T-188/24 – Compagnie générale des établissements Michelin/ Kommission

T-188/24 – Compagnie générale des établissements Michelin/ Kommission

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:686

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

9. Juli 2025(*)

„ Wettbewerb – Kartelle – Verwaltungsverfahren – Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird – Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Gegenstand und Zweck der Nachprüfung – Begründungspflicht – Hinreichend ernsthafte Indizien – Schutz des Privatlebens – Gerichtliche Kontrolle “

In der Rechtssache T‑188/24,

Compagnie générale des établissements Michelin mit Sitz in Clermont-Ferrand (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwalt E. Sarrazin, Rechtsanwältin J. Brousseau und Rechtsanwalt J.‑P. Gunther,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Baumé, N. Cambien und M. Domecq als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richterinnen V. Tomljenović und L. Spangsberg Grønfeldt (Berichterstatterin),

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der am 8. April 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

–        der ersten prozessleitenden Maßnahme vom 16. Dezember 2024 und der am 16. bzw. 20. Januar 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten der Klägerin und der Kommission,

–        der zweiten prozessleitenden Maßnahme vom 4. Februar 2025 und der am 21. bzw. 19. Februar 2025 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten der Klägerin und der Kommission,

auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2025

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Compagnie générale des établissements Michelin, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2024) 243 final der Kommission vom 10. Januar 2024, mit dem gegenüber ihr sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften angeordnet wurde, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40863 – Hoops) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Die Klägerin ist u. a. in der Herstellung und im Vertrieb von Reifen für Pkw und Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und weltweit tätig.

3        Am 10. Januar 2024 erließ die Europäische Kommission im Rahmen einer von Amts wegen eingeleiteten Untersuchung den angefochtenen Beschluss, mit dem der Klägerin aufgegeben wurde, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) zu dulden.

4        Art. 1 des angefochtenen Beschlusses hat folgenden Wortlaut:

„[Die Klägerin ist verpflichtet], eine Nachprüfung wegen [ihrer] vermuteten Teilnahme an gegen Art. 101 [AEUV] und gegen Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen zu dulden. Die mutmaßlichen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen [sollen] die Koordinierung der Preise (insbesondere der Großhandelspreise) für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR zwischen den wichtigsten Reifenherstellern [betreffen]. Die vermuteten Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen [sollen] die absichtliche Nutzung der öffentlichen Verlautbarungen der Unternehmen einschließen, um sich gegenseitig über ihre jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien zu informieren und so auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen. Diese Nachprüfung kann in allen Räumlichkeiten [der Klägerin] stattfinden, insbesondere in den [in] Frankreich belegenen Räumlichkeiten.“

5        In Art. 2 Abs. 2 des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass ihre Inspektoren befugt seien, bei der Nachprüfung Unterlagen zu beschlagnahmen. Laut Art. 3 des angefochtenen Beschlusses konnte die Nachprüfung am 30. Januar 2024 oder kurz danach stattfinden.

6        Die maßgebenden Gründe des angefochtenen Beschlusses sind in den nachstehenden Randnummern aufgeführt:

„(2) Der Kommission liegen Informationen vor, die darauf hindeuten, dass die wichtigsten Reifenhersteller im EWR, darunter [die Klägerin], an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen in Bezug auf die Koordinierung der Preise (insbesondere der Großhandelspreise) für neue Ersatzreifen für im EWR verkaufte Pkw und Lkw beteiligt [gewesen sein sollen] und möglicherweise noch sind.

(3) Insbesondere sollen nach den der Kommission vorliegenden Informationen die Reifenhersteller, darunter auch [die Klägerin], wirtschaftlich sensible Informationen (auch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle) über ihre jeweiligen Preisabsichten und ‑strategien ausgetauscht haben, um auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen.

(4) Dieses Verhalten soll mindestens [genanntes Jahr] begonnen haben, es [könne] jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es früher begonnen hat und noch immer andauert [(im Folgenden: Hauptzeitraum)]. Es [gebe] Hinweise darauf, dass es eine vorherige Koordinierung in Bezug auf diese Waren zumindest [in einem vorangegangenen Zeitraum (im Folgenden: vorangegangener Zeitraum, der mehrere Jahre vor dem Hauptzeitraum liegt)] gab.

(5) Die der Kommission vorliegenden Beweise [deuteten] darauf hin, dass [da]s Verhalten neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw betrifft, die im EWR zum Verkauf stehen.

–        …

(8) … In jedem Unternehmen [dürften] die Führungskräfte und eine begrenzte Anzahl von Vertrauenspersonen, darunter diejenigen, die bei der internen Vorbereitung der öffentlichen Erklärungen des Unternehmens helfen, genaue Kenntnis von der Existenz der mutmaßlichen Koordinierungsvereinbarungen und ihrem genauen Zweck, ihren genauen Motiven und ihrer genauen Funktionsweise haben. … Da wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen Verstöße gegen das EU-Wettbewerbsrecht darstellen, die mit Geldbußen geahndet werden können, besteht die Gefahr, dass, wenn Informationen durch Auskunftsverlangen gesammelt wurden oder die Nachprüfung vorab angekündigt wurde, die relevanten Informationen verfälscht oder vernichtet werden. Dies [gelte] für Informationen betreffend den Verdacht, dass das künftige Marktverhalten in Bezug auf die Preise (insbesondere Großhandelspreise) der betreffenden Produkte koordiniert wird, sowie den Verdacht hinsichtlich der Entscheidung der Hersteller, die Wettbewerber öffentlich über die künftige Preispolitik zu informieren.“

7        Am 30. Januar 2024 suchten Inspektoren der Kommission in Begleitung von Vertretern der Autorité de la concurrence (französische Wettbewerbsbehörde) die Geschäftsräume der Klägerin auf, um ihr den angefochtenen Beschluss zuzustellen und die Nachprüfung durchzuführen. Dabei besuchte die Kommission die Büros, sammelte Material (Laptops, Mobiltelefone, Tablets, Speichergeräte), nahm eine Anhörung mehrerer Personen vor und kopierte den Inhalt des gesammelten Materials.

8        Am 2. Februar 2024 wurde die Nachprüfung ausgesetzt.

9        Nach Aussetzung der Nachprüfung übermittelte die Klägerin der Kommission ein Schreiben vom 2. Februar 2024, in dem sie Vorbehalte gegen den Inhalt des angefochtenen Beschlusses und den Ablauf der Nachprüfung äußerte, wobei sie sowohl den sachlichen und zeitlichen Umfang der vermuteten Zuwiderhandlung bestritt als auch einige der von den Inspektoren der Kommission während der Nachprüfung geäußerten Verlangen beanstandete.

10      Am 4. März 2024 wurde die Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Kommission in Brüssel (Belgien) wiederaufgenommen. Sie wurde am 7. März 2024 abgeschlossen.

II.    Anträge der Parteien

11      Die Klägerin beantragt nach dem letzten Stand ihrer Schriftsätze im Wesentlichen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

12      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

13      Vorab ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht festzustellen, dass die Kommission im Stadium der Klagebeantwortung Erläuterungen und sachliche Angaben übermittelt hat, um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, ob sie über hinreichend ernsthafte Indizien für die Vermutung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verfügte, und so ihre Entscheidung zu rechtfertigen, von ihrer Befugnis zur Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Klägerin Gebrauch zu machen.

14      Im Anschluss an diese Mitteilung hat das Gericht zwei prozessleitende Maßnahmen erlassen, um zum einen die Stellungnahme der Klägerin zu diesen Erläuterungen und Angaben einzuholen und zum anderen seitens der Kommission Klarstellungen zu bestimmten Aussagen im angefochtenen Beschluss zu erwirken.

15      Aufgrund der ersten prozessleitenden Maßnahme hatte die Klägerin die Gelegenheit, unter Berücksichtigung der Ausführungen, von denen sie bei der Lektüre der Klagebeantwortung samt Anlagen Kenntnis erlangt hatte, ihr Vorbringen in der Klageschrift schriftlich anzupassen. Die zweite prozessleitende Maßnahme gab der Klägerin die Möglichkeit, sich schriftlich zu den Erläuterungen und sachlichen Angaben zu äußern, die die Kommission auf die erste prozessleitende Maßnahme vorgebracht hatte. Darüber hinaus konnte sich die Klägerin in der Sitzung zu den Erklärungen äußern, die die Kommission aufgrund der zweiten prozessleitenden Maßnahme zu den Antworten der Klägerin auf die erste prozessleitende Maßnahme abgegeben hatte.

16      Der Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses ist daher unter Berücksichtigung der von der Kommission übermittelten Erläuterungen und sachlichen Angaben zu prüfen, deren Inhalt nachstehend bei der Prüfung wiedergegeben wird, ob sie als hinreichend ernsthafte Indizien einzustufen sind, um einen Beschluss zu rechtfertigen, mit dem die Duldung einer Nachprüfung angeordnet wird.

17      Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 296 AEUV und gegen Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 rügt, da der angefochtene Beschluss unzureichend begründet sei, und zweitens eine Verletzung des Grundrechts auf Achtung ihrer Räumlichkeiten und ihrer Kommunikation, auch „Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung“ oder „Recht auf Privatleben“ genannt, da der angefochtene Beschluss willkürlich und unverhältnismäßig sei.

18      Hierzu ist festzustellen, dass die mit der vorliegenden Klage angefochtene Handlung zwar der Beschluss ist, mit dem die betreffende Nachprüfung angeordnet wird, und dass das gesamte Klagevorbringen der Klägerin ausschließlich auf die Nichtigerklärung dieses Beschlusses abzielt, bestimmte im Rahmen des schriftlichen Verfahrens von der Klägerin vorgebrachte Anmerkungen und Argumente aber den Ablauf der Nachprüfung betreffen, die die Kommission in Durchführung des angefochtenen Beschlusses vorgenommen hat.

19      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Art und Weise der Durchführung eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses hat und dass sich daher ein Unternehmen zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung der Handlung, auf deren Grundlage die Kommission diese Nachprüfung vorgenommen hat, nicht auf die angebliche Rechtswidrigkeit des Ablaufs des Nachprüfungsverfahrens berufen kann (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Les Mousquetaires und ITM Entreprises/Kommission, C‑682/20 P, EU:C:2022:578, Nrn. 67 und 68).

20      Da die Klägerin nicht behauptet, dass der Ablauf der Nachprüfung selbst der Grund dafür sei, dass der angefochtene Beschluss unzureichend begründet sei oder ihre Privatsphäre in unzulässiger Weise verletzt worden sei, ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Aufmerksamkeit nur deshalb auf den Ablauf der Nachprüfung gelenkt hat, um zu veranschaulichen, welche angeblichen Mängel an Klarheit oder Genauigkeit der Begründung oder der Tragweite des Eingriffs bestünden, der mit einem Beschluss erlaubt werde, durch den ihr die Duldung einer Nachprüfung aufgegeben werde (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 23 und 24).

21      Daher sind die betreffenden Anmerkungen und Argumente bei der Prüfung der gegen den angefochtenen Beschluss gerichteten Nichtigkeitsgründe unter diesem Gesichtspunkt zu bewerten.

A.      Erster Klagegrund: unzureichende Begründung

22      Nach Ansicht der Klägerin genügt der angefochtene Beschluss aufgrund seines übermäßig knappen, allgemeinen, vagen und mehrdeutigen Inhalts nicht der Begründungspflicht. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses sei aufgrund der Verwendung der Begriffe „und/oder“, „insbesondere“, „auch“ und „mindestens/zumindest“ ungenau und sehr weit gefasst. Dadurch sei der sachliche und zeitliche Umfang der vermuteten Zuwiderhandlung mehrdeutig, ungerechtfertigt bzw. unangemessen, was zur Folge gehabt habe, dass die Klägerin nicht klar habe verstehen können, was ihr vorgeworfen worden sei, und ihr somit die Möglichkeit genommen worden sei, ihre Rechte in vollem Umfang zu wahren.

23      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

1.      Vorbemerkungen

24      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung von Rechtsakten der Organe der Europäischen Union der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen desjenigen, der den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann (vgl. Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das der Adressat an Erläuterungen haben kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Außerdem ist der rechtliche Rahmen zu berücksichtigen, in dem die Nachprüfungen der Kommission stattfinden. Art. 4 und Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 verleihen der Kommission nämlich Nachprüfungsbefugnisse, damit sie ihren Auftrag erfüllen kann, den Binnenmarkt vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen und etwaige Verstöße gegen die auf diesem Markt bestehenden Wettbewerbsregeln zu ahnden (vgl. Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Was speziell die Nachprüfungsbeschlüsse der Kommission betrifft, geht aus Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 hervor, dass diese u. a. den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung bezeichnen müssen. Diese spezielle Begründungspflicht stellt, wie der Gerichtshof klargestellt hat, insofern ein grundlegendes Erfordernis dar, als dadurch nicht nur die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den betroffenen Unternehmen aufgezeigt werden soll, sondern auch diese Unternehmen in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und ihre Verteidigungsrechte zu wahren (vgl. Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Die Kommission braucht insoweit weder dem Adressaten eines Nachprüfungsbeschlusses alle ihr vorliegenden Informationen über vermutete Zuwiderhandlungen zu übermitteln noch muss sie eine strenge rechtliche Qualifizierung dieser Zuwiderhandlungen vornehmen, sofern sie klar angibt, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Die Kommission hat zwar möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll, doch braucht aus einem Nachprüfungsbeschluss nicht notwendigerweise eine genaue Abgrenzung des relevanten Marktes, die exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Zuwiderhandlungen oder der Zeitraum hervorzugehen, in dem diese Zuwiderhandlungen begangen worden sein sollen, sofern er nur die oben in den Rn. 24 bis 28 genannten wesentlichen Angaben enthält (vgl. Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Da die Nachprüfungen zu Beginn einer Untersuchung stattfinden, verfügt die Kommission im Allgemeinen nämlich noch nicht über die zur Abgabe einer spezifischen rechtlichen Würdigung erforderlichen genauen Informationen und muss erst noch die Richtigkeit ihres Verdachts sowie die Tragweite der Geschehnisse prüfen, da der Zweck der Nachprüfung gerade darin besteht, Beweise für eine vermutete Zuwiderhandlung zu sammeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

2.      Zur Rüge, die Begründung sei knapp bzw. allgemein gehalten

31      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Beschluss in Bezug auf den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung eine spezifische Begründung enthält, die im Einklang mit der oben in den Rn. 24 bis 30 erwähnten Rechtsprechung die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den Räumlichkeiten der Klägerin aufzeigen und diese in die Lage versetzen soll, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und ihre Verteidigungsrechte zu wahren. Diese Begründung zielt somit darauf ab, der der Kommission obliegenden Verpflichtung Genüge zu tun, klar anzugeben, welchen Vermutungen sie nachzugehen beabsichtigt, sowie möglichst genau anzugeben, wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll, ohne dass die Kommission jedoch verpflichtet wäre, der Klägerin bei Zustellung des Nachprüfungsbeschlusses alle ihr vorliegenden Informationen zu übermitteln oder in diesem Beschluss eine strenge rechtliche Qualifizierung einer bisher nur vermuteten und keineswegs erwiesenen Zuwiderhandlung vorzunehmen.

32      Insoweit ergibt sich aus Art. 1 des angefochtenen Beschlusses, in dem der Gegenstand und der Zweck der Nachprüfung dargelegt werden, dass sich die Vermutungen der Kommission auf die etwaige Teilnahme der Klägerin an gegen Art. 101 AEUV und gegen Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen erstrecken, die „die Koordinierung der Preise (insbesondere der Großhandelspreise) für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR zwischen den wichtigsten Reifenherstellern“ (im Folgenden: vermutete Koordinierung) betreffen sollen.

33      Darüber enthalten die Gründe des angefochtenen Beschlusses mehrere Erläuterungen, anhand deren sich die von der Kommission vermutete Koordinierung genauer bestimmen lässt, die „insbesondere [die] Großhandelspreise“ (Art. 1 und Rn. 2 des angefochtenen Beschlusses) betroffen haben soll, „die absichtliche Nutzung der öffentlichen Verlautbarungen der Unternehmen [eingeschlossen haben soll], um sich gegenseitig über ihre jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien zu informieren und so auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen“ (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses), und insbesondere dazu geführt haben soll, dass „die Reifenhersteller … wirtschaftlich sensible Informationen (auch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle) über ihre jeweiligen Preisabsichten und ‑strategien ausgetauscht haben, um auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen“ (Rn. 3 des angefochtenen Beschlusses).

34      Entgegen der Behauptung der Klägerin kann diese Begründung nicht als knapp bzw. allgemein gehalten angesehen werden, da sie darlegt, welchen Vermutungen die Kommission bei der Nachprüfung in Bezug auf die vermutete Koordinierung nachzugehen beabsichtigte und angibt, wonach gesucht werden und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen sollte.

3.      Zur Rüge einer vagen, mehrdeutigen, ungenauen bzw. sehr weit gefassten Begründung und deren Konsequenzen für das Verständnis der Vorwürfe

35      Was die Frage angeht, ob die Gründe des angefochtenen Beschlusses klar und so genau wie möglich sind, muss man sich im Stadium der Prüfung der Begründung vergewissern, dass die von der Kommission in diesem Beschluss vorgenommene Beschreibung der vermuteten Koordinierung nicht dermaßen ungenau oder mehrdeutig ist, dass die Klägerin im Sinne der oben in den Rn. 24 bis 30 erwähnten Rechtsprechung nicht in der Lage ist, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren.

36      In diesem Zusammenhang zieht die Verwendung des alternativen Vorschlags „und/oder“ in der Beschreibung der Form der vermuteten Koordinierung, die nach Ansicht der Kommission sowohl durch Vereinbarungen zwischen Unternehmen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen erfolgt sein kann, keine besondere Konsequenz für die Klägerin nach sich. Denn im vorliegenden Fall hängt die exakte rechtliche Qualifizierung der vermuteten Koordinierung als Vereinbarung zwischen Unternehmen oder als abgestimmte Verhaltensweise von einer Bewertung ab, die zum Zeitpunkt der Abfassung des Nachprüfungsbeschlusses nicht verlangt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juni 2014, Nexans und Nexans France/Kommission, C‑37/13 P, EU:C:2014:2030, Rn. 36 und 37). Außerdem und jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass das Ergebnis dieser Qualifizierung im vorliegenden Fall geeignet wäre, am Umfang der Mitwirkungspflicht der Klägerin oder an der Tragweite ihrer Verteidigungsrechte bei der Nachprüfung etwas zu ändern. So war die Klägerin auf eine entsprechende Frage in der Sitzung nicht in der Lage, in der vorliegenden Rechtssache eine solche Konsequenz für sich auszumachen.

37      Die Verwendung der Begriffe „insbesondere“ bzw. „auch“ zur Beschreibung der Vermutungen der Kommission erleichtert das Verständnis der Angaben, zu denen sie gehören, nämlich „insbesondere der Großhandelspreise“ und „auch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle“, indem sie der Klägerin ermöglicht, genauer zu bestimmen, was ihr zu dem Zeitpunkt vorgeworfen wird, zu dem ihr die Duldung einer Nachprüfung aufgegeben wird.

38      Zum einen veranschaulichen diese Angaben den Inhalt der vermuteten Koordinierung. So betreffen die Vermutungen der Kommission eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln, die in der Koordinierung der Preise für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR bestehen soll. Mit dem Hinweis darauf, dass sich die vermutete Koordinierung „insbesondere“ – d. h. in einer Weise, die es verdient, beachtet zu werden – auf die Großhandelspreise erstreckt, präzisiert die Kommission, was der Klägerin vorgeworfen wird. In gleicher Weise erläutert die Kommission die vermutete Koordinierung, indem sie hervorhebt, dass die Koordinierung der Preise der wichtigsten Reifenhersteller, darunter auch die Klägerin, durch einen Austausch wirtschaftlich sensibler Informationen über ihre jeweiligen Preisabsichten und ‑strategien erfolgt sein soll, zu dem – und das ist die Bedeutung von „auch“ – der Austausch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle oder die absichtliche Nutzung der öffentlichen Verlautbarungen der Unternehmen gehört haben soll.

39      Zum anderen lässt die Verwendung der Begriffe „insbesondere“ bzw. „auch“ erkennen, dass die der Kommission vorliegenden Informationen nicht nur die Punkte betreffen, die auf diese Angaben folgen. So beziehen sich die Vermutungen der Kommission weiter ausgreifend auf die Koordinierung der Preise – und nicht nur der Großhandelspreise – für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR durch die Hersteller und implizieren, dass andere Mittel als die allgemein zugänglichen öffentlichen Kanäle genutzt worden sein könnten, um wirtschaftlich sensible Informationen über die jeweiligen Preisabsichten und ‑strategien dieser Hersteller auszutauschen.

40      Die Verwendung der Begriffe „insbesondere“ bzw. „auch“ lässt die Annahme zu, dass die gegebenen Beispiele keine erschöpfende Angabe des Tatbestands der vermuteten Zuwiderhandlung darstellen.

41      Was die Verwendung von „mindestens/zumindest“ zur Abgrenzung des zeitlichen Umfangs der vermuteten Koordinierung betrifft, ist Rn. 4 Satz 1 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass diese Koordinierung „mindestens“ in einem Hauptzeitraum begonnen haben soll, aber nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie früher begonnen und zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch immer angedauert habe. Aus besagter Rn. 4 Satz 2 geht ferner hervor, dass es Hinweise darauf gegeben habe, dass es eine vorherige Koordinierung in Bezug auf neue Ersatzreifen für im EWR verkaufte Pkw und Lkw „zumindest“ in einem vorangegangenen Zeitraum gab.

42      Indem die Kommission im vorliegenden Fall von sich aus entschied, bestimmte Angaben zum zeitlichen Umfang der vermuteten Koordinierung zu machen, hielt sie es für erforderlich, diese Informationen im angefochtenen Beschluss zu erwähnen, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und ihre Verteidigungsrechte bei der Nachprüfung zu wahren. Diese Angaben sind somit Teil der Begründung und ermöglichen es als solche, die Punkte zu bestimmen, auf die sich die Nachprüfung erstrecken sollte.

43      Die oben in Rn. 41 dargestellte Begründung ermöglicht es somit der Klägerin, die Tragweite des angefochtenen Beschlusses zu erfassen, und dem Gericht, seine Kontrolle auszuüben. In dieser Begründung heißt es nämlich zum einen, dass die vermutete Koordinierung „mindestens“ im Hauptzeitraum „begonnen haben [soll]“, ohne dass ausgeschlossen werden könne, dass sie „früher begonnen hat“ und „noch immer andauert“, und zum anderen, dass Hinweise darauf hindeuteten, dass es eine vorherige Koordinierung „zumindest“ im vorangegangenen Zeitraum gegeben habe. Wie von der Kommission vor dem Gericht bekräftigt, lässt diese Begründung auch erkennen, dass die vermutete Zuwiderhandlung entweder lange angedauert haben könnte, nämlich vom Beginn des vorangegangenen Zeitraums bis zum Ende des Hauptzeitraums, die beide im angefochtenen Beschluss genannt werden, oder dass die vermutete Zuwiderhandlung zumindest in dem vorangegangenen Zeitraum begonnen haben soll und zumindest im Hauptzeitraum wieder aufgenommen worden sein soll, und dass in diesem Fall daher zu prüfen sei, ob sie fortgesetzt oder wiederholt worden sei, und zwar auch in der Zeit zwischen dem vorangegangenen Zeitraum und dem Hauptzeitraum, die beide im angefochtenen Beschluss genannt werden.

44      Diese Angaben, die die Klägerin verstehen konnte, erlauben die Annahme, dass sie sich nicht in einer Situation befand, in der sie gehindert gewesen wäre, die Vermutungen der Kommission klar zu erfassen, und ihr daher die Möglichkeit genommen gewesen wäre, nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses ihre Verteidigungsrechte in vollem Umfang zu wahren.

45      In diesem Zusammenhang ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass diese Begründung es der Klägerin ermöglichte, geltend zu machen, dass darin in Bezug auf die Zeit zwischen den beiden im angefochtenen Beschluss genannten Zeiträumen keinerlei Indizien genannt würden.

46      Auch im weiteren Sinne ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die Begründung hinsichtlich des sachlichen und zeitlichen Umfangs der vermuteten Zuwiderhandlung mehrdeutig, ungerechtfertigt bzw. unangemessen sei, nicht wirklich Ausdruck eines Verständnisproblems, sondern beruht eher im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass die Angaben der Kommission im angefochtenen Beschluss zum Inhalt ihrer Vermutungen nicht durch hinreichend ernsthafte Indizien gestützt seien.

47      Derartige Fragen, die nicht das Vorliegen einer Begründung als solcher betreffen, sondern das Vorliegen von Indizien, die die geäußerten Vermutungen rechtfertigen können, werden im Folgenden im Rahmen des zweiten Klagegrundes unter Berücksichtigung der Erläuterungen und sachlichen Angaben geprüft, die die Kommission übermittelt hat, um die gerichtliche Kontrolle eines verwaltungsrechtlichen Beschlusses zu ermöglichen, mit dem sein Adressat aus den in diesem Beschluss dargelegten Gründen zur Duldung einer Nachprüfung verpflichtet wird.

48      Aus dem Vorstehenden folgt, dass der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen ist, da die Begründung des angefochtenen Beschlusses es im Einklang mit Art. 296 AEUV der Klägerin ermöglicht, ihm die Gründe für die erlassene Maßnahme zu entnehmen, und es dem Gericht ermöglicht, seine Kontrolle durchzuführen. Diese Begründung gibt auch gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 den Gegenstand und den Zweck der Nachprüfung in einer Weise an, die ausreicht, um die Berechtigung des beabsichtigten Eingriffs in den Räumlichkeiten der Klägerin aufzuzeigen und sie in die Lage zu versetzen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und ihre Verteidigungsrechte zu wahren.

B.      Zum zweiten Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Räumlichkeiten und der Kommunikation der Klägerin gerügt wird

49      Nach Ansicht der Klägerin wahrt der angefochtene Beschluss nicht das auch „Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung“ genannte Recht auf Achtung ihrer Räumlichkeiten und ihrer Kommunikation. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Zum einen sei der angefochtene Beschluss willkürlich, weil der Kommission keine hinreichend ernsthaften Indizien vorlägen, um ihr die Vermutung der Beteiligung der Klägerin an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu erlauben. Zum anderen stelle der angefochtene Beschluss einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Betrieb und die Leistungsfähigkeit der Klägerin dar. Vorweg macht die Klägerin sinngemäß geltend, dass angesichts der Ähnlichkeit zwischen einem Beispiel aus den Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 [AEUV] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2023, C 259, S. 1, im Folgenden: Leitlinien von 2023) und der vermuteten Koordinierung die vorliegende Rechtssache allein den Zweck habe, den in diesem Beispiel genannten theoretischen Fall zu konkretisieren, ohne dass den Besonderheiten des untersuchten Sachverhalts Rechnung getragen werde.

1.      Vorbemerkungen

50      Eine juristische Person kann ebenso wie eine natürliche Person das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung geltend machen, das mit dem Schutz des Privatlebens in Zusammenhang steht.

51      Das Erfordernis eines Schutzes vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person stellt nämlich einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung; dieses Urteil wurde im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch das Urteil vom 30. Januar 2020, České dráhy/Kommission, C‑538/18 P und C‑539/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:53).

52      Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ist auch ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) Ausdruck gefunden hat, der Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten entspricht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      So hat nach Art. 7 der Charta jede Person das Recht auf Achtung ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. Art. 52 Abs. 1 der Charta stellt insoweit klar, dass jede Einschränkung der Ausübung dieses Rechts gesetzlich vorgesehen sein und dessen Wesensgehalt achten sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss, dem zufolge Einschränkungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

54      In gleicher Weise hat nach Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten jede Person das Recht auf Achtung ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz und darf eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

55      In der Praxis muss zum Schutz der Sphäre der Betätigung einer juristischen Person vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt und der Achtung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung, d. h. des Rechts einer juristischen Person auf Achtung ihrer Räumlichkeiten sowie ihrer Kommunikation, zum einen ein Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, auf die Erlangung von Unterlagen gerichtet sein, die erforderlich sind, um die Richtigkeit und die Tragweite einer bestimmten Sach- und Rechtslage zu prüfen, in Bezug auf die die Kommission bereits über Erkenntnisse verfügt, die hinreichend ernsthafte Indizien beinhalten, um die Vermutung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zu erlauben (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56      Mit anderen Worten ist der Besitz hinreichend ernsthafter Indizien, die die Vermutung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erlauben, eine conditio sine qua non, damit die Kommission eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 anordnen kann (Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 36).

57      Zum anderen darf der Wortlaut eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, stets unter Wahrung der oben in den Rn. 51 bis 56 genannten Grundsätze, nicht über den Umfang der Zuwiderhandlung, die aufgrund solcher Indizien vermutet werden kann, hinausgehen (Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 37).

58      Soweit die Begründung eines Nachprüfungsbeschlusses die den Kommissionsbediensteten verliehenen Befugnisse eingrenzt, dürfen nämlich nur Dokumente gesucht werden, die in den Gegenstand der Nachprüfung fallen (Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission, C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 60). Der oben in Rn. 51 genannte allgemeine Grundsatz steht daher Formulierungen in einem Nachprüfungsbeschluss entgegen, die diese Befugnisse über das hinaus erweitern, was sich aus den hinreichend ernsthaften Indizien ergibt, über die die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses eines solchen Beschlusses verfügt (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59      Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin zu beurteilen, der angefochtene Beschluss sei im Hinblick auf das Recht auf Achtung ihrer Räumlichkeiten sowie ihrer Kommunikation willkürlich bzw. unangemessen.

2.      Zur Ähnlichkeit zwischen einem in den Leitlinien von 2023 angesprochenen Beispiel und der vermuteten Koordinierung

60      Die Klägerin wirft die Frage nach der Begründung, der Erforderlichkeit bzw. der Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses auf, da dieser Beschluss dem Anschein nach die Anwendung eines Beispiels zum Gegenstand habe, für das es keinen Präzedenzfall gebe und das nicht Gegenstand einer öffentlichen Konsultation gewesen sei. So habe die Kommission kurz vor der Nachprüfung in den Leitlinien von 2023 das Beispiel eines neuen Falles einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln gegeben. Dieses Beispiel sei nicht Bestandteil des in der öffentlichen Konsultation vorgelegten Leitlinienentwurfs gewesen und habe weder eine Bezugnahme auf die Rechtsprechung noch auf die Entscheidungspraxis enthalten. Die Ähnlichkeit zwischen diesem Beispiel und dem angefochtenen Beschluss, in dem im Wesentlichen auf Informationen betreffend die Transkripte der „earnings calls“ (Telefonkonferenzen über die Ergebnisse), auf einseitige öffentliche Ankündigungen von Preiserhöhungen und auf eine angebliche Disziplin der Branche zur Aufrechterhaltung der Margen verwiesen werde, sei daher überraschend.

61      Die Kommission wendet ein, dass die Klägerin, selbst wenn die geltend gemachte Ähnlichkeit bestünde, nicht erläutere, weshalb der angefochtene Beschluss dadurch willkürlich und unangemessen wäre.

62      Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission zu Beginn ihrer Darstellung der Erläuterungen und sachlichen Angaben zur Rechtfertigung des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht hat, dass ihrer Einschätzung nach öffentliche Erklärungen von Unternehmen eine Koordinierung erleichtern und geheime Mitteilungen zur Umsetzung wettbewerbswidriger Absprachen ergänzen oder sogar ersetzen könnten. Um einen solchen Fall ins Auge zu fassen, habe sie im Abschnitt über die Zulässigkeit des Informationsaustauschs in ihren Leitlinien von 2023 ein Beispiel für „einseitige öffentliche Ankündigungen“ gegeben. Es handelt sich um folgendes Beispiel, das Beispiel 4 in Rn. 432 der Leitlinien von 2023 entspricht:

„Sachverhalt: Die Geschäftsführerin eines großen Herstellers eines homogenen Produkts weist in einer regelmäßigen Bilanzpressekonferenz öffentlich auf die Notwendigkeit hin, auf die jüngsten Rohstoffpreiserhöhungen zu reagieren und durch eine Preiserhöhung im gesamten Wirtschaftszweig etwas gegen die derzeit zu niedrigen Gewinnspannen zu unternehmen. Sie erklärt, dass sie mit jeder Preiserhöhung mitziehen werde, die ihre Wettbewerber auf dem Markt ankündigen. Sie bringt auch ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass der Wirtschaftszweig ,diszipliniert genug‘ sei, um zu wissen, was jetzt nötig ist, um ,die Margen wieder in Ordnung zu bringen‘. Schließlich habe der Wirtschaftszweig schon vor zehn Jahren, als er sich in einer ähnlichen Situation befunden habe, erfolgreich Preiserhöhungen durchgesetzt.

Analyse: Die Aussagen der Geschäftsführerin in der Bilanzpressekonferenz können als einseitige Aufforderung zur Kollusion verstanden werden. Der Umstand, dass die Ankündigung öffentlich erfolgt, schließt an sich nicht aus, dass es sich um eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 [AEUV] handeln könnte. Die Aussagen können einen potenziellen Orientierungspunkt für die Koordinierung zwischen Wettbewerbern darstellen. Wenn z. B. andere Wettbewerber zeitgleich Erklärungen abgeben oder sich auf dem Markt so verhalten, dass sie die Aufforderung zur Kollusion bei der Festlegung ihres künftigen Marktverhaltens berücksichtigt haben, kann das Verhalten in Abhängigkeit vom jeweiligen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 101 Absatz 1 [AEUV] darstellen. Andere Wettbewerber können dieses Risiko begrenzen, indem sie sich öffentlich von den Ankündigungen distanzieren oder die Ankündigungen den Behörden melden.“

63      Gleichermaßen ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Vermutung einer gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Praxis geäußert hat, die „die Koordinierung der Preise … für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR zwischen den wichtigsten Reifenherstellern“ betreffen soll, „die absichtliche Nutzung der öffentlichen Verlautbarungen der Unternehmen [eingeschlossen haben soll], um sich gegenseitig über ihre jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien zu informieren und so auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen“, und insbesondere dazu geführt haben soll, dass „die Reifenhersteller … wirtschaftlich sensible Informationen (auch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle) über [diese A]bsichten und [S]trategien ausgetauscht haben“.

64      Gleichwohl lässt, auch wenn zwischen dem in Beispiel 4 in Rn. 432 der Leitlinien von 2023 angesprochenen Sachverhalt und der vermuteten Koordinierung eine gewisse Ähnlichkeit besteht, diese Ähnlichkeit als solche nicht den Schluss zu, dass der angefochtene Beschluss – hinsichtlich dessen bereits nach der Prüfung des ersten Klagegrundes darauf hingewiesen worden ist, dass er der Begründungspflicht genügt – aufgrund dieser Ähnlichkeit willkürlich oder unangemessen wäre.

65      Zum einen ist nämlich ganz allgemein darauf hinzuweisen, dass die Kommission als für die Durchführung der Wettbewerbspolitik zuständiges Organ die Möglichkeit hat, in Leitlinien Hinweise zu ihrer Auslegung der Vereinbarkeit von bisher noch nicht geahndeten Verhaltensweisen mit dem Wettbewerbsrecht zu geben.

66      Zum anderen geht speziell in der vorliegenden Rechtssache aus den von der Kommission in der Klagebeantwortung übermittelten Erläuterungen und Angaben hervor, dass der angefochtene Beschluss am Ende eines Verfahrens erlassen wurde, in dessen Rahmen ein besonderer Sachverhalt ermittelt wurde, der den von der Kommission im Rahmen ihrer Aufgabe der Durchführung der Wettbewerbspolitik festgelegten Kriterien entsprach.

67      Unter diesen Umständen ist den Akten nichts zu entnehmen, was die Annahme zulässt, dass der angefochtene Beschluss allein zu dem Zweck erlassen wurde, ein in den Leitlinien von 2023 angesprochenes Beispiel zu konkretisieren. Vielmehr ist aufgrund der von der Kommission in der Klagebeantwortung und auf die erste prozessleitende Maßnahme übermittelten Erläuterungen und Angaben davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss das Ergebnis der Anwendung von Grundsätzen ist, die objektiv und ohne Zielrichtung auf eine bestimmte Branche oder bestimmte Unternehmen festgelegt wurden (siehe oben, Rn. 91 bis 104).

68      Dementsprechend ist die Ähnlichkeit zwischen einem in den Leitlinien von 2023 angesprochenen Beispiel und der in der vorliegenden Rechtssache vermuteten Koordinierung als solche nicht geeignet, die Erforderlichkeit oder die Verhältnismäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Das entsprechende Vorbringen der Klägerin ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Zum ersten Teil, mit dem gerügt wird, dass der angefochtene Beschluss willkürlich sei

69      Die Klägerin hält den angefochtenen Beschluss für willkürlich, weil er die Kommission ermächtigt habe, in den Geschäftsräumen der Klägerin und ihrer Kommunikation auf Erkundungsmission zu gehen. Erstens heiße es in dem angefochtenen Beschluss, „der Kommission l[ä]gen Informationen vor“ und „Beweise“ in Bezug auf eine vermutete Koordination, ohne dass weitere Angaben zu deren Art, Form, Zeitpunkt und Urheber gemacht würden. Zweitens ließen diese fehlenden Einzelheiten wie auch die ungenaue und lückenhafte Beschreibung der vermuteten Koordination den Gedanken aufkommen, dass die Kommission nicht im Besitz hinreichend ernsthafter Indizien gewesen sei, um ihre Vermutungen zu stützen. Es sei nun Sache des Unionsgerichts festzustellen, ob die Kommission über solche Indizien verfügt habe. Drittens verrieten die Betonung der über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle erfolgten Kommunikation bzw. einer unsubstantiierten Gesamtbeurteilung des Preisbegriffs eine offensichtliche Unkenntnis der Preisbildung bei einem Industrieunternehmen, die besonders komplex sei und nicht auf einige Erklärungen reduziert werden könne. Dieses Unverständnis lasse die im angefochtenen Beschluss dargestellte Rechtfertigung der Nachprüfung ins Leere laufen.

70      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Wie sich dem dem Gericht übermittelten Material entnehmen lasse, lägen ihr hinreichend ernsthafte Indizien vor, um die Vermutung der im angefochtenen Beschluss angesprochenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen aufkommen zu lassen und so die Nachprüfung zu rechtfertigen.

71      Im vorliegenden Fall ist zum einen zu prüfen, ob die Kommission über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, die die Vermutung einer Zuwiderhandlung der Klägerin gegen die Wettbewerbsregeln zulassen, und zum anderen, ob sich die im angefochtenen Beschluss umschriebene Nachprüfung auf die Zuwiderhandlung beschränkte, die die Kommission aufgrund solcher Indizien vermuten durfte.

a)      Zum fehlenden Erfordernis, im angefochtenen Beschluss alle der Kommission vorliegenden Informationen mitzuteilen

72      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien übereinstimmend anerkennen, dass es der Kommission obliegt, in einem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, bestimmte Angaben zu machen, und zwar die Darlegung der Vermutung, auf die sie sich stützt, sowie die Angabe, dass ihr Indizien vorlägen, die diese Vermutung ernsthaft zu stützen vermöchten; in diesem Beschluss brauchen jedoch nicht alle Informationen aufgeführt zu werden, über die die Kommission in diesem Stadium der Untersuchung verfügt. Zwischen dem, was im angefochtenen Beschluss dargelegt werden muss, und dem, was darin nicht angegeben zu werden braucht, ist ein ausgewogenes Verhältnis zu finden.

73      Diese Ausgewogenheit ist in der Rechtsprechung bereits mehrfach angesprochen worden.

74      So braucht die Kommission dem Adressaten eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, nicht alle Informationen zu geben, über die sie im Zusammenhang mit der vermuteten Zuwiderhandlung verfügt, doch muss sie im Nachprüfungsbeschluss möglichst genau angeben, welche Verdachtsmomente sie erhärten will, d. h., wonach gesucht wird und auf welche Punkte sich die Nachprüfung beziehen soll (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Gleichermaßen kann von der Kommission, auch wenn sie, um darzutun, dass die Nachprüfung gerechtfertigt ist, in dem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, substantiiert darlegen muss, dass sie über ernsthafte Informationen und Hinweise verfügt, aufgrund deren sie das von der Nachprüfung betroffene Unternehmen der vermuteten Zuwiderhandlung verdächtigt, nicht verlangt werden, im Stadium der Voruntersuchung außer der vermuteten Zuwiderhandlung, der sie nachzugehen beabsichtigt, auch die Indizien anzugeben, d. h. die Gesichtspunkte, aufgrund deren sie die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in Betracht zieht. Eine solche Verpflichtung würde nämlich das durch die Rechtsprechung geschaffene Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Wirksamkeit der Untersuchung und der Wahrung der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens in Frage stellen (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss ihre Vermutungen inhaltlich in der ihr geeignet scheinenden Form darlegen und erläutern musste, dass sie über Indizien verfügte, auf die sich diese Vermutungen nötigenfalls stützen ließen und die gegebenenfalls die Prüfung ermöglichten, dass dieser Beschluss das Recht auf Achtung der Wohnung und der Kommunikation nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigte.

77      In diesem Zusammenhang kann der Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht zur Last gelegt werden, im angefochtenen Beschluss angegeben zu haben, ihr „l[ä]gen Informationen vor“ und „Beweise“ in Bezug auf die vermutete Koordination oder auf einige ihrer Aspekte, ohne über die dort gemachten Angaben hinaus Hinweise zu Art oder Form dieser Anhaltspunkte oder gar Erläuterungen zu deren zeitlichen Einordnung und Urheber zu geben. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den Beschluss zustellt, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, sind solche Angaben und Erläuterungen nicht erforderlich.

b)      Zur Frage, ob die von der Kommission vorgelegten Indizien hinreichend ernsthaft sind, um den angefochtenen Beschluss zu rechtfertigen

1)      Vorbemerkungen

78      Die Parteien sind übereinstimmend der Ansicht, dass das Unionsgericht, wenn es, wie in der vorliegenden Rechtssache, die Kontrolle eines Beschlusses, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, vornimmt, um zu prüfen, ob dieser nicht willkürlich erlassen worden ist, sich vergewissern muss, dass ernsthafte Indizien vorliegen, die für den Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch das betroffene Unternehmen ausreichen (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass dann, wenn das Unternehmen, an das ein Beschluss nach Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 gerichtet ist, bestimmte Umstände darlegt, die die hinreichende Ernsthaftigkeit der Indizien, die der Kommission für den Erlass des Beschlusses vorlagen, in Frage stellen, das Gericht diese Indizien untersuchen und prüfen muss, ob sie hinreichend ernsthaft sind (vgl. Urteil vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission, T‑325/16, EU:T:2018:368, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine solche Prüfung, die voraussetzt, dass dem Gericht hinreichend ernsthafte Indizien übermittelt werden, die die Kommission für die Zwecke dieser Darlegung als relevant ansieht, wurde in den Rechtssachen vorgenommen, in denen die Urteile vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission (T‑135/09, EU:T:2012:596), und vom 20. Juni 2018, České dráhy/Kommission (T‑325/16, EU:T:2018:368), ergangen sind, oder auch in den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 5. Oktober 2020, Casino, Guichard-Perrachon und AMC/Kommission (T‑249/17, EU:T:2020:458), vom 5. Oktober 2020, Intermarché Casino Achats (T‑254/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:459), und vom 5. Oktober 2020, Les Mousquetaires und ITM Entreprises (T‑255/17, EU:T:2020:460), ergangen sind.

80      Wie sich aus dem Urteil vom 18. Juni 2015, Deutsche Bahn u. a./Kommission (C‑583/13 P, EU:C:2015:404, Rn. 30 bis 36), ergibt, ist nämlich das Bestehen einer umfassenden gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle, die nachträglich auf der Grundlage der vom Kläger zur Stützung seiner Klagegründe vorgelegten Beweise sowohl der Rechts- als auch der Tatsachenfragen erfolgt, geeignet, das Fehlen einer vorherigen richterlichen Ermächtigung zu kompensieren und die Vereinbarkeit der Nachprüfungsmaßnahme mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung zu gewährleisten.

81      Im vorliegenden Fall erfolgt diese gerichtliche Kontrolle unter Berücksichtigung der von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargelegten wesentlichen Merkmale der vermuteten Koordinierung.

82      So soll sachlich die vermutete Koordinierung „insbesondere [die] Großhandelspreise“ betroffen haben, „die absichtliche Nutzung der öffentlichen Verlautbarungen der Unternehmen [eingeschlossen haben], um sich gegenseitig über ihre jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien zu informieren und so auf ihre jeweilige Preispolitik Einfluss zu nehmen“, sowie insbesondere dazu geführt haben, dass „die Reifenhersteller … wirtschaftlich sensible Informationen (auch über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle) über [diese A]bsichten und [S]trategien ausgetauscht haben“.

83      Zeitlich gesehen soll die vermutete Koordinierung „zumindest“ im Hauptzeitraum und im vorangegangenen Zeitraum stattgefunden haben, für die die Kommission die entsprechenden Jahre angegeben hat.

84      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der vorliegenden Rechtssache in der Klagebeantwortung Erläuterungen und sachliche Angaben übermittelt hat, um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, ob sie über hinreichend ernsthafte Indizien verfügte, um ihre Vermutungen zu stützen und die Nachprüfung zu rechtfertigen, was die Kontrolle durch das Gericht erleichtert hat.

85      Zur Frage, ob diese Erläuterungen und sachlichen Angaben als hinreichend ernsthaft angesehen werden können, um die Nachprüfung zu rechtfertigen, ist auf Folgendes hinzuweisen.

86      Zum einen geht es nicht darum, ob die entsprechenden Indizien ermöglichen, das vermutete wettbewerbswidrige Verhalten in Ansehung der in Art. 101 Abs. 1 AEUV festgelegten Kriterien nicht nur zu vermuten, sondern festzustellen. Dies ist insbesondere deshalb verfrüht, weil es in diesem Stadium der Untersuchung darum geht, ob eine Nachprüfung, durch die die Vermutung, die sich aus diesen Indizien ableiten lässt, erhärtet werden soll, geeignet war, der Kommission zu ermöglichen, die möglicherweise noch fehlenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Feststellung der vermuteten Zuwiderhandlung zusammenzutragen, was somit den Eingriff der Kommission in das Recht der Klägerin auf Achtung ihrer Räumlichkeiten sowie ihrer Kommunikation rechtfertigen würde.

87      Aus der Unterscheidung zwischen Beweisen für eine Zuwiderhandlung und Indizien, die einem Nachprüfungsbeschluss zugrunde liegen, ergibt sich nämlich, dass die Letzteren das Vorliegen und den Inhalt einer Zuwiderhandlung nicht belegen müssen, da sonst die der Kommission durch Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnisse nutzlos würden (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 14. März 2014, Cementos Portland Valderrivas/Kommission, T‑296/11, EU:T:2014:121, Rn. 59).

88      Deshalb schließt der Umstand, dass die herangezogenen Anhaltspunkte unterschiedlich ausgelegt werden können, nicht aus, dass sie hinreichend ernsthafte Indizien darstellen, sofern die von der Kommission vertretene Auslegung plausibel erscheint (vgl. entsprechend zu einem Beschluss über ein Auskunftsverlangen, Urteil vom 14. März 2014, Cementos Portland Valderrivas/Kommission, T‑296/11, EU:T:2014:121, Rn. 59). Bei der Beurteilung der Plausibilität ist zu beachten, dass die Nachprüfungsbefugnis der Kommission die Befugnis impliziert, nach anderen Informationsquellen zu suchen, die noch nicht bekannt oder vollständig bezeichnet sind (vgl. Urteil vom 14. November 2012, Nexans France und Nexans/Kommission, T‑135/09, EU:T:2012:596, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung), sofern diese Anhaltspunkte nach Überprüfung mit dem Gegenstand der Nachprüfung und den hinreichend ernsthaften Indizien verknüpft werden können, die die Vermutung einer Zuwiderhandlung begründen, die den Nachprüfungsbeschluss rechtfertigt.

89      Außerdem sind die verschiedenen Indizien für den Verdacht einer Zuwiderhandlung nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu bewerten und können sich gegenseitig verstärken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. November 2014, Alstom Grid/Kommission, T‑521/09, EU:T:2014:1000, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 29. Februar 2016, EGL u. a./Kommission, T‑251/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:114, Rn. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Zum anderen ist auch zu betonen, dass die vorliegende Rechtssache mit der Phase der Voruntersuchung im Zusammenhang steht, d. h. einem Zeitpunkt, zu dem die Kommission zum tatsächlichen Vorliegen der vermuteten Zuwiderhandlung noch nicht Stellung genommen hat. Dass die Kommission in dieser Phase eine Nachprüfung durchgeführt hat, bedeutet nicht, dass sich das betroffene Unternehmen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat, und nimmt keineswegs das Urteil über den Ausgang der laufenden Untersuchung vorweg. Es sei daher darauf hingewiesen, dass für die Klägerin die Unschuldsvermutung gilt und es Sache der Kommission ist, gegebenenfalls in ihrem endgültigen Beschluss das Vorliegen des im angefochtenen Beschluss vermuteten Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nachzuweisen.

2)      Zu der zur Identifizierung der verdächtigen Erklärungen angewandten Methode

91      Vor einer Prüfung der von der Kommission übermittelten Erläuterungen und sachlichen Angaben ist über das Vorbringen der Parteien zu der Methodik zu befinden, die zur Identifizierung der Reifenbranche Anwendung gefunden hat.

92      Die Kommission hat in ihren der Rechtfertigung des angefochtenen Beschlusses dienenden Erläuterungen und sachlichen Angaben nämlich klargestellt, dass sie die Aufmerksamkeit, die sie der über allgemein zugängliche öffentliche Kanäle erfolgten wettbewerbswidrigen Koordinierung (siehe oben, Rn. 62) geschenkt habe, veranlasst habe, eine Marktüberwachung einzurichten, um mehrere Hunderttausend „earnings calls“ in verschiedenen Branchen und mehreren geografischen Zonen zu untersuchen, um verdächtige öffentliche Erklärungen aufzuspüren. Die Kommission hat hierzu angegeben, dass zwischen der Geschäftsleitung eines Unternehmens und den Analysten, den Investoren und den Medien in regelmäßigen Abständen „earnings calls“ stattfänden, um die Finanzergebnisse dieses Unternehmens zu erörtern, und dass deren in den Transkripten wiedergegebener Inhalt der Öffentlichkeit zugänglich sei, da einige Unternehmen sie auf ihrer Website veröffentlichten, oder auf kostenpflichtigen Datenbanken abrufbar sei.

93      Der Kommission zufolge zielte die von ihr durchgeführte Analyse darauf ab, die Fälle zu ermitteln, in denen sich das Führungspersonal konkurrierender Unternehmen besonders häufig und über einen langen Zeitraum einer Ausdrucksweise bediente, die auf eine Kollusion hindeuten konnte. Nach dem Ergebnis dieser Analyse habe sich die Reifenbranche insoweit von den anderen Branchen dadurch unterschieden, dass die Kommission verdächtige öffentliche Erklärungen in großer Zahl entdeckt habe.

94      Als erste prozessleitende Maßnahme hat das Gericht die Kommission aufgefordert zu erläutern, welche Schritte sie unternommen hatte, um die Reifenbranche zu identifizieren. Damit ist das Gericht der von der Klägerin parallel vorgelegten Stellungnahme zu den von der Kommission in der Klagebeantwortung übermittelten Angaben gefolgt, wonach die übermittelten Informationen zur Identifizierung der Reifenbranche sehr vage seien und keine Erklärung für deren „problematischen“ Charakter lieferten.

95      Dieser Aufforderung Folge leistend hat die Kommission zunächst angegeben, dass sie eine aus Hunderttausenden, bei einem Anbieter von Finanzdaten erlangten „earnings calls“ bestehende Datenbank eingerichtet habe. Die Daten dieser Datenbank habe sie quantitativ analysiert, indem sie für einen langen Zeitraum, der nicht nur den Hauptzeitraum, sondern auch den vorangegangenen Zeitraum umfasst habe (im Folgenden: Recherchezeitraum), Schlüsselsuchbegriffe verwendet habe, um mögliche kollusive Praktiken zu identifizieren und so die Branchen zu ermitteln, deren gesamte „earnings calls“ im Rahmen einer qualitativen Analyse genauer untersucht werden sollten. Zwei Kategorien von Schlüsselsuchbegriffen hätten Verwendung gefunden: Eine erste Kategorie, bestehend aus annähernd 100 Bigrammen (d. h. zwei aufeinanderfolgenden Wörtern) im Zusammenhang mit einschlägigen strategischen Geschäftsentscheidungen, und eine zweite Kategorie, bestehend aus mehr als 400 Bigrammen zur Identifizierung von Aussagen darüber, wie sich die Wettbewerber verhalten hätten oder in Zukunft verhalten würden. In ihrer Antwort hat die Kommission einige Beispiele der für die eine bzw. die andere Kategorie verwendeten Bigramme gegeben.

96      Des Weiteren hat die Kommission zu den erzielten Ergebnissen angegeben, dass zwar die Hälfte aller analysierten „earnings calls“ keine Erwähnung von Bigrammen aus den vorgenannten Kategorien enthalten habe, die „earnings calls“ der wichtigsten Reifenhersteller jedoch durch eine erhebliche Anzahl von Mitteilungen gekennzeichnet gewesen seien, die mindestens ein Bigramm im Zusammenhang mit strategischen Geschäftsentscheidungen enthalten hätten, sowie durch eine beträchtliche Anzahl von Mitteilungen, die mindestens ein Bigramm im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsverhalten enthalten hätten. Darüber hinaus habe sich ein nicht unerheblicher Teil dieser „earnings calls“ unter den „Top 5“ oder „Top 10“ der „earnings calls“ aller im Recherchezeitraum untersuchten Unternehmen befunden, die diese Bigramme am häufigsten genannt hätten. Die „earnings calls“ der wichtigsten Reifenhersteller hätten sich auch durch die Frequenz der Verwendung von Bigrammen ausgezeichnet, die unter die eine oder die andere Kategorie fielen.

97      Zur Veranschaulichung dieser Ergebnisse hat die Kommission einige  „earnings calls“ der wichtigsten Reifenhersteller angeführt, die alle während des Hauptzeitraums oder kurz davor stattgefunden hätten, für die sie die Anzahl der zitierten Bigramme und die betreffende Bigrammkategorie (Geschäftsstrategie oder Wettbewerbsverhalten) angegeben und erklärt hat, dass diese „earnings calls“ am oberen Ende der „earnings calls“ platziert seien, in denen Bigramme dieser Kategorie am häufigsten erwähnt worden seien.

98      Auf der Grundlage dieser Anhaltspunkte ging die Kommission davon aus, dass sich die wichtigsten Reifenhersteller von den Unternehmen anderer Branchen durch eine höhere Anzahl von Mitteilungen mit Bigrammen unterschieden, die auf ein potenzielles kollusives Verhalten hindeuten könnten. Diese Mitteilungen wurden zum besseren Verständnis des Zusammenhangs, in dem die identifizierten Bigramme standen, anschließend qualitativ geprüft. Die Kommission hat hierzu erläutert, dass die qualitative Analyse der „earnings calls“ dieser wichtigsten Reifenhersteller sowohl die „earnings calls“ betroffen habe, die im Rahmen der quantitativen Analyse identifiziert worden seien, als auch „earnings calls“, die bei dieser Analyse nicht identifiziert worden seien. Die vorstehenden Angaben haben es der Kommission somit ermöglicht, den ihrer Ansicht nach vorliegenden Zusammenhang zwischen einem theoretischen, aus einseitigen öffentlichen Ankündigungen bestehenden Verhalten und der vorliegenden Rechtssache festzustellen.

99      Die Stellungnahme der Klägerin zur Darstellung der von der Kommission im Rahmen ihrer ursprünglichen quantitativen Analyse unternommenen Schritte ist nicht geeignet, die Analysemethode und ‑ergebnisse – jeweils oben dargelegt – in Frage zu stellen.

100    In ihrer Stellungnahme zu den Erläuterungen der Kommission macht die Klägerin geltend, dass die quantitative Analyse keineswegs geeignet sei, auch nur den geringsten Hinweis auf eine Kollusion zu liefern. Die von der Kommission vorgelegten Bigrammbeispiele seien völlig unproblematisch, da diese Bigramme von den Herstellern der Reifenbranche oder anderer Branchen häufig verwendet würden und die entsprechenden Erklärungen sich leicht durch Daten über die Produkte, den Markt oder den betreffenden Zeitraum erklären ließen. Die Klägerin legt hierzu Auszüge aus „earnings calls“ von Unternehmen anderer Industriezweige oder von anderen Reifenherstellern vor, die Aussagen der gleichen Art wie die streitigen Erklärungen enthalten sollen. Sie macht außerdem geltend, dass es zahlreiche Rechtfertigungen für solche Erklärungen gebe, wie beispielsweise die Umsetzung einer auf Innovation basierenden Industriestrategie, das Vorhandensein exogener inflationsgeneigter Spannungen oder das Erfordernis, Analystenfragen zu beantworten.

101    Es ist jedoch festzustellen, dass sich diese Stellungnahme im Wesentlichen weniger auf die ursprüngliche quantitative Analyse als vielmehr auf die Ergebnisse der anschließend durchgeführten qualitativen Analyse bezieht.

102    Wie die Kommission erläutert, ermöglichte die quantitative Analyse nämlich lediglich die Identifizierung der Reifenbranche insofern, als nach Prüfung der in ihrer Datenbank enthaltenen „earnings calls“ die „earnings calls“ der wichtigsten Reifenhersteller durch das zumindest bemerkenswerte Vorkommen eines oder mehrerer der als Schlüsselsuchbegriffe verwendeten Bigramme gekennzeichnet waren. Indes war, wie die Kommission ferner klarstellt, das Vorkommen eines Bigramms in einem „earnings call“ nicht schon an sich ausreichend. Erst nach einer sogenannten qualitativen Analyse, von der Kommission auch als manuelle Prüfung bezeichnet, wurde die entsprechende Erklärung als geeigneter Hinweis auf eine mögliche Kollusion gewertet. Im Übrigen war nach Angaben der Kommission die qualitative Analyse für die Ermittlung der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Äußerungen ausschlaggebend, da sie ihr insbesondere ermöglicht habe, den Kontext, in dem die Bigramme vorgekommen seien, besser zu verstehen, die nicht einschlägigen Dokumente auszusondern oder auch potenziell problematische öffentliche Erklärungen der wichtigsten Reifenhersteller zu identifizieren, die durch die quantitative Analyse nicht hätten identifiziert werden können.

103    Es zeigt sich somit, dass sich die Stellungnahme der Klägerin im Wesentlichen auf den Kontext bezieht, in dem eine Erklärung steht, die zunächst meist anhand eines Bigramms identifiziert und anschließend qualitativ analysiert wurde, um zu dem Schluss gelangen zu können, dass es sich nach Ansicht der Kommission um eine Erklärung handelt, die auf eine mögliche Kollusion hindeuten könnte. Dieses Vorbringen wird daher im Folgenden im Rahmen der Würdigung des Vorbringens geprüft, wonach der angefochtene Beschluss willkürlich sei, weil er nicht auf hinreichend ernsthaften Indizien beruhe, um die dargelegte Vermutung zu rechtfertigen.

104    Im Übrigen wäre, selbst unterstellt, dass – wie die Klägerin behauptet – Hersteller aus anderen Branchen oder andere Reifenhersteller Erklärungen mit Bigrammen abgegeben haben könnten, die unter die eine oder die andere von der Kommission definierte Kategorie fallen, die Kommission gleichwohl nicht daran gehindert, die Reifenbranche oder die Reifenhersteller, die die nach ihrer quantitativen Analyse identifizierten Erklärungen abgegeben hatten, – wie von ihr angegeben – qualitativ genauer zu untersuchen.

3)      Zur Frage, ob die mitgeteilten Indizien hinreichend ernsthaft sind

105    In diesem Zusammenhang lassen sich aus der Prüfung der von der Kommission mitgeteilten Indizien und der hierzu abgegebenen Stellungnahme hinsichtlich der Frage, ob diese Indizien hinreichend ernsthaft sind, zwei Schlussfolgerungen ziehen.

i)      Zum Vorliegen von Indizien, die hinreichend ernsthaft sind, um die Vermutung einer Koordinierung der Preise im Hauptzeitraum zu stützen

106    In Ansehung des anwendbaren Rechts ist zunächst daran zu erinnern, dass das von der Kommission vermutete wettbewerbswidrige Verhalten in einer Koordinierung der Preise bestand, und zwar ganz konkret in einer „Koordinierung der Preise (insbesondere der Großhandelspreise) für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR zwischen den wichtigsten Reifenherstellern“.

107    Ein derartiges Verhalten ist indes – so es denn erwiesen ist – sowohl in Gestalt einer Vereinbarung zwischen Unternehmen als auch in der einer aufeinander abgestimmte Verhaltensweise gemäß Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV verboten, wenn es die „unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen“ bezweckt oder bewirkt. Im Unionsrecht wird im Übrigen der gemeinsame Wille mehrerer Unternehmen, die Preise auf dem Markt in einer bestimmten Weise festzulegen, von der Kommission als eine der schwerwiegendsten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs angesehen.

108    Darüber hinaus ist in tatsächlicher Hinsicht festzustellen, dass, wie die Kommission zutreffend dargelegt hat, einige Erklärungen, die die wichtigsten Reifenhersteller, gegen die sich ihre Untersuchung richtet, bei ihren „earnings calls“ sowie bei Ankündigungen zu Reifen- oder Rohstoffpreisen, die alle im Hauptzeitraum erfolgten, abgegeben haben, hinreichend ernsthafte Indizien darstellten, um den Verdacht der vermuteten Koordinierung in diesem Zeitraum zu erhärten.

–       Zu den von der Kommission vorgelegten Erklärungen

109    Aufgrund einer Prüfung der einzelnen von der Kommission hervorgehobenen Erklärungen in mehreren „earnings calls“, die in einem Teil eines in den Hauptzeitraum fallenden Jahres abgegeben wurden, lässt sich feststellen, dass verschiedene Reifenhersteller ihre jeweiligen Preisabsichten und ‑strategien öffentlich mitgeteilt hatten.

110    Ausweislich ihrer zur Rechtfertigung des angefochtenen Beschlusses vorgebrachten Erläuterungen und sachlichen Angaben ist die Kommission nach Prüfung einer erheblichen Anzahl von Transkripten der „earnings calls“ sowie von Präsentationen der wichtigsten Reifenhersteller im EWR – darunter die Klägerin – zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Reihe der von diesen Herstellern abgegebenen Erklärungen verdächtig sei, da sich diese Hersteller regelmäßig öffentlich dazu geäußert hätten, wie ihre Wettbewerber ihre Preise festlegen sollten, ob sie gewillt seien, auf dem Markt als Preisführer oder als Preisfolger aufzutreten, sowie dazu, wie sie auf Preisänderungen ihrer Wettbewerber reagieren würden.

111    Zur Veranschaulichung dieser Aussagen hat die Kommission zwei Reihen von „earnings calls“ übermittelt, die in einem Teil eines in den Hauptzeitraum fallenden Jahres stattgefunden haben. Bei jedem dieser „earnings calls“ hat die Kommission deutlich gemacht, welcher konkrete Inhalt der Erklärungen ihr zur Stützung ihrer Vermutung relevant erschienen sei. Sie hat ferner klargestellt, dass ihrer Ansicht nach derartige Erklärungen nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung abgegeben worden seien und dass die vergleichende Untersuchung der „earnings calls“ von Unternehmen aus anderen Branchen bestätige, dass die Regelmäßigkeit, mit der die Reifenhersteller solche Erklärungen abgegeben hätten, kein Standardverhalten darstelle.

112    Anschließend hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts zur zeitlichen Dimension der vermuteten Koordinierung weitere „earnings calls“ sowie eine Präsentation übermittelt. Diese Unterlagen haben die zuvor mit der Klagebeantwortung übermittelten „earnings calls“ ergänzt, indem sie den anderen Teil des in Betracht gezogenen in den Hauptzeitraum fallenden Jahres abdecken (siehe oben, Rn. 111). Bei jedem dieser Dokumente hat die Kommission deutlich gemacht, welcher konkrete Inhalt der Erklärungen ihr zur Stützung ihrer Vermutung in Bezug auf das betreffende Jahr relevant erschienen sei.

113    Die Kommission verweist insoweit auf Erklärungen, die mit den Worten beginnen, „wir wollen ein Signal senden“ („we want to send a signal“), „wir haben vor“ („we plan to“), „die Strategie besteht darin, sich auf … zu konzentrieren“ („the strategy is to focus on“), „wir bemühen uns, uns daran zu halten“ („we strive to stick to“), „wir werden unser Bestes tun, um“ („we will do our best to“), „wir sind in der Lage zu“ („we are able to“) sowie „es ist nicht unsere Absicht, darauf hinzuarbeiten“ („not our intention to go for“), die ihrer Ansicht nach von den Reifenherstellern, gegen die sich die Untersuchung richtet, verwendet wurden, um öffentlich ein gerade beschlossenes oder noch umzusetzendes Verhalten anzukündigen oder zuweilen sogar Wettbewerbern ein solches Verhalten nahezulegen.

114    Angesichts solcher, den Hauptzeitraum betreffender Erklärungen durfte die Kommission zu Recht vermuten, dass es zumindest plausibel, d. h. vernünftigerweise denkbar war, dass diese einseitigen öffentlichen Erklärungen den Zweck hätten haben können, den wichtigsten Wettbewerbern ein Signal zu senden, damit die in diesen Erklärungen enthaltenen Angaben zu den Preisabsichten und ‑strategien der betreffenden Hersteller übernommen oder berücksichtigt würden.

–       Zu den weiteren von der Kommission vorgelegten Anhaltspunkten

115    Wie die Kommission zutreffend ausführt, war es auch plausibel anzunehmen, dass die Vermutung, die sich aus den im Rahmen einer qualitativen Analyse identifizierten Erklärungen ergab, durch ihre Beobachtungen bestätigt wurde, die sie nach Prüfung bestimmter Ankündigungen zu Reifenpreisen oder zur Abwärts- oder Aufwärtsentwicklung der Rohstoff- und Energiepreise gemacht hatte.

116    Denn zum einen hat die Kommission dargelegt, dass sie die Preisankündigungen der wichtigsten Reifenhersteller im betreffenden Zeitraum geprüft und festgestellt habe, dass diese häufig zu dicht beieinander liegenden Zeitpunkten erfolgt seien. Zur Veranschaulichung dessen hat die Kommission verschiedene, einer Fachwebsite entnommene Verlautbarungen vorgelegt, die die vorgenannten Ankündigungen enthielten, die im Hauptzeitraum zum gleichen Zeitpunkt erfolgt waren.

117    Zum anderen hat die Kommission auf der Grundlage einer Analyse der Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise aufgedeckt, dass die Erklärungen der Hersteller bei Veränderungen der Rohstoff- und Energiepreise auf einer Linie lagen. So habe sie festgestellt, dass die „earnings calls“ verschiedener Hersteller ähnliche Erklärungen enthielten, die darauf hindeuteten, dass die Reifenpreise erhöht werden müssten, wenn es zu einem Anstieg der Rohstoff- und der Energiepreise gekommen sei. Ebenso habe sie festgestellt, dass die Hersteller bei sinkenden Rohstoff- und Energiepreisen Erklärungen abgegeben hätten, die darauf hindeuteten, dass eine Preissenkung vermieden werden müsse. Zur Veranschaulichung dessen hat die Kommission zwei „earnings calls“ vom Beginn eines Jahres des Hauptzeitraums vorgelegt und jeweils den konkreten Inhalt der Erklärungen hervorgehoben, der ihr als Grundlage für diese Feststellungen relevant erschien. Sie hat ferner Bezug genommen auf eine Präsentation, die im Rahmen eines „earnings call“ gehalten wurde, um auf die Preisentwicklung einiger Rohstoffe, namentlich in bestimmten Jahren des Hauptzeitraums, aufmerksam zu machen. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass die Rohstoffpreise aufgrund der Covid‑19-Pandemie erheblich gestiegen seien. In diesem Zusammenhang hätten sich die Verlautbarungen der Unternehmen auf den raschen Preisanstieg bezogen, wie durch zwei im Laufe eines Jahres des Hauptzeitraums erfolgte „earnings calls“ verdeutlicht werde, bei denen die Kommission den konkreten Inhalt der Erklärungen hervorgehoben hat, der ihr als Grundlage für die vorgenannte Feststellung relevant erschienen sei.

–       Zur von der Klägerin abgegebenen Stellungnahme

118    Die Stellungnahme der Klägerin zu den von der Kommission hervorgehobenen Erklärungen und den weiteren von ihr angeführten Anhaltspunkten stellen die Bewertungen der Kommission nicht in Frage, da diese Stellungnahme zu allgemein bleibt bzw. auf der Vorstellung beruht, dass die Kommission schon in diesem Stadium über Beweise für den vermuteten Verstoß verfügen müsse (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 70 und 71 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) und nicht nur über hinreichend ernsthafte Indizien.

119    Denn erstens macht die Klägerin geltend, dass die von der Kommission angeführten Erklärungen keine hinreichend ernsthaften Indizien für das Vorliegen der vermuteten Koordinierung darstellten, da es sich um Erklärungen handele, die im Reifensektor wie auch in anderen Industriezweigen üblich seien und regelmäßig vorkämen.

120    Es ist jedoch festzustellen, dass – selbst unterstellt, dass gleichartige und ebenso regelmäßig vorkommende Erklärungen wie die in den übermittelten „earnings calls“ festgestellten in den „earnings calls“ anderer Reifenhersteller oder Industrieunternehmen anderer Branchen zu finden wären – dies der Kommission nicht die Möglichkeit nähme, den Vermutungen nachzugehen, die sich aus den ihr vorliegenden hinreichend ernsthaften Indizien in Bezug auf die von ihr identifizierten Reifenhersteller ergeben haben.

121    Zweitens weist die Klägerin darauf hin, dass die von der Kommission angeführten Auszüge aus den „earnings calls“ sämtlich aus Erklärungen stammten, die im Rahmen der Frage-und-Antwort-Runde dieser „earnings calls“ abgegeben worden seien. Solche Erklärungen seien daher nicht spontan, sondern würden auf Fragen von Finanzanalysten abgegeben, die Geschäftsbanken und keine Wettbewerber verträten. Von einem Unternehmen, das an einem  „earnings call“ und der anschließenden Frage-und-Antwort-Runde teilnehme, werde erwartet, dass es seine Aussichten vor dem Hintergrund der makroökonomischen Lage darlege und erläutere. Solche Erklärungen entsprächen zumindest für die in Frankreich ansässigen Unternehmen auch einer gesetzlichen Transparenzanforderung, die eine kontinuierliche Übermittlung aller Informationen an die Märkte erforderlich mache, die nicht öffentlich bekannt seien und die, wenn sie bekannt würden, den Börsenkurs des betreffenden Unternehmens beeinflussen könnten.

122    Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission vertretene Auslegung der in Rede stehenden Erklärungen das Recht der Unternehmen, „earnings calls“ abzuhalten, nicht als solches in Frage stellt. Diese Auslegung stellt im Rahmen der vorliegenden Rechtssache auch keine Einschränkung einer gesetzlichen Transparenzanforderung in finanziellen Fragen dar. Diese Auslegung beruht nämlich vielmehr auf der Vorstellung, dass diese Unternehmen zwar „earnings calls“ abhalten dürfen und gesetzlichen Transparenzanforderungen in Bezug auf Verlautbarungen zu finanziellen Fragen genügen müssen, sich jedoch nicht der „earnings calls“ für ein Vorgehen bedienen dürften, hinter dem die Kommission eine etwaige kollusive Praxis vermutet. Insoweit darf die Kommission zu Recht davon ausgehen, dass weder irgendein Erfordernis zur Beantwortung von Analystenfragen noch irgendeine gesetzliche Transparenzanforderung in finanziellen Fragen die betroffenen Unternehmen berechtigt, sich über eine „unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen“ im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV abzustimmen.

123    Zum anderen ist es in diesem Stadium der Untersuchung verfrüht, danach zu fragen, ob die in Rede stehenden Erklärungen nicht durch die von der Kommission vertretene Auslegung zu erklären sind, sondern durch die anderen, von der Klägerin vorgeschlagenen Auslegungen, d. h. das punktuelle Erfordernis, die Frage eines Analysten zu beantworten, bzw. die umfassende Transparenzanforderung bei Verlautbarungen zu finanziellen Fragen. Im vorliegenden Fall kann es mit dem Hinweis sein Bewenden haben, dass die Behauptung der Klägerin, wonach die in Rede stehenden Erklärungen, insbesondere diejenigen, die nach Ansicht der Kommission die Art und Weise beträfen, wie die Wettbewerber ihre Preise festlegen sollten, ihre Rolle als Preisführer oder als Preisfolger oder die Art und Weise, wie der betreffende Hersteller auf Preisänderungen der Wettbewerber reagiere, auf das Erfordernis zurückzuführen seien, Analystenfragen zu beantworten bzw. regulatorischen Anforderungen zu genügen, nicht ausreicht, um die Plausibilität der von der Kommission zur Rechtfertigung des angefochtenen Beschlusses vertretenen Auslegung in Frage zu stellen (siehe oben, Rn. 87).

124    Drittens macht die Klägerin geltend, dass die von der Kommission angeführten Erklärungen lediglich allgemeine Angaben zum Wettbewerbsumfeld in der Reifenbranche mit Verweisen auf den Preisdruck und das inflationsgeneigte Umfeld sowie zu ihrer Preispolitik im Zusammenhang mit ihrer „Premium-Positionierung“ enthielten. Die ersten Angaben seien allgemein gehalten und bekannt. Sie beträfen exogene Faktoren, die den Analysten bekannt seien, die versuchten, deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der Unternehmen zu bestimmen. Die zweiten gäben lediglich eine klare Positionierung der Klägerin seit mehreren Jahren wieder. Außerdem spiegelten die Aussagen zu den Preisentwicklungen bei den Wettbewerbern lediglich die wirtschaftliche Rationalität eines jeden Unternehmens wider und seien Ausdruck des normalen Wettbewerbsgeschehens. Dies würde auch die Beobachtungen erklären, die die Kommission aus den Ankündigungen zu den Reifenpreisen und den Preisen für Vorleistungen abgeleitet habe.

125    Demnach erkennt die Klägerin selbst an, dass ihr Vorbringen, mit dem sie die Plausibilität der von der Kommission vertretenen Auslegung in Frage stellen möchte, darin besteht, geltend zu machen, dass es „andere glaubhafte Gründe“ als die gebe, die die Kommission in diesem Stadium als Erklärung für den Inhalt der von ihr angeführten Erklärungen angenommen habe.

126    In Anbetracht des Inhalts der berücksichtigten öffentlichen Erklärungen (siehe oben, Rn. 113), die nach der von der Kommission vertretenen Auslegung auf eine Koordinierung der Reifenpreise hindeuten können, sowie der verschiedenen, zur Stützung der sich aus diesen Erklärungen ergebenden Vermutungen vorgebrachten Anhaltspunkte war es indes plausibel, davon auszugehen, dass die vermutete Koordinierung vorliegen könne und daher eine Nachprüfung durchzuführen sei.

127    In diesem Zusammenhang wird die Prüfung der von der Klägerin vorgebrachten anderen glaubhaften Gründe in einem späteren Schritt erfolgen, falls sich zeigt, dass die Vermutungen der Kommission durch die Ergebnisse ihrer Nachprüfung bestätigt werden. Diese weiteren Erklärungen als solche reichen nicht aus, um der von der Kommission vertretenen Auslegung die Plausibilität zu nehmen.

128    Viertens ist im Anschluss an die von der Klägerin gestellten Fragen, insbesondere im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses (siehe oben, Rn. 47), darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrer Antwort auf die erste prozessleitende Maßnahme ihre Auslegung der ihr vorliegenden Indizien hinsichtlich des Umfangs der von der vermuteten Koordinierung betroffenen Preise erläutert hat.

129    Sie hat hierzu angegeben, dass sich ihre Untersuchung auf die Informationen zu den künftigen Absichten und den Preisstrategien konzentriert habe, die die wichtigsten Reifenhersteller insbesondere über ihre „earnings calls“ verlautbart hätten.

130    So hat die Kommission ihren Angaben zufolge beobachtet, dass die wichtigsten Reifenhersteller im Rahmen der „earnings calls“ häufig auf die „Großhandelspreise“ („sell-in prices“ oder „wholesale prices“) – die ersten Preise in der Wertschöpfungskette – verwiesen hätten. Dabei handelt es sich im Allgemeinen um die Preise, die die Reifenhersteller verlangen, wenn die Reifen das Werk verlassen. Die Kommission hat ferner angegeben, dass sie im selben Rahmen regelmäßig Bezugnahmen auf die „sell-out prices“, d. h. die Preise am Ende der Wertschöpfungskette, festgestellt habe.

131    Die Kommission hat diese Aussagen durch Vorlage zweier „earnings calls“ von Wettbewerbern der Klägerin veranschaulicht, dessen erster im Hauptzeitraum und der zweite in einem vor dem Hauptzeitraum liegenden, jedoch nicht mit dem vorangegangenen Zeitraum verknüpften Zeitraum stattgefunden hätten. Den von der Kommission hervorgehobenen Aussagen aus diesen „earnings calls“ ist zu entnehmen, dass die Situation hinsichtlich der Preise, der Lagerbestände oder der Marktanteile sowohl im Hinblick auf die Verkäufe ab Werk als auch auf die Verkäufe ab Händler angesprochen wird.

132    Die Kommission ist ihren Erläuterungen zufolge in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass alle entlang der Wertschöpfungskette praktizierten Preise im Rahmen der Nachprüfung von Interesse gewesen seien, die sie angeordnet habe, um ihrem Verdacht einer vermuteten Koordinierung nachzugehen. Die im Rahmen der „earnings calls“ abgegebenen Erklärungen spiegelten insoweit die von der obersten Führungsebene der betreffenden Hersteller vorgegebenen Leitlinien zu ihren künftigen Absichten und Preisstrategien wider. Diese allgemeinen Leitlinien seien geeignet, als solche entlang der gesamten Wertschöpfungskette übernommen zu werden. Diese Erklärungen beträfen nämlich sowohl die Ausrichtung auf steigende Preise oder deren Beibehaltung auf einem bestimmten Niveau als auch eine Strategie, die eher auf den Preis als auf den Mengenwettbewerb ausgerichtet sei. Aus diesen Gründen macht die Kommission geltend, dass die in Rede stehenden Erklärungen sowohl für die Festsetzung der Großhandelspreise als auch für die Festsetzung der Einzelhandelspreise relevant sein könnten.

133    Im Übrigen seien die wichtigsten Reifenhersteller in Europa in der Regel vertikal integriert und daher sowohl in der Reifenherstellung als auch im Einzelhandel tätig. Sie hätten mithin ein Interesse daran, dass sich Preiserhöhungen auf der Großhandelsstufe auf die nachgelagerten Einzelhandelspreise auswirkten, um die Margenziele entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass die in den betreffenden „earnings calls“ verlautbarten Preisstrategien nachgelagert hätten umgesetzt werden sollen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

134    Die Klägerin macht hierzu in ihrer Stellungnahme geltend, die von der Kommission vorgebrachten Erläuterungen hätten im angefochtenen Beschluss enthalten gewesen sein müssen. Im weiteren Sinne führt die Klägerin ferner aus, dass sowohl hinsichtlich der „sell-in prices“ als auch der „sell-out prices“ die von der Kommission angeführten Erklärungen aus verschiedenen Gründen per definitionem keine hinreichend ernsthaften Indizien darstellen könnten, beispielsweise weil sich die in Rede stehenden Erklärungen auf endgültige Entscheidungen zur Preisänderung bezögen, weil diese Erklärungen allgemein und ungenau seien oder weil in Bezug auf die „sell-out prices“ alle Einzelhandelspreise für Reifen öffentlich leicht zugängliche Daten seien.

135    Allerdings ist festzustellen, dass die Kommission mit der Aussage, dass die vermutete Koordinierung „die Koordinierung der Preise (insbesondere der Großhandelspreise) … zwischen den wichtigsten Reifenherstellern“ betreffen soll, eine Formulierung verwendet hat, die dem Inhalt der ihr vorliegenden Indizien entspricht, die hinreichend ernsthaft sind, um die Vermutung einer potenziell kollusiven Praxis zu begründen, die sich aus bestimmten öffentlichen Erklärungen ergibt, die die vom angefochtenen Beschluss erfassten Reifenhersteller im Rahmen ihrer „earnings calls“ abgegeben hatten.

136    Nach den im Stadium der Überprüfung des Inhalts dieser Indizien durch das Unionsgericht von der Kommission vorgebrachten Erläuterungen, die durch die von der Klägerin in der Sitzung gemachte Aussage bestätigt werden, dass ein Teil ihrer Verkäufe neuer Ersatzreifen im EWR auf der Einzelhandelsebene erfolge, war es für die Kommission plausibel, davon auszugehen, dass ihre Vermutungen und die ihr vorliegenden hinreichend ernsthaften Indizien die gesamte bei den „earnings calls“ angesprochene Wertschöpfungskette abdeckten und nicht nur oder ausschließlich die Verkäufe zu Großhandelspreisen.

137    In diesem Zusammenhang wird die Prüfung der verschiedenen von der Klägerin vorgebrachten Erklärungen in einem späteren Schritt erfolgen, falls sich zeigt, dass die Vermutungen der Kommission durch die Ergebnisse ihrer Nachprüfung bestätigt werden. Diese anderen Erklärungen als solche reichen im vorliegenden Fall im Stadium der gerichtlichen Kontrolle des angefochtenen Beschlusses nicht aus, um der von der Kommission vertretenen Auslegung zum Umfang des in diesem Beschluss zur Rechtfertigung der Nachprüfung angesprochenen Preisbegriffs die Plausibilität zu nehmen.

138    Nach alledem ist in Ansehung des Inhalts der verschiedenen öffentlich verlautbarten Erklärungen sowie der verschiedenen zur Stützung der sich aus diesen Erklärungen ergebenden Vermutungen vorgelegten Anhaltspunkte die von der Kommission vertretene Auslegung im Ergebnis stichhaltig, nach der die Gesamtheit dieser Indizien die Annahme erlaube, dass es plausibel sei, dass die vom angefochtenen Beschluss erfassten wichtigsten Reifenhersteller ihre Preise für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR im Hauptzeitraum koordiniert hätten, ohne dass ausgeschlossen werden könne, dass diese etwaige Koordinierung bereits früher begonnen und zum Zeitpunkt der Nachprüfung noch immer angedauert habe.

139    Unter diesen Umständen ist die Rüge, der angefochtene Beschluss sei willkürlich, weil die Vermutungen, die auf den in dessen Rn. 4 Satz 1 definierten Hauptzeitraum bezogen seien, nicht durch hinreichend ernsthafte Indizien gestützt würden, als unbegründet zurückzuweisen.

ii)    Zum Fehlen hinreichend ernsthafter Indizien, um die Vermutung einer Koordinierung der Preise im vorangegangenen Zeitraum zu stützen

140    Was den vorangegangenen Zeitraum und des Weiteren eine Frage des Gerichts zur zeitlichen Dimension der vermuteten Koordinierung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission – wie sie in der Sitzung bestätigt hat – einräumt, dem Gericht keine Indizien aus diesem Zeitraum übermittelt zu haben.

141    Dieser Umstand ist für die Würdigung relevant, da – wie die Klägerin anmerkt – aus den von der Kommission übermittelten Erläuterungen hervorgeht, dass der für die quantitative Analyse der von ihr erlangten mehreren Hunderttausend „earnings calls“ verwendete Recherchezeitraum lang genug ist, sowohl den Hauptzeitraum als auch den vorangegangenen Zeitraum zu umfassen (siehe oben, Rn. 95 bis 98).

142    So ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar in der Lage war, aufgrund der beiden von ihr definierten Kategorien von Bigrammen und der anschließend durchgeführten qualitativen Analyse für den Hauptzeitraum bestimmte „earnings calls“ zu identifizieren, sie aber nicht angegeben hat, dass sie solche „earnings calls“ für den vorangegangenen Zeitraum habe identifizieren können. Unter Berücksichtigung der Menge und der Vielfalt der für die quantitative Analyse verwendeten Bigramme ist indes die Annahme erlaubt, dass – hätte es für den vorangegangenen Zeitraum relevante „earnings calls“ gegeben – diese in gleicher Weise identifiziert worden wären wie die den Hauptzeitraum betreffenden. Die Kommission hat dem Gericht zu diesem Punkt jedoch weder eine Erläuterung noch ein entsprechendes Dokument übermittelt, obwohl das Gericht sie aufgefordert hatte, die verschiedenen Anhaltspunkte, auf die sie in der den vorangegangenen Zeitraum betreffenden Rn. 4 Satz 2 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen hat, in der ihr für den Nachweis der hinreichenden Ernsthaftigkeit der ihr vorliegenden Indizien geeignet erscheinenden Form darzulegen.

143    Vor diesem Hintergrund hat das Gericht zu berücksichtigen, dass es die Kommission nicht vermocht hat, ihm – wie sie es für den Hauptzeitraum konnte – öffentliche Erklärungen vorzulegen, die von den wichtigsten Reifenherstellern stammen und im Rahmen von „earnings calls“ abgegeben wurden, die im vorangegangenen Zeitraum stattgefunden hatten.

144    Was die Indizien für die Vermutungen betrifft, auf die im angefochtenen Beschluss in Bezug auf den vorangegangenen Zeitraum hingewiesen wird, macht die Kommission im Übrigen geltend, dass sie auf diesen Zeitraum durch mehrere „earnings calls“ aus der nach diesem Zeitraum liegenden Zeit aufmerksam geworden sei.

145    Nach den Angaben der Kommission hierzu wiesen diese  „earnings calls“ aus der nach dem vorangegangenen Zeitraum liegenden Zeit im Rahmen von Bemerkungen der im angefochtenen Beschluss genannten wichtigsten Reifenhersteller, was die Abwälzung der Rohstoffpreiserhöhungen betrifft, auf den vorangegangenen Zeitraum hin.

146    So hat die Kommission auf eine öffentliche Erklärung eines Wettbewerbers in einem „earnings call“ verwiesen, der im Hauptzeitraum stattgefunden hatte, in der auf einen „[dem vorangegangenen Zeitraum entsprechenden] Zyklus“ Bezug genommen wird. Dieser Erklärung zufolge sollen die mit dem Anstieg der Rohstoffkosten verbundenen Gewinneinbußen in dem auf diesen Zyklus folgenden Jahr vollständig ausgeglichen worden sein.

147    Auch weitere von der Kommission übermittelte „earnings calls“ enthielten Bezugnahmen auf den vorangegangenen Zeitraum. Drei dieser „earnings calls“ hätten in den Jahren kurz vor dem Hauptzeitraum stattgefunden und vier von ihnen sowie eine Präsentation im Hauptzeitraum. Nach dem von der Kommission hervorgehobenen Inhalt dieser Erklärungen verglichen die betreffenden wichtigsten Reifenhersteller die damalige Situation mit der Situation, die sie jeweils zu einem Zeitpunkt erlebt hatten, zu dem der Markt erhebliche Rohstoffpreissteigerungen verzeichnete.

148    In diesen Bezugnahmen könnte nach Auffassung der Kommission ein Indiz für eine Koordinierung im vorangegangenen Zeitraum zu sehen sein, was die Klägerin in ihrer Stellungname zu diesem Punkt in Abrede stellt.

149    Hierzu ist festzustellen, dass die Erklärungen, aus denen der Kommission zufolge hervorgehen soll, dass hinreichend ernsthafte Indizien vorliegen, um die im angefochtenen Beschluss geäußerte Vermutung der Koordinierung im vorangegangenen Zeitraum zu belegen, nicht von gleicher Art sind, wie die Erklärungen, die in Bezug auf den Hauptzeitraum geprüft wurden. Diese Feststellung ist von der Kommission in der Sitzung bestätigt worden.

150    Obwohl die von der Kommission vermutete Koordinierung auf der Vorstellung beruht, dass die wichtigsten Reifenhersteller sich gegenseitig über ihre jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien informierten und die für den Hauptzeitraum vorgelegten Indizien auf öffentliche Erklärungen hinwiesen, die für die Feststellung einer solchen Koordinierung herangezogen werden können, enthielten die verschiedenen Erklärungen, die für den vorangegangenen Zeitraum vorgelegt wurden, nämlich keine Angaben zu für eine Umsetzung in diesem Zeitraum geeigneten jeweiligen künftigen Preisabsichten und ‑strategien.

151    Aus diesen Erklärungen, beispielsweise aus der ältesten von der Kommission angeführten, geht nämlich hervor, dass der betreffende Hersteller seine Gesprächspartner daran erinnert, dass es nicht das erste Mal sei, dass die Rohstoffpreise stiegen, und dass er diesen Anstieg in der Vergangenheit habe weitergeben können. Die Koordinierung, die eine öffentliche Erklärung über die Weitergabe eines Anstiegs nach der von der Kommission vertretenen Auslegung mit sich bringen könnte, würde jedoch nur für die Zukunft gelten. Im vorliegenden Fall liefert die Kommission keine Indizien, die die Annahme erlauben, dass sich die wichtigsten Reifenhersteller im vorangegangenen Zeitraum zu einem Zeitpunkt, zu dem die Rohstoffpreise ebenfalls erheblich gestiegen sein sollen, in einer Art und Weise, die der in der Folge für den Hauptzeitraum dokumentierten entspricht, oder in einer anderen Art und Weise als der koordiniert hätten, die sie in diesem Hauptzeitraum angewendet haben sollen.

152    Im Übrigen hat die Kommission dem Gericht nicht den geringsten Anhaltspunkt geliefert, der es erlaubt, eine andere Art der Koordinierung als die im vorliegenden Fall vermutete in Betracht zu ziehen.

153    Im Ergebnis geht aus alledem hervor, dass zum einen in Anbetracht dessen, dass es keine einschlägigen Anhaltspunkte aus dem vorangegangenen Zeitraum gibt, obwohl dieser zu dem von der Kommission bei ihrer quantitativen Analyse herangezogenen Recherchezeitraum gehörte (siehe oben, Rn. 95), und zum anderen in Anbetracht dessen, dass keine anderen relevanten Anhaltspunkte vorliegen, anhand deren sich eine etwaige Koordinierung im vorangegangenen Zeitraum feststellen lässt, die von der Kommission vertretene Auslegung, wonach es plausibel sei, dass die vom angefochtenen Beschluss erfassten wichtigsten Reifenhersteller ihre Preise für neue Ersatzreifen für Pkw und Lkw im EWR im vorangegangenen Zeitraum koordiniert hätten, nicht hinreichend belegt ist.

154    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Rüge, der angefochtene Beschluss sei willkürlich, weil die Vermutungen, die den in dessen Rn. 4 Satz 2 definierten vorangegangenen Zeitraum beträfen, nicht durch hinreichend ernsthafte Indizien gestützt seien, durchgreift. Der angefochtene Beschluss ist daher insoweit teilweise für nichtig zu erklären.

4.      Zum zweiten Teil, mit dem gerügt wird, dass der angefochtene Beschluss unverhältnismäßig sei

155    Nach Ansicht der Klägerin verstößt der angefochtene Beschluss aus den folgenden Gründen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: fehlende Gefährdung der Beweise, übermäßige Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Betriebs des Unternehmens, übermäßige Publizität der Beschlüsse, mit denen eine Nachprüfung angeordnet werde, und die Möglichkeit, eine weniger belastende Maßnahme zu ergreifen, nämlich das Auskunftsverlangen.

156    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Unionsorgane nicht über die Grenzen dessen hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

157    Die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit einem Beschluss, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wird, setzt voraus, dass die betreffende Maßnahme nicht zu Nachteilen führt, die angesichts des verfolgten Ziels unverhältnismäßig und untragbar sind. Insbesondere hängt die von der Kommission zu treffende Wahl zwischen einem Auskunftsverlangen und einer durch Beschluss angeordneten Nachprüfung nicht von Umständen wie dem besonderen Ernst der Lage, der außerordentlichen Dringlichkeit oder der Erforderlichkeit absoluter Geheimhaltung ab, sondern von den Erfordernissen einer den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Untersuchung. Ein Nachprüfungsbeschluss verletzt somit nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er der Kommission nur erlauben soll, die nötigen Anhaltspunkte für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung zusammenzutragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

158    Es ist grundsätzlich Sache der Kommission zu beurteilen, ob eine Auskunft zur Ermittlung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln erforderlich ist; selbst wenn ihr hierfür bereits Indizien oder gar Beweise vorliegen, kann sie daher zu der Annahme berechtigt sein, dass die Anordnung zusätzlicher Nachprüfungen erforderlich ist, um es ihr zu ermöglichen, die Zuwiderhandlung oder ihre Dauer genauer zu bestimmen (vgl. Urteil vom 25. November 2014, Orange/Kommission, T‑402/13, EU:T:2014:991, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

159    Im vorliegenden Fall lassen sich die Argumente der Klägerin zur Stützung der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in zwei Kategorien einteilen, je nachdem, ob mit ihnen die Erforderlichkeit des angefochtenen Beschlusses in Zweifel gezogen wird, die das Fehlen einer anderen, weniger belastenden Option impliziert, oder ob mit ihnen die übermäßigen Auswirkungen eines Nachprüfungsbeschlusses auf ihren Betrieb und ihre Leistung beanstandet werden, womit in der Konsequenz dargetan wäre, dass es vorzugswürdig gewesen wäre, eine weniger belastende Maßnahme zu wählen.

a)      Zur Rüge der fehlenden Erforderlichkeit des angefochtenen Beschlusses

160    Die Klägerin macht zum einen geltend, dass die im angefochtenen Beschluss angesprochene Gefahr einer Unterdrückung oder Vernichtung von Beweisen nicht bestanden habe, da der Kommission die gesuchten Informationen bereits bekannt gewesen seien oder ohne Weiteres hätten bekannt sein können, und zum anderen, dass es eine weniger belastende Option als den Erlass eines solchen Beschlusses gegeben habe, nämlich im vorliegenden Fall ein Auskunftsersuchen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003, wonach eine fehlende oder unvollständige Antwort mit einer Geldbuße bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes geahndet werden könne, was dieser in anderen gleichartigen Rechtssachen angewandten Bestimmung eine große Wirksamkeit verleihe.

161    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

162    Was als Erstes die fehlende Gefahr für die Beweise angeht, ist daran zu erinnern, dass – wie die Kommission hervorhebt – der angefochtene Beschluss es ihr ermöglichen sollte, die Informationen zu sammeln, die für die Prüfung erforderlich waren, ob die vermutete Koordinierung vorlag.

163    Dass die Kommission bereits hinreichend ernsthafte Indizien für die Rechtfertigung einer Nachprüfung gesammelt hatte, kann insoweit nicht dazu führen, dass sie gehindert wäre, ergänzende Informationen einzuholen oder die ihr vorliegenden Informationen im Rahmen einer Nachprüfung zu verifizieren.

164    Ebenso wenig kann der Umstand, dass diese Indizien im Wesentlichen auf dem Inhalt bestimmter öffentlicher Erklärungen beruhen, die die im angefochtenen Beschluss genannten Reifenhersteller bei ihren „earnings calls“ abgegeben hatten, der Kommission die Möglichkeit nehmen, die relevanten Unterlagen zu prüfen oder die beteiligten Personen zu befragen, um die Informationen zu erlangen, die erforderlich sind, um ihre Vermutungen zu ergänzen oder zu stützen.

165    Insoweit kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Versuch unternommen zu haben, solche Informationen bei einer beschränkten Gruppe von Personen zu sammeln, die in dem betroffenen Unternehmen im Besitz von Beweisen sein konnten, anhand deren sich Gegenstand, Gründe und Funktionsweise der vermuteten Koordinierung leichter bestimmen ließen. Die Kommission hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, welche Relevanz es für sie hatte, die Informationen zu erlangen, die die internen Erörterungen zur Vor- und Nachbereitung der „earnings calls“ sowie zur Vorbereitung der Entscheidungen über die Preise in Bezug auf die in diesem Beschluss beschriebene Koordinierung der Preise zwischen den Reifenherstellern betrafen.

166    In einer solchen Situation konnte die Kommission die Möglichkeit nicht ausschließen, dass in Ermangelung einer unangekündigten Nachprüfung die Gefahr bestand, dass bestimmte relevante Informationen verfälscht oder vernichtet würden. Im Übrigen wird in Rn. 8 des angefochtenen Beschlusses auf eine solche Gefahr für die Beweise hingewiesen, und zwar in Bezug auf „Informationen betreffend den Verdacht, dass das künftige Marktverhalten in Bezug auf die Preise (insbesondere Großhandelspreise) der betreffenden Produkte koordiniert wird, sowie den Verdacht hinsichtlich der Entscheidung der Hersteller, die Wettbewerber öffentlich über die künftige Preispolitik zu informieren“.

167    Mithin konnte die Kommission in Ansehung sowohl der Begründung des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf den Inhalt der vermuteten Koordinierung als auch der diese Vermutung stützenden hinreichend ernsthaften Indizien die Gefahr einer Unterdrückung oder Vernichtung der gesuchten Beweise nicht ausschließen und war es daher erforderlich, einen Beschluss zu erlassen, mit dem eine Nachprüfung angeordnet wurde, um dieser Gefahr Rechnung zu tragen.

168    Was als Zweites die Möglichkeit betrifft, anstatt auf einen Nachprüfungsbeschluss auf ein Auskunftsersuchen zurückzugreifen, ist davon auszugehen, dass es ein solches Ersuchen nicht ermöglicht hätte, sämtliche für die Untersuchung erforderlichen Informationen und Beweise zu sammeln.

169    Im vorliegenden Fall war die Kommission ausweislich des angefochtenen Beschlusses nämlich der Ansicht, dass ein Nachprüfungsbeschluss erforderlich sei, um den gesamten, die vermutete Koordinierung betreffenden Sachverhalt, den Kontext, in dem diese stattgefunden haben soll, sowie die Identität der betreffenden Unternehmen zu überprüfen, um zu verhindern, dass die relevanten Informationen verfälscht oder vernichtet würden, was der Fall hätte sein können, wenn sie mittels eines Auskunftsersuchens oder einer im Voraus angekündigten Nachprüfung gesammelt worden wären, und um die Wirksamkeit der Nachprüfung dadurch zu gewährleisten, dass sie zeitgleich bei allen verdächtigten Unternehmen stattfand, ohne dass diese im Vorhinein informiert wurden.

170    Darüber hinaus besteht – wie die Kommission anmerkt – ein erheblicher Unterschied zwischen der Höhe einer wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verwirkten Geldbuße und der Höhe einer Geldbuße, die verhängt wird, weil die Antwort auf ein Auskunftsersuchen ausgeblieben ist. Aufgrund dieses Unterschieds ist nicht ausgeschlossen, dass ein von einem Auskunftsersuchen betroffenes Unternehmen versucht sein kann, ihm nicht Folge zu leisten, und möglicherweise bereit ist, sich aus diesem Grund bestrafen zu lassen, wenn ihm dies die Möglichkeit eröffnen kann, einer Sanktion wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV zu entgehen.

171    Die Wahl des bei der Sammlung der für die Untersuchung relevanten Informationen verwendeten Instruments zwischen einer durch einen Beschluss gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 angeordneten Nachprüfung und einem auf der Grundlage von Art. 18 dieser Verordnung ergangenen Auskunftsersuchen hängt somit von einer Prüfung ab, die die Kommission unter Berücksichtigung der bei der laufenden Untersuchung gegebenen Situation vornimmt. Der schlichte Umstand, dass die Kommission in anderen, von der Klägerin angesprochenen Rechtssachen durch Auskunftsersuchen hätte vorgehen können, reicht insoweit nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der Wahl in Zweifel zu ziehen, die in der vorliegenden Rechtssache aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen getroffen wurde.

172    Demnach ist das Vorbringen der Klägerin zur fehlenden Erforderlichkeit des angefochtenen Beschlusses, weil keine Gefahr für die Beweise bestanden habe bzw. eine weniger belastende Maßnahme hätte gewählt werden können, als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Zur Rüge, dass der angefochtene Beschluss schädliche Auswirkungen gehabt habe

173    Die Klägerin macht geltend, dass der angefochtene Beschluss schädliche Auswirkungen gehabt habe, und zwar zum einen auf ihren ordnungsgemäßen Betrieb während der Durchführung der Nachprüfung und zum anderen auf ihre Wirtschaftsleistung infolge der Publizität, die diesem Beschluss verliehen worden sei. In diesem Zusammenhang könne nicht davon ausgegangen werden, dass der angefochtene Beschluss unter Berücksichtigung seiner insoweit übermäßigen Auswirkungen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehe.

174    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

175    Als Erstes ist zur übermäßigen Störung des ordnungsgemäßen Betriebs eines Unternehmens, dem aufgegeben wird, eine Nachprüfung zu dulden, festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin hierzu sachlich nicht zutrifft.

176    Zunächst einmal ist nämlich darauf hinzuweisen, dass Nachprüfungen grundsätzlich dann erforderlich sind, wenn die Kommission die Vermutung hegt, dass eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des AEU-Vertrags vorliegt. Ein solcher Eingriff der Behörde in das Recht eines Unternehmens auf Achtung seiner Räumlichkeiten und seiner Kommunikation bleibt daher verhältnismäßig, wenn er sich innerhalb der Grenzen bewegt, die durch den im Nachprüfungsbeschluss festgelegten Gegenstand gerechtfertigt sind, was bedeutet, dass die Durchführung eines solchen Beschlusses mit notwendigen und unvermeidbaren Nachteilen für den ordnungsgemäßen Betrieb eines Unternehmens verbunden ist, deren sich die Klägerin bewusst sein muss.

177    Angesichts dessen, dass der Kommission hinreichend ernsthafte Indizien vorlagen, ist im vorliegenden Fall indes nicht davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss als solcher geeignet ist, eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Betriebs der Klägerin zu verursachen.

178    Im Übrigen ist festzustellen, dass die Erläuterungen der Kommission jedenfalls als für den Beleg geeignet erscheinen, dass die durch die Anordnung einer Nachprüfung verursachten Nachteile im Verhältnis zu den mit der betreffenden Nachprüfung verfolgten Zielen nicht unverhältnismäßig und untragbar sind.

179    So hat die Kommission, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hat, vorsorglich geltend gemacht, dass die Nachprüfung mit den geringstmöglichen Eingriffen durchgeführt worden sei. Insbesondere seien die Arbeitsmittel von nur vier Personen beschlagnahmt und innerhalb kurzer Zeit wieder zurückgegeben worden. Die Mobiltelefone dieser Personen seien nämlich nach etwa (und im Allgemeinen weniger als) 24 Stunden zurückgegeben worden, und einige SIM-Karten habe die Kommission zurückgegeben, bevor die Mobiltelefone zurückgegeben worden seien, um diesen Personen zu ermöglichen, ihre Arbeit unter Verwendung ihrer üblichen Telefonnummern fortzusetzen. Was die beschlagnahmten Laptops betreffe, so habe eine der vier Personen ihren Computer noch am selben Tag zurückerhalten, während die anderen Computer binnen 48 Stunden zurückgegeben worden seien. Da alle Daten auf den Servern der Klägerin gespeichert seien, habe der Umstand, dass diesen Personen während dieses kurzen Zeitraums ihr Laptop entzogen gewesen sei, sie nicht daran gehindert, mit anderen Mitteln zu arbeiten. Dass die Extraktion der auf den elektronischen Datenträgern gespeicherten Daten mehr Zeit in Anspruch genommen habe als üblich, sei auf das von der Klägerin eingerichtete Sicherheitssystem zurückzuführen, das die Extraktion erschwert habe. Jedenfalls könne die Klägerin nicht geltend machen, dass ihr Betrieb gestört worden sei, weil zwei Mitarbeiter ihrer IT‑Abteilung die Kommission bei dieser Aufgabe hätten unterstützen müssen.

180    Dementsprechend ist das Vorbringen der Klägerin zu den behaupteten schädlichen Auswirkungen auf ihren ordnungsgemäßen Betrieb als unbegründet zurückzuweisen.

181    Was als Zweites die schädlichen Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens betrifft, die sich aus einer übermäßigen Publizität der von der Kommission angeordneten Nachprüfung ergeben haben sollen, ist vorab darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen eher die Frage nach dem Ersatz des entstandenen Schadens als den eigentlichen Streit über die Rechtmäßigkeit einer Handlung betrifft.

182    Insoweit ist festzustellen, dass schon nach dem Vorbringen der Klägerin selbst die der Nachprüfung durch die Kommission verliehene Publizität einer vom angefochtenen Beschluss gesonderten Handlung entstammt. Im vorliegenden Fall geht es um die Pressemitteilung IP/24/561 („Kommission führt unangekündigte Nachprüfungen bei Anbietern von Autoreifen durch“), die am 30. Januar 2024, also zu einem Zeitpunkt, der dem Beginn der bei der Klägerin durchgeführten Nachprüfung entsprach, auf der Website der Kommission veröffentlicht wurde (im Folgenden: Pressemitteilung).

183    Zum einen aber wird in der vorliegenden Rechtssache die Pressemitteilung nicht als solche angegriffen.

184    Zum anderen ist, wie die Kommission geltend macht, jedenfalls festzustellen, dass die Veröffentlichung einer Pressemitteilung ihrer üblichen Praxis entspricht. Außerdem ist anzumerken, dass darin die Klägerin nicht namentlich genannt, sondern lediglich der Reifensektor in der Union erwähnt wurde.

185    Im vorliegenden Fall hieß es in der Pressemitteilung, dass „[d]er Kommission … Verdachtsmomente vor[lagen], dass die betroffenen Unternehmen u. a. über öffentliche Verlautbarungen ihre Preise abgestimmt haben könnten“.

186    Der Pressemitteilung zufolge gab diese keinen Anlass, auf die Schuld der betroffenen Unternehmen zu schließen, da „[u]nangekündigte Nachprüfungen … ein erster Schritt bei der Untersuchung mutmaßlich wettbewerbswidriger Verhaltensweisen [sind]“ und die Tatsache, dass solche Nachprüfungen durchgeführt würden, „weder [bedeutet], dass sich die betreffenden Unternehmen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen schuldig gemacht haben, noch … dem Ergebnis der Untersuchung vor[greift]“.

187    Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die von ihr dargestellten Auswirkungen berufen, um zu belegen, dass der in der vorliegenden Rechtssache angefochtene Beschluss unverhältnismäßig sei.

188    Dementsprechend ist das Vorbringen der Klägerin zu den behaupteten schädlichen Auswirkungen auf ihre Leistung im Anschluss an die Veröffentlichung der Pressemitteilung durch die Kommission als ins Leere gehend zurückzuweisen.

189    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klägerin nicht belegt hat, inwiefern der Nachprüfungsbeschluss unverhältnismäßig sein soll. Daher ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

5.      Ergebnis

190    Nach alledem ist der angefochtene Beschluss in Ermangelung hinreichend ernsthafter Indizien, auf die sich die in dessen Rn. 4 Satz 2 geäußerte Vermutung stützen ließe, insoweit wegen Willkürlichkeit und Verstoßes gegen das Recht der Klägerin auf Achtung ihrer Räumlichkeiten und ihrer Kommunikation teilweise für nichtig zu erklären.

191    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.    Kosten

192    Nach Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

193    Da der angefochtene Beschluss teilweise für nichtig zu erklären ist, ist das Gericht im vorliegenden Fall der Ansicht, dass jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschlusses C(2024) 243 final der Kommission vom 10. Januar 2024, mit dem gegenüber der Compagnie générale des établissements Michelin sowie allen unmittelbar oder mittelbar von ihr kontrollierten Gesellschaften angeordnet wurde, eine Nachprüfung gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zu dulden (Sache AT.40863 – Hoops), wird insoweit für nichtig erklärt, als er den in dessen Rn. 4 Satz 2 angesprochenen Zeitraum betrifft.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Compagnie générale des établissements Michelin und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Marcoulli

Tomljenović

Spangsberg Grønfeldt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Juli 2025.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Erster Klagegrund: unzureichende Begründung

1. Vorbemerkungen

2. Zur Rüge, die Begründung sei knapp bzw. allgemein gehalten

3. Zur Rüge einer vagen, mehrdeutigen, ungenauen bzw. sehr weit gefassten Begründung und deren Konsequenzen für das Verständnis der Vorwürfe

B. Zum zweiten Klagegrund, mit dem eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Räumlichkeiten und der Kommunikation der Klägerin gerügt wird

1. Vorbemerkungen

2. Zur Ähnlichkeit zwischen einem in den Leitlinien von 2023 angesprochenen Beispiel und der vermuteten Koordinierung

3. Zum ersten Teil, mit dem gerügt wird, dass der angefochtene Beschluss willkürlich sei

a) Zum fehlenden Erfordernis, im angefochtenen Beschluss alle der Kommission vorliegenden Informationen mitzuteilen

b) Zur Frage, ob die von der Kommission vorgelegten Indizien hinreichend ernsthaft sind, um den angefochtenen Beschluss zu rechtfertigen

1) Vorbemerkungen

2) Zu der zur Identifizierung der verdächtigen Erklärungen angewandten Methode

3) Zur Frage, ob die mitgeteilten Indizien hinreichend ernsthaft sind

i) Zum Vorliegen von Indizien, die hinreichend ernsthaft sind, um die Vermutung einer Koordinierung der Preise im Hauptzeitraum zu stützen

– Zu den von der Kommission vorgelegten Erklärungen

– Zu den weiteren von der Kommission vorgelegten Anhaltspunkten

– Zur von der Klägerin abgegebenen Stellungnahme

ii) Zum Fehlen hinreichend ernsthafter Indizien, um die Vermutung einer Koordinierung der Preise im vorangegangenen Zeitraum zu stützen

4. Zum zweiten Teil, mit dem gerügt wird, dass der angefochtene Beschluss unverhältnismäßig sei

a) Zur Rüge der fehlenden Erforderlichkeit des angefochtenen Beschlusses

b) Zur Rüge, dass der angefochtene Beschluss schädliche Auswirkungen gehabt habe

5. Ergebnis

IV. Kosten



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