T-250/24 – Serana Europe/ EUIPO – Cytogen Produkte für Medizin + Forschung (Lymphogrow)

T-250/24 – Serana Europe/ EUIPO – Cytogen Produkte für Medizin + Forschung (Lymphogrow)

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Language of document : ECLI:EU:T:2025:427

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

30. April 2025(*)

„ Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke Lymphogrow – Ältere nicht eingetragene Zeichen Lymphogrow – Relatives Eintragungshindernis – Benutzung eines Kennzeichenrechts im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung – Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2017/1001 “

In der Rechtssache T‑250/24,

Serana Europe GmbH mit Sitz in Pessin (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Bösling und Rechtsanwältin I. George,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Stoyanova-Valchanova als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Cytogen Produkte für Medizin + Forschung GmbH mit Sitz in Greven (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Röhl, J. Haßold und P. Richnow,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov (Berichterstatter) sowie des Richters K. Kecsmár und der Richterin S. Kingston,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach der Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Klägerin, die Serana Europe GmbH, die Aufhebung und Abänderung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 12. März 2024 (Sache R 1707/2023‑2) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 28. September 2021 meldete die Klägerin, Serana Europe, beim EUIPO das Wortzeichen Lymphogrow als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 1 und 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 1: „Zytogenetische Medien für industrielle Zwecke; zytogenetische Medien für wissenschaftliche Zwecke; zytogenetische Medien für technische Zwecke“.

–        Klasse 5: „Zytogenetische Medien für medizinische Zwecke; zytogenetische Medien für veterinärmedizinische Zwecke; zytogenetische Medien für pharmazeutische Zwecke“.

4        Am 25. Januar 2022 legte die Streithelferin, die Cytogen Produkte für Medizin + Forschung GmbH, Widerspruch gegen die Eintragung der Anmeldemarke für die oben in Rn. 3 angeführten Waren ein.

5        Der Widerspruch wurde auf die älteren nicht eingetragenen Zeichen Lymphogrow gestützt, die in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Deutschland und Österreich im Wesentlichen für Nährmedien für humangenetische In-vitro-Diagnostik, humangenetische In-vitro-Diagnostika, zytogenetische Medien, zytogenetische Medien für medizinische und pharmazeutische Zwecke und zytogenetische Medien für wissenschaftliche Zwecke geschützt sind.

6        Als Widerspruchsgrund wurde u. a. Art. 8 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) angeführt.

7        Am 20. Juni 2023 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die von der Streithelferin vorgelegten Beweise nicht ausreichten, um nachzuweisen, dass die älteren Zeichen für die Waren, auf die sich der Widerspruch stütze, vor dem maßgeblichen Zeitpunkt und in den betreffenden Gebieten im geschäftlichen Verkehr benutzt worden seien und mehr als lediglich örtliche Bedeutung hätten.

8        Am 9. August 2023 legte die Streithelferin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung Beschwerde ein.

9        Mit der angefochtenen Entscheidung hob die Beschwerdekammer die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und verwies die Sache zur weiteren Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 an diese zurück.

II.    Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Widerspruch gegen die Anmeldemarke zurückgewiesen wird und die Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO der Streithelferin auferlegt werden;

–        hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

11      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

12      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

13      Die Klägerin macht einen einzigen Klagegrund geltend, der auf einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 und Art. 71 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 gestützt wird.

14      Nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 kann der Inhaber eines anderen Kennzeichenrechts als einer eingetragenen Marke der Eintragung einer Unionsmarke widersprechen, wenn dieses Kennzeichenrecht kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt: Es muss im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, es muss von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, es muss nach den Rechtsvorschriften der Union oder nach dem Recht des Mitgliedstaats erworben worden sein, in dem das Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke benutzt wurde, und schließlich muss dieses Zeichen seinem Inhaber die Befugnis verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (Urteil vom 31. Januar 2024, Simpson Performance Products/EUIPO – Freundlieb [BANDIT], T‑173/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:49, Rn. 17).

15      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die ersten beiden in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Voraussetzungen zusammen geprüft, nämlich die Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr und die der mehr als lediglich örtlichen Bedeutung. Die Klägerin beanstandet die Beurteilung der Beschwerdekammer insgesamt.

16      Zur Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Zeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird, wenn seine Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit, nämlich der Eroberung neuer Absatzmärkte, und nicht im privaten Bereich erfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 142 und 152, sowie vom 10. Januar 2024, Levantur/EUIPO – Fantasia Hotels & Resorts [LUXURY BAHIA PRINCIPE FANTASIA Don Pablo Collection], T‑505/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:3, Rn. 52).

17      In diesem Zusammenhang muss die Wendung „im geschäftlichen Verkehr benutzt“ in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 dahin ausgelegt werden, dass sie im Wesentlichen bedeutet, dass das Zeichen nur kommerziell benutzt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 144).

18      Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 stellt im Übrigen nicht auf eine „ernsthafte“ Benutzung des Zeichens im Sinne von Art. 47 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung ab, und dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich nichts dafür entnehmen, dass das Erfordernis des Nachweises der ernsthaften Benutzung auf ein solches Zeichen anwendbar wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 143, und vom 10. Januar 2024, LUXURY BAHIA PRINCIPE FANTASIA Don Pablo Collection, T‑505/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:3, Rn. 51).

19      Was die Voraussetzung der mehr als lediglich örtlichen Bedeutung betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass das für den Widerspruch geltend gemachte Zeichen, um die Eintragung eines neuen Zeichens auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 verhindern zu können, tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt werden und eine mehr als lediglich örtliche geografische Schutzausdehnung haben muss, was bedeutet, dass, wenn das Schutzgebiet dieses Zeichens als nicht örtlich angesehen werden kann, die Benutzung in einem bedeutsamen Teil dieses Gebiets erfolgen muss (Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 159).

20      Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind die Dauer und die Intensität der Benutzung des Zeichens als unterscheidendes Element für seine Adressaten zu berücksichtigen, bei denen es sich sowohl um Käufer und Verbraucher als auch um Lieferanten und Wettbewerber handelt. In dieser Hinsicht sind insbesondere Benutzungen dieses Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Korrespondenz erheblich (Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 160).

21      Insbesondere hat ein Zeichen eine nicht lediglich örtliche Bedeutung, wenn sich seine Wirkung nicht auf einen geringen Teil des Gebiets beschränkt, in dem es nach dem anwendbaren nationalen Recht geschützt ist, und wenn es in einer Weise benutzt worden ist, deren Dauer und Intensität unter den Umständen des Einzelfalls nicht unerheblich sind (Urteil vom 15. Mai 2017, Morton’s of Chicago/EUIPO – Mortons the Restaurant [MORTON’S], T‑223/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:333, Rn. 61; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 158 bis 160).

22      Schließlich muss die Benutzung des Zeichens von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im geschäftlichen Verkehr vor dem Tag der Anmeldung der Marke erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 164 bis 169).

23      Da hier der Tag der Anmeldung der Anmeldemarke der 28. September 2021 ist, müssen die älteren Zeichen vor diesem Zeitpunkt in einer solchen Weise benutzt worden sein.

24      Der vorliegende einzige Klagegrund ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

25      In der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer erstens den von der Streithelferin in den Jahren 2017 bis 2021 in Deutschland mit den unter den älteren Zeichen vertriebenen Waren erzielten Umsatz berücksichtigt, der nach Ansicht der Streithelferin – und von der Klägerin vor den Dienststellen des EUIPO unbestritten – ungefähr zwischen 75 000 und 150 000 Euro pro Jahr lag. Insoweit hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die Streithelferin 43 Rechnungen mit Datum vor dem Zeitpunkt der Anmeldung der angemeldeten Marke vorgelegt habe, die den Verkauf von Waren mit der Bezeichnung „Lymphogrow II Medium“ und „Lymphogrow Medium“ belegten und gleichmäßig über diese Jahre verteilt seien. Aus diesen Rechnungen ergebe sich, dass die Streithelferin mit dem Verkauf dieser Waren einen Umsatz zwischen 2 000 und mehr als 18 000 Euro pro Jahr erzielt habe, dass die Einzelpreise für diese Produkte „im unteren zweistelligen Bereich“ lägen und dass die Anzahl der verkauften Produkte zwischen 100 und 1 300 Stück pro Jahr liege. Auch wenn diese Zahlen nicht sehr hoch seien, könnten sie eine tatsächliche – und nicht nur sporadische – Benutzung im geschäftlichen Verkehr nicht von vornherein ausschließen. Außerdem lege der Umstand, dass die Rechnungsnummern nicht durchlaufend seien, nahe, dass die Rechnungen lediglich Beispiele seien und dass die Streithelferin höhere Umsätze erzielt habe.

26      Zweitens hat die Beschwerdekammer im Wesentlichen festgestellt, dass dieser Umsatz nicht in Bezug auf den Markt für In-vitro-Diagnostika in Deutschland in seiner Gesamtheit zu beurteilen sei, wie dies die Widerspruchsabteilung zu Unrecht angenommen habe, sondern in Bezug auf einen spezialisierteren Markt, nämlich den Markt für zytogenetische Medien im Bereich der Postnataldiagnostik.

27      Drittens hat die Beschwerdekammer zum einen festgestellt, dass die Benutzung der älteren Zeichen ein sehr großes geografisches Gebiet innerhalb Deutschlands umfasse, und zum anderen, dass dieses Gebiet nicht auf das Gebiet dieses Mitgliedstaats beschränkt sei, sondern auch die Hoheitsgebiete von vier anderen Mitgliedstaaten, nämlich Bulgarien, die Tschechische Republik, Frankreich und Polen, umfasse. Außerdem seien die in Rede stehenden Rechnungen gleichmäßig über den Zeitraum von 2017 bis 2021 verteilt, was eine mehrere Jahre andauernde Präsenz auf dem relevanten Markt belege.

28      Die Klägerin bringt erstens vor, die Beschwerdekammer habe ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium angewandt, da sie nicht festgestellt habe, dass die Streithelferin den Nachweis erbracht habe, dass die Benutzung der älteren Zeichen die in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Voraussetzungen erfülle, sondern vielmehr zum Ergebnis gekommen sei, dass eine Benutzung dieser Zeichen im geschäftlichen Verkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne. Mangels Beweisen für das Vorliegen dieser Benutzung hätte die Beschwerdekammer die Beschwerde der Streithelferin zurückweisen müssen. Somit habe die Beschwerdekammer dadurch, dass sie die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverwiesen habe, gegen Art. 71 Abs. 1 dieser Verordnung verstoßen.

29      Zweitens macht die Klägerin geltend, die Streithelferin habe nicht den Nachweis eines ausreichenden Benutzungsumfangs der älteren Zeichen erbracht, da die unter diesen Zeichen erzielten Umsätze und die Anzahl der verkauften Einheiten zu gering seien. Außerdem sei der Umstand, dass die in Rede stehenden Rechnungen nicht durchlaufend nummeriert seien, unerheblich, da die Streithelferin auch Verkäufe unter anderen Zeichen hätte tätigen können. Dass sie den von der Streithelferin angegebenen Gesamtbetrag des relevanten Umsatzes nicht beanstandet habe, könne ihr nicht entgegengehalten werden, denn sie habe keine Kenntnis von dem Umsatz haben und ihn daher nicht in sachdienlicher Weise in Frage stellen können. Sie beruft sich ferner auf die Rechtsprechung, wonach die Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 für jedes Gebiet, in dem das zur Stützung des Widerspruchs geltend gemachte Recht geschützt sei, getrennt vorzunehmen sei, um daraus abzuleiten, dass die Beschwerdekammer die Nachweise für die Benutzung der älteren Zeichen in mehreren Mitgliedstaaten nicht habe kumulieren dürfen.

30      Drittens wendet sich die Klägerin gegen die Beurteilung des relevanten Marktes durch die Beschwerdekammer. Ihrer Ansicht nach hätte die Beschwerdekammer dem Ansatz der Widerspruchsabteilung folgen müssen, die nicht den Gesamtmarkt für In-vitro-Diagnostika als relevanten Produktmarkt berücksichtigt habe, sondern sich in Ermangelung schlüssiger Beweise der Streithelferin darauf beschränkt habe, den Gesamtmarkt für In-vitro-Diagnostika als Bezugsgröße heranzuziehen. Im Übrigen könnten die von der Beschwerdekammer berücksichtigten Gesichtspunkte nicht belegen, dass sich der relevante Markt von dem des Gesamtmarkts für In-vitro-Diagnostika unterscheide.

31      Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerdekammer nach Ansicht der Klägerin feststellen müssen, dass die in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien und dass daher die Beschwerde der Streithelferin gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung gemäß Art. 71 Abs. 1 dieser Verordnung zurückzuweisen gewesen wäre, anstatt die Sache zur weiteren Behandlung an die Widerspruchsabteilung zurückzuverweisen.

32      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

33      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass die Benutzung der älteren Zeichen im Sinne der oben in Rn. 16 angeführten Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit, nämlich der Eroberung neuer Absatzmärkte, und nicht im privaten Bereich erfolgte. In diesem Zusammenhang hat die Streithelferin mehrere Beweise vorgelegt, wie Rechnungen, die u. a. an unterschiedliche Kunden, insbesondere in Deutschland, adressiert waren, sowie einen Katalog, der belegt, dass unter den genannten Zeichen eine auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichtete kommerzielle Tätigkeit entfaltet wurde, so dass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr für diese Zeichen im vorliegenden Fall erfüllt ist.

34      Was die Voraussetzung betrifft, dass die Bedeutung der älteren Zeichen mehr als lediglich örtlich sein muss, ist nach der oben in den Rn. 19 bis 21 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob diese älteren Zeichen tatsächlich in hinreichend bedeutsamer Weise im geschäftlichen Verkehr benutzt worden sind und ob sie eine geografische Ausdehnung erreichen, die nicht bloß lokaler Art ist. Um festzustellen, ob dies der Fall ist, sind insbesondere die Dauer und die Intensität dieser Benutzung zu berücksichtigen, die unter den Umständen des Einzelfalls nicht unerheblich sein dürfen.

35      Was als Erstes die Dauer der Benutzung der älteren Zeichen betrifft, bestreitet die Klägerin nicht die Feststellungen der Beschwerdekammer, dass diese Zeichen in gleichmäßiger Weise im Zeitraum von 2017 bis 2021 im geschäftlichen Verkehr benutzt worden seien und dass eine solche Benutzung eine mehrere Jahre andauernde Präsenz auf dem relevanten Markt belege.

36      Als Zweites ist hinsichtlich der Intensität der Benutzung der älteren Zeichen mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass die Streithelferin mehrere Dutzend Rechnungen vorgelegt hat, aus denen sich u. a. ergibt, dass sich der Einzelpreis der Produkte mit der Bezeichnung „Lymphogrow II Medium“ und „Lymphogrow Medium“ im unteren zweistelligen Bereich bewegt, dass die Anzahl der verkauften Produkte zwischen 100 und 1 300 Stück pro Jahr liegt und dass sich aus diesen Rechnungen ein Umsatz zwischen 2 000 und mehr als 18 000 Euro pro Jahr ableitet. Die Beschwerdekammer hat zutreffend auch darauf hingewiesen, dass nach den Angaben der Streithelferin mit den unter diesen Zeichen während des Zeitraums von 2017 bis 2021 in Deutschland vertriebenen Produkten tatsächliche jährliche Umsätze zwischen 75 000 und 150 000 Euro erzielt worden seien und dass diese Behauptung dadurch belegt werde, dass die vorgelegten Rechnungsnummern nicht durchlaufend seien. Außerdem hat die Beschwerdekammer ausgeführt, dass diese Rechnungen an einige unterschiedliche Kunden in Deutschland adressiert gewesen seien.

37      Aus diesen Erwägungen ergibt sich somit, dass die Beschwerdekammer ein Bündel von Indizien geprüft hat, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die fraglichen Zahlen, auch wenn sie nicht sehr hoch seien, eine tatsächliche – und nicht nur sporadische – Benutzung der älteren Zeichen im geschäftlichen Verkehr nicht ausschließen könnten.

38      Die Behauptung der Klägerin, dass sich die nicht durchlaufende Nummerierung der fraglichen Rechnungen durch etwaige Verkäufe anderer Waren unter anderen Zeichen erklären lasse, reicht nicht aus, um die oben in Rn. 25 angeführte Beurteilung der Beschwerdekammer in Frage zu stellen. Zum einen hat sich die Beschwerdekammer nämlich nicht ausschließlich auf die nicht durchlaufende Nummerierung dieser Rechnungen gestützt, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass eine tatsächliche und nicht nur sporadische Benutzung der älteren Zeichen im geschäftlichen Verkehr nicht ausgeschlossen werden könne, sondern hat, wie oben in Rn. 36 ausgeführt, insoweit ein Bündel übereinstimmender Indizien geprüft. Zum anderen wird, wie die Beschwerdekammer ausgeführt hat, die Erklärung der Streithelferin, wonach der mit den unter diesen Zeichen vertriebenen Waren tatsächlich erzielte Umsatz höher sei als jener, der sich aus diesen Rechnungen ergebe, durch die nicht durchlaufende Nummerierung bestätigt, da in Verbindung mit der Tatsache, dass dieselben Rechnungen im Zeitraum von 2017 bis 2021 zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgestellt wurden, den fraglichen Rechnungen durch die nicht durchlaufende Nummerierung ein bestimmter Beispielcharakter zukommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 2022, Borussia VfL 1900 Mönchengladbach/EUIPO – Neng [Fohlenelf], T‑747/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:773, Rn. 43).

39      Die Klägerin bringt außerdem vor, der Umstand, dass sie die Behauptung der Streithelferin nicht bestritten habe, der zufolge sich die in Rede stehenden tatsächlichen jährlichen Umsätze zwischen 75 000 und 150 000 Euro bewegten, reiche nicht aus, um die Wahrhaftigkeit dieser Behauptung zu belegen. Es trifft jedoch in der Sache zu, dass die Klägerin diese Behauptung vor den Dienststellen des EUIPO nicht in Frage gestellt hatte, so dass die Beschwerdekammer diesen Umstand berücksichtigen durfte, ohne einen Fehler zu begehen. Im Übrigen deutet nichts darauf hin, dass das Fehlen einer Beanstandung eine entscheidende Rolle für die Argumentation der Beschwerdekammer gespielt hätte, die mehrere Gesichtspunkte berücksichtigt hat, an denen die Intensität der Benutzung der älteren Zeichen gemessen wird.

40      Hierzu ist festzustellen, dass bei der Beurteilung der Intensität der Benutzung der älteren Zeichen nicht nur deren quantitativer Aspekt zu berücksichtigen ist, sondern auch die Häufigkeit und Regelmäßigkeit dieser Benutzung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2018, Fiesta Hotels & Resorts/EUIPO, C‑75/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:269, Rn. 38 und 39). Im vorliegenden Fall belegen die von der Klägerin nicht bestrittenen Umstände, dass die in Rede stehenden Rechnungen den Zeitraum von 2017 bis 2021 gleichmäßig abdecken und dass sie an einige unterschiedliche Kunden in Deutschland adressiert waren, eine häufige und regelmäßige Benutzung dieser Zeichen im geschäftlichen Verkehr.

41      Darüber hinaus geht aus den Akten hervor, dass die Streithelferin vor den Dienststellen des EUIPO u. a. auch einen Katalog vorgelegt hatte, der das unter dem Zeichen Lymphogrow Medium vertriebene Produkt enthält. Nach der Rechtsprechung sind für die Beurteilung der Intensität der Benutzung eines zur Stützung des Widerspruchs geltend gemachten Zeichens insbesondere die Benutzungen dieses Zeichens in der Werbung und in der geschäftlichen Kommunikation relevant (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 160).

42      Als Drittes gehören die unter den älteren Zeichen vertriebenen Waren nach Ansicht der Klägerin zum Markt für In-vitro-Diagnostik und nicht zu einem spezialisierteren Markt, nämlich dem Markt der zytogenetischen Medien im Bereich der Postnataldiagnostik.

43      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der gemeinsame Zweck der beiden ersten in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 aufgestellten Voraussetzungen darin besteht, Konflikte zwischen den Zeichen zu begrenzen, indem sie verhindern, dass ein älteres Recht, das nicht hinreichend ausgeprägt, d. h. im geschäftlichen Verkehr wichtig und bedeutungsvoll, ist, der Eintragung einer neuen Unionsmarke entgegenstehen kann. Eine solche Möglichkeit eines Widerspruchs soll auf Zeichen beschränkt sein, die auf ihrem relevanten Markt tatsächlich und wirklich präsent sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 157).

44      Es ist jedoch nicht Sache der Beschwerdekammern, die mit einer auf Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützten Beschwerde befasst sind, den relevanten Produktmarkt genau und abschließend definieren zu müssen. Die Abgrenzung dieses Marktes ist nämlich nur einer von mehreren Gesichtspunkten, anhand deren die Intensität der Benutzung der Widerspruchsmarken beurteilt werden kann. Es handelt sich somit nur um einen Bezugspunkt, im Verhältnis zu dem der quantitative Aspekt dieser Benutzung je nach Fall beurteilt werden könnte, ohne dass es erforderlich wäre, den Marktanteil, der den unter diesen Zeichen vertriebenen Waren entspricht, oder etwa die exakte Ausdehnung dieses Marktes genau festzustellen.

45      Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass Arzneimittel und pharmazeutische Erzeugnisse nach der Rechtsprechung zu einer sehr weitläufigen Kategorie gehören, die Erzeugnisse umfasst, die sehr unterschiedlich sein können. So hat das Gericht im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit von Arzneimitteln im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 für Recht erkannt, dass insbesondere ihre therapeutische Indikation berücksichtigt werden muss, die von entscheidender Bedeutung ist. Da nämlich der Verbraucher vor allem eine Ware oder Dienstleistung sucht, die voraussichtlich seinen speziellen Bedürfnissen entspricht, ist für seine Auswahlentscheidung der Zweck der betreffenden Ware oder Dienstleistung ausschlaggebend. Folglich ist das Kriterium des Zwecks oder der Bestimmung, da es die Verbraucher vor jedem Kauf selbst heranziehen, ein Kriterium, das für die Definition einer Untergruppe von Waren oder Dienstleistungen maßgebend ist. Der Zweck und die Bestimmung eines Heilmittels kommen in seiner therapeutischen Indikation zum Ausdruck (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2024, Laboratorios Ern/EUIPO – Cannabinoids Spain [Sanoid], T‑206/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:164, Rn. 40 bis 42).

46      Somit ist festzustellen, dass der Zweck und die Bestimmung eines medizinischen Produkts, wie sie in seiner therapeutischen Indikation zum Ausdruck kommen, ein entscheidendes Kriterium für die Definition des relevanten Produktmarkts im Rahmen der Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 darstellen.

47      Im vorliegenden Fall geht aus den von der Streithelferin vorgelegten Nachweisen, wie z. B. Informationen zu den in Rede stehenden Waren und einem Katalog, hervor, dass die Waren mit der Bezeichnung „Lymphogrow II Medium“ und „Lymphogrow Medium“ ein Kultivier- und Nährmedium für Lymphozyten zur Postnataldiagnostik sind.

48      Insoweit ist in Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass der Bereich der In-vitro-Diagnostika sehr weitläufig ist, da er unterschiedliche Diagnosemethoden und ‑techniken mit sehr unterschiedlichen Zwecken oder Bestimmungen umfasst, wie z. B. Schwangerschaftsselbsttests und Glykosetoleranztests für Diabetiker.

49      Innerhalb des weitläufigen Bereichs der In-vitro-Diagnostika lassen sich aber spezifischere Märkte bestimmen, die anhand des Zwecks oder der Bestimmung der fraglichen Waren abgegrenzt werden. Solche Waren sind nämlich nicht allein deshalb austauschbar, weil sie in den Bereich der In-vitro-Diagnostika fallen.

50      Insoweit bestreitet die Klägerin nicht, dass es sich bei den Produkten mit der Bezeichnung „Lymphogrow II Medium“ und „Lymphogrow Medium“ um zytogenetische Medien handelt, die speziell für die Postnataldiagnostik bestimmt sind. Solche Produkte sind daher nicht mit einem anderen Produkt austauschbar, das kein solches, speziell für die Postnataldiagnostik bestimmtes Medium ist, obwohl sie in den weitläufigen Bereich der In-vitro-Diagnostik fallen.

51      In Anbetracht der oben in den Rn. 43 bis 50 dargelegten Erwägungen ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie festgestellt hat, dass der relevante Produktmarkt nicht der gesamte Markt für In-vitro-Diagnostik sei, sondern der – spezifischere – Markt der zytogenetischen Medien der Postnataldiagnostik.

52      Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

53      Erstens geht aus dem Endbericht über die retrospektiven Ringversuche im Bereich der internen Laborqualitätssicherung des Berufsverbands Deutscher Humangenetiker e. V. hervor, dass 72 Labore aus Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz an dem Versuch zur „Labororientierten QS Postnataldiagnostik 2021“ teilgenommen haben. Zwar lässt sich, wie die Klägerin ausführt, nicht mit Sicherheit behaupten, dass alle Labore, die Diagnosen im Bereich der postnatalen Zytogenetik durchführen und im deutschen Hoheitsgebiet tätig sind, an diesem Versuch teilgenommen haben, wie die Beschwerdekammer dies im Übrigen auch eingeräumt hat. Der angefochtenen Entscheidung ist jedoch zu entnehmen, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, dass dieser Versuch eine Art TÜV im Bereich der Humangenetik darstellt, was die Annahme zulässt, dass die Zahl der an dem fraglichen Versuch beteiligten Labore zumindest einen ungefähren Hinweis auf die Größenordnung der Wirtschaftsteilnehmer darstellt, die auf dem Markt präsent sind, auf dem die Streithelferin tätig ist.

54      Selbst wenn man annimmt, dass der oben in Rn. 53 genannte Beweis, wie die Klägerin geltend macht, nicht schlüssig sei, reichen jedenfalls die oben in den Rn. 43 bis 50 angestellten Erwägungen aus, um die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer zu bestätigen, dass der relevante Produktmarkt derjenige der zytogenetischen Medien der Postnataldiagnostik sei, der erheblich kleiner sei als der Markt des weitläufigen Bereichs der In-vitro-Diagnostika.

55      Was zweitens das Vorbringen der Klägerin betrifft, es sei Sache der Streithelferin gewesen, genaue und detaillierte Angaben zur Größe des relevanten Marktes für die Waren zu machen, was sie unterlassen habe, ist darauf hinzuweisen, dass es, wie oben in Rn. 44 festgestellt, im Rahmen der Prüfung eines auf Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützten Widerspruchs nicht Sache der Beschwerdekammer ist, den relevanten Produktmarkt genau und abschließend definieren zu müssen. Folglich durfte die Beschwerdekammer auch ohne solche genauen und detaillierten Angaben die von der Widerspruchsabteilung vorgenommene Beurteilung der Intensität der Benutzung der älteren Zeichen überprüfen. Im Rahmen dieser Prüfung konnte die Beschwerdekammer den von der Widerspruchsabteilung begangenen Beurteilungsfehler aufdecken und zu Recht feststellen, dass der relevante Produktmarkt in Anbetracht der Merkmale der Produkte mit der Bezeichnung „Lymphogrow Medium“ nicht der gesamte Markt für In-vitro-Diagnostik sei, sondern der – spezialisiertere – Markt der zytogenetischen Medien der Postnataldiagnostik.

56      Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die Intensität der Benutzung der älteren Zeichen in Bezug auf den spezialisierteren Markt der zytogenetischen Medien im Bereich der Postnataldiagnostik zu beurteilen sei.

57      Was als Viertes die geografische Ausdehnung der Benutzung der älteren Zeichen betrifft, ist mit der Beschwerdekammer – ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte – festzustellen, dass aus den fraglichen Rechnungen für Deutschland hervorgeht, dass diese an unterschiedliche Kunden im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats adressiert waren, nämlich an Kunden in München, Hamburg, Berlin, Ebsdorfergrund, Magdeburg, Dresden, Klipphausen, Jena, Bruchsal, Heidelberg, Martinsried, Düsseldorf, Freiburg im Breisgau, Aachen, Osnabrück, Augsburg, Göttingen, Hannover, Braunschweig, Neukirchen, Mannheim, Tübingen und Kaiserslautern. Die Benutzung dieser Zeichen erstreckt sich somit auf ein sehr weitläufiges geografisches Gebiet innerhalb dieses Mitgliedstaats. Eine solche geografische Ausdehnung des Vertriebs reicht für die Annahme aus, dass diese Zeichen eine geografische Bedeutung haben, die nicht lediglich örtlich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 10. Januar 2024, LUXURY BAHIA PRINCIPE FANTASIA Don Pablo Collection, T‑505/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:3, Rn. 60 und 71), und zwar unabhängig von der Frage der Benutzung derselben Zeichen in den anderen Mitgliedstaaten, auf die sich die Beschwerdekammer in Rn. 45 der angefochtenen Entscheidung bezieht.

58      Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001, soweit die Beschwerdekammer auf Nachweise für die Benutzung der älteren Zeichen außerhalb Deutschlands abstelle, für jedes Gebiet, in dem das für den Widerspruch geltend gemachte Recht geschützt sei, getrennt vorzunehmen sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

59      Als Fünftes ist zum Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe bei der Prüfung der Anwendung der in Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 vorgesehenen Voraussetzungen durch die Widerspruchsabteilung ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium angewandt, indem sie sich insoweit auf Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten gestützt habe, und damit gegen Art. 71 Abs. 1 dieser Verordnung verstoßen, als sie die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverwiesen habe, Folgendes festzustellen.

60      Gemäß Art. 71 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 entscheidet die Beschwerdekammer nach der Prüfung, ob der Beschwerde stattzugeben ist, über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an diese Dienststelle zurück.

61      Aus der Verwendung der Verbform „kann“ in verschiedenen Sprachfassungen dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Beschwerdekammer über ein weites Ermessen verfügt, um „entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig [zu werden], die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder … die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an diese Dienststelle [zurückzuverweisen]“ (vgl. Beschluss vom 17. Januar 2024, Palírna U Zeleného stromu/EUIPO – Bacardi [B42V], T‑800/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:17, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer, wie sich oben aus den Rn. 36 bis 58 ergibt, ihre Beurteilung auf der Grundlage konkreter und übereinstimmender Beweise und Indizien vorgenommen und nicht, wie die Klägerin zu Unrecht behauptet, auf der Grundlage von Vermutungen oder Spekulationen. Ebenso wenig trifft es zu, dass sich die Beschwerdekammer auf ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium gestützt habe, da sie sich darauf beschränkt habe, die von der Widerspruchsabteilung begangenen Fehler festzustellen und die Sache zur weiteren Behandlung an diese zurückzuverweisen, anstatt selbst über sämtliche ihr vorgelegten Fragen zu entscheiden. Indem die Beschwerdekammer von dem ihr durch Art. 71 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 eingeräumten weiten Ermessen Gebrauch gemacht hat, konnte sie nämlich, ohne gegen diese Bestimmung zu verstoßen, die von der Widerspruchsabteilung begangenen Fehler feststellen und die Sache zur weiteren Behandlung an diese zurückverweisen.

63      Nach alledem ist der einzige von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass über die von der Streithelferin erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht, mit der geltend gemacht wird, dass die Klage hinsichtlich der verwendeten Schriftgröße und im Wesentlichen der maximal zulässigen Anzahl an Seiten nicht die in den Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Voraussetzungen erfülle.

 Kosten

64      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

65      Im vorliegenden Fall hat die Streithelferin beantragt, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Das EUIPO hat ebenfalls einen entsprechenden Antrag gestellt, allerdings nur für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

66      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Streithelferin deren Kosten aufzuerlegen. Da das EUIPO hingegen beantragt hat, die Klägerin nur im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zur Tragung der Kosten zu verurteilen, ist mangels Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, dass das EUIPO seine eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Serana Europe GmbH trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der CYTOGEN – Produkte für Medizin + Forschung GmbH.

3.      Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) trägt seine eigenen Kosten.

Kornezov

Kecsmár

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. April 2025.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude



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