T-193/23 – MegaFon/ Rat

T-193/23 – MegaFon/ Rat

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:7

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

15. Januar 2025(*)

„ Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren – Listen der Personen, Organisationen und Einrichtungen, für die restriktive Maßnahmen gelten – Aufnahme des Namens der Klägerin in die Listen und Belassung auf den Listen – Recht auf Anhörung – Begründungspflicht – Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit – Unternehmerische Freiheit – Nichtigkeitsklage “

In der Rechtssache T‑193/23,

MegaFon OAO, mit Sitz in Moskau (Russland), vertreten durch Rechtsanwälte V. Villante, D. Rovetta, M. Campa und M. Moretto sowie Rechtsanwältinnen M. Pirovano und B. Bonafini,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Nadbath und V. Piessevaux als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch M. Carpus Carcea, C. Georgieva und L. Puccio als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Richters R. Mastroianni in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, der Richterin M. Brkan sowie der Richter I. Gâlea (Berichterstatter), T. Tóth und S. L. Kalėda,

Kanzler: H. Eriksson, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2024

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Megafon OAO, die Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (GASP) 2023/434 des Rates vom 25. Februar 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2023, L 59 I, S. 593), und der Verordnung (EU) 2023/427 des Rates vom 25. Februar 2023 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2023, L 59 I, S. 6) (im Folgenden zusammen: ursprüngliche Rechtsakte), zweitens des Beschlusses (GASP) 2023/1517 des Rates vom 20. Juli 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2023, L 184, S. 40, im Folgenden: Rechtsakt vom Juli 2023), und drittens des Beschlusses (GASP) 2024/422 des Rates vom 29. Januar 2024 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. L, 2024/422, im Folgenden: Rechtsakt vom Januar 2024), soweit diese Rechtsakte (im Folgenden: angefochtene Rechtsakte) den Namen der Klägerin in die Listen im Anhang des Beschlusses 2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 13), und der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 1) (im Folgenden: streitige Listen), aufnehmen und darauf belassen.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Moskau (Russland) und im Telekommunikationssektor als Telekommunikations- und Mobilfunkbetreiberin tätig.

3        Hintergrund der vorliegenden Rechtssache sind die restriktiven Maßnahmen, die angesichts der Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen, und insbesondere angesichts des am 24. Februar 2022 erfolgten militärischen Angriffs der Russischen Föderation auf die Ukraine erlassen wurden.

4        Angesichts der sehr ernsten Lage, die in der Ukraine trotz der im März 2014 gegen bestimmte natürliche und juristische Personen verfügten Reisebeschränkungen und Maßnahmen zum Einfrieren von Vermögenswerten herrschte, erließ der Rat der Europäischen Union am 31. Juli 2014 auf der Grundlage von Art. 29 EUV den Beschluss 2014/512, mit dem gezielte restriktive Maßnahmen in den Bereichen des Zugangs zu den Kapitalmärkten, der Verteidigung, der Güter mit doppeltem Verwendungszweck und der sensiblen Technologien eingeführt wurden.

5        Am selben Tag erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV die Verordnung Nr. 833/2014, die detailliertere Bestimmungen enthält, mit denen den Vorgaben des Beschlusses 2014/512 sowohl auf der Ebene der Europäischen Union als auch in den Mitgliedstaaten Wirkung verliehen werden soll.

6        Erklärtes Ziel der restriktiven Maßnahmen war es, die Kosten für die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabenden Handlungen der Russischen Föderation zu erhöhen und eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen.

7        Am 24. Februar 2022 leitete die Russische Föderation eine Militäroperation in der Ukraine ein.

8        Vor diesem Hintergrund erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 29 EUV am 25. Februar 2022 den Beschluss (GASP) 2022/327 (ABl. 2022, L 48, S. 1), am 8. April 2022 den Beschluss (GASP) 2022/578 (ABl. 2022, L 111, S. 70) und am 21. Juli 2022 den Beschluss (GASP) 2022/1271 (ABl. 2022, L 193, S. 196); durch diese drei Beschlüsse wurde der Beschluss 2014/512 (im Folgenden: geänderter Beschluss 2014/512) geändert. Ferner erließ der Rat auf der Grundlage von Art. 215 AEUV am 25. Februar 2022 die Verordnung (EU) 2022/328 (ABl. 2022, L 49, S. 1), am 8. April 2022 die Verordnung (EU) 2022/576 (ABl. 2022, L 111, S. 1) und am 21. Juli 2022 die Verordnung (EU) 2022/1269 (ABl. 2022, L 193, S. 1); durch diese drei Verordnungen wurde die Verordnung Nr. 833/2014 (im Folgenden: geänderte Verordnung Nr. 833/2014) geändert.

9        Art. 3 Abs. 1 und 2 des geänderten Beschlusses 2014/512 bestimmt:

„(1) Der unmittelbare oder mittelbare Verkauf, die unmittelbare oder mittelbare Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr aller Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, die in Anhang I der Verordnung (EU) 2021/821 des Europäischen Parlaments und des Rates … aufgeführt sind, an eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung in Russland oder zur Verwendung in Russland durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder vom Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten aus oder durch Schiffe oder Flugzeuge unter ihrer Flagge, werden verboten, unabhängig davon, ob diese Güter oder Technologien ihren Ursprung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten haben oder nicht.

(2) Es ist verboten,

a)      technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste im Zusammenhang mit Gütern und Technologien nach Absatz 1 oder mit der Bereitstellung, Herstellung, Wartung und Verwendung dieser Güter oder Technologien unmittelbar oder mittelbar für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu erbringen;

b)      Finanzmittel oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit Gütern und Technologien nach Absatz 1 für den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr dieser Güter und Technologien oder für damit verbundene technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste unmittelbar oder mittelbar für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu gewähren.“

10      Art. 3 Abs. 4 und 5 des geänderten Beschlusses 2014/512 sieht folgende Genehmigungsregelung vor, die auch in Art. 3a Abs. 4 und 5 dieses Beschlusses gleichlautend wiedergegeben ist:

„(4) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Genehmigungspflichten nach der Verordnung (EU) 2021/821 können die zuständigen Behörden den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck oder die Bereitstellung von damit verbundener technischer Hilfe und Finanzhilfe für nichtmilitärische Zwecke und für nichtmilitärische Endnutzer genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe a) für die Zusammenarbeit zwischen der Union, den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Regierung Russlands in rein zivilen Angelegenheiten bestimmt sind, b) für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei Raumfahrtprogrammen bestimmt sind, c) für den Betrieb, die Instandhaltung, die Wiederaufbereitung von Brennelementen und die Sicherheit ziviler nuklearer Kapazitäten sowie für die zivile nukleare Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung, bestimmt sind, d) für die maritime Sicherheit bestimmt sind, e) für zivile, nicht öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsnetze bestimmt sind, die nicht einer Organisation gehören, die sich unter öffentlicher Kontrolle oder zu über 50 % in öffentlicher Inhaberschaft befindet, f) ausschließlich zur Verwendung durch Organisationen bestimmt sind, die sich in der Inhaberschaft oder unter der alleinigen oder gemeinsamen Kontrolle einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Partnerlandes gegründeten oder eingetragenen juristischen Person, Organisation oder Einrichtung befinden, g) für die diplomatischen Vertretungen der Union, der Mitgliedstaaten und der Partnerländer, einschließlich Delegationen, Botschaften und Missionen, bestimmt sind, h) für die Gewährleistung von Cybersicherheit und Informationssicherheit für natürliche und juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in Russland mit Ausnahme der Regierung Russlands und der Unternehmen, die unmittelbar oder mittelbar von dieser Regierung kontrolliert werden, bestimmt sind.

(5) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Genehmigungspflichten nach Verordnung (EU) 2021/821 können die zuständigen Behörden den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck oder die Bereitstellung von damit verbundener technischer Hilfe und Finanzhilfen für nichtmilitärische Zwecke und für nichtmilitärische Endnutzer genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe im Rahmen von vor dem 26. Februar 2022 geschlossenen Verträgen oder von für deren Erfüllung erforderlichen akzessorischen Verträgen bereitzustellen sind, sofern die Genehmigung vor dem 1. Mai 2022 beantragt wird.“

11      Art. 3 Abs. 7 des geänderten Beschlusses 2014/512 bestimmt:

„Bei der Entscheidung über Anträge auf Genehmigungen gemäß den Absätzen 4 und 5 erteilen die zuständigen Behörden keine Genehmigung, wenn sie hinreichende Gründe zu der Annahme haben, dass

i)      der Endnutzer ein militärischer Endnutzer oder eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung nach Anhang IV sein könnte oder dass die Güter eine militärische Endverwendung haben könnten, es sei denn, der Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr der Güter und Technologien nach Absatz 1 oder die Bereitstellung von damit verbundener technischer Hilfe oder Finanzhilfe ist nach Artikel 3b Absatz 1 Buchstabe a erlaubt“.

12      Art. 3a Abs. 1 dieses Beschlusses sieht vor:

„(1) Es ist verboten, Güter und Technologien mit oder ohne Ursprung in der Union, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, unmittelbar oder mittelbar an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland oder zur Verwendung in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen.“

13      Art. 3a Abs. 2 des geänderten Beschlusses 2014/512 gibt den Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 dieses Beschlusses wieder.

14      Art. 3a Abs. 7 des geänderten Beschlusses 2014/512 gibt den Wortlaut von Art. 3 Abs. 7 dieses Beschlusses wieder.

15      Art. 3b Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/512 bestimmt:

„In Bezug auf die in Anhang IV aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen dürfen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten abweichend von den Artikeln 3 und 3a dieses Beschlusses und unbeschadet der Genehmigungspflichten nach der Verordnung (EU) 2021/821 den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie von in Artikel 3a dieses Beschlusses aufgeführten Gütern und Technologien oder die Bereitstellung von damit verbundener technischer Hilfe oder Finanzhilfe nur genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass

a)      diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe zur dringenden Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses erforderlich sind, das voraussichtlich schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Umwelt haben wird, oder

b)      diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe im Rahmen von vor dem 26. Februar 2022 geschlossenen Verträgen oder von für deren Erfüllung erforderlichen akzessorischen Verträgen bereitzustellen sind, sofern die Genehmigung vor dem 1. Mai 2022 beantragt wird.“

16      Art. 2 Abs. 1, 2, 4 und 5 sowie Art. 2a Abs. 1, 2, 4 und 5 der geänderten Verordnung Nr. 833/2014 übernehmen im Wesentlichen den jeweiligen Wortlaut von Art. 3 Abs. 1, 2, 4 und 5 sowie von Art. 3a Abs. 1, 2, 4 und 5 des geänderten Beschlusses 2014/512. Ebenso geben Art. 2 Abs. 7, Art. 2a Abs. 7 und Art. 2b der geänderten Verordnung Nr. 833/2014 im Wesentlichen den jeweiligen Inhalt von Art. 3 Abs. 7, Art. 3a Abs. 7 und Art. 3b des geänderten Beschlusses 2014/512 wieder.

17      Am 25. Februar 2023 erließ der Rat die ursprünglichen Rechtsakte und nahm den Namen der Klägerin jeweils in Nr. 499 der streitigen Listen auf.

18      Gemäß dem zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434, der in den vierten Erwägungsgrund der Verordnung 2023/427 übernommen wurde, wurden „96 zusätzliche Einträge [in die streitigen Listen aufgenommen], d. h. die Liste[n] der Organisationen, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstützen und denen strengere Ausfuhrbeschränkungen in Bezug auf Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie Güter und Technologien, die zur technologischen Stärkung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, auferlegt werden.“

19      Mit Schreiben vom 1. März 2023 ersuchte die Klägerin den Rat, ihr die Informationen und Beweise vorzulegen, auf deren Grundlage die sie betreffenden restriktiven Maßnahmen erlassen worden seien. Darüber hinaus erklärte sie, dass sie sich das Recht vorbehalte, eine Stellungnahme abzugeben und den Rat zu ersuchen, seine Entscheidung, ihren Namen in die streitigen Listen aufzunehmen, zu überprüfen.

20      Da der Rat nicht antwortete, brachte die Klägerin mit Schreiben vom 17. März 2023 ihr Ersuchen erneut vor.

21      Mit Schreiben vom 31. März 2023 erwiderte der Rat, dass er nicht verpflichtet sei, die in den streitigen Listen aufgeführten Personen und Organisationen über die Gründe für ihre Aufnahme in diese Listen zu unterrichten, und dass alle Informationen, die die Aufnahme des Namens der Klägerin in diese Listen rechtfertigten, in den Art. 3 und 3b des geänderten Beschlusses 2014/512, in den Art. 2, 2a und 2b der geänderten Verordnung Nr. 833/2014 sowie im zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 und im vierten Erwägungsgrund der Verordnung 2023/427 enthalten seien.

II.    Sachverhalt nach Klageerhebung

22      Mit dem Beschluss (GASP) 2023/1217 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung des Beschlusses 2014/512 (ABl. 2023, L 159 I, S. 451) und der Verordnung (EU) 2023/1214 des Rates vom 23. Juni 2023 zur Änderung der Verordnung Nr. 833/2014 (ABl. 2023, L 159 I, S. 1) wurden die streitigen Listen u. a. durch Hinzufügung des folgenden einleitenden Textes geändert:

„In diesem Anhang sind die natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt, die militärische Endnutzer sind, zum militärisch-industriellen Komplex Russlands gehören oder kommerzielle oder sonstige Verbindungen mit dem russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektor unterhalten oder diesen anderweitig unterstützen. Diese natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen tragen zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors bei. Dazu gehören natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in anderen Drittländern als Russland. Ihre Aufnahme in diesen Anhang bedeutet nicht, dass die Verantwortlichkeit für ihre Handlungen dem Rechtsraum zugeschrieben wird, in dem sie tätig sind.“

23      Am 20. Juli 2023 erließ der Rat den Rechtsakt vom Juli 2023.

24      Am 24. Juli 2023 übersandte der Rat der Klägerin ein Schreiben, in dem er sie über die Verlängerung der gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen informierte.

25      Am 30. November 2023 richtete die Klägerin ein Schreiben an den Rat, in dem sie ihn ersuchte, seine Entscheidung zur Verlängerung der Maßnahmen zu überprüfen und ihr Zugang zu allen einschlägigen Dokumenten zu gewähren.

26      Am 29. Januar 2024 erließ der Rat den Rechtsakt vom Januar 2024, mit dem der Name der Klägerin auf den streitigen Listen belassen wurde.

27      Am 30. Januar 2024 antwortete der Rat auf das Schreiben der Klägerin vom 30. November 2023.

III. Anträge der Parteien

28      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtenen Rechtsakte für nichtig zu erklären, soweit mit ihnen der Name der Klägerin in die streitigen Listen aufgenommen und darauf belassen wird,

–        dem Rat die Kosten des Verfahrens und der Europäischen Kommission die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten aufzuerlegen.

29      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, beantragt:

–        die Klage abzuweisen,

–        hilfsweise, im Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte ihre Wirkungen bis zum Ablauf der in Art. 56 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehenen Rechtsmittelfrist oder, falls ein Rechtsmittel eingelegt wird, bis zur etwaigen Zurückweisung des Rechtsmittels aufrechtzuerhalten,

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV.    Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit der von der Klägerin vorgelegten zusätzlichen Beweise

30      Mit Schreiben vom 19. Juni 2024 hat die Klägerin gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts zusätzliche Beweise vorgelegt. Der Rat und die Kommission halten diese Beweise für unzulässig.

31      Es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Hauptparteien ausnahmsweise noch vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor einer Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, Beweise oder Beweisangebote vorlegen können, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

32      Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin nichts vor, was die verspätete Vorlage der in Rede stehenden zusätzlichen Beweise – bei denen es sich um Dokumente handelt – rechtfertigen könnte.

33      Wie der Rat, unterstützt durch die Kommission, ausführt, wurden alle diese Dokumente – mit Ausnahme der Dokumente in den Anlagen AE.9 und AE.11 – bereits vor Einreichung der Klageschrift veröffentlicht oder ausgestellt. Das Dokument in Anlage AE.9 ist eine Lizenz, die der Klägerin am 9. November 2023 erteilt wurde, und das Dokument in Anlage AE.11 ist ein Schreiben vom 27. Oktober 2023, das auf Ersuchen der Klägerin hin an sie gerichtet wurde. Somit muss die Klägerin von diesen Dokumenten ab deren Ausstellung Kenntnis gehabt haben, und sie hätte sie spätestens als Anlage zu ihrem zweiten Anpassungsschriftsatz vorlegen können.

34      Folglich ist davon auszugehen, dass die Klägerin die verspätete Vorlage der am 19. Juni 2024 vorgelegten zusätzlichen Beweise nicht im Sinne von Art. 85 Abs. 3 der Verfahrensordnung gerechtfertigt hat. Diese Beweise sind daher unzulässig und werden vom Gericht bei der Prüfung der vorliegenden Klage nicht berücksichtigt.

B.      Zur Begründetheit

35      Die Klägerin macht vier Klagegründe geltend: erstens einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte und den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, zweitens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, drittens einen Beurteilungsfehler und viertens einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

36      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten und anschließend den ersten, den dritten und den vierten Klagegrund zu prüfen.

1.      Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

37      Die Klägerin macht geltend, der Rat habe keinen einzelfallbezogenen Grund angeführt, um die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen zu rechtfertigen, und ihr auch nicht die spezifischen Gründe für seine Schlussfolgerung mitgeteilt, dass sie eine Organisation sei, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstütze, so dass es ihr unmöglich gewesen sei, die Gründe für die Aufnahme ihres Namens in diese Listen zu erkennen.

38      Sie könne dem zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 7, Art. 3a Abs. 7 und Art. 3b des geänderten Beschlusses 2014/512, worauf der Rat in seinen Schriftsätzen verwiesen habe, nicht entnehmen, warum ihr Name in die streitigen Listen aufgenommen worden sei. Es gebe keinen Hinweis darauf, ob ihr Name deshalb aufgenommen worden sei, weil sie Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck oder Güter und Technologien liefere, die zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung des Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten.

39      Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich von den Rechtssachen, in denen die vom Rat angeführte Rechtsprechung ergangen sei.

40      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

41      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV „[d]ie Rechtsakte … mit einer Begründung zu versehen“ sind. Zudem umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) insbesondere „die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen“.

42      Die aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte folgende Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts bezweckt zum einen, den Betroffenen ausreichend zu unterrichten, so dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder womöglich mit einem Mangel behaftet ist, der es erlaubt, seine Gültigkeit vor dem Unionsrichter anzufechten, und soll zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts ermöglichen (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 296 AEUV und Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Sie muss die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen kann und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil vom 13. September 2018, DenizBank/Rat, T‑798/14, EU:T:2018:546, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob eine Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist. Insbesondere ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Kontext ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihm gestattet, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen. Außerdem müssen die an die Genauigkeit der Begründung eines Rechtsakts zu stellenden Anforderungen den tatsächlichen Möglichkeiten sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen angepasst werden, unter denen der Rechtsakt zu ergehen hat (vgl. Urteile vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 103 und 104 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 20. September 2023, Mordashov/Rat, T‑248/22, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:573, Rn. 46 und 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im vorliegenden Fall stellen die einschlägigen Bestimmungen der angefochtenen Rechtsakte restriktive Maßnahmen mit individueller Geltung gegenüber der Klägerin dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat, T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545, Rn. 86).

46      Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass die Begründung eines Rechtsakts des Rates, mit dem eine restriktive Maßnahme verhängt wird, nicht nur die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme nennen muss, sondern auch die besonderen und konkreten Gründe, aus denen der Rat in Ausübung seines Ermessens annimmt, dass der Betroffene einer solchen Maßnahme zu unterwerfen sei (Urteil vom 3. Juli 2014, National Iranian Tanker Company/Rat, T‑565/12, EU:T:2014:608, Rn. 38, vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 55).

47      Es ist erstens festzustellen, dass sich alle in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen in den der Klägerin bekannten Kontext internationaler Spannungen einfügen, die dem Erlass der oben in den Rn. 9 bis 16 angeführten einschlägigen Bestimmungen des Beschlusses 2014/512 vorausgingen. Nach den Erwägungsgründen 1 bis 8 des Beschlusses 2014/512 besteht das erklärte Ziel dieser Maßnahmen darin, die Kosten für die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabenden Handlungen der Russischen Föderation zu erhöhen und eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen. In dem Beschluss 2014/512 wird also die Gesamtlage, die zu seinem Erlass geführt hat, angegeben, und es werden die allgemeinen Ziele bezeichnet, die mit ihm erreicht werden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 123).

48      Zweitens ist es nach Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 3a Abs. 1 und 2 des geänderten Beschlusses 2014/512 unter den dort festgelegten Bedingungen verboten, Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck an Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland zu verkaufen, zu liefern, zu verbringen oder auszuführen, technische Hilfe, Vermittlungsdienste oder andere Dienste für diese Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen oder ihnen Finanzmittel oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit diesen Gütern und Technologien zu gewähren. Darüber hinaus wird gemäß Art. 3 Abs. 7 und Art. 3a Abs. 7 dieses Beschlusses im Wesentlichen dann keine Genehmigung erteilt, die von den genannten Verboten abweicht, wenn der Endnutzer ein militärischer Endnutzer oder eine natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung nach Anhang IV sein könnte oder wenn die fraglichen Güter eine militärische Endverwendung haben könnten.

49      Insoweit ergibt sich aus dem zwölften Erwägungsgrund des Beschlusses 2022/327, mit dem Art. 3 und Art. 3a des Beschlusses 2014/512 geändert wurden, dass der Rat es angesichts der sehr ernsten Lage in der Ukraine für angebracht hielt, als Reaktion auf die destabilisierenden Handlungen der Russischen Föderation weitere restriktive Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang hielt es der Rat für angebracht, die Ausfuhr, die Lieferung oder die Verbringung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck sowie bestimmter Güter und Technologien, die zur technologischen Verbesserung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen können, weiter einzuschränken.

50      Ferner geht aus dem fünften Erwägungsgrund des Beschlusses (GASP) 2022/430 des Rates vom 15. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/512 (ABl. 2022, L 87 I, S. 56) hervor, dass der Rat es angesichts der sich verschlechternden Lage in der Ukraine für notwendig hielt, die Ausfuhrbeschränkungen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck sowie für die in Art. 3a des geänderten Beschlusses 2014/512 genannten Güter zu verschärfen.

51      Des Weiteren ergibt sich, wie oben in Rn. 18 ausgeführt, aus dem zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung 2023/427, dass 96 zusätzliche Einträge – einschließlich des die Klägerin betreffenden – in die streitigen Listen als Organisationen aufgenommen wurden, die den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation bei deren Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstützen.

52      Hinsichtlich der Rechtsakte vom Juli 2023 und Januar 2024 (im Folgenden zusammen: Fortsetzungsrechtsakte) wird diese Feststellung durch den Wortlaut des oben in Rn. 22 angeführten einleitenden Textes in Anhang IV des Beschlusses 2014/512 und der Verordnung Nr. 833/2014 – in der jeweils durch den Beschluss 2023/1217 und die Verordnung 2023/1214 geänderten Fassung – bestätigt.

53      Es ist davon auszugehen, dass die besonderen und konkreten Gründe, derentwegen der Rat in Ausübung seines Ermessens angenommen hat, dass die Klägerin im Sinne der oben in Rn. 46 angeführten Rechtsprechung den betreffenden Maßnahmen zu unterwerfen sei, im vorliegenden Fall den Kriterien entsprechen, die in den einschlägigen Bestimmungen und in den Erwägungsgründen der angefochtenen Rechtsakte festgelegt sind.

54      Folglich wurde der Name der Klägerin mit der Begründung in die streitigen Listen aufgenommen, dass sie die besonderen und konkreten Voraussetzungen erfülle, die in den einschlägigen Bestimmungen und in den Erwägungsgründen der angefochtenen Rechtsakte enthalten seien, dass sie nämlich als Organisation angesehen werde, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstütze.

55      Insoweit ist klarzustellen, dass allein deshalb, weil für den Erlass restriktiver Maßnahmen gegen mehrere Personen dieselben Erwägungen angestellt werden, nicht ausgeschlossen ist, dass diese Erwägungen eine hinreichend spezifische Begründung für jede der betroffenen Personen darstellen (vgl. Urteil vom 13. September 2018, Vnesheconombank/Rat, T‑737/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:543, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Wie oben in den Rn. 18 und 51 ausgeführt, geht nämlich aus dem zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung 2023/427 hervor, dass 96 zusätzliche Einträge in die streitigen Listen aufgenommen wurden. In diesem zehnten Erwägungsgrund heißt es, dass in diesen Listen Organisationen aufgeführt sind, „die den militärisch-industriellen Komplex Russlands bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstützen und denen strengere Ausfuhrbeschränkungen in Bezug auf Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie Güter und Technologien, die zur technologischen Stärkung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, auferlegt werden.“ Diese Beschränkungen sind in Art. 3 Abs. 7 und Art. 3a Abs. 7 des fraglichen Beschlusses vorgesehen.

57      In Anbetracht des politischen Kontexts zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden restriktiven Maßnahmen und der Bedeutung, die der Verhinderung des Erwerbs von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck oder von in Art. 3a des geänderten Beschlusses 2014/512 genannten Gütern durch Organisationen, die den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation bei deren Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstützen, im Hinblick auf das Ziel dieser Maßnahmen zukommt, die Kosten für die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabenden Handlungen der Russischen Föderation zu erhöhen und eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen, ist der Entschluss des Rates, solche Maßnahmen gegen Organisationen des Telekommunikationssektors zu erlassen, im Licht des erklärten Ziels dieser Maßnahmen ohne Weiteres verständlich (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 13. September 2018, Almaz-Antey/Rat, T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Daraus folgt, dass die Klägerin im Rahmen der Einführung der in Art. 3 Abs. 7 und Art. 3a Abs. 7 des geänderten Beschlusses 2014/512 vorgesehenen zusätzlichen Beschränkungen erkennen konnte, dass deswegen sie in die streitigen Listen aufgenommen worden war, weil sie – unter Berücksichtigung dessen, dass sie einer der wichtigsten Mobilfunk- und Telekommunikationsbetreiber in Russland war, sowie angesichts des politischen Kontexts zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Rechtsakte – als eine Organisation angesehen wurde, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstützte.

59      Insoweit wurden ihr, wie der Rat in seinen Schriftsätzen geltend macht, Beschränkungen in Bezug auf Güter mit doppeltem Verwendungszweck sowie hinsichtlich bestimmter Güter und Technologien auferlegt, die zur technologischen Stärkung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen könnten, womit verhindert werden sollte, dass sie diese Güter erwerben und durch deren Verwendung den Angriff der Russischen Föderation gegen die Ukraine unterstützen kann – sei es durch die Erbringung von Telekommunikationsdiensten für die russische Armee oder durch die Bereitstellung solcher Dienste für zivile Kunden in den von der Russischen Föderation besetzten Gebieten der Ukraine.

60      Ebenso konnte der Grund für die Verlängerung dieser Maßnahmen durch die Fortsetzungsrechtsakte ohne Weiteres im Licht der Erwägungsgründe 2 und 3 dieser Rechtsakte sowie des einleitenden Textes in Anhang IV erkannt werden, in denen zum wiederholten Male der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine verurteilt wird. Da die rechtswidrigen Handlungen andauerten, war es angezeigt, die verhängten Maßnahmen aufrechtzuerhalten und zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen.

61      Mithin ist festzustellen, dass der Rat die Begründungspflicht nicht verletzt hat und dass daher der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist.

2.      Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Verteidigungsrechte und den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

a)      Zur Zulässigkeit

62      Der Rat erhebt zwar keine ausdrückliche Unzulässigkeitseinrede, macht aber geltend, der erste Klagegrund sei kaum strukturiert und könne als nicht den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung entsprechend angesehen werden.

63      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung die Klageschrift den Streitgegenstand, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und genau sein müssen, dass sie dem Beklagten gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 191).

64      Des Weiteren ist es für die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gericht insbesondere erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 192).

65      Es ist festzustellen, dass die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die die Klägerin ihr Vorbringen stützt, aus der Klageschrift leicht zu ersehen sind. In der Klageschrift werden nämlich die rechtlichen sowie – zwar knapp, aber hinreichend – die tatsächlichen Umstände dargelegt, auf die sich die Klägerin stützt und mit denen sie insbesondere rügt, dass sie zu keiner Zeit über die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen informiert oder hierzu angehört worden sei. Ebenso war es dem Rat möglich, in seinen Schriftsätzen auf dieses Vorbringen einzugehen. Auch für das Gericht war das Vorbringen der Klägerin identifizierbar. Daher ist der erste Klagegrund zulässig.

b)      Zur Begründetheit

66      Die Klägerin macht geltend, der Rat habe seine Unterrichtungspflicht und das Recht der Klägerin auf Anhörung verletzt. Sie sei nicht über die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen informiert worden, und der Rat habe weder eine Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht noch sie individuell von den angefochtenen Rechtsakten unterrichtet.

67      Insbesondere habe ihr der Rat keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, und es sei rechtswidrig, dass die Beweise für die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen erst mit der Klagebeantwortung vorgelegt worden seien.

68      In ihren Anpassungsschriftsätzen führt sie zudem aus, dass der Rat ihr auch beim Erlass der Fortsetzungsrechtsakte keine Möglichkeit gegeben habe, zur Verlängerung der gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen Stellung zu nehmen, und dass die Beweise für die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Rechtsakte für unzulässig zu erklären seien. Für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, dass der Rat nicht verpflichtet gewesen sei, ihr vor dem Erlass des Rechtsakts vom Juli 2023 seine Absicht mitzuteilen, ihren Namen auf den streitigen Listen zu belassen, und sie über die Umstände zu unterrichten, auf die sich dieser Rechtsakt stütze, erhebt sie hilfsweise in ihrem ersten Anpassungsschriftsatz gemäß Art. 277 AEUV eine Einrede der Rechtswidrigkeit des Beschlusses 2014/512 und der Verordnung Nr. 833/2014.

69      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

70      Es ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta vorgesehene Recht, in jedem Verfahren gehört zu werden, integraler Bestandteil der Wahrung der Verteidigungsrechte ist und jeder Person garantiert, dass sie die Möglichkeit hat, in einem Verwaltungsverfahren in sachdienlicher und wirksamer Weise ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine Entscheidung ergeht, die für ihre Interessen nachteilig sein kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71      Im Rahmen eines Verfahrens, in dem es darum geht, zu beschließen, den Namen einer Person in eine Liste im Anhang eines Rechtsakts mit restriktiven Maßnahmen aufzunehmen, gebietet es die Wahrung der Verteidigungsrechte, dass die zuständige Unionsbehörde der betroffenen Person die Gründe und die ihr zur Last gelegten Umstände mitteilt, auf die diese Behörde ihren Beschluss zu stützen beabsichtigt. Dabei muss die zuständige Unionsbehörde die betroffene Person in die Lage versetzen, ihren Standpunkt zu den in Bezug auf sie herangezogenen Gründen in sachdienlicher Weise vorzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 111 und 112).

72      Art. 52 Abs. 1 der Charta lässt jedoch Einschränkungen der Ausübung der in ihr verankerten Rechte zu, sofern die betreffende Einschränkung den Wesensgehalt des fraglichen Grundrechts achtet, sie unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und tatsächlich den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen entspricht. Hierzu hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass für die Verteidigungsrechte Beschränkungen oder Ausnahmen gelten können, und zwar insbesondere im Bereich restriktiver Maßnahmen im Kontext der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Überdies ist das Vorliegen einer Verletzung der Verteidigungsrechte anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen, insbesondere anhand der Natur des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass das Unionsgericht zwischen der erstmaligen Aufnahme des Namens einer Person in die in Rede stehenden Listen zum einen und dem Verbleib des Namens dieser Person auf den Listen zum anderen unterscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2015, Al-Chihabi/Rat, T‑593/11, EU:T:2015:249, Rn. 40).

75      Im Licht dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist der vorliegende Klagegrund zu prüfen.

1)      Zu den ursprünglichen Rechtsakten

76      Erstens ist zum Vorbringen der Klägerin, der Rat hätte sie individuell von den angefochtenen Rechtsakten unterrichten müssen, soweit diese sie betreffende restriktive Maßnahmen vorsähen, festzustellen, dass ihre fehlende individuelle Unterrichtung zwar Auswirkungen auf den Beginn der Klagefrist haben kann, für sich genommen aber nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte rechtfertigt. Die Klägerin hat insoweit nichts vorgebracht, was belegen könnte, dass im vorliegenden Fall die fehlende individuelle Unterrichtung von diesen Rechtsakten zu einer Verletzung ihrer Rechte geführt habe, die es rechtfertige, die Rechtsakte in dem sie betreffenden Umfang für nichtig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Zweitens ist zur Wahrung des Rechts auf Anhörung darauf hinzuweisen, dass sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass der Rat im Fall des ursprünglichen Beschlusses über die Aufnahme des Namens einer Person oder Organisation in eine Liste von Personen und Organisationen, deren Gelder eingefroren werden, nicht verpflichtet ist, der betreffenden Person oder Organisation im Voraus die Gründe für ihre beabsichtigte Aufnahme in die Liste mitzuteilen. Eine solche Maßnahme muss nämlich, um ihre Wirksamkeit nicht einzubüßen, schon aufgrund ihrer Natur überraschend und sofort angewandt werden. Sobald der Rechtsakt erlassen wurde, hat die betreffende Person oder Organisation auch das Recht, beim Rat zu beantragen, zu diesen Gründen Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78      Eine solche Ausnahme von dem Grundrecht, in einem Verfahren, das dem Erlass restriktiver Maßnahmen vorausgeht, gehört zu werden, ist durch die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern sicherzustellen, und letztlich durch zwingende Gründe der Sicherheit oder der Gestaltung der internationalen Beziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 27. Juli 2022, RT France/Rat, T‑125/22, EU:T:2022:483, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Im Übrigen verleihen weder die einschlägigen Bestimmungen der Rechtsakte zur Einführung restriktiver Maßnahmen noch der allgemeine Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte den Betroffenen ein Recht auf eine förmliche Anhörung, da die Möglichkeit, schriftliche Erklärungen einzureichen, genügt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 12. Februar 2020, Amisi Kumba/Rat, T‑163/18, EU:T:2020:57, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Im vorliegenden Fall musste den ursprünglichen Rechtsakten – wie der Rat in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat – ein Überraschungseffekt zugutekommen, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten und zu verhindern, dass die Klägerin etwa Genehmigungen für die Ausfuhr der in den Art. 3 und 3a des geänderten Beschlusses 2014/512 genannten Güter und Technologien einholen oder Verträge schließen konnte, die zur Anwendung einer der in Art. 3b Abs. 1 dieses Beschlusses vorgesehenen Ausnahmen führen. Infolgedessen war der Rat im Sinne der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung nicht verpflichtet, die Klägerin vor ihrer erstmaligen Aufnahme anzuhören, so dass ihr Recht auf Anhörung insoweit nicht verletzt wurde.

81      Was drittens die Tatsache betrifft, dass der Rat die Klägerin nicht vor dem Erlass der gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen über die Gründe für deren Erlass unterrichtet hat, ergibt sich aus der oben in Rn. 77 angeführten Rechtsprechung, dass der Rat auf Antrag der Klägerin hin verpflichtet war, ihr unmittelbar nach dem Erlass der ursprünglichen Rechtsakte die Gründe für diese Maßnahmen mitzuteilen, soweit die ihr durch die einschlägigen Bestimmungen dieser Rechtsakte auferlegten Beschränkungen restriktive Maßnahmen mit individueller Geltung ihr gegenüber darstellen.

82      Das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, das in Art. 47 der Charta bekräftigt wird, verlangt, dass der Betroffene Kenntnis von den Gründen, auf denen die ihm gegenüber ergangene Entscheidung beruht, erlangen kann, entweder durch das Studium der Entscheidung selbst oder durch eine auf seinen Antrag hin erfolgte Mitteilung dieser Gründe, unbeschadet der Befugnis des zuständigen Gerichts, von der betreffenden Behörde die Übermittlung dieser Gründe zu verlangen, damit der Betroffene seine Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen verteidigen und in Kenntnis aller Umstände entscheiden kann, ob es angebracht ist, das zuständige Gericht anzurufen, und damit dieses umfassend in die Lage versetzt wird, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Entscheidung zu überprüfen (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass der Rat auf die Schreiben der Klägerin vom 1. und 17. März 2023 hin mit Schreiben vom 31. März 2023 geantwortet hat, dass alle Informationen, die die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen rechtfertigten, im zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 und in den Art. 3 und 3b des geänderten Beschlusses 2014/512 sowie im vierten Erwägungsgrund und in den Art. 2, 2a und 2b der geänderten Verordnung Nr. 833/2014 enthalten seien.

84      Somit ist festzustellen, dass der vom Rat angeführte Grund, der in den einschlägigen Bestimmungen der ursprünglichen Rechtsakte selbst festgehalten ist und dessentwegen restriktive Maßnahmen gegen die Klägerin verhängt wurden, im Wesentlichen darin besteht, dass die Klägerin eine Organisation sei, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstütze.

85      Folglich konnte die Klägerin, wie sich oben aus Rn. 58 ergibt, die Gründe für die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen erkennen, und dies ermöglichte es ihr im Sinne der oben in Rn. 82 angeführten Rechtsprechung, ihre Rechte unter den bestmöglichen Bedingungen zu verteidigen und in Kenntnis aller Umstände zu entscheiden, ob es angebracht sei, das zuständige Gericht anzurufen.

2)      Zu den Fortsetzungsrechtsakten

86      Bei einer Entscheidung, mit der restriktive Maßnahmen gegen eine Person aufrechterhalten werden, die von diesen Maßnahmen bereits betroffen ist, ist der Rat verpflichtet, dieser Person die ihm vorliegenden Informationen mitzuteilen, auf die er seine Entscheidung stützt, und muss sie in die Lage versetzen, vor Erlass der Entscheidung ihren Standpunkt zu den gegen sie herangezogenen Gründen in sachdienlicher Weise vorzutragen. Diese doppelte Verfahrenspflicht muss vor dem Erlass dieser Entscheidung erfüllt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2011, Frankreich/People’s Mojahedin Organization of Iran, C‑27/09 P, EU:C:2011:853, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 111 bis 113 und die dort angeführte Rechtsprechung).

87      Das Recht auf Anhörung vor Erlass von Rechtsakten, mit denen restriktive Maßnahmen gegen Personen aufrechterhalten werden, die von diesen Maßnahmen bereits betroffen sind, besteht jedoch, wenn der Rat zulasten dieser Personen neue Erkenntnisse berücksichtigt hat, und nicht, wenn eine solche Aufrechterhaltung auf denselben Gründen beruht, mit denen auch der ursprüngliche Rechtsakt gerechtfertigt wurde, mit dem die betreffenden restriktiven Maßnahmen erlassen wurden (Urteile vom 28. Juli 2016, Tomana u. a./Rat und Kommission, C‑330/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:601, Rn. 67, und vom 7. Juni 2023, Shakutin/Rat, T‑141/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:303, Rn. 74).

88      Selbst wenn also wie im vorliegenden Fall die in den Fortsetzungsrechtsakten  beschlossene Beibehaltung der Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen auf denselben Gründen beruht, mit denen auch die ursprünglichen Rechtsakte gerechtfertigt wurden, mit denen die betreffenden restriktiven Maßnahmen erlassen wurden, muss der Rat der Klägerin bei der regelmäßigen Überprüfung der gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen etwaige neue Erkenntnisse mitteilen, mit denen er seine Informationen – nicht nur über ihre persönliche Lage, sondern auch über die Lage in dem betreffenden Drittland – aktualisiert hat, und ihre Stellungnahme zu diesen Erkenntnissen einholen, bevor er über die Aufrechterhaltung entscheidet (vgl. Urteil vom 7. Juni 2023, Shakutin/Rat, T‑141/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2023:303, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

89      Im vorliegenden Fall unterscheiden sich die Gründe für den Erlass der Fortsetzungsrechtsakte jedoch nicht von denen für den Erlass der ursprünglichen Rechtsakte, so dass der Rat nach der oben in Rn. 86 angeführten Rechtsprechung nicht verpflichtet war, die Klägerin anzuhören, bevor er die Fortsetzungsrechtsakte erließ.

90      Mithin ist das Vorbringen der Klägerin, der Rat habe ihr zu Unrecht nicht die Gründe für den Erlass der Fortsetzungsrechtsakte mitgeteilt, zurückzuweisen. Ebenso wenig war der Rat im vorliegenden Fall nach der oben in den Rn. 86 und 87 angeführten Rechtsprechung verpflichtet, der Klägerin seine Absicht mitzuteilen, ihren Namen auf den streitigen Listen zu belassen.

91      Darüber hinaus hat der Rat zum einen mit Schreiben vom 24. Juli 2023 auf das Ersuchen der Klägerin vom 13. Juni 2023 geantwortet, mit dem sie die Entfernung ihres Namens aus den streitigen Listen begehrte. In diesem Schreiben hat der Rat ausgeführt, dass der Grund für die Aufnahme des Namens der Klägerin in diese Listen – nämlich der Umstand, dass sie den militärisch-industriellen Komplex Russlands bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstütze – in den einschlägigen Bestimmungen der Fortsetzungsrechtsakte und im zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 klar angegeben worden sei. Da das Vorbringen der Klägerin im Wesentlichen ihr Vorbringen aus der Klageschrift in der vorliegenden Rechtssache zusammenfasste, hat der Rat sie auf die Klagebeantwortung verwiesen. Zum anderen hat er ihr mitgeteilt, dass er beschlossen habe, ihren Namen auf den streitigen Listen zu belassen, und dass sie bis zum 1. Dezember 2023 erneut Stellung nehmen könne.

92      Hinsichtlich des Rechtsakts vom Januar 2024 hat der Rat mit Schreiben vom 30. Januar 2024 auf das Schreiben der Klägerin vom 6. Dezember 2023 erwidert, dass das Vorbringen in Letzterem aus den in seiner Stellungnahme im ersten Anpassungsschriftsatz dargelegten Gründen unbegründet sei.

93      Insbesondere hat der Rat zum einen darauf hingewiesen, dass er zwar nicht über eine gesonderte Beweisakte zur Klägerin verfüge, dies aber nicht bedeute, dass er zum Zeitpunkt der Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen die allgemein und öffentlich zugänglichen Informationen über ihre Tätigkeiten und früheren Verträge mit der russischen Armee nicht gekannt habe; zum anderen hat er darauf aufmerksam gemacht, dass ihr die angeforderten Dokumente bereits als Anlage zur Klagebeantwortung in der vorliegenden Rechtssache übermittelt worden seien.

94      Ferner ist zur Rüge der Klägerin, der Rat habe ihr erst in der Klagebeantwortung die Unterlagen zur Stützung der Belassung ihres Namens auf den streitigen Listen übermittelt, zum einen festzustellen, dass diese am 10. Juli 2024 zugestellten Unterlagen keine „neuen Erkenntnisse“ im Sinne der oben in Rn. 87 angeführten Rechtsprechung sind, da diese Belassung auf denselben Gründen beruht wie die erstmalige Aufnahme. Zum anderen wurden in Bezug auf die Fortsetzungsrechtsakte diese Unterlagen jedenfalls innerhalb einer angemessenen Frist übermittelt, die ausreichte, um es der Klägerin unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zu ermöglichen, ihre Verteidigungsrechte geltend zu machen.

95      Somit ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

96      Im Übrigen macht die Klägerin im Rahmen ihrer hilfsweise erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit des Beschlusses 2014/512 und der Verordnung Nr. 833/2014 geltend, diese Rechtsakte seien rechtswidrig, sofern sie dahin ausgelegt würden, dass der Rat entscheiden könne, den Namen einer Person oder Organisation auf den streitigen Listen zu belassen, ohne diese Person oder Organisation zuvor über die Gründe dieser Entscheidung oder über seine Absicht, sie darauf zu belassen, zu unterrichten. Hierzu ist festzustellen, dass sich, wie der Rat einräumt, aus Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta ergibt, dass das Recht auf Anhörung in jedem Verfahren zu wahren ist, das zu einer beschwerenden Maßnahme führen kann, auch wenn die anwendbare Regelung eine solche Formalität nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. Urteil vom 12. Mai 2022, Boshab/Rat, C‑242/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:375, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie jedoch aus den Rn. 87 und 90 des vorliegenden Urteils hervorgeht, besteht das Recht auf Anhörung vor Erlass von Rechtsakten, mit denen restriktive Maßnahmen gegen Personen aufrechterhalten werden, die von diesen Maßnahmen bereits betroffen sind, nicht, wenn eine solche Aufrechterhaltung auf denselben Gründen beruht, mit denen auch der ursprüngliche Rechtsakt gerechtfertigt wurde, mit dem die betreffenden restriktiven Maßnahmen erlassen wurden.

97      Daraus folgt, dass das Recht der Klägerin auf Anhörung zu wahren war, auch wenn die angefochtenen Rechtsakte dieses Recht nicht ausdrücklich vorsehen, so dass die Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen ist.

3.      Zum dritten Klagegrund: Beurteilungsfehler

98      Die Klägerin macht geltend, der Rat habe nicht nachgewiesen, dass die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage beruhe.

99      Erstens gehe aus dem zehnten Erwägungsgrund des Beschlusses 2023/434 hervor, dass sich der Rat auf die Annahme gestützt habe, dass die Klägerin den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation bei deren Angriffskrieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstütze. Es sei jedoch Sache des Rates, den Beweis dafür zu erbringen, dass sie diesen militärisch-industriellen Komplex unterstütze. Außerdem sei der Rat verpflichtet, auf ein entsprechendes Ersuchen hin sämtliche Umstände mitzuteilen, auf denen die erlassenen Rechtsakte beruhten. Der Rat sei diesen Verpflichtungen jedoch nicht nachgekommen.

100    Die Klägerin bestreitet nämlich, eine Organisation zu sein, die den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation bei deren Krieg gegen die Ukraine unmittelbar unterstütze, und macht geltend, der Rat habe trotz ihrer wiederholten Ersuchen nichts vorgelegt, was diese Behauptung stützen könne.

101    Zweitens trägt die Klägerin in der Erwiderung hinsichtlich der vom Rat in der Anlage zur Klagebeantwortung vorgebrachten Gesichtspunkte vor, der Rat habe angesichts dessen, dass gewisse Presseartikel vor Erlass der angefochtenen Rechtsakte veröffentlicht worden seien, gegen seine Verpflichtung verstoßen, die ihm zur Verfügung stehenden Beweise vorzulegen, sofern er bereits vor Erlass der Rechtsakte im Besitz dieser Artikel gewesen sei. Sei er zu diesem Zeitpunkt nicht in deren Besitz gewesen, könnten diese Beweise nicht als nachträgliche Rechtfertigung dienen.

102    Drittens erläuterten die der Klagebeantwortung beigefügten Beweise nicht die Kriterien für die Aufnahme der Klägerin in die streitigen Listen und seien unzulässig, da sie verspätet – im Stadium der Klagebeantwortung – vorgelegt worden seien und nicht zuverlässig seien.

103    Viertens reichten die vom Rat vorgelegten Beweise nicht aus, um nachzuweisen, dass sie den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation unmittelbar unterstütze.

104    In dieser Hinsicht bestreitet die Klägerin als Erstes, dass die Erbringung von Roamingdiensten in den Regionen Cherson, Saporischschja, Donezk, Luhansk und auf der Krim deren Integration in die Russische Föderation erleichtere. Die vom Rat übermittelten Presseartikel bewiesen nicht das Gegenteil.

105    Als Zweites bestreitet sie, dass sie Telekommunikationsdienste auf der Krim erbringe und SIM-Karten verkaufe. Sie stellt auch die Zuverlässigkeit der vom Rat zur Untermauerung dieser Behauptung vorgelegten Screenshots von Presseartikeln und Websites in Frage.

106    Als Drittes bestreitet sie, dass sie eine Infrastruktur in der Region Charkiw aufgebaut habe. Insoweit handele es sich bei den Auszügen aus den Artikeln, auf die sich der Rat gestützt habe, nicht um zuverlässige Beweise.

107    Als Viertes bestreitet sie die Behauptung des Rates, sie habe Verträge mit den russischen Militärbehörden abgeschlossen, was eine enge Verbindung zu diesen Behörden belegen solle. Hierzu macht sie zum einen geltend, dass es sich bei der vom Rat erwähnten Website nicht um eine offizielle Website handele, die die vom russischen Staat geschlossenen Verträge aufliste, und zum anderen, dass die Verträge, die in den vom Rat übermittelten Unterlagen aufgeführt seien, vor der Invasion der Ukraine geschlossen worden seien und in keinem Zusammenhang mit militärischen Operationen stünden.

108    Ferner legt sie als Anlage zum ersten Anpassungsschriftsatz einen Prüfungsbericht vor und macht geltend, die fragliche Prüfung widerlege die Behauptung des Rates, dass sie über eine Infrastruktur in der Region Charkiw verfüge. Im Übrigen werde zum einen die Zuverlässigkeit des Berichts nicht dadurch beeinträchtigt, dass er für das Verfahren vor dem Gericht erstellt worden sei, und zum anderen sei die Auslegung des Berichts durch den Rat spekulativ. Dagegen beruhten die Behauptungen des Rates in Bezug auf die genannte Infrastruktur nur auf Beweisen aus einer einzigen Quelle und seien wenig glaubhaft.

109    Der Rat, unterstützt durch die Kommission, tritt diesem Vorbringen entgegen.

110    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung zwar zutrifft, dass der Rat ein gewisses Ermessen hat, um im Einzelfall festzustellen, ob die rechtlichen Kriterien, auf die die betreffenden restriktiven Maßnahmen gestützt werden, erfüllt sind, doch müssen die Unionsgerichte eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit sämtlicher Handlungen der Union gewährleisten (vgl. Urteile vom 3. Juli 2014, National Iranian Tanker Company/Rat, T‑565/12, EU:T:2014:608, Rn. 54 und 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 26. Oktober 2022, Ovsyannikov/Rat, T‑714/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:674, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111    Zudem erfordert die durch Art. 47 der Charta gewährleistete Effektivität der gerichtlichen Kontrolle insbesondere, dass sich der Unionsrichter vergewissert, dass die Entscheidung, mit der restriktive Maßnahmen erlassen oder aufrechterhalten werden und die eine individuelle Betroffenheit der betreffenden Person oder Organisation begründet, auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht. Dies setzt eine Überprüfung der Tatsachen voraus, die in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Begründung angeführt werden, so dass sich die gerichtliche Kontrolle nicht auf die Beurteilung der abstrakten Wahrscheinlichkeit der angeführten Gründe beschränkt, sondern auf die Frage erstreckt, ob diese Gründe – oder zumindest einer von ihnen, der für sich genommen als ausreichend angesehen wird, um diese Entscheidung zu stützen – erwiesen sind (Urteil vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 119).

112    Bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit der Gründe sind die Beweise und Informationen nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang zu prüfen, in dem sie stehen. Denn der Rat genügt der ihm obliegenden Beweislast, wenn er vor dem Unionsgericht auf ein Bündel von Indizien hinweist, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die Feststellung ermöglichen, dass eine hinreichende Verbindung zwischen der Person, die einer restriktiven Maßnahme unterworfen ist, und dem Regime oder ganz allgemein den bekämpften Situationen besteht (Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 124).

113    Im Streitfall ist es Sache der zuständigen Unionsbehörde, die Stichhaltigkeit der gegen die betroffene Person angeführten Begründung nachzuweisen, und nicht Sache der betroffenen Person, den Negativbeweis der fehlenden Stichhaltigkeit dieser Begründung zu erbringen (vgl. Urteil vom 15. Juni 2017, Kiselev/Rat, T‑262/15, EU:T:2017:392, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Darüber hinaus hat die dem Gericht obliegende Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit – insbesondere im Hinblick auf Streitigkeiten über restriktive Maßnahmen – nicht nur auf der Grundlage der in den Begründungen der streitigen Rechtsakte enthaltenen Angaben, sondern auch auf der Grundlage der Angaben zu erfolgen, die der Rat dem Gericht im Bestreitensfall vorlegt, um die Stichhaltigkeit der behaupteten Tatsachen nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. April 2021, Rat/PKK, C‑46/19 P, EU:C:2021:316, Rn. 64).

115    Anhand dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist die Begründetheit des Vorbringens der Klägerin zu prüfen.

a)      Zu den ursprünglichen Rechtsakten

116    In Bezug auf die ursprünglichen Rechtsakte ist erstens zu prüfen, ob die vom Rat in der Anlage zu seinen Schriftsätzen vorgebrachten Gesichtspunkte zur Stützung der Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen herangezogen werden konnten, und zweitens, ob der Rat einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er davon ausging, dass die Klägerin den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstütze.

117    Der Rat stützt sich insoweit auf vier Behauptungen: Erstens erbringe die Klägerin Roamingdienste in den Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson und auf der Krim, zweitens erbringe sie Telekommunikationsdienste auf der Krim, drittens verfüge sie über eine Infrastruktur in der Region Charkiw, und viertens habe sie mit der russischen Armee Verträge über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten geschlossen.

1)      Zu der Möglichkeit des Rates, sich auf im Stadium der Klagebeantwortung vorgelegte Beweise zu berufen

118    Zunächst ist zu dem vom Rat für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die streitigen Listen angeführten Grund, dass diese den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation unmittelbar unterstütze, festzustellen, dass der Rat der Klägerin auf deren Anfrage geantwortet hat, dass alle Informationen, die diese Aufnahme rechtfertigten, in den einschlägigen Bestimmungen der ursprünglichen Rechtsakte enthalten seien. Der Rat hat diese Beweise in der Tat erst im Stadium der Klagebeantwortung vorgelegt. Somit ist zu prüfen, ob er sich darauf berufen konnte.

119    Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass die Tatsache, dass der Rat nicht mitteilt, aufgrund welcher Gesichtspunkte er den Namen einer Person in eine Liste mit restriktiven Maßnahmen aufgenommen hat, nicht geeignet ist, die Verteidigungsrechte dieser Person zu beeinträchtigen, sofern diese Gesichtspunkte einen bekannten Kontext darstellen – also öffentlich zugänglich sind und daher als allgemein bekannt gelten können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. April 2016, Central Bank of Iran/Rat, C‑266/15 P, EU:C:2016:208, Rn. 37, und vom 25. März 2015, Central Bank of Iran/Rat, T‑563/12, EU:T:2015:187, Rn. 85 und 97).

120    Im vorliegenden Fall kann als allgemein bekannt gelten, dass einer der wichtigsten Telekommunikationsbetreiber der Russischen Föderation
– wie die Klägerin, was sie auch nicht bestreitet – in Kriegszeiten an der unmittelbaren Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes Russlands beteiligt ist.

121    Die Klägerin stellt jedoch in Abrede, dass der Rat zur Untermauerung der Behauptung, sie unterstütze unmittelbar den militärisch-industriellen Komplex Russlands, in der Anlage zur Klagebeantwortung mehrere Beweise vorgelegt habe.

122    Hierzu ist festzustellen, dass der Rat nicht verpflichtet war, der Klägerin die schriftlichen Beweise zu übermitteln, auf denen die ursprüngliche Entscheidung beruhte, ihren Namen in die streitigen Listen aufzunehmen, da die behaupteten Tatsachen als allgemein bekannt gelten konnten, wie oben in Rn. 120 dargelegt. Mithin war der Rat nicht verpflichtet, insoweit schriftliche oder andere Beweise vorzulegen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 7. April 2016, Central Bank of Iran/Rat, C‑266/15 P, EU:C:2016:208, Rn. 38, und vom 25. März 2015, Central Bank of Iran/Rat, T‑563/12, EU:T:2015:187, Rn. 97).

123    Somit ist es zwar grundsätzlich Sache des Rates, in seinen Entscheidungen die Richtigkeit der Tatsachen zu belegen, auf denen die Aufnahme des Namens einer Person in Listen mit restriktiven Maßnahmen beruht, doch gilt dies nicht, wenn er allgemein bekannte Tatsachen anführt, deren Richtigkeit eine von restriktiven Maßnahmen betroffene Person vor dem Gericht bestreiten kann. In einem solchen Fall folgt aus dem Grundsatz der Waffengleichheit, dass der Rat berechtigt ist, dem Gericht allgemein und öffentlich zugängliche Unterlagen vorzulegen, um die Richtigkeit einer allgemein bekannten Tatsache zu belegen, die in der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung nicht bewiesen worden ist, wodurch es dem Gericht ermöglicht wird, diese Tatsache und ihre Richtigkeit auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte zu prüfen und über die Rüge der klagenden Partei zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 10. November 2011, LG Electronics/HABM, C‑88/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:727, Rn. 27 bis 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124    Wie der Rat in der mündlichen Verhandlung und in seinen Schriftsätzen ausgeführt hat, war er mit dem allgemeinen Kontext sowie den allgemein und öffentlich zugänglichen Informationen vertraut, die die Organisationen betrafen, deren Namen er in die streitigen Listen aufzunehmen entschied, zu denen namentlich auch die Klägerin gehörte. So konnte sich der Rat im vorliegenden Fall – obwohl er zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Rechtsakte keine Beweisakte angelegt hatte – im Bestreitensfall auf allgemein und öffentlich zugängliche Informationen berufen, um seine Behauptungen zu einer Tatsache zu untermauern, die als allgemein bekannt gelten konnte.

2)      Zur Würdigung des Sachverhalts

125    Zunächst ist die Rüge der Klägerin zu prüfen, bestimmte Beweise seien nicht zuverlässig, und sodann ist zu prüfen, ob der Rat die Tatsachen falsch gewürdigt hat.

i)      Zur Zuverlässigkeit der Beweise

126    Zu der von der Klägerin in Teilen beanstandeten Glaubhaftigkeit der Beweise ist daran zu erinnern, dass sich die Unionsbehörden, da ihnen in Drittstaaten keine Ermittlungsbefugnisse zustehen, bei ihrer Beurteilung de facto auf öffentlich zugängliche Informationsquellen, Berichte, Presseartikel, Geheimdienstberichte oder andere ähnliche Informationsquellen stützen müssen (Urteile vom 14. März 2018, Kim u. a./Rat und Kommission, T‑533/15 und T‑264/16, EU:T:2018:138, Rn. 107, und vom 16. Dezember 2020, Haswani/Rat, T‑521/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:608, Rn. 142).

127    Insoweit wäre es übertrieben und unverhältnismäßig, vom Rat zu verlangen, selbst vor Ort Nachforschungen zur Richtigkeit von Tatsachen anzustellen, die von zahlreichen Medien berichtet werden (Urteile vom 25. Januar 2017, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat, T‑255/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:25, Rn. 148, und vom 1. Juni 2022, Prigozhin/Rat, T‑723/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:317, Rn. 59).

128    Ferner gilt für die Unionsgerichte der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und für die Würdigung der vorgelegten Beweise ist allein ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich. Insoweit ist zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments die Plausibilität der darin enthaltenen Informationen zu untersuchen, wobei insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen sind und die Frage zu beantworten ist, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Im vorliegenden Fall beanstandet die Klägerin die Zuverlässigkeit bestimmter Beweise, auf die sich der Rat stützt.

130    Insbesondere macht sie erstens in Bezug auf die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, einschließlich Roamingdiensten, auf der Krim geltend, die Website „Fans von MegaFon“ und die Internetseite „Help-Desk MegaFon“ – nach deren Angaben die Klägerin Internetdienste auf der Krim erbringe – seien nicht zuverlässig, da sie ihre Informationen aus einer nicht offiziellen Quelle bezögen; zweitens beanstandet sie hinsichtlich der Behauptung, sie verfüge über eine Infrastruktur in der Region Charkiw, den Beweiswert des Artikels des auf Mittel- und Osteuropa spezialisierten Think Tanks (Denkfabrik) Centre for Eastern Studies vom 25. April 2022 sowie des Artikels der Online-Zeitung Ukrainska Pravda vom 24. April 2022, da diese Veröffentlichungen keine Quellenangaben enthielten und ihre Unabhängigkeit fragwürdig sei; drittens macht sie betreffend die Verbindung zwischen ihr und der russischen Armee geltend, die Auszüge aus einer Internetseite mit Listen von Verträgen über Telekommunikationsdienste, die sie zwischen 2013 und 2021 mit der russischen Armee geschlossen habe, stammten nicht von einer offiziellen Internetseite.

131    Hierzu ist festzustellen, dass im Einklang mit der oben in den Rn. 126 bis 128 angeführten Rechtsprechung die vom Rat herangezogenen Beweise aus verschiedenen Quellen stammen und u. a. aus Presseartikeln bestehen. Sämtliche dieser Beweise sind öffentlich zugänglich.

132    Daher sind hinsichtlich der Artikel der Internetseiten „Fans von MegaFon“ und „Help-Desk MegaFon“ sowie des Auszugs aus der Internetseite mit der Liste der Verträge zwischen der Klägerin und der russischen Armee die Behauptungen der Klägerin, diese Quellen seien nicht glaubwürdig, da es sich nicht um Seiten ihrer offiziellen Websites handele, zurückzuweisen, da es an Anhaltspunkten fehlt, die die Zuverlässigkeit dieser Quellen in Zweifel ziehen könnten.

133    Auch in Bezug auf die Artikel des Centre for Eastern Studies und der Zeitung Ukrainska Pravda wird das Vorbringen der Klägerin, wonach diese beiden Artikel, von denen einer den anderen wiedergebe, keine Quellenangaben enthielten und ihre Unabhängigkeit fragwürdig sei, nicht durch konkrete Anhaltspunkte untermauert – abgesehen von dem im Auftrag der Klägerin erstellten Prüfungsbericht, der jedoch auf der Grundlage der von ihr selbst bereitgestellten Daten erstellt wurde. Was insbesondere das Centre for Eastern Studies betrifft, so ist dieses ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat, nämlich in Warschau (Polen), und es besteht kein Anlass, die Glaubwürdigkeit der von ihm veröffentlichten Artikel in Zweifel zu ziehen. Die Behauptungen der Klägerin sind daher nicht geeignet, die Zuverlässigkeit dieser Beweise in Frage zu stellen.

134    Im Übrigen bestreitet die Klägerin nicht, dass sie Roamingdienste erbringt, um ihre Kunden in den Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson und auf der Krim zu versorgen.

135    In Anbetracht des Vorstehenden und mangels Anhaltspunkten in den Akten, die die Zuverlässigkeit der vom Rat herangezogenen Quellen in Frage stellen könnten, sind diese Quellen als zuverlässig anzusehen, so dass ihnen ein gewisser Beweiswert im Sinne der oben in Rn. 128 angeführten Rechtsprechung zuzuerkennen ist.

ii)    Zur Erheblichkeit und Hinlänglichkeit der vom Rat vorgelegten Beweise

136    Zum Vorbringen der Klägerin, die vom Rat vorgelegten Beweise seien nicht geeignet, die oben in den Rn. 103 bis 107 wiedergegebenen Behauptungen des Rates zu bestätigen, ist zu prüfen, ob diese Beweise geeignet sind, zu belegen, dass die Klägerin den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstützt.

137    Was erstens die Roamingdienste in den Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie auf der Krim betrifft, macht die Klägerin geltend, die Erbringung dieser Dienste sei kein Beweis für die behauptete Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes Russlands. Sie bestreitet jedoch nicht, dass sie diese Dienste in diesen Regionen erbringt.

138    Es ist festzustellen, dass – wie der Rat anführt – die Erbringung von Roamingdiensten in dem Kontext, in dem die Beweise zu würdigen sind, d. h. im Rahmen eines anhaltenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, geeignet ist, die „Integration“ dieser Regionen in die Russische Föderation zu erleichtern und zu festigen. Denn es trifft zwar zu, dass die Erbringung von Roamingdiensten an sich in einem anderen Kontext unproblematisch wäre. Die Erbringung dieser Dienste an die Kunden der Klägerin auf der Grundlage einer Zusammenarbeit mit einem „lokalen Betreiber“ erleichtert jedoch die Aktivitäten der Kunden in diesen von Russland kontrollierten Gebieten der Ukraine, denn sie können in den besetzten Gebieten weiterhin ihre russische SIM-Karte nutzen und telefonieren, SMS versenden und sich mit dem Internet verbinden, während sie sich dort aufhalten, ohne die Dienste eines lokalen Mobilfunkbetreibers abonnieren zu müssen. Somit erleichtert die Klägerin die Kommunikation russischer Nutzer zwischen Russland und den besetzten Gebieten der Ukraine. Diese Schlussfolgerung wird dadurch untermauert, dass sie erst damit begonnen hat, diese Dienste zu erbringen, nachdem der militärische Angriff in der Ukraine eingeleitet worden war.

139    Daraus folgt, dass der Rat zu Recht davon ausgehen konnte, dass die Erbringung von Roamingdiensten angesichts der politischen und militärischen Entwicklungen in den fraglichen Regionen sowie im Kontext des anhaltenden Krieges geeignet war, die territoriale Unversehrtheit der Ukraine weiter zu untergraben, und somit ein Indiz für die Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes Russlands durch die Klägerin darstellte.

140    Was zweitens die Erbringung von Telekommunikationsdiensten auf der Krim betrifft – was die Klägerin bestreitet –, hat der Rat einen Artikel der Internetseiten „Fans von MegaFon“ und „Help-Desk MegaFon“ vorgelegt. Aus den oben in den Rn. 138 und 139 dargelegten Gründen trägt die Erbringung dieser Dienste umso mehr zur Unterstützung des militärisch-industriellen Komplexes Russlands bei. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin keine derartigen Dienste auf der Krim erbringe, ist jedenfalls unstreitig, dass sie dort Roamingdienste erbrachte.

141    Drittens weisen die vom Centre for Eastern Studies und der Zeitung Ukrainska Pravda veröffentlichten Artikel, die der Rat vorgelegt hat, auf das Vorhandensein einer Infrastruktur der Klägerin in der Region Charkiw hin.

142    Viertens macht die Klägerin zu den Verträgen, die sie zwischen 2013 und 2021 mit der russischen Armee geschlossen hat, zum einen geltend, dass diese Verträge vor der Invasion der Ukraine geschlossen worden seien, und zum anderen, dass die fraglichen Dienste nicht im Rahmen militärischer Operationen genutzt werden könnten.

143    Hierzu legt der Rat Auszüge aus der Internetseite „ClearSpending“ vor, in denen diese Verträge mit ihrer jeweiligen Laufzeit aufgeführt sind. Insoweit ist zum einen festzustellen, dass die vom Rat vorgelegten Beweise zwar zeigen, dass die Klägerin und die russische Armee zwischen 2013 und 2021 Verträge geschlossen haben, diese Verträge jedoch auch belegen, dass eine langfristige Verbindung zwischen der Klägerin und der russischen Armee besteht. Zum anderen ist trotz des Fehlens von Beweisen für eine etwaige Fortsetzung dieser Verträge festzustellen, dass das fast ein Jahrzehnt andauernde Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der russischen Armee das Vorbringen stützt, dass die Klägerin nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine eine Organisation sei, die den militärisch-industriellen Komplex der Russischen Föderation unmittelbar unterstütze.

144    Nach alledem ist festzustellen, dass die vom Rat vorgelegten Beweise ein Bündel von Indizien darstellen, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die bestätigen, dass die Klägerin den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstützt. Folglich hat der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen.

b)      Zu den Fortsetzungsrechtsakten

145    Zu den Fortsetzungsrechtsakten ist erstens festzustellen, dass sich der Rat, wie oben in Rn. 124 ausgeführt, auf Beweise berufen kann, die er im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht als Anlage zur Klagebeantwortung auf die Einwände der Klägerin hin übermittelt hat, um die Richtigkeit einer Tatsache zu untermauern, die als allgemein bekannt gelten kann.

146    Im Übrigen hat der Rat in Bezug auf die Fortsetzungsrechtsakte jedenfalls am 24. Juli 2023 u. a. ein Schreiben an die Klägerin gesandt, mit dem er ihr mitteilte, dass die angefochtenen Rechtsakte ihr gegenüber verlängert würden, und dabei ausdrücklich auf die Angaben verwies, die als Anlage zu der am 28. Juni 2023 eingereichten Klagebeantwortung übermittelt worden waren. Der Rat kann sich daher auf diese Angaben stützen, um die Stichhaltigkeit der in Bezug auf die Klägerin behaupteten Tatsachen nachzuweisen.

147    Zweitens stützen sich die Behauptungen des Rates aus den oben in den Rn. 129 bis 144 genannten Gründen auf zuverlässige und relevante Beweise.

148    Mithin hat der Rat ein Bündel von Indizien vorgelegt, die hinreichend konkret, genau und übereinstimmend sind und die belegen, dass die Klägerin das in Rede stehende Aufnahmekriterium erfüllte.

149    Was drittens den allgemeinen Kontext betreffend die Situation in der Ukraine angeht, so bestand zum Zeitpunkt des Erlasses der Fortsetzungsrechtsakte die sehr ernste Lage im Land fort, und das mit den ursprünglichen Rechtsakten angestrebte Ziel, nämlich Druck auf die russische Regierung auszuüben, damit sie ihre Handlungen und ihre Politiken, die die Ukraine destabilisieren, beende, war nach wie vor aktuell.

150    Was viertens den Prüfungsbericht betrifft, den die Klägerin als Anlage zum ersten Anpassungsschriftsatz vorgelegt hat, um nachzuweisen, dass sie über keine Infrastruktur in der Region Charkiw verfüge, so ist dessen Beweiswert im Licht der oben in Rn. 128 angeführten Rechtsprechung als gering einzustufen. Denn zum einen wurde dieser Bericht im Auftrag der Klägerin für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache erstellt, und zum anderen heißt es darin zwar, der Prüfer habe keine Aufzeichnungen über Vermögenswerte der Klägerin identifiziert, die u. a. der Region Charkiw zuzurechnen seien, doch lässt sich daraus nicht zwingend ableiten, dass die Klägerin dort über keine Infrastruktur verfügte. Darüber hinaus heißt es in dem Bericht, er sei auf der Grundlage von mit der Klägerin vereinbarten Verfahren erstellt worden und es könne nicht gewährleistet werden, dass die Ergebnisse anders ausgefallen wären, wenn zusätzliche Verfahren durchgeführt worden wären.

151    In Anbetracht all dieser Erwägungen hat der Rat keinen Beurteilungsfehler begangen, als er die Klägerin als eine Organisation ansah, die den militärisch-industriellen Komplex Russlands unmittelbar unterstützt, und infolgedessen ihren Namen auf den streitigen Listen belassen hat.

152    Nach alledem ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

4.      Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Schädigung des Rufs der Klägerin

153    Die Klägerin macht geltend, die angefochtenen Rechtsakte griffen in ihre in Art. 16 der Charta verankerte unternehmerische Freiheit ein und schädigten ihren Ruf. Denn sie könne keine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen, und es werde verhindert, dass sie den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübe. Außerdem könne die Aufnahme ihres Namens in die streitigen Listen nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die erforderlich und geeignet sei, um das Ziel zu erreichen, die Handlungen der Russischen Föderation abzuwehren, die die Lage in der Ukraine destabilisierten.

154    Darüber hinaus sei erstens gegen die anderen großen russischen Telekommunikationsbetreiber keine restriktive Maßnahme verhängt worden. Zweitens werde der Zugang zum Internet als Menschenrecht betrachtet, und Einschränkungen dieses Zugangs könnten die Rechte der Nutzer der Klägerin auf freie Meinungsäußerung, Privatleben und Bildung beeinträchtigen.

155    Der Rat und die Kommission widersprechen diesem Vorbringen.

156    Es ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört und in Art. 5 Abs. 4 EUV übernommen wurde, verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgehen (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 190 und die dort angeführte Rechtsprechung).

157    Im vorliegenden Fall wird die unternehmerische Freiheit der Klägerin eingeschränkt, und ihr Ruf wird durch die gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen in gewissem Umfang beeinträchtigt.

158    Obwohl aber die Achtung der Grundrechte eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Union bildet, genießen nach ständiger Rechtsprechung die von der Klägerin geltend gemachten Grundrechte – nämlich das Recht auf unternehmerische Freiheit und das Recht auf Achtung des Rufs – im Unionsrecht keinen absoluten Schutz. Folglich kann die Ausübung dieser Rechte Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen der Union entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antasten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 193 und die dort angeführte Rechtsprechung).

159    Um mit dem Unionsrecht vereinbar zu sein, muss eine Beeinträchtigung der betreffenden Grundrechte daher gesetzlich vorgesehen sein, den Wesensgehalt dieser Freiheit achten, einer als solcher von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung entsprechen und verhältnismäßig sein (vgl. Urteil vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 194 und die dort angeführte Rechtsprechung).

160    Diese vier Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

161    Erstens sind die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen „gesetzlich vorgesehen“, da sie in Rechtsakten festgelegt sind, die insbesondere allgemeine Geltung haben, für die es eine eindeutige Rechtsgrundlage im Unionsrecht gibt und die hinreichend vorhersehbar sind.

162    Zweitens gelten die angefochtenen Rechtsakte für sechs Monate und unterliegen einer fortlaufenden Überprüfung. Daher ist, da die genannten Maßnahmen befristet und reversibel sind, davon auszugehen, dass sie den Wesensgehalt der geltend gemachten Freiheiten nicht verletzen.

163    Drittens entsprechen diese Maßnahmen einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, die für die Völkergemeinschaft von grundlegender Bedeutung ist, nämlich die Kosten für die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine untergrabenden Handlungen der Russischen Föderation zu erhöhen und eine friedliche Beilegung der Krise zu unterstützen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 147, und vom 15. November 2023, OT/Rat, T‑193/22, EU:T:2023:716, Rn. 198).

164    Was viertens die Geeignetheit der fraglichen restriktiven Maßnahmen betrifft, so ist im Hinblick auf dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen, die für die Völkergemeinschaft derart grundlegend sind wie die oben in Rn. 163 genannten, darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahmen für sich genommen nicht als unangemessen angesehen werden können. Was des Weiteren die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen angeht, so ist festzustellen, dass die angefochtenen Rechtsakte ein Verbot für bestimmte Produkte vorsehen – nämlich Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie die Güter und Technologien, die in Art. 3a Abs. 7 des geänderten Beschlusses 2014/512 genannt sind – und dass dieses Verbot ausschließlich europäische Wirtschaftsteilnehmer betrifft. Andere, weniger einschneidende Maßnahmen, wie ein System der Vorabgenehmigung, ermöglichen es nicht, das angestrebte Ziel ebenso wirksam zu erreichen.

165    Denn die angefochtenen Rechtsakte betreffen nicht alle Güter, sondern ausschließlich Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck sowie die Güter und Technologien, die in Art. 3a Abs. 7 des geänderten Beschlusses 2014/512 genannt sind, und sie sehen vor, dass Ausnahmen von den angewandten restriktiven Maßnahmen gewährt werden können. Insbesondere sieht Art. 3b Abs. 1 des geänderten Beschlusses 2014/512 Ausnahmen von den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen für Organisationen vor, deren Name in die streitigen Listen aufgenommen wurde, wie dies bei der Klägerin der Fall ist. Konkret können die zuständigen nationalen Behörden in zwei Fällen den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck genehmigen, selbst wenn sie hinreichende Gründe für die Annahme haben, dass es sich bei dem Endnutzer um eine Organisation nach Anhang IV handeln könnte, nämlich wenn diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe zur dringenden Abwendung oder Eindämmung eines Ereignisses erforderlich sind, das voraussichtlich schwerwiegende und wesentliche Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder die Umwelt haben wird, oder wenn diese Güter oder Technologien oder die damit verbundene technische Hilfe oder Finanzhilfe im Rahmen von vor dem 26. Februar 2022 geschlossenen Verträgen oder von für deren Erfüllung erforderlichen akzessorischen Verträgen bereitzustellen sind, sofern die Genehmigung vor dem 1. Mai 2022 beantragt wurde.

166    Fünftens ergibt eine Abwägung der betroffenen Interessen, dass die durch die Beschränkung der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck entstehenden Nachteile nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen. Insoweit kann die Bedeutung der mit den angefochtenen Rechtsakten verfolgten Ziele, die sich im Einklang mit den in Art. 21 EUV verankerten Zielen des auswärtigen Handelns der Union in das umfassendere Ziel der Sicherung des Friedens und der internationalen Sicherheit einfügen, gegenüber – selbst beträchtlichen – negativen Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer überwiegen. Mithin hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die angefochtenen Rechtsakte zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung ihrer unternehmerischen Freiheit und ihres Rufs geführt haben.

167    Soweit die Klägerin im Übrigen in der Erwiderung zum einen geltend macht, dass gegen die anderen großen russischen Telekommunikationsbetreiber keine restriktive Maßnahme verhängt worden sei, und zum anderen vorträgt, dass die ihr auferlegten Beschränkungen die Rechte ihrer Nutzer auf freie Meinungsäußerung, Privatleben und Bildung beeinträchtigen könnten, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen nicht belegt wird.

168    Selbst wenn der Rat es versäumt haben sollte, restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen oder Organisationen des Telekommunikationssektors in der Russischen Föderation zu verhängen, die sich in einer vergleichbaren Lage wie die Klägerin befinden, ist das Vorbringen der Klägerin, dass gegen die anderen großen russischen Telekommunikationsbetreiber keine restriktive Maßnahme verhängt worden sei, jedenfalls zurückzuweisen. Denn die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der ordnungsgemäßen Verwaltung müssen mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit in Einklang gebracht werden (vgl. Urteile vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, EU:T:2009:401, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Mai 2016, Post Bank Iran/Rat, T‑68/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:263, Rn. 135).

169    Zu dem Vorbringen, dass die der Klägerin auferlegten Beschränkungen die Rechte ihrer Nutzer auf freie Meinungsäußerung, Privatleben und Bildung beeinträchtigen könnten, ist festzustellen, dass die Klägerin dieses Vorbringen nicht mit einer spezifischen Argumentation untermauert und insbesondere nicht erläutert hat, inwiefern die Anwendung der strengen Regelung für die Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck geeignet sein soll, diese Rechte zu beeinträchtigen.

170    Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen und ist damit die Klage insgesamt abzuweisen.

V.      Kosten

171    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

172    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

173    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Ferner trägt die Kommission als Organ, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die MegaFon OAO trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Mastroianni

Brkan

Gâlea

Tóth

 

      Kalėda

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Januar 2025.

Unterschriften



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