C-794/21 P – Deutschland/ Infineon Technologies Dresden u.a.

C-794/21 P – Deutschland/ Infineon Technologies Dresden u.a.

CURIA – Documents

Language of document : ECLI:EU:C:2023:854

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 9. November 2023(1)

Verbundene Rechtssachen C794/21 P und C800/21 P

Bundesrepublik Deutschland

gegen

Infineon Technologies Dresden GmbH & Co. KG,

Infineon Technologies AG,

Europäische Kommission (C794/21 P)

und

Infineon Technologies AG,

Infineon Technologies Dresden GmbH & Co. KG

gegen

Europäische Kommission (C800/21 P)

„Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Deutschland – Beihilferegelung zugunsten bestimmter stromintensiver Unternehmen – Netzentgeltbefreiung für den Zeitraum 2012 bis 2013 – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Nichtigkeitsklage – Klagefrist – Zulässigkeit – Begriff der Beihilfe – Staatliche Mittel – Parafiskalische Abgabe oder sonstige verpflichtende Abgaben – Staatliche Kontrolle über die Gelder“

1.        Die vorliegenden Schlussanträge werden in den verbundenen Rechtssachen C‑794/21 P und C‑800/21 P vorgelegt. Sie sind in Verbindung mit meinen drei weiteren, ebenfalls heute vorgelegten Schlussanträgen in parallelen Rechtsmittelverfahren(2) zu sehen, die alle dieselbe Beihilferegelung betreffen. Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑794/21 P beantragen die Infineon Technologies Dresden GmbH & Co. KG und die Infineon Technologies AG (im Folgenden zusammen: Infineon-Gesellschaften), Halbleiterhersteller, die Aufhebung des Urteils vom 6. Oktober 2021, Infineon Technologies Dresden und Infineon Technologies/Kommission (T‑233/19 und T‑234/19, EU:T:2021:647, im Folgenden: angefochtenes Urteil). Mit diesem Urteil wurde ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Mai 2018 über die staatliche Beihilfe Deutschlands für Bandlastverbraucher nach Paragraf 19 StromNEV(3) für die Jahre 2012 und 2013 (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen. Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑800/21 P beantragt die Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden der Einfachheit halber: Deutschland) die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Kommission hat in beiden vorgenannten Rechtssachen ein Anschlussrechtsmittel eingelegt, mit dem sie ebenfalls die Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt.

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

2.        Der Hintergrund des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 22 des angefochtenen Urteils dargestellt. Da der Hintergrund mit demjenigen identisch ist, den ich in den parallelen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen C‑790/21 P und C‑791/21 P (im Folgenden: parallele Schlussanträge) zusammengefasst habe, ist lediglich auf die Nrn. 3 bis 14 der parallelen Schlussanträge zu verweisen; die parallelen Schlussanträge und die Schlussanträge der vorliegenden parallelen Rechtssachen sind in Verbindung miteinander zu sehen.

II.    Rechtliche Würdigung

3.        Mit ihren beiden identischen Anschlussrechtsmitteln in den Rechtssachen C‑794/21 P und C‑800/21 P macht die Kommission zwei Rechtsmittelgründe geltend. Die beiden Gründe der Anschlussrechtsmittel sind im Wesentlichen identisch mit den ersten beiden Gründen der Anschlussrechtsmittel in den Rechtssachen C‑790/21 P und C‑791/21 P. In der Rechtssache C‑794/21 P macht Deutschland einen einzigen Rechtsmittelgrund geltend. In der Rechtssache C‑800/21 P machen die Infineon-Gesellschaften zwei Rechtsmittelgründe geltend. Entsprechend dem Ersuchen des Gerichtshofs werden in den vorliegenden Schlussanträgen jedoch nur der erste Grund der Anschlussrechtsmittel der Kommission (Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage) und der einzige Rechtsmittelgrund Deutschlands behandelt, der dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften entspricht, da diese Gründe die Voraussetzung des Vorliegens einer Maßnahme unter Inanspruchnahme „staatlicher Mittel“ betreffen.

A.      Erster Grund der Anschlussrechtsmittel der Kommission: Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage

1.      Hauptargumente der Parteien

4.        Die Kommission bringt vor, das Gericht habe den Begriff „Bekanntgabe“ im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV in den Rn. 36 bis 43 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft weit ausgelegt. Erstens stehe die Auslegung des Gerichts im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der dieser eine Parallele zwischen Art. 263 Abs. 6 AEUV und Art. 297 AEUV gezogen habe. Aus dieser Rechtsprechung ergebe sich eindeutig, dass die Klagefrist nur dann mit der Bekanntgabe beginne, wenn sie Voraussetzung für das Inkrafttreten der betreffenden Handlung sei und im Vertrag selbst vorgesehen sei. Zweitens stelle, was insbesondere die Veröffentlichung eines Beschlusses der Kommission, durch den das förmliche Prüfverfahren abgeschlossen werde, im Amtsblatt der Europäischen Union (im Folgenden: Amtsblatt) angehe, diese keine „Veröffentlichung“ im Sinne von Art. 297 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV dar. Sie löse daher nicht den Beginn der Klagefrist aus. Drittens führt die Kommission einen Argumentationsstrang für ihre Auslegung von Art. 263 Abs. 6 AEUV an, wie etwa die Systematik dieser Bestimmung, den Grundsatz der Waffengleichheit oder den zwingenden Charakter der Klagefristen.

5.        Deutschland und die Infineon-Gesellschaften bringen im Wesentlichen vor, dass die vom Gericht vorgenommene Auslegung des Begriffs „Bekanntgabe“ im Sinne von Art. 263 Abs. 6 AEUV rechtsfehlerfrei sei.

2.      Würdigung

6.        Da diese Anschlussrechtsmittel wortwörtlich mit denjenigen übereinstimmen, die ich bereits in den parallelen Schlussanträgen behandelt habe, werde ich mich darauf beschränken, auf diese Schlussanträge zu verweisen. All diese Schlussanträge sind in Verbindung miteinander zu sehen.

7.        Die Kommission argumentiert, dass entgegen den Feststellungen des Gerichts im angefochtenen Urteil für die Berechnung der Klagefrist für eine Nichtigkeitsklage auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem der Beihilfeempfänger Kenntnis von dem streitigen Beschluss erlangt habe, und nicht auf den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Amtsblatt. Somit hätte das Gericht die Klage der Infineon-Gesellschaften für unzulässig erklären müssen, da sie verspätet gewesen sei.

8.        Wie in den Nrn. 20 bis 30 der parallelen Schlussanträge ausgeführt, ist die von der Kommission vertretene Auslegung meines Erachtens abzulehnen, da sie weder durch den Wortlaut von Art. 263 Abs. 6 AEUV noch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs, noch durch den Zweck dieser Bestimmung gestützt wird.

9.        Außerdem würde die Auslegung der Kommission, wie in Nr. 31 der parallelen Schlussanträge ausgeführt, zu einer Einschränkung des wirksamen Rechtsschutzes des Beihilfeempfängers führen.

10.      Schließlich lege ich in den Nrn. 32 bis 35 der parallelen Schlussanträge dar, dass das Argument der Kommission, dass im vorliegenden Fall die Infineon-Gesellschaften – die den streitigen Beschluss im Rahmen des nationalen Verfahrens zur Rückforderung der Beihilfen erhalten haben – ihre Nichtigkeitsklage vor der Veröffentlichung des streitigen Beschlusses im Amtsblatt erhoben haben, dieses Ergebnis meines Erachtens unberührt lässt.

11.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt meines Erachtens, dass das Gericht zu Recht befunden hat, dass die von der Kommission im ersten Rechtszug erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Anschlussrechtsmittel der Kommission als unbegründet zurückzuweisen waren.

B.      Einziger Rechtsmittelgrund Deutschlands und erster und zweiter Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf staatliche Mittel

12.      Die von Deutschland eingelegten Rechtsmittel (Rechtssache C‑791/21 P und Rechtssache C‑794/21 P) sind identisch. Zudem entspricht ein Großteil der im Rahmen des Rechtsmittels von Covestro (Rechtssache C‑790/21 P) vorgetragenen Argumente denjenigen der Infineon-Gesellschaften im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens (Rechtssache C‑800/21 P). Daher sind die Schlussanträge in diesen parallelen Rechtssachen in Verbindung miteinander zu sehen.

13.      Der einzige Rechtsmittelgrund Deutschlands (Rechtssache C‑794/21 P) beruht auf drei Argumenten: i) Das Gericht habe rechtsfehlerhaft befunden, dass die verpflichtende Belastung der Verbraucher oder Letztverbraucher und die staatliche Kontrolle über die Gelder oder die Verwalter dieser Gelder alternative Kriterien seien; ii) das Gericht habe im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob eine „verpflichtende Belastung der Verbraucher oder Letztverbraucher“ vorliege, rechtsfehlerhaft befunden, dass es nicht auf das Verhältnis zwischen Stromlieferant und Stromletztverbraucher ankomme, und habe rechtsfehlerhaft auf die Verpflichtung zur Erhebung und nicht auf die gesetzlich begründete Verpflichtung zur Zahlung der Netzentgelte abgestellt sowie iii) rechtsfehlerhaft befunden, dass die Zweckbindung der vereinnahmten Netzentgelte nicht ausschließe, dass der Staat über diese Gelder verfügen könne.

14.      Der erste Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften (Rechtssache C‑800/21 P) gliedert sich in vier Teile: i) Das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe setze voraus, dass ihre Finanzierung „den Staat Geld kostet“, ii) staatliche Mittel lägen nur vor, wenn ein hinreichend enger Zusammenhang zum Staatshaushalt bestehe, iii) das Gericht habe die Rechtsprechung des Gerichtshofs insoweit falsch angewendet, und iv) das Gericht habe rechtsfehlerhaft befunden, dass in der streitigen Umlage staatliche Mittel zu sehen seien, wohingegen in ihr richtigerweise private Mittel zu sehen seien. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wird gerügt, dass das Gericht Tatsachen verfälscht habe, indem es Inhalt und Tragweite des nationalen Rechts verkannt habe. Entgegen den Feststellungen des Gerichts i) habe die BNetzA die Höhe der streitigen Umlage nicht festgesetzt, ii) habe die BNetzA den Netzbetreibern keine detaillierte Methode für die Berechnung dieser Umlage vorgegeben, iii) seien die Einnahmeverluste der Netzbetreiber durch die Netzentgeltbefreiungen nicht vollständig über die streitige Umlage finanziert worden, und iv) seien die Netzbetreiber nach nationalem Recht nicht zur Erhebung der streitigen Umlage verpflichtet gewesen.

15.      Nach Ansicht der Kommission sind der einzige Rechtsmittelgrund Deutschlands sowie der erste und der zweite Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften als unbegründet zurückzuweisen.

16.      Da die von Deutschland mit seinem einzigen Rechtsmittelgrund (Rechtssache C‑794/21 P) und von den Infineon-Gesellschaften mit dem ersten und dem zweiten Rechtsmittelgrund (Rechtssache C‑800/21 P) vorgebrachten verschiedenen Argumente zu staatlichen Mitteln sich in erheblichem Maß überschneiden, sind sie zusammen sowie der Reihenfolge und dem Aufbau des angefochtenen Urteils folgend zu behandeln. Daher ist zunächst auf den alternativen Charakter der Kriterien, anschließend auf die Einstufung der streitigen Umlage(4) als „Abgabe“ und schließlich auf das Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die durch die streitige Umlage erwirtschafteten Mittel einzugehen.

1.      Erster Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften (zwei Merkmale, die Teile einer Alternative sind)

a)      Hauptargumente der Parteien

17.      Deutschland bringt insbesondere vor, das Gericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass das Vorliegen einer Abgabe und einer staatlichen Kontrolle über die mit dieser Abgabe erwirtschafteten Gelder (oder über die Verwalter dieser Gelder) „zwei Merkmale, die Teile einer Alternative sind“, darstellten. Allein aus dem Vorliegen einer solchen Abgabe könne nicht geschlossen werden, dass es im vorliegenden Fall um „staatliche Mittel“ gehe. Die Infineon-Gesellschaften machen allgemein geltend, das Gericht habe aufgrund rechtsfehlerhafter beihilfenrechtlicher Maßstäbe die Staatlichkeit der Mittel im Fall einer „Abgabe“ bejaht. Sie bringen u. a. vor, dass das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe eine Finanzierung „auf Kosten des Staates“ und das Bestehen eines hinreichend engen Zusammenhangs zum Staatshaushalt voraussetze.

b)      Würdigung

18.      Das Gericht hat die Rechtsprechung zum Kriterium der „staatlichen Mittel“ geprüft und befunden, dass „die Rechtsprechung des Gerichtshofs … für die Beurteilung des staatlichen Charakters der Mittel im Wesentlichen auf zwei Hauptmerkmale [abstellt]: zum einen auf eine verpflichtende Belastung der Verbraucher oder Letztverbraucher, die normalerweise als ‚Abgabe‘ bezeichnet wird, insbesondere als ‚parafiskalische Abgabe‘, und zum anderen auf die staatliche Kontrolle über die Verwaltung des Systems, insbesondere durch die staatliche Kontrolle über die Gelder oder über die Verwalter (Dritte) dieser Gelder. Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Merkmale, die Teile einer Alternative sind (Rn. 63 des angefochtenen Urteils, Hervorhebung nur hier).

19.      Nach Auffassung des Gerichts „[ist daher] zu prüfen, ob der [Finanzierungsmechanismus] der streitigen Umlage die von der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Verwendung staatlicher Mittel erfüllt …, und folglich, ob die streitige Umlage tatsächlich eine Zwangsabgabe darstellt und demnach einer parafiskalischen Abgabe gleichzustellen ist oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob der Staat zumindest über eine Kontrolle über die eingenommenen Gelder oder über die mit der Verwaltung dieser Gelder betrauten Einrichtungen verfügt“ (Rn. 77 des angefochtenen Urteils).

20.      Deutschland ist der Ansicht, dass die Kriterien einer „Abgabe“ und einer staatlichen Kontrolle kumulativen Charakter hätten und stützt sich insbesondere auf die Urteile FVE Holýšov I u. a./Kommission(5), Deutschland/Kommission(6) und PreussenElektra(7). Diese und andere (jüngere) Urteile des Gerichtshofs sprechen jedoch vielmehr dafür, dass die Kriterien alternativen Charakter haben, wie das Gericht in den Rn. 58 und 63 bis 65 des angefochtenen Urteils befunden hat(8).

21.      Meines Erachtens ist das Vorbringen Deutschlands unbegründet, da es auf der Grundlage der jüngsten Rechtsprechung des Gerichtshofs zurückgewiesen werden kann, die jeden möglichen Zweifel daran ausräumt, ob die Kriterien alternativen oder kumulativen Charakter haben.

22.      Im Urteil DOBELES HES(9) hat die Große Kammer des Gerichtshofs sich mit zwei für die vorliegenden Rechtsmittelverfahren relevanten Fragen auseinandergesetzt: i) der Definition des Begriffs einer Abgabe und ii) dem Verhältnis zwischen dem Kriterium einer Abgabe und dem Kriterium der staatlichen Kontrolle über den Finanzierungsmechanismus.

23.      In Rn. 39 jenes Urteils hat der Gerichtshof klargestellt, dass die einschlägigen Kriterien von Art. 107 Abs. 1 AEUV Teil einer Alternative sind: „[Das] in der vorstehenden Randnummer genannte Kriterium[, d. h. das Vorliegen einer Abgabe, ist] nicht das einzige, anhand dessen festgestellt werden kann, ob ‚staatliche Mittel‘ im Sinne der genannten Bestimmung vorliegen. Es genügt, dass Beträge stets unter staatlicher Kontrolle bleiben und somit den zuständigen nationalen Behörden zur Verfügung stehen, um sie als ‚staatliche Mittel‘ einzustufen …“.

24.      Daraus folgt, dass es ausreicht, wenn das eine oder das andere der beiden Kriterien erfüllt ist, was durch Rn. 42 des Urteils DOBELES HES bestätigt wird, wo der Gerichtshof unmittelbar vom Vorliegen der „beiden … alternativen Kriterien“ spricht.

25.      Das Gericht hat daher im angefochtenen Urteil Art. 107 Abs. 1 AEUV rechtsfehlerfrei ausgelegt, da es der vorangegangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs gefolgt ist und insoweit in Rn. 63 ausgeführt hat, dass die oben genannten Kriterien „Teile einer Alternative sind“, und dieser Ansatz ist seitdem im Urteil DOBELES HES noch einmal bestätigt worden. Demnach war es ausreichend, dass das Gericht im angefochtenen Urteil das Vorliegen entweder einer Abgabe oder einer staatlichen Kontrolle über den Finanzierungsmechanismus festgestellt hat, wobei jedes dieser Kriterien für sich genommen für die Feststellung des Vorliegens staatlicher Mittel ausgereicht hätte. Folglich ist das Vorbringen von Deutschland, wonach diese Kriterien kumulativen Charakter hätten, meines Erachtens als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

26.      Zwar hat das Gericht dies nicht ausdrücklich erwähnt, doch ergibt sich meines Erachtens aus dem Wortlaut des angefochtenen Urteils (insbesondere aus Rn. 77) klar, dass es das zweite Kriterium lediglich aus Gründen der Vollständigkeit geprüft hat. In Anbetracht dessen, dass der alternative Charakter der Kriterien zwischen den Parteien im Verfahren vor dem Gericht in hohem Maß streitig war, hat sich das Gericht vom Grundsatz der geordneten Rechtspflege leiten lassen und beide Merkmale der Alternative geprüft.

27.      Sodann bringt Deutschland zur Stützung seines Vorbringens, wonach die Kriterien einer „Abgabe“ und der staatlichen Kontrolle kumulativen Charakter haben müssten, auch vor, dass der Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV im angefochtenen Urteil (die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt werde) jedenfalls die Systematik der Verträge entgegenstehe und dass sie zu „[von] den Verträgen nicht vorgesehenen Folgen“ führen würde. Jede vom Staat auferlegte Abgabe oder zusätzliche Belastung falle zwangsläufig unter den Begriff „staatliche Mittel“, was der Steuerhoheit der Mitgliedstaaten zuwiderlaufe. Das Verbot rechtswidriger staatlicher Beihilfen diene dem Schutz vor staatlichen Eingriffen in den freien Wettbewerb und betreffe folglich nur solche Eingriffe in den Wettbewerb, die im Zusammenhang mit dem Staatshaushalt stünden oder Mittel beinhalteten, die der Verfügungsgewalt des Staates unterlägen. Von den Infineon-Gesellschaften wird ähnlich vorgetragen.

28.      Wie von der Kommission vorgetragen, beruht dieses Vorbringen jedoch auf einem unzutreffenden Verständnis der Verträge(10) sowie auf einer Vermengung der Rechtsprechung zu den Art. 30 und 110 AEUV einerseits und zu Art. 34 AEUV andererseits. Das in den beiden erstgenannten Artikeln geregelte Diskriminierungsverbot erklärt sich dadurch, dass sowohl Zölle als auch Abgaben naturgemäß fiskalischen Charakter haben (sie stellen Abgaben dar, die vom Staat zur Erreichung politischer Ziele verwendet werden). Darüber hinaus ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das hauptsächlich entscheidende Merkmal bei staatlichen Mitteln darin liegt, dass die Wettbewerbsverzerrung auf die Tätigkeit des Staates (und nicht die eines Unternehmens) zurückgeht. Aber anders als Deutschland offenbar meint (Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge), enthält die Systematik der Verträge keinen Hinweis darauf, dass nur „aus dem Staatshaushalt finanzierte“ Beihilfen als staatliche Beihilfen anzusehen sind. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich stets klargestellt worden, dass der bloße Umstand, dass Mittel ausschließlich durch privatrechtliche Einrichtungen fließen, nicht ausreicht, um das Vorliegen einer wirksamen Kontrolle des Staates im Sinne des Begriffs der Beihilfe zu widerlegen(11).

29.      Entgegen dem Vorbringen Deutschlands hat die systematisch andere Stelle im AEU-Vertrag, an der die Art. 30 und 110 sowie Art. 107 stehen, keine inhaltliche Auswirkung für die vorliegenden Rechtssachen. Diese drei Bestimmungen haben vielmehr etwas gemeinsam, nämlich die Tatsache, dass sie sich auf fiskalisches Handeln des Staates beziehen. Der Gerichtshof geht für beide Kategorien von Vorschriften nämlich von einer weiten Auslegung „staatlicher Kontrolle“ aus, und zwar insbesondere um zu verhindern, dass die in diesen Vorschriften enthaltenen Regelungen umgangen werden(12).

30.      Außerdem ist die Behauptung unzutreffend, dass „jede gesetzlich angeordnete Vermögensverschiebung zwischen [privaten juristischen Personen] einer Verwendung staatlicher Mittel gleichgesetzt [würde]“. Beispielsweise ist ein gesetzlich festgelegter Mindestpreis keine Abgabe. Es genügt ein Verweis auf die Urteile PreussenElektra und EEG 2012. Das Urteil PreussenElektra betraf einen zwischen zwei privatrechtlichen Einrichtungen geltenden gesetzlichen Mindestpreis. Die privatrechtliche Einrichtung, die zur Anwendung des Mindestpreises verpflichtet war, konnte die Kosten nicht an ihre Kunden weitergeben. Daher lag keine Abgabe vor.

31.      Im Urteil EEG 2012 hat der Gerichtshof klargestellt, dass die bloße Möglichkeit einer Auswirkung auf Kunden nicht ausreichte, um die verwendeten Mittel als staatliche Mittel anzusehen. Die Verwendung staatlicher Mittel – in Form einer Abgabe – darf nur vermutet werden, wenn die verpflichtete privatrechtliche Einrichtung auch die Verpflichtung hat, die Mehrkosten durch Erhebung einer Abgabe von einem Dritten auf diesen abzuwälzen.

32.      Aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen folgt meines Erachtens, dass das Gericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass diese Kriterien Teile einer Alternative sind. Das angefochtene Urteil weist daher insoweit keinen Rechtsfehler auf, und deshalb ist der erste Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zweiter Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften (Einstufung der streitigen Umlage als „Abgabe“)

33.      Deutschland und die Infineon-Gesellschaften beanstanden im Zusammenhang mit dem ersten der vorstehend erörterten alternativen Kriterien, dass das Gericht die streitige Umlage zu Unrecht als „Abgabe“ eingestuft habe. Diese Einstufung beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des Begriffs „Abgabe“ und auf einer Verfälschung des nationalen Rechts.

a)      Erste Argumentationskette (Letztschuldner der streitigen Umlage)

34.      Mit der ersten Argumentationskette bringen Deutschland und die Infineon-Gesellschaften im Wesentlichen vor, das Gericht habe den Begriff „Letztverbraucher“ im Sinne des nationalen Rechts unzutreffend ausgelegt, da weder das nationale Recht noch die deutschen nationalen Behörden den Verbrauchern oder Netzbetreibern eine Zahlungspflicht auferlegten. Die Infineon-Gesellschaften machen u. a. geltend, dass selbst wenn in der Praxis Stromversorger die Umlage stets auf Stromletztverbraucher abgewälzt hätten, hieraus nach der Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil EEG 2012 noch nicht geschlossen werden könne, dass eine vom Staat auferlegte Zwangsabgabe vorliege.

35.      Meines Erachtens ist zu prüfen, ob es entscheidend auf die Frage ankommt, wer die Letztschuldner der streitigen Umlage waren.

36.      Die Infineon-Gesellschaften machten im ersten Rechtszug geltend, die Umlage werde nur von Netznutzern erhoben und sei nicht zwingend auf Stromletztverbraucher abgewälzt worden, so dass sie als Netzgebühr und nicht als Abgabe zu verstehen gewesen sei. Das Gericht hat in Rn. 84 des angefochtenen Urteils jedoch entschieden, dass dieses Argument nicht erheblich sei, da Endschuldner dieser Umlage die Netznutzer gewesen seien (die Stromversorger selbst und die unmittelbar an das Netz angeschlossenen Letztverbraucher), nicht aber die übrigen Letztverbraucher.

37.      Ebenso hat das Gericht in Rn. 85 des angefochtenen Urteils befunden, dass der streitige Beschluss von einer Verpflichtung zur Erhebung und Abwälzung der streitigen Umlage auf „Letztverbraucher“ ausgehe. Von Bedeutung ist meines Erachtens, dass diese Auslegung durch Rn. 20 des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 6. Oktober 2015 bekräftigt wurde, wo das im ersten Rechtszug angeführte Argument, die streitige Umlage sei eine Netzgebühr, zurückgewiesen wird. Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass es sich bei der Umlage nicht um eine vertragliche Gegenleistung, sondern um eine externe Erhebung von Abgaben handele, die den Betreibern auferlegt werde.

38.      Außerdem stellt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Maßnahme bereits dann eine „Abgabe“ im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV dar, wenn sie auf Vorerzeugnisse oder ‑leistungen erhoben wird, ohne dass sie zwingend auf die Letztverbraucher der nachgelagerten Erzeugnisse oder Leistungen abgewälzt werden muss. In dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs(13) findet sich kein Beleg für die Annahme, dass bei einer Abgabe das Vorliegen staatlicher Mittel nur dann zu bejahen ist, wenn diese Abgabe von Letztverbrauchern erhoben wird. Vielmehr ist meines Erachtens der Begriff der Abgaben, der in den Art. 30 und 110 AEUV verwendet wird, weit und teleologisch auszulegen.

39.      Das Gericht hat sich in Rn. 86 des angefochtenen Urteils zu Recht auf diese Rechtsprechung gestützt.

40.      Meines Erachtens stützte das Gericht sich in seinem Ansatz zu Recht auf die Frage, ob private oder öffentliche Einrichtungen, denen die Durchführung der Regelung übertragen ist, die Ausgaben aus ihren eigenen finanziellen Mitteln tragen müssen (Situation, in der keine staatliche Beihilfe vorliegt) oder ob sie diese Mittel von Dritten erheben können (Situation, in der eine staatliche Beihilfe vorliegt). Es ist unerheblich, ob diese Dritten Letztverbraucher oder ein Zwischenglied in der Wertschöpfungskette sind. Das allein entscheidende Merkmal ist vielmehr die Umverteilungswirkung der Abgabe, nämlich dass ein Staat oder eine privatrechtliche Einrichtung diese Abgabe von Unternehmen erhebt und zur Finanzierung eines einer anderen Gruppe von Unternehmen gewährten Vorteils verwendet.

41.      Aus einer teleologischen Auslegung und der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Abgaben“ im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV ergibt sich, dass die Frage, wer im Einzelfall Abgabenschuldner ist, unerheblich ist. Das entscheidende Merkmal ist, ob die Abgabe sich auf das betreffende Erzeugnis oder auf eine im Zusammenhang mit diesem Erzeugnis erforderliche Tätigkeit bezieht(14).

42.      Daraus folgt meines Erachtens, dass die erste Argumentationskette als unbegründet zurückzuweisen ist.

b)      Zweite Argumentationskette (Die streitige Umlage war nicht verpflichtend)

1)      Der Beschluss der BNetzA von 2011 wurde von nationalen Gerichten für rechtswidrig erklärt

43.      Die Infineon-Gesellschaften machen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe sich zu Unrecht auf den Beschluss der BNetzA von 2011 gestützt, obwohl dieser Beschluss von den deutschen Gerichten rückwirkend für rechtswidrig erklärt worden sei.

44.      Fraglich ist, ob das Gericht auf der Grundlage dieses Beschlusses der BNetzA den Schluss ziehen durfte, dass die streitige Umlage verpflichtenden Charakter hatte, obwohl der Beschluss später vom Oberlandesgericht Düsseldorf und in der Rechtsmittelinstanz vom Bundesgerichtshof aufgehoben und für nichtig erklärt wurde.

45.      Ich möchte darauf hinweisen, dass sich aus den Urteilen Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity(15) sowie Heiser(16) ergibt, dass die mögliche Rechtswidrigkeit einer nationalen Regelung nicht geeignet ist, ihr ihren Charakter als staatliche Beihilfe zu nehmen.

46.      Im Urteil Heiser heißt es: „Selbst wenn aber die Regelung, die die Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorsieht, … rechtswidrig sein sollte, ändert dies nichts daran, dass diese Regelung so lange Auswirkungen hat, wie sie nicht aufgehoben oder zumindest ihre Rechtswidrigkeit nicht festgestellt worden ist“ (Hervorhebung nur hier).

47.      Ebenso heißt es im Urteil Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity: „[Aufgrund] des Umstands, dass eine steuerliche Maßnahme gegen andere unionsrechtliche Vorschriften als die Art. 107 und 108 AEUV verstößt, [kann] nicht ausgeschlossen werden, dass die bestimmten Steuerpflichtigen gewährte Befreiung von dieser Maßnahme als ‚staatliche Beihilfe‘ einzustufen ist, solange die fragliche Maßnahme Wirkungen gegenüber anderen Steuerpflichtigen erzeugt und weder aufgehoben noch für rechtswidrig und somit unanwendbar erklärt wurde“ (Hervorhebung nur hier).

48.      Wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, hat der deutsche Gesetzgeber die Situation in der Weise geregelt, dass sichergestellt wurde, dass die Erhebung der streitigen Umlage nach der Nichtigerklärung durch den Bundesgerichtshof rückwirkend berichtigt wurde und weiterhin Rechtswirkungen entfaltete und somit die mit der streitigen Umlage verbundene Verpflichtung aufrechterhalten blieb.

49.      Meines Erachtens ist im Beihilferecht der Union eine Maßnahme unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirkungen zu beurteilen.

50.      Aus der oben angeführten Rechtsprechung ergibt sich meines Erachtens, dass das Gericht (in den Rn. 75 und 90 des angefochtenen Urteils) zu Recht befunden hat, dass es für die Kontrolle staatlicher Beihilfen entscheidend darauf ankam, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich angewandt wurde und Rechtswirkungen entfaltete.

51.      Dieser Beschluss war im maßgeblichen Zeitraum rechtsverbindlich und verpflichtete Netzbetreiber zur Erhebung der streitigen Umlage von Netznutzern.

52.      Nach dem Wortlaut von Nr. 3 des Beschlusses der BNetzA von 2011 wurde den Verteilernetzbetreibern die Verpflichtung auferlegt, die streitige Umlage zu erheben; diese waren daher verpflichtet, die Umlage von ihren Kunden einzuziehen. Da dieser Beschluss zu der im maßgeblichen Zeitraum geltenden Regelung gehörte und verbindliche Wirkungen entfaltete – dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass diese Wirkungen nach der von den nationalen Gerichten angeordneten Aufhebung (durch Bestimmungen, nach denen diese Regelung später aufgehoben wurde) tatsächlich nicht zurückgenommen wurden –, hat das Gericht zutreffend befunden, dass die auf der streitigen Umlage beruhende Regelung Rechtsverbindlichkeit erzeugt habe (angefochtenes Urteil, Rn. 90).

53.      Meine in den vorliegenden Schlussanträgen vorgenommene Würdigung wird auch durch das Urteil Deutsche Post/Kommission(17) des Gerichtshofs gestützt, in dem befunden wurde, dass eine für nichtig erklärte Entscheidung weiterhin Rechtswirkungen erzeugen kann. Da in jener Rechtssache die Nichtigkeitsklage vor der Verkündung des Urteils des Gerichts erhoben wurde, mit der die streitige Entscheidung für nichtig erklärt (und somit rückwirkend aus der Rechtsordnung entfernt) wurde, war für die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Klage auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen, zu dem die negative Entscheidung von 2002 noch rechtlichen Bestand hatte und Teil der Unionsrechtsordnung war.

54.      Schließlich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Erzeugung von Rechtswirkungen auch das erklärte Ziel des deutschen Gesetzgebers war(18).

55.      Daher ist die Argumentation, die sich darauf stützt, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 von den nationalen Gerichten für rechtswidrig erklärt wurde, meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen.

2)      Art. 30 und 110 AEUV (Begriff „Abgaben“) und die Rechtsprechung infolge des Urteils Essent Netwerk Noord (verpflichtender Charakter der Abgabe)

i)      Art. 30 und 110 AEUV (Begriff „Abgaben“)

56.      Deutschland und die Infineon-Gesellschaften bringen im Wesentlichen vor, das Gericht habe insbesondere in Rn. 86 des angefochtenen Urteils den Begriff „Abgaben“ im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV unzutreffend dahin ausgelegt, dass die streitige Umlage von diesem Begriff umfasst sei. Richtig ist, dass das Gericht zur Begründung der Tatsache, dass eine Verpflichtung zur Erhebung einer Umlage in Verbindung mit der Nutzung eines Netzes auch eine Abgabe sein kann, auf den Begriff der Abgaben im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV verweist.

57.      Wie in Nr. 38 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, ist der Begriff der Abgaben, der in den Art. 30 und 110 AEUV verwendet wird, weit auszulegen.

58.      Im Urteil Essent Netwerk Noord (Rn. 40) hat der Gerichtshof befunden, dass „die Art. [30 und 110 AEUV] mit einander ergänzenden Funktionen das Ziel [verfolgen], jede innerstaatliche Abgabenerhebung zu verhindern, die geeignet wäre, Erzeugnisse aus anderen oder für andere Mitgliedstaaten zu diskriminieren und damit deren freien Verkehr innerhalb der [Europäischen Union] unter normalen Wettbewerbsbedingungen zu behindern“ (Hervorhebung nur hier).

59.      Wie in Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, folgt aus dem Begriff „Abgaben“ im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV, dass die Frage, wer im Einzelfall Abgabenschuldner ist, unerheblich ist. Entscheidend ist, ob diese Abgabe sich auf das betreffende Erzeugnis oder auf eine im Zusammenhang mit diesem Erzeugnis erforderliche Tätigkeit bezieht.

60.      In den vorliegenden Rechtssachen wird die streitige Umlage für die Nutzung des Netzes erhoben. Nach der zutreffenden Würdigung des Gerichts ist für ihre Einstufung als Abgabe der Umstand entscheidend, dass die Umlage keine Gegenleistung für die Nutzung des Netzes, sondern eine verpflichtende Abgabe darstellt.

61.      Die Nutzung des Netzes ist nach der oben erörterten Rechtsprechung des Gerichtshofs als Vorerzeugnis oder, genauer gesagt, als Vorleistung im Sinne der Art. 30 und 110 AEUV anzusehen. Das Gericht hat sich daher meines Erachtens bei seiner Definition einer Steuer als Abgabe auf ein geliefertes Erzeugnis oder eine erbrachte Leistung rechtsfehlerfrei auf die Art. 30 und 110 AEUV gestützt.

ii)    Das Urteil Essent Netwerk Noord und die anschließende Rechtsprechung des Gerichtshofs (verpflichtender Charakter der Abgabe)

62.      Darüber hinaus lässt sich die Beantwortung der Frage nach dem verpflichtenden Charakter der Abgabe als Voraussetzung für die Feststellung des Vorliegens staatlicher Mittel aus der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs ableiten, da die vorliegenden Rechtssachen dem Sachverhalt entsprechen, der dem in der Rechtssache Essent Netwerk Noord ergangenen Urteil zugrunde liegt.

63.      Das Urteil Essent Netwerk Noord betraf eine Abgabe in den Niederlanden. Ein (vollständig von staatlichen Behörden kontrollierter) Netzbetreiber erhob von inländischen Elektrizitätskunden eine Abgabe (Tarifaufschlag) auf die Nutzung seines Stromnetzes. Ähnlich wie in den vorliegenden Rechtssachen war im Urteil Essent Netwerk Noord diese Abgabe durch das nationale Recht vorgesehen, wobei der Netzbetreiber Geld von Verbrauchern erhob und auf diese Weise die staatliche Beihilfe finanzierte.

64.      Das Gericht hat zutreffend auf das Urteil in jener Rechtssache verwiesen und in Rn. 59 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass „der Gerichtshof festgestellt [hat], dass ein nach objektiven Kriterien festgelegter Tarifaufschlag auf übertragenen Strom, der den Stromverbrauchern gesetzlich auferlegt und von den Netzbetreibern erhoben wird, eine ‚Abgabe‘ darstellt, deren Beträge aus staatlichen Mitteln stammen“.

65.      Der Gerichtshof macht im Urteil Essent Netwerk Noord mehrere für die vorliegenden Rechtsmittelverfahren wichtige Ausführungen.

66.      Erstens stellt der Gerichtshof fest, dass es unerheblich ist, ob die Abgabe auf Waren als solche, beispielsweise elektrischen Strom, erhoben wird oder ob die Abgabe auf eine im Zusammenhang mit Waren erforderliche Tätigkeit, beispielsweise die Übertragung von Elektrizität, erhoben wird (Urteil Essent Netwerk Noord, Rn. 44). In den vorliegenden Rechtssachen wird die Abgabe auf die Übertragung von Elektrizität erhoben.

67.      Zweitens weist der Gerichtshof darauf hin, dass für das Vorliegen einer Abgabe entscheidend ist, dass es sich um eine einseitig auferlegte Belastung handelt (Urteil Essent Netwerk Noord, Rn. 45). In den vorliegenden Rechtssachen wurde durch den Beschluss der BNetzA von 2011 den Verteilernetzbetreibern in rechtlich verbindlicher Weise die Verpflichtung auferlegt, die streitige Umlage von den Netznutzern zu erheben (Rn. 97 des angefochtenen Urteils).

68.      Drittens führt der Gerichtshof aus, dass „es unerheblich [ist], dass die finanzielle Belastung nicht vom Staat erhoben wird“ (Urteil Essent Netwerk Noord, Rn. 46). In den vorliegenden Rechtssachen waren die Verteilernetzbetreiber für die Erhebung der streitigen Umlage verantwortlich.

69.      Schließlich sollte in den vorliegenden Rechtssachen, ähnlich wie in dem dem Urteil Essent Netwerk Noord zugrunde liegenden Sachverhalt, die streitige Umlage Netznutzungskosten decken, die normalerweise die deutschen Bandlastverbraucher selbst hätten tragen müssen.

70.      Die Befreiung von Netzentgelten für Bandlastverbraucher hat somit ihre Wettbewerbsposition verbessert. Aufgrund der Abgabeneigenschaft der in den vorliegenden Rechtssachen streitigen Umlage dürften diese Mittel als staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sein. Ferner dürfte dies im Einklang mit der Rechtsprechung stehen, wonach aus der Finanzierung eines Vorteils durch das Aufkommen aus einer Abgabe folgt, dass der Vorteil aus staatlichen Mitteln stammt(19).

71.      Meines Erachtens ist nicht nur das Urteil Essent Netwerk Noord, sondern auch das Urteil FVE Holýšov I von besonderer Relevanz. Beide Rechtssachen weisen einen ähnlichen Sachverhalt auf wie die vorliegenden Rechtssachen und zeigen, dass der Gerichtshof sich mit den in den vorliegenden Rechtsmittelverfahren aufgeworfenen Fragen tatsächlich bereits auseinandergesetzt hat.

72.      Im Urteil FVE Holýšov I (Rn. 46) hat der Gerichtshof klargestellt, dass unerheblich ist, ob der betreffende Finanzierungsmechanismus nach nationalem Recht als Abgabe oder parafiskalische Abgabe eingestuft wird. Für das Beihilferecht der Union ist nur relevant, dass feststeht, dass eine solche Abgabe erhoben wird und dass diese Abgabe einseitig und durch staatliches Handeln angeordnet wird.

73.      Der Gerichtshof stellt in diesen beiden Urteilen fest, dass es sich dabei um eine Verpflichtung zur einseitigen Erhebung von Mitteln und somit bei diesen um staatliche Mittel handelt. Dieser Punkt bringt uns zum kürzlich ergangenen Urteil DOBELES HES (Rn. 34), mit dem weitere Klarstellungen zum Urteil Essent Netwerk Noord erfolgt sind. Ich halte dies für wichtig für den Ausgang der vorliegenden Rechtsmittelverfahren.

74.      In Rn. 34 führt der Gerichtshof dort aus: „Zweitens hat der Gerichtshof zu der vom vorlegenden Gericht speziell angesprochenen Voraussetzung, dass der Vorteil ‚aus staatlichen Mitteln‘ gewährt wird, entschieden, dass Beträge, die aus einem den Stromkäufern vom Staat auferlegten Zuschlag zum Tarif resultieren, einer Abgabe auf Strom gleichkommen und auf ‚staatliche Mittel‘ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zurückgehen“(20).

75.      Ich möchte darauf hinweisen, dass im Urteil DOBELES HES anschließend in den Rn. 36 und 37 hinsichtlich einer anderen Rechtsprechung als der Rechtsprechung im Urteil Essent Netwerk Noord (insbesondere im Urteil EEG 2012, Rn. 70 und 71) Klarstellungen erfolgen.

76.      Der Gerichtshof hebt die Unterschiede zwischen den Urteilen EEG 2012 und DOBELES HES hervor. Er führt aus, dass in der erstgenannten Rechtssache kein obligatorischer Beitrag vorgelegen habe, da die Erhebung der EEG-Umlage nicht rechtlich verbindlich, sondern nur freiwillig gewesen sei. Er stellt daher klar, dass es für die Feststellung, ob es sich bei der fraglichen Abgabe um einen obligatorischen Beitrag handelt, entscheidend auf den verpflichtenden Charakter ankommt. Der Umstand, dass eine Verschiebung von Mitteln stattfindet oder stattfinden kann, reicht allein nicht aus. In den vorliegenden Rechtssachen bestand jedoch gerade eine Verpflichtung zur Erhebung der Abgabe (oder der Umlage), wohingegen im Urteil EEG 2012 keine Abgabe vorlag.

77.      Anders als im Fall des Urteils EEG 2012 ist die Erhebung der streitigen Umlage in den vorliegenden Rechtssachen keine unternehmerische Entscheidung der Netzbetreiber, sondern erfolgt auf der Grundlage gesetzlicher Vorschriften (insbesondere des Beschlusses der BNetzA).

78.      Daher ist zwischen dem Finanzierungsmechanismus der vorliegenden Rechtssachen und demjenigen des Urteils EEG 2012 zu unterscheiden. In den vorliegenden Rechtssachen ist das Bestehen der Umlage als solches schon ausreichend, um sie als staatliche Mittel einzustufen.

79.      Was das andere der beiden Kriterien des Urteils EEG 2012 angeht – nämlich die staatliche Kontrolle (Verfügungsgewalt) über die Gelder selbst oder über die Einrichtung, die diese Gelder verwaltet – haben die beiden Kriterien, wie oben ausgeführt, alternativen und nicht kumulativen Charakter.

80.      Hätte im Urteil EEG 2012 eine verpflichtende Umlage vorgelegen, wären die Erörterungen des Gerichtshofs in Rn. 72 jenes Urteils nicht erforderlich gewesen.

81.      Weil die dort in Rn. 71 genannten Voraussetzungen gerade nicht erfüllt waren, hielt der Gerichtshof in Rn. 72 weitere Ausführungen für erforderlich.

82.      In Rn. 71 jenes Urteils stellte der Gerichtshof fest, dass „[die] vom Gericht … getroffene Feststellung, dass die sich aus der EEG-Umlage ergebende finanzielle Belastung ‚in der Praxis‘ auf die Letztverbraucher abgewälzt worden sei und folglich ‚hinsichtlich ihrer Wirkungen einer Abgabe auf den Stromverbrauch … gleichgestellt‘ werden könne, … keine ausreichende Grundlage für die Schlussfolgerung [ist], dass die EEG-Umlage die gleichen Merkmale aufwies wie der vom Gerichtshof im Urteil [Essent Netwerk Noord] geprüfte Aufschlag auf den Stromtarif“.

83.      Deshalb beginnt der Gerichtshof dort Rn. 72 mit dem Wort „daher“: „Daher ist zu prüfen, ob das Gericht aus den beiden anderen … in Rn. 62 des vorliegenden Urteils wiederholten Gesichtspunkten gleichwohl schließen durfte, dass die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder staatliche Mittel darstellten, weil sie … ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den öffentlichen Stellen zur Verfügung standen. Dann käme es nicht darauf an, ob die EEG-Umlage als ‚Abgabe‘ eingestuft werden kann.“

84.      Mit anderen Worten lag dem Urteil EEG 2012 ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde als den vorliegenden Rechtssachen.

85.      Im Urteil EEG 2012 gestattete der deutsche Gesetzgeber Elektrizitätsunternehmen, bestimmte Entgelte zu erheben; es handelte sich hierbei jedoch lediglich um eine Möglichkeit und nicht um eine Verpflichtung. Der Staat ließ den Betreibern eine Wahl: Wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, musste das eingenommene Geld für einen bestimmten, vom Staat vorgegebenen Zweck verwendet werden (nämlich zum Ausgleich zusätzlicher Kosten im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien). Daher kam der Gerichtshof in jener Rechtssache zu dem Ergebnis, dass der Staat keine Kontrolle über diese Gelder hatte, weil keine Verpflichtung zur Erhebung dieser Entgelte bestand.

86.      Aus den vorstehenden Erwägungen und der vorstehenden Rechtsprechung folgt, dass es sich bei der streitigen Umlage – wie von der Kommission im streitigen Beschluss befunden und wie auch vom Bundesgerichtshof festgestellt – um eine rechtlich verpflichtende Erhebung einer Abgabe handelte, was, wie jüngst im Urteil DOBELES HES bestätigt, für die Feststellung des Vorliegens staatlicher Mittel ausreicht.

87.      Meines Erachtens weist das angefochtene Urteil daher insoweit keinen Rechtsfehler auf.

88.      Meines Erachtens ist die auf die Art. 30 und 110 AEUV (Begriff „Abgaben“) sowie das Urteil Essent Netwerk Noord und die daran anschließende Rechtsprechung (verpflichtender Charakter der Abgabe) gestützte Argumentation als unbegründet zurückzuweisen.

3)      Verfälschung des nationalen Rechts und keine Verpflichtung zur Erhebung oder Zahlung der Umlage

89.      Die Infineon-Gesellschaften und Deutschland argumentieren im Wesentlichen, das Gericht habe das nationale Recht verfälscht, da keine Verpflichtung zur Erhebung der streitigen Umlage bestanden habe.

90.      Erstens kann diese Feststellung des Gerichts in Bezug auf das nationale Recht, die eine Tatsachenfeststellung darstellt, im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof von Deutschland nicht angegriffen werden, und sie wurde von diesem Mitgliedstaat in der Tat auch nicht direkt angegriffen.

91.      Zweitens beruht die Einstufung der streitigen Umlage als Abgabe meines Erachtens nicht auf einer Verfälschung des nationalen Rechts. Die Infineon-Gesellschaften wenden sich gegen die Tatsachenfeststellungen des Gerichts. Obgleich sie geltend machen, das Gericht habe die Tatsachen verfälscht und den Inhalt und Anwendungsbereich des nationalen Rechts verkannt, begehren sie letztlich eine neue Tatsachenwürdigung durch den Gerichtshof. Hierzu ist der Gerichtshof im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens jedoch nicht befugt(21).

92.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „[ist, was] die Überprüfung der vom Gericht zu diesen nationalen Rechtsvorschriften getroffenen Feststellungen im Rechtsmittelverfahren anbelangt, … der Gerichtshof dafür zuständig, zunächst zu prüfen, ob das Gericht auf der Grundlage der ihm vorgelegten Schriftstücke und anderen Aktenstücke nicht den Wortlaut der in Frage stehenden nationalen Vorschriften oder der sich auf sie beziehenden nationalen Rechtsprechung … verfälscht hat, des Weiteren, ob das Gericht in Anbetracht dieser Angaben nicht Feststellungen getroffen hat, die ihrem Inhalt offensichtlich zuwiderlaufen, und schließlich, ob das Gericht bei seiner Prüfung der Gesamtheit dieser Angaben zur Ermittlung des Inhalts der fraglichen nationalen Rechtsvorschriften nicht einer dieser Angaben eine Tragweite beigemessen hat, die ihr im Verhältnis zu den anderen nicht zukommt, soweit sich dies offensichtlich aus den zu den Akten genommenen Unterlagen ergibt“(22).

93.      Meines Erachtens entspricht das Vorbringen der Infineon-Gesellschaften diesen Anforderungen offensichtlich nicht. Es reicht nämlich nicht aus, dass die Rechtsmittelführerinnen sich auf die schematische Wiedergabe der Tatsachenfeststellungen des Gerichts beschränken und sie ihren eigenen Ansichten dazu gegenüberstellen, was sie für die richtige Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften halten. Sie geben nicht an, welches konkrete Beweisstück das Gericht verfälscht haben soll, und sie erläutern nicht, inwieweit diese Verfälschung aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten offensichtlich hervorgehen soll.

94.      In den Rn. 85 und 87 bis 89 des angefochtenen Urteils hat das Gericht auf der Grundlage des nationalen Rechts (insbesondere des Beschlusses der BNetzA von 2011) festgestellt, dass die streitige Umlage von Letztverbrauchern erhoben worden sei. Somit geht das Argument der Infineon-Gesellschaften und Deutschlands, dass eine „Abgabe“ im Sinne der Definition im Urteil Essent Netwerk Noord nur dann vorliege, wenn der Abgabenschuldner der Letztverbraucher sei, ins Leere.

95.      Wie in den Nrn. 36 bis 41 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, ergibt sich meines Erachtens aus der Rechtsprechung, dass die Frage, wer im Einzelfall Abgabenschuldner ist, unerheblich ist. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die Abgabe sich auf das betreffende Erzeugnis oder auf eine im Zusammenhang mit diesem Erzeugnis erforderliche Tätigkeit bezieht.

96.      Außerdem stimme ich der Kommission zu, dass die Erhebungs- und Zahlungspflicht zwei Seiten derselben Medaille sind(23), so dass die Beurteilung der Frage, ob die den Netznutzern auferlegte Zahlungspflicht sich aus den nationalen Rechtsvorschriften oder dem Beschluss der BNetzA von 2011 ergibt, ebenfalls unerheblich ist.

97.      Insoweit kommt es entgegen dem Vorbringen der Infineon-Gesellschaften nicht entscheidend darauf an, dass der Beschluss der BNetzA von 2011 keine Sanktionen für die Nichterhebung der streitigen Umlage vorsah. Die BNetzA übte normale Aufsichtsbefugnisse über die Übertragungsnetzbetreiber aus und konnte verbindliche Entscheidungen an diese Betreiber richten, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkamen(24).

98.      Daraus folgt, dass die auf eine Verfälschung des nationalen Rechts sowie auf das Nichtvorliegen einer Verpflichtung zur Erhebung der streitigen Umlage und das Nichtvorliegen einer Verpflichtung zur Zahlung dieser Umlage gestützte Argumentation meines Erachtens als unbegründet zurückzuweisen ist.

4)      Kein vollständiger Ausgleich für die Mindererlöse und Kosten

99.      Die Infineon-Gesellschaften tragen im Wesentlichen vor, dass die nationalen Behörden den Netzbetreibern – entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 93, 99 und 106 ff. des angefochtenen Urteils – keinen vollständigen Ausgleich für die durch die Netzentgeltbefreiung verursachten Mindererlöse und Kosten gewährt hätten.

100. Entgegen dem Vorbringen der Infineon-Gesellschaften hat das Gericht zutreffend befunden, dass die streitige Umlage einen vollständigen Ausgleich für die Mindererlöse der Netzbetreiber aufgrund der Netzentgeltbefreiungen ermögliche. Dies ergab sich aus § 19 Abs. 2 Sätze 6 und 7 StromNEV 2011(25) und aus dem Beschluss der BNetzA von 2011. Von großer Bedeutung für die Beurteilung der Umlage auf der Grundlage des Beihilferechts der Union war der Umstand, dass die Netzentgeltbefreiung von Bandlastverbrauchern und der sich daraus ergebende Vorteil vollständig durch die Umlage finanziert wurden(26).

101. Das Gericht hat in Rn. 95 des angefochtenen Urteils jedoch zutreffend das Argument zurückgewiesen, dass es keinen gesetzlichen Mechanismus zum vollständigen Ausgleich der entstandenen Mindereinnahmen gegeben habe (insbesondere, weil es unmöglich gewesen sei, die Kosten der streitigen Umlage bei Forderungsausfällen abzuwälzen). Die Einstufung der streitigen Umlage als parafiskalische Abgabe reicht nämlich aus, um die Erlöse aus dieser Abgabe als staatliche Mittel anzusehen, ohne dass sich der Staat verpflichten müsste, die durch die Nichtzahlung der Umlage – insbesondere bei Forderungsausfällen – entstehenden Verluste auszugleichen.

102. Daraus folgt meines Erachtens, dass die auf das Nichtvorliegen eines vollständigen Ausgleichs der Mindererlöse und Kosten gestützte Argumentation als unbegründet zurückzuweisen ist.

103. Meines Erachtens folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass der zweite Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften entweder als ins Leere gehend oder als unbegründet zurückzuweisen ist.

3.      Dritter Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften (Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die durch die streitige Umlage erwirtschafteten Mittel)

a)      Hauptargumente der Parteien

104. Deutschland bringt im Wesentlichen vor, dass die Rn. 63 bis 65 und 77 des angefochtenen Urteils zu dessen Rn. 99 und 100 im Widerspruch ständen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs komme es entscheidend auf die Kontrolle und Verfügungsgewalt über die betreffenden Gelder an. Außerdem habe das Gericht unzutreffend befunden, dass es zur Beurteilung der Frage, ob in der vorliegenden Rechtssache eine verpflichtende Belastung vorgelegen habe, nicht entscheidend auf das Verhältnis zwischen Stromlieferant und Stromletztverbraucher ankomme, da die streitige Umlage nicht auf den Stromverbrauch, sondern auf die Nutzung des Netzes erhoben werde.

105. Die Infineon-Gesellschaften bringen im Wesentlichen vor, dass das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sei, da das Gericht vom Vorliegen einer staatlichen Kontrolle über die durch die streitige Umlage erwirtschafteten Gelder ausgegangen sei. Die Rechtsmittelführerinnen argumentieren, dass der Staat keine direkte oder indirekte Verfügungsgewalt über die eingenommenen Beträge gehabt, sondern sich darauf beschränkt habe, die ordnungsgemäße Verwendung dieser Umlage zu überwachen. Durch die unter diesen Umständen getroffene Feststellung, dass das Kriterium der „staatlichen Mittel“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt sei, habe das Gericht den Begriff der staatlichen Beihilfe verkannt.

b)      Würdigung

106. Aufgrund des alternativen Charakters der beiden, in meiner obigen Würdigung genannten Kriterien genügt bereits das Vorliegen einer Abgabe, um den staatlichen Charakter der Mittel festzustellen. Da das Kriterium einer „Abgabe“ in den vorliegenden Rechtssachen erfüllt ist und die Würdigung des Gerichts insoweit zutreffend ist, geht der dritte Argumentationsstrang in den vorliegenden Rechtsmittelverfahren ins Leere und bedarf keiner Prüfung mehr.

107. Ich werde daher allein aus Gründen der Vollständigkeit noch folgende Anmerkungen machen.

108. Ungeachtet dessen, dass das Kriterium der „Abgabe“ erfüllt ist und die Beurteilung des Gerichts – und jetzt im Rechtsmittelverfahren diejenige des Gerichtshofs – an dieser Stelle beendet werden kann, ändert dies nichts daran, dass im vorliegenden Fall auch die Beurteilung des Kriteriums der „staatlichen Kontrolle“ durch das Gericht zu bestätigen wäre.

109. Die Mehrkosten, die sich aus der Netzentgeltbefreiung bestimmter Verbraucher ergaben, wurden gemäß den verbindlichen Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats auf die Letztverbraucher abgewälzt(27). Außerdem gewährleistete der Mechanismus der streitigen Umlage, dass die Netzbetreiber einen vollständigen Ausgleich für die Mindererlöse erhielten, da die Höhe dieser Umlage an diejenige der für die streitige Befreiung erforderlichen Mittel angepasst wurde(28).

110. Zum Argument der Infineon-Gesellschaften, die Höhe dieser Umlage sei nicht staatlich vorgegeben worden, ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Übertragungsnetzbetreiber bei der Festlegung dieser Abgabe über keinen Handlungsspielraum verfügten, und dass, wie das Gericht in Rn. 99 des angefochtenen Urteils zutreffend befunden hat, eine staatliche Kontrolle über die Gelder vorlag, d. h. über den gesamten Mechanismus für die Erhebung und Zuteilung der streitigen Umlage.

111. Deutschland und die Infineon-Gesellschaften machen gestützt auf das Urteil EEG 2012 geltend, dass die Zweckbindung der durch die streitige Umlage erwirtschafteten Mittel eine staatliche Kontrolle ausschließe. Wie das Gericht in den Rn. 109 und 110 des angefochtenen Urteils jedoch zutreffend ausführt, ist der Gerichtshof in jenem Urteil von seiner ständigen Rechtsprechung nicht abgerückt – die vielmehr durch jüngere Rechtsprechung bestätigt wurde(29) –, sondern hat sich auf die Feststellung beschränkt, dass dieser Gesichtspunkt in Ermangelung anderer Gesichtspunkte allein für den Nachweis einer solchen Kontrolle nicht entscheidend sei. In den vorliegenden Rechtssachen hat das Gericht in der Tat einen solchen anderen Gesichtspunkt ermittelt, nämlich das Vorliegen einer Abgabe.

112. Dem Argument, dass es an einer staatlichen Kontrolle über den vollständigen Mechanismus zur Erhebung der streitigen Umlage fehle, steht entgegen, dass ein zwingender Verwendungszusammenhang zwischen der streitigen Umlage (als parafiskalischer Abgabe) einerseits und der in Form einer Netzentgeltbefreiung gewährten Beihilfe andererseits besteht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich dann, wenn ein solcher Zusammenhang zwischen der Beihilfemaßnahme und deren Finanzierung besteht, aus dem Vorliegen einer Abgabe, die der Finanzierung der Beihilfe in genau definiertem Umfang dient, automatisch, dass die Beihilfe aus staatlichen Mitteln (d. h. dem Aufkommen aus der Abgabe) gewährt wird(30).

113. Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass die Vorschriften, denen die streitige Umlage in den vorliegenden Rechtssachen unterliegt, strikter sein dürften als die streitige Abgabe in der Rechtssache EEG 2012, da die vorliegend in Rede stehende Umlage auf verbindlichen Rechtsvorschriften beruht und nicht lediglich auf einer unternehmerischen/freiwilligen Entscheidung der Netzbetreiber in jener Rechtssache.

114. Daraus folgt, dass der dritte Argumentationsstrang Deutschlands und der Infineon-Gesellschaften meines Erachtens als ins Leere gehend, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen ist.

115. Daher sind der einzige von Deutschland geltend gemachte Rechtsmittelgrund sowie der erste und der zweite Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften insoweit als unbegründet zurückzuweisen, als sie die Voraussetzung des Vorliegens einer Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel betreffen.

III. Ergebnis

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, i) den ersten Grund der Anschlussrechtsmittel der Kommission sowie ii) den einzigen von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Rechtsmittelgrund und den ersten und den zweiten Rechtsmittelgrund der Infineon-Gesellschaften insoweit zurückzuweisen, als sie die Voraussetzung des Vorliegens einer Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel betreffen.
































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