Vorläufige Fassung
URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)
23. Juli 2025(* )
„ Gemeinsame Fischereipolitik – Entschließung der IOTC über den Einsatz von Fischsammelgeräten – Einspruch der Kommission – Ablehnung des Antrags auf interne Überprüfung – Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 – Akt, der Gegenstand eines Antrags auf interne Überprüfung sein kann – Begriff ‚Bestimmungen, die möglicherweise gegen das Umweltrecht verstoßen‘ – Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 1367/2006 “
In der Rechtssache T‑1049/23,
Bloom mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwalt F. Lafforgue,
Klägerin,
unterstützt durch
Blue Marine Foundation mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), vertreten durch: Rechtsanwalt P. de Bandt und Rechtsanwältin C. Binet,
Streithelferin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, B. Hofstötter und D. Milanowska als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Spanien, vertreten durch A. Pérez-Zurita Gutiérrez und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
und durch
Französische Republik, vertreten durch B. Fodda, M. de Lisi, B. Travard und P. Chansou als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk, der Richter E. Buttigieg, G. Hesse (Berichterstatter) und I. Dimitrakopoulos sowie der Richterin B. Ricziová,
Kanzler: P. Nuñez Ruiz, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2025
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, Bloom, die Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 30. August 2023, mit dem ihr Antrag vom 11. Mai 2023 auf interne Überprüfung des Beschlusses der Kommission betreffend einen Einspruch gegen die Entschließung 23/02 der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (im Folgenden: IOTC) über den Einsatz von Fischsammelgeräten (im Folgenden: FADs) im Zuständigkeitsbereich als unzulässig zurückgewiesen wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss).
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Klägerin ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO), deren Ziel es ist, zum Erhalt der biologischen Vielfalt der Meere und der Meereslebensräume beizutragen.
3 Die IOTC ist eine internationale Organisation, deren Ziel es ist, die Thunfischbestände im Indischen Ozean zu erhalten, und deren Vertragspartei gemäß dem Beschluss 95/399/EG des Rates vom 18. September 1995 über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Übereinkommen zur Einsetzung der [IOTC] (ABl. 1995, L 236, S. 24) die Europäische Union ist.
4 Nach Art. IX Abs. 1 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] (ABl. 1995, L 236, S. 25) kann diese „mit Zweidrittelmehrheit ihrer Mitglieder … Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen beschließen, die für die Mitglieder der [IOTC] verbindlich sind“.
5 Art. IX Abs. 5 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] sieht vor:
„Jedes Mitglied der [IOTC] kann innerhalb der 120 Tage nach dem angegebenen Datum oder innerhalb des von der [IOTC] gesetzten Zeitraums … Einspruch gegen eine gemäß Absatz 1 erlassene Erhaltungs- und Bewirtungsmaßnahme erheben. Ein Mitglied der [IOTC], das gegen eine Maßnahme Einspruch erhoben hat, ist nicht verpflichtet, diese anzuwenden. Jedes weitere Mitglied der [IOTC] kann binnen 60 Tagen, gerechnet vom Ablauf der 120-Tage-Frist, ebenfalls Einspruch erheben …“
6 Art. IX Abs. 6 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] bestimmt:
„Erhebt mehr als ein Drittel der Mitglieder der [IOTC] Einspruch gegen eine gemäß Absatz 1 erlassene Maßnahme, so sind die übrigen Mitglieder durch diese Maßnahme nicht gebunden; dies hindert diese Mitglieder oder einige unter ihnen jedoch nicht daran, diese Maßnahme anzuwenden.“
7 Der Beschluss (EU) 2019/860 des Rates vom 14. Mai 2019 über den im Namen der Union in der [IOTC] zu vertretenden Standpunkt und zur Aufhebung des Beschlusses vom 19. Mai 2014 über den in der IOTC zu vertretenden Standpunkt der Union (ABl. 2019, L 140, S. 33) legt den von der Union in der IOTC für den Zeitraum 2019 bis 2023 zu vertretenden Standpunkt fest. Anhang I des Beschlusses 2019/860 enthält „Grundsätze“ und „Orientierungen“. Nach Nr. 2 Buchst. f dieses Anhangs bemüht sich die Union gegebenenfalls, die IOTC bei der Annahme von Maßnahmen zur Steuerung des Einsatzes von Fischsammelgeräten (FADs), insbesondere zur Verbesserung der Datensammlung, zur genauen Quantifizierung, Beobachtung und Überwachung des Einsatzes von Fischsammelgeräten, zur Verringerung der Auswirkungen auf gefährdete Thunfischbestände, zur Minderung ihrer potenziellen Auswirkungen auf Ziel- und Nichtzielarten sowie auf das Ökosystem, zu unterstützen.
8 Anhang II des Beschlusses 2019/860 legt das Verfahren für die jährliche Festlegung des von der Union zu vertretenden Standpunkts fest und sieht vor:
„Vor jeder Sitzung der IOTC, wenn dieses Gremium rechtswirksame Beschlüsse mit Auswirkungen für die Union erlassen soll, wird dafür Sorge getragen, dass der im Namen der Union zu vertretende Standpunkt den neuesten wissenschaftlichen und anderen einschlägigen Informationen, die der Kommission übermittelt werden, gemäß den in Anhang I niedergelegten Grundsätzen und Leitlinien Rechnung trägt.
Zu diesem Zweck übermittelt die Kommission aufgrund dieser Informationen dem Rat rechtzeitig vor jeder Sitzung der IOTC ein schriftliches Dokument mit den Einzelheiten der vorgeschlagenen Festlegung des Standpunkts der Union, anhand dessen die Einzelheiten des im Namen der Union einzunehmenden Standpunkts erörtert und gebilligt werden sollen.
Sollte in einer Sitzung der IOTC, auch vor Ort, keine Einigung dahin gehend erzielt werden können, dass der Standpunkt der Union neuen Elementen Rechnung trägt, so wird die Angelegenheit an den Rat oder seine Vorbereitungsgremien verwiesen.“
9 Auf ihrer sechsten außerordentlichen Sitzung vom 3. bis zum 5. Februar 2023 nahm die IOTC die Entschließung 23/02 über den Einsatz von FADs an. FADs sind künstliche schwimmende Objekte, mit denen Fische angelockt werden können, um den Fischfang zu erleichtern. Diese Entschließung sah u. a. eine schrittweise Verringerung der zulässigen Zahl der treibenden FADs pro Schiff, die Einrichtung eines Registers der treibenden FADs zur Erhöhung der Transparenz und Überwachung dieser Vorrichtungen und ein Verbot treibender FADs im Indischen Ozean an 72 Tagen jedes Jahr vor.
10 Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Entschließung 23/02 verlangen die Art. 5 und 6 des Übereinkommens zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen (ABl. 1998, L 189, S. 17), dass die Staaten den Vorsorgeansatz weitgehend auf die Erhaltung, Bewirtschaftung und Nutzung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und weit wandernden Fischbeständen anwenden, um die lebenden Meeresressourcen zu schützen und die Meeresumwelt zu erhalten.
11 Nach dem dritten Erwägungsgrund der Entschließung 23/02 verlangt Art. 6 des oben in Rn. 10 genannten Übereinkommens im Rahmen der Anwendung des Vorsorgeansatzes von den Staaten, dass sie große Vorsicht walten lassen, wenn die Informationen ungesichert, nicht verlässlich oder unzureichend sind, und verbietet es, sich auf das Fehlen angemessener wissenschaftlicher Informationen zu berufen, um Maßnahmen aufzuschieben oder Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu unterlassen.
12 Am 11. April 2023 erhob die Kommission im Namen der Union einen Einspruch im Sinne von Art. IX Abs. 5 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] gegen die Entschließung 23/02 (im Folgenden: streitiger Einspruch) (siehe oben, Rn. 5). In dem erläuternden Schreiben führt sie im Wesentlichen aus, dass die Umsetzung dieser Entschließung eine unverhältnismäßige Belastung für die Ringwadenflotten darstelle bzw. diese Umsetzung sogar praktisch unmöglich sei. Außerdem würden die in dieser Entschließung enthaltenen Maßnahmen nicht durch wissenschaftliche Beweise gestützt.
13 Zehn weitere Mitglieder der IOTC erhoben innerhalb der in Art. IX Abs. 5 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] vorgesehenen Fristen Einsprüche gegen die Entschließung 23/02. Folglich ist diese Entschließung gemäß Art. IX Abs. 6 nicht verbindlich geworden (siehe oben, Rn. 5 und 6).
14 Am 11. Mai 2023 stellte die Klägerin bei der Kommission einen Antrag auf interne Überprüfung des streitigen Einspruchs nach Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Union (ABl. 2006, L 264, S. 13) in der durch die Verordnung (EU) 2021/1767 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 2021 (ABl. 2021, L 356, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Århus-Verordnung).
15 Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Kommission den Antrag der Klägerin auf Überprüfung mit der Begründung als unzulässig zurück, dass der streitige Einspruch kein „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung sei, da dieser Einspruch keine Bestimmung enthalte, die möglicherweise gegen das Umweltrecht, wie dieses in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung definiert sei, verstoße. Die Erhebung des streitigen Einspruchs gegen den Erlass neuer Vorschriften innerhalb der IOTC habe keine negativen Auswirkungen auf die Ziele der Umweltpolitik der Union.
Anträge der Parteien
16 Die Klägerin, unterstützt durch die Blue Marine Foundation, beantragt,
– den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
17 Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
18 Zur Stützung der Klage macht die Klägerin drei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Århus-Verordnung gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Vorsorgeansatz gerügt. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. 2009, L 343, S. 1) gerügt.
19 Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin, unterstützt durch die Blue Marine Foundation, im Wesentlichen geltend, die Kommission habe ihren Antrag auf Überprüfung des streitigen Einspruchs zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass dieser keine „Bestimmungen … die möglicherweise gegen das Umweltrecht … verstoßen“, im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung enthalte. Der streitige Einspruch verstoße nämlich zum einen gegen den Vorsorgeansatz und zum anderen gegen die Verordnung Nr. 1224/2009. Solche Verstöße stellten unabhängig von der Umsetzung der Entschließung 23/02 in die Unionsrechtsordnung Verstöße gegen das Umweltrecht der Union dar.
20 Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Französische Republik, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht zunächst geltend, der erste Klagegrund sei unzulässig, da er allgemein auf den Antrag auf Überprüfung verweise. Er enthalte daher nicht die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen er beruhe. Hilfsweise macht sie geltend, der erste Klagegrund sei unbegründet. Die Klägerin habe nämlich nicht dargetan, wie sich der streitige Einspruch negativ auf die Verwirklichung der in Art. 191 AEUV genannten Ziele der Umweltpolitik der Union auswirken könnte.
21 Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beschluss, Einspruch gegen den Erlass neuer IOTC‑Regeln zu erheben, weiterhin den bestehenden Rechtsrahmen der Union einhalte und keine negativen Auswirkungen auf die Ziele der Umweltpolitik der Union haben könne, so dass der Beschluss als solcher nicht gegen das Umweltrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Århus-Verordnung verstoßen könne.
Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes
22 Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes vertritt die Kommission ohne besondere Begründung die Auffassung, dass sich die Klägerin darauf beschränke, die Gründe für ihren Antrag auf interne Überprüfung zu wiederholen.
23 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und genau sein müssen, dass sie dem Beklagten gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen (Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 191).
24 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es für die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gericht insbesondere erforderlich ist, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Deren Text kann zwar zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke kann, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen (vgl. Urteil vom 7. März 2017, United Parcel Service/Kommission, T‑194/13, EU:T:2017:144, Rn. 192 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Im vorliegenden Fall ist angesichts der Rn. 48 bis 51 der Klageschrift, die sich auf den ersten Klagegrund beziehen, sowie der Rn. 42 bis 47 der Klageschrift, die sich auf den Begriff „Bestimmungen … die möglicherweise gegen das Umweltrecht … verstoßen“, beziehen, festzustellen, dass die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, auf die die Klägerin ihr Vorbringen, wie es oben in Rn. 19 zusammengefasst worden ist, stützt, angesichts des Wortlauts der Klageschrift selbst unmittelbar verständlich sind, auch wenn die Klägerin auf ihren Antrag auf interne Überprüfung sowie auf ihren zweiten und ihren dritten Klagegrund verweist, um darzutun, dass der streitige Einspruch gegen den Vorsorgeansatz und die Verordnung Nr. 1224/2009 verstoße.
26 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der erste Klagegrund entgegen dem Vorbringen der Kommission entsprechend den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung zulässig ist.
Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes
27 Nach Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung kann jede NGO oder jedes andere Mitglied der Öffentlichkeit, die bzw. das die Kriterien von Art. 11 erfüllt, bei dem Organ oder der Einrichtung der Union, das bzw. die den Verwaltungsakt erlassen hat oder – im Fall einer behaupteten Verwaltungsunterlassung – einen solchen Akt hätte erlassen müssen, eine interne Überprüfung mit der Begründung beantragen, dass dieser Akt bzw. diese Unterlassung gegen das Umweltrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung verstößt. Solche Anträge müssen schriftlich innerhalb von höchstens acht Wochen ab dem Zeitpunkt des Erlasses, der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung des Verwaltungsakts, je nachdem, was zuletzt erfolgte, oder im Fall einer behaupteten Verwaltungsunterlassung innerhalb von acht Wochen ab dem Tag gestellt werden, an dem der Verwaltungsakt hätte erlassen werden müssen. In dem Antrag sind die Gründe für die Überprüfung anzugeben.
28 Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung definiert den Begriff „Verwaltungsakt“ im Sinne dieser Verordnung als „jeden von einem Organ oder einer Einrichtung der Union angenommenen Rechtsakt ohne Gesetzescharakter, der eine rechtliche Wirkung und eine Außenwirkung hat und Bestimmungen enthält, die möglicherweise gegen das Umweltrecht im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe f verstoßen“.
29 Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Århus-Verordnung bezeichnet der Begriff „Umweltrecht“ „Rechtsvorschriften der Union, die unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage zur Verfolgung der im [AEUV] niedergelegten Ziele der Umweltpolitik der Union beitragen: Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität, Schutz der menschlichen Gesundheit, umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler und globaler Umweltprobleme“.
30 Unter diesen Umständen hängt die Zulässigkeit eines Antrags auf interne Überprüfung tatsächlich vom Vorliegen eines Verwaltungsakts oder einer Unterlassung der Verwaltung ab, der bzw. die gegen das Umweltrecht im Sinne der Århus-Verordnung verstoßen kann (Beschluss vom 6. Juni 2024, Asociația pentru Energie Curată și Combaterea Schimbărilor Climatice/Rat, T‑1151/23, nicht veröffentlicht, EU:T:2024:391, Rn. 12).
31 Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen und zu bestimmen, ob die Kommission ihren Antrag auf Überprüfung des streitigen Einspruchs zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen hat, dass dieser keine „Bestimmungen … die möglicherweise gegen das Umweltrecht … verstoßen“, im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung enthalte.
32 Im vorliegenden Fall macht die Kommission im angefochtenen Beschluss geltend, sie habe sich darauf beschränkt, gemäß Art. IX Abs. 5 des Übereinkommens zur Einsetzung der [IOTC] Einspruch zu erheben. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Entschließung 23/02 die Union nicht binde, so dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, diese Entschließung in ihre Rechtsordnung umzusetzen.
33 Daher „[habe]“, so die Kommission, „[d]ie Erhebung eines Einspruchs gegen den Erlass neuer Vorschriften unter Wahrung des bestehenden Rechtsrahmens der Union, einschließlich des Umweltrechts der Union, … keine negativen Auswirkungen auf die Ziele der Umweltpolitik der Union und [sei] als solche nicht geeignet, gegen das Umweltrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Århus-Verordnung zu verstoßen“ (Nr. 2.1 des angefochtenen Beschlusses).
34 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Antrag auf Überprüfung nicht in der Sache mit der Begründung, dass der streitige Einspruch nicht gegen das Umweltrecht verstoße, zurückgewiesen hat, sondern als „unzulässig“, da dieser Einspruch keine „[Bestimmung] … die möglicherweise gegen das Umweltrecht … [verstoße]“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Århus-Verordnung enthalte und daher keinen „Verwaltungsakt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung darstelle.
35 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Verwaltungsakten, die Gegenstand eines Antrags auf interne Überprüfung nach Art. 10 der Århus-Verordnung sein können, nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. g dieser Verordnung um einen von einem Organ oder einer Einrichtung der Union angenommenen Rechtsakt ohne Gesetzescharakter handelt, der eine rechtliche Wirkung und eine Außenwirkung hat und Bestimmungen enthält, die möglicherweise gegen das Umweltrecht im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung verstoßen.
36 Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Antrag auf Überprüfung der Klägerin allein deshalb als unzulässig angesehen, weil er keinen Rechtsakt betreffe, der Bestimmungen enthalte, die gegen das Umweltrecht verstoßen könnten. Daher ist festzustellen, dass die Kommission den Antrag auf interne Überprüfung nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen hat, weil andere in Art. 10 Abs. 1 der Århus-Verordnung genannte Voraussetzungen für solche Anträge oder Voraussetzungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. g der Århus-Verordnung in Bezug auf den Begriff „Verwaltungsakt“ ergeben, im vorliegenden Fall nicht erfüllt wären.
37 Zu der Frage, ob der in Rede stehende Antrag auf Überprüfung einen Rechtsakt betraf, der möglicherweise gegen das Umweltrecht der Union verstößt, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem zehnten Erwägungsgrund der Verordnung 2021/1767 bei der Prüfung, ob ein Verwaltungsakt Bestimmungen enthält, die aufgrund ihrer Wirkung gegen das Umweltrecht verstoßen könnten, zu erwägen ist, ob sich die Bestimmungen nachteilig auf die Verwirklichung der in Art. 191 AEUV genannten Ziele der Umweltpolitik der Union auswirken könnten, zu denen die „umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen“ und die „Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme und insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels“ gehören.
38 In ihrem Antrag auf Überprüfung macht die Klägerin, die bereits im Verwaltungsverfahren von der Blue Marine Foundation unterstützt wurde, geltend, dass der streitige Einspruch gegen den in Art. 191 AEUV verankerten Grundsatz der Vorsorge verstoßen könne. Außerdem verstoße der streitige Einspruch insbesondere gegen Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates (ABl. 2013, L 354, S. 22). in dem die Ziele der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) festgelegt seien: „Die GFP wendet bei der Bestandsbewirtschaftung den Vorsorgeansatz an und setzt sich bei der Nutzung der biologischen Meeresschätze das Ziel, die Populationen fischereilich genutzter Arten in einem Umfang wiederherzustellen und zu erhalten, der oberhalb des Niveaus liegt, das den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht.“
39 Der streitige Einspruch sei auch mit der Verordnung Nr. 1224/2009 über die Kontrolle der GFP unvereinbar. Die Klägerin weist insoweit darauf hin, dass nach Art. 14 Abs. 3 dieser Verordnung „[d]ie erlaubte Toleranzspanne bei den im Fischereilogbuch eingetragenen Schätzungen der Mengen an Bord (in Kilogramm) … 10 % für alle Arten [beträgt]“. Die massive Verwendung von FADs durch die französischen und spanischen Flotten im Indischen Ozean für den Thunfischfang trage zu einer Überschreitung der entsprechenden Schätzungen bei.
40 Daraus ergibt sich, dass die Gründe für die Überprüfung, die die Klägerin in ihrem Antrag auf Überprüfung angeführt hat, potenzielle Verstöße gegen konkrete Bestimmungen des Umweltrechts betreffen, in denen u. a. der Vorsorgeansatz im Bereich der GFP verankert ist.
41 Hierzu ist festzustellen, dass, wie sich oben aus Rn. 10 und 11 ergibt, im zweiten und im dritten Erwägungsgrund der Entschließung 23/02 die Erhaltung der Fischbestände als Ziel genannt wird.
42 Somit hat sich die Union mit dem streitigen Einspruch aktiv gegen den Erlass von Maßnahmen zum verstärkten Schutz bestimmter Fischbestände ausgesprochen. Insbesondere hatte dieser Einspruch zur Folge, dass die Union nicht verpflichtet war, die in der Entschließung 23/02 vorgesehenen Maßnahmen zu erlassen und in ihre Rechtsordnung umzusetzen.
43 Folglich konnte sich der streitige Einspruch entgegen den Ausführungen der Kommission im angefochtenen Beschluss und obwohl dieser Einspruch nicht zu einer Änderung des Zustands des Umweltrechts der Union geführt hat, negativ auf die Verwirklichung der in Art. 191 AEUV genannten Ziele der Umweltpolitik der Union auswirken.
44 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aus dem elften Erwägungsgrund der Århus-Verordnung hervorgeht, dass selbst eine Unterlassung Gegenstand eines Antrags auf Überprüfung sein kann, auch wenn bei einer solchen Unterlassung definitionsgemäß keine Änderung des Umweltrechts der Union vorliegt.
45 Unter diesen Umständen hat die Kommission den Antrag auf Überprüfung der Klägerin zu Unrecht mit der im angefochtenen Beschluss angegebenen Begründung als unzulässig zurückgewiesen, ohne in der Sache zu prüfen, ob die von der Klägerin vorgebrachten Gründe zur Überprüfung plausible, d. h. erhebliche Zweifel an der Beurteilung des Umweltrechts durch das Organ oder die Einrichtung der Union bei der Erhebung des streitigen Einspruchs begründen konnten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. September 2019, TestBioTech u. a./Kommission, C‑82/17 P, EU:C:2019:719, Rn. 69, und vom 6. Oktober 2021, ClientEarth/Kommission, C‑458/19 P, EU:C:2021:802, Rn. 60).
46 Folglich ist dem ersten Klagegrund stattzugeben und der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass der zweite und der dritte Klagegrund geprüft zu werden brauchen.
Kosten
47 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
48 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Spanien und die Französische Republik tragen daher ihre eigenen Kosten.
49 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Art. 138 Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt. Die Blue Marine Foundation, die dem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beigetreten ist, trägt ihre eigenen Kosten, da sie nicht beantragt hat, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Der Bloom mit Schreiben vom 30. August 2023 unter dem Aktenzeichen Ares (2023) 5917994 mitgeteilte Beschluss der Europäischen Kommission, mit dem ihr Antrag auf interne Überprüfung des Schreibens der Kommission betreffend die Erhebung eines Einspruchs gegen die Entschließung 23/02 über den Einsatz von Fischsammelgeräten im Zuständigkeitsbereich der Thunfischkommission für den Indischen Ozean als unzulässig zurückgewiesen wurde, wird für nichtig erklärt.
2. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten von Bloom.
3. Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Blue Marine Foundation tragen ihre eigenen Kosten.
Kowalik-Bańczyk
Buttigieg
Hesse
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. Juli 2025.
Unterschriften