Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)
11. Dezember 2024(* )
„ Unionsmarke – Anmeldung der Unionsbildmarke Glashütte ORIGINAL – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 “
In der Rechtssache T‑1163/23,
Glashütter Uhrenbetrieb GmbH – Glashütte/Sa. mit Sitz in Glashütte (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt D. von Schultz,
Klägerin,
gegen
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch V. Ruzek als Bevollmächtigten,
Beklagter,
erlässt
DAS GERICHT (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters I. Gâlea (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter T. Tóth und S. L. Kalėda,
Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2024
folgendes
Urteil (1 )
[nicht wiedergegeben ]
Rechtliche Würdigung
[nicht wiedergegeben ]
Zum zweiten Teil des einzigen Klageg rundes: Erstreck ung der Bekanntheit der Stadt Glashütte im Bereich de s traditionellen Uhrmacherhandwerks auf die in Rede stehenden virtuellen Waren und Dienstleistungen
[nicht wiedergegeben ]
37 Nach der Rechtsprechung enthalten zwar alle Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang eine Sachaussage, wenn auch nur eine einfache, sie können aber dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (Urteile vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 56 und 57, sowie vom 22. März 2017, Hoffmann/EUIPO [Genius], T‑425/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:199, Rn. 28).
38 Ein Zeichen ist jedoch nicht geeignet, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, und daher nicht unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn der Zusammenhang zwischen seinem Bedeutungsgehalt und den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen so konkret und unmittelbar ist, dass das Zeichen in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine sofortige Identifizierung dieser Waren und Dienstleistungen ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 2013, Restoin/HABM [EQUIPMENT], T‑356/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:253, Rn. 42, und vom 27. Juni 2013, International Engine Intellectual Property Company/HABM [PURE POWER], T‑248/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:333, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39 Das Fehlen der Unterscheidungskraft kann bereits festgestellt werden, wenn die angemeldete Marke den Verbraucher auf ein Merkmal der Ware oder der Dienstleistung hinweist, das deren Verkehrswert betrifft und, ohne präzise zu sein, eine verkaufsfördernde Information oder eine Werbebotschaft enthält, die von den maßgeblichen Verkehrskreisen in erster Linie als eine solche und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren oder der Dienstleistungen wahrgenommen werden wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2021, Ceramica Flaminia/EUIPO – Ceramica Cielo [goclean], T‑290/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:405, Rn. 41).
40 Insoweit hat die Beschwerdekammer, wie oben aus Rn. 26 hervorgeht, zum einen zu Recht festgestellt, dass der Name Glashütte die maßgeblichen Verkehrskreise an eine deutsche Stadt denken lässt, die für die Herstellung hochwertiger Uhren bekannt ist. Zum anderen hat sie, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, festgestellt, dass der Begriff „original“ den Gedanken der Echtheit und der Originaltreue hervorrufe. Folglich hat die Beschwerdekammer keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Auffassung vertreten hat, dass die angemeldete Marke insgesamt von diesen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Überlieferung eines speziellen Know-hows und ein hohes Ansehen im Bereich der Uhrenherstellung der Stadt Glashütte wahrgenommen würde, so dass die Wortbestandteile keine Unterscheidungskraft hätten.
41 Zur Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke in Bezug auf virtuelle Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung begehrt wird, ist festzustellen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise virtuelle Waren und Dienstleistungen grundsätzlich in gleicher Weise wie die entsprechenden realen Waren und Dienstleistungen wahrnehmen. Die Art der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ist daher entscheidend. Wenn somit die virtuellen Waren lediglich reale Waren abbilden oder die Funktionen realer Waren ab‑ oder nachbilden oder wenn virtuelle Dienstleistungen die Funktionen realer Dienstleistungen in der virtuellen Welt nachbilden, kann grundsätzlich eine Übertragung der Wahrnehmung, die die maßgeblichen Verkehrskreise von den realen Waren und Dienstleistungen haben, auf die entsprechenden virtuellen Waren und Dienstleistungen festgestellt werden. Die Möglichkeit einer solchen Übertragung ist jedoch im Einzelfall unter Berücksichtigung der Besonderheit der in Rede stehenden virtuellen Waren und Dienstleistungen zu beurteilen.
42 Im vorliegenden Fall beschränken sich die Verkehrskreise, in Bezug auf die die Beschwerdekammer die Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke beurteilt hat, auf die deutschen Verkehrskreise, die von der Stadt Glashütte und daher auch von ihrer Bekanntheit für die Herstellung von Uhren Kenntnis haben und die Bedeutung des gängigen Ausdrucks „original“ verstehen. Außerdem nehmen die in Rede stehenden virtuellen Waren und Dienstleistungen auf reale Uhrenerzeugnisse und ihr Zubehör Bezug und können somit eine Abbildung der entsprechenden realen Waren und Dienstleistungen oder eine Nachbildung ihrer Funktionen darstellen. Wenn diese Verkehrskreise mit den virtuellen Waren und Dienstleistungen konfrontiert werden, wird die angemeldete Marke somit von ihnen unmittelbar als logische Erweiterung des Ansehens wahrgenommen werden, das die Stadt Glashütte für das traditionelle Uhrmacherhandwerk genießt, und die Marke wird ihnen in Bezug auf die Qualität und Echtheit der virtuellen Waren und Dienstleistungen die gleichen positiven Gefühle vermitteln wie in Bezug auf die Qualität und Echtheit der realen Waren und Dienstleistungen.
43 Folglich hat die Beschwerdekammer beurteilungsfehlerfrei angenommen, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne der oben in den Rn. 38 und 39 angeführten Rechtsprechung besitzt, da sie von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen, sondern vielmehr als eine werbende Information über die Qualität und Echtheit dieser Waren und Dienstleistungen wahrgenommen werden würde, die durch die Bezugnahme auf die Stadt Glashütte und ihre Bekanntheit im Bereich physischer Uhrenerzeugnisse vermittelt wird.
44 Das Vorbringen der Klägerin kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen.
45 Erstens erstreckt sich, wie die Klägerin geltend macht, die Bekanntheit der Stadt Glashütte im Bereich des traditionellen Uhrmacherhandwerks zwar derzeit nicht auf den Bereich virtueller Zeitmessung, doch nehmen die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen ausdrücklich auf Uhrenerzeugnisse und deren Zubehör Bezug.
46 Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat, bestehen die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nämlich aus virtuellen Waren, die sich auf Uhrenerzeugnisse und deren Zubehör beziehen, sowie aus Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf diese virtuellen Waren sowie deren Bereitstellung. Folglich würde die angemeldete Marke tatsächlich für virtuelle Waren und Dienstleistungen verwendet werden, die dieselben realen Waren und Dienstleistungen abbilden können wie die, für die der Name der Stadt Glashütte bekannt ist, oder deren Funktionen nachbilden können.
47 Zweitens ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die Beschwerdekammer verkenne den wesentlichen Unterschied zwischen den realen und den virtuellen Waren.
48 Die Beschwerdekammer hat nämlich erklärt, dass die virtuellen Waren auf nicht physische Artikel Bezug nähmen, die in Online- oder virtuellen Umgebungen verwendet würden. Sie hat weiter ausgeführt, dass diese Waren reale Waren abbilden, die Funktionen von realen Waren ab- bzw. nachbilden oder Gegenstände ohne reale Äquivalente abbilden könnten.
49 Das Vorbringen der Klägerin, wonach zwischen den realen Uhrenerzeugnissen und den in Rede stehenden virtuellen Waren, bei denen es sich um digitale Dateien handele, ein „wesentlicher Unterschied“ bestehe, lässt nicht erkennen, inwiefern dieser Unterschied die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise verändern sollte, da nach wie vor feststeht, dass der Name Glashütte im Bereich des traditionellen Uhrmacherhandwerks bekannt ist, d. h. im Bereich jener realen Waren, die von den fraglichen virtuellen Waren abgebildet werden sollen oder deren Funktionen von diesen virtuellen Waren nachgebildet werden sollen.
50 Drittens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach es keine Überschneidung zwischen den an realen Uhren interessierten Verkehrskreisen und den an virtuellen Uhren und damit verbundenen Dienstleistungen interessierten Verkehrskreisen gebe.
51 Abgesehen davon, dass die Klägerin die oben in Rn. 50 angeführte Behauptung nicht begründet, legt sie nicht dar, inwiefern sich die maßgeblichen Verkehrskreise, die sich für das traditionelle Uhrmacherhandwerk interessieren und von der Bekanntheit der Stadt Glashütte in diesem Bereich Kenntnis haben, nicht für virtuelle Zeitmessung interessieren und umgekehrt.
52 Folglich ist der zweite Teil des einzigen Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.
[nicht wiedergegeben ]
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH – Glashütte/Sa. trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Dezember 2024.
Unterschriften