T-100/23 – ABLV Bank/ EZB

T-100/23 – ABLV Bank/ EZB

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:T:2025:564

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

4. Juni 2025(*)

„ Zugang zu Dokumenten – Beschluss 2004/258/EG – Dokumente im Zusammenhang mit der Ankündigung einer amerikanischen Behörde (FinCEN) gegenüber der ABLV Bank – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Ausnahme hinsichtlich des Schutzes der Vertraulichkeit von Informationen, die als vertrauliche Informationen durch das Unionsrecht geschützt werden – Ausnahme zum Schutz von Dokumenten für den internen Gebrauch – Ausnahme zum Schutz des Meinungsaustauschs zwischen der EZB und anderen Behörden – Hinreichende Präzision eines Antrags auf Zugang – Pflicht der EZB zur Hilfeleistung – Art. 6 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2004/258 “

In der Rechtssache T‑100/23,

ABLV Bank AS mit Sitz in Riga (Lettland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch F. von Lindeiner, D. Báez Seara und J. Ruiz Jiménez als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk sowie der Richter E. Buttigieg und G. Hesse (Berichterstatter),

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund der prozessleitenden Maßnahme vom 5. Juni 2024 und der Antworten der Klägerin und der EZB, die am 21. Juni 2024 eingegangen sind,

aufgrund der Maßnahme der Beweisaufnahme vom 18. Juni 2024 und der am 3. Juli 2024 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort der EZB,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil(1)

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die ABLV Bank AS, die Nichtigerklärung des Beschlusses LS/CL/2022/261 der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 8. Dezember 2022, mit dem ihr Antrag auf Zugang zu Dokumenten abgelehnt wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

[nicht wiedergegeben]

7        Am 25. Mai 2022 stellte die Klägerin bei der EZB einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten. Sie beantragte Zugang zu:

–        allen Dokumenten, die unmittelbar oder mittelbar das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN, Netzwerk zur Bekämpfung von Finanzkriminalität) und/oder andere Abteilungen oder Mitarbeiter anderer Abteilungen des US-Finanzministeriums oder andere US-Behörden oder andere Behörden in den Vereinigten Staaten und/oder die Klägerin und/oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft betreffen;

–        allen Dokumenten, die unmittelbare oder mittelbare Kommunikation mit dem FinCEN und/oder dessen Mitarbeitern und/oder anderen Abteilungen oder Mitarbeitern anderer Abteilungen des US-Finanzministeriums oder mit anderen US-Behörden oder anderen Behörden in den Vereinigten Staaten enthalten;

–        allen Dokumenten, die unmittelbar oder mittelbar die Entscheidung des Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland, im Folgenden: KNAB), den in der Entscheidung des KNAB genannten Sachverhalt und/oder die in der Entscheidung des KNAB enthaltenen Tatsachenfeststellungen betreffen, unabhängig davon, ob diese Dokumente von vor oder nach der Ankündigung des FinCEN datieren;

–        allen Dokumenten, die unmittelbar oder mittelbar Handlungen oder Unterlassungen der EZB, des Single Resolution Board (SRB), der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland, im Folgenden: FKTK), des FinCEN oder einer anderen Behörde betreffen und die entweder von vor oder nach der Ankündigung des FinCEN datieren;

–        allen Dokumenten, die unmittelbar oder mittelbar Euroclear und deren Rolle gegenüber der Klägerin und/oder ihrer luxemburgischen Tochtergesellschaft betreffen, einschließlich ausnahmslos jeder Kommunikation zwischen der EZB und/oder dem SRB und Euroclear, die die Klägerin und/oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft unmittelbar oder mittelbar betrifft;

–        allen sonstigen Dokumenten, die unmittelbar oder mittelbar die Klägerin und/oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft betreffen.

[nicht wiedergegeben]

11      Am 8. August 2022 teilte die EZB der Klägerin per E‑Mail mit, dass der Antrag auf Zugang in zwei Sätzen bearbeitet werde. Nach dieser E‑Mail umfasste der erste Satz die in den ersten drei Gedankenstrichen genannten Dokumente des Antrags auf Zugang (siehe oben, Rn. 7). Der zweite Satz umfasste die Dokumente, die in den drei anderen in dieser Randnummer aufgeführten Gedankenstrichen genannt sind. In Bezug auf den ersten Satz verlängerte die EZB die Antwortfrist gemäß Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258. In Bezug auf den zweiten Satz war die EZB der Auffassung, dass der Antrag auf Zugang nicht hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 gewesen sei. Die EZB forderte die Klägerin daraufhin gemäß Art. 6 Abs. 2 des Beschlusses 2004/258 auf, spezifische Sachgebiete oder Themen, die sie interessieren, sowie einen bestimmten Zeitraum anzugeben. Die EZB teilte der Klägerin mit, dass die Bearbeitung des zweiten Teils ausgesetzt worden sei, bis der Gegenstand des Antrags auf Zugang geklärt sei.

12      Mit E‑Mail vom 13. September 2022 übermittelte die EZB der Klägerin ihren unter dem Aktenzeichen LS/PS/2022/48 erlassenen ursprünglichen Beschluss. Mit derselben E‑Mail teilte sie der Klägerin mit, dass die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang nicht hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 seien, und forderte sie gemäß Art. 6 Abs. 2 dieses Beschlusses auf, spezifische Sachgebiete oder Themen, die sie interessieren, sowie einen bestimmten Zeitraum anzugeben. In ihrem ursprünglichen Beschluss wies die EZB u. a. darauf hin, dass sie nach der Prüfung der oben in Rn. 7 genannten ersten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang neun Dokumente ermittelt habe, die unter die ersten beiden Gedankenstriche fielen. Dagegen habe kein Dokument der EZB identifiziert werden können, das unter den dritten Gedankenstrich falle. Nach Ansicht der EZB waren zwei der relevanten Dokumente öffentlich zugänglich (im Folgenden: Dokumente Nrn. 1 und 2) und der vollständige oder teilweise Zugang zu den sieben anderen Dokumenten (im Folgenden: Dokumente Nrn. 3 bis 9) sei zu verweigern gewesen.

[nicht wiedergegeben]

14      Am 11. Oktober 2022 stellte die Klägerin gemäß Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses 2004/258 einen Zweitantrag bei der EZB. Insbesondere forderte sie die EZB auf, ihren Standpunkt zu überdenken und die Liste der mit dem Antrag auf Zugang im Zusammenhang stehenden Dokumente zu vervollständigen. Außerdem beantragte die Klägerin gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Einsicht in die Akten des laufenden Verfahrens über den Zugang zu Dokumenten.

15      Am 8. Dezember 2022 erließ die EZB den angefochtenen Beschluss.

[nicht wiedergegeben]

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

22      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

23      Die EZB beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

24      Die Klage wird auf fünf Gründe gestützt. Mit dem ersten Klagegrund wird geltend gemacht, die Liste der von der EZB identifizierten Dokumente sei unvollständig. Mit dem zweiten Klagegrund wird geltend gemacht, die EZB habe in Bezug auf die Dokumente Nrn. 1 und 2 zu Unrecht auf die Website des FinCEN Bezug genommen. Mit dem dritten Klagegrund wird die Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten Nrn. 3 bis 9 durch die EZB gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird die Verweigerung der Akteneinsicht beanstandet. Mit dem fünften Klagegrund wird die Rechtswidrigkeit der Aussetzung des Verfahrens in Bezug auf den Zugang zum zweiten Satz der Dokumente gerügt.

[nicht wiedergegeben]

 Zum fünften Klagegrund: rechtswidrige Aussetzung des Verfahrens in Bezug auf den Zugang zum zweiten Satz der Dokumente

151    Die Klägerin macht geltend, dass die EZB die Bearbeitung in Bezug auf den zweiten Satz der Dokumente, die unter die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang fielen, nicht habe unterbrechen dürfen. Zunächst enthalte der angefochtene Beschluss hierzu keine ausreichende Begründung. Auch wenn die EZB den Antrag auf Zugang für nicht hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 halte, erlaube es diese Vorschrift nicht, die Bearbeitung des Antrags auf Zugang, d. h. die im Beschluss 2004/258 festgelegten Fristen, auszusetzen. Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass sie auf die E‑Mail der EZB vom 8. August 2022, mit der sie aufgefordert worden sei, ihren Antrag auf Zugang zu präzisieren, nicht geantwortet habe, da sie dazu nicht verpflichtet gewesen sei. Die Klägerin habe darin eine Verzögerungstaktik gesehen. Nichts in Art. 6 Abs. 2 und 3 des Beschlusses 2004/258 weise darauf hin, dass sich die behauptete fehlende Präzision oder große Anzahl an Dokumenten auf die Fristen oder die in Art. 8 Abs. 3 des Beschlusses 2004/258 vorgesehene Regel der stillschweigenden negativen Entscheidung auswirken könnte.

152    Die EZB macht im Wesentlichen geltend, dass der fünfte Rechtsmittelgrund unzulässig sei, ins Leere gehe und jedenfalls unbegründet sei. Sie habe die Klägerin gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2004/258 mit zwei E‑Mails vom 8. August bzw. 13. September 2022 aufgefordert, den Gegenstand der drei letzten Gedankenstriche ihres Antrags auf Zugang zu präzisieren. Die Klägerin habe darauf in ihrem Zweitantrag nicht reagiert. Der Klagegrund sei unzulässig, da er sich nicht gegen den angefochtenen Beschluss, sondern gegen die E‑Mail vom 8. August 2022 richte. Er stehe in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Rechtsstreits, daher sei es der EZB nicht möglich, ihre Verteidigung vorzubereiten. Außerdem sei die Klägerin mit der Anfechtung der E‑Mail ausgeschlossen. Jedenfalls habe die EZB im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2004/258 gehandelt, indem sie die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang als nicht hinreichend präzise eingestuft und zusätzliche Präzisierung gefordert habe.

 Zu den von der EZB geltend gemachten Unzulässigkeitsgründen

153    Der Einrede der Unzulässigkeit, mit der gerügt wurde, dass der die drei letzten Gedankenstriche des Antrags auf Zugang betreffende vorliegende Klagegrund in keinem Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehe, hält die Klägerin zunächst zu Recht entgegen, dass Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258, dessen Wortlaut unten in Rn. 171 wiedergegeben wird, es nicht erlaubt, die Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu unterbrechen oder, anders ausgedrückt, die in den Art. 7 und 8 des Beschlusses 2004/258 festgelegten Fristen „auszusetzen“. Diese Fristen, die im Allgemeininteresse eingeführt wurden, stehen nämlich nicht zur Disposition der Parteien (vgl. entsprechend Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 24).

154    Im vorliegenden Fall ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die EZB im angefochtenen Beschluss Folgendes ausgeführt hat:

„… Im [ursprünglichen Beschluss] hat die Generaldirektorin den ersten Teil Ihres Antrags auf Zugang (die ersten drei Elemente Ihres Erstantrags) geprüft. Die Bearbeitung der übrigen Elemente Ihres Erstantrags wurde vorbehaltlich weiterer Präzisierungen Ihrerseits ausgesetzt. Das bedeutet, dass Ihr Zweitantrag nur insoweit geprüft werden kann, als er die Nichtoffenlegung von Dokumenten betrifft, die im [ursprünglichen Beschluss] genannt werden. … Abschließend möchten wir Sie daran erinnern, dass für die Bearbeitung des zweiten Satzes der Dokumente, die von Ihrem Erstantrag erfasst sind, Ihre Mitwirkung weiterhin erforderlich ist.“

155    Insoweit verweist Fn. 2 des angefochtenen Beschlusses auf die E‑Mails der EZB an die Klägerin vom 8. August und 13. September 2022 und stellt klar: „Da Ihr Zweitantrag auf diese E‑Mails folgte, kommt die EZB zu dem Schluss, dass Sie den Schriftverkehr erhielten und sich dafür entschieden, die Gelegenheit für Klarstellungen nicht zu nutzen.“

156    Aus den Akten geht hervor, dass die EZB in der E‑Mail vom 8. August 2022 ausführte:

„Hinsichtlich des zweiten Satzes, der die drei verbleibenden Elemente Ihres Antrages umfasst, stellen wir fest, dass ihr Umfang extrem weit und allgemein ist und das Ersuchen daher nicht hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses [2004/258] ist. In Einklang mit Art. 6 Abs. 2 dieses Beschlusses fordern wir Sie daher auf, spezifische Sachgebiete oder Themen, die die ABLV Bank interessieren, sowie einen bestimmten Zeitraum anzugeben.“

157    Diese Feststellung wurde von der EZB in ihrer E‑Mail vom 13. September 2022 mit denselben Worten wiederholt.

158    Daraus folgt, dass, auch wenn die EZB im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass die Bearbeitung der letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang „ausgesetzt“ wurde, diese Feststellung sie nicht daran gehindert hat, den Inhalt dieses Teils des Antrags zu prüfen, um im Wesentlichen zu dem Schluss zu gelangen, dass dieser Teil nicht hinreichend präzise war, um ihr zu ermöglichen, die betreffenden Dokumente zu bestimmen. Damit hat die EZB in Wirklichkeit die Auffassung vertreten, dass die drei letzten Gedankenstriche des Antrags auf Zugang nicht die in Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten, was die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage, die sich gegen den angefochtenen Beschluss richtet, anfechten kann.

159    Im Übrigen geht entgegen dem Vorbringen der EZB aus der Klageschrift bzw. der Klagebeantwortung hervor, dass das Vorbringen der Klägerin zum zweiten Satz der Dokumente, auf die sich die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang beziehen, verständlich ist und dass die EZB in der Lage war, darauf zu antworten. Auch das Gericht hat keine Schwierigkeiten gehabt, bei der Lektüre der Klageschrift das Vorbringen der Klägerin zu verstehen.

160    Daher kann der von der EZB erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, mit der geltend gemacht wird, dass der vorliegende Klagegrund in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Rechtsstreits stehe, nicht stattgegeben werden.

[nicht wiedergegeben]

 Zur Begründetheit

[nicht wiedergegeben]

–       Zum Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2004/258

170    Da die EZB angenommen hat, dass die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang nicht die in Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob dieser Teil des Antrags auf Zugang hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses war; in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die EZB ihrer Pflicht zur Hilfeleistung nach Art. 6 Abs. 2 dieses Beschlusses nachgekommen ist.

171    Erstens musste der Antrag auf Zugang nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 „so präzise formuliert sein, dass [das Organ] das [angeforderte] Dokument ermitteln kann“. Es ist klarzustellen, dass der durch die Ausübung des Rechts auf Zugang und die Wahrnehmung des Interesses des Antragstellers bedingte Arbeitsaufwand grundsätzlich unerheblich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 108).

172    Daher ist unter Berücksichtigung des Wortlauts des Antrags auf Zugang zu prüfen, ob die EZB in der Lage war, die angeforderten Dokumente zu identifizieren, unabhängig davon, um wie viele Dokumente es sich handelte oder welches Interesse die Klägerin verfolgte.

173    Die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang betrafen:

–        alle Dokumente, die unmittelbar oder mittelbar Handlungen oder Unterlassungen der EZB, des SRB, der FKTK, des FinCEN oder einer anderen Behörde betreffen und die entweder von vor oder nach der Ankündigung des FinCEN datieren;

–        alle Dokumente, die unmittelbar oder mittelbar Euroclear und deren Rolle gegenüber der Klägerin und/oder ihrer luxemburgischen Tochtergesellschaft betreffen, einschließlich ausnahmslos jeder Kommunikation zwischen der EZB und/oder dem SRB und Euroclear, die die Klägerin und/oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft unmittelbar oder mittelbar betrifft;

–        alle sonstigen Dokumente, die unmittelbar oder mittelbar die Klägerin und/oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft betreffen.

174    Angesichts des allgemeinen Wortlauts der letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang war die EZB berechtigt, eine Klarstellung hinsichtlich dieser Kategorien von Dokumenten zu verlangen. Wie die EZB zu Recht geltend macht, war es nämlich angesichts des Wortlauts der letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang und insbesondere mangels eines bestimmten Zeitraums nicht möglich, zu erkennen, ob sich dieser Teil des Antrags auf Dokumente im Zusammenhang mit der Ankündigung des FinCEN oder auf andere Fragen der Aufsicht bezog.

175    Zweitens ist zu prüfen, ob die EZB ihrer Pflicht zur Hilfeleistung nachgekommen ist (Urteil vom 10. September 2008, Williams/Kommission, T‑42/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:325, Rn. 74 bis 78).

176    Art. 6 Abs. 2 des Beschlusses 2004/258 lautet: „Ist ein Antrag nicht hinreichend präzise, fordert die EZB den Antragsteller auf, den Antrag zu präzisieren, und leistet ihm dabei Hilfe.“ Nach der Rechtsprechung deuten die Verben „auffordern“ und „Hilfe leisten“ darauf hin, dass bereits die Feststellung der unzureichenden Präzision des Antrags auf Zugang, unabhängig von den Gründen, das Organ, an das sich der Antrag richtet, veranlassen sollte, mit dem Antragsteller Kontakt aufzunehmen, um die beantragten Dokumente bestmöglich zu bestimmen. Es handelt sich somit um eine Bestimmung, die im Bereich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten die formale Umsetzung des Grundsatzes der guten Verwaltung darstellt, der zu den Garantien zählt, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt. Die Pflicht zur Hilfeleistung ist somit unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Zugang im Sinne des Beschlusses 2004/258 zu gewährleisten (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2011, Dufour/EZB, T‑436/09, EU:T:2011:634, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die EZB der Klägerin mit E‑Mail vom 8. August 2022 mitteilte, dass die letzten drei Gedankenstriche ihres Antrags auf Zugang nicht hinreichend präzise seien, und sie aufforderte, ihr eines oder mehrere spezifische Sachgebiete, die sie interessieren, sowie einen bestimmten Zeitraum mitzuteilen. Mit E‑Mail vom 13. September 2022 wiederholte die EZB diese Aufforderung mit denselben Worten.

178    Im Zweitantrag heißt es: „ … Der Antrag auf Zugang [der Klägerin] umfasst unter anderem alle Dokumente, die sich unmittelbar oder mittelbar auf [die Klägerin] oder ihre luxemburgische Tochtergesellschaft beziehen. … Ich fordere Sie ausdrücklich auf, die Liste der Dokumente zu vervollständigen.“ Die Klägerin hat in Bezug auf die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang keine weiteren Angaben gemacht. Sie hat der Feststellung, dass der Antrag auf Zugang nicht hinreichend präzise im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 sei, auch nicht ausdrücklich widersprochen.

179    In Anbetracht der oben in den Rn. 177 und 178 dargelegten Gesichtspunkte hat die EZB ihre Pflicht zur Hilfeleistung erfüllt, da sie die Klägerin aufgefordert hat, den Antrag auf Zugang durch Mitteilung des Zeitraums und der Sachgebiete, die sie interessierten, zu präzisieren. Die Klägerin hat ihr jedoch keine sachdienlichen Informationen übermittelt, die es ihr ermöglicht hätten, konkrete Dokumente zu identifizieren, auf die sich der Antrag bezog. Die Klägerin hat sich nämlich darauf beschränkt, den Wortlaut des sechsten Gedankenstrichs des Antrags auf Zugang ohne weitere Präzisierung zu wiederholen, und zum vierten und zum fünften Gedankenstrich des Antrags nichts vorgetragen. Im Übrigen hat die Klägerin in den Rn. 182 bis 185 der Klageschrift erläutert, dass sie der Aufforderung der EZB zur Präzisierung nicht habe nachkommen wollen, da sie darin eine Verzögerungstaktik gesehen habe, die übermäßige Rechtsberatungskosten verursacht hätte. Da jedoch die Formulierung der letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang tatsächlich nicht hinreichend präzise war und sie sich weder auf ein bestimmtes Sachgebiet noch auf einen bestimmten Zeitraum bezogen, war nicht davon auszugehen, dass es sich um eine Verzögerungstaktik der EZB handelte.

180    Zwar ist, wie die Klägerin geltend macht, der durch die Ausübung des Rechts auf Zugang und die Wahrnehmung des Interesses des Antragstellers bedingte Arbeitsaufwand für die Ausgestaltung dieses Rechts grundsätzlich unerheblich, doch durfte die Klägerin, da ihr Antrag auf Zugang nicht hinreichend präzise war, nicht davon absehen, ihren Antrag zu präzisieren, wenn sie nicht riskieren wollte, dass die EZB ihr entgegenhält, dass ihr Antrag die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 nicht erfüllt (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 7. September 2009, LPN/Kommission, T‑186/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:309, Rn. 62).

181    Im vorliegenden Fall ist das Fehlen von Präzisierungen seitens der Klägerin nicht darauf zurückzuführen, dass sie nicht in der Lage war, die Dokumente zu identifizieren, die die von ihr gesuchten Informationen enthalten sollten, sondern es ist die Konsequenz ihrer fehlenden Bereitschaft, den Antrag auf Zugang zu präzisieren.

182    Daraus folgt, dass die EZB zu Recht davon ausgegangen ist, dass die letzten drei Gedankenstriche des Antrags auf Zugang die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses 2004/258 nicht erfüllen und daher nicht als „Antrag auf Zugang“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können und dass die EZB ihrer Pflicht zur Hilfeleistung nach Art. 6 Abs. 2 des Beschlusses 2004/258 ordnungsgemäß nachgekommen ist.

183    Folglich ist der fünfte Klagegrund, mit dem die rechtswidrige Aussetzung des Verfahrens betreffend den Zugang zum zweiten Satz der Dokumente gerügt wird, zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die ABLV Bank AS trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Europäischen Zentralbank (EZB) entstanden sind.

Kowalik-Bańczyk

Buttigieg

Hesse

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Juni 2025.

Unterschriften




Leave a Comment

Schreibe einen Kommentar