WK 11708/2021“ endet.

149    Außerdem wird im vierten Absatz von S. 8 der streitigen Dokumente auf ein Dokument Bezug genommen, das bereits vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung auf der Website des Rates öffentlich bekannt gemacht worden war, nämlich die Schlussfolgerungen 15429/17 des Rates vom 5. Dezember 2017 zur Unionsliste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke, deren Inhalt teilweise in diesem Absatz wiedergegeben ist, was der Rat in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts und auf prozessleitende Maßnahmen vom 31. März 2025 eingeräumt hat. Gemäß der oben in Rn. 128 angeführten Rechtsprechung würde die Verbreitung dieser Passage offensichtlich nicht die durch die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Interessen beeinträchtigen.

150    Soweit der Rat schließlich geltend macht, die Verbreitung der oben in den Rn. 146 bis 149 genannten Passagen wäre für den Kläger nicht von Nutzen, ist festzustellen, dass – selbst wenn dieses erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument zulässig wäre – Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 ebenso wie diese Verordnung insgesamt nicht verlangt, dass der Antragsteller nachweist, dass das Dokument, um dessen Verbreitung ersucht wird, für ihn „von Nutzen“ ist. Es ist nämlich nicht Sache des mit einem Zugangsantrag befassten Organs, die Nützlichkeit des Dokuments für den Antragsteller zu beurteilen. Dies gilt umso mehr, als Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er es dem betreffenden Organ erlaubt, sich einer in dieser Vorschrift ausdrücklich vorgesehenen Verpflichtung, nämlich der Verpflichtung zur Verbreitung von Teilen des angeforderten Dokuments, zu entziehen, obwohl eine solche Befreiung nicht zu den in dieser Verordnung abschließend aufgezählten Ausnahmen gehört (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2024, Naass und Sea-Watch/Frontex, T‑205/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:266, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

151    Nach alledem ist festzustellen, dass dem Rat ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, als er die Auffassung vertreten hat, dass kein teilweiser Zugang zu den streitigen Dokumenten gewährt werden könne, mit Ausnahme der oben in den Rn. 125 und 130 genannten Dokumente, zu denen jedenfalls ein vollständiger Zugang hätte gewährt werden müssen. Dem dritten Klagegrund ist daher stattzugeben.

152    Unter diesen Umständen braucht über das übrige Vorbringen zur Stützung des dritten Klagegrundes, mit dem ein Begründungsmangel gerügt wird, nicht entschieden zu werden, da es hilfsweise geltend gemacht wurde.

 Zum fünften Teil des zweiten Klagegrundes: Ermessensmissbrauch

153    Der Kläger trägt vor, der Rat habe sein Ermessen missbraucht. Die Art und Weise, wie der Rat den Zugangsantrag behandelt habe, seine kategorische Weigerung, Zugang zu den streitigen Dokumenten von vier Mitgliedstaaten zu gewähren, und die beschränkte Begründung, die das Organ insoweit gegeben habe, vermittelten das Gefühl, dass „versteckte Interessen“ auf dem Spiel stünden. Dieser Eindruck werde dadurch verstärkt, dass einige Mitgliedstaaten in der Vergangenheit hätten verhindern wollen, dass die Öffentlichkeit erfahre, dass sie sich gegen Maßnahmen zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs und der Steuerumgehung ausgesprochen hätten.

154    Der Rat tritt diesem Vorbringen entgegen.

155    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Rechtshandlung nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen Zwecken als denen, zu denen die betreffende Befugnis eingeräumt wurde, oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das die Verträge speziell vorsehen, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 24; vgl. auch Urteil vom 16. April 2013, Spanien und Italien/Rat, C‑274/11 und C‑295/11, EU:C:2013:240, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

156    Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Kläger darauf, auf ein „Gefühl“ zu verweisen, dass „versteckte Interessen“ eine Rolle bei der Weigerung des Rates gespielt hätten, Zugang zu den streitigen Dokumenten zu gewähren, ohne jedoch objektive, schlüssige und übereinstimmende Indizien zur Stützung dieser Behauptung vorzulegen.

157    Unter diesen Umständen ist der fünfte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Ergebnis

158    Nach alledem ist dem dritten und dem vierten Teil des zweiten Klagegrundes insoweit stattzugeben, als die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht für die von der Italienischen Republik am 23. November 2021 und der Republik Österreich am 15. Oktober 2021 versendeten E‑Mails und den unkenntlich gemachten Teil der von der Republik Litauen am 24. November 2021 versendeten E‑Mail gelten. Ebenso ist dem dritten Klagegrund insoweit stattzugeben, als der Rat die Möglichkeit ausgeschlossen hat, teilweisen Zugang zu den übrigen streitigen Dokumenten zu gewähren.

159    Folglich ist die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären.

160    Es steht dem Gericht allerdings nicht zu, sich an die Stelle des Rates zu setzen und alle Teile der streitigen Dokumente anzugeben, zu denen ein teilweiser Zugang hätte gewährt werden müssen, denn der Rat muss bei der Durchführung des vorliegenden Urteils gemäß Art. 266 AEUV die dort angeführten Gründe berücksichtigen (vgl. Urteil vom 4. Mai 2012, In ‘t Veld/Rat, T‑529/09, EU:T:2012:215, Rn. 124).

161    Insoweit ist hervorzuheben, dass die oben in den Rn. 148 und 149 angeführten Passagen der streitigen Dokumente nur Beispiele für Passagen darstellen, die offensichtlich nicht von den Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gedeckt sind, da der Rat, gegebenenfalls nachdem er die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 5 dieser Verordnung konsultiert hat, verpflichtet ist, alle nicht von diesen Ausnahmen gedeckten Passagen zu ermitteln.

162    Schließlich ist die Klage im Übrigen abzuweisen.

 Kosten

163    Unterliegen mehrere Parteien, so entscheidet das Gericht nach Art. 134 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung über die Verteilung der Kosten.

164    Da im vorliegenden Fall jede Partei teilweise unterlegen ist, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung SGS 24/00008 des Rates der Europäischen Union vom 7. März 2024 wird insoweit für nichtig erklärt, als der Rat erstens den Zugang zu den von der Italienischen Republik am 23. November 2021 und von der Republik Österreich am 15. Oktober 2021 versendeten EMails verweigert hat, zweitens einen weiter gehenden Zugang zu der von der Republik Litauen am 24. November 2021 versendeten EMail verweigert hat und drittens die Möglichkeit ausgeschlossen hat, einen teilweisen Zugang zu den übrigen in Rn. 33 dieser Entscheidung genannten Dokumenten zu gewähren, nämlich zu den von Irland am 16. Oktober, 22. Oktober und 16. November 2020 sowie am 19. Februar, 2. August, 19. Oktober, 21. Oktober und 3. November 2021, von der Französischen Republik am 22. Oktober und 16. November 2020, von der Italienischen Republik am 22. Oktober und 16. November 2020 sowie am 6. August 2021 und vom Großherzogtum Luxemburg am 26. Oktober 2020 sowie am 4. August, 19. Oktober und 2. November 2021 versendeten EMails.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Der Rat und Herr Martijn Frederik Nouwen tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Kornezov

Petrlík

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. September 2025.

Unterschriften

Inhalt

Vorgeschichte des Rechtsstreits und Ereignisse nach Klageerhebung

Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zum ersten Klagegrund: unvollständige bzw. nachlässige Durchführung des Zugangsantrags sowie insoweit zumindest unzureichende Begründung

Zur ersten Rüge: unvollständige bzw. nachlässige Durchführung des Zugangsantrags

Zur zweiten Rüge: unzureichende Begründung der zur Beantwortung des Zugangsantrags verwendeten Suchmethode

Zum ersten bis vierten Teil des zweiten Klagegrundes: rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten und insoweit zumindest eine unzureichende Begründung

Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, der Rat habe die von den Mitgliedstaaten gegen die Verbreitung der angeforderten Dokumente angeführten Gründe falsch beurteilt und insoweit eine unzureichende Begründung angeführt, sowie zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem eine Fehlerhaftigkeit des tatsächlichen Rahmens, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht, und eine insoweit unzureichende Begründung gerügt wird

Zum dritten und vierten Teil des zweiten Klagegrundes, mit denen jeweils vorgebracht wird, es bestehe keine Gefahr einer Beeinträchtigung des Schutzes der internationalen Beziehungen und des Schutzes der Finanz , Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Union oder eines Mitgliedstaats, und insoweit sei zumindest die Begründung unzureichend

– Zur Vorfrage, ob für die streitigen Dokumente eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gelten muss

– Zur Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 auf die streitigen Dokumente und zur Wahrung der Begründungspflicht

Zum dritten Klagegrund: Der Rat hätte einen teilweisen Zugang zu den streitigen Dokumenten gewähren müssen, zu denen der Zugang vollständig verweigert worden sei, und insoweit sei zumindest die Begründung unzureichend

Zum fünften Teil des zweiten Klagegrundes: Ermessensmissbrauch

Ergebnis

Kosten



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